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German Pages 174 Year 2019
Annika von Lüpke Sklavennatur und Menschennatur im politischen Denken des Aristoteles
Annika von Lüpke
Sklavennatur und Menschennatur im politischen Denken des Aristoteles
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
ISBN 978-3-11-064699-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065147-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-064722-8 Library of Congress Control Number: 2019947694 Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.dnb.de. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printing and binding: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Danksagung Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die im Juli 2016 an der Ludwig-Maximilians-Universität München angenommen worden ist. Ich danke Christof Rapp und Oliver Primavesi, die diese Arbeit als betreuende Professoren mit fachlichem Rat und Wohlwollen begleitet haben. Die Studie ist ein Teil der Arbeit der an der Ludwig-Maximilians-Universität München seit 2013 bestehenden DFG-Forschungsgruppe 1986 Natur in politischen Ordnungsentwürfen. Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit. Von der interdisziplinären Kooperation mit den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und dem Besuch der von der Forschungsgruppe initiierten Veranstaltungen habe ich sehr profitiert und danke besonders Beate Kellner und Andreas Höfele, die als Sprecher der Forschungsgruppe die Arbeit des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Interesse und Rat fördern. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich nicht zuletzt auch für die Übernahme eines Druckkostenzuschusses. Mein Dank gilt ferner meinen Kolleginnen Katja Flügel, Melanie Förg und Eleni Gaitanu, Frau Bettina Neuhoff vom Walter de Gruyter-Verlag sowie auch und im Besonderen meinen Eltern, Dorothee und Johannes v. Lüpke.
Inhalt . . . . . . .. .. ..
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Einleitung 1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste 1 Problemskizze Zielsetzung und Aufbau der vorliegenden Untersuchung
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18 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit 18 der Sklaverei Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen: Aristoteles’ Politik als Teil seiner Praktischen Philosophie 30 Die Unterscheidung der Praktischen Philosophie von der 48 Naturphilosophie in Hinsicht auf Gegenstand und Methode 55 Aristoteles’ Schrift Politik: Einheit und Programm Vorbemerkung zur Überlieferung 55 Komposition und Inhalt 56 Die Herrschaft im Haus als Untersuchungsgegenstand des ersten Buches 64 68 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei Die Bedeutung der Sklaverei für die griechische 69 Gesellschaft Die Ressourcen der Sklaverei 75 78 Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus Tugendübung im Umgang mit Sklaven. Ethische Aspekte 83 Zwischenergebnis 88 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven: Aristoteles im philosophischen Diskurs 91 Die Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen in 92 Abgrenzung von Platon Verschiedene Herrschaftsformen unter dem Gesichtspunkt ihrer Genese und Naturgemäßheit 98 Sklaven von Natur: Aristoteles’ Kritik an einer sophistischen These 108
VIII
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Inhalt
Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten in der Sklavereitheorie des Aristoteles 114 Die Bedeutungsanalyse des Wortes physis 116 in Metaphysik Δ 4 Das der Unterscheidung von Herren und Sklaven zugrunde liegende Naturverständnis 125 Schlussbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
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145 Literaturverzeichnis Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare Sekundärliteratur 146 Begriffsregister Stellenregister
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1 Einleitung 1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze Krieg ist von allem der Vater, von allem der König, denn die einen hat er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien gemacht.¹
Dieses berühmte Fragment des Vorsokratikers Heraklit ist für moderne Forschungsarbeiten zur Sklaverei im antiken Griechenland immer noch eine Herausforderung. Denn bezogen auf die kontroversen und oft leidenschaftlich geführten Debatten über die Sklaverei und die Möglichkeiten ihrer Überwindung scheint der Philosoph hier klar Stellung zu beziehen: Die Sklaverei ist in der Verfassung der Welt begründet. So wie „alles“ dem Krieg entstammt, so bleibt es auch durch extreme Gegensätze gekennzeichnet.² Anhand der Gegensatzpaare ,Freie – Sklaven‘ und ,Götter – Menschen‘ expliziert Heraklit bestimmte Facetten seiner Lehre von der Einheit der Gegensätze als einer „nichtoffenkundigen Harmonie“³. Die Sklaverei ist Folge des Krieges, der Sieger und Besiegte, Freie und
DK 22 B 53: πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι πάντων δὲ βασιλεύς· καὶ τοὺς μὲν θεοὺς ἔδειξε τοὺς δὲ ἀνθρώπους, τοὺς μὲν δούλους ἐποίησε τοὺς δὲ ἐλευθέρους [Mansfeld / Primavesi]. Übersetzung: dies. 2012. Mit seiner sehr einflussreichen Studie Slavery and Social Death (1982) bekräftigt Orlando Patterson diesen Zusammenhang emphatisch: „The idea of freedom and the concept of property were both intimately bound up with the rise of slavery, their very antithesis. The great innovators not only took slavery for granted, they insisted on its necessity to their way of life. In doing so, they were guilty not of some unfathomable lapse of logic, but rather of admirable candor. For Plato and Aristotle and the great Roman jurists were not wrong in recognizing the necessary correlation between their love of their own freedom and its denial to others. The joint rise of slavery and cultivation of freedom was no accident. It was, as we shall see, a sociohistorical necessity. […] We assume that slavery should have nothing to do with freedom; that a man who holds freedom dearly should not hold slaves without discomfort; that a culture which invented democracy […] should not be based on slavery. But such an assumption is unfounded. We make it only because we reify ideas, because we fail to see the logic of contradiction, and because in our anachronistic arrogance we tend to read the history of ideas backward.“ (Patterson, Social Death, S. viii–ix). In diesem Sinne auch Moses Finley: „More bluntly put, the cities in which individual freedom reached its highest expression – most obviously Athens – were cities in which chattel slavery flourished. The Greeks, it is well known, discovered both the idea of individual freedom and the institutional framework in which it could be realized. […] One aspect of Greek history, in short, is the advance, hand in hand, of freedom and slavery.“ (Finley, Greek Civilization, S. 164) DK 22 B 54: „Nichtoffenkundige Harmonie ist stärker als offenkundige.“ / ἁρμονίη ἀφανὴς φανερῆς κρείττων [Mansfeld / Primavesi]. Übersetzung: dies. 2012. Siehe auch DK 22 B 8 und 10. https://doi.org/10.1515/9783110651478-001
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1 Einleitung
Unfreie, Herrschende und Beherrschte hervorbringt.⁴ Diese Gegensätze bleiben, so legt es die Sentenz nahe, auch in Friedenszeiten bestehen. Jede Verfassung beruht auf der Unterscheidung Herrschender und Beherrschter, sei es in der Monarchie des einen im Fragment erwähnten Königs von seinen Untertanen oder in der attischen Demokratie der wenigen Bürger von den vielen von der Teilhabe an der Polis⁵ Ausgeschlossenen – darunter auch die große Gruppe der Sklaven. Selbst innerhalb der Familie findet das Prinzip Anwendung: Wie ein König herrscht dort der Vater. Und in allen drei Fällen gilt, dass die Teile eines Gegensatzpaares sich gegenseitig bedingen: Ohne Kind kein Vater, ohne Untertan kein König, ohne Freie keine Sklaven, und jeweils umgekehrt. So beständig das Prinzip, so wenig statisch sind bei Heraklit die Verhältnisse im Einzelnen: Könige kommen und gehen, Jungen wachsen zu Bürgern und Vätern heran, der Sieger im Krieg macht die Besiegten zu seinen Sklaven, unter sehr glücklichen Umständen kauft ein anderer sie wenig später frei. Das Ringen um Herrschaft, das der Krieg ist, und das – wenngleich unter anderen Vorzeichen – auch im Frieden andauert, bedeutet beständige Veränderung und ist eben darin ein Allgemeines.⁶ Die politischen Verhältnisse wiederum sind durch Recht und Verfassung geordnet und auch diese sind der kontinuierlichen Veränderung unterworfen: Ist die Sklaverei heute als Verstoß gegen die Menschenrechte erkannt und geächtet, war sie in der griechischen Antike ein selbstverständliches „Institut des Völkergewohnheitsrechts. Der Sieger im Krieg verzichtete […] auf sein Tötungsrecht.“⁷
Wo Neutralisierungen nicht möglich sind, wird in der vorliegenden Studie nicht ausdrücklich in geschlechterspezifischen Personenbezeichnungen differenziert. Die gewählte männliche Form schließt die weibliche Form gleichberechtigt ein. Die Übersetzung des griechischen Wortes ,Polis‘ ist schwierig. Ich gebrauche entweder ,Polis‘ oder die deutsche Übersetzung ,Staat‘. ,Stadt‘ ist aufgrund der großen Unterschiede zwischen den neuzeitlichen Städten und den antiken Poleis als souveränen Gemeinschaften irreführend (so auch Schütrumpf, Politik I, S. 173 – 174, der grundsätzlich davor warnt, anzunehmen, Aristoteles verfüge in diesem Zusammenhang über eine präzise Terminologie; und Wolf, Nikomachische Ethik, S. 344, Anmerkung 10). DK 22 B 80: „Es gehört sich, dass man weiß, dass der Krieg etwas Allgemeines ist und Recht Zwiespalt und dass alles geschieht in Übereinstimmung mit Zwiespalt und so auch verwendet wird.“ / εἰδέναι δὲ χρὴ τὸν πόλεμον ἐόντα ξυνὸν καὶ δίκην ἔριν καὶ γινόμενα πάντα κατ᾽ ἔριν καὶ χρεώμενα [Mansfeld / Primavesi]. Übersetzung: dies. 2012. Nippel, Preis der Sklaverei, S. 23. So auch Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 8; und Finley, Greek Civilization, S. 152: „One of the few generalizations about the ancient world to which there is no exception is this, that the victorious power had absolute right over the persons and the property of the vanquished.“ So auch Aristoteles in Pol. I 6, 1255a6 – 7: „Dieses Gesetz ist eine Übereinkunft, dass das, was im Krieg besiegt wurde, den Siegern gehört.“ / ὁ γὰρ νόμος ὁμολογία
1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze
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Die Institution der Sklaverei trat somit an die Stelle des unmittelbaren gewaltsamen Todes, dem freilich lediglich die Unmittelbarkeit genommen, der umgewandelt und aufgeschoben wurde. Denn ihrer Rechte als Menschen beraubt, sterben die Sklaven – so die klassische These Orlando Pattersons – stattdessen den social death, und oft führt die Gewalt, der sie durch die Herrschenden ausgesetzt sind, über kurz oder lang zu ihrem Tod.⁸ Ist die Gewalt, über jemanden zu herrschen, heute als Gewaltmonopol des Staates eingegrenzt und durch die Grund- und Menschenrechte relativiert, war die Sklaverei in der Zeit des Heraklit wie des Aristoteles gewöhnliche Herrschaftspraxis und als Teil der sie umgebenden Welt Voraussetzung ihres Denkens.⁹ Diesen Widerspruch muss aus- und gegenwärtig halten, wer sich mit der Sklaverei in der griechischen Antike befasst. Das zweite bei Heraklit erwähnte Gegensatzpaar ,Gott – Mensch‘ sensibilisiert uns dafür, dass Gegensätzliches in anderer Hinsicht gleichgestellt sein kann. Denn die im Fragment unterschiedenen Gruppen – die Väter, Könige, Sklaven und Freien – sind als Menschen allesamt den Göttern unterlegen. Der freie griechische Mann ist zugleich ein Beherrschter (nicht nur von den Göttern, sondern immer wieder auch als einzelner Polisbürger, der mal ein zeitlich befristetes Staatsamt innehat, mal den Beschlüssen eines anderen Amtsinhabers folgen muss)¹⁰ und in den Gemeinschaften von Herr und Sklave und von Vater und Kind ein Herrschender. Während die Sklaverei Heraklit als ein Einzelnes zur Veranschaulichung eines größeren kosmischen, begründenden und immer gleichbleibenden Zusammenhangs dient und in den uns erhaltenen Fragmenten nur dieses eine Mal begegnet, τίς ἐστιν ἐν ᾗ τὰ κατὰ πόλεμον κρατούμενα τῶν κρατούντων εἶναί φασιν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe Patterson, Social Death, S. 5: „Archetypically, slavery was a substitute for death in war. But almost as frequently, the death commuted was punishment for some capital offense, or death from exposure or starvation. The condition of slavery did not absolve or erase the prospect of death. Slavery was not a pardon; it was, peculiarly, a conditional commutation. […] Because the slave had no socially recognized existence outside of his master, he became a social nonperson.“ Will Richter bilanziert: „Es gibt bekanntlich im Altertum keine eigene Literatur περὶ δουλείας oder περὶ δούλων. Der Sklave als gesellschaftliches Phänomen, der Besitz und Gebrauch von Sklaven als Teil der äußeren Lebensgüter waren so selbstverständlich, daß sie kaum einen Gegenstand des Nachdenkens darstellten.“ (Richter, Seneca, S. 198). Die Interpretation der einschlägigen Passagen der Aristotelischen Politik freilich zeigt, dass dieser Befund kritisch zu präzisieren ist. Dass zum Bürgersein sowohl gehört zu herrschen als auch beherrscht zu werden, betont Aristoteles immer wieder. Siehe beispielsweise Pol. I 12, 1259b4– 6; II 2, 1261a32–b5; III 4, 1277a25 – 27; 1277b7– 10 und 13 – 16; 13, 1283b42– 1284a1; 16, 1287a16 – 18; VI 2, 1317b2– 4; VII 3, 1325b7– 8; 14, 1332b25 – 29. Untereinander herrschen Freie und Gleiche jedoch nicht despotisch, sondern politisch (siehe Pol. III 4, 1277b7– 10; 13 – 16 und VII 3, 1325a24– 30).
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1 Einleitung
widmet ihr Aristoteles im ersten Buch der Politik längere Passagen in mehreren Kapiteln. Hinzu kommen Abschnitte in Buch VII sowie einzelne Sätze in den Büchern II–VI und VIII und den anderen Werken seiner Praktischen Philosophie, also den Ethiken und der Rhetorik. Damit ist die Aristotelische Behandlung der Sklaverei die wohl „eindringlichste und systematischste theoretische Analyse der Institution, die wir aus der Antike überhaupt besitzen“¹¹. Für Moses Finley handelt es sich gar um „the only surviving ancient attempt at an analysis of slavery“, dem er „attitudes and ideological overtones […] in thousands of passages throughout the literature“¹² gegenüberstellt. Sie allein ist Gegenstand der hier vorliegenden Untersuchung und wird im Folgenden interpretiert und in den Gesamtzusammenhang der Politischen Philosophie des Aristoteles eingebettet. Begonnen habe ich dennoch mit Heraklit, weil sich vor dem Hintergrund des eingangs zitierten Fragments vier für die Aristotelische Theorie der Sklaverei zentrale Voraussetzungen besonders gut aufzeigen lassen. i) Wie Heraklit behandelt auch Aristoteles die Sklaverei vor allem als Herrschaftsverhältnis, als Verbindung des Hausvorstands mit seinen Sklaven, und somit relational. Dabei richtet sich das Erkenntnisinteresse des Philosophen im ersten Buch der Politik primär auf die Aufgaben und Ziele des freien griechischen Mannes, der innerhalb des oikos ¹³ (der wiederum ein Teil des Staates ist und deshalb zur Aristotelischen Politischen Theorie gehört)¹⁴ unterschiedlichen Gemeinschaften vorsteht. „Der vollkommene Haushalt aber besteht aus Sklaven und Freien.“¹⁵ Aus Sicht des Hausherrn ergeben sich dabei drei qualitativ unterschiedliche zwischenmenschliche Verhältnisse: die Verbindungen von Ehemann und Ehefrau, Herr und Sklave sowie Vater und Kind.¹⁶ In jeder dieser Gemein-
Klees, Sklavenleben, S. 7. In diesem Sinne auch Vlastos, Slavery in Plato’s Thought, S. 160. Finley, Ancient Slavery, S. 185. Während ich im Fließtext griechische Begriffe transkribiere, verwende ich in den Fußnoten griechische Schriftzeichen. Griechische Begriffe, die der Duden führt, werden nicht kursiviert. Siehe beispielsweise Pol. I 3, 1253b1– 3 und 13, 1260b13 – 14. Die Einengung auf die Perspektive des Herrn und Bürgers zeigt sich auch daran, dass Aristoteles in der Politik mal die Haushalte (neben Buch I beispielsweise auch in III 9, 1280b33 – 35; 1280b40 – 1281a1 und IV 3, 1289b27– 29) und mal nur die Bürger als die die Polis konstituierenden Teile benennt (siehe beispielsweise II 1, 1260b37– 1261a1; III 1, 1274b38 – 41 und 1275b17– 21; 3, 1276b1– 4; 12, 1283a14– 19; VII 8, 1328b19 – 23). Pol. I 3, 1253b4: οἰκία δὲ τέλειος ἐκ δούλων καὶ ἐλευθέρων [Ross]. Siehe Pol. I 2 und 3 und 12, 1259a37–b1. Die Einengung auf die Perspektive des Herrn und Bürgers zeigt sich neben dem in Anmerkung 14 genannten Aspekt auch daran, dass andere häusliche Beziehungen – wie beispielsweise die zwischen Mutter und Kind oder zwischen Geschwistern – weitgehend unberücksichtigt bleiben. Ausnahmen sind beispielsweise Pol. VII 16, 1335b16 – 19 und EN VIII 10, 1159a27– 33; 12, 1161a4– 7; 13, 1161a25 – 27 und 14.
1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze
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schaften hat der freie griechische Mann ein Gegenüber, das andere Voraussetzungen mit sich bringt und andere Aufgaben hat und in je eigener Weise beherrscht zu werden verlangt,¹⁷ soll es ihm – und durch ihn der Polis – „nützlich“¹⁸ sein. Die dem Verhältnis Herr – Sklave entsprechende Herrschaftsform ist die despotische, die Aristoteles von anderen, für die Polis relevanteren Herrschaftsformen abgrenzt.¹⁹ Der durch dieses Verhältnis hervorgebrachte Nutzen ist die Befreiung des Herrn von der Arbeit.²⁰ Vom Standpunkt des Aristoteles her gedacht, ist die Sklaverei daher nicht nur eine selbstverständliche Einrichtung des Völkergewohnheitsrechts,²¹ sondern für seine Politische Philosophie, die sich im Ganzen auf die Polis als Bürgergemeinschaft (zu der die Sklaven nicht gehören) und das Ziel des vollkommenen Lebens (von dem die Sklaven ausgeschlossen sind) richtet, eine notwendige Vorbedingung neben anderen und als solche von systematisch untergeordnetem Interesse: „Wenn sie aber in Gemeinschaft getreten und zusammengekommen sind, um nicht allein zu leben, sondern vielmehr um gut zu leben? Denn in jenem Fall hätten auch Sklaven oder andere Lebewesen Poleis: Nun gibt es diese aber nicht, da sie keinen Anteil am Glück haben und auch nicht an einem Leben in Selbstbestimmung.“²² Siehe Pol. I 1, 1252a7– 10 und 2, 1252a34–b1: „Von Natur aus ist also das Weibliche und das Sklavische geschieden.“ / φύσει μὲν οὖν διώρισται τὸ θῆλυ καὶ τὸ δοῦλον [Ross]; siehe auch 12, 1259a37–b1; 13, 1260a7– 10; III 6, 1278b30 – 1279a9; VII 3, 1325a41–b5 und EN VIII 12, 1160b31– 32: „Denn die Herrschaftsformen sind unterschiedlich, je nachdem über welche Menschen geherrscht wird.“ / τῶν διαφερόντων γὰρ αἱ ἀρχαὶ διάφοροι [Bywater]. Auch folgen daraus unterschiedliche Konzeptionen dessen, was gerecht ist (siehe Pol. I 5, 1255a1– 3; 6, 1255b4– 9; 8, 1256b23 – 26; III 17, 1287b37– 39; VII 2, 1324b32– 37 und EN V 10, 1134b8 – 18; VIII 11, 1159b35 – 1160a2). Entsprechend unterschiedlich sind auch die Freundschaften zwischen den Beteiligten: siehe EN VIII 8, 1158b11– 28. Siehe EN VIII 11, 1160a8 – 11: „Alle Gemeinschaften ähneln aber Teilen der staatlichen Gemeinschaft. Denn sie (d. h. αἱ κοινωνίαι, die Gemeinschaften) kommen zustande um eines gewissen Nützlichen willen, wobei sie sich auch etwas zum Leben verschaffen.“ / αἱ δὲ κοινωνίαι πᾶσαι μορίοις ἐοίκασι τῆς πολιτικῆς· συμπορεύονται γὰρ ἐπί τινι συμφέροντι, καὶ ποριζόμενοί τι τῶν εἰς τὸν βίον· [Bywater] und 12, 1160b27– 32. Siehe auch Pol. I 6, 1255b4– 9. Siehe Pol. I 3, 1253b4– 11; 6, 1255b4– 9; 7, 1255b16 – 20; III 4, 1277a33 – 37. Siehe die Stellenangaben in den Anmerkungen 30 und 31. Siehe auch Pol. IV 6, 1292b34– 37. Siehe Pol. I 6, 1255a6 – 7; IV 4, 1291a6 – 8; V 10, 1310b36 – 40; VII 14, 1333b38 – 41; 15, 1334a20 – 22. Pol. III 9, 1280a31– 34: εἰ δὲ μήτε τοῦ ζῆν μόνον ἕνεκεν ἀλλὰ μᾶλλον τοῦ εὖ ζῆν [sc. ἐκοινώνησαν καὶ συνῆλθον] (καὶ γὰρ ἂν δούλων καὶ τῶν ἄλλων ζῴων ἦν πόλις· νῦν δ᾽ οὐκ ἔστι, διὰ τὸ μὴ μετέχειν εὐδαιμονίας μηδὲ τοῦ ζῆν κατὰ προαίρεσιν) [Ross]. Siehe auch Pol. II 12, 1274a15 – 18; III 1, 1275a5 – 11; 12, 1283a18 – 19; VII 4, 1326a16 – 21 und 8, 1328a21– 40: „Da aber, wie bei allen anderen gemäß der Natur zusammengesetzten Dingen, die Teile des ganzen Zusammengesetzten nicht dasselbe sind wie das, ohne welches das Ganze nicht sein könnte, ist es klar, dass man auch nicht diejenigen Dinge als Teile der Polis ansehen darf, worüber die Poleis verfügen müssen […] Deshalb bedürfen die Poleis zwar des Besitzes, der Besitz ist jedoch kein Teil der Polis. Aber es gibt
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1 Einleitung
ii) In den Büchern II–VIII der Politik, die nicht oikonomischen Fragen, sondern der im engeren Sinne politischen Sphäre und im Besonderen dem Thema ,Verfassung‘²³ gewidmet sind, überwiegt daher – wie im eingangs zitierten Fragment Heraklits und auch bei Platon – die illustrative Verwendung von Sklaventerminologie.²⁴ Das Leben der Sklaven dient hier als ein Negativ, um ein positives Bild des Lebens der Freien zu zeichnen oder ganz allgemein politisches Handeln zu veranschaulichen.²⁵ Despotisch beherrscht zu werden, recht- und besitzlos und nicht autark zu sein – dieser Zustand ist als ,sklavisch‘ charakterisiert, wie auch Armut, Genusssucht, Kriecherei und Feindseligkeit gegenüber dem Staat als typische Merkmale der Sklaven gelten und von dort auf den Bereich des Politischen übertragen werden.²⁶ Insbesondere die Bücher II–VI und VIII nehmen kaum auf
viele beseelte Teile des Besitzes. Die Polis aber ist eine Gemeinschaft von Gleichen um des möglichst besten Lebens willen. Da aber einerseits das Glück das Beste ist, dieses andererseits aber in der Aktivität und in einem gewissen vollendeten Gebrauch der Tugend besteht, und es sich so ergibt, dass die einen an ihm (d. h. am Glück) teilhaben können, die anderen ein wenig oder gar nicht, ist es klar, dass dies der Grund für die Entstehung von Formen, Unterschieden und verschiedenen Verfassungen der Polis ist.“ / ’Eπεὶ δ᾽ ὥσπερ τῶν ἄλλων τῶν κατὰ φύσιν συνεστώτων οὐ ταῦτά ἐστι μόρια τῆς ὅλης συστάσεως ὧν ἄνευ τὸ ὅλον οὐκ ἂν εἴη, δῆλον ὡς οὐδὲ πόλεως μέρη θετέον ὅσα ταῖς πόλεσιν ἀναγκαῖον ὑπάρχειν […] διὸ κτήσεως μὲν δεῖ ταῖς πόλεσιν, οὐδὲν δ᾽ ἐστὶν ἡ κτῆσις μέρος τῆς πόλεως· πολλὰ δ᾽ ἔμψυχα μέρη τῆς κτήσεώς ἐστιν· ἡ δὲ πόλις κοινωνία τίς ἐστι τῶν ὁμοίων, ἕνεκεν δὲ ζωῆς τῆς ἐνδεχομένης ἀρίστης. ἐπεὶ δ᾽ ἐστὶν εὐδαιμονία τὸ ἄριστον, αὕτη δὲ ἀρετῆς ἐνέργεια καὶ χρῆσίς τις τέλειος, συμβέβηκε δὲ οὕτως ὥστε τοὺς μὲν ἐνδέχεσθαι μετέχειν αὐτῆς τοὺς δὲ μικρὸν ἢ μηδέν δῆλον ὡς τοῦτ᾽ αἴτιον τοῦ γίγνεσθαι πόλεως εἴδη καὶ διαφορὰς καὶ πολιτείας πλείους [Ross]. Siehe auch EN V 10, 1134b8 – 18. So nachdrücklich Schütrumpf, Einleitung, S. xxxiii–xxxiv: „,Verfassung‘ ist das dominierende Thema von sieben der acht Bücher von Pol. Jedes Eingangskapitel von Pol. 2– 8 enthält in den Eingangssätzen den Hinweis auf die Thematik ,Verfassung‘. Die meisten modernen Untersuchungen zur Pol. lassen nicht erkennen, dass Aristoteles sich in Pol. eine Verfassungsstudie zum Thema gesetzt hat […].“ Angekündigt wird diese Thematik auch am Ende der Nikomachischen Ethik (siehe dort X 10, 1181b12– 23). Siehe beispielsweise Pol. II 8, 1268a20; 12, 1274a18; III 11, 1282a16; IV 4, 1291a8 – 10; 11, 1295b18 – 23; 12, 1297a2; V 9, 1310a35 – 36; 10, 1311a19; 11, 1313b8; VI 2, 1317b13; VII 15, 1334a36 – 40 und 17, 1336b7– 12. Beispiele für den metaphorischen Sprachgebrauch bei Platon sind Apologie 37c1– 2; Kriton c 52 10–d3; Nomoi IV, 719e8 – 720e5; V, 726a4– 6; Phaidon 79e8 – 80a8; Philebos 58b1– 2; Politeia IV, 444b1– 5; VIII, 569a1–c4; IX, 577c5–d11 und 590c9–d8 und Theaitetos 173a1–b4. Für die Unterscheidung Freie – Sklaven siehe beispielsweise Pol. VII 3, 1325a24– 30; 7, 1327b20 – 33; 17, 1336a39–b12; VIII 2, 1337b17– 21. Siehe auch GA II 6, 744b19 – 21. Für Beispiele allgemeinen politischen Handelns siehe beispielsweise Pol. II 5, 1264a18 – 22; III 6, 1278a29 – 34; V 10, 1310a34– 40. Siehe beispielsweise Pol. II 5, 1264a34– 36; 8, 1268a17– 20; 9, 1269a36 – 39; 12, 1274a15 – 18; III 9, 1280a31– 34; 11, 1282a15 – 17; IV 4, 1291a8 – 10; 11, 1295b18 – 23; 12, 1296b40 – 1297a2; V 10, 1311a18 – 20; VI 2, 1317b10 – 13; VII 10, 1330a25 – 28; 15, 1334a36 – 40. Siehe auch EE I 5, 1215b31– 35; III 3,
1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze
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die Sklaverei Bezug und wenn doch, so geschieht dies, um politisches Handeln – häufig negativ das des Tyrannen – anhand von Beispielen zu illustrieren.²⁷ Dies führt mitunter auch dazu, dass der Begriff des ,Sklaven‘ eine Ausweitung erfährt, etwa wenn er auch auf Handwerker angewandt wird, sofern diese nicht gänzlich frei sind, sondern von ihrer Hände Arbeit leben und lebensnotwendige Dinge herstellen.²⁸ Auch dienen die unterschiedlichen Herrschaftsweisen innerhalb des Hauses als Paradigmata unterschiedlicher Herrschaftsweisen innerhalb des Staates: Wie ein König herrscht der Vater über das Kind, wie ein Tyrann der Herr über seine Sklaven.²⁹ Halten wir als ein Zwischenfazit für die folgenden Überlegungen fest: Konstitutiv für die Aristotelische Politische Theorie im Ganzen ist die Funktion der Sklaverei für die Polis, die darin besteht, die freien griechischen Männer für die Politik und die Philosophie freizustellen.³⁰ Es geht vorrangig um den partiellen Nutzen, der mittels Sklaven erreicht werden kann: die Bereitstellung des Lebensnotwendigen.³¹ Insofern dies allererst Voraussetzung für die politische und philosophische Tätigkeit des Herrn ist, ist die Sklaverei gleichsam vorpolitisch. Die Sklaven kommen als Werkzeuge innerhalb des Hauses und als Besitztümer des Herrn in den Blick.³² Darüber hinaus dienen Bezugnahmen auf die Institution dem Aristoteles – wie auch Heraklit – vor allem zur Veranschaulichung grundlegender
1231b8 – 26; EN IV 11, 1126a6 – 8; V 8, 1132b34– 1133a1; 12, 1136b29 – 31 und VII 3, 1145b23 – 24. Siehe im Gegensatz dazu die Listen mustergültiger Tugenden griechischer Bürger bei Platon und Aristoteles. Siehe Pol. V 11, 1313b32– 38 (Lockerung der Kontrolle über Sklaven in der Tyrannis); 1315a35 – 38 (Tyrannen befreien Sklaven, um ihre Macht zu erhalten) und VI 4, 1319b27– 33 (größere Freiheit der Sklaven in der Tyrannis und in der extremen Demokratie). Siehe auch EN VIII 12, 1160b27– 32. Siehe auch Platon, Nomoi VI, 777d6–e5 und Politeia VIII, 569a1–c4 für die Verwendung von Sklaventerminologie im Zusammenhang mit der Tyrannis. Dies wird besonders deutlich in Pol. III 4, 1277a33–b1. Siehe auch schon I 13, 1260a39–b2. Siehe EN VIII 12, 1160b22– 30 und 13, 1161a30–b10. Siehe Pol. I 7, 1255b34– 37 und II 9, 1269a34– 36 und 11, 1273a32– 35. Dagegen kennen Sklaven keine Muße: VII 15, 1334a20 – 22. Siehe Pol. I 5, 1254b24– 31; 13, 1260a33 – 36; III 4, 1277a33 – 37; 5, 1278a10 – 11. Siehe Pol. I 4, 1253b23 – 28 und 1254a13 – 17; 7, 1255b31– 33; 8, 1256a1– 3; III 4, 1277a5 – 12; VII 3, 1325a24– 30; 8, 1328a28 – 35 und EN V 10, 1134b8 – 18. Auf Staatssklaven kommt Aristoteles nur beiläufig zu sprechen (etwa Pol. II 7, 1267b13 – 19), sieht sie jedoch für seinen eigenen besten Staat vor (siehe VII 10, 1330a30 – 31). Im Vordergrund steht das Interesse an Sklaven, die für einen Herrn arbeiten: „Von denen aber, die sich mit der Beschaffung des Notwendigen befassen, heißen die einen, die für Einen arbeiten, Sklaven.“ / τῶν δ᾽ ἀναγκαίων οἱ μὲν ἑνί λειτουργοῦντες τὰ τοιαῦτα δοῦλοι [Pol. III 5, 1278a11– 12; Ross].
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1 Einleitung
Strukturen und Prinzipien. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, hat dieser Befund wichtige Implikationen für den Charakter und die Reichweite der Aristotelischen Theorie der Sklaverei. iii) Im nicht-metaphorischen Sinne verweist Heraklit mit dem Krieg auf eine der faktischen Hauptquellen der Sklaverei und damit auf die Wechselhaftigkeit der Verhältnisse.³³ Denn als eine selbstverständlich zu erwartende Folge einer Niederlage im Krieg konnte die Sklaverei grundsätzlich jeden, besonders aber die Frauen und Kinder, betreffen – ein vielfach beklagtes Schicksal, das beispielsweise im zeitgenössischen Theater immer wieder thematisiert wurde. Aristoteles hingegen führt mit den Sklaven ‚von Natur‘ eine Kategorie von Menschen ein, die aufgrund von spezifischen Veranlagungen – ungeachtet ihres faktisch gegebenen rechtlichen Status! – zum Sklaventum disponiert sind. Spielen bei Heraklit Krieg, Vater und König Schicksal, ist die Entscheidung über den Niedrigstatus bei Aristoteles von vornherein gefallen: „Denn das Herrschen und das Beherrschtwerden gehört nicht nur zu den notwendigen, sondern auch zu den nützlichen Dingen, und manche Dinge sind sogleich von der Geburtsstunde an getrennt, das eine auf das Beherrschtwerden, das andere auf das Herrschen hin.“³⁴ Dies wiederum hat die folgende Implikation: Sind die Sklaven – wie in Punkt i) – als Besitztümer und Werkzeuge näher bestimmt, so liegt der durch ihren Gebrauch gewonnene Nutzen einseitig beim Herrn.³⁵ Handelt es sich bei diesen Sklaven jedoch zusätzlich um ohnehin zur Sklaverei disponierte Menschen, entsteht auch für diese ein – wenngleich untergeordneter³⁶ – Nutzen: Eines selbstbestimmten Lebens nicht fähig, so das Argument, profitieren Sklaven ,von Natur‘ von der Leitung durch den Herrn. Daher kann auch von einem Verlust der Freiheit bei diesen Menschen kaum noch die Rede sein und ist ihre Versklavung gerechtfertigt. Was zunächst als bemitleidenswertes Schicksal erscheint, präsentiert
Zu den Quellen der Sklaverei in klassischer Zeit siehe Klees, Sklavenleben, S. 19 – 60. Pol. I 5, 1254a21– 24: τὸ γὰρ ἄρχειν καὶ ἄρχεσθαι οὐ μόνον τῶν ἀναγκαίων ἀλλὰ καὶ τῶν συμφερόντων ἐστί, καὶ εὐθὺς ἐκ γενετῆς ἔνια διέστηκε τὰ μὲν ἐπὶ τὸ ἄρχεσθαι τὰ δ᾽ ἐπὶ τὸ ἄρχειν [Ross]. Siehe Pol. VII 14, 1333a3 – 6: „Eine Herrschaft existiert aber, wie es in den ersten Erörterungen gesagt worden ist – die eine um des Herrschenden, die andere um des Beherrschten willen. Von diesen aber sagen wir, dass die eine die despotische ist, die andere die der Freien“ / ἔστι δὲ ἀρχή, καθάπερ ἐν τοῖς πρώτοις εἴρηται λόγοις, ἡ μὲν τοῦ ἄρχοντος χάριν ἡ δὲ τοῦ ἀρχομένου. τούτων δὲ τὴν μὲν δεσποτικὴν εἶναί φαμεν, τὴν δὲ τῶν ἐλευθέρων [Ross]. Siehe auch VII 8, 1328a21– 40. Zur Frage des Nutzens siehe auch Schütrumpf, Slaves in Plato’s Political Dialogues; und ders., Aristotle’s Theory of Slavery. Dies scheint zumindest Pol. III 6, 1278b32– 37 nahezulegen.
1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze
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Aristoteles an einzelnen Stellen als eine gute und gerechte Ordnung, sofern das Herrschaftsverhältnis der Natur der beteiligten Menschen entspricht: „Was hingegen von Natur herrscht und beherrscht wird, (verbindet sich) zu seiner Erhaltung. Denn was fähig ist, mit dem Verstand vorauszuschauen, herrscht von Natur und ist Herr von Natur, was aber fähig ist, diese Dinge mit dem Körper zu verrichten, wird beherrscht und ist Sklave von Natur. Herren und Sklaven ist deshalb dasselbe nützlich.“³⁷ Und: „Es ist also offenbar, dass von Natur aus gewisse Menschen Freie, gewisse Sklaven sind, und für die (letztgenannten) es nützt und gerecht ist, Sklaven zu sein.“³⁸ Und: „Das also der Zweifel einen gewissen Grund hat und nicht immer von Natur aus die einen Sklaven, die anderen Freie sind, ist klar, auch, dass bei manchen dieser Unterschied gemacht wird, für die es nützlich [und gerecht] ist, Sklaven beziehungsweise Herrscher zu sein, und es ist nötig, dass der eine von derjenigen Herrschaft beherrscht, der andere in derjenigen Herrschaft herrscht, die ihm jeweils von Natur aus zukommt, sodass der eine auch despotisch herrscht.“³⁹ iv) Das Spektrum, das Heraklit im eingangs zitierten Fragment aufspannt und das von Sklaven bis zu Königen und von Menschen bis zu Göttern reicht, ist auch bei Aristoteles vorausgesetzt und um das Tier erweitert. Wer gänzlich außerhalb von Gemeinschaft steht, ist entweder Tier oder Gott, sagt Aristoteles – ein Wesen also, das Recht und Gerechtigkeit nicht kennt, oder eines, das dieser Ordnung nicht bedarf und selbst Gesetz ist.⁴⁰ Oft arbeitet der Philosoph die Eigentümlichkeit des Menschen im Vergleich mit dem Tier und mit Gott heraus.⁴¹ Mit Trieben und Vernunft ausgestattet, hat der Mensch Anteil an beiden und nimmt eine Mittel Pol. I 2, 1252a30 – 34: ἄρχον δὲ φύσει καὶ ἀρχόμενον διὰ τὴν σωτηρίαν. τὸ μὲν γὰρ δυνάμενον τῇ διανοίᾳ προορᾶν ἄρχον φύσει καὶ δεσπόζον φύσει, τὸ δὲ δυνάμενον [ταῦτα] τῷ σώματι πονεῖν ἀρχόμενον καὶ φύσει δοῦλον· διὸ δεσπότῃ καὶ δούλῳ ταὐτὸ συμφέρει [Ross]. Übersetzung in: Rapp, Staat, S. 61. Siehe auch Pol. I 5, 1254a17– 20 und 1254b19 – 20. Pol. I 5, 1255a1– 3: ὅτι μὲν τοίνυν εἰσὶ φύσει τινὲς οἱ μὲν ἐλεύθεροι οἱ δὲ δοῦλοι, φανερόν, οἷς καὶ συμφέρει τὸ δουλεύειν καὶ δίκαιόν ἐστιν [Ross]. Pol. I 6, 1255b4– 9: ὅτι μὲν οὖν ἔχει τινὰ λόγον ἡ ἀμφισβήτησις, καὶ οὐκ εἰσιν οἱ μὲν φύσει δοῦλοι οἱ δ᾽ ἐλεύθεροι, δῆλον, καὶ ὅτι ἔν τισι διώρισται τὸ τοιοῦτον, ὧν συμφέρει τῷ μὲν τὸ δουλεύειν τῷ δὲ τὸ δεσπόζειν [καὶ δίκαιον], καὶ δεῖ τὸ μὲν ἄρχεσθαι τὸ δ᾽ ἄρχειν ἣν πεφύκασιν ἀρχὴν ἄρχειν, ὥστε καὶ δεσπόζειν [Ross]. Siehe auch Pol. I 6, 1255b12– 14; III 6, 1278b32– 37; 17, 1287b37– 39. Siehe Pol. I 2, 1253a25 – 29. Siehe auch Pol. I 2, 1253a1– 5; III 13, 1284a3 – 17; EN VII 1, 1145a22– 33. Siehe neben den in der voranstehenden Anmerkung genannten Stellen beispielsweise Pol. I 2, 1252b9 – 12; 5, 1254b10 – 26; III 9, 1280a31– 34; VII 13, 1332b2– 4; VIII 4, 1338b12– 32; 6, 1341a13 – 17; EE I 5, 1215b31– 35; 7, 1217a24– 29; II 6, 1222b18 – 20; 8, 1224a24– 29; EN I 3, 1095b17– 19; 6, 1098a1– 3; 10, 1099b29 – 1100a1; III 13, 1118a23 – 25; VI 7, 1141a33–b2; VII 6, 1148b15 – 24; 7, 1149b27– 1150b8; 14, 1153b25 – 31; VIII 9, 1158b33 – 1159a5; 13, 1161b1– 6; IX 9, 1170b10 – 14; X 7, 1177b26 – 31; 9, 1179a22– 31.
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1 Einleitung
stellung ein; sowohl die Logosfähigkeit als auch die Triebverhaftung stellen für Aristoteles allgemeine anthropologische Merkmale dar. Das jeweilige Mischungsverhältnis allerdings – die Natur des individuellen Menschen – ist von verschiedenen Einflüssen abhängig,⁴² die wiederum selbst natürlich sein können: Bei manchen Menschen sind aufgrund klimatischer Einflüsse die entwicklungsfähigen Anlagen stark eingeschränkt, anderen fehlt es an äußeren Gütern oder der richtigen Erziehung und Gewöhnung. Für Sklaven gilt zudem oft, dass sie durch sprachliche Barrieren und aufgrund der Tatsache, fremd und ohne eigene Familie im Land zu sein, gehemmt sind.⁴³ Auch in dieser Hinsicht bestätigt sich, dass Aristoteles über ein differenziertes Verständnis der einen Natur des Menschen verfügt. Im Rahmen seiner Politischen Philosophie macht er vielfältige Feststellungen zur Natur des Menschen – wie beispielsweise, dass unterschiedliche Menschen unterschiedlich beherrscht zu werden verlangen. Dabei scheint er in der Politik stärker als in den Ethiken die Unterschiede zwischen den Menschen betonen zu wollen. Die einen erbringen im oikos die für die Verwirklichung der eudaimonia der anderen erforderlichen Vorleistungen. Es ist die ,Notwendigkeit‘, dass Menschen in der Verschiedenheit ihrer natürlichen Veranlagung aufeinander angewiesen sind, die Aristoteles die in der menschlichen Natur angelegte Vielfalt nachdrücklich geltend machen lässt.⁴⁴ Doch hebt diese Differenzierung die Ein-
Mit Blick auf die Lebenswirklichkeit von Sklaven betonen Orlando Patterson und Hans Klees in ihren einschlägigen Studien immer wieder, dass aufgrund der verschiedenen Einflussfaktoren die Sklaverei als eine „individualized condition“ zu beschreiben ist: „the slave was usually powerless in relation to another individual […]. In his powerlessness the slave became an extension of his master’s power. He was a human surrogate, recreated by his master with god-like power in his behalf.“; „it should be clear that we are dealing not with a static entity but with a complex interactional process, one laden with tension and contradiction in the dynamics of each of its constituent elements.“ (Patterson, Social Death, S. 4 und S. 13). In der Forschungsliteratur zur Sklaverei wird immer wieder herausgestellt, dass die Aspekte der Sprach- und Familienlosigkeit maßgeblich zur ,Entmenschlichung‘ von Sklaven beitragen (siehe beispielsweise Patterson, Social Death, S. 5 – 10; Flaig, Untermenschen konstruieren, S. 60). Beide Gesichtspunkte spielen eine wichtige Rolle im täglichen Umgang mit Sklaven: Häufig begegnet die Empfehlung, Sklaven unterschiedlicher Herkunft zu mischen, um das Aufkommen eines Zusammengehörigkeitsgefühls zu erschweren (siehe Pol. VII 10, 1330a25 – 33; für Platon siehe Nomoi VI, 777b1– 778a4). Eine Ehe eingehen und eine Familie gründen zu dürfen wiederum, sind in allen sklavereibasierten Gesellschaften wichtige Anreize für die Sklaven. Für die griechische Antike siehe Klees, Sklavenleben, S. 75 und S. 105. In diesem Sinne auch Ober, Political Dissent, S. 345 – 346: „The theory of natural slavery is the only practical way to ensure both the common good and the ‘autarkic’ productive capacity without resorting to (actual or potential) citizen laborers.“ Kursivierung durch den Verfasser.
1.1 Sklaverei – ein menschliches Grundverhältnis? Eine erste Problemskizze
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heit der Menschennatur nicht auf.⁴⁵ Denn sowohl die sklavische als auch die geistige Existenz sind im Aristotelischen Theorierahmen in der allgemeinen Charakterisierung des Menschen angelegt. Die eine Natur des Menschen ist als vernünftig und als triebhaft zu charakterisieren. Es lassen sich verschiedene Grade der Realisierung der Vernunftnatur feststellen, jedoch ist der Mensch nie reine Vernunft⁴⁶ oder – wie es in einem berühmten Fragment des Euripides über die Sklaven heißt – nie „ganz Bauch“⁴⁷. Somit ist die Sklaverei weder willkürlich gegen die eine Natur des Menschen, noch ist sie positiv aus dieser abzuleiten. Gerechtfertigt ist sie nach Aristoteles, sofern sie der je individuellen Natur der beteiligten Menschen entspricht. Das bedeutet freilich auch, dass zwischen der Menge der Menschen, die in einer Polis de facto versklavt sind, und der Gruppe der Menschen, die aufgrund ihrer Natur zum Sklaventum disponiert sind, durchaus Unterschiede bestehen können. Auch dürfen wir vor diesem Hintergrund nicht voraussetzen, dass Aristoteles alle Barbaren für Natursklaven hält.
Auch hebt diese Differenzierung nicht die Einheit der ,Philosophie über die menschlichen Belange‘ auf, wie Peter Garnsey behauptet (Garnsey, Ideas of Slavery, S. 125). Er argumentiert entwicklungsgeschichtlich: „If, as I suspect, Aristotle could not have talked of slavery in the Ethics in the way that he does having already conceptualized natural slavery, and if one can supply context and motivation for such a conceptualization in the Politics, then the natural slave theses can be plausibly represented as a later development in his thinking on slavery.“ Kursivierungen durch den Verfasser. Dem widersprechen meines Erachtens sowohl EN V 10, 1134b8 – 18 als auch Pol. I 4, 1254a8 – 17. Die größere Autarkie kennzeichnet die theoretische Lebensform als vollkommener und in höherem Maße erstrebenswert als die politische. Da der Mensch als Einzelner jedoch nicht gänzlich autark leben kann, übersteigt die dauerhafte rein geistige und apolitische Betätigung seine Möglichkeiten (siehe EN I 5, 1097b8 – 11; X 7, insbesondere 1177a27– 34 und b26 – 31). In diesem Sinne auch Kullmann, Der Mensch als politisches Lebewesen, S. 441– 442: „Die reine θεωρία ist gerade der Punkt, wo der Mensch sich in einer Grenzsituation befindet und sich dem Göttlichen nähert, das ja nach Pol. I 2, 1253a29 durch seine Bedürfnislosigkeit völlig autark ist. So weist das eigentliche Telos des Menschen, auch wenn es letztlich das bloße Menschsein im Sinne der biologischen Existenz transzendiert, über die Eigenschaft des Politischen hinaus.“ Euripides bei Stobaios IV, XIX, 15, S. 425, 4– 5 Wachsmuth (fr. 49 N.2): „Denn so ein Übel ist das sklavische Geschlecht, ein Bauch in allem; das, was hernach kommt, erwägt es nicht.“ / οὕτω γὰρ κακὸν δοῦλον γένος / γαστὴρ ἅπαντα, τοὐπίσω δ’ οὐδὲν σκοπεῖ. Für diesen Gedanken siehe bereits Hesiod, Theogonie 26.
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1 Einleitung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der vorliegenden Untersuchung Die Ausführungen unter iii) und iv) zeigen, dass Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten für die Aristotelische Politik zentral sind. Neben der These, dass (a) aufgrund ihrer natürlichen Veranlagungen bestimmte Menschen für ein Leben in Sklaverei, andere hingegen, über sie zu herrschen, besonders geeignet seien, sind insbesondere zwei weitere Natürlichkeitsbehauptungen bekannt und überaus wirkmächtig: die Thesen, dass (b) der Staat von Natur aus existiere und dass (c) der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen sei.⁴⁸ Es lässt nun die in These (a) behauptete Ungleichheit unter den Menschen die Thesen (b) und (c) als fragwürdig erscheinen und eine widersprüchliche Konzeption der Menschennatur bei Aristoteles vermuten. Zumindest stellt sich die Frage nach dem Geltungsbereich dieser Thesen. Sind gar nicht alle Menschen vernunftbegabt? Können nur einige wenige – nämlich die freien griechischen Männer – die dem Menschen als solchem zukommende Bestimmung verwirklichen? Gelingt ihnen das gar nur auf Kosten anderer Menschen? Und wie soll es sich um eine allen gemeinsame – also auch die Sklaven einschließende – Menschennatur, die das Staatswesen begründet, handeln, wenn die Sklaven doch von der Teilhabe an der Polis ausgeschlossen sind? Sollte schon die erzwungene Weise der Mitwirkung den Sklaven als Zoon politikon qualifizieren? Diese Fragen wiederum münden in die grundsätzliche Frage, ob sich die Behauptung, es gebe Menschen, die von Natur dazu veranlagt sind, als Sklaven zu dienen, mit der allgemeinen Anthropologie des Aristoteles vereinbaren lässt. Sowohl die These von der Vernunftbegabung des Menschen, von seinem Streben nach eudaimonia, das sich nun gerade in der Betätigung der Vernunft erfüllt, als auch die Bestimmung des Menschen als politisches Lebewesen scheinen im Widerspruch zur Konzeption einer Sklavennatur zu stehen. Um die damit aufgeworfene Problematik zu klären, verfolgt die vorliegende Untersuchung eine doppelte Zielstellung. Es soll erstens die Aristotelische Theorie der Sklaverei durch sorgfältige Einbettung in ihren Aristotelischen Kontext neu interpretiert werden. Ich unterscheide die Bestimmung der Sklaven als Besitztümer und Werkzeuge von der naturalistischen Doktrin, dass bestimmte Menschen für ein Leben in Sklaverei, andere hingegen, über sie zu herrschen veranlagt sind. Diese Doktrin, so be-
Alle drei Thesen finden sich im ersten Buch der Politik. These (c) begegnet auch in Pol. III 6, 1278b19. Weitere Vorkommen im Corpus Aristotelicum listet Kraut, Political Philosophy, S. 247, Anmerkung 10 auf.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der vorliegenden Untersuchung
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haupte ich, ist für das Ganze der Politik von untergeordneter Bedeutung.⁴⁹ Klammert man sie daher vorerst ein, zeigt sich, dass Vieles von dem, was Aristoteles in der Politik über Sklaven sagt, Allgemeingut seiner Zeit ist. Der Philosoph ist oft ein konventioneller Denker der Sklaverei. Dieser Befund wiederum wirft die Frage auf, ob und inwieweit Aristoteles auch als ein ideologischer Denker der Sklaverei charakterisiert werden kann. Die systematisch geringe Bedeutung des Gegenstands und sein Verständnis Praktischer Philosophie lassen dies, so möchte ich zeigen, zumindest als fragwürdig erscheinen. Das Interesse des Philosophen gilt vorrangig der Erkenntnis des anthrôpinon, der Natur des Menschen im Sinne einer Politischen Anthropologie. Nichtsdestoweniger findet sich die These der von Natur zum Sklaventum disponierten Menschen in der Politik und verlangt, berücksichtigt zu werden – umso mehr als die in diesem Zusammenhang behauptete Ungleichheit unter den Menschen, die Konzeption einer Sklavennatur, im Widerspruch zu zentralen Lehrstücken von Aristoteles’ allgemeiner Anthropologie zu stehen scheint. Es soll daher zweitens ein Vorschlag unterbreitet werden, wie dieser Widerspruch aufgelöst werden kann. Ob die Rede von der Sklavennatur mit dem Begriff einer durch Teilhabe am Logos und am politischen Leben definierten Menschennatur vereinbar ist, entscheidet sich am Verständnis dessen, was ,Natur‘ im Sinne des Aristoteles ist. Mit Blick darauf möchte ich am Beispiel der Untersuchung von These (a) zeigen, dass es in der Aristotelischen Politik nicht die eine übergreifende und programmatische Art und Weise der Berufung auf die Natur gibt, die es erlauben würde, das poli Eine dieser These entsprechende Rezeptionsgeschichte zeichnet Wilfried Nippel nach: „Die naturalistische Doktrin des Aristoteles hat wiederum in der Antike kaum Nachfolge gefunden. Für die römischen Juristen stand fest, dass die Sklaverei contra naturam sei, nur tangierte das nicht ihre Rechtmäßigkeit nach Völkergewohnheitsrecht (ius gentium). In der innerspanischen Diskussion des 16. Jahrhunderts über die Rechtsgrundlagen des neuen Kolonialreiches hatte es Stimmen gegeben, welche die Indios mit den von Aristoteles postulierten ,natürlichen Sklaven‘ gleichsetzen wollten, doch war dies von den führenden Theologen und Juristen abgelehnt worden. Neue Anhaltspunkte fanden sich seit dem 18. Jahrhundert in der Anthropologie, in der Hautfarbe beziehungsweise Rasse zum Kriterium wurde, so dass man nunmehr meinte, die Schwarzafrikaner mit jenen ,Sklaven von Natur‘ identifizieren zu können.“ (Nippel, Preis der Sklaverei, S. 24). Siehe auch Schütrumpf, Aristotle’s Theory of Slavery, S. 89: „Aristotle’s theory of slavery is not derived from a study of a specific form of ancient slavery, but based on a concept about the structure of internal conditions in man that he then extrapolated to a specific form of relationship between men. It should not be surprising, then, that Aristotle’s theory of slavery formulated in such a way is almost completely irrelevant for any understanding of the reality of social conditions of ancient Greece, nor is it helpful at all to understand the Politics, with the exception of books 7 and 8.“ Und S. 90: „Aristotle’s theory of slavery, developed on Platonic concepts, has only very limited implications for Aristotle’s own political philosophy.“
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1 Einleitung
tische Denken des Philosophen undifferenziert als naturalistisch zu charakterisieren, wie es in der Rezeptionsgeschichte oft geschehen ist.⁵⁰ Unter dem Schlagwort des ,Politischen Naturalismus‘ oder des ,Aristotelischen Naturalismus‘ droht die Aristotelische Politische Philosophie auf eine einfache Formel reduziert und Rechtfertigungs- und Normierungsfragen im Rekurs auf die Natur als einer vermeintlich eindeutigen objektiven Instanz beantwortet zu werden.⁵¹ Demgegenüber plädiere ich für ein Verständnis der Natur des Menschen im Sinne einer in sich differenzierten Natur. Die Menschennatur birgt eine Variationsbreite möglicher Realisierungen.⁵² Sie umspannt die Extreme der Orientierung am Logos einerseits und des Lebens nach angeborenen Instinkten andererseits und weist ein großes Spektrum auf, das vom Animalischen zum Göttlichen reicht. Unterschiede zwischen einzelnen Menschen sind gradueller Art und von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Dabei können Handwerker und arbeitende Freie – so wird zu zeigen sein – durchaus hinter Sklaven zurückfallen, wie einzelne Barbaren zu Philosophen aufzusteigen vermögen. Der rechtlich strikten Unterscheidung zwischen Freien und Unfreien ist ein ,weiches‘ Kontinuum der Verwirklichung der Menschennatur gegenüberzustellen. Ein solches differenziertes Verständnis der Natur des Menschen lässt Raum für die Annahme, dass es Menschen gibt, deren Sklavesein ihrer individuellen Natur entspricht, eröffnet
Ich verwende die Begriffe ,Naturalismus‘ und ,naturalistisch‘ in einem weit gespannten, wertneutralen Sinne, um Argumente zu bezeichnen, die auf Natur Bezug nehmen. Anders ist der Sprachgebrauch in den aktuellen ethischen Diskursen, wenn dort als ,naturalistisch‘ Konzepte bezeichnet werden, die Geist auf Materie zu reduzieren oder auch moralische Begriffe aus der Natur abzuleiten suchen. Siehe beispielsweise Flasch, Einführung, S. 134– 140; Miller, Nature, Justice, and Rights, S. 27; Schofield, Ideology, S. 10; und jüngst Janez Perčič: „Die Natur kann also nicht als neutral aufgefasst werden, weil sie für den Menschen da ist, d. h. der Zweck der Natur ist der Mensch.“ Und: „Aristoteles kann zwar nicht davon ausgehen, dass die Vernunft die Zwecke des Menschen setzt, weil er annimmt, dass die Zwecke bereits von der Natur gegeben sind. Da aber die Natur als eine Form von Vernunft fungiert und als Norm gelten kann, lässt sich schlussfolgern, dass die Natur als eine Art der Vernunft die Zwecke des Menschen festlegt und diesen Zwecken, die auf das höchste Gut ausgerichtet sind, objektive Gültigkeit zukommt. (Perčič, Abhängigkeit, S. 81 und S. 84). Zu dieser Interpretationsrichtung kritisch bereits Rapp, Staat. Seine den Naturalismus, der in der Forschung vielfach als ein allgemeines Merkmal des Aristotelischen Politischen Denkens ausgegeben worden ist, eingrenzende und differenzierende Lesart stellt den Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen dar und soll nun für These (a) fruchtbar gemacht werden. Siehe dort auch die Diskussion der jüngeren naturalistischen Lesarten von Manuel Knoll (Gerechtigkeit) und Adriel M. Trott (Nature of Community), die These (b) im Lichte der Aristotelischen Physik und Metaphysik interpretieren. Dies gilt im Übrigen auch für die Staatswesen, die der Mensch begründet. Die beste Verfassung wird dabei selten – vielleicht nie – erreicht (siehe Pol. IV 1).
1.2 Zielsetzung und Aufbau der vorliegenden Untersuchung
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aber auch eine kritische Sicht auf Verhältnisse, in denen Menschen gegen ihre Natur versklavt werden. Es ergibt sich die folgende Gliederung: Zunächst sind die Grundlagen meiner Interpretation offenzulegen (Kapitel 2: Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage). Dabei schreite ich gleichermaßen vom Größeren zum Kleineren und stelle Aristoteles’ Theorie zunächst in den Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei (2.1). Es wird deutlich, dass die Interpretation der einschlägigen Passagen häufig von moralischen Wertungen und ideologischen Interessen geleitet ist. In einem zweiten Schritt erfolgt die philosophische Einordnung des politischen Denkens bei Aristoteles (2.2). So ist die Praktische Philosophie des Aristoteles einerseits als Politische Anthropologie zu charakterisieren und damit primär ein theoretisches Unterfangen. Diese Bestimmung impliziert, dass nicht Rechtfertigungs- und Normierungsfragen im Vordergrund stehen, sondern es dem Philosophen vorrangig darum geht, zu beschreiben und zu erklären, was ist. Andererseits sieht sich Aristoteles – insbesondere in den mittleren Büchern der Politik – durchaus auch als Ratgeber für die politische Praxis und hält als ein solcher ausdrücklich an der Institution der Sklaverei fest, ja legitimiert sie theoretisch, indem er eine Gruppe von Menschen ausmacht, für die sich die Sklaverei als gerecht und vorteilhaft zeigt. In einem weiteren Schritt ist näher auf die Schrift Politik selbst einzugehen (2.4). Dabei ist in der gebotenen Kürze auch die raumgreifende Forschungskontroverse über den Aufbau und die Einheit des Werkes, welches die maßgebliche Textgrundlage für die nachfolgenden Überlegungen darstellt, zu behandeln. Was das Ganze der Politik angeht, argumentiere ich für die gemäßigt analytisch-genetische Position Eckarts Schütrumpfs. Als Untersuchungsgegenstand des ersten Buches wird schließlich die Herrschaft im Haus benannt, die Aristoteles jedoch nicht im engeren oikonomischen Sinne um ihrer selbst willen, sondern im größeren Rahmen der Politischen Philosophie verhandelt. Die Politische Philosophie wiederum ist meines Erachtens als ein von der Aristotelischen Naturphilosophie weitgehend unabhängiges Projekt zu bestimmen (2.3). Anschließend wird Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei vorgestellt (Kapitel 3). Anhand der Themenfelder der Bedeutung der Sklaverei für die griechische Gesellschaft (3.1), der Ressourcen der Sklaverei (3.2), der Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus (3.3) sowie der Tugendübung im Umgang mit Sklaven (3.4) kann gezeigt werden, dass sich Aristoteles’ Aussagen über Sklaven nur in Nuancierungen von den in seiner Zeit üblichen Auffassungen unterscheiden. Es erscheint daher als fragwürdig, ob wir aus diesen
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1 Einleitung
Passagen Rückschlüsse auf Besonderheiten der Aristotelischen Politischen Philosophie ziehen dürfen. Im vierten Kapitel (Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven: Aristoteles im philosophischen Diskurs) wird näher ausgeführt, dass und inwieweit sich Aristoteles mit Aussagen über Sklaven auch am philosophischen Diskurs seiner Zeit beteiligt. Dabei ist von einer doppelten Frontstellung auszugehen: So wendet Aristoteles sich im ersten Buch der Politik erstens gegen Platons These von der Einheit des politischen Wissens und unterscheidet selbst verschiedene Herrschaftsformen (4.1). Zweitens nimmt er auf eine zeitgenössische Debatte im Umfeld der Sophistik Bezug (4.3) und kritisiert die These, dass die Sklaverei allein aufgrund positiven Rechts und nicht kraft Natur bestehe. Hier begegnet das Argument, bestimmte Menschen seien beherrscht zu werden, andere hingegen, zu herrschen begabt. Werden nun die beherrscht zu werden veranlagten Menschen der Führung durch zu herrschen veranlagte Menschen unterworfen, sei das für beide Seiten vorteilhaft und die Sklaverei daher gut und gerecht. Damit erfährt das antike Denken über Sklaverei eine wirkmächtige, aber auch zu problematisierende Rechtfertigung. Qualifiziert Aristoteles die despotische Herrschaft des Herrn über Sklaven somit als natürlich, bedarf doch das zugrunde liegende Naturverständnis der Klärung.⁵³ Das geschieht in Kapitel 5 (Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten in der Sklavereitheorie des Aristoteles). Es verbindet die Sklavenfrage mit der Debatte um den Aristotelischen Naturalismus. Nun ist mit der Beschreibung eines Arguments als ,naturalistisch‘ nicht viel gewonnen; die Rede von dem Naturalismus des Aristoteles erscheint als allzu grobe Etikettierung, sofern sie ein eindeutiges und einheitliches Verständnis von ,Natur‘ unterstellt. Ausgehend von den Unterscheidungen, die Aristoteles selbst im fünften Buch der Metaphysik ⁵⁴ vornimmt,⁵⁵ zeige ich, dass vielmehr mit einer Variati-
Siehe beispielsweise Pol. I 2, 1252a30 – 34; I 5, 1254a17– 20; b19 – 20; 1255a1– 3; I 6, 1255b4– 9; 12– 14; III 6, 1278b32– 37; 17, 1287b37– 39. Met. Δ 4, 1014b16 – 1015a19. Da das fünfte Buch der Metaphysik in dem antiken Schriftenverzeichnis des Diogenes Laertios unter dem Titel Über das in wie viel Weisen Gesagte oder gemäß dem Zusatz / Περὶ τῶν ποσαχῶς λεγομένων ἢ κατὰ πρὸσθεσιν als eigenständiges Werk geführt wird (Lebensgeschichten und Meinungen von berühmten Philosophen / Βίοι καὶ γνῶμαι τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων, Liber V, 292) und den Charakter eines Handbuchs hat, ist davon auszugehen, dass die dort vorgestellten Begriffsanalysen nicht an ein bestimmtes Sachgebiet gebunden sind. Siehe Kirwan, Aristotle’s Metaphysics, S. 122: „manual“; siehe auch Ross, Aristotle’s Metaphysics I, S. xxv: „Δ is evidently out of place where it is, and as evidently it is a genuine Aristotelian work. […] It is a useful preliminary to the Metaphysics, but it is not preliminary to it in particular.“
b
1.2 Zielsetzung und Aufbau der vorliegenden Untersuchung
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onsbreite möglicher Bedeutungen und Funktionen zu arbeiten ist (5.1). Die in der Geistesgeschichte seit je beklagte Vieldeutigkeit des Naturbegriffs trifft somit auch auf Aristoteles zu⁵⁶ und fordert dazu heraus, in der Unterscheidung von Menschennatur und Sklavennatur die Konsistenz des Naturbegriffs zu prüfen (5.2).
Insofern Aristoteles in den Hermeneutika dafür eintritt, dass Wortbedeutungen konventionell sind – also ursprünglich kontingente Symbole, die auf Vereinbarungen beruhen –, vertritt er eine nicht-naturalistische Auffassung der Sprache: „Ein Wort beruht auf Übereinkommen, weil keines der Worte von Natur aus ist, sondern nur dann, wenn es zu einem Zeichen wird.“ / τὸ δὲ κατὰ συνθήκην, ὅτι φύσει τῶν ὀνομάτων οὐδέν ἐστιν, ἀλλ’ ὅταν γένηται σύμβολον (De int. 2, 16a26 – 28; [Minio-Paluello]). Mühelos lassen sich in diesem Zusammenhang weithin bekannte und vielfach zitierte Bemerkungen aus unterschiedlichen Jahrhunderten anführen, welche die Mehrdeutigkeit und Widerspenstigkeit des Naturbegriffs betonen. Siehe beispielsweise Boyle, A Free Enquiry, S. 20: „a word so apt to be misemployed“; Sturm, Philosophia eclectica, S. 359: „vocabulum magis ambiguum et aequivocum eo ipso“; Hume, Dialogues, S. 136: „that vague, indeterminate word, Nature, to which the vulgar refer every thing“; Mill, Three Essays, S. 3: „one of the most copious sources of false taste, false philosophy, false morality, and even bad law“; Williams, Nature, S. 219: „perhaps the most complex word in the language“; Daston und Vidal, Doing What Comes Naturally, S. 4: „labyrinthine situation“.
2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage 2.1 Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei¹ Forschungen zur antiken Sklaverei waren und sind durch Probleme belastet und stellen auch heute noch ein sensibles Thema dar.² Anhand der geschichtswissenschaftlichen Literatur lassen sich hierfür vor allem drei Problemfelder ausmachen:³ (i) die politische Brisanz des Themas, (ii) die Gräuel der Versklavung von Menschen und die im modernen Denken darauf bezogene moralische und rechtliche Verpflichtung, die Sklaverei als Verstoß gegen die Menschlichkeit zu verurteilen, und (iii) die für die Alte Geschichte notorisch schwierige Quellenlage. Aufgrund des großen Einflusses dieser Faktoren auf die Fachliteratur aller beteiligten Disziplinen und der prominenten Rolle, welche die Aristotelische Diskussion der Sklaverei in der Rezeptions- und Ideengeschichte spielt, ist es erforderlich, sich diese drei Problemfelder einleitend zu vergegenwärtigen. Zu (i): Forschungsprojekte zur antiken Sklaverei waren in der Neuzeit und insbesondere seit Beginn der systematischen und kritischen Erforschung dieser Institution gegen Ende des 18. Jahrhunderts stärker als Arbeiten zu anderen Themenfeldern der griechisch-römischen Antike mit zeitgenössischen ideologischen
Ich verwende den Begriff ,antike Sklaverei‘ hier im engeren Sinne zur Bezeichnung der eineinhalbtausendjährigen Geschichte der griechisch-römischen Sklaverei. Das lässt sich exemplarisch an den Kontroversen um das gleichnamige Projekt Forschungen zur antiken Sklaverei (1950 – 2012) der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur aufzeigen. Siehe dazu Deissler, Cold Case?; und Herrmann-Otto, Projekt. Ein Beispiel jüngster Zeit ist die mit Polemik und Empörung geführte Diskussion um das Buch Weltgeschichte der Sklaverei des Rostocker Althistorikers Egon Flaig aus dem Jahr 2009. Siehe dazu die im Literaturverzeichnis angeführten Rezensionen von Marc Buggeln, Christian Grieshaber und Ulrike Schmieder. Als charakteristisches Merkmal nennt auch Moses Finley „the volume and the polemical ferocity of work on the history of slavery“ (Finley, Ancient Slavery, S. 79; siehe auch ders., Slavery and the Historians, S. 251– 254); Géza Alföldy vergleicht Auseinandersetzungen um die antike Sklaverei gar mit einem „Religionskrieg“ (Alföldy, Antike Sklaverei, S. 3). Diese Gliederung ist schematisch. Nicht immer lassen sich die Gründe in der Forschungsliteratur scharf trennen. https://doi.org/10.1515/9783110651478-002
2.1 Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei
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und politischen Interessen verflochten.⁴ Beispielhaft sei nur an die folgenden Auseinandersetzungen erinnert: Im Zuge der Entdeckung Amerikas im 15. und 16. Jahrhundert kam es in Spanien zu einer kontroversen Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Versklavung indigener Völker, deren bekannteste Protagonisten Bartolomé de Las Casas auf Seiten der Dominikaner und Juan Ginés de Sepúlveda für die Conquistadoren sich beide auf Aristoteles’ Politische Philosophie beriefen. Der Philosoph wurde in dieser Debatte, der berühmten Kontroverse von Valladolid 1550 – 1551, sowohl zur Kritik (Las Casas) als auch zur Rechtfertigung (Sepúlveda) neu entstehender Sklavereisysteme als zentrale Autorität ins Feld geführt.⁵ Henri A. Wallons Werk Histoire de l’esclavage dans l’antiquité (1847) muss im Kontext der zeitgenössischen Diskussion über die Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien gelesen werden. Der Verfasser, selbst Historiker und Politiker, setzte sich aktiv für den Abolitionismus, im Besonderen für die Verwirklichung der Errungenschaften der Französischen Revolution im gesamten französischen Herrschaftsbereich, ein und suchte anhand der Geschichte des Altertums nachzuweisen, dass die Institution der Sklaverei insgesamt schlecht sei und nicht etwa zum Erhalt, sondern zwangsläufig zum Untergang von Staaten führe: „Il y eut du bien, du mal, dans la civilisation ancienne: le mal, nous l’avons montré, revient de droit à l’esclavage, le bien, à la liberté.“⁶ Eng mit dem Namen Henri A. Wallon verbunden ist die Diskussion über den Einfluss des Christentums auf das Ende der antiken Sklaverei.Wie kurze Zeit nach ihm Paul Allard (1876) war er der Überzeugung, dass die Abschaffung der Sklaverei wesentlich auf die Wirkmacht der biblischen Lehren von der Gleichheit aller Ich folge Johannes Deissler darin, dass Johann F. Reitemeiers 1789 erschienene Abhandlung Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland den Beginn der modernen Erforschung der antiken Sklaverei markiert (siehe Deissler, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, S. 152– 153; in diesem Sinne auch Finley, Ancient Slavery, S. 103 – 107; und Vogt, Die antike Sklaverei als Forschungsproblem, S. 97). Die Arbeit Johann F. Reitemeiers kennzeichnet zugleich die stärkere Hinwendung der Forschung zur griechischen Sklaverei, die zuvor vernachlässigt worden war (siehe Deissler, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, S. 12– 14 und S. 147– 152; Finley, Ancient Slavery, S. 93; und Kaiser, Renaissance-Humanismus; so auch die Einschätzung des Autors selbst: Reitemeier, Geschichte und Zustand, S. 6). Für einen Überblick über die vorangehenden Arbeiten des Humanismus und der Philosophie der Aufklärung siehe Deissler, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, S. 1– 152 (deutsche Aufklärung); Kaiser, Renaissance-Humanismus; und Vogt, Die Humanisten und die Sklaverei, S. 112– 122 (Humanismus). Siehe Delgado, Die Indios als Sklaven von Natur?; ders., Las Casas; ders., Sepúlveda; Schäfer, Juan Ginés de Sepúlveda. Wallon, Histoire de l’esclavage II, S. 446; siehe auch Bellen, Herausforderung, S. 196; Dumont, Wallon, Henri Alexandre; und Vogt, Die antike Sklaverei als Forschungsproblem, S. 98 – 100.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
Menschen als Ebenbilder Gottes (Genesis 1,28) und in der christlichen Gemeinde (Galater 3,28 und Philemonbrief) zurückzuführen sei. Gegen diese These wandte sich zuerst der Kirchenhistoriker Franz C. Overbeck, der demgegenüber den Einfluss der Philosophie der Stoa auf das frühe Christentum geltend machte – eine Auffassung, der auch mit einem stärkeren Bewusstsein für die Unterschiede zwischen stoischer und christlicher Ethik heute noch zugestimmt wird: „Inzwischen ist es unstrittig, dass das frühe Christentum, besonders im lateinischsprachigen Bereich, in weitem Umfang Stoische Philosophie rezipiert hat.“⁷ Dass dem Ende der antiken Sklaverei vielfältige weitere Faktoren zugrunde lagen, ist selbstverständlich. Auch die ersten beiden Übertragungen der Aristotelischen Politik ins Deutsche entstanden Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Eindruck der Französischen Revolution und zeichnen sich durch einen starken Gegenwartsbezug aus.⁸ Und noch im 20. Jahrhundert sind Forschungen zur antiken Sklaverei deutlich durch gegenwärtige Auseinandersetzungen und Interessen beeinflusst: a) Die eigene Betroffenheit als Nation und das daraus erwachsende starke Interesse an der Erforschung moderner Sklavereisysteme prägen insbesondere amerikanische Zugänge zur antiken Sklaverei.⁹ Eine Betrachtungsweise, die Verbindungen zwischen der Vergangenheit und der im Umbruch begriffenen Gegenwart herzustellen sucht, muss seit der Bürgerrechtsbewegung der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts als ebenso charakteristisch für die amerikanische Forschung gelten wie der Vergleich verschiedener Sklavereisysteme und die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Perspektive ihres bis heute berühmtesten Vertreters Moses Finley.¹⁰ b) Die marxistisch-leninistische Geschichtslehre der Klassengesellschaften, die Theorie des Historischen Materialismus, bezeichnet die antike Sklavenhalterordnung als zweite Formationsstufe der gesellschaftlichen Entwicklung. Einen entsprechend hohen Stellenwert hatten Forschungsarbeiten zum
Ritter, Christentum; siehe auch Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 18; Ritter, Allard; Shaw, ‘A Wolf by the Ears’, S. 44. Siehe Deissler, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, S. 326 – 331; es handelt sich um die Übersetzungen von Johann G. Schlosser (1798) und Christian Garve (1799 – 1802). Siehe Bradley, Roman Slavery, S. 478 – 486; Finley, Ancient Slavery, S. 79; Herrmann-Otto, Projekt, S. 65; McKeown, Inventing Slaveries, S. 43; und Osterhammel, Zivilisation des Westens, S. 12. Siehe Shaw, ‘A Wolf by the Ears’, S. 3 – 11. Für die komparative Methode siehe auch Bradley, Roman Slavery (mit weiteren Literaturangaben); zur Person Moses Finley, der allerdings seit 1955 an der Universität in Cambridge lehrte und seit 1962 britischer Staatsbürger war, siehe Christ, Moses Finley; und Nippel, Moses I. Finley; für den soziologischen wie komparativen Zugriff einschlägig: Patterson, Social Death.
2.1 Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei
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Thema in der Sowjetunion lange Zeit inne, wobei jedoch fachliche Diskussionen politisch entschieden wurden und die Spielräume der Forschenden innerhalb des durch die Partei inhaltlich vorgegebenen und streng kontrollierten Rahmens klein waren.¹¹ Die Wiederaufnahme und Konjunktur westdeutscher Sklavereiforschungen nach dem Zweiten Weltkrieg wird vor allem mit dem Projekt Forschungen zur antiken Sklaverei (1950 – 2012) der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Verbindung gebracht. Dieses Projekt war eine Reaktion auf die ideologische Beurteilung der antiken Sklaverei durch die sowjetmarxistische Geschichtswissenschaft.¹² Publikationen aus Mainz, für welche die historisch-philologische Methode kennzeichnend ist,¹³ wurden lange Zeit vor allem als ihr – ebenso tendenziöser – Gegenpol verstanden: ,Bourgeois‘¹⁴, lautete der Vorwurf aus der Sowjetunion, ,humanistisch‘ oder ,klassizistisch‘¹⁵ der aus Amerika.¹⁶
Die Folgen der verschiedenen ideologischen Positionierungen, die sich keineswegs in dem vielfach aufgewiesenen Antagonismus Marxismus – Anti-Marxismus erschöpfen, sowie die unterschiedlichen methodischen Zugänge machen sich bis heute in der Fachliteratur bemerkbar. Sie führen mit Blick auf die jeweils ,anderen‘ mitunter zu groben Verallgemeinerungen und erschweren den internationalen Austausch.¹⁷ Der Althistoriker Heinz Bellen, der nach Joseph Vogt von
Siehe Bellen, Herausforderung, S. 198 – 199; und Heinen, Aufstieg und Niedergang. So schreibt der Initiator des Projekts Joseph Vogt in der Rückschau: „In dieser Lage der historischen Wissenschaft haben wir 1950 die Erforschung der antiken Sklaverei als dringende Aufgabe ergriffen. Nachdem die antike Sklaverei in den demokratischen Ländern Europas und Amerikas immer noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit gefunden hatte, und während sie in der kommunistischen Welt einer feststehenden Theorie eingefügt wurde, kam alles darauf an, den gesamten Quellenbereich der Sklaverei bei Griechen und Römern zu erfassen und ohne jede Voreingenommenheit methodisch zu interpretieren.“ (Vogt, Forschungen, S. 2; siehe auch ders., Wege zur Menschlichkeit, S. 69). Anders Wiedemann, der den Mainzer Zugang zur Sklaverei allgemein als bewusst unpolitisch charakterisiert (Wiedemann, Fifty Years of Research, S. 153). Siehe Vogt, Forschungen, im in der voranstehenden Anmerkung angeführten Zitat; Bellen, Herausforderung, S. 201– 202; und Herrmann-Otto, Projekt, S. 67. Kuziščin, Beitrag, S. 141– 142, zitiert nach Heinen, Aufstieg und Niedergang, S. 122. Finley, Ancient Slavery, S. 124– 130. Siehe Bellen, Herausforderung, S. 198 – 199; Deissler, Cold Case?, S. 77– 78 und S. 84– 85; Heinen, Einführung, S. 1– 5; ders., Aufstieg und Niedergang; Herrmann-Otto, Projekt, S. 63 – 68; und Shaw, ‘A Wolf by the Ears’, S. 5 – 6. Zu diesem Ergebnis kommen Deissler, Cold Case?, S. 90 – 93; Hermann-Otto, Projekt; Klees, Sklavenleben, S. 9 – 18. Thomas E. J. Wiedemann spricht von einer beispiellosen Feindseligkeit („unparalleled hostility“) französischer und angelsächsischer Forscher gegenüber ihren Mainzer
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
1978–2002 die Leitung des Mainzer Forschungszentrums innehatte, nennt die antike Sklaverei eine „moderne Herausforderung“ und kommt in seiner Darstellung der Situation der internationalen Sklavereiforschung zu folgendem Ergebnis: „Der […] Versuch, die Problematik der Sklavenforschung aufzuzeigen, hat ein Bündel von Konflikten, Ideologien und Methoden zutage gefördert, das der Gelehrte, der sich auf dieses Forschungsgebiet begibt, sozusagen ständig mitzuführen hat.“¹⁸ Zu (ii): Das Wissen um die Gräuel der Versklavung von Menschen wie auch das um die tragende Rolle, die antike Argumente in nahezu allen Rechtfertigungsversuchen dieser Institution spielen, führt in Forschungsarbeiten der klassischen Altertumswissenschaften bei vielen Autoren zu dem Impuls, sich persönlich von der Sklaverei zu distanzieren und die moralische Integrität der eigenen Arbeit zu betonen.¹⁹ Die leicht ironische Bilanz, die David B. Davis, einer des bedeutendsten Sklavereiforscher des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1974 mit Blick auf Arbeiten zur Sklaverei in den Vereinigten Staaten zog, trifft vielfach heute noch auf Veröffentlichungen zur antiken Sklaverei zu: „each new interpretation of slavery has professed to be more antiracist than the one it replaces.“²⁰ Es gilt offenbar, sich des Verdachtes zu erwehren, man verfolge mit der eigenen Arbeit das Anliegen,
Kollegen (Wiedemann, Fifty Years of Research, S. 155). In den letzten Jahren ist durch Initiativen wie die Table Ronde on Ancient Slavery in Edinburgh das Bemühen um eine Verständigung der angelsächsischen und deutschen Forschungstraditionen festzustellen – ein Anliegen, das vornehmlich die neueren Publikationen von Niall McKeown (University of Birmingham) charakterisiert (McKeown, Invention, insbesondere S. 30 – 41; und ders., Inventing Slaveries). Als eine weitere, insbesondere für Arbeiten aus Frankreich, Spanien und Italien wichtige Forschungsstelle zur antiken Sklaverei ist die Groupe International de Recherches sur l’Esclavage dans l’Antiquité (GIREA) in Besançon zu nennen (https://ista.univ-fcomte.fr/girea/ [Stand vom 14. Januar 2019]). Bellen, Herausforderung, S. 202. Für Beispiele in Arbeiten zur Aristotelischen Sklavereiabhandlung siehe beispielsweise Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 244, Anmerkung 4: „Since the theory entails that I (as a Northern European) am a natural slave and may be enslaved without injustice, it should be needless to labour the point that I am not remotely tempted to accept the theory or to defend it in any larger sense. But, for the record, I do not believe that any human beings fit Aristotle’s account of natural slaves as reconstructed here; nor do I believe that, if they did, it would be just to enslave them.“; und Kraut, Political Philosophy, S. 278: „Also nothing could be farther from my agenda than to defend slavery […]“. Davis, Post-World War II Historians, S. 11. Siehe dort auch S. 9: „My final and broader observation […] is that postwar historians have not only striven to dissociate themselves from any taint of racism, but have defensively suggested that their own interpretation of slavery is the only one free from racist implications. The antiracist protestations are laudable, but the game of dodge ball has led to considerable confusion.“
2.1 Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei
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die Sklaverei der Griechen und Römer zu rechtfertigen oder zu verharmlosen, um an der Antike – oder zumindest an einzelnen ihrer berühmtesten Denker – als Ideal festhalten zu können. Sowohl den Vorwurf der Rechtfertigung als auch den der Verharmlosung hatte seit Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts der sehr einflussreiche Althistoriker Moses Finley in Cambridge in scharfer Form gegen seinen Tübinger Kollegen und Begründer des Mainzer Forschungsprojektes Joseph Vogt erhoben: Geleitet von überkommenen neuhumanistischen Vorstellungen, wie sie sich beispielsweise bei Heeren und Humboldt fänden, und im Zuge einer christlichen wie anti-marxistischen ideologischen Kampagne habe Joseph Vogt – und mit ihm andere dem Mainzer Projekt verbundene Gelehrte – die antike Sklaverei als eine notwendige Voraussetzung rechtfertigen wollen, ohne welche die allgemein so hoch geschätzten kulturellen und politischen Errungenschaften dieser Zeit nicht hätten realisiert werden können. Die Sklaverei sei der Preis, der nun einmal habe gezahlt werden müssen, und der angesichts der herausragenden Leistungen der Griechen und der immerwährenden Bedeutung dieser antiken Kultur auch zu zahlen angemessen war, charakterisiert Finley die Position Vogts.²¹ Inzwischen ist oft betont worden, dass die Kritik Finleys an Vogt polemisch und in vielerlei Hinsicht falsch war.²² Die Folgen seiner Angriffe dürfen dennoch nicht unterschätzt werden und sind bis heute spürbar: Begriffe wie ,Humanität‘, ,Treue‘ oder ,menschliche Vollendung‘, die Joseph Vogt in Titeln seiner Schriften ver-
Siehe Finley, Necessary Evil; ders., Slavery and the Historians, S. 254; ders., Ancient Slavery, S. 82 und S. 127– 132 und S. 171– 190. In früheren Arbeiten zitiert Moses Finley Joseph Vogt allerdings noch zustimmend (siehe beispielsweise Finley, Greek Civilization, S. 150, Anmerkung 19 und S. 156, Anmerkung 39). Zu Vogt siehe Christ, Joseph Vogt; zu Finley Christ, Moses Finley; und Nippel, Moses I. Finley; speziell zur Finley-Vogt-Kontroverse Deissler, Cold Case?. Siehe Deissler, Cold Case?; in diesem Sinne auch schon Bellen, Herausforderung, S. 201– 208; und Christ, Moses Finley, S. 324– 337. Vogt selbst schreibt in Sklaverei und Humanität im klassischen Griechentum: „[S]o wäre es doch verfehlt, von Humanität im Umgang mit den Sklaven oder im Denken über die Sklaverei zu sprechen.“ (S. 7) Und an anderen Stellen: „Ich selbst habe die Fragwürdigkeit einer harmonisierenden Betrachtung von Griechentum und Humanität aufzuzeigen gesucht.“ Und: „Es kann natürlich nicht davon die Rede sein, daß das Institut der Sklaverei als solches die Menschlichkeit gefördert habe […] so ist wohl klar, daß dieses ganze System allem, was wir mit Menschlichkeit meinen, schroff widersprach.“ (Vogt,Wege zur Menschlichkeit, S. 70). Für eine kritische Haltung Vogts mit Blick auf die Stellungnahmen der Humanisten siehe den Beitrag Die Humanisten und die Sklaverei. Dort beklagt Vogt ausdrücklich, dass „die humanistischen Gelehrten sich auch in der Beurteilung der Sklaverei an die Philosophen des Altertums anschlossen“ (S. 118), wie auch die „Fehlanzeige der Humanisten beim Kampf um die Menschenrechte“ (S. 124).
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
wandte,²³ sind Reizworte in Fachdiskussionen, und Autoren deutschsprachiger Forschungsliteratur werden mitunter weiterhin verdächtigt, das Ausmaß des Leidens der Sklaven in der griechisch-römischen Antike zugunsten elitärer humanistischer Bildungsideale herunterzuspielen.²⁴ Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem das bleibende Verdienst Finleys wichtig, den großen Einfluss moderner Ideologien auf die Erforschung der antiken Sklaverei offengelegt zu haben.²⁵ Es gilt, dieses auch für den Umgang mit antiken philosophischen Texten zur Sklaverei zum Bewusstsein zu bringen. Denn auch in vielen Beiträgen zur Antiken Philosophiegeschichte verbinden sich mit der Analyse ideologische und moralische Urteile.²⁶ Dabei ist festzustellen, dass moderne Wertvorstellungen die fachwissenschaftliche Erforschung des antiken Denkens über die Institution der Sklaverei verzerren, beispielsweise indem Letzteres vor allem vor dem Hintergrund des Erstgenannten erfolgt, also untersucht wird, inwieweit die Philosophen den moralischen Ansprüchen unserer Zeit genügen beziehungsweise diese enttäuschen: „in our anachronistic arrogance we tend to read the history of ideas backwards.“²⁷ So betrachtet, enttäuscht auch und – aufgrund seiner herausragenden Bedeutung – im Besonderen Aristoteles moderne Interpreten. Seine Diskussion der Sklaverei im ersten Buch der Politik ist nicht nur die wohl „eindringlichste und systematischste theoretische Analyse der Institution, die wir aus der Antike
Siehe beispielsweise die Titel Sklaverei und Humanität im klassischen Griechentum; Wege zur Menschlichkeit in der antiken Sklaverei; Sklaventreue oder Der sterbende Sklave: Vorbild menschlicher Vollendung. Siehe beispielsweise die Diskussion um das Buch Sklaven-Mentalität im Spiegel antiker Wahrsagerei von Fridolf Kudlien. Dazu: Bradley, Problem of Slavery, S. 274. Womit freilich nicht behauptet werden soll, dass Finley selbst seinem Anspruch der Vorurteilslosigkeit gerecht werden konnte. Siehe dazu: Wiedemann, Fifty Years of Research, S. 156 – 157. Siehe beispielsweise Kraut, Political Philosophy, S. 277– 279: „How could he have believed it?“; „That he defended an institution that is inherently debasing and often brutal is a deeply disturbing feature of his political thought, and our repugnance increases when we learn that his attempt to justify this practice played a significant role in its perpetuation.“; „Also nothing could be farther from my agenda than to defend slavery, I believe that Aristotle’s framework for thinking about this subject was internally consistent and even contained a limited amount of explanatory power.“; „No doubt, Aristotle believed that slavery was justified in part because that was a convenient tenet for him to hold. […] Aristotle was a victim of these complacent habits of mind.“; und Ross, Aristotle, S. 250: „It is, though regrettable, not surprising that Aristotle should regard as belonging to the nature of things an arrangement which was so familiar a part of everyday Greek life as slavery was.“; „What cannot be commended in Aristotle‘s view […]“. Patterson, Social Death, S. ix. Moses Finley spricht in diesem Zusammenhang von einem „teleologischen Irrtum“ („teleological fallacy“; Finley, Ancient Slavery, S. 85).
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überhaupt besitzen“²⁸, sondern konnte zudem für politische Ordnungsentwürfe der Vormoderne und der Moderne als ein wirkmächtiges Rechtfertigungsschema dienen. So haben spanische Eroberer oder amerikanische Siedler der Südstaaten in ihrem Versuch, die Sklaverei zu legitimieren, auch Aristoteles als Autorität angeführt, wenn es darum ging, bestimmte Menschengruppen als Sklaven von Natur zu charakterisieren oder den beiderseitigen Nutzen des Sklavereiverhältnisses herauszustellen.²⁹ William S. Jenkins bilanziert: „Probably to no other thinker in the history of the world did the slaveholder owe the great debt that he owed to Aristotle.“³⁰ Aufgrund dieser großen Wirkmacht der Aristotelischen Thesen zur Sklaverei und aufgrund der Tatsache, dass die Institution heute als Verstoß gegen die Menschenwürde erkannt ist und geächtet wird, scheinen die der Sklaverei gewidmeten Ausführungen in der Politik als eine Art Makel des Philosophen empfunden zu werden und darauf bezogene Diskussionen Unbehagen auszulösen.³¹ Es finden sich in der Literatur moralische Belehrungen, Ausdrücke der Empörung und auch verharmlosende Äußerungen.³² So entsteht insgesamt der Eindruck, dass die Aristotelische Sklavereiabhandlung lange Zeit kein sonderlich beliebtes Forschungsthema gewesen ist und erst in jüngster Zeit wieder verstärkt Aufmerksamkeit gefunden hat.³³ Noch ist die Fachliteratur übersichtlich – eine bemerkenswerte Ausnahme im Fall des großen Philosophen. Von einer „Overdose of Slavery“, wie sie Chester G. Starr schon 1958 für die Alte
Klees, Sklavenleben, S. 7. In diesem Sinne auch Vlastos, Slavery in Plato’s Thought, S. 160. Zur Rezeptionsgeschichte in diesem Zusammenhang siehe beispielsweise Delgado, Die Indios als Sklaven von Natur? (Spanien); Jenkins, Pro-Slavery Thought, besonders S. 107– 148 und S. 242– 254 und S. 285 – 308 (Südstaaten der USA). Jenkins, Pro-Slavery Thought, S. 137. Anders Osterhammel, Zivilisation des Westens, S. 45. Siehe beispielsweise Kahn, Comments on M. Schofield, S. 28: „[W]e are dealing with the most embarrassing stretch of argument in the whole corpus.“; Ober, Political Dissent, S. 347: „Aristotle necessarily embraced racist notions already being questioned in his own era and developed a shaky theory of natural slavery that remains an embarrassment to analytical philosophers who regard him as a model of clear thinking and political theorists attracted to his vision of political society as a moral community.“; Schofield, Ideology, S. 1: „Aristotle’s views on slavery are an embarrassment to those who otherwise hold his philosophy in high regard.“ Ein Beispiel für verharmlosende Äußerungen liefert Ross, Aristotle, S. 250: „It is to be noted that Greek slavery was for the most part free from the abuses which disgraced Roman slavery and have often disgraced the slave system in modern times.“ Siehe beispielsweise Heath, Aristotle on Natural Slavery; Karbowski, Slaves, Women; ders., Scientific Inquiry; Perčič, Freiheit; Schütrumpf, Slaves in Plato’s Political Dialogues; ders., Aristotle’s Theory of Slavery.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
Geschichte postulierte,³⁴ kann mit Blick auf Aristoteles bis heute nicht die Rede sein. Dass bedeutende Interpreten wie Werner Jaeger und Jonathan Barnes in ihren einflussreichen Gesamtdarstellungen nicht näher auf die Aristotelische Sklavereiabhandlung eingehen – ihr allenfalls ein paar Zeilen widmen³⁵ –, könnte jedoch auch einen ganz anderen Grund haben. Bevor wir diesen Forschern moralische Skrupel unterstellen,³⁶ sollten wir die Möglichkeit erwägen, dass die Aristotelische Erörterung der Sklaverei philosophisch einfach nicht besonders ergiebig ist und daher zu Recht keine anderen Themen der Praktischen Philosophie des Aristoteles vergleichbare Aufmerksamkeit erfahren hat. Gleichwohl fordert die oben dargestellte Wirkungsgeschichte der einschlägigen Textpassagen dazu heraus, genauer zu prüfen, worin die Bedeutung der Aussagen des Aristoteles über Sklaven im Kontext seiner Praktischen Philosophie liegt und ob die Apologeten der Sklaverei sich zu Recht auf Aristoteles berufen konnten. Zu (iii): Eine „Binsenwahrheit“³⁷ nennt Hans Klees die Tatsache, dass die Quellenlage Untersuchungen zur griechischen Sklaverei erheblich erschwert. Da wir keine antiken Schriftzeugnisse der Sklaven selbst haben, beruhen unsere Kenntnisse auf Quellen, die den höheren, sklavenbesitzenden Gesellschaftsschichten entstammen und daher allenfalls die Sichtweisen und Anliegen dieser Menschen vermitteln. Ob, inwieweit und mit welchen Methoden aus ihnen Schlüsse auch über die Lebenswirklichkeit, gar die „Psychologie“³⁸, der Sklaven gezogen werden können, ist eine überaus komplizierte Angelegenheit, welche die Altertumswissenschaftler seit Beginn der modernen Sklavereiforschungen im Starr, Overdose of Slavery. Siehe auch Alföldy, Antike Sklaverei. Während Géza Alföldy sich auf die schiere Menge an Publikationen zum Thema bezieht, diagnostiziert Chester G. Starr eine Überbewertung der Bedeutung der antiken Institution durch die Alte Geschichte. Gegen Chester G. Starr argumentiert Moses Finley (Finley, Greek Civilization, S. 151). Von mir durchgesehen wurden Jaeger, Grundlegung (bloße Erwähnung des Grundverhältnisses Herr und Sklave sowie der Sklavenfrage auf den Seiten 285 – 288) und Barnes, Aristotle (S. 81– 82). So beispielsweise Malcolm Heath: „Just as we tend to avert our gaze from embarrassing sights we pass in the street, so Aristotelian specialists seem reluctant to invest in the theory of natural slavery the boundless energy that has been devoted to making sense of, for example, Metaphysics Z.“ (Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 243). Klees, Sklavenleben, S. 14. Bradley, Roman Slavery, S. 487. Siehe dazu auch Finley, Greek Civilization, S. 158. Orlando Patterson resümiert: „Certainly we know next to nothing about the individual personalities of slaves, or of the way they felt about one another. The data are just not there, and it is the height of arrogance, not to mention intellectual irresponsibility, to generalize about the inner psychology of any group“ (Patterson, Social Death, S. 11).
2.1 Antike Sklaverei im Kontext moderner Auseinandersetzungen mit der Sklaverei
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18. Jahrhundert beschäftigt. Ohne näher auf diese Kontroversen eingehen zu wollen, ist festzuhalten, dass nur eine Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen dessen, was eine bestimmte Textart leisten will und zu leisten imstande ist, vor unzulässigen Verallgemeinerungen und gänzlich verfehlten Fragestellungen schützen kann. Gemeinsam ist den schriftlichen Quellen zur antiken Sklaverei aus klassischer Zeit – vorrangig Tragödien, Komödien, Schriften der Praktischen Philosophie und Oikonomik, Gerichtsreden und historische Darstellungen – , dass sie keine abolitionistischen Ziele verfolgen.³⁹ Hingegen geht es vor allem um die Belange des oikos und der Polis, um die Charakterbildung des Hausvorstands, der Ehefrauen und der gemeinsamen Kinder, um den praktischen Nutzen und die Führung von Sklaven im Alltag und im Rahmen idealstaatlicher Entwürfe oder auch um die Kontrastierung tugendhafter und sklavischer Gesinnung im Theater.⁴⁰ Die Perspektive der Sklaven ist bei alledem nicht berücksichtigt. Sklaven sind Tieren und gänzlich unbelebten Besitztümern näher gestellt als den Menschen der höheren Gesellschaftsschichten. Der Gegensatz Unfrei – Frei ist für das antike Denken über Sklaverei konstitutiv; die Unfreien sind ausgeschlossen von Recht, politischer Teilhabe und nicht Gegenstand von auf Veränderung drängender moralischer Erwägung. Darin sind die Texte des fünften und vierten Jahrhunderts Interessen unserer Zeit, die sich in historischer Hinsicht auf Mentalitäten und gesellschaftlich randständige Gruppen, in philosophischer Hinsicht auf Geist, Identität und persönliche Freiheit richten, entgegengesetzt. Das jedoch, so formuliert Keith Bradley treffend, ist unser Problem und nicht das Problem der alten Griechen. Ihnen ist die Sklaverei eine völlig selbstverständliche und unentbehrliche Einrichtung der Polis: „The fact remains, however, that slavery caused no one in antiquity a crisis of conscience or an agony of the soul as it did abolitionists in later history […] For a thousand years and more slavery was not a problem in classical culture, and therein lies a problem. But the problem is ours, not theirs.“⁴¹
Siehe Bradley, Problem of Slavery, S. 274; Finley, Greek Civilization, S. 153; ders., Sklaverei und Humanität; Klees, Sklavenleben, S. 6; Nippel, Preis der Sklaverei, S. 23; Vogt, Sklaverei und Humanität, S. 18 – 19; ders., Denken der Griechen, S. 134– 138. Für Platon siehe beispielsweise Vlastos, Slavery in Plato’s Thought, S. 151: „There is not the slightest indication, either in the Republic or anywhere else, that Plato means to obliterate or relax in any way that distinction“ [between a master and a slave]. Hinsichtlich der höchst problematischen Frage nach der Lebenswirklichkeit der Sklaven nimmt die theoretische Diskussion der Sklaverei in oikonomischen und philosophischen Texten im Vergleich der Schriftquellen eine herausgehobene Stellung ein, da sich hier konkrete Hinweise zur Behandlung der Sklaven finden, die Rückschlüsse auf die Lage der Betroffenen selbst zuzulassen scheinen (siehe Klees, Sklavenleben, S. 17– 18). Bradley, Problem of Slavery, S. 282.
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Die philosophische Spekulation freilich erlaubte durchaus, das Institut der Sklaverei zu problematisieren. Doch ist vielfach aufgewiesen worden, dass kritische Bezugnahmen auf die Sklaverei im Rahmen theoretischer Entwürfe – am bekanntesten sind in diesem Zusammenhang die Texte der Sophistik, Stoa und des frühen Christentums – einen gesellschaftlichen Wandel nicht intendierten, geschweige denn hervorriefen.⁴² Ganz im Gegenteil: Vielfach sorgen sich die Autoren gerade um die Stabilität der Gemeinschaft – eine Sorge, die auch in der Aristotelischen Politik immer wieder zum Ausdruck kommt und die angesichts der wechselhaften politischen Geschehen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. leicht nachzuvollziehen ist.⁴³ Sowohl die Stoiker als auch die urchristlichen Theologen sprechen von der Sklaverei vor allem in einem metaphorischen Sinne: Sie beschreiben eine fehlerhafte seelische Disposition, erörtern den Gedanken der inneren Freiheit oder charakterisieren die Beziehung der Menschen zu Gott.⁴⁴ Es handelt sich bei diesen Texten nicht um zeitgenössische politische Stellungnahmen, sondern um Übertragungen der Sklaventerminologie auf einen neuen Gegenstand nach Art der Analogie, womit zumeist eine „Wendung zur Innerlichkeit“⁴⁵ einhergeht. Inhaltlich können diese Übertragungen durchaus im Widerspruch zu den realen Verhältnissen stehen, ohne dass wir deshalb schlussfolgern dürften, dass die Texte öffentliche zeitgenössische Kontroversen und soziale Spannungen spiegeln oder auf die Beseitigung gesellschaftlicher Missstände dringen. Was hingegen festgestellt werden kann – und was, so zeigen die Ausführungen in den folgenden Kapiteln 3 – 5 der vorliegenden Untersuchung, auch am Beispiel des Aristoteles deutlich wird – ist ein Bewusstsein der Autoren für den hybriden Charakter der Institution, die den Sklaven sowohl menschliche als auch sachliche Eigenschaf-
Siehe Bradley, Problem of Slavery, S. 274– 282. Für das frühe Christentum ist festzuhalten, dass von einer Gleichstellung der Sklaven mit ihren Herren nur im Rahmen der christlichen Gemeinde, nicht aber in politisch-sozialer Hinsicht gesprochen werden kann. Siehe dazu den Philemonbrief und Galater 3,28 und besonders 1. Korinther 7,21– 24. Siehe beispielsweise: Pol. III 4, 1276b26 – 29; IV 1, 1288b29 und VI 5, 1319b39. Für die Stoiker siehe beispielsweise: Diogenes Laertios,VII, 121– 122 (SVF 3.355): „Only he [the wise man] is free, but the inferior are slaves. For freedom is the power of autonomous action, but slavery is the lack of autonomous action. There is also a different slavery which consists in subordination, and a third consisting in possession as well as subordination; this last is contrasted with despotism, which is also a morally inferior state.“ / μόνον τε ἐλεύθερον, τοὺς δὲ φαύλους δούλους· εἶναι γὰρ τὴν ἐλευθερίαν ἐξουσίαν αὐτοπραγίας, τὴν δὲ δουλείαν στέρησιν αὐτοπραγίας. εἶναι δὲ καὶ ἄλλην δουλείαν τὴν ἐν ὑποτάξει καὶ τρίτην τὴν ἐν κτήσει τε καὶ ὑποτάξει, ᾗ ἀντιτίθεται ἡ δεσποτεία, φαύλη οὖσα καὶ αὕτή. Text und Übersetzung: Long / Sedley. Siehe auch Plutarch: De audiendis poetis 12, 33D (SVF 1.219). Vogt, Denken der Griechen, S. 138.
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ten zuschreibt, ihre Fähigkeit zu denken und zu handeln auszunutzen weiß und sie rechtlich doch als Besitzstücke fasst.⁴⁶ Anhand der drei aufgezeigten Problemfelder lässt sich nicht nur erklären, warum Forschungsunternehmungen zur antiken Sklaverei besonders schwierig und kontrovers sind. Weil diese drei Punkte zugleich typische Fehlerquellen in Forschungsarbeiten zum Thema sind, lassen sich aus ihnen auch methodische Grundsätze und inhaltliche Anforderungen ableiten, denen die vorliegende Untersuchung gerecht zu werden sucht: Um ideologisch bedingte Fehldeutungen zu vermeiden,⁴⁷ soll es in der vorliegenden Untersuchung in erster Linie darum gehen, einen antiken philosophischen Text in seinem Kontext und in seiner argumentativen Struktur zu verstehen. Die Fachliteratur ist kritisch darauf hin zu prüfen, ob und wieweit sie politisch und ideologisch voreingenommen ist. Oftmals wird der Standpunkt der Interpreten in diesen Texten sichtbarer als die Aristotelische Argumentation. Die marxistische Geschichtsauffassung ist längst widerlegt. Dennoch kommt in dem folgenden Zitat aus Friedrich Engels’ Anti-Dühring eine Einsicht zum Ausdruck, die nicht an Aktualität verloren hat (wenngleich sie im Kontext der Formationslehre zu Schlussfolgerungen über den schrittweisen Aufstieg zur klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus führt, die nicht haltbar sind): Es ist sehr wohlfeil, über Sklaverei und dergleichen in allgemeinen Redensarten loszuziehn und einen hohen sittlichen Zorn über dergleichen Schändlichkeit auszugießen. Leider spricht man damit weiter nichts aus als das, was jedermann weiß, nämlich daß diese antiken Einrichtungen unsern heutigen Zuständen und unsern durch diese Zustände bestimmten Gefühlen nicht mehr entsprechen. Wir erfahren damit aber kein Wort darüber, wie diese Einrichtungen entstanden sind, warum sie bestanden und welche Rolle sie in der Geschichte gespielt haben.⁴⁸
Eine Diskussion der Aristotelischen Sklavereiabhandlung, die dem Gestus der Empörung verhaftet bleibt, vergibt die Chance, zu neuen Erkenntnissen über Funktion und Reichweite der dabei verwendeten Argumente zu gelangen, sie systematisch im Gesamtzusammenhang der Aristotelischen Praktischen Philosophie zu verorten und auf diese Weise zu einem besseren Verständnis derselben
Für Aristoteles siehe in diesem Zusammenhang besonders EN VIII 13, 1161a30–b10. Davon zu unterscheiden sind Anliegen der Erinnerungskultur und Vergangenheitspolitik. Inzwischen haben sich die Debatten zur antiken Sklaverei insgesamt entpolitisiert (siehe Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 12). Engels, Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 168.
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beizutragen. Moralische Bewertungen sind nur dann einzubeziehen, wenn sie im Kontext der zu untersuchenden Texte selbst vorgetragen werden, wie zum Beispiel die zeitgenössische Positionierung der Sophisten.⁴⁹ Mit einem Honor Code in Fußnoten, der die moralische Integrität und Empathie der modernen Interpreten zum Ausdruck bringen soll, ist noch nichts gewonnen. „Rohe Erfahrung anschaulich und mitleidbar werden zu lassen; das kann die Kunst ohnehin besser“⁵⁰, bemerkt Jürgen Osterhammel treffend und argumentiert, dass gerade weil niemand mehr die Sklaverei verteidige, es auch der Suche nach Werturteilsfreiheit nicht mehr bedürfe: „Ein eindeutiger Wertekonsens öffnet Raum für Erkenntnisfortschritt und Kontroverse.“⁵¹ Es ist fest davon auszugehen, dass ein solcher Wertekonsens auch in der griechischen Antike bestand – wenngleich mit umgekehrtem Vorzeichen: Die Sklaverei bedurfte keiner Rechtfertigung.Vor diesem Hintergrund sollten wir dort, wo es in der Politik um Sklaven geht, die Argumentationsziele des Aristoteles genau prüfen.
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen: Aristoteles’ Politik als Teil seiner Praktischen Philosophie Zu Beginn des Buches Ε der Metaphysik unterscheidet Aristoteles verschiedene Weisen, über die Prinzipien (archai) und Ursachen (aitiai) des Seienden nachzudenken und grenzt drei Formen des Wissens und der (jeweils korrespondierenden) Wissenschaft (epistêmê) voneinander ab.⁵² Sie lassen sich anhand ihrer spezifischen Ziele und Gegenstandsbereiche näher bestimmen: Die theoretischen Disziplinen (Naturphilosophie, Mathematik und Metaphysik) sind auf die
Siehe Klees, Sklavenleben, S. 11– 14. Für die Kritiker der Sklaverei aus dem Umfeld der Sophisten, die Aristoteles in der Politik anspricht, siehe das vierte und fünfte Kapitel der vorliegenden Untersuchung. Osterhammel, Zivilisation des Westens, S. 14. Osterhammel, Zivilisation des Westens, S. 37. Kursivierung durch den Verfasser. Siehe Met. E 1 und 2. Der Begriff ἐπιστήμη bedeutet sowohl ,Wissen‘ als auch ,Wissenschaft‘, bezeichnet also die Befähigung genauso wie die zugehörige Disziplin (LSJ s. v. ἐπιστήμη, S. 660a). Siehe auch EN I 7, 1098a26–b1; III 5, 1112a30–b11; Met. K 7, 1064a10 – 20 und Top.VI 6, 145a15 – 17. Der erste Satz der Aristotelischen Metaphysik („Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“ / Πάντες ἄνθρωποι τοῦ εἰδέναι ὀρέγονται φύσει. (Met. A 1, 980a21; [Ross]) kennzeichnet das Streben der Menschen nach Wissen als natürlich. Siehe auch Platon, Philebos 55c–59d und Politikos 258b– 262a für die Unterscheidung verschiedener Arten von Wissen. Siehe auch Gorgias 465a2– 5: Wissen zu haben, bedeutet, die Ursachen zu kennen.
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Erkenntnis der Wahrheit vom Allgemeinen und Notwendigen gerichtet;⁵³ ein Anspruch, den im vollen Sinne nur die Metaphysik erfüllen kann, der es als Erste Philosophie zukommt, „das Seiende als Seiendes“⁵⁴ und im Besonderen das unbewegte und selbstständige höchste Seiende zu untersuchen. Aufgrund ihrer hochrangigen Gegenstandsbereiche und weil sie ausschließlich um ihrer selbst willen betrieben werden, sind die theoretischen Disziplinen den anderen Wissensformen übergeordnet.⁵⁵ Der in diesen Bereichen Forschende betrachtet den Himmel und die ganze Ordnung des Kosmos und sucht mit Muße (scholê) – also freigestellt von körperlicher Arbeit und von der alltäglichen Sorge um die Beschaffung lebensnotwendiger Güter für die Hausgemeinschaft – ausgehend von seinen Sinneswahrnehmungen und Erfahrungen zu verlässlichem Wissen zu kommen.⁵⁶ Die soziale Welt menschlicher Praxis entzieht sich in ihrer Kontingenz dem streng wissenschaftlichen Beweisen und Definieren.⁵⁷ Es sind die praktischen Disziplinen wie Ethik und Rhetorik, die sich der Sphäre des Sozialen zuwenden; einem Bereich, in dem die Dinge sich stets auch verändern können und daher nur mit Wahrscheinlichkeit (hôs epi to poly) und im Umriss (typô) bestimmt werden können.⁵⁸ Ziel dieser Wissenschaften ist das richtige Handeln nach vernünftiger Überlegung; die Welt soll hier nicht nur betrachtet, sondern zum Guten hin verändert werden.⁵⁹ Richtiges Handeln ist in der Aristotelischen Ethik dem guten Handeln gleichzusetzen, was – dauerhaft realisiert – zu einem glücklichen Leben führt.⁶⁰ Nun lässt sich das gute und schöne Leben nicht, einem Produkt gleich, von den Handlungen, die es konstituieren, trennen. Die Ziele der praktischen Siehe EN VI 2, 1139a26 – 29; 3, 1139b20 – 23; 6, 1140b31– 32; X 10, 1180b11– 23 und Met. A 2, 982a21– 23. τὸ ὂν ᾗ ὂν (siehe beispielsweise Met. E 1 und K 7. Im Rahmen seiner Praktischen Philosophie scheint Aristoteles allerdings nicht immer streng zwischen den drei theoretischen Wissenschaften Mathematik, Physik und Metaphysik unterscheiden zu wollen (siehe EN VI 7, 1141b1– 3; so auch Ross, Aristotle, S. 223); vorrangig ist in diesem Zusammenhang die Gegenüberstellung der kontemplativen und der politischen Lebensform. Siehe auch EN VI 2, 1139a11– 15. Siehe EN VI 7, 1141a9–b3; X 7, 1177a19 – 21 und b1– 2; Met. A 1, 981b29 – 982a1; a25–b28 und 2, 982a30–b8. Siehe EE I 5, 1216a13 und Met. A 1. Siehe An. post. I 2, 71b15 – 16; EN II 2, 1104a5 – 10; 7, 1107a31; III 5, 1112a34–b11; VI 5, 1140a31–b4; 8, 1141b14– 16 und Pol. II 8, 1269a11– 12. Siehe An. post. I 30; De int. 2, 16a26 – 28; EE III I, 1228b4; EN I 1, 1094b19 – 1095a2;VI 4, 1140a1– 2; 5, 1140a35 – 6, 1141a1 und 8, 1141b10 – 11. Siehe EN I 1, 1095a5 – 6; II 2, 1103b26 – 29; III 5, 1112a30–b11; VI 2, 1139a21–b5; 4, 1140a1– 5; 5, 1140b4– 7; 8, 1141b8 – 16 und X 10, 1179a35–b2. Siehe EE II 1, 1219b1– 8; EN I 6; 8, 1098b20 – 22; 11, 1101a14– 16; VI 5, 1140a25 – 28; Pol. VII 3, 1325a31– 34 und b14– 16. Siehe auch Platon, Kriton 48b.
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Fächer werden im Vollzug verwirklicht, entscheidend dafür sind Gebrauch (chrêsis) und Tätigkeit (energeia).⁶¹ Als eine dritte Form befähigt das poietische Wissen zur Herstellung nützlicher und schöner Dinge. Anders als die praktischen Disziplinen bringen die poietischen Künste Produkte hervor, die vom Prozess der Herstellung abgelöst werden können.⁶² So bleibt als Werk (ergon)⁶³ des Bildhauers Pheidias die fertige Statue, während das Aulos-Spiel der Lamia eine Tätigkeit ist, deren Ziel bereits durch das kunstvolle Musizieren verwirklicht wird – ein Gut, das ohne Lamia und ihr Spiel nicht fortbestehen kann. Gemeinsam ist poiêsis und Praxis, dass ihr Ursprung (archê) im tätigen Menschen liegt.⁶⁴ Das unterscheidet die kunstgemäße Herstellung von der natürlichen Entstehung als Entstehung aus sich selbst aufgrund wesenseigener innerer Bewegungsprinzipien.⁶⁵ Diese Gegenüberstellung von Entstehungsweisen – des Gemachten und des Gewordenen – ist eine für den Naturbegriff fundamentale Antonymie.⁶⁶ Aristoteles gebraucht sie häufig als Quelle erläuternder Analogien, wobei mal der technê-Bereich den Physis-Bereich erhellt,⁶⁷ mal der Naturvergleich helfen soll, das Künstliche (wie beispielsweise einen politischen Ordnungsentwurf) begreiflich zu machen.⁶⁸ Die einzelnen Produkte sind nicht Selbstzweck, sondern für etwas hervorgebracht, das ein höheres Ziel darstellt: Sie stehen im Dienst der Praxis, werden hergestellt und genutzt, um das abschließende Ziel des guten Lebens zu verwirklichen.⁶⁹ Die Politische Wissenschaft (politikê epistêmê) wird zu Beginn der Nikomachischen Ethik als höchste unter den praktischen Disziplinen eingeführt.⁷⁰ Nach
Siehe EE II 1, 1219b2; EN I 1, 1094a4; 9, 1098b31– 1099a7 und 11, 1101a14. Die theoretische Lebensweise stellt freilich auch eine Form der Betätigung dar. Siehe EN I 1, 1094a3 – 6; VI 2, 1139b1– 5 und 4. Siehe auch Platon, Gorgias 450b6–c2. ἔργον in diesem Sinne: EN I 1, 1094a5 (siehe Wolf, Nikomachische Ethik, S. 344, Anmerkung 4). Siehe EN I 10, 1099b18 – 20; III 5, 1112b31– 32; VI 2, 1139a34–b5; 4, 1140a10 – 14 und Met. E 1, 1025b22– 24. Siehe EN VI 4, 1140a14– 16; Met. Δ 4; Z 7, 1032a12– 25; K 7; Phys. II 1, 192b8 – 23 und 8, 199b15 – 17. Aristoteles begreift Entstehen und Vergehen der Naturdinge als eine Art von Bewegung. Siehe Birnbacher, Natürlichkeit, S. 1– 16; und schon Mill, Three Essays, S. 8 – 9. Siehe beispielsweise EN I 6, 1097b25 – 28; Phys. II 8; Pol. I 2, 1252a34–b5 und vor allem De motu (an.) 10, 703a29–b2. Siehe beispielsweise Pol. III 4, 1277a5 – 12; 16, 1287a8 – 16; IV 4, 1290b25 – 38; 1291a24– 26 und V 3, 1302b33 – 1303a1. Oft stehen der technê- und der Physis-Bereich auch einfach nebeneinander und werden von Aristoteles gemeinsam zur Veranschaulichung eines Gedankens genutzt (siehe beispielsweise Pol. VI 6, 1320b33 – 39). Siehe EN I 1, 1094a14– 16; 12, 1101b35 – 1102a4; VI 2, 1139b1– 5; Pol. I 4, 1253b24– 25; 1254a7– 8 und VII 1, 1323b6 – 8. Siehe EN I 1, 1094a28 – b11; 13, 1102a20 – 21 und Pol. III 12, 1282b14– 18.
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dem bisher Gesagten ist aufgrund der Zuordnung der Politischen Wissenschaft zum Praxis-Wissen festzuhalten, dass diese sich erstens nicht der Erkenntnis im Sinne der reinen Theorie widmet, sondern mit Handlungen zu tun hat, und dass sie zweitens auf ein Ziel (telos) hin ausgerichtet ist, welches nach Maßgabe der phronêsis und im Horizont vorheriger Erfahrungen realisiert wird.⁷¹ Aus der näheren Bestimmung als ranghöchste praktische Disziplin folgt nun drittens, dass ihr Ziel im guten Leben selbst liegt; als höchste praktische Disziplin ist die Politische Wissenschaft dem höchsten Strebensziel menschlichen Handelns, der eudaimonia, unmittelbar verpflichtet.⁷² Ihr kommt es zu, die untergeordneten Fächer wie Strategik und Ökonomik auf die Verwirklichung dieses Guts hin auszurichten, was das griechische Adjektiv architektonikos ⁷³, mit dem Aristoteles die Politische Wissenschaft wiederholt charakterisiert, für uns noch heute unmittelbar anschaulich macht: Man sollte annehmen, dass es [das höchste Gut] Gegenstand derjenigen Disziplin ist, die am meisten leitet und anordnet. Als so beschaffen erweist sich die politische Wissenschaft. Denn diese ordnet an, welche Kenntnisse im Staat vertreten sein müssen, welche jeder Einzelne lernen muss und bis zu welchem Grad. Wir sehen, wie ihr sogar die am höchsten geschätzten Fähigkeiten unterstehen, zum Beispiel Strategik, Haushaltsführung, Rhetorik.⁷⁴
Das Ziel der Politischen Wissenschaft ist somit identisch mit dem Ziel der Praktischen Philosophie überhaupt.⁷⁵ Und da die Politische Wissenschaft sowohl den Staatslenker als auch den Staatsdenker angeht, der Begriff also die Kompetenz des Politikers und des Politikwissenschaftlers meint,⁷⁶ ist nicht nur das Ziel der Politischen Wissenschaft, sondern auch das Ziel der Politik selbst ein genuin ethisches: Der Staat existiert um des vollkommenen Lebens willen.⁷⁷ Dem höchsten Gut und der höchsten praktischen Disziplin korrespondiert im Aristo-
Siehe EN I 1, 1094b14– 15; 1095a5 – 6; VI 5, 1140a25 – 28; 1140b4– 7; b20 – 21 und 8, 1141b8 – 16. Aristoteles betont den vielseitigen praktischen Nutzen seiner Politik in IV 1. Siehe EN I 1, 1094a27–b7; 2, 1095a14– 20 und 10, 1099b29 – 32. Siehe EN I 1, 1094a14 und 28; VI 8, 1141b22– 23; Pol. I 13, 1260a18 und VII 3, 1325b23. EN I 1, 1094a26–b3: δόξειε δ᾽ ἂν τῆς κυριωτάτης καὶ μάλιστα ἀρχιτεκτονικῆς. τοιαύτη δ᾽ ἡ πολιτικὴ φαίνεται· τίνας γὰρ εἶναι χρεὼν τῶν ἐπιστημῶν ἐν ταῖς πόλεσι, καὶ ποίας ἑκάστους μανθάνειν καὶ μέχρι τίνος, αὕτη διατάσσει· ὁρῶμεν δὲ καὶ τὰς ἐντιμοτάτας τῶν δυνάμεων ὑπὸ ταύτην οὔσας, οἷον στρατηγικὴν οἰκονομικὴν ῥητορικήν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. Siehe EN I 1, 1094b7– 8; Pol. III 6, 1278b20 – 24; VII 1, 1323b41– 1324a2 und 3, 1325b30 – 32. So auch ἐπιστήμη: Der Begriff bedeutet ,Wissen‘ und ,Wissenschaft‘. Siehe dazu Anmerkung 52 in diesem Kapitel. Siehe auch Platon, Politikos 258e8 – 259c4. Siehe EN I 10, 1099b29 – 32; Pol. I 2, 1252b29 – 30; III 6, 1278b15 – 24; 9, 1280a31– 34; 9, 1280b33 – 1281a4; IV 4, 1291a17– 18; VII 1, 1323b29 – 33 und 2, 1324a5 – 25.
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telischen Entwurf die höchste Gemeinschaftsform.⁷⁸ Durch eine optimale Organisation und Ausrichtung der übrigen praktischen und der poietischen Wissenschaften und außerdem durch Erziehung und vortreffliche Gesetze können im Staat Rahmenbedingungen geschaffen werden, die allen Bürgern ein glückliches Leben ermöglichen. Daher ist das Gut des Staates größer und vollkommener noch als das des individuellen Menschen.⁷⁹ Das höchste Gut der Polis – gleichsam ihre eudaimonia – besteht in der Realisierung einer Ordnung, innerhalb derer nicht nur ein Einzelner (wie beispielsweise ein König oder Tyrann), sondern alle Bürger auf Dauer gut leben können.⁸⁰ Grundsätzlich ist dem Menschen überhaupt erst im Staat die Möglichkeit gegeben, ein dauerhaft glückliches Leben zu führen. Denn im Unterschied zu den anderen Gemeinschaften, die (seien sie größer oder kleiner als der Staat) Men Siehe Pol. I 1, 1252a1– 7 und VII 1, 1323b29 – 33. Siehe EN I 1, 1094a28–b11. Siehe besonders EN I 10, 1099b28 – 32: „Das stimmt auch mit dem eingangs Ausgeführten überein, wir sagten nämlich, dass das beste Gut das Ziel der Politik ist, diese aber bemüht sich am meisten darum, die Bürger auf eine bestimmte Art beschaffen zu machen, das heißt gut und dazu disponiert, die richtigen Handlungen zu tun.“ / ὁμολογούμενα δὲ ταῦτ᾽ ἂν εἴη καὶ τοῖς ἐν ἀρχῇ. τὸ γὰρ τῆς πολιτικῆς τέλος ἄριστον ἐτίθεμεν, αὕτη δὲ πλείστην ἐπιμέλειαν ποιεῖται τοῦ ποιούς τινας καὶ ἀγαθοὺς τοὺς πολίτας ποιῆσαι καὶ πρακτικοὺς τῶν καλῶν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch EN I 1, 1094b7– 10; Pol. II 5, 1264b17– 22 und VII 2, 1324a8 – 13. Dabei handelt es sich allerdings um ein unrealistisches Ziel: siehe Pol. III 4, 1276b35 – 1277a5 und 7, 1279a40–b1. Für die Aristotelische Bestimmung des Bürgers siehe Pol. III 1, 1275b17– 21; 5 und III 13, 1283b40 – 1284a3. Meines Erachtens kann sinnvoll nur in einem übertragenen Sinne von der eudaimonia des Staates gesprochen werden. Andere Lesarten, die der Polis ein eigenes zielgerichtetes Entscheiden und Handeln zusprechen und die eudaimonia des Staates im Literalsinn begreifen (siehe beispielsweise Morrison, Common Good, insbesondere S. 188: „The city is itself an agent.“) sind kontraintuitiv und bieten meines Erachtens keine überzeugende Interpretation der einschlägigen Kapitel 6 und 7 des dritten Buches der Politik an. Die Polis wird von Menschen mit dem ihnen eigentümlichen Ziel des individuell guten Lebens gebildet und unterhalten (siehe Rapp, Staat); selbst hat sie keine Strebungen. Das Glück der Bürger und das Glück der Polis lassen sich daher nicht trennen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Gemeinwohl einfach als Summe der individuell gelingenden Leben gefasst werden darf. Durch das gemeinsame Interesse der Bürger können durchaus Synergien entstehen, die für die Polis nützlich sind und einen eigenen Wert darstellen. Diese im Blick zu haben, ist Aufgabe der Politiker und Gesetzgeber, doch stellen sie kein eigenständiges höchstes Ziel der Polis dar. Das so verstandene Gemeinwohl ist keine Form der staatlichen eudaimonia (anders Donald Morrison in Common Good, S. 177: „The common good of the political community is thus the ultimate end of human action.“). Siehe dazu auch Schütrumpf, Erziehung durch den Staat, S. 247: „[Z]unächst müssen bei Aristoteles die Bürger nicht ihr Glück dem der Gesamtheit unterordnen oder zugunsten eines Glücks der Gesamtheit opfern – die Vorstellung eines Glücks der Gesamtheit, das von dem der Bürger verschieden oder ihm gar übergeordnet ist, gibt es bei ihm nicht.“ In diesem Sinne auch Horn, Menschenrechte, S. 115: „Aristoteles […] ist zweifellos kein normativer Kollektivist, sondern Individualist.“
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen
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schen um bestimmter untergeordneter Güter willen bilden,⁸¹ ist die vollendete (teleia) Polis unabhängig, da sie alles für das Leben Erforderliche bereithält.⁸² Stellt die Autarkie in den Ethiken ein formales Kriterium des höchsten Guts für den Menschen dar,⁸³ ist sie in der Politik zentrale Bedingung der höchsten Gemeinschaft.⁸⁴ Sie kennzeichnet hier wie dort das Ziel und darin das jeweils Beste,⁸⁵ erfährt jedoch unterschiedliche systematische und inhaltliche Bestimmungen: Während die eudaimonia eines Menschen autark ist, sofern sie durch nichts weiter vervollkommnet werden kann und ausschließlich um ihrer selbst willen erstrebt wird,⁸⁶ ist die Autarkie des Staates die Voraussetzung dafür, dass der Mensch überhaupt dauerhaft gut und somit tugendhaft handeln kann. Denn als Einzelner ist er nicht autark zu leben imstande. Zur Verwirklichung seines höchsten Strebensziels ist der Mensch auf die Gemeinschaft angewiesen, die sein Überleben sichert und ihn freistellt, unmittelbar nach einem glücklichen Leben zu streben: „Ein staatlicher Verband ist aber die aus mehreren Dörfern gebildete vollendete Gemeinschaft, die die Grenze erreicht hat, bei der – wenn man so sagen darf – Autarkie besteht. Um des Überlebens willen ist er entstanden, er besteht aber um des guten Lebens willen.“⁸⁷ Das Streben des Menschen nach eudaimonia findet somit Ausdruck auch in seinem Streben nach Gemeinschaft: vom Haus über die Familienverbände bis hin zu der autarken und durch Gesetze wohlgeordneten staatlichen Gemeinschaft als Ermöglichungsbedingung des guten Lebens. „Die (staatliche) Gemeinschaft zum guten Leben ist gebildet aus Häusern und Familienverbänden, um des vollendeten und autarken Lebens willen.“⁸⁸
Siehe EN VIII 11, 1160a8 – 23; Pol. I 1, 1252a1– 7; 2 und III 9, 1280a34–b13. Worin das für das Leben Erforderliche im Einzelnen besteht, listet Aristoteles in Pol. VII 8, 1328b5 – 19 auf. Siehe EN I 5, 1097b6 – 21. Siehe Pol. I 2, 1252b27– 30; II 2, 1261a10 – 15; III 9, 1280b33 – 1281a4; IV 4, 1291a8 – 10; VI 8, 1321b16 – 18 und VII 4, 1326a35–b9. Pol. I 2, 1252b34– 35: „Ferner ist das Umwessenwillen und das Ziel das Beste, die Autarkie ist aber sowohl das Ziel wie das Beste.“ / ἔτι τὸ οὗ ἕνεκα καὶ τὸ τέλος βέλτιστον· ἡ δ᾽ αὐτάρκεια καὶ τέλος καὶ βέλτιστον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch EN I 5, 1097b14– 21 und Pol. VII 5, wo das beste Stück Land ebenfalls als autark charakterisiert wird. Siehe EN X 6, 1176b2– 6 und 30 – 31. Pol. I 2, 1252b27– 30: ἡ δ᾽ ἐκ πλειόνων κωμῶν κοινωνία τέλειος πόλις, ἤδη πάσης ἔχουσα πέρας τῆς αὐταρκείας ὡς ἔπος εἰπεῖν, γινομένη μὲν τοῦ ζῆν ἕνεκεν, οὖσα δὲ τοῦ εὖ ζῆν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012, mit Änderungen. Siehe auch: EN I 5, 1097b8 – 11; V 5, 1130b25 – 29; VIII 11, 1160a8 – 11; Pol. I 2, 1253a25 – 29; 4, 1253b24– 25 und III 6, 1278b20 – 24. Pol. III 9, 1280b33 – 35: ἡ τοῦ εὖ ζῆν κοινωνία καὶ ταῖς οἰκίαις καὶ τοῖς γένεσι, ζωῆς τελείας χάριν καὶ αὐτάρκους [Ross].
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Vor diesem Hintergrund erscheinen die Bücher der Aristotelischen Politik als eine inhaltlich gebotene Fortführung der Ethiken und werden im letzten Kapitel der Nikomachischen Ethik auch als eine ebensolche angekündigt.⁸⁹ Denn die Ethiken nehmen vorrangig das Glücksstreben und die Handlungen des einzelnen Menschen in den Blick, der jedoch überhaupt nur in der Polis – und somit in einer irgendwie zu organisierenden und zu verwaltenden Gemeinschaft – gut leben kann. In den Ethiken als ein Einzelner untersucht, ist der Mensch doch immer schon als ein im staatlichen Verband Handelnder, als Zoon politikon und politês, gedacht.⁹⁰ Der Bereich des Ethischen und der Bereich des Politischen können im Aristotelischen Theorierahmen nicht getrennt werden, sondern sind interdependent und bilden zusammen die Disziplin der ,Philosophie über die menschlichen Belange‘⁹¹. Diese Disziplin untersucht das gute (kalos) und gerechte (dikaios) Handeln des Menschen, der als Mensch gar nicht ohne Verbindung zu Anderen sein kann und Teil unterschiedlicher, durch Recht geordneter Gemeinschaften ist.⁹² Wer gänzlich außerhalb dieser Gemeinschaften steht, ist entweder Tier oder Gott – ein Wesen also, das Recht und Gerechtigkeit nicht kennt, oder eines, das dieser Ordnung nicht bedarf und selbst Gesetz ist.⁹³ Was uns in der Form getrennter Werke als Nikomachische und Eudemische Ethik sowie als Politik überliefert ist, ist daher zunächst ein philosophisches Projekt, das von Aristoteles den gemeinsamen Namen hê politikê epistêmê ⁹⁴ erhält – darüber sollte die Aufglie-
Zu den folgenden Abschnitten über das Verhältnis der Schriften zur Ethik und der Politik wie auch der korrespondierenden Disziplinen siehe Bien, Grundlegung; Flashar, Ethik und Politik; Frede, Political Character; Höffe, Ethik als praktische Philosophie; Kraut, Political Philosophy, S. 1– 5 und S. 16 – 19; Rapp, Rhetorik II, S. 155 – 156; Schofield, Political Ethics; Schütrumpf, Politik I, S. 71– 102; und Scott, Political Science, S. 106 – 115. Siehe EN I 5, 1097b8 – 11: βίον μονώτην vs. ζῷον πολιτικόν. Siehe auch EN VI 9, 1142a9 – 10; IX 9, 1169b16 – 22; X 8, 1178b5 – 7 und den Anfang der aristotelischen, jedoch vermutlich nicht von Aristoteles selbst verfassten Magna Moralia (I 1, 1181a24– 1182a1). EN X 10, 1181b15: ἡ περὶ τὰ ἀνθρώπεια φιλοσοφία [Bywater]. Siehe EN I 1, 1094b14– 15; 2, 1095b5; 5, 1097b8 – 11; 13, 1102a12– 13; V 4 und Pol. I 2, 1253a1– 18. Siehe EN VII 1, 1145a22– 33; Pol. I 2, 1253a1– 3; III 13, 1284a3 – 17 und VII 4, 1326a29 – 33. Siehe EN I 1, 1094a27; b11 und Rhet. I 2, 1356a27 (die πολιτική als Untersuchung über den Charakter; siehe dazu Rapp, Rhetorik II, S. 155 – 156). Siehe auch MM I 1, 1181a24– 1182a1 und Platon, Gorgias 464b4–c5 und 504d1–e4, wo Sokrates über die πολιτική sagt, dass ihr die Pflege der Seele obliege. In diesem Sinne auch Nomoi I, 650b6 – 9: „Nun ist aber doch die Erkenntnis der natürlichen Anlagen und des Charakters menschlicher Seelen (gewiss) eins der nützlichsten Erfordernisse für diejenige Kunst, welcher es obliegt, dieselben zu pflegen. Das ist aber doch, wie ich glaube, nach unserer Ansicht die Staatskunst.“ / τοῦτο μὲν ἄρ᾽ ἂν τῶν χρησιμωτάτων ἓν εἴη, τὸ γνῶναι τὰς φύσεις τε καὶ ἕξεις τῶν ψυχῶν, τῇ τέχνῃ ἐκείνῃ ἧς ἐστιν ταῦτα θεραπεύειν: ἔστιν δέ που, φαμέν, ὡς οἶμαι, πολιτικῆς· [des Places]. Übersetzung: Schleiermacher 1991.
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen
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derung in verschiedene Bücher nicht hinwegtäuschen.⁹⁵ Zwar sind innerhalb der Aristotelischen Praktischen Philosophie im Großen wie der acht Bücher der Politik im Kleinen verschiedene Projekte und Perspektiven zu unterscheiden und Spannungen und Brüche festzustellen, jedoch ist die Einheit der Politischen Wissenschaft deswegen nicht infrage gestellt. Die auf die menschlichen Dinge bezogene Philosophie bietet eine weitgehend kohärente Lehre und es lässt sich dabei weder eine Überordnung der im engeren Sinne ethischen noch der im engeren Sinne politischen Zwecke ausmachen. Vielmehr fallen diese in der Bestimmung des Menschen als politisches Lebewesen zusammen und es stellt die Aristotelische Ethik ein politisches Projekt und die Aristotelische Politik ein ethisches Projekt dar. Die Einheit von Ethik und Politik im Sinne der ,Philosophie über die menschlichen Belange‘ lässt sich weiterhin anhand von zwei zentralen Themen verdeutlichen, die in ihr untrennbar miteinander verbunden sind: am Beispiel der Charaktertugenden und am Beispiel der Erziehung. So besteht eine Form der menschlichen eudaimonia in der Betätigung der ethischen Tugenden. Diese wiederum setzen Gemeinschaft voraus: Die Tugend der Freigebigkeit (eleutheriotês) beispielsweise bedarf jemandes, gegenüber dem man sich freigebig zeigen kann,⁹⁶ Großartigkeit (megaloprepeia) ist ohne Publi-
Malcolm Schofield kritisiert, dass der politische Charakter der Aristotelischen Ethik in der Forschung unberücksichtigt bleibt: „For us, ethics and politics signify two distinct, if overlapping, spheres. For Aristotle, there is just one sphere – politics – conceived in ethical terms. This startling truth is generally downplayed (if not totally ignored) in many presentations of the Nicomachean Ethics.“ (Schofield, Political Ethics, S. 305). Durch die Ankündigung einer philosophischen Untersuchung über das Thema der Verfassung in EN X 10 und durch Verweise auf die Schriften zur Ethik in der Politik (Richard Kraut zählt sechs Verweise [Kraut, Political Philosophy, S. 16, Anmerkung 24], siehe beispielsweise II 2, 1261a31; VII 13, 1332a21– 22 und vor allem VII 2, 1324a13 – 25) nimmt Aristoteles freilich selbst die Unterscheidung der beiden Disziplinen vor (siehe Schütrumpf, Politik I, S. 73), schließt sie jedoch durch den Hinweis auf die zu komplettierende ,Philosophie über die menschlichen Belange‘ (EN X 10, 1181b14– 15) auch als komplementäre Teile eines philosophischen Projekts zusammen. Richard Kraut weist darauf hin, dass τὰ ἠθικά in der Politik nicht zwangsläufig die Nikomachische Ethik meinen muss, sondern sich Aristoteles damit auch auf andere Werke beziehen könnte. Er argumentiert dafür, dass sie die Eudemische Ethik meinen, da die Politik zwischen den beiden großen Ethiken entstanden sei, und die Nikomachische Ethik den krönenden Abschluss der Aristotelischen Praktischen Philosophie darstelle (Kraut, Political Philosophy, S. 18). Für meine Argumentation sind entwicklungs- und entstehungsgeschichtliche Fragen von untergeordnetem Interesse. Es gilt, sich den von Eckart Schütrumpf mit Recht betonten Unterschied zwischen Lehrschriften und Disziplinen gegenwärtig zu halten (Schütrumpf, Politik I, S. 71– 80). Siehe EN IV 1– 3, besonders 1120b2– 3. Dies ist einer der Gründe, warum Aristoteles das Platonische Verbot von Privatbesitz ablehnt: Pol. II 5, 1263b3 – 14. Er betont, die Polis sei im Gegenteil
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kum nicht viel wert – wird sie doch vor allem anhand von Ausgaben für die Gemeinschaft bemessen, die Ehre einbringen⁹⁷ – und auch die Freundlichkeit läuft ohne ein Gegenüber in die Leere.⁹⁸ Bei der Gerechtigkeit (dikaiosynê) unterscheidet Aristoteles zwei Bedeutungen, die beide deutlich sozial geprägt sind: In einem allgemeinen Sinne dient ihm Gerechtigkeit als Oberbegriff für alle Charaktertugenden, sofern diese zum Wohle der Mitbürger eingesetzt werden und zum Erhalt der politischen Gemeinschaft beitragen: „Daher nennen wir gerecht in einer Weise das, was das Glück und seine Teile für die politische Gemeinschaft hervorbringt und erhält […]. Diese Form der Gerechtigkeit ist also die vollkommene Tugend (des Charakters), jedoch nicht schlechthin, sondern in Bezug auf andere Menschen.“⁹⁹ Diese Form der Gerechtigkeit wird von Aristoteles auch als das Gesetzmäßige definiert, da die Gesetze der Polis tugendhaftes Verhalten vorschreiben und die Bürger so zur eudaimonia führen sollen.¹⁰⁰ Im speziellen Sinne ist die Gerechtigkeit eine einzelne Tugend unter anderen, welche die Verteilung von Gütern in der Gemeinschaft und den Ausgleich in Transaktionen zwischen Menschen auf gute Weise regelt, indem sie Gleichheit herstellt.¹⁰¹ Lob und Tadel im Privaten, Ehrungen und Strafen im Staat schließlich begleiten die tugendhaften wie die schlechten Handlungen.¹⁰² Insgesamt handelt es sich bei vielen der Tugenden, die Aristoteles mit der mesotês-Lehre philosophisch zu fassen sucht, um gemeinschaftsstiftende Tugenden, welche die Eigenmacht des Einzelnen auf die Polismoral ausrichten: Die Tapferkeit (andreia) bewährt sich vor allem im Krieg und die Scham (aidôs) gibt uns ein Beispiel für eine bei jungen Menschen lobenswerte mittlere Emotion, welche die Sorge um das eigene Ansehen betrifft und somit gesellschaftliche Konventionen reflektiert.¹⁰³ Wer im Sinne der ethischen Tugenden richtig handelt
gerade so zu gestalten, dass die Bürger darin maßvoll und freigebig leben können, also in einer bestimmten Weise mit ihrem Besitz umzugehen wissen (siehe Pol. VII 5, 1326b30 – 32). Siehe EN IV 5, 1122b19 – 1123a2. Siehe EN IV 12. Die hier im Anschluss an die Erläuterung von Ursula Wolf (Nikomachische Ethik, S. 367, Anmerkung 20) als Freundlichkeit bezeichnete Tugend hat keinen Namen. Aristoteles sagt jedoch, dass sie eine Art Freundschaft ohne Liebe sei (EN IV 12, 1126b19 – 23). EN V 3, 1129b17– 19 und 25 – 27: ὥστε ἕνα μὲν τρόπον δίκαια λέγομεν τὰ ποιητικὰ καὶ φυλακτικὰ εὐδαιμονίας καὶ τῶν μορίων αὐτῆς τῇ πολιτικῇ κοινωνίᾳ […] αὕτη μὲν οὖν ἡ δικαιοσύνη ἀρετὴ μέν ἐστι τελεία, ἀλλ᾽ οὐχ ἁπλῶς ἀλλὰ πρὸς ἕτερον [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. Siehe EN V 3, 1129b11– 25. Siehe EN V 4– 8 und Pol. III 9 – 13 (gerechte Verteilung politischer Macht). Siehe beispielsweise EN III 1, 1109b30 – 35; 1110a19 – 34; 7, 1113b21– 1114a2 und 10, 1115a31– 32. Für die Tapferkeit siehe EN III 10, 1115a32– 35, für die Scham IV 15. Siehe dazu auch Stark, Staatsdenken, S. 25.
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen
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und auf diese Weise das persönliche Glück befördert, der handelt immer auch im Sinne der Gemeinschaft, wie umgekehrt die wohlgeordnete Gemeinschaft den materiellen wie ideellen Rahmen für das tugendgemäße Handeln des Einzelnen bereitstellt.¹⁰⁴ Die uns so vertraute Redeweise von einem glücklichen Privatleben ist ganz und gar unaristotelisch. Politiker eines auf die eudaimonia hin geordneten Staates bemühen sich um die Charakterbildung ihrer Mitbürger, was bei ihnen selbst umfassende ethische Bildung voraussetzt.¹⁰⁵ Und weil man die Tugenden des Charakters in einem Prozess der Habituierung, der seit frühester Kindheit durch erziehende Maßnahmen angeleitet werden muss, erwirbt, ist die Erziehung (im Aristotelischen Theorierahmen näher bestimmt als Vervollkommnung natürlicher Anlagen zu dauerhaften Dispositionen) eine politische Aufgabe: „Denn das beste Gut ist das Ziel der Politik, diese aber bemüht sich am meisten darum, die Bürger auf eine bestimmte Art beschaffen zu machen, das heißt gut und dazu disponiert, die
Siehe Flashar, Ethik und Politik, S. 280; Höffe, Ethik als praktische Philosophie; Ritter, Politik und Ethik, S. 106 – 132; Schofield, Political Ethics; und Wolf, Aristoteles’ Nikomachische Ethik, S. 17. Diesen politischen Rahmen bedenkt Aristoteles in den Ethiken oft mit, ja er gibt der Nikomachischen Ethik selbst einen politischen Rahmen, insofern sich am Anfang und Ende dieses Werks programmatische Äußerungen über den politischen Charakter der Ethik finden (siehe EN I 1, 1094a26–b11 und X 10; so Schofield, Political Ethics). Auch merkt er beispielsweise im Zusammenhang seiner Theorie des Freiwilligen und Unfreiwilligen an, dass dieses Wissen für den Gesetzgeber nützlich sei, um Ehrungen und Strafen angemessen regeln zu können (EN III 1, 1109b30 – 35; siehe auch 7, 1113b21– 1114a2). Auf die politische Gemeinschaft bezogen ist die Behandlung der Gerechtigkeit in Buch V, siehe besonders 3, 1129b17– 19 und 1130a1– 5: „Deswegen gilt der Ausspruch des Bias als richtig, dass die Ausübung eines Amts zeigt, was für ein Mensch jemand ist. Denn wer ein Amt innehat, der ist schon auf den anderen Menschen bezogen und ist schon in Gemeinschaft. Aus demselben Grund hält man auch die Gerechtigkeit als einzige der Tugenden für ein Gut für einen anderen, weil sie auf den anderen Menschen bezogen ist. Sie tut nämlich das Förderliche für einen anderen, sei es für einen Herrscher oder einen Mitbürger.“ / καὶ διὰ τοῦτο εὖ δοκεῖ ἔχειν τὸ τοῦ Βίαντος, ὅτι ἀρχὴ ἄνδρα δείξει· πρὸς ἕτερον γὰρ καὶ ἐν κοινωνίᾳ ἤδη ὁ ἄρχων διὰ δὲ τὸ αὐτὸ τοῦτο καὶ ἀλλότριον ἀγαθὸν δοκεῖ εἶναι ἡ δικαιοσύνη μόνη τῶν ἀρετῶν, ὅτι πρὸς ἕτερόν ἐστιν· ἄλλῳ γὰρ τὰ συμφέροντα πράττει, ἢ ἄρχοντι ἢ κοινωνῷ [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch EN V 6, 1131a24– 29; 8, 1132b31– 34 und 10, wie auch den weiten Freundschaftsbegriff in EN VIII 1, 1155a22– 28 und IX 6. Umgekehrt verliert Aristoteles in der Politik nicht die Bedeutung der Charaktertugenden aus dem Blick (siehe beispielsweise Pol. III 9, 1280b5 – 12) und arbeitet dort mit den Grundbegriffen der Ethik: Die Politische Philosophie ist auf das Handeln bezogen und das politische Leben stellt eine Form der eudaimonia des Menschen dar. Die politische Gemeinschaft hat das gute Leben zum Ziel und ist als ein freundschaftlicher Verbund (Pol. II 4, 1262b1 und III 9, 1280b33 – 1281a4) näher bestimmt (siehe dazu Irwin, Political Activity). Siehe EN I 10, 1099b29 – 32; 13, 1102a7– 26 und Pol. III 9, 1280b5 – 12.
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richtigen Handlungen zu tun.“¹⁰⁶ Und: „Die Gesetzgeber machen die Bürger nämlich durch Gewöhnung gut – die Absicht jedes Gesetzgebers besteht darin. Diejenigen aber, die das nicht richtig machen, verfehlen diese Absicht, und gerade darin unterscheidet sich eine gute Verfassung von einer schlechten.“¹⁰⁷ Nicht nur ist Erziehung eine politische und somit öffentliche Angelegenheit, auch ist es die Aufgabe der Gesetze, die Menschen an tugendhafte Handlungen zu gewöhnen. Sowohl für die Betätigung der Charaktertugenden als auch für die Erziehung als Voraussetzung von Tugend – für die Erziehung des Einzelnen wie die Erziehung aller – ist Gemeinschaft konstitutiv, wie umgekehrt Erziehung und Tugend die gute staatliche Gemeinschaft bedingen. Daher muss der Gesetzgeber die Erziehung zu seiner wichtigsten Aufgabe machen: „[E]s hängt viel davon ab, ja sogar alles.“¹⁰⁸ Von dem bis hierhin skizzierten weiten Verständnis der Politischen Wissenschaft ist jedoch ein Begriff der Politischen Wissenschaft zu unterscheiden, der die Staatslehre, die Fachkompetenz des Politikers und Gesetzgebers, im engeren Sinne meint und sich von der Ethik und der Ökonomik als den anderen beiden Teilbereichen der Politischen Philosophie abhebt. Diese Disziplin wird in der Aristotelischen Terminologie ebenfalls politikê genannt.¹⁰⁹ Der weitaus größte Teil der Politik ist Fragen der Verfassung (im Sinne eines umfassenden politischen Ordnungsentwurfs) gewidmet und behandelt ,klassische‘ politikwissenschaftliche Themen wie Verfassungstypen, Herrschaftsweisen, Bürgerschaften, Modelle der Ämterverteilung sowie Faktoren, welche die Stabilität bestimmter Verfassungen befördern wie solche, die sie gefährden, und versammelt schließlich in den Büchern VII und VIII Ratschläge für die Neugründung von Poleis – ein im vierten vorchristlichen Jahrhundert keineswegs so abwegiges Unterfangen, wie es
EN I 10, 1099b29 – 32: τὸ γὰρ τῆς πολιτικῆς τέλος ἄριστον ἐτίθεμεν, αὕτη δὲ πλείστην ἐπιμέλειαν ποιεῖται τοῦ ποιούς τινας καὶ ἀγαθοὺς τοὺς πολίτας ποιῆσαι καὶ πρακτικοὺς τῶν καλῶν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. EN II 1, 1103b3 – 6: οἱ γὰρ νομοθέται τοὺς πολίτας ἐθίζοντες ποιοῦσιν ἀγαθούς, καὶ τὸ μὲν βούλημα παντὸς νομοθέτου τοῦτ᾽ ἐστίν, ὅσοι δὲ μὴ εὖ αὐτὸ ποιοῦσιν ἁμαρτάνουσιν, καὶ διαφέρει τούτῳ πολιτεία πολιτείας ἀγαθὴ φαύλης [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. Siehe grundsätzlich EN II 1 sowie II 2, 1104b11– 13; 4, 1106a9 – 10; III 15, 1119b3 – 18 und X 10, 1179b29 – 1180a4. Die dianoetischen Tugenden hingegen werden durch Belehrung erworben (EN II 1, 1103a15). EN II 1, 1103b23 – 25: οὐ μικρὸν οὖν διαφέρει τὸ οὕτως ἢ οὕτως εὐθὺς ἐκ νέων ἐθίζεσθαι, ἀλλὰ πάμπολυ, μᾶλλον δὲ τὸ πᾶν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch Pol. VIII 1, 1337a8 – 9: „Der Gesetzgeber muss die Erziehung der Jugendlichen zu seiner wichtigsten Aufgabe machen.“ / ὅτι μὲν οὖν τῷ νομοθέτῃ μάλιστα πραγματευτέον περὶ τὴν τῶν νέων παιδείαν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe EN II 2, 1105a12; VI 9, 1141b23 – 33; X 10, 1180b31– 32 und Pol. VII 2, 1324a16.
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uns heute vorkommen mag. Mit Blick auf diese Themen stellt die Politik durchaus eine eigenständige Abhandlung dar, die sich im Vergleich mit den Ethiken durch eine stärker an der Praxis und an wechselnden konkreten Bedingungen orientierte Perspektive auszeichnet. Zwar soll der Gesetzgeber die Bürger grundsätzlich gut machen,¹¹⁰ doch nicht immer sind die Bedingungen für das beste Leben und den besten Staat schlechthin gegeben, sodass sich die politikê – als Wissenschaft und in der Praxis – auf die jeweils gegebenen Umstände einstellen muss.¹¹¹ Absurd sei es, sagt Aristoteles mit Blick auf Platon, immer nur Unmögliches zu fordern und die Aufgabe der Politischen Wissenschaft vorrangig im Idealstaatsentwurf zu sehen.¹¹² Vielmehr müsse das im Einzelfall durch Handeln erreichbare Gut anvisiert werden und der Politiker sich die Dinge vornehmen, die er auch zustande bringen kann. Was zu tun ist, ist – wie immer im Bereich menschlicher Praxis – in Anbetracht der konkreten Gegebenheiten zu erwägen. Und was diese konkreten Gegebenheiten angeht, macht Aristoteles sich keine Illusionen: Die aus den Ethiken bekannten Ansprüche an einen guten Menschen sind nicht identisch mit den in der Politik entwickelten Vorstellungen eines guten Bürgers; die bereits vom Platonischen Sokrates erhobene und von Aristoteles aufgegriffene Forderung, ein ,wahrer‘ Politiker müsse die Menschen besser machen,¹¹³ übersteigt die Siehe EN I 13, 1102a6 – 10; II 1, 1103b3 – 6; V 5, 1130b25 – 29; Pol. III 9, 1280b5 – 12; VII 7, 1327b36 – 38 und VIII 1. Siehe für diesen Anspruch auch Platons Gorgias 502e2– 508c3; 513d1– 517c1 und besonders 521d6 – 9. Pol.VII 2, 1325a7– 11: „Der gute Gesetzgeber hat ja die Aufgabe herauszufinden, wie ein Staat, eine Klasse von Menschen und jede andere Gemeinschaft am guten Leben und dem für sie erreichbaren Glück teilhaben können. Einige gesetzliche Einrichtungen werden aber (je nach Verhältnissen) verschieden sein“ / τοῦ δὲ νομοθέτου τοῦ σπουδαίου ἐστὶ τὸ θεάσασθαι πόλιν καὶ γένος ἀνθρώπων καὶ πᾶσαν ἄλλην κοινωνίαν, ζωῆς ἀγαθῆς πῶς μεθέξουσι καὶ τῆς ἐνδεχομένης αὐτοῖς εὐδαιμονίας. διοίσει μέντοι τῶν ταττομένων ἔνια νομίμων [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch Pol.VII 1, 1323a17– 19 und beispielsweise V 3, 1303b7– 9 und VII 5 für suboptimale territoriale Voraussetzungen sowie IV 7 und VII 4 für Bürgerschaften von unterschiedlicher Qualität. Dass die Politische Wissenschaft sich an gegebenen Bedingungen orientieren können muss, um überhaupt von Nutzen zu sein, macht Aristoteles in Pol. IV 1 am Beispiel anderer Disziplinen wie der Gymnastik und Medizin deutlich. Siehe Pol. II 6, 1265a17– 18 und VII 4, 1325b38 – 39. Siehe auch: EN III 4, 1111b19 – 26; 5, 1112a30–b11 und 24– 27. Siehe Platon, Gorgias 502e2– 508c3; 513d1– 517c1 und besonders 521d6 – 9: Sokrates: „Ich glaube, dass ich, mit einigen anderen wenigen Athenern, damit ich nicht sage ganz allein, mich der wahren Staatskunst befleißige und die Staatssachen betreibe ganz allein heutzutage. Da ich nun nicht ihnen zum Wohlgefallen rede, was ich jedes mal rede, sondern für das Beste“ / οἶμαι μετ᾽ ὀλίγων ᾿Aθηναίων, ἵνα μὴ εἴπω μόνος, ἐπιχειρεῖν τῇ ὡς ἀληθῶς πολιτικῇ τέχνῃ καὶ πράττειν τὰ πολιτικὰ μόνος τῶν νῦν· ἅτε οὖν οὐ πρὸς χάριν λέγων τοὺς λόγους οὓς λέγω ἑκάστοτε, ἀλλὰ πρὸς τὸ βέλτιστον [Burnet]. Übersetzung: Schleiermacher 72016. Siehe auch Nomoi I, 630c1– 631a8 und X, 963a1– 4. Für Aristoteles siehe EE I 5, 1216a21– 27; EN I 13, 1102a6 – 10; II 1, 1103b3 – 6;
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Aufgaben der Tagespolitik, um die es Aristoteles in der Politik schwerpunktmäßig geht; die guten Gesetze der Nikomachischen Ethik schließlich, die Gerechtigkeit im Sinne der Charaktertugenden realisieren und die Bürger zum Guten hin erziehen, fallen nicht mit dem gesetzten Recht der in der Politik untersuchten Poleis zusammen: Das politisch Gerechte ist nicht mit dem Gerechten schlechthin gleichzusetzen.¹¹⁴ Allenfalls in der besten aller Verfassungen (die für Aristoteles als ein Ganzes immer ein Gedankenexperiment bleibt) fallen ethische und realpolitische Qualitäten zusammen.¹¹⁵ Die politische Gemeinschaft verwirklicht sich – das ist sicherlich eine Grunderfahrung der Griechen im wechselhaften politischen Geschehen des fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr. – in ganz unterschiedlichen Formen. Aristoteles geht davon aus, dass die unterschiedlichen Verfassungen unterschiedliche charakterliche Dispositionen verlangen und dass es Aufgabe der Politiker und Gesetzgeber ist, die Bürger auf die jeweilige Verfassung hin zu erziehen und Handlungsspielräume bestmöglich zu nutzen. Die Qualität der Bürger, wie die der Politiker und des geltenden Rechts kann immer auch verfassungsrelativ bestimmt werden: Daher muss die herausragende Qualität des Bürgers auf die jeweilige Verfassung ausgerichtet sein; und da es mehrere Arten von Verfassungen gibt, kann offensichtlich die herausragende Qualität des guten Bürgers nicht nur eine einzige, die vollendete Form haben; dagegen beziehen wir uns auf eine einzige, die vollkommene Qualität, wenn wir vom guten Mann sprechen. Damit ist nun klar, dass jemand durchaus guter Bürger sein kann, ohne die herausragende Qualität zu besitzen, die den guten Mann ausmacht.¹¹⁶
Anders als die oft abstrakt bleibenden Individuen aus den Aristotelischen Ethiken erscheinen die Berufspolitiker und Gesetzgeber der Politik vor unserem inneren Auge anschaulich als Menschen des wirklichen Lebens, die sich auf die konkreten Gegebenheiten einstellen und unentwegt abwägen müssen. Sie formen die Polis,
V 5, 1130b25 – 29; Pol. III 9, 1280b5 – 12; VII 7, 1327b36 – 38 und VIII 1. Siehe dazu Schütrumpf, Politik I, S. 78 – 80. Siehe EN V 3, 1129b11– 25; 10, 1134a24– 32; 1135a3 – 5 und 13, 1137a11– 12. Siehe Pol. IV 7, 1293b1– 7. Pol. III 4, 1276b30 – 35: διὸ τὴν ἀρετὴν ἀναγκαῖον εἶναι τοῦ πολίτου πρὸς τὴν πολιτείαν. εἴπερ οὖν ἔστι πλείω πολιτείας εἴδη, δῆλον ὡς οὐκ ἐνδέχεται τοῦ σπουδαίου πολίτου μίαν ἀρετὴν εἶναι, τὴν τελείαν· τὸν δ᾽ ἀγαθὸν ἄνδρα φαμὲν κατὰ μίαν ἀρετὴν εἶναι, τὴν τελείαν. ὅτι μὲν οὖν ἐνδέχεται πολίτην ὄντα σπουδαῖον μὴ κεκτῆσθαι τὴν ἀρετὴν καθ᾽ ἣν σπουδαῖος ἀνήρ, φανερόν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch Pol. III 1, 1275b2– 4; V 9, 1310a12– 14; VIII 1, 1337a14 und Rhet. I 8, 1366a8 – 16.
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so wie Sportlehrer einen auf die individuellen Bedürfnisse und Vermögen ihrer Schüler abgestimmten Trainingsplan entwickeln.¹¹⁷ Die Bücher der Aristotelischen Politik ergänzen die Ethiken somit nicht nur, sondern fordern sie auch heraus. Es zeigt sich in ihnen, dass die politische Wirklichkeit, die Aristoteles aus seinen umfangreichen Verfassungsstudien genau kennt, keinen Modellcharakter hat, und dass die Politische Wissenschaft daher – um überhaupt von Nutzen zu sein – mehr leisten muss als die Beschreibung des Wünschenswerten in Gestalt der besten Staatsform nach Maßgabe der Ethiken. Der Staat ist kein „Supersubjekt“¹¹⁸ und die Politik mehr als die „Großprojektion des Individuums“¹¹⁹. Vielmehr werden in ihr Grundprinzipien der Aristotelischen Praktischen Philosophie für die politische Sphäre eigenständig fruchtbar gemacht. Erinnert sei noch einmal an die Verwendung des Autarkiebegriffs: Die eudaimonia eines Menschen ist in einer anderen Weise autark als die Polis. Und ein zur Kolonisation empfohlenes Stück Land muss andere Kriterien erfüllen, um als autark charakterisiert werden zu können, als die Gegenstände der Theoretischen Wissenschaften.¹²⁰ Auch die häufig wiederkehrende These, dass die Natur in Gemeinschaften einen herrschenden und einen beherrschten Teil zusammenzubringen pflegt, gibt uns ein Beispiel dafür, dass die Einheit von Ethik und Politik sowie auch ihre Unterschiede oftmals durch Analogien verdeutlicht wird.¹²¹ Denn die Herrschaft der Vernunft über die Leidenschaften, der Seele über den Körper, des Herrn über den Sklaven und des Mannes über die Frau ist zwar je Ausdruck eines natürlichen Prinzips,¹²² doch inhaltlich ganz unterschiedlich bestimmt. Was bedeutet das alles nun für die Absichten des Aristoteles? Dem unterschiedlichen Charakter der Ethiken und der Politik entsprechend, ist auch die Funktion dieser Schriften eine doppelte: So ist der Philosoph einerseits als ein Politischer Anthropologe näher zu bestimmen, andererseits aber auch ein an praktischer Einwirkung interessierter Ratgeber. Ihm geht es darum, das spezifisch
Siehe Pol. IV 1 und VII 4. William L. Newman weist darauf hin, dass Politiker in diesem Zusammenhang noch schlechter aufgestellt sind als Handwerker, da diese ihr Material, wie beispielsweise das Stück Holz, aus dem sie den Boden eines Instruments schnitzen werden, in der Regel frei wählen können (Newman, The Politics of Aristotle I, S. 18). Horn, Menschenrechte, S. 115. Stark, Staatsdenken, S. 26. Autarkie der menschlichen eudaimonia: EN I 5, 1097b14– 21; X 6, 1176b2– 6 und – mit anderer Nuancierung – X 8, 1178a23–b7 (siehe dazu Wolf, Aristoteles’ Nikomachische Ethik, S. 248 – 249); der Polis: Pol. I 2, 1252b27– 1253a2; des Landes: Pol.VII 5, 1326b26 – 30; einer Wissenschaft: EN III 5, 1112a34–b11; eines Gottes: EE VII 12, 1244b8 – 10. Siehe EN I 4, 1096b26 – 31 und Met. Δ 6, 1016b32– 1017a2. Siehe Pol. I 5, 1254a28 – 32.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
Menschliche (to anthrôpinon) im Kontext des Politischen zu untersuchen.¹²³ Das anthrôpinon kennzeichnet das Wesen des Menschen, das sich inmitten wechselhafter Geschehnisse und ungeordneter Phänomene als beständig erweist. Es bildet die Voraussetzung dafür, dass in aller Kontingenz auch Verlässliches und regelmäßig Wiederkehrendes beobachtet werden können.¹²⁴ Im Aristotelischen Theorierahmen beispielsweise streben alle Menschen nach Glück, besteht für sie das Gute in der Erfüllung ihres spezifischen ergon als einer Tätigkeit der vernünftigen Seele, schließen sie sich aufgrund des ihnen eigentümlichen Strebens nach einem glücklichen Leben in Staaten zusammen und erweisen sich die Charaktertugenden als mittlere Dispositionen. Aristoteles bearbeitet das umfangreiche historische Material, das der Politik zugrunde liegt, mit dem Ziel, die Wahrheit im Sinne der hinter der Vielfalt der Phänomene zunächst verborgen liegenden allgemeinen Prinzipien zu erkennen.¹²⁵ Eben darin liegen Wert und Nutzen seiner Forschungen und darin will er sich von den Vielen unterscheiden, die sich mit weit weniger zufrieden geben.¹²⁶ Um dieses Ziel einzulösen, richtet der Philosoph den Blick über die Beschreibung von historischen Fakten hinaus
Siehe EN I 13, 1102b3; VI 8, 1141b8 und X 10, 1181b14– 15. Die moderne – beispielsweise von Jürgen Habermas erhobene – Kritik einer Bezugnahme auf die Natur des Menschen im Rahmen von politischen Theorien liegt dem griechischen Denken offenbar fern: „In der politischen Philosophie der Antike war die Berufung auf die Natur des Menschen weitgehend unverdächtig: Feststellungen dieser Art erfolgten nicht in naiver Unkenntnis unterschiedlicher Lebensverhältnisse und Wertvorstellungen, sondern hatten den offenkundigen Sinn, gerade in Anbetracht der Veränderlichkeit und Relativität der menschlichen Ziele und Werte, solche Vorgaben festzuhalten, die für das Zusammenleben in jeder menschlichen Gemeinschaft unabdingbar sind.“ (Rapp, Anthropologie, S. 236). Siehe beispielsweise: EN X 1, 1172b4 und Pol. III 8, 1279b15. Das Erkenntnisinteresse, dem Aristoteles in der Politik nachgeht, erinnert in vielerlei Hinsicht an das des Thukydides, wie es in der berühmten Reflexion auf den Nutzen seiner wissenschaftlichen Arbeit im sogenannten Methodenkapitel des ersten Buches der Geschichte des Peloponnesischen Krieges zum Ausdruck kommt. Dort heißt es: „Um zuzuhören, scheint der nicht sagenhafte Charakter meines Werkes zwar vielleicht weniger attraktiv. Dass aber diejenigen, die das Wahre des Geschehenen und des Zukünftigen – das einst gemäß dem Menschlichen erneut so oder ähnlich geschehen wird – betrachten wollen, es als nützlich beurteilen, wird mir genügen. Es ist eher als ein Besitz für immer denn als Prunkstück für den augenblicklichen Hörgenuss verfasst.“ / καὶ ἐς μὲν ἀκρόασιν ἴσως τὸ μὴ μυθῶδες αὐτῶν ἀτερπέστερον φανεῖται· ὅσοι δὲ βουλήσονται τῶν τε γενομένων τὸ σαφὲς σκοπεῖν καὶ τῶν μελλόντων ποτὲ αὖθις κατὰ τὸ ἀνθρώπινον τοιούτων καὶ παραπλησίων ἔσεσθαι, ὠφέλιμα κρίνειν αὐτὰ ἀρκούντως ἕξει. κτῆμά τε ἐς αἰεὶ μᾶλλον ἢ ἀγώνισμα ἐς τὸ παραχρῆμα ἀκούειν ξύγκειται (Historiae 1.22.4. [Jones/Powell.]) Für die Geschichtsschreibung des Thukydides kommt Harald Patzer zu dem Ergebnis, dass sich das anthrôpinon als „der eigentliche Gegenstand der Geschichtsschreibung“ erweist“ (Patzer, Problem der Geschichtsschreibung, S. 97). Siehe beispielsweise EN I 2, 1095a18 und X 10, 1179b7– 10.
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auf das Gesetzmäßige, das Konstante, das im griechischen Denken eng mit dem Begriff der Natur verbunden ist, und dessen Erkenntnis gewährleisten soll, dass sein Werk Objektivität und Geltung über die eigene Zeit hinaus beanspruchen darf. Die Arbeit ist von dem Optimismus getragen, dass echte Wissenschaft auch im Bereich des Veränderlichen möglich ist.¹²⁷ Beachtet man den in diesem Sinn wissenschaftlichen Anspruch scheint es nicht angemessen zu sein, einen weitergehenden Gestaltungswillen des Aristoteles anzunehmen, ihm beispielsweise zu unterstellen, er wolle seine Mitbürger moralisch bessern oder die Sklaverei rechtfertigen oder reformieren.¹²⁸ Dass Ethik und Politik das Handeln und das gute Leben als ihren Gegenstand haben, macht diese Disziplinen für alle Menschen, die ein glückliches Leben erstreben, attraktiv, bedeutet jedoch nicht, dass Aristoteles hier selbst den Bereich wissenschaftlicher Theorie verlässt, um erzieherisch, gesetzgeberisch oder politisch tätig zu werden. Er geht vielmehr davon aus: Wer bei ihm Praktische Philosophie studieren möchte, muss bereits gut erzogen worden sein und gelernt haben, vernünftig zu handeln.¹²⁹ Denn nur dann wird ihm das Gelernte praktische Ziele aufgeben können, die er sich – wie ein Bogenschütze die Zielscheibe – vor Augen stellt und auf die hin er seine Lebensführung ausrichtet.¹³⁰ Allergrößte Treffsicherheit müssen dabei die Politiker und Gesetzgeber unter Beweis stellen, die als ,Architekten‘ das Ganze des Staates durch Gesetze ordnen und deren höchstes Strebensziel daher mehr als das Gelingen des eigenen Lebens umfasst. Sie übernehmen Verantwortung für das Glück der Vielen in der Polis und darin eine besonders schöne, ja göttliche Aufgabe: „Denn auch wenn das Ziel dasselbe für den Einzelnen und für den Staat ist, scheint größer und vollkommener doch das Gut des Staates, was das Erreichen ebenso wie das Bewahren betrifft. Denn erfreulich ist es zwar auch für Einen allein, schöner und göttlicher aber für ein ganzes Volk oder einen Staat.“¹³¹ In diesem bestimmten Sinne der Schulung der Bogenschützen ist die Aristotelische Politische Philosophie nicht selbstzweckhafte Theorie, sondern als Theorie auf das gelingende Handeln in der politischen Gemeinschaft bezogen und
Siehe EN X 1, 1172b3 – 5; Met. Ε 2, 1027a20 – 22 und Pol. III 8, 1279b11– 15. So beispielsweise Kraut, Political Philosophy, S. 278: „[T]he main thrust of his [Aristotle’s] argument is that the institution of slavery needs to be reformed, not abolished.“ Siehe EN I 1, 1095a2– 13; 2, 1095b4– 6 und X 10, 1179b4– 20. Siehe EN I 1, 1094a22– 26. EN I 1, 1094b7– 10: εἰ γὰρ καὶ ταὐτόν ἐστιν ἑνὶ καὶ πόλει, μεῖζόν γε καὶ τελειότερον τὸ τῆς πόλεως φαίνεται καὶ λαβεῖν καὶ σῴζειν· ἀγαπητὸν μὲν γὰρ καὶ ἑνὶ μόνῳ, κάλλιον δὲ καὶ θειότερον ἔθνει καὶ πόλεσιν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
insofern Praktische Philosophie.¹³² Als Politischer Anthropologe ist Aristoteles zum anderen auch Praktischer Philosoph. In den acht Büchern der Politik versammelt Aristoteles reichlich Material für die Ausbildung von Politikern und politischen Beratern: die perspektivreiche Untersuchung verschiedener Arten von Verfassungen und ihrer Teile – vorbereitet durch die Sammlung von 158 Verfassungen am Lykeion –, die kritische Prüfung der politischen Theorien seiner Vorgänger und zahlreiche historische Beispiele. Alles das haben die Philosophen vor ihm versäumt, bereitzustellen. Da es an fachkundigen Lehrern der Politischen Wissenschaft fehlt, und die Sophisten und amtierenden Politiker diese Leerstelle nur ungenügend auszufüllen wissen, wiegt dieses Versäumnis besonders schwer, und Aristoteles unternimmt es mit der Politik selbst, das Thema der Staatsverfassung zu unterrichten.¹³³ Die Aristotelische Praktische Philosophie ist somit nicht einfach Theorie der Praxis um der Theorie willen, sondern – insbesondere in den mittleren Büchern der Politik – durchaus auch auf die politische Praxis bezogen.¹³⁴ Als Ratgeber liegt es Aristoteles allerdings fern, die Sklaverei abschaffen zu wollen. Vielmehr greift er, wie in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird, Strategien des Umgangs mit Sklaven auf, sieht im eigenen Idealstaatsentwurf Sklaven vor und benennt mit der Gruppe der von Natur zur Sklaverei disponierten Menschen eine Gruppe von Menschen niedrigen Standes, die beherrscht zu werden verlangen, was es unmöglich macht, ihren Niedrigstatus einfach dem Schicksal oder Kriegsrecht zuzuschreiben. Die Übernahme von Standardauffassungen zur Sklaverei kann auch als Zustimmung aufgefasst werden und mit der Näherbestimmung von Menschen als Sklaven von Natur führt der Philosoph dabei ein Kriterium ein, das die Versklavung einer Gruppe von Menschen theoretisch legitimiert und die bestehenden Verhältnisse auf diese Weise im Sinne der Interessen der Bürger normiert. Jedoch handelt es sich für Aristoteles bei der Sklaverei um einen Gegenstand von geringer wissenschaftlicher Attraktivität. Interesse und Veränderungswille des Aristoteles, so meine These, sind niedrig zu veranschlagen, insofern der Ge Siehe EN II 2, 1103b26 – 29: „Da nun die gegenwärtige Abhandlung nicht wie unsere anderen auf theoretisches Wissen ausgerichtet ist (denn wir erforschen die Tugend nicht, damit wir wissen, was sie ist, sondern damit wir gut werden, da unsere Untersuchung sonst ganz nutzlos wäre)“ / ἐπεὶ οὖν ἡ παροῦσα πραγματεία οὐ θεωρίας ἕνεκά ἐστιν ὥσπερ αἱ ἄλλαι (οὐ γὰρ ἵνα εἰδῶμεν τί ἐστιν ἡ ἀρετὴ σκεπτόμεθα, ἀλλ᾽ ἵν᾽ ἀγαθοὶ γενώμεθα, ἐπεὶ οὐδὲν ἂν ἦν ὄφελος αὐτῆς) [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit einer kleinen Änderung. Die Erziehung der Gesetzgeber als besondere Aufgabe der Politischen Philosophie betont Dorothea Frede (Der politische Charakter, S. 10 – 11). Siehe EN X 10, 1180b28 – 1181b15. In diesem Sinne auch Frede, Der politische Charakter, S. 10 – 11; und Schofield, Political Ethics, S. 308. Für diesen Hinweis danke ich Oliver Primavesi.
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundentscheidungen
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genstand der Praxis zuzuordnen und innerhalb dieser noch zudem außerhalb des Skopus der Politischen Wissenschaft liegt. Einzig dort, wo sich Berührungspunkte mit den philosophischen Theorien der Zeit, mit Platon und der Gruppe der Sophisten, ergeben, nimmt Aristoteles aktiv Stellung, beteiligt sich damit jedoch stärker an einem theoretischen als einem praktischen Projekt. Fassen wir zusammen: Aufgrund der bisherigen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass die Aristotelische Philosophie streng hierarchisch aufgebaut ist. So sind die theoretischen den praktischen Fächern übergeordnet, da ihnen Gegenstandsbereiche und Erkenntnisse unterschiedlichen Ranges korrespondieren. Der Unterscheidung theoretischer und praktischer Disziplinen wiederum entsprechen unterschiedliche Tugenden und Lebensformen, wobei die größere Autarkie und die Allgemeinheit und Notwendigkeit der gewonnenen Erkenntnisse die theoretische Lebensform vollkommener und in höherem Maße erstrebenswert macht als die praktische. So ist derjenige, der in Muße seine intellektuellen Fähigkeiten, die dianoetischen Tugenden, betätigt, nicht so sehr auf andere Menschen und Güter angewiesen wie derjenige, der die dem Praxis-Wissen zugehörigen Charaktertugenden ausübt. Da der Mensch als Einzelner jedoch nicht gänzlich autark leben kann, übersteigt die dauerhafte rein geistige und apolitische Betätigung seine Möglichkeiten, weshalb er im Aristotelischen Theorierahmen immer schon als ein politisches Lebewesen gedacht ist.¹³⁵ Die Versorgung mit allem Lebensnotwendigen freilich – sichergestellt erst in der autarken Polis – ist Voraussetzung für die Ausübung beider Tugendarten. Auch die praktischen Fächer, so haben wir gesehen, stehen unter sich in einem hierarchischen Verhältnis. Dabei kommt der Politischen Wissenschaft der höchste Rang zu, da sie „am meisten leitet und anordnet“¹³⁶, wobei Leitung und Ordnung auf die Verwirklichung der eudaimonia zielen. So ist auch die Haushaltsführung der Politischen Wissenschaft untergeordnet, wie die Hausgemeinschaft der Bürgergemeinschaft aufgrund ihrer geringeren Autarkie und des niedrigeren Guts, das im Haus verwirklicht wird, untergeordnet ist.¹³⁷ Das Thema ,Sklaverei‘ nun gehört den praktischen Disziplinen an und ist unter diesen wiederum der Oikonomik zuzuordnen. Auch ist die Sklaverei eine derart selbstverständliche Institution der antiken Poleis, dass sie als Gegenstand politischer Kontroverse nicht relevant ist. Festzuhalten ist, dass das Thema ,Sklaverei‘ für Aristoteles nicht im Fokus seiner wissenschaftlichen Interessen
Siehe EN I 5, 1097b8 – 11; X 7, insbesondere 1177a27– 34. EN I 1, 1094a26 – 27. Siehe EN I 1, 1094a26–b3; 10, 1099b29 – 32; Pol. I 2, 1252b29 – 30; III 6, 1278b15 – 24; 9, 1280a31– 34; 10, 1280b33 – 1281a4; IV 4, 1291a17– 18; VII 1, 1323b29 – 33 und 2, 1324a5 – 25.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
liegt. Reformbemühungen oder Rechtfertigungs- und Normierungsversuche des Philosophen erscheinen von hier unwahrscheinlich. So sind wir am Ende dieses Abschnitts mit widersprüchlichen Ergebnissen konfrontiert, die aufzulösen, eine Arbeit von Malcolm Schofield hilfreich ist. In Ideology and Philosophy in Aristotle’s Theory of Slavery unterscheidet der Interpret zwei Weisen, sich der Aristotelischen Sklavereiabhandlung zu nähern: „In short, we can come at Aristotle’s views on slaves, women and trade from two directions: from contemporary Greek reality or from his own moral philosophy.“¹³⁸ Eine in diesem Sinne philosophische Interpretation nun, so meine These, muss die Distanz zwischen der politischen Praxis und der darauf bezogenen Ratgeberfunktion des Aristoteles auf der einen Seite und seiner philosophischen, d. h. prinzipiengeleiteten Analyse von Gegenständen der Praxis auf der anderen Seite größer veranschlagen als eine ,historische‘ Interpretation, die Aristoteles als Quelle für zeitgenössische Auffassungen über Sklaven nutzt. Je philosophischer wir die Sklavereiabhandlung des Aristoteles verstehen, desto geringer ist ihre ideologische Färbung zu veranschlagen.¹³⁹ Und, so wird im Folgenden zu zeigen sein, gerade dort, wo wir auf den ersten Blick eine starke ideologische Triebkraft vermuten – nämlich bei der Unterscheidung zwischen Sklaven aufgrund positiven Rechts und Sklaven von Natur – steht Aristoteles fest auf philosophischem Grund.
2.3 Die Unterscheidung der Praktischen Philosophie von der Naturphilosophie in Hinsicht auf Gegenstand und Methode Im Zusammenhang mit der Aristotelischen Sklavereiabhandlung gilt das besondere Interesse der vorliegenden Untersuchung dem Naturbegriff. Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, den Naturbegriff der Politik vor dem Hintergrund der Aristotelischen Naturphilosophie zu behandeln. Bezugnahmen auf die Bestimmungen der Metaphysik und Physik beispielsweise begegnen in diesem Zusammenhang häufig.¹⁴⁰ Hingegen möchte ich im Folgenden dafür argumentieren, die Schofield, Ideology, S. 11. Anhand der Unterscheidung zwischen Ideologie und Philosophie kommt Malcolm Schofield zu dem Ergebnis, dass Aristoteles’ Theorie der Sklaverei „not to any interesting extent ideological“ sei (Schofield, Ideology, S. 1). Und hier besonders auf Phys. II 1, 192b8 – 23. Siehe beispielsweise die 2006 erschienene Arbeit Physis und Ethos Jörn Müllers, der untersucht, „an welchen Stellen und in welcher Form […] Aristoteles in seiner Ethik auf naturphilosophische Zusammenhänge“ rekurriert (S. 11). Seine Studie charakterisiert der Autor als Versuch, eine „Verbindungslinie zwischen Naturphilosophie
2.3 Die Unterscheidung der Praktischen Philosophie von der Naturphilosophie
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Reflexion auf das Natürliche in der Praktischen Philosophie des Aristoteles von der Reflexion auf das Natürliche in der Naturphilosophie deutlich zu unterscheiden. Der Aristotelischen Unterscheidung theoretischer, praktischer und poietischer Disziplinen korrespondieren unterschiedliche Gegenstandsbereiche und Zwecke. Das wiederum hat Folgen für das jeweilige wissenschaftliche Vorgehen. Als eine praktische Disziplin hat es die Politische Wissenschaft, um die es uns hier geht, mit Handlungen und dem guten Leben als Ziel menschlichen Handelns zu tun. Handlungen sind das Resultat von Überlegung (bouleusis), die sich auf solche Dinge richtet, die in der Macht des Handelnden stehen und als Mittel und Wege zur Verwirklichung eines für gut befundenen Ziels infrage kommen.¹⁴¹ Diese Dinge müssen deshalb erwogen werden, weil nicht ganz sicher ist, wie sie sich verhalten.¹⁴² Gegenstand von Überlegung ist somit alles das, was durch den Handelnden zustande kommt – jedoch nicht immer in derselben Weise.¹⁴³ So überlegt der Arzt, wie er Gesundheit bewirken kann, und der Stratege erwägt den besten Angriffsplan, eben weil nicht immer dieselbe Therapie Gesundheit und dieselbe Taktik den Sieg bringen werden. Dass nicht ganz sicher ist, wie sich diese Dinge verhalten, hängt damit zusammen, dass sie dem Seinsbereich des Partikularen und Kontingenten angehören und als solche eine große Menge an empirischen Daten und unvorhersehbaren Möglichkeiten aufweisen.¹⁴⁴ Zwar lehrt die Erfahrung, dass es ratsam ist, in bestimmten Situationen eine bestimmte Handlung zu wählen, zwar haben sich Verfahrensweisen und Mittel bewährt, doch sind immer auch Umstände denkbar, angesichts derer die Standard-Handlung zu tun, ganz und gar falsch ist. Daher sind im Bereich der Praktischen Philosophie, die Handlungen mit Blick auf die Verwirklichung des höchsten menschlichen Guts, der eudaimonia, hin ordnet, Aussagen oftmals nur wahrscheinlich wahr. Weder die Mittel und Wege können mit Sicherheit vorausgesagt werden, noch erweisen sich die Ziele selbst als gleichermaßen konstant. Gesundheit beispielsweise stellt in den allermeisten Fällen ein erstrebenswertes körperliches Gut dar, doch sind auch hier Ausnahmen denkbar: Bei der Muste-
und Ethik aufzuzeigen“ (S. 13) und legt ihr Aristotelische Schriften aus dem Bereich der Naturphilosophie und der Praktischen Philosophie zugrunde. Siehe auch Perčič, Freiheit. Kritisch hingegen Annas, Human Nature, S. 731: „Aristotle gives us an account of physis or nature in the Physics which is adequate for his immediate purposes there, but gives little indication of his broad deployment in the ethical and political works of the concept of the natural.“ EN III 5, 1112a31. Siehe auch EN III 5, 1112b12– 16; VI 8, 1141b8 – 16 und Met. Z 7, 1032b6 – 9. Siehe EN VI 8, 1141b10 – 11. Siehe EN III 5, 1112b2– 4. Siehe EN VI 8, 1141b16.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
rung für den Wehrdienst etwa kann gerade die Tatsache, dass jemand nicht gesund ist, vor dem Einsatz an der Front und der damit verbundenen Gefährdung des eigenen Lebens schützen. Im Bereich von Ethik und Politik gelten Aussagen daher zumeist nur hôs epi to poly und besitzen keine der Mathematik oder Metaphysik vergleichbare Stabilität.¹⁴⁵ Nicht nur in dieser Hinsicht ist die Praktische Philosophie weniger genau als die theoretischen Disziplinen, sondern auch, weil sie ihre Bestimmungen oft nur im Umriss (typô) zu geben vermag. Aufgrund der spezifischen Beschaffenheit ihres Gegenstandsbereiches – der Vielfalt der Phänomene und der unüberschaubaren Menge an Möglichkeiten – kann sie nicht alle Szenarien im Einzelnen erfassen,¹⁴⁶ und so kommt es dem Handelnden zu, in einer gegebenen Situation umsichtig „fortzuführen und im Detail auseinander zu legen, was einmal gut skizziert ist“¹⁴⁷. Eben darauf wird er seit frühester Kindheit vorbereitet und zu diesem Zweck erwirbt er die Tugend der phronêsis als das Wissen darum, was auf welche Weise im Einzelfall zu tun richtig ist.¹⁴⁸ Dass im Bereich des Veränderlichen keine notwendigen Sätze möglich sind, bedeutet nun aber nicht, dass Aristoteles meint, in der Praktischen Philosophie könne es kein verlässliches Wissen geben.¹⁴⁹ Denn auch hier lassen sich allgemeine Prinzipien in Form essentialistischer Bestimmungen auffinden.Wir können fragen, was das Wesen der Gerechtigkeit, der Freundschaft, einer bestimmten Herrschaftsweise oder eines bestimmten Verfassungstyps ist. Solche Fragen verlangen als Antwort eine definitorische Eindeutigkeit, die über eine im Einzelfall zu konkretisierende, umrisshafte Bestimmung hinausgeht. Aus solchen Wesensbestimmungen wiederum lassen sich allgemeine Regeln ableiten – beispielsweise, was in einer Freundschaft zu tun angemessen ist –, die keineswegs beliebig, sondern als Standard so verlässlich sind, dass sie notwendigen Sätzen zumindest ähneln.¹⁵⁰ Diese im engeren Sinne der Prinzipienforschung philosophische Arbeit ist also auch im Bereich menschlicher Praxis möglich, scheint dort aber nicht immer
Siehe An. post. I 30; De int. 2, 16a26 – 28; EE III I, 1228b4; EN I 1, 1094b19 – 1095a2; II 2, 1103b34– 1104a10; VI 4, 1140a1– 2; 6, 1140b35 – 1141a1 und 8, 1141b10 – 11. Siehe EN I 11, 1101a24– 28. EN I 7, 1098a22– 24: δόξειε δ᾽ ἂν παντὸς εἶναι προαγαγεῖν καὶ διαρθρῶσαι τὰ καλῶς ἔχοντα τῇ περιγραφῇ, καὶ ὁ χρόνος τῶν τοιούτων εὑρετὴς ἢ συνεργὸς ἀγαθὸς εἶναι [Bywater]. Siehe EN VI 5, besonders 1140b5 – 6 und 12, 1143a25 – 34. Siehe An. post. I 30, 87b22– 23; EN I 7, 1098a33–b8; X 1, 1172b3 – 5; Met. Ε 2, 1027a20 – 22 und Pol. III 8, 1279b11– 15. Siehe An. post. I 30, 87b22– 23. So auch Frede, Der politische Charakter, S. 8.
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angemessen zu sein.¹⁵¹ Im ersten Buch der Nikomachischen Ethik wählt Aristoteles das Bild eines Tischlers und eines Mathematikers, die beide mit Zahlen und geometrischen Formen arbeiten, sich diesem Gegenstand jedoch mit unterschiedlichen Absichten nähern, um zu verdeutlichen, dass es in Untersuchungen eine dem jeweiligen Erkenntnisinteresse angemessene Genauigkeit gibt. Während der Tischler Zahlen und geometrische Formen nur so weit studiert, wie es für seine Belange erforderlich ist, sucht der Mathematiker, die Wahrheit zu ergründen, und fragt daher ganz genau nach dem Wesen und der Beschaffenheit der Zahlen und geometrischen Formen.¹⁵² Wie der Tischler, heißt es an anderer Stelle, muss auch ein Politiker über die Seele nur so weit Bescheid wissen, wie es für seine Arbeit von Nutzen ist.¹⁵³ Und was für den Tischler und den Politiker gilt, gilt – zumindest als ein Prinzip der Darstellung seiner Gedanken – auch für den Philosophen. Aristoteles selbst insistiert im Bereich von Ethik und Politik auf vorläufigen Bestimmungen, wo weitergehende Ausführungen den Gedankengang nur unnötig erschweren und von den Leitfragen und der praktischen Zielsetzung dieser Disziplinen ablenken würden.¹⁵⁴ Die ,verwehrten‘ weitergehenden Ausführungen betreffen vor allem Dinge, die der Mensch nicht beeinflussen kann, die eben nicht in seiner Macht stehen, und die daher für eine Untersuchung des durch Handeln erreichbaren Guten nicht relevant sind. Dabei grenzt Aristoteles auch den Bereich des Natürlichen im Sinne der Dinge, die ohne Zutun der Menschen regelmäßig oder unregelmäßig geschehen, aus: Als Gegenstand der Überlegung sollten wir vielleicht nicht das bezeichnen, worüber ein Dummkopf oder ein Wahnsinniger, sondern worüber jemand, der bei Verstand ist, Überlegungen anstellen würde. Über das Ewige, zum Beispiel über den Kosmos oder die Inkommensurabilität von Diagonale und Seite, stellt ja niemand Überlegungen an. Auch nicht über diejenigen Dinge, die zwar in Bewegung sind, aber immer auf dieselbe Weise geschehen, sei es aus Notwendigkeit, sei es von Natur aus oder durch irgendeine andere Ursache, etwa über
Zu diesem Absatz siehe Scott, Political Science, S. 123 – 141; und Wolf, Aristoteles’ Nikomachische Ethik, S. 59 – 60. Siehe EN I 7, 1098a29 – 31. Siehe EN I 13, 1102a18 – 26. Siehe EN I 1, 1094b11– 27; 4, 1096b26 – 31; 13, 1102a23 – 32; II 2, 1103b34– 1104a10; X 4, 1174b2– 3 und 8, 1178a21– 23. Siehe Scott, Political Science, S. 123 – 141 für eine hilfreiche Diskussion dieser Stellen. Die programmatische Ausgrenzung bestimmter Themen in der Aristotelischen Politischen Philosophie als für eine Untersuchung des durch Handeln erreichbaren menschlichen Guten nicht relevante Bereiche (insbesondere der Metaphysik) betonen Günther Bien und unter rein methodologischen Gesichtspunkten jüngst wieder Dominic Scott (Bien, Grundlegung; Scott, Political Science, S. 105 – 209). Hellmut Flashar spricht von einer „Argumentationsform der Restriktion“ (Flashar, Ethik und Politik, S. 284).
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
die Sonnenwenden oder das Aufgehen der Sterne. Auch nicht über diejenigen Ereignisse, die bald auf die eine, bald auf die andere Weise geschehen, wie Dürre und Regen.¹⁵⁵
Mehr Präzision (akribeia) zu verlangen, als in einer bestimmten Angelegenheit nützlich ist, nennt Aristoteles ein Zeichen mangelnder Bildung – sowohl im Falle des Vortragenden als auch im Falle überzogener Erwartungen der Zuhörerschaft.¹⁵⁶ Der Anspruch des Mathematikers, die Wahrheit zu erkennen, wird damit jedoch nicht aufgegeben. Denn das Ziel des Aristoteles erschöpft sich nicht darin, im Bereich der Praktischen Philosophie als phronimos zu wirken – lediglich verständig zu sein –, sondern auch hier geht es ihm darum, das gleichbleibende Wesen der in diesem Bereich am meisten relevanten Dinge – sei es das Glück, die Gerechtigkeit oder der Staat – genau zu bestimmen.¹⁵⁷ Die Praktische Philosophie ist somit von der Lebensform des Bürgers als ihrem Untersuchungsgegenstand sowie von der gegebenen politischen und moralischen Praxis zu unterscheiden. Fassen wir zusammen: Aufgabe und besondere Schwierigkeit der praktischen Disziplinen sind diese: Der eudaimonia gilt ihr Bemühen. Der Weg zu diesem höchsten und anderen für gut befundenen Zielen jedoch kann und soll nicht mit derselben Exaktheit und Verlässlichkeit, wie sie im Bereich der theoretischen Disziplinen gefordert sind, bestimmt werden.¹⁵⁸ Das aber schmälert nicht den eigenständigen Wert oder die Wissenschaftlichkeit von Untersuchungen im Bereich von Ethik und Politik. In diesen Texten werden essentialistische Bestimmungen erarbeitet, wobei es vorrangig um die Natur des in Gemeinschaft handelnden und nach Glück strebenden Menschen, d. h. um Politische Anthropologie, geht. Jedoch muss sich die Verfahrensweise der Politischen Wissenschaft den spezifischen Bedingungen im Bereich des Veränderlichen und Kontingenten anzupassen wissen und darf ihr praktisches Ziel nicht aus den Augen verlieren. Charakteristisch für Aristoteles sind methodologische Reflexivität und methodische Flexibilität,¹⁵⁹ und wir dürfen voraussetzen, dass die Verfahren in Ethik und Politik insofern eigenen Regeln folgen, als die gewöhnlichen wissenschaft EN III 5, 1112a19 – 27: λεκτέον δ᾽ ἴσως βουλευτὸν οὐχ ὑπὲρ οὗ βουλεύσαιτ᾽ ἄν τις ἠλίθιος ἢ μαινόμενος, ἀλλ᾽ ὑπὲρ ὧν ὁ νοῦν ἔχων. περὶ δὴ τῶν ἀιδίων οὐδεὶς βουλεύεται, οἷον περὶ τοῦ κόσμου ἢ τῆς διαμέτρου καὶ τῆς πλευρᾶς, ὅτι ἀσύμμετροι. ἀλλ᾽ οὐδὲ περὶ τῶν ἐν κινήσει, ἀεὶ δὲ κατὰ ταὐτὰ γινομένων, εἴτ᾽ ἐξ ἀνάγκης εἴτε καὶ φύσει ἢ διά τινα αἰτίαν ἄλλην, οἷον τροπῶν καὶ ἀνατολῶν. οὐδὲ περὶ τῶν ἄλλοτε ἄλλως, οἷον αὐχμῶν καὶ ὄμβρων [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe Flashar, Ethik und Politik, S. 282. Siehe EN I 1, 1094b19 – 1095a2 und I 13, 1102a23 – 32. Siehe EE I 1, 1214a15 – 25; 6, 1216b37– 39; EN X 1, 1172b3 – 5 und Pol. III 8, 1279b11– 15. Sätze, die ὡς ἐπì τὸ πολύ gelten, ähneln notwendigen Sätzen: An. Post. I 30, 87b22– 23. Außerdem ist so genau wie möglich zu arbeiten: EN X 1, 1172b3 – 5. Siehe Corcilius, Methode.
2.3 Die Unterscheidung der Praktischen Philosophie von der Naturphilosophie
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lichen Vorgehensweisen – der induktive Aufstieg zu den Prinzipien und der deduktive Abstieg von den Prinzipien, das Fortschreiten vom uns Bekannten zum Bekannten an sich in Form allgemeiner Wesensbestimmungen¹⁶⁰ – abhängig von der spezifischen Beschaffenheit des Gegenstands der praktischen Fächer durch den Philosophen modifiziert werden.¹⁶¹ Die Modifikationen betreffen beispielsweise die Art der Prämissen und das jeweils einschlägige Vorwissen als das uns Bekannte und somit die Anfangspunkte (archai) der Untersuchungen in den verschiedenen Gebieten. Daraus wiederum folgt, dass in den einzelnen Wissenschaften nicht unreflektiert von Inhalten anderer Fächer Gebrauch gemacht werden darf. Jede Disziplin hat ihren spezifischen Gegenstandsbereich, ihre eigenen Prinzipien und Verfahrensweisen. Es ist nicht erlaubt, in verschiedenen Gattungen ein gemeinsames Maß anzulegen und bei der philosophischen Arbeit nach Gutdünken Argumente aus unterschiedlichen Wissenschaften zusammenzutragen und zu verwenden.¹⁶² Diesen Fehler nennt Aristoteles metabasis eis allo genos und äußert sich in aller Deutlichkeit: „Es ist also nicht möglich, einen Beweis zu führen, wobei man aus einer Gattung in eine andere übergeht.“¹⁶³ Und: „Deshalb ist es der Geometrie nicht möglich, zu beweisen, dass es von den entgegengesetzten Dingen eine Wissenschaft gibt […] und auch ist es für eine andere Wissenschaft nicht möglich, etwas aus einer anderen Wissenschaft zu beweisen, außer das, was sich so zueinander verhält, dass das eine unter dem anderen ist.“¹⁶⁴ Es sind somit die ausdrücklichen Forderungen des Aristoteles, dass die praktischen Disziplinen erstens aus sich selbst verstanden werden können müssen und dass zweitens das Prinzip der gegenstandsgerechten Priorisierung gewahrt wird, damit nicht Nebensächliches zur Hauptsache wird und sich der Skopus der Untersuchung beispielsweise zum Metaphysischen oder Biologischen hin verschiebt.¹⁶⁵ Selbst wenn der Rekurs auf Inhalte der Theoretischen Philosophie also möglich wäre und unser Wissen von einer Sache durch Hinzufügung
Siehe EN I 2, 1095a30–b4; VII 1, 1145b2– 7 und Phys. I 1, 184a16 – 17. Siehe EN II 2, 1104a3 – 4: „So haben wir ja auch zu Anfang gesagt, dass die verlangten Erklärungen sich nach dem Gegenstand richten müssen.“ / ὥσπερ καὶ κατ᾽ ἀρχὰς εἴπομεν ὅτι κατὰ τὴν ὕλην οἱ λόγοι ἀπαιτητέοι [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch EN I 1, 1094b19 – 1095a2. Siehe Corcilius, Methode, S. 267. An. post. I 7, 75a38 – 39: Οὐκ ἄρα ἔστιν ἐξ ἄλλου γένους μεταβάντα δεῖξαι [Ross]. An. post. I 7, 75b12– 15: διὰ τοῦτο τῇ γεωμετρίᾳ οὐκ ἔστι δεῖξαι ὅτι τῶν ἐναντίων μία ἐπιστήμῃ […]· οὐδ’ ἄλλῃ ἐπιστήμῃ τὸ ἑτέρας, ἀλλ’ ἢ ὅσα οὕτως ἔχει πρὸς ἄλληλα ὥστ’ εἶναι θάτερον ὑπὸ θάτερον [Ross]. Siehe auch Met. Ι 4, 1055a6 – 7. Siehe EN I 7, 1098a32– 33.
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
weiterer Perspektiven noch vergrößert würde,¹⁶⁶ gilt das systematische Interesse des Philosophen eben jenem spezifischen Gegenstandsbereich, der eine einzelne Wissenschaft als eine ebensolche konstituiert – in unserem Fall der Politischen Anthropologie. Selbstverständlich ist der Mensch Untersuchungsgegenstand verschiedener Disziplinen und es ließen sich von vielen Seiten anthropologische Spezifika zusammentragen. In der Praktischen Philosophie jedoch ist er im Kontext der Polis näher bestimmt: „Insofern er aber ein Mensch ist und mit vielen zusammenlebt, wünscht er gemäß der Tugend zu handeln: Er braucht also solche Dinge, um eines menschlichen Lebens willen.“¹⁶⁷ Dass der Mensch auch ein zweibeiniges Lebewesen ist, seine Erinnerungen zu bündeln vermag, lebend gebärt und nicht das einzige Lebewesen ist, das Staaten bildet, da ja auch Kraniche, Bienen und Ameisen in größeren Gruppen zusammenleben, ist in diesem Zusammenhang nebensächlich. Dass und auf welche Weise er in der autarken und durch gute Gesetze organisierten Polis zu sich selbst kommt, unterscheidet ihn von allen anderen Herdentieren, und diesen Bestimmungen gilt unser Interesse.¹⁶⁸ Selbst derjenige Teil des Menschen, der zur reinen theôria und somit zum Göttlichen drängt, spielt in den Ethiken und in der Politik – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle.¹⁶⁹ An diese wissenschaftstheoretischen Vorgaben des Aristoteles, die sicherlich auch in Abgrenzung vom Platonismus mit dem Programm einer einheitlichen Philosophie und Methode und der Auffassung, dass es von den veränderlichen Dingen keine Erkenntnis geben kann, verstanden werden müssen,¹⁷⁰ sollte sich auch der moderne Interpret halten. Prinzipien, Argumente und Begriffe, die in den theoretischen Fächern eingeführt und gebraucht werden, dürfen daher nicht unreflektiert auf das Feld der Praktischen Philosophie übertragen werden. Das gilt insbesondere auch für den Naturbegriff, der in beiden Wissenschaften unverzichtbar ist, aber jeweils unterschiedlich geprägt ist.
Dominic Scott unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Platonischen ‘longer route’, die Studenten der Politischen Philosophie umfangreiche theoretische Prinzipienkenntnis und höchste Präzision abverlangt, und der Aristotelischen ‘shorter route’, die im Bereich der πολιτική auf die Explikation metaphysischer und naturphilosophischer Grundannahmen bewusst verzichtet (Scott, Political Science). EN X 8, 1178b5 – 7: ᾗ δ᾽ ἄνθρωπός ἐστι καὶ πλείοσι συζῇ, αἱρεῖται τὰ κατὰ τὴν ἀρετὴν πράττειν· δεήσεται οὖν τῶν τοιούτων πρὸς τὸ ἀνθρωπεύεσθαι [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. Siehe Pol. I 2, 1253a1– 18. Zur Einordnung des βίος θεωρητικός siehe Flashar, Ethik und Politik, S. 285 – 292. Siehe Bien, Grundlegung, S. 32– 34; und Corcilius, Methode, S. 267.
2.4 Aristoteles’ Schrift Politik: Einheit und Programm
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2.4 Aristoteles’ Schrift Politik: Einheit und Programm 2.4.1 Vorbemerkung zur Überlieferung¹⁷¹ In ihrer uns heute vorliegenden Form umfasst die Aristotelische Politik acht Bücher. Da bereits die beiden einschlägigen antiken Verzeichnisse ein achtbändiges politisches Werk führen, ist davon auszugehen, dass die Schrift – unabhängig von den schwierigen Fragen der Anordnung der einzelnen Bücher und der Urheberschaft der Edition – früh zusammengestellt worden ist.¹⁷² Der Bestand von acht Büchern findet sich sowohl in dem älteren bei Diogenes Laertios überlieferten Schriftenkatalog in griechischer Sprache, der sie unter dem Titel Vorlesung über die Politische Wissenschaft (wie diejenige des Theophrast) (Nummer 75) versammelt,¹⁷³ als auch in dem jüngeren der beiden Verzeichnisse, dem in arabischer Sprache überlieferten Schriftenkatalog des Ptolemaios al-Gharîb, der dem Titel Politik (Nummer 37) ebenfalls acht Bücher zuordnet.¹⁷⁴ Angesichts der sonst oft problematischen Überlieferungslage der Werke des Aristoteles – wenn beispielsweise, wie im Falle der Metaphysik und der naturwissenschaftlichen Schriften, in dem Verzeichnis des Diogenes Laertios entscheidende Teile unseres wohl auf die Arbeit des Andronikos im ersten Jahrhundert zurückgehenden Corpus Aristotelicum fehlen – ist dies ein erfreulich eindeutiger Befund. Auf die weitere Textgeschichte einzugehen, ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nicht erforderlich.¹⁷⁵
Zu diesem Abschnitt siehe Primavesi, Blick in den Stollen; und ders., Werk und Überlieferung. Zu diesem Ergebnis kommt auch Eckart Schütrumpf: „Da das bei Diogenes Laertios überlieferte Schriftenverzeichnis auf das ausgehende 3. Jh. v. Chr. zurückgeht – nur über den Verfasser ist man uneins –, dürfte man schon für diese Zeit eine aristotelische Politik in acht Büchern voraussetzen, die wohl schon in der Buchabgrenzung, aber nicht unbedingt in der Buchfolge mit der Pol. der handschriftlichen Tradition übereinstimmt.“ (Schütrumpf, Politik I, S. 66 – 67). So auch Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 149 – 157. Anders Dreizehnter, Aristoteles’ Politik, S. xvi. πολιτικῆς ἀκροάσεως ὡς ἡ Θεοφράστου (in: Diogenes Laertios: Lebensgeschichten und Meinungen von berühmten Philosophen / Βίοι καὶ γνῶμαι τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων, Liber V, 330). Siehe auch Moraux, Les Listes Anciennes, S. 25 und S. 95 – 96: „C’est bien notre Politique qui est représentée par le titre πολιτικῆς ἀκροάσεως ὡς ἡ Θεοφράστου“ (S. 95). Die Werkliste, die der Vita Hesychii beigegeben ist und auf dasselbe hellenistische Verzeichnis wie der Katalog des Diogenes Laertios zurückgeht (siehe Primavesi, Werk und Überlieferung, S. 60), führt ebenfalls acht Bücher (siehe Moraux, Les Listes Anciennes, S. 198). Πολιτικῶν. Siehe Hein, Definition und Einteilung, S. 426 – 427; und Moraux, Les Listes Anciennes, S. 297. Übersetzt lautet der arabische Titel Über die Ordnung der Städte. Siehe zu diesem Zweck Dreizehnter, Untersuchungen. Alois Dreizehnter kommt in seinen Untersuchungen zur Textgeschichte der Aristotelischen Politik zu dem Ergebnis, dass die von ihm
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
2.4.2 Komposition und Inhalt Der Ruf, ein heterogenes, sperriges und philosophisch nicht sonderlich aufschlussreiches Werk zu sein, eilt der Aristotelischen Politik voraus: Kaum ein Buch passe zum anderen, die mittleren Bücher IV–VI stellten nicht mehr als eine ermüdende Sammlung historischen Materials dar, der Idealstaatsentwurf der Bücher VII und VIII könne dem Vergleich mit Platons Politeia nicht standhalten, die Diskussion der Sklaverei im ersten Buch sei unerträglich und die vielen Inkonsistenzen, Wiederholungen und Brüche erschwerten das Studium der politischen Theorie des Philosophen erheblich.¹⁷⁶ So einige der gängigen Vorurteile. Indes legt Aristoteles am Ende der Nikomachischen Ethik ein Exposé der Politik vor, das für sich genommen an Klarheit nicht viel zu wünschen übrig lässt:¹⁷⁷ Da nun unsere Vorgänger das Thema der Gesetzgebung unerforscht gelassen haben, ist es vielleicht besser, dass wir selbst es untersuchen, und so auch überhaupt das Thema der Verfassung, damit die Philosophie über die menschlichen Belange so weit wie möglich zu Ende gebracht wird. Zuerst nun wollen wir, wenn von den Vorgängern im Einzelnen etwas richtig gesagt wurde, versuchen, dies durchzugehen, und sodann auf der Grundlage unserer Sammlung von Verfassungen betrachten, welche Dinge die Staaten und die jeweiligen Verfassungen bewahren und zerstören, und woran es liegt, dass die einen Staaten gut, die anderen schlecht verwaltet werden. Wenn diese Dinge nämlich untersucht sind, werden wir wohl auch eher umfassend sehen können, welche Verfassung die beste ist und wie jede einzelne geordnet ist und welche Gesetze und Sitten sie verwendet.¹⁷⁸
geprüften griechischen Handschriften und griechisch-lateinischen Übersetzungen auf einen Codex zurückgehen, „der in Pergamentunziale im 6.–8. Jahrhundert geschrieben war und sich zuletzt wohl in Byzanz befand“ (S. 70). Für die Sklaverei siehe beispielsweise Garnsey, Ideas of Slavery, S. 125; Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 1– 2; Ober, Political Dissent, S. 347; Richter, Seneca, S. 207; und Schofield, Ideology, S. 1. Die umstrittene Frage, ob der Schluss der Nikomachischen Ethik von Aristoteles selbst stammt, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Ich folge Interpreten wie Werner Jaeger und Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff, die für die Echtheit des Textes argumentieren (Jaeger, Grundlegung, S. 281; und Wilamowitz-Moellendorff, Aristoteles und Athen I, S. 360, Anmerkung 54). EN Χ 10, 1181b12– 23: παραλιπόντων οὖν τῶν προτέρων ἀνερεύνητον τὸ περὶ τῆς νομοθεσίας, αὐτοὺς ἐπισκέψασθαι μᾶλλον βέλτιον ἴσως, καὶ ὅλως δὴ περὶ πολιτείας, ὅπως εἰς δύναμιν ἡ περὶ τὰ ἀνθρώπεια φιλοσοφία τελειωθῇ. πρῶτον μὲν οὖν εἴ τι κατὰ μέρος εἴρηται καλῶς ὑπὸ τῶν προγενεστέρων πειραθῶμεν ἐπελθεῖν, εἶτα ἐκ τῶν συνηγμένων πολιτειῶν θεωρῆσαι τὰ ποῖα σῴζει καὶ φθείρει τὰς πόλεις καὶ τὰ ποῖα ἑκάστας τῶν πολιτειῶν, καὶ διὰ τίνας αἰτίας αἳ μὲν καλῶς αἳ δὲ τοὐναντίον πολιτεύονται. θεωρηθέντων γὰρ τούτων τάχ᾽ ἂν μᾶλλον συνίδοιμεν καὶ ποία πολιτεία ἀρίστη, καὶ πῶς ἑκάστη ταχθεῖσα, καὶ τίσι νόμοις καὶ ἔθεσι χρωμένη [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit kleinen Änderungen.
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Zunächst zum Hintergrund dieser programmatischen Sätze: Die Frage nach der eudaimonia des Menschen findet im zehnten Buch der Nikomachischen Ethik zwei Antworten: Das Glück besteht erstens und zuvorderst in der theoretischen und zweitens in der politischen Lebensform.¹⁷⁹ Da der Mensch als Mensch nicht ununterbrochen die höchsten Gegenstände denkend betrachten kann, übersteigt die reine und dauerhafte theôria seine Möglichkeiten und ist dem ersten und göttlichen Seienden vorbehalten.¹⁸⁰ Der Mensch hingegen ist ein in Gemeinschaft lebendes, aus Seele und Körper zusammengesetztes Wesen.¹⁸¹ Als ‚Philosophie über die menschlichen Belange‘¹⁸² behandelt die Nikomachische Ethik daher schwerpunktmäßig das durch gute Gesetze wohlgeordnete politische Leben und die dafür erforderlichen ethischen Tugenden. In der Polis geht es vorrangig nicht
Siehe EN X 6 – 8. Siehe EN X 7, 1177b26 – 31: „Ein so beschaffenes Leben aber ist wohl höher, als es dem Menschen entspricht. Denn so wird er nicht leben, insofern er Mensch ist, sondern insofern etwas Göttliches in ihm vorhanden ist. Und in dem Maß, in dem dieses dem Zusammengesetzten überlegen ist, in dem Maß ist auch seine Tätigkeit derjenigen überlegen, die aus der anderen Tugend [der des Charakters] hervorgeht. Wenn also die intuitive Vernunft im Vergleich mit dem Menschen göttlich ist, dann ist auch das Leben in der Betätigung dieser Vernunft göttlich im Vergleich mit dem menschlichen Leben.“ / ὁ δὲ τοιοῦτος ἂν εἴη βίος κρείττων ἢ κατ᾽ ἄνθρωπον· οὐ γὰρ ᾗ ἄνθρωπός ἐστιν οὕτω βιώσεται, ἀλλ᾽ ᾗ θεῖόν τι ἐν αὐτῷ ὑπάρχει· ὅσον δὲ διαφέρει τοῦτο τοῦ συνθέτου, τοσοῦτον καὶ ἡ ἐνέργεια τῆς κατὰ τὴν ἄλλην ἀρετήν. εἰ δὴ θεῖον ὁ νοῦς πρὸς τὸν ἄνθρωπον, καὶ ὁ κατὰ τοῦτον βίος θεῖος πρὸς τὸν ἀνθρώπινον βίον [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit einer kleinen Änderung. Siehe EN X 8, 1178a9 – 23: „In zweiter Linie glücklich ist das Leben im Sinn der anderen Tugend [der des Charakters]. Denn die Betätigungen dieser Tugend sind menschlicher Art: Das Gerechte, das Tapfere sowie das Übrige, worin sich die Tugenden betätigen, üben wir gegeneinander aus, indem wir im vertraglichen Umgang, in Notlagen, in Handlungen aller Art und bei den Affekten das beachten, was einem jeden angemessen ist. Dies alles sind aber offenbar menschliche Dinge. Nach gängiger Meinung kommt einiges davon auch vom Körper her, und die Tugend des Charakters ist vielfach mit den Affekten verknüpft. […] Die Tugenden des zusammengesetzten Wesens aber sind menschlich. Somit sind auch das Leben in ihrer Betätigung und das Glück, das hierin besteht, menschlich.“ / Δευτέρως δ᾽ ὁ κατὰ τὴν ἄλλην ἀρετήν· αἱ γὰρ κατὰ ταύτην ἐνέργειαι ἀνθρωπικαί. δίκαια γὰρ καὶ ἀνδρεῖα καὶ τὰ ἄλλα τὰ κατὰ τὰς ἀρετὰς πρὸς ἀλλήλους πράττομεν ἐν συναλλάγμασι καὶ χρείαις καὶ πράξεσι παντοίαις ἔν τε τοῖς πάθεσι διατηροῦντες τὸ πρέπον ἑκάστῳ· ταῦτα δ᾽ εἶναι φαίνεται πάντα ἀνθρωπικά. ἔνια δὲ καὶ συμβαίνειν ἀπὸ τοῦ σώματος δοκεῖ, καὶ πολλὰ συνῳκειῶσθαι τοῖς πάθεσιν ἡ τοῦ ἤθους ἀρετή. […] αἱ δὲ τοῦ συνθέτου ἀρεταὶ ἀνθρωπικαί· καὶ ὁ βίος δὴ ὁ κατὰ ταύτας καὶ ἡ εὐδαιμονία [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit kleinen Änderungen. EN X 10, 1181b15: ἡ περὶ τὰ ἀνθρώπεια φιλοσοφία [Bywater].
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2 Aristoteles’ Theorie der Sklaverei. Zugänge und Textgrundlage
darum, die Dinge im Sinne der reinen Theorie zu betrachten und zu erkennen, sondern sie auf gute Weise zu tun.¹⁸³ Das oben zitierte Ende der Nikomachischen Ethik kündigt als Fortsetzung und zugleich Abschluss der ‚Philosophie über die menschlichen Belange‘ eine umfassende Untersuchung der Verfassung an, die gleichsam den äußeren Rahmen für die politische Lebensform darstellt. Aristoteles sieht in dieser Untersuchung ein Desiderat der Arbeiten seiner Vorgänger, das zu beheben er sich vornimmt. Dafür sollen zuerst der Forschungsstand ermittelt und anschließend verschiedene Verfassungen untersucht werden, wobei an die am Lykeion bereits geleistete Vorarbeit – eine umfangreiche Sammlung von Staatsverfassungen – angeknüpft werden kann. Dieses Wissen befähigt zum kritischen und sachkundigen Urteil über bestehende Staatsordnungen und erlaubt es, eine Vorstellung von der besten Verfassung zu gewinnen.¹⁸⁴ Alles in allem ist hier ein plausibles und durchaus modern anmutendes, allerdings sehr umfangreiches Forschungsvorhaben beschrieben, das – ungeachtet der Entstehungszeit, Anordnung und Verknüpfung der Bücher – in der Politik auch eingelöst wird.¹⁸⁵ Buch II prüft kritisch die theoretischen Entwürfe Platons, des Phaleas von Chalkedon und des Hippodamos von Milet sowie die „Verfassungen mit guten Gesetzen“¹⁸⁶ von Sparta, Kreta und Karthago.¹⁸⁷ Buch III leistet
Siehe EN X 10, 1179a35–b2: „Oder besteht, wie man sagt, im praktischen Bereich das Ziel nicht darin, die jeweiligen Dinge zu betrachten und zu erkennen, sondern sie zu tun?“ / ἢ καθάπερ λέγεται, οὐκ ἔστιν ἐν τοῖς πρακτοῖς τέλος τὸ θεωρῆσαι ἕκαστα καὶ γνῶναι, ἀλλὰ μᾶλλον τὸ πράττειν αὐτά [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. In den Einleitungskapiteln des siebten Buches der Politik, die eine kurze und gemeinverständliche Ethik enthalten, fehlt die theoretische Lebensform oftmals ganz. Siehe beispielsweise Pol. VII 1, 1323b1– 2: „ […] und das glückliche Leben, ob es nun für Menschen im Sich-Freuen besteht oder in der Tüchtigkeit oder in beiden zusammen.“ / καὶ τὸ ζῆν εὐδαιμόνως, εἴτ᾽ ἐν τῷ χαίρειν ἐστὶν εἴτ᾽ ἐν ἀρετῇ τοῖς ἀνθρώποις εἴτ᾽ ἐν ἀμφοῖν [Ross]. Siehe dazu auch EN X 10, 1181a14–b12 für die gegen Isokrates gerichteten Ausführungen über den richtigen Umgang mit Materialsammlungen (siehe Wolf, Nikomachische Ethik, S. 381, Anmerkung 32). Dass hier der Schluss der Nikomachischen Ethik zitiert wird, hat drei Gründe: Es soll erstens auf das die Ethiken und die Politik verbindende Projekt einer ,Philosophie der menschlichen Belange‘ aufmerksam gemacht werden. Es soll zweitens die Verfassung als zentraler Untersuchungsgegenstand der Politik eingeführt werden und es soll drittens die Bedeutung der umfangreichen Materialsammlungen durch die Gelehrten des Peripatos für die Aristotelische Politik hervorgehoben werden. Hingegen möchte ich nicht behaupten, dass die Ankündigung in der Nikomachischen Ethik und die Ausführungen in der Politik gleichzusetzen sind, woraus ein Argument für die unitarische Deutung der Politik als eines in sich geschlossenen, sorgsam komponierten Werkes gewonnen werden könnte. Pol. II 1, 1260b30 – 31: εὐνομούμεναι πολιτεῖαι [Ross].
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wichtige Begriffsbestimmungen¹⁸⁸ und legt eine erste Verfassungslehre vor. Die Bücher IV–VI bauen auf der Materialsammlung der Gelehrten des Peripatos auf ¹⁸⁹ und diskutieren facettenreich unterschiedliche Arten von Verfassung. Die Bücher VII und VIII schließlich behandeln die beste Verfassung¹⁹⁰ und besonders ausführlich die Erziehung. Somit wird das Thema der Verfassung im Ganzen der Politik aus verschiedenen Blickwinkeln und mit verschiedenen Zielsetzungen untersucht und die methodische Forderung vom Ende der Nikomachischen Ethik, der politischen Urteilsbildung umfassende Studien voranzustellen,¹⁹¹ erfüllt. Es ist dabei davon auszugehen, dass sich diese umfangreichen Studien über einen langen Zeitraum erstreckten und dass Aristoteles seine Leitgedanken und Grundbegriffe im Laufe der Jahre hinterfragte und gegebenenfalls modifizierte, wie es die philosophische Praxis nun einmal mit sich bringt. Auch wenn man so, von der Nikomachischen Ethik herkommend, die Einheit der Politik herausstellt, lässt sich doch der Eindruck der Unabgeschlossenheit und Heterogenität der Ausführungen im Einzelnen nicht abweisen. Brüche und Wiederholungen haben die Forschung lange Zeit dazu veranlasst, weniger den inhaltlichen Fragen als vielmehr den Problemen der Gesamtkomposition – d. h. der richtigen Anordnung und Datierung der acht Bücher – nachzugehen.¹⁹² Innere
Eckart Schütrumpf weist darauf hin, dass Aristoteles am Ende der Nikomachischen Ethik davon spricht, bei anderen Denkern zutreffend Gesagtes herausarbeiten zu wollen, sich in Buch II der Politik dann jedoch ausschließlich den Unzulänglichkeiten der Idealstaatsentwürfe seiner Vorgänger widmet. Die Ankündigung in der Nikomachischen Ethik und die Ausführungen in der Politik dürfen daher auch aus diesem Grund nicht gleichgesetzt werden (Schütrumpf, Aristoteles’ Essays zur Verfassung, S. 247– 248). Es ist freilich im Einzelnen zu prüfen, wie weit die im dritten Buch entwickelten Grundbegriffe tragen. Siehe Immisch, Epilog, S. 60; Jaeger, Grundlegung, S. 281; und Wilamowitz-Moellendorff, Aristoteles und Athen I, S. 359. Zu prüfen ist das Verhältnis der relativ besten Verfassung einzelner Staatswesen der mittleren Bücher und der absolut besten Verfassung der Bücher VII und VIII. John L. Stocks bezweifelt, dass die beste Verfassung der Bücher VII und VIII der Politik der am Ende der Nikomachischen Ethik angekündigten besten Verfassung entspricht (Stocks, Composition, S. 183). Im letzten Kapitel der Nikomachischen Ethik wirft Aristoteles den Berufspolitikern einen Mangel an theoretischem Wissen und den Sophisten, die Politik lehren zu können versprechen, einen Mangel an praktischer Erfahrung vor (siehe EN X 10, 1180b28 – 1181b15). Siehe beispielsweise Immisch, Epilog; Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 131– 163; ders., Grundlegung; Stocks, Composition. Jüngere Publikationen zu diesem Thema sind Lord, Character and Composition; und Rowe, Aims and Methods; sowie die in der Zeitschrift für Politik im Jahre 2011 (Ausgabe 2– 4) publizierte Kontroverse zwischen Manuel Knoll und Eckart Schütrumpf. Für einen Überblick über die Text- und Rezeptionsgeschichte der Aristotelischen Politik siehe Schütrumpf, Politik I, S. 39 – 71.
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Spannungen suchte man zunächst durch Buchumstellungen aufzulösen: Buch II wollte man mit den Büchern VII und VIII verbunden wissen, da es in allen drei Büchern um Idealstaatsentwürfe gehe, die Bücher IV und VI zusammenschließen, und Buch V, das den Verfassungswandel behandelt, hintanstellen.¹⁹³ Spätere entwicklungsgeschichtliche Ansätze, wie sie von Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff und Werner Jaeger vertreten worden sind, lehnen die Umstellung von Büchern grundsätzlich ab.¹⁹⁴ Die beiden Forscher halten die Aristotelische Politik für eine Sammlung von Texten zur Politischen Theorie, die in unterschiedlichen Schaffensphasen entstanden seien und denen unterschiedliche Konzeptionen zugrunde lägen.¹⁹⁵ Eckart Schütrumpf identifiziert im Anschluss an Werner Jaeger vier sogenannte methodoi ¹⁹⁶, die als die ursprünglichen schriftstellerischen Einheiten zum Ganzen der Politik verbunden worden seien.¹⁹⁷ Im Unterschied zu Werner Jaeger, der von sechs methodoi und der relativen Eigenständigkeit dieser sechs Abhandlungen ausgegangen war,¹⁹⁸ betont Eckart Schütrumpf stärker, dass
Siehe Schütrumpf, Politik I, S. 39 – 41 für die Einzelnachweise zur Buchumstellung. Auch der vor Eckart Schütrumpf wichtigste Kommentator der Politik, William L. Newman, nimmt in seiner Ausgabe eine Umstellung der mittleren Bücher vor. Siehe Jaeger, Grundlegung, S. 275, Anmerkung 3 und S. 280; und Wilamowitz-Moellendorff, Aristoteles und Athen I, S. 355 – 356. Siehe Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 156 – 157; ders., Grundlegung, S. 271– 307; und Wilamowitz-Moellendorff, Aristoteles und Athen I, S. 355 – 359. In diesem Sinne auch Stocks, Composition. Siehe Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 150 – 163 für den Begriff ,Methodos‘ / μέθοδοs als die „natürliche Grundform des aristotelischen Untersuchens und Lehrens“ (S. 150). „Es ist unbestreitbar das historische Verdienst W. Jaegers, mit dieser Untersuchung der Arbeitsweise des Aristoteles und der Entstehungsgeschichte seiner Werke in einer neuen, über Wilamowitz hinausgehenden Weise die Buchumstellung als untaugliche Lösung der Probleme der Gesamtkomposition von Aristoteles’ Pol. erwiesen zu haben. Die Versuche, auf irgendeine Weise ein einheitliches Werk ,die Politik‘ herzustellen, mußten scheitern, weil Aristoteles selber nicht ein solches „Buch“ verfaßt hatte. Diesen Ergebnissen Jaegers über den Charakter der gesamten Pol., die nach ihm von vielen übernommen wurden, stimme ich zu.“ (Schütrumpf, Politik I, S. 43). Und: „Insgesamt besteht die uns erhaltene Politik aus vier ganz verschiedenen Teilen: zwei Torsi, den Büchern I und III, jeweils ausführlichen Anfangsteilen politischer Untersuchungen, die ihr eigenes Programm nicht vollständig ausgeführt enthalten; hinzu kommen zwei Buchgruppen oder Blöcke, die Bücher IV–VI einerseits und VII/VIII andererseits, und als Einleitung zu dieser zweiten Buchgruppe Pol. II (auch dieser Block ist wieder unvollständig).“ (Schütrumpf, Politik I, S. 64). Siehe Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 156: (i) „Über den Haushalt“ / περὶ οἰκονομίας (Buch I) (ii) „Über diejenigen, die zuvor ihre Meinung über die Verfassung geäußert haben“ / περὶ τῶν πρότερον ἀποφηναμένων περὶ πολιτείας (Buch II)
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einzelne Bücher schon von Aristoteles selbst zu einer umfassenden Untersuchung zusammengeschlossen worden seien und kann dies anhand einer Analyse der Querverweise zwischen den Büchern überzeugend belegen.¹⁹⁹ Er kommt zu folgendem Ergebnis: „Aristoteles konzipierte die methodoi nicht als isolierte Einzelabhandlungen, die ohne jede Beziehung zueinander stehen, sondern er hatte eine deutliche Vorstellung von der Notwendigkeit, den gerade untersuchten Gegenstand auszuweiten, tiefer zu begründen und in einen Zusammenhang mit anderen Erörterungen zu stellen.“²⁰⁰ Daraus folgt freilich nicht, dass die Politik in ihrer uns heute vorliegenden Form als Ganzes auf einen Aristotelischen Entwurf zurückgeht. Dagegen sprechen die zahlreichen Wiederholungen und Widersprüche, wie sie besonders deutlich bei der vierfachen Bestimmung der Teile der Polis²⁰¹ und den beiden Verfassungsschemata zutage treten, genauso wie fehlende Ausführungen und nicht eingelöste Ankündigungen.²⁰² Es kann somit weder die Position der ‚Unitarier‘, die in der Aristotelischen Politik eine einheitliche politische Theorie erkennen wollen,²⁰³ noch die der
(iii) „Über die Verfassungen und Fehlentwicklungen“ / περὶ πολιτειῶν καὶ παρεκβάσεων (Buch III) (iv) „Über die anderen Verfassungsformen, ihre Auflösung und ihren Erhalt“ / περὶ τῶν ἄλλων πολιτειῶν καὶ περὶ φθορᾶς καὶ σωτηρίας αὐτῶν (Buch IV und V) (v) „Über die Einrichtung von Verfassungen“ / περὶ πολιτειῶν καταστάσεως (Buch VI) (vi) „Über die beste Verfassung“ / περὶ τῆς ἀρίστης πολιτείας (Buch VII und VIII) Siehe Schütrumpf, Politik I, S. 43 – 45. Beweiskraft haben für den Verfasser vor allem die nicht eingelösten Verweise. Schütrumpf, Politik I, S. 45. Dazu ausführlich Schütrumpf, Analyse der Polis. Ich nenne jeweils Beispiele: Bestimmung der Teile der Polis: I 1, 1252a17– 21; III 1, 1274b38 – 41; IV 3, 1289b27– 29 und VII 8, 1328a21– 35; die beiden Verfassungsschemata: III 6 – 8 und IV 3; nicht eingelöste Ankündigungen: I 13, 1260b8 – 13 (Untersuchung über die Gemeinschaft von Mann und Frau und von Vater und Kind); VII 5, 1326b32– 33 (Untersuchung über den richtigen Gebrauch von Besitz und Wohlstand); VII 10, 1330a4– 5 (Untersuchung über den Nutzen gemeinsamer Mahlzeiten). Siehe beispielsweise Knoll, Unitarische Interpretation; ders., Aufsatzsammlung; Lord, Character and Composition; Rowe, Aims and Methods. Für weitere Literaturangaben siehe Schütrumpf, Politik I, S. 54, Anmerkung 2. Eine gemäßigt unitarische Position vertritt Richard Kraut: „[T]here is an organizational principle that lies behinds its traditional arrangement […], it is possible to discover a certain kind of logical progression that the treatise follows. […] [T]he Politics takes us from these lesser social formations, examines the sorts of cities (of varying quality) with which we have become familiar, and concludes with the depiction of a city that would provide the locus for the perfection of human life.We move in other words, from bad to better to best.“ (Kraut, Political Philosophy, S. 185; siehe dort auch S. 187: „In this sense, all of the books of the Politics are preparatory to VII and VIII.“).
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,Analytiker‘, die das Werk als eine relativ lockere Zusammenstellung verschiedener Stücke zu politischen Fragen charakterisieren,²⁰⁴ überzeugen. Zuzustimmen ist vielmehr einer gemäßigt analytisch-genetischen Position im Sinne Eckart Schütrumpfs, der „den Vorgang der Überarbeitung, Verbesserung und Abänderung“²⁰⁵ durch Aristoteles anerkennt und der die Vielfalt der Gedanken des Philosophen – und darin zugleich das Ganze der Politik – wahrt, indem er „alle divergierenden Äußerungen ernst nimmt und ihr Verhältnis zueinander sinnvoll zu erklären versucht.“²⁰⁶ Wie sollte Aristoteles nicht – was doch auch sonst für große philosophische Werke kennzeichnend ist – seine eigenen Vorstellungen immer wieder neu bedenken und modifizieren, dabei unterschiedliche Perspektiven einnehmen und, angeregt und belehrt durch die Forschungsarbeiten seiner Kollegen, variabel Schwerpunkte setzen?²⁰⁷ Warum sollten in der Politischen Theorie nicht idealstaatliche und realpolitische Erwägungen zusammenkommen, wie in der ‚Philosophie über die menschlichen Belange‘ das Individuelle und Soziale und in den Ethiken die theoretische und die politische Lebensform miteinander verknüpft werden? Aristoteles selbst charakterisiert die Aufgabe der Politischen Wissenschaft im ersten Kapitel des vierten Buches der Politik als überaus vielseitig: Daher ist klar, dass auch hinsichtlich der Verfassung dieselbe Wissenschaft die Aufgabe hat, zu untersuchen, welche die beste Verfassung ist, wie (beschaffen) sie – unbeschadet hindernder äußerer Umstände – am ehesten wünschenswert sein dürfte und welche Verfassung zu welchen Menschen passt (denn für viele ist es vielleicht unmöglich, die beste Verfassung zu erreichen, sodass der gute Gesetzgeber und der wahre Staatsmann nicht im Unklaren über
Die genetisch-analytische Betrachtungsweise der Aristotelischen Philosophie wird meist auf die einschlägigen Veröffentlichungen Werner Jaegers (besonders Jaeger, Entstehungsgeschichte; aber auch ders., Grundlegung) zurückgeführt. An seiner Interpretation erscheint heute vor allem die Zuweisung von Teilen der Politik zu bestimmten Lebensabschnitten des Aristoteles problematisch. Dabei würden sich die früh entstandenen Bücher der Politik, die Jaeger zu einer ,Urpolitik‘ zusammenfasst, durch die Nähe zu Platonischen Auffassungen auszeichnen, die späteren, genuin Aristotelischen Bücher hingegen durch ihren ,empirischen‘ Charakter. Zum Erklärungswert von Entwicklungshypothesen siehe Rapp, Erklärungswert. Schütrumpf, Politik I, S. 55. Schütrumpf, Politik I, S. 62. Dass Eckart Schütrumpf diese Position bis heute beibehalten hat und worin seine Kritik an der unitarischen Deutung besteht, geht aus der folgenden, der Kontroverse mit Manuel Knoll entnommenen Stellungnahme hervor: „In der Tat beklage ich an der unitarischen Deutung ein Aufopfern der bemerkenswerten Vielfalt aristotelischer Argumentation zu gewissen Problemen mit dem Ergebnis einer Verarmung des Verständnisses der aristotelischen politischen Philosophie durch eine Reduktion auf eine Handvoll von Grundprinzipien oder ihre vom Text her nicht begründbare Überbewertung“ (Schütrumpf, Aristoteles’ Essays zur Verfassung, S. 246). Siehe dazu Rapp, Erklärungswert.
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die absolut beste und die unter den gegebenen Voraussetzungen beste Verfassung sein darf); außerdem, drittens, hat diese Wissenschaft die Aufgabe, die jeweils auf gewissen Voraussetzungen aufbauende Verfassung zu untersuchen (denn man muss auch die gegebene Verfassung untersuchen können, wie sie wohl entstanden ist und auf welche Weise sie, wenn sie einmal in Kraft ist, für die längste Zeit erhalten werden könnte – ich meine zum Beispiel, wenn es sich so fügt, dass ein Staat nicht nach der besten Verfassung regiert wird und ihm auch die Ausstattung mit den notwendigen Mitteln fehlt und er auch nicht nach einer Verfassung, die sich unter den gegebenen Bedingungen verwirklichen ließe, sondern einer schlechteren regiert wird). Neben allen genannten Möglichkeiten muss sie die Verfassungsform kennen, die am ehesten zu allen Staaten passt.²⁰⁸
Somit muss die Politische Wissenschaft sowohl die beste Verfassung schlechthin (i)²⁰⁹ als auch die in einer konkreten Situation realisierbare beste Verfassung (ii)²¹⁰ erkennen können. Sie sollte grundsätzlich jede gegebene Verfassung (iii)²¹¹ zu erhalten und im Kleinen zu verbessern wissen. Zu den Aufgaben eines guten Gesetzgebers und „wahren“²¹² Staatsmannes gehört es zudem zu wissen, welche Verfassung zu welchen Menschen passt und was in den allermeisten Fällen zu tun gut ist (iv)²¹³. Bereits William L. Newman kommt angesichts der hier beschriebenen Vielseitigkeit des Gegenstands und der Aufgaben der Politischen Wissenschaft (und der anderen Fächer, für welche die politikê hier beispielhaft steht) zu folgender Einschätzung dieses programmatischen ersten Kapitels des vierten Buches der Politik: „I am not aware of any other passage in which Aristotle sets
Pol. IV 1, 1288b21– 35: ὥστε δῆλον ὅτι καὶ πολιτείαν τῆς αὐτῆς ἐστιν ἐπιστήμης τὴν ἀρίστην θεωρῆσαι τίς ἐστι καὶ ποία τις ἂν οὖσα μάλιστ᾽ εἴη κατ᾽ εὐχὴν μηδενὸς ἐμποδίζοντος τῶν ἐκτός, καὶ τίς τίσιν ἁρμόττουσα (πολλοῖς γὰρ τῆς ἀρίστης τυχεῖν ἴσως ἀδύνατον, ὥστε τὴν κρατίστην τε ἁπλῶς καὶ τὴν ἐκ τῶν ὑποκειμένων ἀρίστην οὐ δεῖ λεληθέναι τὸν ἀγαθὸν νομοθέτην καὶ τὸν ὡς ἀληθῶς πολιτικόν), ἔτι δὲ τρίτην τὴν ἐξ ὑποθέσεως (δεῖ γὰρ καὶ τὴν δοθεῖσαν δύνασθαι θεωρεῖν, ἐξ ἀρχῆς τε πῶς ἂν γένοιτο, καὶ γενομένη τίνα τρόπον ἂν σῴζοιτο πλεῖστον χρόνον· λέγω δὲ οἷον εἴ τινι πόλει συμβέβηκε μήτε τὴν ἀρίστην πολιτεύεσθαι πολιτείαν, ἀχορήγητον δὲ εἶναι καὶ τῶν ἀναγκαίων, μήτε τὴν ἐνδεχομένην ἐκ τῶν ὑπαρχόντων, ἀλλά τινα φαυλοτέραν), παρὰ πάντα δὲ ταῦτα τὴν μάλιστα πάσαις ταῖς πόλεσιν ἁρμόττουσαν δεῖ γνωρίζειν [Ross]. Pol. IV 1, 1288b22: ἡ ἀρίστη πολιτεία [Ross]. Pol. IV 1, 1288b26: ἡ ἐκ τῶν ὑποκειμένων ἀρίστη [Ross]. Pol. IV 1, 1288b28: ἡ δοθεῖσα [Ross]. Hier besteht ein Unterschied zu der schon vom Platonischen Sokrates erhobenen und von Aristoteles an anderer Stelle aufgegriffenen Forderung, ein „wahrer“ Politiker (ὁ κατ᾽ ἀλήθειαν πολιτικός) müsse die Menschen besser machen. Offenbar ist dieser Anspruch nicht immer angemessen. Für Platon siehe Gorgias 502e2– 508c3, 513d1– 517c1 und besonders 521d6 – 9 und Nomoi I, 630c1– 631a8 und X, 963a1– 4. Für Aristoteles siehe EN I 13, 1102a6 – 10; II 1, 1103b3 – 6; V 5, 1130b25 – 29; Pol. III 9, 1280b5 – 12; VII 7, 1327b36 – 38 und VIII 1. Pol. IV 1, 1288b34– 35: ἡ μάλιστα πάσαις ταῖς πόλεσιν ἁρμόττουσα πολιτεία [Ross].
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forth with equal fullness the manifold problems to which any art or science that lay claims to completeness must address itself“²¹⁴. Wenn man grundsätzlich anerkennt, dass die Politische Wissenschaft, um überhaupt von Nutzen zu sein, mehr leisten können muss als die Beschreibung des Wünschenswerten in Gestalt der besten Staatsform nach Maßgabe der Ethiken und die verschiedenen Projekte und Perspektiven unterscheidet, spricht vieles für eine kohärente Lesart der Aristotelischen Politik. ²¹⁵ Ich werde daher im Folgenden einerseits verschiedene Teilprojekte und Argumentationsziele der Politik unterscheiden, gehe andererseits jedoch davon aus, dass sich diese in ihrer Vielfalt sinnvoll in das Ganze der Politischen Theorie des Aristoteles einordnen lassen. Die Politische Theorie wiederum, so wurde bereits deutlich, begreife ich als ein von der Aristotelischen Naturphilosophie weitgehend unabhängiges Projekt. Für den Naturbegriff, der für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung ist, soll das Gleiche gelten: Er wird vorrangig hinsichtlich seines Gebrauchs in der Politik differenziert und kontextbezogen interpretiert. Ich gehe dabei nicht davon aus, dass es in der Praktischen Philosophie des Aristoteles die eine übergreifende Verwendung und Bedeutung des Naturbegriffs gibt.
2.4.3 Die Herrschaft im Haus als Untersuchungsgegenstand des ersten Buches Das erste Buch, dem das Interesse der vorliegenden Untersuchung schwerpunktmäßig gilt, nimmt im Verbund der acht Bücher der Aristotelischen Politik eine Sonderstellung ein. Wo immer das Werk in der Forschungsliteratur in verschiedene methodoi unterteilt wird – seien es nun drei, vier, fünf oder sechs –, stets wird das erste Buch für sich allein genommen und häufig als eine Art MiniOikonomik näher bestimmt (i).²¹⁶ Über diese kleine Oikonomik wiederum wird oft gesagt, dass es sich dabei um eine Einleitung zur eigentlichen politischen Untersuchung handele, die in den Büchern II bis VIII folge (ii).²¹⁷ Beide Beschreibungen sind meines Erachtens kritisch zu präzisieren.
Newman, The Politics of Aristotle IV, S. 135. Dabei ist freilich nicht an ein System im Sinne eines großen zusammenhängenden und widerspruchsfreien Lehrgebäudes gedacht (für diese Grundauffassung der Aristotelesforschung siehe Wieland, Die aristotelische Physik, S. 19 – 22). Dies geht wohl vor allem auf Werner Jaeger zurück, der das erste Buch „Über den Haushalt“ / περὶ οἰκονομίας überschrieb und als eigenständige methodos von den anderen Büchern abgrenzte (Jaeger, Entstehungsgeschichte, S. 156). Kritisch dazu Schütrumpf, Politik I, S. 45, Anmerkung 3. Siehe beispielsweise Jaeger, Grundlegung, S. 276; und Stocks, Composition, S. 183.
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Aristoteles selbst beschreibt sein Vorhaben zu Beginn des dritten Kapitels des ersten Buches folgendermaßen: Da nun klar ist, aus welchen Teilen der Staat besteht, muss man zuerst die Führung eines Haushalts behandeln, denn jeder Staat besteht aus Haushalten. Die Teilbereiche der Führung eines Haushalts entsprechen den Teilen, aus denen der Haushalt besteht: Ein vollständiger Haushalt besteht aus Sklaven und Freien. Da man nun jeden Gegenstand zuerst in seinen kleinsten Einheiten untersuchen muss, die ersten und kleinsten Teile des Haushalts aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau, und Vater und Kinder sind, sollten diese drei (Verhältnisse) betrachtet werden, was ein jedes ist und wie es sein muss. Diese sind das despotische, das durch Heirat begründete (denn für die Vereinigung von Mann und Frau gibt es keine besondere Bezeichnung) und drittens das beim Aufziehen von Kindern (denn auch dies wird nicht mit einem eigenen Namen bezeichnet). Es sollen also diese drei (Verhältnisse), die wir genannt haben, sein. Es gibt aber auch noch einen Bereich, der manchen als die Führung eines Haushalts, anderen dagegen als deren wichtigster Teil gilt, und wie es sich verhält, muss untersucht werden: Ich meine die sogenannte Fertigkeit, sich Besitz zu beschaffen.²¹⁸
zu (i): Das erste Buch der Aristotelischen Politik ist dem oikos als kleinstem Teil der Polis gewidmet und untersucht die Führungsaufgaben des Hausherrn, der für den Besitz und für die anderen im Haushalt lebenden Personen verantwortlich ist. Da Aristoteles den oikos als Teil der Polis näher bestimmt,²¹⁹ wird die Oikonomik im größeren Rahmen der Politischen Philosophie verhandelt und ist dieser untergeordnet.²²⁰ Die Methode, das Ganze des Staates aus seinen Teilen zu verstehen,
Pol. I 3, 1253b1– 14: ’Επεὶ δὲ φανερὸν ἐξ ὧν μορίων ἡ πόλις συνέστηκεν, ἀναγκαῖον πρῶτον περὶ οἰκονομίας εἰπεῖν· πᾶσα γὰρ σύγκειται πόλις ἐξ οἰκιῶν. οἰκονομίας δὲ μέρη ἐξ ὧν πάλιν οἰκία συνέστηκεν· οἰκία δὲ τέλειος ἐκ δούλων καὶ ἐλευθέρων. ἐπεὶ δ᾽ ἐν τοῖς ἐλαχίστοις πρῶτον ἕκαστον ζητητέον, πρῶτα δὲ καὶ ἐλάχιστα μέρη οἰκίας δεσπότης καὶ δοῦλος, καὶ πόσις καὶ ἄλοχος, καὶ πατὴρ καὶ τέκνα, περὶ τριῶν ἂν τούτων σκεπτέον εἴη τί ἕκαστον καὶ ποῖον δεῖ εἶναι. ταῦτα δ᾽ ἐστὶ δεσποτικὴ καὶ γαμική (ἀνώνυμον γὰρ ἡ γυναικὸς καὶ ἀνδρὸς σύζευξις) καὶ τρίτον τεκνοποιητική (καὶ γὰρ αὕτη οὐκ ὠνόμασται ἰδίῳ ὀνόματι). ἔστωσαν δὴ αὗται τρεῖς ἃς εἴπομεν. ἔστι δέ τι μέρος ὃ δοκεῖ τοῖς μὲν εἶναι οἰκονομία, τοῖς δὲ μέγιστον μέρος αὐτῆς· ὅπως δ᾽ ἔχει, θεωρητέον· λέγω δὲ περὶ τῆς καλουμένης χρηματιστικῆς [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012, mit Änderungen. So auch in Pol. III 9, 1280b33 – 35; 1280b40 – 1281a1 und IV 3, 1289b27– 29. Die Oikonomik ist der Politischen Wissenschaft untergeordnet: EN I 1, 1094a26–b3: „Man sollte annehmen, dass es [die Erkenntnis des höchsten Guts] Gegenstand derjenigen Disziplin ist, die am meisten leitet und anordnet. Als so beschaffen erweist sich die Politische Wissenschaft. Denn diese ordnet an, welche Kenntnisse im Staat vertreten sein müssen, welche jeder Einzelne lernen muss und bis zu welchem Grad. Wir sehen, wie ihr sogar die am höchsten geschätzten Fähigkeiten unterstehen, zum Beispiel Strategik, Haushaltsführung, Rhetorik.“ / δόξειε δ᾽ ἂν τῆς κυριωτάτης καὶ μάλιστα ἀρχιτεκτονικῆς. τοιαύτη δ᾽ ἡ πολιτικὴ φαίνεται· τίνας γὰρ εἶναι χρεὼν τῶν ἐπιστημῶν ἐν ταῖς πόλεσι, καὶ ποίας ἑκάστους μανθάνειν καὶ μέχρι τίνος, αὕτη διατάσσει·
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war bereits im ersten Kapitel eingeführt worden und wird das maßgebliche Verfahren der gesamten Politik bleiben.²²¹ Es handelt sich beim ersten Buch somit nicht um eine eigenständige Oikonomik, wie sie beispielsweise von Xenophon oder aus dem Peripatos überliefert ist. Gleichwohl begegnen in den Unterscheidungen der Bewohner des Hauses in Freie und Sklaven und der zwischen Mensch und Besitz zwei Grundgedanken der oikonomischen Literatur klassischer Zeit. Sklaven gehören dabei sowohl der Kategorie ,Mensch‘ als auch der Kategorie ,Besitz‘ an. zu (ii): Innerhalb des Hauses richtet sich der Fokus auf die Führungsaufgaben des Hausherrn. Dabei geht Aristoteles von den Relationen Herr – Sklaven, Ehemann – Ehefrau und Vater – Kinder als den kleinsten Einheiten des oikos aus und nicht etwa von Einzelpersonen.²²² Das ist vor dem Hintergrund des Voranstehenden durchaus plausibel: Denn die Untersuchung des oikos ist nicht Selbstzweck, sondern dient dem besseren Verständnis der Führung des Hauses durch den Herrn – eine Aufgabe, die gelingen muss, will dieser am politischen Leben teilhaben. Es ist die jeweils angemessene Herrschaftsweise, die aus der Untersuchung der verschiedenen Teile des Hauses ersichtlich werden soll.Von den drei Grundformen der Herrschaft im Haus wird im ersten Buch jedoch nur die Herrschaft über Sklaven ausführlich behandelt. Die Untersuchung bleibt unvollständig und das erste Buch kann daher kaum als eine Einleitung zum Folgenden charakterisiert werden. Halten wir fest: Innerhalb des Ganzen der Aristotelischen Politik hat das erste Buch mit Recht eine Sonderrolle inne. Der freie griechische Mann kommt hier nicht als Bürger, sondern als Hausherr in den Blick und das Thema ,Verfassung‘, das den anderen Büchern gemeinsam ist, spielt noch keine Rolle. Die im engeren
ὁρῶμεν δὲ καὶ τὰς ἐντιμοτάτας τῶν δυνάμεων ὑπὸ ταύτην οὔσας, οἷον στρατηγικὴν οἰκονομικὴν ῥητορικήν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit einer kleinen Änderung. Siehe Pol. I 1, 1252a17– 23. Das dritte Kapitel schließt somit an das erste Kapitel an. Unterbrochen – und zugleich plausibilisiert – wird die Argumentation durch den historischen Abriss, den das zweite Kapitel bringt. Für das Anliegen der vorliegenden Untersuchung, die Eigenständigkeit der Politischen Wissenschaft herauszuarbeiten, ist es wichtig, zu betonen, dass „die Methode, ein Ganzes aus den besonderen Verhältnissen seiner Teile zu erfassen, nicht spezifisch biologisch und erst aus der Zoologie entwickelt worden ist […]. Er [Aristoteles] folgt einer in mehreren Bereichen gültigen Methode, aber er leitet nicht die Methode einer Disziplin auf die einer anderen ab.“ (Schütrumpf, Politik I, S. 182). An anderen Stellen hingegen bestimmt Aristoteles den einzelnen Bürger als Teil der Polis (siehe beispielsweise Pol. II 1, 1260b37– 1261a1; III 1, 1274b38 – 41 und 1275b17– 21; 3, 1276b1– 4; 12, 1283a14– 19; VII 8, 1328b19 – 23).
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Sinn politische Thematik ist somit nicht behandelt. Dennoch ist das erste Buch für das Gesamtverständnis der Politik von Bedeutung: Zum einen deswegen, weil der oikos die Versorgung der Bürger mit allem Lebensnotwendigen gewährleistet und damit Voraussetzung für die staatliche Autarkie und politische Teilhabe des freien Mannes ist. Staatliche Autarkie und politische Teilhabe wiederum sind Voraussetzungen für das gelingende Leben, das Ziel der Praktischen Philosophie – der Philosophie der menschlichen Belange – ist und die Politik und die Ethiken miteinander verbindet. Zum anderen bezieht sich Aristoteles in den folgenden Büchern immer wieder auf die im ersten Buch behandelte despotische Herrschaft des Herrn über Sklaven zurück, um im Kontrast zu oder in Übereinstimmung mit ihr die Herrschaftsformen in der Polis zu verdeutlichen.
3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei Je genauer man die wissenschaftliche Literatur zur griechischen Sklaverei studiert, desto weniger scheint sich mit einiger Sicherheit über diese Institution aussagen zu lassen. Das ändert freilich nichts daran, dass die antike griechische Sklaverei für die Geschichtsschreibung von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.¹ Das liegt zum einen sicherlich daran, dass wir – trotz der vielen offenen Fragen – über die klassische Antike, insbesondere Athen, sehr viel besser informiert sind als über andere sklavistische Gesellschaften des Altertums.² Zum anderen ist die Wirkmacht der in dieser Zeit formulierten Gedanken über die Sklaverei stark.³ Wohl kein Text erfuhr dabei so viel Beachtung wie jene Passagen aus der Politik, in denen Aristoteles die Sklaverei diskutiert. Bei näherem Hinsehen – und vielleicht überraschend – erscheint Aristoteles darin in vielerlei Hinsicht jedoch nicht als ein innovativer, sondern als ein konventioneller Denker der griechischen Sklaverei, dessen Aussagen mit denen anderer wichtiger Quellen übereinstimmen. Es stellt sich daher die Frage, ob wir aus diesen Passagen Rückschlüsse auf Besonderheiten der Aristotelischen Politischen Philosophie ziehen dürfen. Um nun genuin Aristotelische Theorieelemente vom Standardrepertoire der antiken Texte zu unterscheiden,⁴ werde ich Letztgenanntes unter vier Gesichtspunkten, die ich der althistorischen Fachliteratur entnehme,⁵ im Folgenden kurz auffächern.⁶
Siehe Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 7. Es beziehen sich die folgenden Ausführungen daher – sofern nicht anders angegeben – auf die Polis Athen in klassischer Zeit. Siehe Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 7. Dieser sehr hilfreichen Unterscheidung zwischen weit verbreiteten allgemeinen Ansichten der Sklaverei und genuin Aristotelischen Argumenten wird in Forschungsarbeiten aus dem Fachbereich der Antiken Philosophie meines Erachtens noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Bei der Gliederung und der Benennung der Themenfelder 3.1 und 3.2 habe ich mich an der Einführung Antike Sklaverei von Elisabeth Herrmann-Otto orientiert. Für einen ausführlicheren Überblick sei auf die Arbeiten von Hans Klees (Klees, Herren und Sklaven; ders., Sklavenleben) und Peter Garnsey (Garnsey, Ideas of Slavery) verwiesen. https://doi.org/10.1515/9783110651478-003
3.1 Die Bedeutung der Sklaverei für die griechische Gesellschaft
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3.1 Die Bedeutung der Sklaverei für die griechische Gesellschaft Die Sklaverei war nicht nur eine selbstverständliche Einrichtung des Völkergewohnheitsrechts, sondern auch eine allgegenwärtige Erscheinung und somit alltägliche Erfahrung im antiken Griechenland – „a fact of life“⁷. Zwar ist die Frage nach der Zahl der Sklaven in den griechischen Poleis seit je umstritten.⁸ Es sind jedoch nicht allein Zahl und Quote der Sklaven, die von Polis zu Polis, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt variierten und für uns nicht mehr berechenbar sind, entscheidend.⁹ Um die Bedeutung der Institution einschätzen zu können, muss vielmehr die Frage beantwortet werden, ob ein Leben ohne Sklaven in einer antiken Polis möglich und vorstellbar war. Ist es das nicht, so ist es üblich, diese Gesellschaft als ,sklavereibasiert‘ näher zu bestimmen.¹⁰ Wie aber wollen wir beurteilen, was in einer antiken Polis denkbar und möglich war? Unwissenschaftlich klingt diese Formulierung, wie auch diejenige, die sich in der Fachliteratur so häufig findet, derzufolge die Sklaverei die griechische Gesellschaft in klassischer Zeit vollständig „durchdrungen“¹¹ habe. Um diese Phrasen auf ihren Sachgehalt hin zu prüfen, sind in der Forschung unterschiedliche Strategien angewandt worden. Ausgangspunkt der Diskussion und eng mit dem Namen Moses Finley verbunden ist der ökonomische Ansatz. In seinem sehr einflussreichen Aufsatz Was Greek Civilization Based on Slave Labour? kommt der Althistoriker zu folgenden Ergebnissen:
Finley, Greek Civilization, S. 153. Eine Sklavenquote von 15 – 20 % in den Poleis findet mittlerweile breite Zustimmung, wobei jedoch angenommen wird, dass Athen in klassischer Zeit eine Quote von etwa 30 % erreichte. Siehe Flaig, Weltgeschichte, S. 49; und Klees, Sklavenleben, S. 2. Siehe Finley, Greek Civilization, S. 148 – 151; und Klees, Herren und Sklaven, S. 2– 4; und ders., Sklavenleben, S. 2. Zur Terminologie: Ist die Sklaverei selbstverständlicher und konstitutiver Bestandteil einer Gesellschaft, so ist es üblich, von einer sklavereibasierten Gesellschaft zu sprechen. Ist sie für den Bestand der Gesellschaft nicht konstitutiv, redet man von einer ,Gesellschaft mit Sklaven‘. Alternativ zu dem Ausdruck ,sklavereibasierte Gesellschaft‘ werden in der Fachliteratur auch die Begriffe ,Sklavengesellschaft‘ und ,Sklaven(halter)gesellschaft‘ gebraucht (siehe Herrmann-Otto, Antike Sklaverei, S. 10). Moses Finley identifizierte fünf „genuine slave societies“: die nordamerikanischen Südstaaten, Brasilien, die Karibik, Rom in der Zeit der späten Republik und des Prinzipats und Athen im fünften und vierten Jahrhundert (Finley, Sklaverei und Humanität, S. 9). Die Rede von fünf ,echten‘ Sklavengesellschaften ist bis heute eine Art Dogma in Forschungsarbeiten zur Sklaverei (siehe Bradley, Roman Slavery, S. 483). Siehe beispielsweise Bradley, Roman Slavery, S. 485 („all-pervasive“).
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
Now we observe that a sizable fraction of the population of the Greek world consisted of slaves, or other kinds of dependent labour, many of them barbarians; that by and large the elite in each city-state were men of leisure, completely free from any preoccupation with economic matters, thanks to a labour force which they bought and sold, over whom they had extensive property rights, and, equally important, what we may call physical rights; that the condition of servitude was one which no man, woman, or child, regardless of status or wealth, could be sure to escape in case of war or some other unpredictable und uncontrollable emergency. It seems to me that, seeing all this, if we could emancipate ourselves from the despotism of extraneous moral, intellectual, and political pressures, we would conclude, without hesitation, that slavery was a basic element in Greek civilization.¹²
Sind die Schlussfolgerungen Finleys zutreffend, ist es nicht nur die sehr große Zahl der Sklaven, sondern insbesondere auch deren Aufgabe, die Grundversorgung der Herrschenden zu gewährleisten und diese so für das kulturelle und politische Leben freizustellen, ein entscheidendes Kriterium, warum die griechischen Poleis als sklavereibasierte Gesellschaften charakterisiert werden müssen. Denn die geistige und politische Tätigkeit der Bürger wäre ohne die Arbeit der Sklaven nicht möglich gewesen. Außerdem wird in diesem Resümee ein für die Bedeutung der Institution wichtiger psychologischer Aspekt angesprochen: das Wissen der Menschen, dass die Sklaverei als in der Regel zu erwartende Folge einer Niederlage im Krieg grundsätzlich jeden würde betreffen können. Die Vielzahl kriegerischer Auseinandersetzungen und die in nahezu allen Bereichen des Lebens sichtbar wirkenden Sklaven trugen gewiss dazu bei, dass die Möglichkeit des eigenen Ausgeliefertseins stets im Bewusstsein der Herrschenden blieb. Eine Gesellschaft ohne Sklaven scheint daher in der gesamten Antike keine als realistisch eingeschätzte Option darzustellen.¹³ In dem Gegenüber von körperlicher Arbeit und Muße wie auch dem von Besiegten und Siegern sieht Moses Finley die Grundlage für die ideengeschichtlich bedeutsame Gemeinschaft des Freien und des Unfreien in den griechischen Staaten: More bluntly put, the cities in which individual freedom reached its highest expression – most obviously Athens – were cities in which chattel slavery flourished. The Greeks, it is well known, discovered both the idea of individual freedom and the institutional framework in which it could be realized. […] One aspect of Greek history, in short, is the advance, hand in hand, of freedom and slavery.¹⁴
Finley, Greek Civilization, S. 161. Siehe Finley, Greek Civilization, S. 153. Finley, Greek Civilization, S. 164. So argumentiert wirkmächtig auch Orlando Patterson (Patterson, Social Death).
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Diesen Gedanken verfolgt Keith Bradley in seinen stärker ideengeschichtlich ausgerichteten Arbeiten weiter. Er charakterisiert die Sklaverei der klassischen Antike als ein Mittel der herrschenden Eliten, Autorität, Prestige und Zusammengehörigkeit zum Ausdruck zu bringen. Denn für sich genommen, hätte die wirtschaftliche Leistung auch durch alternative Formen abhängiger Arbeit erbracht werden können.¹⁵ Für das Verständnis der Institution sei daher die soziale Funktion der Sklaverei entscheidend: The starting-point is the premium placed on freedom and the way freedom is conceived in a given society. If freedom is not a universal right or privilege […] the status of those who enjoy it is enhanced by their capacity to hold those without it in subjection, and by their ability to dramatize their power. This, I think, is fundamental. The criteria of labour and number, therefore, are not all-important in defining a slave society. The key factor is power and the display of power.¹⁶
In der Aristotelischen Politik werden alle oben genannten Funktionen der Institution mehrfach genannt: Der Philosoph weiß um den wirtschaftlichen Nutzen der Sklaverei, der Voraussetzung für die Mußestunden der Bürger ist,¹⁷ diskutiert jedoch auch alternative Formen abhängiger Arbeit, beispielsweise durch Handwerker, Tagelöhner und Gehilfen,¹⁸ und erwägt sogar die Möglichkeit des Einsatzes von Automaten: Wenn nämlich jedes Werkzeug auf Geheiß oder mit eigener Voraussicht seine Aufgabe erledigen könnte, wie man es von den (Standbildern) des Daidalos und den Dreifüßen des Hephaistos berichtet, die, wie der Dichter sagt, ,sich von selbst zur Versammlung der Götter einfinden‘ – wenn so die Weberschiffchen von allein die Webfäden durcheilten und die Schlagplättchen Kithara spielten, dann brauchten die Meister keine Gehilfen und die Herren keine Sklaven.¹⁹
Siehe Bradley, Roman Slavery, S. 483. Bradley, Roman Slavery, S. 483. Siehe Pol. I 5, 1254b24– 31; 7, 1255b30 – 37; 13, 1260a33 – 36; II 9, 1269a34– 36; 11, 1273a32– 35; III 4, 1277a33 – 37 und 5, 1278a10 – 11. Aristoteles nimmt auch auf die Sorge der Menschen, selbst versklavt zu werden, Bezug und empfiehlt, Krieger zum Schutz der Polis auszubilden: Pol. IV 4, 1291a6 – 8; V 10, 1310b34– 40; VII 14, 1333b38 – 41 und 15, 1334a20 – 22. Siehe beispielsweise: Pol. I 4, 1253b25–a38; 13, 1260a39–b2; III 4, 1277a33–b1 und III 5. Pol. I 4, 1253b33 – 1254a1: εἰ γὰρ ἠδύνατο ἕκαστον τῶν ὀργάνων κελευσθὲν ἢ προαισθανόμενον ἀποτελεῖν τὸ αὑτοῦ ἔργον, ὥσπερ τὰ Δαιδάλου φασὶν ἢ τοὺς τοῦ Ἡφαίστου τρίποδας, οὕς φησιν ὁ ποιητὴς αὐτομάτους θεῖον δύεσθαι ἀγῶνα, οὕτως αἱ κερκίδες ἐκέρκιζον αὐταὶ καὶ τὰ πλῆκτρα ἐκιθάριζεν, οὐδὲν ἂν ἔδει οὔτε τοῖς ἀρχιτέκτοσιν ὑπηρετῶν οὔτε τοῖς δεσπόταις δούλων [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
Zumindest in der Form eines Gedankenexperiments ist eine Gesellschaft ohne Sklaven somit durchaus vorstellbar. Doch setzt Aristoteles – wie andere antike Denker auch – voraus, dass nicht allein die Tatsache, dass die Sklaven arbeiten, oder die spezifische Art der Beschäftigung die Sklaven zu Sklaven machen. Denn zum einen würden die Sklaven sich dann nicht von Handwerkern unterscheiden.²⁰ Oder ganz allgemein von vielen Menschen: Insbesondere in den mehrheitlich kleinbäuerlichen Hausgemeinschaften auf dem Land verrichteten die Familienmitglieder und die Sklaven anstehende Aufgaben gemeinsam, sodass sich die Arbeit der Sklaven hier nicht von der Tätigkeit freier Menschen unterschied.²¹ Zum anderen weiß der Philosoph um die Vielfalt der Tätigkeiten von Sklaven in der Polis.²² Entscheidend ist vielmehr der Zweck, der durch die Tätigkeit der Sklaven verfolgt wird und der aufgrund des spezifischen Machtverhältnisses von Herr und Sklaven nicht im Interesse der Sklaven liegt, sondern stets ein übergeordneter Zweck des Herrn ist: Eine Herrschaft existiert aber, wie es in den ersten Erörterungen gesagt worden ist – die eine um des Herrschenden, die anderen um des Beherrschten willen. Von diesen aber sagen wir, dass die eine die despotische ist, die andere die der Freien. Bei den Anordnungen, die gegeben werden, ist es aber in einigen Fällen unwesentlich, was für Tätigkeiten aufgetragen wurden, sondern welchen Zweck man verfolgt. So ist es durchaus angebracht, dass die heranwachsenden Freien gewisse als Dienstleistungen geltende Arbeiten verrichten; denn
Was es Aristoteles immer wieder erlaubt, den Handwerker einen Sklaven zu nennen (siehe beispielsweise Pol. I 13, 1260a39–b2 und III 4, 1277a33–b1). Siehe Flaig, Weltgeschichte, S. 21 und S. 42; und Schmitz, Haus und Familie, S. 15. Bei Platon beispielsweise kann der Arzt Freie und Sklaven als Gehilfen haben: Nomoi IV, 720b2– 6. Die Aufgaben von Sklaven waren überaus vielfältig, zum Teil hoch spezialisiert und hierarchisch organisiert. Im Haus, in der Landwirtschaft, in der Administration, in Handwerk und Handel, im Finanzwesen, im Polizei- und Kriegsdienst oder in den Mühlen und Bergwerken: Sklaven wurden in nahezu allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens eingesetzt. Als eine Tätigkeit, die Sklaven nicht ausüben durften, benennt Hans Klees den Beruf des Arztes (Klees, Sklavenleben, S. 1– 18). Ärzte konnten jedoch wahrscheinlich sklavische Gehilfen haben: Platon, Nomoi IV, 720a7–e4 und IX, 857c4–e1. Für die Vielfalt der Tätigkeiten von Sklaven bei Aristoteles siehe Pol. I 7, 1255b20 – 30 und III 4, 1277a37– 38. Siehe dazu auch Demokrit bei Stobaios IV, LXII, 45, S. 430, 2– 3 Wachsmuth (DK 68 B 270): „Demokrit: Gebrauche deine Untergebenen wie deine Körperteile, jeden für einen anderen Zweck.“ / Δημοκρίτου. οἰκέταισιν ὡς μέρεσι τοῦ σκήνεος χρῶ ἄλλῳ πρὸς ἄλλο. Text und Übersetzung: Mansfeld / Primavesi. Auch empfiehlt Aristoteles, die Aufsicht über Sklaven einem Sklaven zu überantworten, sollten es die Mittel des Hauses erlauben (Pol. I 7, 1255b35 – 37), was zeigt, dass auch er Hierarchien unter Sklaven und ihren Aufgaben annimmt. So auch Ps.-Aristoteles, Oikonomika I 5, 1344a25 – 26.
3.1 Die Bedeutung der Sklaverei für die griechische Gesellschaft
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ob sie schicklich oder schimpflich sind, hängt nicht so sehr von den Tätigkeiten selber, sondern dem Zweck und Ziel ab.²³ Tätigkeiten von Personen, die einem Herrschaftsverhältnis dieser Art [der despotischen Herrschaft] unterstehen, darf weder der gute Staatsmann noch der gute Bürger lernen – es sei denn für sich selber, d. h. für seinen eigenen Gebrauch, denn dabei kommt es ja nicht dazu, dass der eine Herr, der andere Sklave wird.²⁴
Zwar begegnet auch in der Praktischen Philosophie des Aristoteles die für die gesamte antike Literatur so charakteristische Geringschätzung der körperlichen Arbeit und des Arbeitens für andere, als spezifisch sklavisch aber ist hier beschrieben, dass Sklaven unfrei sind. Das bedeutet, dass sie der Verfügungsgewalt ihres Herrn ohne Einschränkungen²⁵ unterliegen und der Zweck all ihres Tuns dem Herrn dient. Scharf tritt in den Quellen die Unterscheidung zwischen Frei und Unfrei hervor und ist auch für das politische Denken des Aristoteles konstitutiv: „Es macht aber auch einen großen Unterschied, weshalb jemand etwas tut oder lernt? Denn es ist nicht unedel um seiner selbst oder Freunde willen oder wegen der Tugend zu tun, doch dürfte derjenige, der dasselbe wegen anderer tut, es oft knechtisch und sklavisch tun.“²⁶ Und: „[D]enn es gehört sich für einen
Pol. VII 14, 1333a3 – 11: ἔστι δὲ ἀρχή, καθάπερ ἐν τοῖς πρώτοις εἴρηται λόγοις, ἡ μὲν τοῦ ἄρχοντος χάριν ἡ δὲ τοῦ ἀρχομένου. τούτων δὲ τὴν μὲν δεσποτικὴν εἶναί φαμεν, τὴν δὲ τῶν ἐλευθέρων. διαφέρει δ᾽ ἔνια τῶν ἐπιταττομένων οὐ τοῖς ἔργοις ἀλλὰ τῷ τίνος ἕνεκα. διὸ πολλὰ τῶν εἶναι δοκούντων διακονικῶν ἔργων καὶ τῶν νέων τοῖς ἐλευθέροις καλὸν διακονεῖν. πρὸς γὰρ τὸ καλὸν καὶ τὸ μὴ καλὸν οὐχ οὕτω διαφέρουσιν αἱ πράξεις καθ᾽ αὑτὰς ὡς ἐν τῷ τέλει καὶ τῷ τίνος ἕνεκεν [Ross]. Übersetzung der Zeilen 6 – 11: Schütrumpf 2012. Pol. III 4, 1277b3 – 7: τὰ μὲν οὖν ἔργα τῶν ἀρχομένων οὕτως οὐ δεῖ τὸν ἀγαθὸν [οὐδὲ τὸν] πολιτικὸν οὐδὲ τὸν πολίτην τὸν ἀγαθὸν μανθάνειν, εἰ μή ποτε χρείας χάριν αὐτῷ πρὸς αὑτόν. οὐ γὰρ ἔτι συμβαίνει γίνεσθαι τὸν μὲν δεσπότην τὸν δὲ δοῦλον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch EE II 11, 1228a3 – 5: „Und darum beurteilen wir die Qualität eines Menschen nach seiner Entscheidung, das heißt nach dem, worumwillen er es tut, nicht nach dem, was er tut.“ / καὶ διὰ τοῦτο ἐκ τῆς προαιρέσεως κρίνομεν ποῖός τις· τοῦτο δ᾽ ἐστὶ τὸ τίνος ἕνεκα πράττει, ἀλλ᾽ οὐ τί πράττει [Susemihl]. Übersetzung: Dirlmeier 31979. Sklaven wurden verkauft und gekauft, verschenkt und vermietet, vererbt, misshandelt und gefoltert. Anders als in Rom war die Willkür griechischer Sklavenhalter in klassischer Zeit kaum durch gesetzliche Schutzbestimmungen eingeschränkt. Nur töten durfte der Herr den Sklaven vermutlich nicht. Das einzige Recht der Sklaven gegenüber ihren Herren war, bei Altären und in Tempeln Asyl suchen und dort eine Beschwerde vorbringen zu können. Die Wirksamkeit dieser Einrichtung ist allerdings umstritten. Unzweifelhaft ist, dass die Sklaven im religiösen Bereich stärker als in anderen Bereichen der griechischen Gesellschaft in ihrem Menschsein anerkannt worden sind. Siehe dazu Klees, Herren und Sklaven, S. 37– 55; und Morrow, Plato and Greek Slavery. Pol.VIII 2, 1337b17– 21: ἔχει δὲ πολλὴν διαφορὰν καὶ τὸ τίνος ἕνεκεν πράττει τις ἢ μανθάνει· τὸ μὲν γὰρ αὑτοῦ χάριν ἢ φίλων ἢ δι᾽ ἀρετὴν οὐκ ἀνελεύθερον, ὁ δὲ αὐτὸ τοῦτο πράττων δι᾽ ἄλλους
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
freien Mann, nicht für einen anderen zu leben.“²⁷ Und: „[Dies halten alle für ein zweites Merkmal der Freiheit], dass man leben kann wie man will. Denn dies hält man für das Werk der Freiheit, wenn wirklich es Zeichen des Sklaven ist, zu leben, nicht wie er will.“²⁸ Sklaven setzen ihren Handlungen nicht selbst den Zweck. Sie leben nicht autark, sondern unter Zwang.²⁹ Es begegnet in diesem Zusammenhang die für die Aristotelische Praktische Philosophie systematisch zentrale Auszeichnung des Autarken: „Es ist ja doch wohl ein Ding der Unmöglichkeit, dass eine Gemeinschaft die Bezeichnung Staat verdient, wenn sie ihrem Wesen nach Sklave ist; denn ein Staat ist autark, was aber versklavt ist, ist nicht autark.“³⁰
πολλάκις θητικὸν καὶ δουλικὸν δόξειεν ἂν πράττειν [Ross]. Siehe auch: Pol.VII 3, 1325a24– 30 und 17, 1336b7– 12. Die Freiheit wiederzuerlangen, ist die höchstmögliche Belohnung für Sklaven: Pol. VII 10, 1330a31– 33. Siehe auch Platon, Politeia IX, 578e1– 7. Aristoteles selbst scheint seine Sklaven auf diese Weise belohnt zu haben (siehe in seinem als Teil antiker Biographien überlieferten Testament: Freilassungen von Haussklaven § 2a–f; Freilassung der Herpyllis § 1e; siehe dazu Abschnitt 3.4 der vorliegenden Untersuchung sowie Düring, Ancient Biographical Tradition; und Plezia, Human Face). Rhet. I 9, 1367a32: ἐλευθέρου γὰρ τὸ μὴ πρὸς ἄλλον ζῆν [Ross]. Übersetzung: Rapp 2002 I. Moses Finley schreibt über diesen Satz der Aristotelischen Rhetorik: „On this point, Aristotle was expressing a nearly universal Greek notion“ (Finley, Greek Civilization, S. 148). Siehe auch Met. A 2, 982b26: „,frei‘ heißt: um seiner selbst willen und nicht um eines anderen willen zu existieren“ / ἐλεύθερος ὁ αὑτοῦ ἕνεκα καὶ μὴ ἄλλου ὤν [Ross]. Übersetzung in: Rapp, Rhetorik II, S. 417. Pol. VI 2, 1317b10 – 13: […] ἓν δὲ τὸ ζῆν ὡς βούλεταί τις. τοῦτο γὰρ τῆς ἐλευθερίας ἔργον εἶναί φασιν, εἴπερ τοῦ δουλεύοντος τὸ ζῆν μὴ ὡς βούλεται [Ross]. Siehe auch EN IV 8, 1124b31– 1125a1 und VII 3, 1145b23 – 24. Leben zu können, wie man will, ist im Aristotelischen Entwurf nicht zwangsläufig positiv konnotiert. Im Sinne von Beliebigkeit falsch verstanden, ist Freiheit ein nachteiliges Merkmal demokratischer Ordnungsentwürfe. Siehe dazu Schütrumpf, Erziehung durch den Staat, S. 246– 247 mit Anmerkung 35. „The ideas of douleia and anankê are almost inseparable in Greek, the word anankê being constantly used to denote both the state of slavery as such, and also the torture to which the slaves were subjected.“ George Thomson zitiert nach Vlastos, Slavery in Plato’s Thought, S. 155. Pol. IV 4, 1291a8 – 10: μὴ γὰρ ἓν τῶν ἀδυνάτων ᾖ πόλιν ἄξιον εἶναι καλεῖν τὴν φύσει δούλην· αὐτάρκης γὰρ ἡ πόλις, τὸ δὲ δοῦλον οὐκ αὔταρκες [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch Pol. II 2, 1261b11– 15 und EN V 10, 1134a24– 30: „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir sowohl das Gerechte überhaupt als auch das politisch Gerechte suchen. Dieses findet sich dort, wo Menschen zur Erleichterung von Autarkie ihr Leben gemeinsam leben, und zwar Menschen, die frei sind und gleich entweder im proportionalen oder im arithmetischen Sinn. Daher gibt es für diejenigen, für die diese Bedingungen nicht gegeben sind, im Verhältnis zueinander keine politische Gerechtigkeit, sondern nur ein Gerechtes, das dieser ähnlich ist. / δεῖ δὲ μὴ λανθάνειν ὅτι τὸ ζητούμενόν ἐστι καὶ τὸ ἁπλῶς δίκαιον καὶ τὸ πολιτικὸν δίκαιον. τοῦτο δ᾽ ἔστιν ἐπὶ κοινωνῶν βίου πρὸς τὸ εἶναι αὐτάρκειαν, ἐλευθέρων καὶ ἴσων ἢ κατ᾽ ἀναλογίαν ἢ κατ᾽ ἀριθμόν· ὥστε ὅσοις μή ἐστι
3.2 Die Ressourcen der Sklaverei
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Der in den Büchern II–VIII der Politik häufig anzutreffende metaphorische Gebrauch von Sklaventerminologie zeigt Aristoteles als einen im Sinne Keith Bradleys typischen Denker der Institution: Ein Staat, der sich in Abhängigkeit von einem anderen Staat begibt, ist seinem Wesen nach Sklave. Der Handwerker, der ein befristetes Beschäftigungsverhältnis eingeht, ist ein Sklave auf Zeit,³¹ eine sklavische Seele ordnet sich körperlichen Trieben unter.³² Mühelos lassen sich Passagen aus den Texten der Politischen Philosophie des Aristoteles zusammentragen, die belegen, dass die Gegenüberstellung des Freien und des Unfreien – zumeist am Beispiel der Bürger und der Sklaven konkretisiert – ein Leitmotiv der Politik ist, und dass die Vorstellung des Freien häufig erst im Kontrast zum Unfreien Kontur gewinnt. Aufgrund ihrer Unfreiheit verfügen Sklaven nach Aristotelischem Verständnis – wie Kinder auch – nicht über die Möglichkeit, im Vollsinne des Wortes zu handeln: „Da das Wort ,tun‘ in mehreren Bedeutungen gebraucht wird und es eine Bedeutung gibt, in der leblose Dinge töten, oder eine Hand oder ein Sklave, der einen Befehl ausführt, tut solches zwar nicht Unrecht, aber doch Ungerechtes.“³³ Das Tun der Sklaven dient dem Handeln der Herren, das wiederum auf die Betätigung der Tugenden und auf diese Weise auf die Verwirklichung der eudaimonia zielt. Daher bestimmt Aristoteles die Sklaven auch als „Werkzeuge für das Handeln“³⁴ näher.
3.2 Die Ressourcen der Sklaverei Wir wissen, dass es sich in Athen seit dem 5. Jahrhundert um eine sogenannte intrusive Form der Sklaverei handelte, d. h. dass die Sklaven in den allermeisten
τοῦτο, οὐκ ἔστι τούτοις πρὸς ἀλλήλους τὸ πολιτικὸν δίκαιον, ἀλλά τι δίκαιον καὶ ὁμοιότητα [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe beispielsweise Pol. I 13, 1260a39–b2 und III 5, 1278a7– 13. Aus diesem Grund mieden Arbeiter, die sich für kürzere Zeiträume anstellen ließen, dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse. Zu groß war die Sorge, in Abhängigkeit und damit in eine als sklavisch geächtete Daseinsform zu geraten (siehe Klees, Herren und Sklaven, S. 4; ders., Sklavenleben, S. 3; und Patterson, Social Death, S. 34: „Nonslave workers universally tended to despise work for others in all societies where a critical mass of slaves was used.“). Siehe beispielsweise EN III 13, 1118a23 – 25 und b15 – 21; V 15, 1138b5 – 12. EN V 12, 1136b29 – 31: ἔτι ἐπεὶ πολλαχῶς τὸ ποιεῖν λέγεται, καὶ ἔστιν ὡς τὰ ἄψυχα κτείνει καὶ ἡ χεὶρ καὶ ὁ οἰκέτης ἐπιτάξαντος, οὐκ ἀδικεῖ μέν, ποιεῖ δὲ τὰ ἄδικα [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe Pol. I 4, 1254a15 – 17.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
Fällen nichtgriechische Fremde waren.³⁵ Sie kamen als Kaufsklaven, als Kriegsgefangene der griechischen Städte oder als Beute von Piraten in die Metropolen wie beispielsweise Athen, Chios, Korinth oder Megara. Griechische Sklaven stellten eine Minderheit unter den Sklaven dar, was sich unter anderem daran zeigt, dass die Worte ,Sklave‘ und ,Barbar‘ synonym verwendet werden konnten.³⁶ Die Frage, ob es zulässig sei, Menschen der eigenen und nahestehender Gemeinschaften zu versklaven, war seit den Perserkriegen aufgrund des wachsenden panhellenischen Zusammengehörigkeitsgefühls und der Etablierung der Demokratie umstritten.³⁷ Im Verlauf des 4. Jahrhunderts setzte sich dann eine Ideologie durch, derzufolge es verpönt war, dass Griechen andere Griechen zu ihren Sklaven machten – eine Haltung, die für Athen anhand des Verbotes der Schuldknechtschaft durch Solon schon sehr früh nachgewiesen werden kann, die auch in Platons Politeia deutlich zum Ausdruck gebracht und im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte immer wieder variiert wird, beispielsweise wenn christliche und islamische Autoren untersagen, Glaubensbrüder und -schwestern zu versklaven.³⁸ In der Aristotelischen Politik findet sich die folgende, in diesem Zusammenhang wichtige Passage: Bei den Barbaren nehmen dagegen Frau und Sklave den gleichen Rang ein. Der Grund dafür ist folgender: Sie besitzen nicht das, was von Natur die Herrschaft ausübt, sondern bei ihnen wird die eheliche Gemeinschaft zwischen Sklavin und Sklave geschlossen. Deswegen sagen die Dichter: ,Es ist wohlbegründet, dass Hellenen über Barbaren herrschen‘, da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist.³⁹
Die Unterscheidung zwischen intrusiver und extrusiver Sklaverei stammt von Orlando Patterson. Bei der extrusiven Form werden Menschen aus der eigenen Gesellschaft ausgeschlossen und versklavt, bei der intrusiven Form von außen zugeführt und fortan als eine Art ,Feind im Inneren‘ angesehen (siehe Patterson, Social Death, S. 39 – 45). Die Sklaverei der klassischen Zeit als vorrangig intrusive Form: Finley, Greek Civilization, S. 153; Flaig, Weltgeschichte, S. 47 und S. 51; und Klees, Sklavenleben, S. 5. Siehe Finley, Greek Civilization, S. 153; Hall, Inventing the Barbarian, S. 101; Klees, Sklavenleben, S. 5. Siehe Hall, Inventing the Barbarian, S. 6 – 11 und S. 56 – 60; und Klees, Sklavenleben, S. 7. Für Platon siehe beispielsweise Politeia V, 469b5–c6 und 471a6 – 7. Siehe hierzu auch Flaig, Weltgeschichte, S. 48 und S. 51; Hall, Inventing the Barbarian; Klees, Herren und Sklaven, S. 1– 2; ders., Sklavenleben, S. 7; Nippel, Preis der Sklaverei, S. 25; und Patterson, Social Death, S. 41. Pol. I 2, 1252b5 – 9: ἐν δὲ τοῖς βαρβάροις τὸ θῆλυ καὶ τὸ δοῦλον τὴν αὐτὴν ἔχει τάξιν. αἴτιον δ᾽ ὅτι τὸ φύσει ἄρχον οὐκ ἔχουσιν, ἀλλὰ γίνεται ἡ κοινωνία αὐτῶν δούλης καὶ δούλου. διό φασιν οἱ ποιηταὶ „βαρβάρων δ᾽ Ἕλληνας ἄρχειν εἰκός“, ὡς ταὐτὸ φύσει βάρβαρον καὶ δοῦλον ὄν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch EN VII 1, 1145a30 – 32 und 6, 1149a9 – 11, wo die Nähe der Barbaren zu Tieren betont wird. Siehe dazu auch Hall, Inventing the Barbarian, S. 126.
3.2 Die Ressourcen der Sklaverei
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Auch Aristoteles setzt Sklaven und Barbaren in dieser Passage in eins und bestimmt die Barbaren als ,Sklaven von Natur‘ näher. Der Gegenbegriff zum ,Sklaven von Natur‘ ist der ,Sklave nach dem Gesetz‘: „Denn die Bezeichnung ,als Sklave dienen‘ und ,Sklave‘ wird in zweifacher Bedeutung gebraucht. Es gibt nämlich (neben dem Sklaven von Natur) einen Sklaven und den Mann, der als Sklave dient, auch aufgrund von Gesetz.“⁴⁰ ,Sklaven von Natur‘ sind im Aristotelischen Entwurf somit Menschen, die zur Sklaverei disponiert sind, und ,Sklaven nach dem Gesetz‘ solche, die aufgrund geltenden Rechts in den Sklavenstatus gefallen sind. Diese Unterscheidung ist nur dann sinnvoll und weiterführend, wenn wir annehmen, dass Veranlagung und äußerer Status nicht immer übereinstimmen, sondern dass es versklavte Freie, die aufgrund widriger Umstände zu Sklaven geworden sind, gibt, und freie Natursklaven, die nicht unter despotischer Herrschaft leben: Andernfalls müsste sich ja ergeben, dass die, die im Ansehen höchsten Adels stehen, Sklaven und Nachkommen von Sklaven sind, wenn es sich ergibt, dass sie gefangen und (in Sklaverei) verkauft wurden. Deswegen wollen die Vertreter dieser Auffassung zwar solche Personen nicht als Sklaven bezeichnen, wohl aber die Barbaren.Wenn sie dies sagen, suchen sie jedoch nichts anderes als, was wir am Anfang Sklave von Natur nannten. Sie müssen ja zugeben, dass es einige gibt, die überall Sklaven sind, andere dagegen nirgendwo.⁴¹
Indem Aristoteles nun die Barbaren zu Natursklaven erklärt, bejaht und rechtfertigt er die oben dargelegte weit verbreitete Haltung, dass die Versklavung Fremder grundsätzlich anders als die Versklavung von Griechen zu bewerten ist: Da es sich bei den Barbaren – anders als bei den Griechen, die zu herrschen disponiert sind – um Natursklaven handelt, ist die Herrschaft der Hellenen über Barbaren „wohlbegründet“, die Versklavung von Griechen hingegen als widernatürlich abzulehnen. Die pauschale Gleichsetzung von Barbaren und Natursklaven in Kapitel I 2 der Politik wirft allerdings zahlreiche Fragen auf, denen im Weiteren nachzugehen ist: Sollte Aristoteles wirklich alle Nichtgriechen als Natursklaven qualifizieren wollen? Etwa auch die von ihm anderenorts so hoch geschätzten Ägypter und Babylonier? Was genau zeichnet einen Natursklaven aus? Eine bestimmte Ver-
Pol. I 6, 1255a5 – 6: διχῶς γὰρ λέγεται τὸ δουλεύειν καὶ ὁ δοῦλος. ἔστι γάρ τις καὶ κατὰ νόμον δοῦλος καὶ δουλεύων [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Pol. I 6, 1255a26 – 32: εἰ δὲ μή, συμβήσεται τοὺς εὐγενεστάτους εἶναι δοκοῦντας δούλους εἶναι καὶ ἐκ δούλων, ἐὰν συμβῇ πραθῆναι ληφθέντας. διόπερ αὐτοὺς οὐ βούλονται λέγειν δούλους, ἀλλὰ τοὺς βαρβάρους. καίτοι ὅταν τοῦτο λέγωσιν, οὐθὲν ἄλλο ζητοῦσιν ἢ τὸ φύσει δοῦλον ὅπερ ἐξ ἀρχῆς εἴπομεν· ἀνάγκη γὰρ εἶναί τινας φάναι τοὺς μὲν πανταχοῦ δούλους τοὺς δ᾽ οὐδαμοῦ [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
anlagung? Eine bestimmte Erziehung? Das Fehlen derselben? Ein Prozess der Gewöhnung? Diesen Fragen ist weiter nachzugehen. Im Rahmen dieses Kapitels geht es lediglich darum, beispielhaft zu zeigen, dass Aristoteles in seinen Aussagen über Sklaven und Barbaren oftmals nur die üblichen Auffassungen seiner Zeit wiedergibt. Für das tiefere Verständnis der Aristotelischen Politischen Philosophie jedoch ist die sehr allgemeine Darstellung in Politik I 2 durch sorgsame Einbettung in ihren Kontext an anderer Stelle kritisch zu präzisieren.⁴²
3.3 Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus Sklaven waren in klassischer Zeit in den allermeisten Fällen Privatbesitz, die Gruppe staatseigener Sklaven in Athen hingegen klein.⁴³ Die Definition des Sklaven als ein belebtes Stück Besitz ist für das antike Denken über die Institution der Sklaverei zentral. Instruktive Definitionen des Besitzes der Antike (a) und Moderne (b) zitiert Orlando Patterson: a) What is property? The conventional definition is that it is anything owned by a person or corporation. But this begs the question. What is ownership? Immediately we open a pandora’s box filled with at least two thousand years of jurisprudential clutter. The prevailing view of ownership, which persists as a fundamental legal concept in continental civil law and is now universally employed as a social concept […], is the Roman view that it is a set of absolute rights in rem – things, usually tangibles, sometimes also intangibles.⁴⁴ b) Property in modern socioeconomic terms is, as W. B. Friedmann indicates, ‘a bundle of powers’; it refers to ‘the degree of control that a physical or corporate person exercises over an aggregate of tangible things, be they land, shares, claims, or powers of disposal’.⁴⁵
Siehe dafür Kapitel 4 und 5 der vorliegenden Untersuchung. Es gilt in Buch I der Politik das methodische Prinzip der „successive approximations“, das Eckart Schütrumpf wie folgt beschreibt: „Entsprechend seiner Methode der ‘successive approximations’ präzisiert Aristoteles frühere Erörterungen, indem er neue Gesichtspunkte einführt, die die früheren Ergebnisse ergänzen, erweitern oder modifizieren sollen“ (Schütrumpf, Politik I, S. 369). Siehe Pol. III 5, 1278a11– 12. Eher beiläufige Bemerkungen zu Staatssklaven in Athen sind: Pol. II 7, 1267b13 – 19 und VII 10, 1330a30 – 31. Auch in den Komödien und Tragödien treten vorwiegend dem oikos zugehörige Sklaven auf. Patterson, Social Death, S. 20. Kursivierung durch den Verfasser. Patterson, Social Death, S. 20.
3.3 Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus
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Es leitet sich die uneingeschränkte Macht des Herrn über seine Sklaven somit aus der Bestimmung der Sklaven als Besitzstücke ab. Dass Sklaven darüber hinaus zur Gattung ,Mensch‘ gehören, Individuen und Mitglieder gesellschaftlicher Gruppen sind, macht für diese Bestimmung gerade keinen Unterschied, hat aus Sicht der Herren jedoch positive wie negative Implikationen: Zum einen haben Sklaven in der Hierarchie der Besitztümer aufgrund ihrer Fähigkeit zu denken und weil sie multifunktional gebraucht werden können, die höchste Position inne: „Von den Besitztümern ist das erste und notwendigste das Beste und das für den Haushalt Wichtigste: Dies aber wäre der Mensch. Deshalb ist es zuallererst nötig, fleißige Sklaven zu beschaffen. Es gibt aber zwei Arten von Sklaven: Verwalter und Arbeiter.“⁴⁶ Zum anderen macht ihr Menschsein die Sklaven zu einem besonders schwierig handzuhabenden Besitzstück, denn es muss mit Widerständen der versklavten Menschen gegen ihre radikale Verdinglichung und Benutzung gerechnet werden. Hans Klees spricht in diesem Zusammenhang von einem im vierten Jahrhundert formelhaften Charakter des Platonischen „schwer zu handhabenden Besitztums“.⁴⁷ Sowohl die Definition der Sklaven als Teile des Besitzes als auch ihre Näherbestimmung als besonders wertvolle wie herausfordernde Besitzstücke sind für die Aristotelische Sklavereiabhandlung zentral. Zum Gegenstand der Politik werden sie primär in oikonomischer Hinsicht, also weil und insofern sie zum Besitz des Hausherrn gehören. Da Sklaven im antiken Denken kategorisch von der politischen Sphäre ausgeschlossen sind,⁴⁸ stehen sie eigentlich außerhalb des Skopus der Politischen Wissenschaft und werden vorrangig im Rahmen des oikonomischen Schrifttums, welches im vierten Jahrhundert nach Vorarbeiten durch die Sophistik und die Sokratik und im Zuge der fortschreitenden Demokratisierung der Gesellschaft aufkommt,⁴⁹ thematisiert. Auch in der einzigen etwas ausführlicheren Diskussion der Sklaverei in der Politischen Philosophie Platons werden Sklaven in diesem Sinne als dem Besitz zugehörig behandelt.⁵⁰ In Ps.-Aristoteles, Oikonomika I 5, 1344a22– 26: τῶν δὲ κτημάτων πρῶτον μὲν καὶ ἀναγκαιότατον τὸ βέλτιστον καὶ οἰκονομικώτατον· τοῦτο δὲ ἦν ἄνθρωπος. διὸ δεῖ πρῶτον δούλους παρασκευάζεσθαι σπουδαίους. δούλων δὲ εἴδη δύο, ἐπίτροπος καὶ ἐργάτης [Heinemann]. χαλεπὸν δὴ τὸ κτῆμα. Klees, Herren und Sklaven, S. 9. Siehe auch Morrow, Plato and Greek Slavery. Für Platon siehe Nomoi VI, 776b5–c3 und 777b4–c1. Siehe beispielsweise Pol. II 12, 1274a15 – 18; III 1, 1274b41 und 1275a5 – 11; 9, 1280a31– 34; 12, 1283a18 – 19; VII 4, 1326a16 – 21; 8, 1328a21– 40 und EN V 10, 1134b8 – 18. Siehe Klees, Herren und Sklaven, S. 56 – 62. Dort S. 58: „Offenbar hat diese Wissenschaft ihre Konturen erst unter Bedingungen erhalten, als man über die Doppelrolle des Hausherrn als δεσπότης/οἰκονόμος und πολίτης nachzudenken gezwungen war.“ Siehe Platon, Nomoi VI, 776b5 – 778a4.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
der Politischen Theorie des Aristoteles jedoch verbleibt Eigentum in privater Hand, sodass auch die Funktion der Sklaven, die Grundversorgung der Bürger zu gewährleisten – anders als die Erziehung der (männlichen) Kinder, die als zukünftige Bürger eines Tages in die politische Sphäre übertreten – , dem Haus und nicht dem Staat zuzuordnen ist. Wie viele Sklaven einem Haus zugehörten, hing von der wirtschaftlichen Situation des einzelnen oikos ab. So konnten Kleinbauern und mittlere städtische Häuser über ein, zwei oder drei, die Herren reicher Häuser hingegen über zwölf und mehr Sklaven verfügen.⁵¹ Es ist anzunehmen, dass Familien und Sklaven in kleineren Haushaltungen enger zusammenarbeiteten und -lebten, als dies in größeren Häusern und Betrieben mit stärker spezialisierten Beschäftigungen der Fall war. Darüber hinaus gab es Häuser ohne Sklaven, wie Aristoteles in Anlehnung an Hesiod selbst bezeugt: „,Zuallererst ein Haus, eine Frau und einen pflügenden Ochsen‘, denn für die Armen steht der Ochse anstelle des Sklaven.“⁵² In diesem Zitat kommen zwei weitere für das antike Denken über Sklaven zentrale Ansichten zum Ausdruck, die Aristoteles teilt: Die funktionale Gleichstellung der Sklaven mit einem Tier und ihre nähere Bestimmung als ein Werkzeug.⁵³ Zudem verweist uns der Pflugstier auf den landwirtschaftlichen Bereich. Aristoteles, so dürfen wir vor dem Hintergrund des Voranstehenden im Folgenden annehmen, denkt, wenn er sich in der Politik über Sklaven äußert, vorrangig an die Sklaven eines mittelständischen Hauses, durchschnittlich wohl zwei bis drei an der Zahl. Sklaven in den Mühlen und Minen, in Verwaltung, Handel und Handwerk hingegen sind für den Zusammenhang der Untersuchung kaum von Bedeutung und werden allenfalls beiläufig erwähnt oder in allgemein gehaltenen Aussagen mitbedacht.
Insgesamt wird Sklavenbesitz eher der Regelfall als die Ausnahme gewesen sein. Wir wissen von vielen berühmten Persönlichkeiten der griechischen Antike, dass sie über Sklaven verfügt haben. Hans Klees nennt neben Platon und Aristoteles die Beispiele Theophrast, Demosthenes, Lysias, Sophokles und Isokrates (Klees, Herren und Sklaven, S. 6, Anmerkung 43). Pol. I 2, 1252b11– 12: „οἶκον μὲν πρώτιστα γυναῖκά τε βοῦν τ᾽ ἀροτῆρα“· ὁ γὰρ βοῦς ἀντ᾽ οἰκέτου τοῖς πένησίν ἐστιν [Ross; Zitat: Hesiod, Opera et Dies 405: κτητήν, οὐ γαμετήν, ἥτις καὶ βουσὶν ἕποιτο […]]. Siehe auch Pol. VI 8, 1323a5. Dieser Vers wird auch in den pseudo-aristotelischen Oikonomika zitiert (I 2, 1343a20 – 21). Gleichstellung der Sklaven mit einem Tier: Siehe beispielsweise Pol. I 5, 1254b10 – 26; III 9, 1280a31– 34; VIII 4, 1338b12– 32; 6, 1341a13 – 17; EN I 3, 1095b17– 19; III 13, 1118a23 – 25; VII 6, 1148b15 – 24; VIII 13, 1161b1– 6. Siehe auch den fragmentarisch überlieferten Rat des Aristoteles, die Barbaren wie Tiere oder Pflanzen zu behandeln (Fragment 658 Rose). Für Platon siehe beispielsweise Nomoi VI, 777a–778b1; Politeia IV, 430b7– 9 und Politikos 289b7–c1.
3.3 Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus
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Die Aufgabe der Sklaven ist die Grundversorgung des oikos, „denn ohne die notwendigen Mittel⁵⁴ ist es weder möglich zu leben noch vollkommen zu leben.“⁵⁵ Um die Funktion der Sklaven im Unterschied zu der des Herrn zu verdeutlichen, bedient Aristoteles sich mehrerer, miteinander verschränkter Vergleiche: Wie aber bei den Arbeiten von Fachleuten mit fest umrissenem Tätigkeitsbereich die passenden Werkzeuge zur Verfügung stehen müssen, wenn ihre Aufgabe erfolgreich erledigt werden soll, so auch bei dem Leiter eines Haushalts. Werkzeuge sind nun entweder leblos oder belebt; für den Steuermann ist zum Beispiel das Steuerruder ein lebloses, dagegen der Untersteuermann auf dem Vorderschiff ein lebendes (Werkzeug), denn der Gehilfe vertritt in den Tätigkeiten von Fachleuten das Werkzeug. In dieser Weise ist auch der Besitz ein Werkzeug zum Leben – Besitz ist eine Vielzahl von Werkzeugen – und der Sklave ist ein belebtes Stück Besitz, und jeder dienende Gehilfe ist gleichsam ein Werkzeug, das jedes andere Werkzeug übertrifft.⁵⁶
Der Hausherr wird zunächst mit einem Fachmann verglichen, der Werkzeuge benötigt, um sein spezifisches ergon verwirklichen zu können. Da das ergon des freien griechischen Mannes in der Verwirklichung der eudaimonia besteht, braucht er ,Werkzeug zum Leben‘ – also Werkzeuge, die ihm das erstrebte glückliche Leben ermöglichen und ihm eben dazu die Aufgaben der Herstellung im Sinne der poiêsis weitgehend abnehmen. Als ein solches Werkzeug dient ihm sein Besitz, zu dem auch der Sklave gehört. Der Sklave kann daher ein ,Werkzeug‘ genannt werden.⁵⁷ Werkzeuge wiederum sind entweder leblos oder belebt. Um diese auf den ersten Blick möglicherweise irritierende Erweiterung des organonBegriffs einsichtig zu machen, bedient sich Aristoteles eines zweiten Vergleichs: Auch dem Steuermann eines Schiffes stehen mit dem Untersteuermann und dem Steuerrad sowohl belebte als auch unbelebte Werkzeuge zur Verfügung. Da der Sklave wie der Untersteuermann ein Mensch ist, kann er als ein belebtes oder
Lebensnotwendige Dinge stellen auch die Handwerker her, deren Arbeit Aristoteles deshalb ebenfalls als ,sklavisch‘ (ἀνδραποδῶδες) charakterisiert (siehe Pol. III 4, 1277a37–b1). In diesem Sinne auch Pol. III 5, 1278a7– 13. Pol. I 4, 1253b24– 25: ἄνευ γὰρ τῶν ἀναγκαίων ἀδύνατον καὶ ζῆν καὶ εὖ ζῆν [Ross]. Pol. I 4, 1253b25 – 33: ὥσπερ δὲ ταῖς ὡρισμέναις τέχναις ἀναγκαῖον ἂν εἴη ὑπάρχειν τὰ οἰκεῖα ὄργανα, εἰ μέλλει ἀποτελεσθήσεσθαι τὸ ἔργον, οὕτω καὶ τῷ οἰκονομικῷ. τῶν δ᾽ ὀργάνων τὰ μὲν ἄψυχα τὰ δὲ ἔμψυχα (οἷον τῷ κυβερνήτῃ ὁ μὲν οἴαξ ἄψυχον ὁ δὲ πρῳρεὺς ἔμψυχον· ὁ γὰρ ὑπηρέτης ἐν ὀργάνου εἴδει ταῖς τέχναις ἐστίν)· οὕτω καὶ τὸ κτῆμα ὄργανον πρὸς ζωήν ἐστι, καὶ ἡ κτῆσις πλῆθος ὀργάνων ἐστί, καὶ ὁ δοῦλος κτῆμά τι ἔμψυχον, καὶ ὥσπερ ὄργανον πρὸ ὀργάνων πᾶς ὑπηρέτης [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Für die nähere Bestimmung der Sklaven als Werkzeuge siehe auch EN VIII 13, 1161b4– 5: „Denn der Sklave ist ein beseeltes Werkzeug, das Werkzeug aber ein unbeseelter Sklave.“ / ὁ γὰρ δοῦλος ἔμψυχον ὄργανον, τὸ δ᾽ ὄργανον ἄψυχος δοῦλος [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
beseeltes Werkzeug (= ein belebtes Stück Besitz) näherbestimmt werden. Aufgrund der Tatsache wiederum, dass der Sklave denkt und handelt, ist er ein Werkzeug, das jedes andere Werkzeug übertrifft. Er gleicht einem Weberschiffchen, das von allein durch die Webfäden eilt. Somit sind es spezifisch menschliche Eigenschaften, die den Sklaven gegenüber anderen Werkzeugen auszeichnen. Für die Bestimmung des Sklaven ist jedoch nicht der Begriff ,Werkzeug‘, sondern der Begriff ,Besitz‘ entscheidend. Andere Menschen als Werkzeuge zum eigenen Vorteil zu gebrauchen, diese Bestimmung trifft auch auf die freien Arbeiter und Handwerker zu, ohne dass es sich dabei um Sklaven handelt. Die mittelständische oikos-Sklaverei wiederum stellt – anders als das in anderen Bereichen der griechischen Wirtschaft wie beispielsweise in den Bergwerken und Ergasterien der Fall gewesen sein wird – immer auch eine persönliche Verbindung der Sklaven zu den anderen Mitgliedern des Hauses her. Es kann dabei nicht verborgen bleiben, dass der Sklave ein „beseeltes Werkzeug“⁵⁸ – und zwar Mensch – ist. Auch Aristoteles anerkennt, dass Sklaven sowohl der Kategorie ,Mensch‘ als auch der Kategorie ,Besitz‘ angehören, und macht deutlich, dass sich daraus zwei unterschiedliche Perspektiven ergeben: […] jedoch gibt es keine Freundschaft oder Gerechtigkeit gegenüber unbeseelten Dingen. Aber auch nicht gegenüber einem Pferd oder Ochsen und ebenso wenig gegenüber einem Sklaven, jedenfalls insofern er Sklave ist. Hier gibt es nämlich nichts Gemeinsames. Denn der Sklave ist ein beseeltes Werkzeug, das Werkzeug aber ein unbeseelter Sklave. Insofern er also Sklave ist, gibt es keine Freundschaft ihm gegenüber; es kann sie aber geben, insofern er Mensch ist.⁵⁹
Siehe das Zitat in der voranstehenden Anmerkung. EN VIII 13, 1161b1– 6: φιλία δ᾽ οὐκ ἔστι πρὸς τὰ ἄψυχα οὐδὲ δίκαιον. ἀλλ᾽ οὐδὲ πρὸς ἵππον ἢ βοῦν, οὐδὲ πρὸς δοῦλον ᾗ δοῦλος. οὐδὲν γὰρ κοινόν ἐστιν. ὁ γὰρ δοῦλος ἔμψυχον ὄργανον, τὸ δ᾽ ὄργανον ἄψυχος δοῦλος. ᾗ μὲν οὖν δοῦλος, οὐκ ἔστι φιλία πρὸς αὐτόν, ᾗ δ᾽ ἄνθρωπος [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch EN V 10, 1134b8 – 18: „Was gerecht für einen Herrn von Sklaven oder einen Vater von Kindern ist, ist mit diesen Formen des Gerechten nicht identisch, sondern ihnen nur ähnlich. Denn es gibt gegen dasjenige, was einem selbst gehört, keine Ungerechtigkeit im allgemeinen Sinn. Der Sklave aber oder das Kind ist, bis es ein bestimmtes Alter erreicht und sich selbstständig macht, wie ein Teil der eigenen Person, und niemand nimmt sich vor, sich selbst zu schädigen (weshalb es keine Ungerechtigkeit sich selbst gegenüber gibt). Daher gibt es in diesen Beziehungen auch nicht das Ungerechte oder das Gerechte im politischen Sinn. Denn dieses entsprach, wie wir gesehen haben, dem Gesetz und bestand bei Menschen, für die es naturgemäß ein Gesetz gibt. Das aber waren Menschen, zwischen denen Gleichheit bestand im Regieren und Regiertwerden. Daher gibt es das Gerechte eher der Ehefrau als den Kindern und Sklaven gegenüber. Dieses nämlich ist das Gerechte innerhalb des Hauses. Doch auch das ist verschieden vom Gerechten im Staat.“ / τὸ δὲ δεσποτικὸν δίκαιον καὶ τὸ πατρικὸν οὐ ταὐτὸν τούτοις ἀλλ᾽ ὅμοιον· οὐ γὰρ ἔστιν ἀδικία πρὸς τὰ αὑτοῦ ἁπλῶς, τὸ δὲ κτῆμα καὶ τὸ τέκνον, ἕως ἂν ᾖ πηλίκον καὶ χωρισθῇ, ὥσπερ μέρος αὑτοῦ, αὑτὸν δ᾽ οὐδεὶς προαιρεῖται βλάπτειν· διὸ οὐκ ἔστιν
3.4 Tugendübung im Umgang mit Sklaven. Ethische Aspekte
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Ein Mensch gehört aber einem anderen, wenn er als Mensch Besitz eines anderen ist, ein Stück Besitz ist aber ein physisch losgelöstes Werkzeug für das Handeln.⁶⁰
Entscheidend für das Verständnis der jeweiligen Textstelle sind nun Erkenntnisinteresse und Argumentationsziel des Philosophen. Es ist sorgsam zu prüfen, was jeweils Gegenstand der theoretischen Erörterung ist. Geht es um die Herren oder die Sklaven? Kommen Sklaven als Besitztümer und Werkzeuge oder als Menschen in den Blick?⁶¹ Sind Herren und Sklaven als eigenständige Personen oder in Relation zueinander gefasst? Aristoteles geht im Rahmen seiner Politischen Philosophie hinsichtlich der Sklaverei verschiedenen Fragestellungen nach. Er untersucht sowohl die Aufgabe der Herren, ihre Sklaven als Werkzeuge richtig zu gebrauchen, um selbst zu profitieren, als auch die Frage, ob es Freundschaft und Gerechtigkeit gegenüber Sklaven geben kann. Dabei unterscheidet er, wie wir gesehen haben, zwischen der Ansicht der Sklaven als Wertgegenstände und der Ansicht der Sklaven als Menschen. Und wenn er in Kapitel 5 des ersten Buches der Politik untersucht, ob es Menschen gibt, für die es vorteilhaft und gerecht sei, als Sklaven zu dienen, und in Kapitel 13, ob Sklaven tugendfähig sind,⁶² kommen die Sklaven ihrem Wesen nach in den Blick. Damit geht Aristoteles über das im griechischen Schrifttum der Zeit übliche Interesse an der Sklaverei noch hinaus.
3.4 Tugendübung im Umgang mit Sklaven. Ethische Aspekte Hinsichtlich der Sklaverei ist für das politische Denken der Griechen vorrangig die Perspektive des Herrn und dabei vor allem sein ausdrückliches Anliegen, von den lebensnotwendigen Arbeiten befreit zu werden, von Interesse. Es geht um den
ἀδικία πρὸς αὑτόν· οὐδ᾽ ἄρα ἄδικον οὐδὲ δίκαιον τὸ πολιτικόν· κατὰ νόμον γὰρ ἦν, καὶ ἐν οἷς ἐπεφύκει εἶναι νόμος, οὗτοι δ᾽ ἦσαν οἷς ὑπάρχει ἰσότης τοῦ ἄρχειν καὶ ἄρχεσθαι. διὸ μᾶλλον πρὸς γυναῖκά ἐστι δίκαιον ἢ πρὸς τέκνα καὶ κτήματα· τοῦτο γάρ ἐστι τὸ οἰκονομικὸν δίκαιον· ἕτερον δὲ καὶ τοῦτο τοῦ πολιτικοῦ. [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch EN V 15, 1138b5 – 12 und Pol. I 6, 1255b9 – 14. Pol. I 4, 1254a15 – 17: ἄλλου δ᾽ ἐστὶν ἄνθρωπος ὃς ἂν κτῆμα ᾖ ἄνθρωπος ὤν, κτῆμα δὲὄργανον πρακτικὸν καὶ χωριστόν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Hans Klees argumentiert, dass das Griechische für diese beiden Ansichten des Sklaven unterschiedliche Bezeichnungen kenne. So hebe ἀνδράποδον in abstrakter Weise die Zugehörigkeit zum Besitz des Herrn hervor, während die Ausdrücke οἰκέτης und δοῦλος vor allem dort verwendet worden seien, wo der Umgang des Herrn mit dem Sklaven und somit auch die zwischenmenschliche Beziehung Gegenstand der Untersuchung ist; δοῦλος stehe darüber hinaus oft als Gegenbegriff zu ἐλεύθερος (Klees, Herren und Sklaven, S. 28 – 36). Siehe Pol. I 13, 1259b21– 28.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
Nutzen der Sklavenarbeit für den Hausvorstand. Weder die hohe politische Partizipation der Bürger in der Demokratie noch die kulturelle Blüte Athens wären – so eine weit verbreitete, jedoch nicht unumstrittene Annahme – ohne die Sklaverei möglich gewesen.⁶³ Sie entlastete die wohlhabenderen Bürger der Mittelund Oberschicht, die sich um die alltäglichen Arbeiten im Haus und die Versorgung mit Lebensnotwendigem nicht zu mühen brauchten, und stellte sie frei für die Volksversammlung und Gerichte, verschaffte Muße (scholê) für die Musik, für kulturelle Veranstaltungen oder die Philosophie. Die rege politische und kulturelle Aktivität und „die Entlastung der Beziehungen zwischen Reich und Arm von direkten, in wirtschaftlicher Macht wurzelnden persönlichen Abhängigkeiten“⁶⁴ wiederum waren für das Entstehen eines starken Zusammengehörigkeitsgefühls und Bürgerstolzes von entscheidender Bedeutung. Ein zweites Motiv, das sich im Schrifttum niederschlägt, ist, dass der Herr im Umgang mit seinen Sklaven Tugend und eine von Tugend bestimmte Herrschaft einüben kann. Dieses Motiv tritt besonders deutlich in der Darstellung des Verhältnisses von Herren und Sklaven im Oikonomikos Xenophons zutage: „Denn wenn der Lehrer etwas schlecht zeigt, dann ist es schwierig, dies gut auszuführen zu lernen; und wenn der Herr Nachlässigkeit vorlebt, ist es schwierig, ein sorgfältiger Sklave zu werden. Um es kurz zu sagen: Ich glaube nicht, bei einem schlechten Herrn brauchbare Sklaven gesehen zu haben.“⁶⁵ Im Aristotelischen Theorierahmen kann sich das Streben des Menschen nach ethischer Vollkommenheit nur in einer wohlgeordneten staatlichen Gemeinschaft erfüllen. Ein glückliches Leben ist daher immer auch ein politisches Leben und setzt den Rollenwechsel des Hausherrn zum politês voraus. Die Sklaven des Hauses zu befehligen und zu gebrauchen, stellt für sich genommen noch kein ehrwürdiges Handeln dar.⁶⁶ Allerdings kann der Herr, tritt er unbeherrscht, zornig oder überheblich auf, der eigenen Seele schaden – und andersherum das eigene
Diese Position vertreten beispielsweise Flaig, Weltgeschichte, S. 50; ders., Untermenschen konstruieren; und Klees, Sklavenleben, S. 2. Klees, Sklavenleben, S. 3. Xenophon, Oikonomikos XII, 18 – 19: χαλεπὸν γὰρ τοῦ διδασκάλου πονηρῶς τι ὑποδεικνύοντος καλῶς τοῦτο ποιεῖν μαθεῖν, καὶ ἀμελεῖν γε ὑποδεικνύοντος τοῦ δεσπότου χαλεπὸν ἐπιμελῆ θεράποντα γενέσθαι. ὡς δὲ συντόμως εἰπεῖν, πονηροῦ μὲν δεσπότου οἰκέτας οὐ δοκῶ χρηστοὺς καταμεμαθηκέναι [Text und Übersetzung: Audring / Brodersen]. Siehe dort auch: XII, 5 – 7: Erziehung des Verwalters zur Ergebenheit gegenüber dem Herrn durch Großzügigkeit; XII, 17– 19: Notwendigkeit, für den Herrn, die Tugend der Sorgfalt zu besitzen, um sie andere zu lehren; XIV, 6 – 8: sogenannte ,königliche‘ Gesetze, welche die Redlichen belohnen, als besonders wirksame Erziehungsmittel zur Tugend der Rechtschaffenheit. Siehe besonders auch Platon, Nomoi VI, 777d2–e5. Siehe beispielsweise Pol. I 7, 1255b30 – 37; VII 3, 1325a24– 30 und 14, 1333b38 – 1334a2.
3.4 Tugendübung im Umgang mit Sklaven. Ethische Aspekte
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Glück durch tugendhafte Handlungen befördern. Der Umgang mit Sklaven als beseelten Werkzeugen und Besitztümern wird so zur Bewährungsprobe der Tugendhaftigkeit des Herrn; die Werkzeuge und Besitztümer bei richtigem Gebrauch zu Hilfsmitteln des Glücks: Wenn es nun zutrifft, dass die Seele ihrem Wesen nach sowohl schlechthin als auch für uns wertvoller als Besitz und der Körper ist, dann muss auch der beste Zustand jedes dieser (drei Arten von Gütern diesem Rang) entsprechen. Außerdem sind diese (Güter des Besitzes und des Körpers) von Natur um der Seele willen erstrebenswert, und alle vernünftigen Menschen müssen sie um der Seele willen wählen, aber nicht die Seele ihretwegen. Über Folgendes soll damit Einigkeit unter uns erzielt sein: Jeder erreicht soviel Glück, wie er charakterliche Vorzüglichkeit und Vernunft besitzt und im Einklang damit handelt.⁶⁷
Dieser Zusammenhang führt in der Aristotelischen Praktischen Philosophie zu einem weitgehenden Verzicht auf Gewalt im Umgang mit Sklaven. Das Thema ,Gewalt‘, welches in den Tragödien und Komödien häufig und auch bei Xenophon, in den pseudo-aristotelischen Oikonomika und bei Platon begegnet und das in der Forschungsliteratur als ein konstitutives Element der Sklaverei sehr viel Raum einnimmt, spielt in der Politik und auch in den Ethiken kaum eine Rolle.⁶⁸ Aristoteles charakterisiert die Versklavung selbst als einen Akt der Gewalt und hält Krieg zur Unterwerfung der Gruppe der Natursklaven für gerechtfertigt.⁶⁹ Die alltägliche Gewalt gegenüber Sklaven in Form von Bestrafungen im Haus oder durch Folter vor Gericht erwähnt er jedoch – soweit ich sehe – nicht ein einziges Mal.⁷⁰ Hingegen sagt er ausdrücklich, dass es sinnvoll sei, Sklaven als Belohnung die Freiheit in Aussicht zu stellen, und scheint somit im alltäglichen Umgang mit Sklaven die Hoffnung auf Belohnung der Angst vor Strafe als Anreiz vorzuzie-
Pol. VII 1, 1323b16 – 23: ὥστ᾽ εἴπερ ἐστὶν ἡ ψυχὴ καὶ τῆς κτήσεως καὶ τοῦ σώματος τιμιώτερον καὶ ἁπλῶς καὶ ἡμῖν, ἀνάγκη καὶ τὴν διάθεσιν τὴν ἀρίστην ἑκάστου ἀνάλογον τούτων ἔχειν. ἔτι δὲ τῆς ψυχῆς ἕνεκεν ταῦτα πέφυκεν αἱρετὰ καὶ δεῖ πάντας αἱρεῖσθαι τοὺς εὖ φρονοῦντας, ἀλλ᾽ οὐκ ἐκείνων ἕνεκεν τὴν ψυχήν. ὅτι μὲν οὖν ἑκάστῳ τῆς εὐδαιμονίας ἐπιβάλλει τοσοῦτον ὅσον περἀρετῆς καὶ φρονήσεως καὶ τοῦ πράττειν κατὰ ταύτας, ἔστω συνωμολογημένον ἡμῖν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch Pol. I 4; 8, 1256b30 – 37; II 5, 1263b3 – 14; 6, 1265a28 – 38; 7, 1267b1– 13 und EN I 10, 1099a31–b2. Für Platon siehe beispielsweise Nomoi VI, 777a4– 6 und IX, 882a2–c2. Siehe Pol. I 3, 1253b20 – 23; I 6 und I 8, 1256b23 – 26. Die Erwähnung von entehrenden Maßnahmen und Schlägen in Pol. VII 17, 1336b10 – 11 macht jedoch zweifelsfrei deutlich, dass es Strafen gegeben hat, die den Sklaven vorbehalten waren, und dass viel darauf ankam, diese von den Strafen für Freie zu unterscheiden. Das wird auch in Platons Nomoi immer wieder deutlich.
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hen.⁷¹ Dies lässt vermuten, dass der Philosoph ein Verhältnis von Herren und Sklaven, das von brachialer Gewalt geprägt ist, ablehnt.⁷² Maßlosigkeit und ungerechtfertigter Zorn jedenfalls, ebenso Unbeherrschtheit und tierische Rohheit, die alle zu Gewaltausbrüchen führen können, sind zu vermeiden, vor allem deswegen, weil der Herr sich dadurch selbst schadet und weniger deswegen, weil die Sklaven Schaden nehmen könnten.⁷³ Doch auch diese Überzeugung ist kein Alleinstellungsmerkmal der Aristotelischen Politik: Das in sich widersprüchliche Ideal eines gewaltfrei herrschenden Despoten ist ein Topos der griechischen Literatur.⁷⁴ Auch ist der Menge der Sklaven und dem durch ihren Einsatz erwirtschafteten Ertrag aufgrund des Verständnisses der Werkzeuge und Besitztümer als Hilfsmittel des Glücks eine Grenze gesetzt. Denn der Tugendhafte strebt eher danach, edle als einträgliche und nützliche Dinge zu besitzen und richtig zu handeln statt zu produzieren,⁷⁵ und der für ein gutes Leben erforderliche Besitz ist nicht grenzenlos.⁷⁶ Daher gehört die Anhäufung von Reichtum nicht zu den Aufgaben der Oikonomik. Eine über das Lebensnotwendige hinausgehende kommerzielle Nutzung von Sklaven, wie beispielsweise in den Silberminen von Laurion, fällt damit aus. Auch die These, der Sklave sei ein Werkzeug zum Handeln, gewinnt von hier ihren Sinn.⁷⁷ Hinzu kommen sicherlich praktische Erwägungen, auch wenn es Aristoteles an solchen nicht gelegen ist, sofern nach seinem Verständnis allein die theoretische Beschäftigung dem freien Mann entspricht.⁷⁸ Doch sind die Interessen der
Siehe Pol.VII 10, 1330a31– 33 und Ps.-Aristoteles, Oikonomika I 5, 1344b3 – 4: „Denn über Leute zu herrschen, die keinen Lohn erhalten, ist unmöglich, für den Sklaven aber ist Nahrung der Lohn.“ / ἀμίσθων γὰρ οὐχ οἷόν τε ἄρχειν, δούλῳ δὲ μισθὸς τροφή; und 1344b15 – 16: „Es ist aber auch nötig, allen ein Ziel zu setzen. Denn es ist sowohl gerecht als auch nützlich, die Freiheit als Preis auszusetzen.“ / χρὴ δὲ καὶ τέλος ὡρίσθαι πᾶσιν· δίκαιον γὰρ καὶ συμφέρον τὴν ἐλευθερίαν κεῖσθαι ἆθλον [Heinemann]. Übersetzung: Zoepffel 2006. Siehe auch Rhet. II 3, 1380b19: „Deswegen muss man zuerst durch Worte strafen“ / διὸ δεῖ τῷ λόγῳ προκολάζειν [Ross]. Übersetzung: Rapp 2002. Siehe beispielsweise EN V 10, 1134b8 – 18 und 15, 1138b5 – 12. Siehe beispielsweise Platon, Nomoi VI, 777d2–e2 und Ps.-Aristoteles, Oikonomika I 6, 1345a12– 13. Siehe beispielsweise EN I 6, 1098a16; 9, 1098b31– 1099a7; IX 9, 1169b28 – 30. Siehe EE III 4, 1232a5 – 10; EN IV 8, 1125a11– 12 und Pol. I 8, 1256a31– 32; I 9 – 10; II 7, 1266b26 – 28 und 1267b1– 13. Siehe Pol. I 4, 1254a15 – 17. So auch Kraut, Political Philosophy, S. 281. Siehe Pol. I 11, 1258b10 – 11: „In allen diesen Angelegenheiten ist die theoretische Beschäftigung dem Range eines freien Mannes angemessen, die praktische Erfahrung dagegen aufgezwungen.“ / πάντα δὲ τὰ τοιαῦτα τὴν μὲν θεωρίαν ἐλευθέραν ἔχει, τὴν δ᾽ ἐμπειρίαν ἀναγκαίαν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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Herren in einem von roher Gewalt und Zwang bestimmten Alltag wesentlich schwerer durchzusetzen, als wenn sich die Sklaven auf Belohnungen hoffend ,freiwillig‘ in ihr Schicksal fügen.⁷⁹ Es ist in der Forschung oft betont worden, dass die Lebensumstände der Sklaven so vielfältig gewesen sind wie ihre Tätigkeiten und sich beispielsweise in den Häusern reicher Bürger ganz anders gestalteten als in den Silberminen von Laurion. Die Situation des Einzelnen hing sicher von der Persönlichkeit seines Herrn ab. Egon Flaig stellt einen Zusammenhang zwischen der Vielfalt der Tätigkeiten und Lebensumstände der Sklaven und der uneingeschränkten Verfügungsgewalt der Sklavenhalter her: „[D]iese Vielfalt ist eben nur möglich in der Sklaverei. […] Je größer das Machtpotenzial des Überlegenen ist, desto unterschiedlicher können diese Situationen sein.“⁸⁰ Vor diesem Hintergrund verbieten sich pauschale Aussagen über die Lebenswirklichkeit der griechischen Sklaven wie auch solche über das Ausmaß ihres Leidens oder das persönliche Verhältnis zu ihrem Herrn und den anderen Familienmitgliedern. Es wird jedoch ein Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit des Herrschenden und den Lebensumständen der Sklaven erkennbar, der der Ethik des Aristoteles entspricht. Der Tugendhafte wird solche Handlungen vermeiden, die seiner Seele schaden, der Schlechte hingegen wird sich gegenüber seinen Sklaven nicht beherrschen. Dass der Privatmann Aristoteles sich diese Haltung zu eigen gemacht hat und den Sklaven seines Hauses mit Empathie und Dankbarkeit begegnet ist, scheint sein Testament zumindest nahezulegen. Dieses ist als Teil antiker Biographien überliefert, in griechischer Sprache bei Diogenes Laertios sowie in arabischen Übersetzungen, die ursprünglich auf die von Ptolemaios al-Gharîb verfasste Aristoteles-Biographie zurückgehen. Die nur gering voneinander abweichenden Versionen stimmen darin überein, dass nach Aristoteles’ letztem Willen diejenigen Sklaven freigelassen werden sollten, die ihm lange gedient hatten; diese Sklaven erhalten allerdings zum Teil bei ihrer Freilassung Besitz, zu dem wiederum auch Sklaven zählen können: Der Sklavenjunge Myrmex soll mitsamt seinem Vermögen zu seinen Angehörigen zurückgeschickt werden (§ 2a), die Sklavin Ambrakis ist freizulassen und erhält bei der Vermählung von Aristoteles’ Tochter Pythias 500 Drachmen sowie ihre eigene Sklavin (§ 2b), dem Sklaven Thales werden ebenfalls zwei Bedienstete zugesprochen sowie 1000 Drachmen (§ 2c), dem Sklaven Simos neben seinem gekauften wahlweise ein weiterer Sklave oder die entsprechende Geldsumme (§ 2d); erst bei der Vermählung der Pythias sollen die Sklaven Tachon, Philon und Olympi(ch)os ihre Freiheit erhalten (§ 2e),
Siehe beispielsweise Pol. II 9, 1269b7– 12. Flaig, Weltgeschichte, S. 21.
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
die übrigen Sklaven sind nicht zu verkaufen, sondern sollen bei Erreichen des erforderlichen (erwachsenen) Alters ihrem Verdienst gemäß (kat’ axian) freigelassen werden (§ 2 f).⁸¹ Aristoteles’ Behandlung seiner Sklaven entspricht damit dem Prinzip, dass Sklaven, die sich bewähren, die Freiheit in Aussicht gestellt werden und gegebenenfalls gewährt werden sollte. Auch scheint Aristoteles in der Eudemischen Ethik vorauszusetzen, dass Haussklaven heiraten dürfen. Dort heißt es: „Es muss sich aber das Geziemende zeigen sowohl in den jeweiligen Umständen als auch in dem Wie, da ja das Geziemende ein Angemessenes ist, und in Bezug auf den Gegenstand – in Bezug auf die Hochzeit eines Haussklaven ist z. B. das Geziemende ein anderes als in Bezug auf die eines Lieblings“⁸².
3.5 Zwischenergebnis Anhand von vier Themenfeldern – (3.1) Die Bedeutung der Sklaverei für die griechische Gesellschaft, (3.2) Die Ressourcen der Sklaverei, (3.3) Sklaven als Besitzstücke und ihre Funktion im Haus und (3.4) Tugendübung im Umgang mit Sklaven. Ethische Aspekte – wurden in diesem Kapitel grundlegende Fragen der Sklavereiforschung aufgenommen und für die Aristotelische Politik in der gebotenen Kürze erläutert. Der Beitrag des Aristoteles zu diesen Themenfeldern erwies sich dabei als weitgehend konventionell. In den Grundzügen stimmt der Philosoph mit anderen klassischen Autoren wie Xenophon und insbesondere auch mit den vereinzelten Äußerungen im Werk Platons überein. So kontrovers die antike Sklaverei in der altertumswissenschaftlichen Forschung diskutiert wird, so un-
Als gravierendster Unterschied im Vergleich zum griechischen Text ist zu nennen, dass die arabischen Versionen Herpyllis als eine Sklavin bezeichnen, während aus ihrer Erwähnung im ersten Satz des griechischen Textes (§ 1a) geschlossen wurde, sie sei seine Ehefrau. Vermutlich verwaltete sie in jedem Fall als Vorsteherin der Sklaven den Haushalt (siehe Düring, Ancient Biographical Tradition, S. 264). Zudem sticht sie hervor, da ihrem Wohlergehen ein ganzer Absatz gewidmet ist (§ 1e), der ihre mögliche Wiederverheiratung regelt und ihr ein Talent Silber, fünf Sklaven und einen eigenen Haushalt zuspricht; der griechische Text nennt als Begründung, dass sie sich eifrig um ihn [Aristoteles] bemüht habe (ὅτι σπουδαία περὶ ἐμὲ ἐγένετο (§ 1e)). Siehe Düring, Ancient Biographical Tradition, S. 61– 65 (Überlieferungsgeschichte); S. 219 – 220 (englische Übersetzung des Arabischen); S. 238 – 241 (Vergleich der verschiedenen Versionen); S. 263 – 264 (Inhalt des Testaments); die Paragraphenzählung der arabischen Übersetzung bei Düring, Ancient Biographical Tradition, ist identisch mit der griechischen Textausgabe. EE III 6, 1233b8 – 10: δεῖ δὲ πρέπον εἶναι (καὶ γὰρ τοῦ πρέποντος κατ᾽ ἀξίαν καὶ πρέπον) καὶ περὶ ὃ (οἷον περὶ οἰκέτου γάμον ἕτερον τὸ πρέπον καὶ περὶ ἐρωμένου) [Susemihl]. Übersetzung: Dirlmeier 31979.
3.5 Zwischenergebnis
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aufgeregt und einmütig wird das Thema in den uns erhaltenen antiken Texten verhandelt.⁸³ Aus den bis hier herangezogenen Passagen und Themenfeldern sind Rückschlüsse auf Besonderheiten der Aristotelischen Politischen Philosophie daher nur mit großer Vorsicht zu ziehen; sie betreffen lediglich Nuancierungen. Herausgearbeitet wurde, dass die Gegenüberstellung des Freien und des Unfreien auch für Aristoteles zentral ist (3.1). Anders als freie Bürger leben Sklaven nicht autark und setzen ihren Verrichtungen nicht selbst den Zweck. Wie Kinder auch, sind sie nicht Handlungssubjekte im Vollsinne des Wortes. Ferner scheint auch Aristoteles die Überzeugung, dass die Versklavung der Barbarenvölker legitim ist, zu teilen (3.2). Mit der Näherbestimmung der Barbaren als Sklaven von Natur führt der Philosoph dabei ein Kriterium ein, das die Versklavung von Barbaren theoretisch legitimiert und in die bekannte naturalistische These mündet, es gebe nicht nur von Rechts wegen, sondern schon von Natur Sklaven. Diesen Teil der Argumentation habe ich vorerst eingeklammert, da er für das Ganze der Politischen Philosophie des Aristoteles, für die die Funktion der Sklaverei entscheidend ist, von systematisch nachrangiger Bedeutung ist. Als genuin Aristotelischer Beitrag steht er jedoch im Mittelpunkt der Kapitel 4 und 5 der vorliegenden Untersuchung. Dort wird zu prüfen sein, ob Aristoteles wirklich alle Barbaren mit der Sklavennatur assoziiert. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass Aristoteles sorgsam zwischen der Ansicht der Sklaven als Menschen und der Ansicht der Sklaven als Besitzstücke unterscheidet (3.3). Daher ist auch bei der Interpretation einzelner Passagen zu prüfen, welche Ansicht der Philosoph jeweils unterlegt. Aus der näheren Bestimmung der Sklaven als Besitztümer und Werkzeuge für das Handeln freier, tugendhafter Herren leitet sich, so das Ergebnis des voranstehenden Abschnitts (3.4), eine nicht kommerzielle Art und Weise ihrer Behandlung ab, die eben der Tugend verpflichtet ist. Das Ergebnis dieses Kapitels, dass Aristoteles in vielerlei Hinsicht mit dem konventionellen Denken über Sklaven übereinstimmt, wiederum wirft die Frage auf, ob der Philosoph insgesamt auch als ein ideologischer Denker der Institution zu charakterisieren ist. Es ist ja ein bekanntes Verfahren des Philosophen, vorgefundene Meinungen als Ausgangspunkt der eigenen Überlegungen aufzugreifen und kritisch zu prüfen.⁸⁴ Dass dies auch für seinen Umgang mit dem Thema der Sklaverei gilt, soll im Folgenden noch deutlicher aufgezeigt werden.
Mit dieser These möchte ich mich nur auf die Leitgedanken und -motive der im Voranstehenden angeführten Texte beziehen. Der auf das Einzelne gehende Vergleich der Quellen erbringt selbstverständlich Abweichungen und Nuancierungen. Zu diesem Verfahren siehe beispielsweise EN VII 1, 1145b2– 7: „Wir müssen nun, wie auch sonst, zuerst darlegen, was über die Gegenstände wahr zu sein scheint, und die Schwierigkeiten durchgehen, um dann auf diese Weise, wenn möglich, die Wahrheit aller anerkannten Meinungen
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3 Aristoteles als ein konventioneller Denker der Sklaverei
[…] nachzuweisen, oder wenn nicht, [wenigstens] die Wahrheit der meisten und wichtigsten Meinungen. Denn wenn wir die Schwierigkeiten auflösen und die anerkannten Meinungen bestehen bleiben, dann wird der Gegenstand ausreichend geklärt sein. / δεῖ δ᾽, ὥσπερ ἐπὶ τῶν ἄλλων, τιθέντας τὰ φαινόμενα καὶ πρῶτον διαπορήσαντας οὕτω δεικνύναι μάλιστα μὲν πάντα τὰ ἔνδοξα […], εἰ δὲ μή, τὰ πλεῖστα καὶ κυριώτατα. ἐὰν γὰρ λύηταί τε τὰ δυσχερῆ καὶ καταλείπηται τὰ ἔνδοξα, δεδειγμένον ἂν εἴη ἱκανῶς [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011.
4 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven: Aristoteles im philosophischen Diskurs Nachdem Aristoteles im letzten Kapitel der hier vorliegenden Untersuchung als ein konventioneller Denker der Sklaverei vorgestellt worden ist, soll im Folgenden näher ausgeführt werden, dass und inwieweit er sich mit Aussagen über Sklaven auch am philosophischen Diskurs seiner Zeit beteiligt. Dabei ist von einer doppelten Frontstellung auszugehen. So wendet Aristoteles sich im ersten Buch der Politik erstens gegen Platons These von der Einheit des politischen Wissens und unterscheidet selbst verschiedene Herrschaftsformen (4.1). Zweitens nimmt er auf eine zeitgenössische Debatte im Umfeld der Sophistik Bezug. Dort war im Zusammenhang der grundsätzlichen Gegenüberstellung von Physis und Nomos argumentiert worden, dass die Sklaverei aufgrund positiven Rechts und nicht kraft Natur bestehe: Da von Natur alle Menschen gleich seien und daher auch Griechen und Barbaren sich nicht unterschieden, sei die Sklaverei nichts als Menschenwerk, als Gewaltherrschaft Gleicher über Gleiche ungerecht und ohne jede überpositive Verbindlichkeit. Aristoteles hält dagegen, dass die Menschen nicht gleich, sondern aufgrund ihrer natürlichen Veranlagungen zu unterscheiden seien. Bestimmte Menschen seien beherrscht zu werden, andere hingegen zu herrschen begabt. Werden nun die beherrscht zu werden veranlagten Menschen der Führung durch zu herrschen veranlagte Menschen unterworfen, sei das naturgemäß und für beide Seiten vorteilhaft. Vorausgesetzt, dass die Versklavung einen beherrscht zu werden veranlagten Menschen treffe, sei die Sklaverei daher gut und gerecht (4.3). In der Widerlegung der sophistischen These macht Aristoteles, so konnte Eckart Schütrumpf überzeugend zeigen,¹ nun selbst von Platonischen Gedanken über das Verhältnis von Körper und Seele Gebrauch und überträgt dieses anthropologische Binnenverhältnis auf soziale und rechtliche Strukturen und somit auf zwischenmenschliche Verhältnisse.
Siehe Schütrumpf, Slaves in Plato’s Political Dialogues; und ders., Aristotle’s Theory of Slavery. https://doi.org/10.1515/9783110651478-004
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4 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven
4.1 Die Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen in Abgrenzung von Platon Im Platonischen Dialog Politikos werden Wesen und Aufgabe der Staatskunst (politikê) und des Staatsmannes (politikos) untersucht.² Zu Beginn des Gesprächs zwischen dem Fremden aus Elea und dem Jüngeren Sokrates einigen sich die beiden darauf, dass als ein Staatsmann derjenige bezeichnet wird, der über ein spezifisches Wissen verfügt.³ Das wiederum wirft die Frage auf, worin das besondere staatsmännische Wissen besteht, und im weiteren Verlauf des Dialogs werden die Gesprächspartner diese Frage zu beantworten suchen. Dabei bedienen sie sich der dialektischen Methode der Begriffseinteilung (Dihairesis), indem sie zunächst den Begriff des Wissens (epistêmê) und später die Begriffe des praktischen und des theoretischen Wissens, die allgemeine Oberbegriffe darstellen, immer wieder in Unterbegriffe teilen. Dabei folgen die Gesprächspartner stets dem Unterbegriff, unter den das zu Bestimmende fällt, bis sie auf diesem Pfad schließlich alle relevanten Merkmale des staatsmännischen Wissens aufgelesen haben und so zu einer Definition desselben gelangen.⁴ Zuvor jedoch lässt Platon die Gesprächspartner in einer Art vormethodischen Überlegung dafür argumentieren, dass es sich beim Wissen des Staatsmannes tatsächlich um eine Wissenschaft (epistêmê mia)⁵ handelt und dass allein diese der Definition der Staatskunst zugrunde gelegt werden muss. So werden mögliche Einwände vorweggenommen, denn die Vielzahl der Funktionen, Gemeinschaften, Verfassungen und Tätigkeiten im weiten Feld der Politik scheint doch auf den ersten Blick nahezulegen, dass die Staatskunst gerade in einer Verbindung verschiedener Disziplinen und Kompetenzen besteht:⁶ Der Fremde: Sollen wir nun den Staatsmann als König, als Hausherr und auch als Hausverwalter setzen, als ob wir dieses alles als eines ansprechen, oder sollen wir sagen, dass es
Zu diesem Abschnitt über Platons Politikos siehe Ricken, Politikos (S. 92– 108); Rowe, Statesman (a), S. 178 – 180; und ders., Statesman (b), S. ix–xxi. Siehe Platon, Politikos 258b4. Christopher J. Rowe vertritt die These, dass die Einübung der dialektischen Methode („collection and division“) das zentrale Anliegen des Dialogs darstelle, demgegenüber die Politische Philosophie – in diesem Fall die Definition von Staatskunst und Staatsmann – zweitrangig sei (Rowe, Statesman (a), S. v und S. 3 – 8; ders., Statesman (b), S. x–xix). Platon, Politikos 259c1– 2. Siehe im Vergleich dazu die Vielseitigkeit des Gegenstands und der Aufgaben der Politischen Wissenschaft nach Aristoteles in Pol. IV 1. Insofern in einer Demokratie jeder männliche Bürger als ein Gleicher unter Gleichen zu politischer Teilhabe berechtigt ist, könnte auch eingewandt werden, dass der Staatsmann überhaupt keiner besonderen Qualifikation bedürfe (siehe Rowe, Statesman (a), S. 2).
4.1 Die Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen
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so viele Fertigkeiten sind wie Bezeichnungen genannt wurden? Doch folge mir lieber hierher […]. Wenn einer, der selbst Privatmann ist, fähig ist, einem von den öffentlich angestellten Ärzten Ratschläge zu geben, muss man ihn dann nicht mit derselben Bezeichnung für seine Fertigkeit ansprechen wie den, welchen er berät? […] Wer einen Mann, der als König ein Land regiert, zurechtzuweisen versteht und selbst ein Privatmann ist, werden wir nicht sagen, dass dieser das Wissen hat, welches der Herrschende selbst besitzen müsste? Sokrates der Jüngere: Das werden wir sagen. Der Fremde: Aber die Wissenschaft eines wahren Königs ist doch die königliche [Wissenschaft]? […] Wird nicht, wer sie besitzt, sei es, dass er herrscht oder Privatmann ist, entsprechend eben seiner Fertigkeit mit vollem Recht als königlich bezeichnet? […] Und ein Hausverwalter und ein Hausherr sind doch dasselbe. […] Sind ein Hauswesen von ansehnlicher Gestalt und ein Staat von geringer Ausdehnung etwa hinsichtlich der Herrschaft zu unterscheiden? Sokrates der Jüngere: Nein. Der Fremde: So ist aus dem, was wir jetzt betrachtet haben, klar, dass es für dieses alles eine Wissenschaft gibt. Ob man sie als königliche, staatsmännische oder als Wissenschaft von der Hausverwaltung bezeichnet, darüber wollen wir nicht streiten.⁷
Dass es sich bei der Staatskunst um eine einzige Wissenschaft und nicht etwa um mehrere Disziplinen handelt und dass allein dieses für den Staatsmann charakteristische Wissen der Definition der Staatskunst zugrunde gelegt werden muss, wird im zitierten Textauszug anhand von zwei Thesen geltend gemacht:⁸ (i) Zwar wird der Wissende als ,Staatsmann‘ (politikos), ,König‘ (basileus), ,Hausherr‘ (despotês) oder ,Hausverwalter‘ (oikonomos) mit unterschiedlichen Namen (onomata) bezeichnet. Die unterschiedlichen Namen jedoch verweisen lediglich auf die unterschiedlichen Gemeinschaften (beziehungs-
Platon, Politikos 258e8 – 259c4, mit Auslassungen: Ξένος πότερον οὖν τὸν πολιτικὸν καὶ βασιλέα καὶ δεσπότην καὶ ἔτ᾽ οἰκονόμον θήσομεν ὡς ἓν πάντα ταῦτα προσαγορεύοντες, ἢ τοσαύτας τέχνας αὐτὰς εἶναι φῶμεν ὅσαπερ ὀνόματα ἐρρήθη; μᾶλλον δέ μοι δεῦρο ἕπου. […] εἴ τῴ τις τῶν δημοσιευόντων ἰατρῶν ἱκανὸς συμβουλεύειν ἰδιωτεύων αὐτός, ἆρ᾽ οὐκ ἀναγκαῖον αὐτῷ προσαγορεύεσθαι τοὔνομα τῆς τέχνης ταὐτὸν ὅπερ ᾧ συμβουλεύει; […] ὅστις βασιλεύοντι χώρας ἀνδρὶ παραινεῖν δεινὸς ἰδιώτης ὢν αὐτός, ἆρ᾽ οὐ φήσομεν ἔχειν αὐτὸν τὴν ἐπιστήμην ἣν ἔδει τὸν ἄρχοντα αὐτὸν κεκτῆσθαι; Νεώτερος Σωκράτης φήσομεν. Ξένος ἀλλὰ μὴν ἥ γε ἀληθινοῦ βασιλέως βασιλική; […] ταύτην δὲ ὁ κεκτημένος οὐκ, ἄντε ἄρχων ἄντε ἰδιώτης ὢν τυγχάνῃ, πάντως κατά γε τὴν τέχνην αὐτὴν βασιλικὸς ὀρθῶς προσρηθήσεται; […] καὶ μὴν οἰκονόμος γε καὶ δεσπότης ταὐτόν. […] μεγάλης σχῆμα οἰκήσεως ἢ σμικρᾶς αὖ πόλεως ὄγκος μῶν τι πρὸς ἀρχὴν διοίσετον; Νεώτερος Σωκράτης οὐδέν. Ξένος οὐκοῦν, ὃ νυνδὴ διεσκοπούμεθα, φανερὸν ὡς ἐπιστήμη μία περὶ πάντ᾽ ἐστὶ ταῦτα· ταύτην δὲ εἴτε βασιλικὴν εἴτε πολιτικὴν εἴτε οἰκονομικήν τις ὀνομάζει, μηδὲν αὐτῷ διαφερώμεθα [Burnet]. Übersetzung: Ricken 2008, mit Änderungen. Siehe Ricken, Politikos, S. 94.
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weise Verfassungen), in denen Herrschaft ausgeübt wird, und nicht auf etwaige dafür erforderliche unterschiedliche Kenntnisse des Herrschenden. Denn hinsichtlich der Herrschaft (pros archên) unterscheiden sich Haus und Staat nicht. Der Staatsmann ist aufgrund einer einzigen Fertigkeit (technê)⁹ in beiden zu regieren befähigt.¹⁰ (ii) Es ist für die Beantwortung der Frage, ob jemand im Besitz der Staatskunst ist und daher zu Recht als ein Wissender bezeichnet werden darf, unerheblich, ob er selbst herrscht oder als Privatmann (idiôtês) politische Ermahnungen ausspricht. Sind König und Ratgeber gleichermaßen fachkundig, verfügen beide über die königliche Wissenschaft und sind daher als Staatsmänner zu beschreiben.¹¹ Somit haben weder die Gemeinschaften, in denen das politische Wissen gebraucht wird, noch die Funktion der Männer innerhalb der staatlichen Gemeinschaft Einfluss auf die nähere Bestimmung der Staatskunst, sondern allein das im weiteren Verlauf des Dialogs zu definierende Wissen.¹² Worin dieses besteht, ist damit freilich noch nicht gesagt. Im zitierten Textabschnitt bleiben andere Pfade, denen folgend die Gesprächspartner auch zu einer Definition der Staatskunst hätten gelangen können, verschlossen. Grundsätzlich aber sind weitere Teilungshinsichten denkbar, beispielsweise eine Unterscheidung von politischen Ämtern oder Verfassungen. Festzuhalten ist, dass der Begriff epistêmê als Ausgangs- und Zielpunkt der Bestimmung für den Platonischen Entwurf von zentraler Bedeutung ist. Zu Beginn des ersten Buches der Politik kritisiert Aristoteles diese Position:¹³ Die Begriffe ἐπιστήμη und τέχνη haben in diesem Textauszug dieselbe Bedeutung. Zuvor wird im Text bereits die Unterscheidung zwischen δεσπότης und οἰκονόμος aufgehoben (259b7). Die Gleichsetzung von πολιτικός und βασιλεύς ist vorausgesetzt (siehe auch 259d4– 6). Zu beachten ist die Gleichsetzung von πολιτικός und βασιλεύς (siehe Rowe, Statesman (a), S. 178 – 179). Es fehlt hier die aus dem Platonischen Gorgias bekannte Aufgabe des ,wahren‘ Staatsmannes, die Menschen besser zu machen. Siehe Platon, Gorgias 502e2– 508c3; 513d1– 517c1 und besonders 521d6 – 9; Nomoi I, 630c1– 631a8 und X, 963a1– 4. Jedoch: Politikos 293b8 – 9. Sowohl die These, dass der Staatsmann ein Wissender sei und sein Fachwissen der Definition der Staatskunst zugrunde gelegt werden müsse, als auch die These, dass die Fertigkeit, in verschiedenen Gemeinschaften zu herrschen, auf dieselbe τέχνη (oder ἐπιστήμη) zurückgehe, sind keine Ergebnisse des Platonischen Dialogs, sondern bilden zusammen den Ausgangspunkt der ersten Dihairese. Das Ergebnis dieser Begriffsteilung – die Bestimmung des Staatsmannes als Hirten der menschlichen Herde (268c1) – wird von den Gesprächspartnern als zu ungenau verworfen (267c5 – 268d4), was zahlreiche weitere Untersuchungsschritte erforderlich macht. Dabei hält Platon jedoch an den beiden hier näher ausgeführten Ausgangsbestimmungen fest und legt schließlich eine Definition der πολιτική vor (305e2– 6), die mit ihnen übereinstimmt.
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Diejenigen, die nun meinen, ein leitender Staatsmann, König, Leiter eines Haushalts und Gebieter von Sklaven stellten ein und denselben (Herrschertypus) dar, vertreten eine unrichtige Auffassung. Sie glauben nämlich, jeder von diesen unterscheide sich nach dem großen und geringen Umfang (des Herrschaftsbereiches) und nicht dem Wesen nach: Wenn z. B. einer über wenige herrsche, sei er Gebieter über Sklaven, wenn über eine große Zahl, Vorstand eines Hauses, wenn über noch mehr Menschen, leitender Staatsmann oder König, so als bestehe kein Unterschied zwischen einem großen Haushalt und einem kleinen Staat. Und was den leitenden Staatsmann und König angeht, so sprechen sie von einem königlichen Mann, wenn er allein an der Spitze steht, von einem leitenden Staatsmann dagegen, wenn er nach den Bestimmungen des entsprechenden Wissens im Wechsel regiert und sich regieren lässt. Aber dies ist unzutreffend.¹⁴
In diesem Textauszug werden zwei Kritikpunkte an den Bestimmungen des Platonischen Politikos formuliert: (i) Eine Ineinssetzung von Staatsmann (politikos), König (basileus), Hausverwalter (oikonomos) und Hausherr (despotês) ist falsch. Wer sie befürwortet, geht davon aus, dass sich diese vier Herrschaftsformen lediglich mit Blick auf die Anzahl der Beherrschten und nicht der Art (eidos) nach unterscheiden. Insofern ein großes Haus und ein kleiner Staat die gleiche Größe haben können, besteht für einen Befürworter der Gleichsetzung zwischen diesen Gemeinschaften mit Blick auf die Herrschaft kein Unterschied. (ii) Auch ist es falsch zu sagen, dass König und Staatsmann sich nur darin unterscheiden, dass der Erstgenannte dauerhaft regiert, während der Staatsmann den gesetzlichen Bestimmungen folgend abwechselnd selbst herrscht und von anderen beherrscht wird. Der Vergleich mit dem Text Platons ergibt, dass Aristoteles die Argumentation des Politikos nicht exakt wiedergibt: Während (i) noch recht mühelos im Text aufzuspüren ist – wenngleich der Fremde aus Elea lediglich sagt, dass sich ein großer Haushalt und ein kleiner Staat hinsichtlich der Herrschaft nicht unterscheiden, ohne explizit über die Anzahl der Beherrschten in den verschiedenen Gemeinschaften zu sprechen –, ist (ii) hier so nicht behauptet.¹⁵ Die kritisierte Unter-
Pol. I 1, 1252a7– 16: ὅσοι μὲν οὖν οἴονται πολιτικὸν καὶ βασιλικὸν καὶ οἰκονομικὸν καὶ δεσποτικὸν εἶναι τὸν αὐτὸν οὐ καλῶς λέγουσιν (πλήθει γὰρ καὶ ὀλιγότητι νομίζουσι διαφέρειν ἀλλ᾽ οὐκ εἴδει τούτων ἕκαστον, οἷον ἂν μὲν ὀλίγων, δεσπότην, ἂν δὲ πλειόνων, οἰκονόμον, ἂν δ᾽ ἔτι πλειόνων, πολιτικὸν ἢ βασιλικόν, ὡς οὐδὲν διαφέρουσαν μεγάλην οἰκίαν ἢ μικρὰν πόλιν· καὶ πολιτικὸν δὲ καὶ βασιλικόν, ὅταν μὲν αὐτὸς ἐφεστήκῃ, βασιλικόν, ὅταν δὲ κατὰ τοὺς λόγους τῆς ἐπιστήμης τῆς τοιαύτης κατὰ μέρος ἄρχων καὶ ἀρχόμενος, πολιτικόν· ταῦτα δ᾽ οὐκ ἔστιν ἀληθῆ) [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Es wurde vorgeschlagen, als Belegstellen Politikos 294a1 und 300e heranzuziehen (siehe Newman, The Politics of Aristotle II, S. 99 – 100).
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scheidung zwischen Staatsmann und König macht der eleatische Fremde nicht, bezeichnet er doch selbst einen sachkundigen Privatmann als königlich. Freilich soll die Reformulierung der Platonischen Position (wenn es sich denn um die Position Platons handelt) nicht die exakte Abbildung dessen, was schon im Politikos zu lesen war, leisten. Sie dient Aristoteles vielmehr als eine Art Sprungbrett zum eigenen Entwurf. Im Zuge der Kritik an der Argumentation, mit welcher der eleatische Fremde die Einheit und herausragende Bedeutung der politischen technê begründet hatte, gibt Aristoteles zugleich Grundpfeiler seiner Position zu erkennen: Die Gemeinschaften, denen der freie griechische Mann in seiner Funktion als Staatsmann (politikos), König (basileus), Hausverwalter (oikonomos) und Hausherr (despotês) vorsteht, unterscheiden sich ihrem Wesen (eidos) nach. Denn in jeder dieser Gemeinschaften hat der Mann ein Gegenüber, das andere Voraussetzungen mit sich bringt und daher auf je eigene Weise beherrscht zu werden verlangt: „Denn die Herrschaftsformen sind unterschiedlich, je nachdem über welche Menschen geherrscht wird.“¹⁶ Und mit jeder dieser Gemeinschaften verfolgt der freie griechische Mann ein diesen Voraussetzungen angemessenes spezifisches Gut (agathon): „Jeder Staat ist, wie wir sehen, eine bestimmte Art von Gemeinschaft, und jede Gemeinschaft bildet sich um eines bestimmten Guts willen, denn alle (Menschen) vollziehen alle Handlungen um einer Sache willen, die ihnen als gut erscheint.“¹⁷ Die Gemeinschaften von Ehemann und Ehefrau, Herr und Sklaven, Vater und Kindern im Haus sowie die zwischen Herrschenden und Beherrschten in verschiedenartig geordneten Staaten verlangen aufgrund ihrer unterschiedlichen Art und der daraus resultierenden unterschiedlichen Ziele nach einer je eigenen Herrschaftsform: Was sich für einen Tyrannen zu tun empfiehlt, eignet sich nicht, um die Stabilität einer Oligarchie sicherzustellen; was im Umgang mit Sklaven zu tun angemessen erscheint, ist
EN VIII 12, 1160b31– 32: τῶν διαφερόντων γὰρ αἱ ἀρχαὶ διάφοροι [Bywater]. Siehe auch Pol. I 12, 1259a37–b1; 13, 1260a7– 10; III 6, 1278b30 – 1279a9 und VII 3, 1325a41–b5. Pol. I 1, 1252a1– 3: ’Επειδὴ πᾶσαν πόλιν ὁρῶμεν κοινωνίαν τινὰ οὖσαν καὶ πᾶσαν κοινωνίαν ἀγαθοῦ τινος ἕνεκεν συνεστηκυῖαν (τοῦ γὰρ εἶναι δοκοῦντος ἀγαθοῦ χάριν πάντα πράττουσι πάντες) [Ross]. Übersetzung in: Rapp, Staat, S. 58. Dieser programmatische Eingang des ersten Buches der Politik weist starke Parallelen zum Beginn der Nikomachischen Ethik auf: „Jedes Herstellungswissen und jedes wissenschaftliche Vorgehen, ebenso jedes Handeln und Vorhaben strebt, so die verbreitete Meinung, nach einem Gut. Deshalb hat man ,Gut‘ zu Recht erklärt als ‚das, wonach alles strebt.‘“ / Πᾶσα τέχνη καὶ πᾶσα μέθοδος, ὁμοίως δὲ πρᾶξίς τε καὶ προαίρεσις, ἀγαθοῦ τινὸς ἐφίεσθαι δοκεῖ· διὸ καλῶς ἀπεφήναντο τἀγαθόν, οὗ πάντ᾽ ἐφίεται (EN I 1, 1094a1– 3; [Bywater]). Übersetzung: Wolf 32001. In beiden Fällen erscheint es als vernünftig, anzunehmen, dass es Menschen sind, die Gemeinschaften bilden, Künste beherrschen, handeln und Entscheidungen fällen.
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gänzlich unangebracht, wo Bürger wie in einer Demokratie als Gleiche abwechselnd herrschen und beherrscht werden. Mit der Rekapitulation der Argumentation des Politikos zu Beginn der Aristotelischen Politik ist somit einerseits die Verbindung zur Platonischen Philosophie hergestellt und andererseits eine aus der Kritik an Platon erwachsene Benennung des Untersuchungsgegenstandes verbunden: Es sollen unterschiedliche Gemeinschaften (koinôniai) daraufhin untersucht werden, welche Herrschaft in ihnen jeweils als gut anzusehen ist.¹⁸ Der Begriff des Wissens, der für die Platonische Argumentation so bedeutsam ist, tritt zugunsten einer differenzierenden Betrachtung unterschiedlicher Herrschaftsformen zunächst in den Hintergrund. Denn die Kenntnis der jeweils angemessenen Herrschaftsweise wird nicht wie bei Platon als ein einheitliches politisches Wissen einfach vorausgesetzt, sondern soll aus der Untersuchung der unterschiedlichen Gemeinschaften des Staates und seiner Teile erst erwachsen.¹⁹ Eingeführt wird dabei auch die systematisch zentrale Vorstellung, dass sich unterschiedliche Gemeinschaften anhand ihrer spezifischen Zwecke hierarchisch ordnen lassen, wobei die staatliche Gemeinschaft als oberste Gemeinschaft das höchste Gut erstrebt und alle übrigen Gemeinschaften in sich schließt.²⁰ Was aber bedeuten diese Ausführungen für die Erörterung der Sklaverei, der unser vorrangiges Interesse gilt? Einschlägig sind insbesondere die folgenden Feststellungen: (i) Die Herrschaft des Herrn über Sklaven gehört zu den Herrschaftsformen, die dem oikos zugehören. (ii) Die Herrschaft des Herrn über Sklaven ist eine Herrschaftsform eigener Art. Sie heißt ,despotische Herrschaft‘. (iii) Als ein Teil der Polis bildet der Hausvorstand mit den Sklaven eine für den staatlichen Verband konstitutive, ihr jedoch untergeordnete Gemeinschaft. Daraus folgt, dass in dieser Gemeinschaft ein untergeordnetes Gut erstrebt
Die Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen bildet auch den Ausgangspunkt der pseudo-aristotelischen Oikonomika (siehe I 1, 1343a1– 4). Voraussetzung für gute Herrschaft in Staat und Haus ist, dass der Herrschende über φρόνησις verfügt. Siehe EN VI 5, 1140b7– 11: „Aus diesem Grund glauben wir, dass Perikles und Menschen seiner Art klug sind, weil sie nämlich erwägen können, was für sie selbst und die Menschen gut ist; auch diejenigen, die ein Haus oder einen Staat leiten, halten wir für so beschaffen.“ / διὰ τοῦτο Περικλέα καὶ τοὺς τοιούτους φρονίμους οἰόμεθα εἶναι, ὅτι τὰ αὑτοῖς ἀγαθὰ καὶ τὰ τοῖς ἀνθρώποις δύνανται θεωρεῖν· εἶναι δὲ τοιούτους ἡγούμεθα τοὺς οἰκονομικοὺς καὶ τοὺς πολιτικούς [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe dazu Schütrumpf, Politik I, S. 179 – 182. Siehe Pol. I 1, 1252a1– 7 und EE VII 9, 1241b25. So wie die Polis die übrigen (kleineren) Gemeinschaften einschließt, umfasst die Politische Wissenschaft die untergeordneten Disziplinen und das höchste Gut die untergeordneten Güter. Siehe EN I 1, 1094a26–b3.
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wird. Bei diesem Gut, so ist aus dem später Gesagten zu ergänzen, handelt es sich aus Sicht des Herrn um die Bereitstellung des Lebensnotwendigen.²¹ Das Thema ,Herrschaft‘ steht nicht nur im Fokus des ersten Buches, sondern ist für das Ganze der Politik zentral. Meist wird es auf der Ebene des Staates verhandelt, wobei verschiedene Staatsformen auf ihre besonderen Merkmale hin untersucht werden. Es lassen sich daraus für die Aristotelische Sklavereiabhandlung wichtige Einsichten gewinnen: Der Philosoph behandelt die Sklaverei vor allem als Herrschaftsverhältnis, als Verbindung des Hausvorstands mit seinen Sklaven, und somit relational. Dabei kommt die Sklaverei als eine Relation neben anderen in den Blick.Vorrangig geht es um den Herrn, der in allen drei Relationen vorsteht und sein Haus bestenfalls so einrichtet, dass er selbst politisch aktiv werden kann.²² Bezugnahmen auf die Herrschaft des Herrn über Sklaven im Haus wiederum dienen außerhalb von Buch I vor allem der Veranschaulichung politischer Ordnung – und zwar häufig als Paradigmata für die Tyrannis.²³ Diese Staatsform zeichnet sich dadurch aus, dass der Herrschende sein Handeln nicht in den Dienst der Gemeinschaft stellt, sondern vorrangig eigene Interessen verfolgt.²⁴
4.2 Verschiedene Herrschaftsformen unter dem Gesichtspunkt ihrer Genese und Naturgemäßheit Weitere Charakteristika der Aristotelischen Sklavereiabhandlung lassen sich aus der Interpretation des zweiten Kapitels von Buch I gewinnen. Dieses schließt
Siehe Pol. I 5, 1254b24– 31; 13, 1260a33 – 36; III 4, 1277a33 – 37; 5, 1278a10 – 11. Siehe Pol. I 3, 1253b3 – 8: „Die Teilbereiche der Führung eines Haushalts entsprechen den Teilen, aus denen der Haushalt besteht: Ein vollständiger Haushalt besteht aus Sklaven und Freien. Da man nun jeden Gegenstand zuerst in seinen kleinsten Einheiten untersuchen muss, die ersten und kleinsten Teile des Haushalts aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau, und Vater und Kinder sind, sollten diese drei (Verhältnisse) betrachtet werden, was ein jedes ist und wie es sein muss.“ / οἰκονομίας δὲ μέρη ἐξ ὧν πάλιν οἰκία συνέστηκεν· οἰκία δὲ τέλειος ἐκ δούλων καὶ ἐλευθέρων. ἐπεὶ δ᾽ ἐν τοῖς ἐλαχίστοις πρῶτον ἕκαστον ζητητέον, πρῶτα δὲ καὶ ἐλάχιστα μέρη οἰκίας δεσπότης καὶ δοῦλος, καὶ πόσις καὶ ἄλοχος, καὶ πατὴρ καὶ τέκνα, περὶ τριῶν ἂν τούτων σκεπτέον εἴη τί ἕκαστον καὶ ποῖον δεῖ εἶναι [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012, mit Änderungen. Siehe Pol. III 8, 1279b16 – 17: „Die Tyrannis ist, wie gesagt, die Form von Monarchie, die despotisch über eine Gemeinschaft (freier) Bürger regiert“ / ἔστι δὲ τυραννὶς μὲν μοναρχία, καθάπερ εἴρηται, δεσποτικὴ τῆς πολιτικῆς κοινωνίας [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe Pol. III 7, 1279b6 – 7; V 10, 1311a2– 5. Siehe auch EN VIII 12, 1160b2 und b29.
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prima facie nicht sehr glatt an die vorangegangene Argumentation an. Nachdem der Philosoph im letzten Abschnitt des ersten Kapitels als methodisches Verfahren die Erkenntnis des zusammengesetzten Ganzen (to syntheton), das der Staat ist, aus seinen nichtzusammengesetzten Teilen (ta asyntheta)²⁵, den untergeordneten Gemeinschaften, angekündigt hatte, scheint der erste Satz des zweiten Kapitels für eine andere Methode zu werben: „Wenn einer freilich von Anfang her die Dinge wachsen sehen könnte, wie in allen anderen (Fällen), dürfte er so auch in diesen (Fällen) am besten betrachten.“²⁶ Das hier als besonders Erfolg versprechend angekündigte Verfahren lässt sich als ,genetisch‘ beschreiben, während die im ersten Kapitel vorgestellte Methode gewöhnlich als ,analytisch‘ oder ,dihairetisch‘ charakterisiert wird.²⁷ Betrachtet werden sollen die Dinge nun also so, wie sie von Anfang an geworden sind. Und tatsächlich folgt eine Art vorphilosophischer²⁸ Abriss, der die Entstehung des Staates aus den kleineren Gemeinschaften innerhalb des Hauses und aus dem Dorf ²⁹ sukzessive nachvollzieht und der als Ergebnis in die beiden berühmten Thesen, dass der Staat von Natur aus existiere und dass der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen sei, mündet.³⁰ Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des Charakters und der Bedeutung dieses in mancherlei Hinsicht außergewöhnlichen Kapitels³¹ ist das griechische
Siehe Pol. I 1, 1252a17– 19. Aristoteles führt diese Methode als bereits bewährt ein (τὴν ὑφηγημένην μέθοδον (1252a17– 18) und ἐν τοῖς ἄλλοις (a18); siehe auch 13, 1260a4: τοῦτο εὐθὺς ὑφήγηται [Ross]). Pol. I 2, 1252a24– 26: εἰ δή τις ἐξ ἀρχῆς τὰ πράγματα φυόμενα βλέψειεν, ὥσπερ ἐν τοῖς ἄλλοις, καὶ ἐν τούτοις κάλλιστ᾽ ἂν οὕτω θεωρήσειεν [Ross]. Siehe dazu auch Schütrumpf, Politik I, S. 185 – 186. Dieses Kapitel ist auch deswegen als vorpolitisch zu charakterisieren, da weder die Themen ,Verfassung‘ und ,Recht‘, die der Schluss der Nikomachischen Ethik als spezifische Gegenstände der Politischen Wissenschaft ankündigt, noch die in unterschiedlich geordneten Stadtstaaten jeweils angemessenen Herrschaftsformen diskutiert werden. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die oft gewählte nähere Bestimmung ,historisch‘ unpassend, da Aristoteles auf die Verfassungen vergangener Staaten, deren Kenntnis für die Argumentation in den folgenden sieben Büchern zentral ist, nicht eingeht.Vielmehr werden Haus, Dorf und Staat, ja sogar die Götter, (ur‐) königlich regiert. Siehe dazu Kullmann, Politisches Lebewesen, S. 420 – 421; und Schütrumpf, Politik I, S. 185 – 187. Das Dorf spielt im Folgenden keine Rolle mehr, was einmal mehr die Sonderstellung des zweiten Kapitels anzeigt. Siehe Pol. I 2, 1253a1– 3: „Daraus geht nun klar hervor, dass der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und dass der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört“ / ἐκ τούτων οὖν φανερὸν ὅτι τῶν φύσει ἡ πόλις ἐστί, καὶ ὅτι ὁ ἄνθρωπος φύσει πολιτικὸν ζῷον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe beispielsweise die zahlreichen Naturalismen und Dichterzitate.
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phyomena ³² im voranstehenden Zitat.³³ Das Wort physis ist als Abstraktum von der Verbalwurzel phy- abgeleitet und weist daher auf eine Tätigkeit oder einen Vorgang. Das von dieser Wurzel zuerst gebildete Verb tritt in den Genera Aktiv (phyein) und Medium (phyesthai) auf und wird ursprünglich gebraucht, um das Wachsen als eine besondere Art des Werdens, die Pflanze, Tier und Mensch eignet, zu beschreiben. Im Aktiv dient es dazu, die Tätigkeit des Hervortreibens zu bezeichnen, etwa wenn im Frühling die Knospen an Bäumen und Sträuchern sprießen. Im Medium kennzeichnet das Verb dieselbe Erscheinung „nicht als Bewirken, sondern als Vorgang, also von der Seite des Hervorgebrachten aus: = sprossen“³⁴. Im Fortgang der Sprachentwicklung gewinnt der mediale Gebrauch, der das Sprossende selbst in den Blick nimmt, immer mehr Gewicht. Subjekte des phyesthai sind beispielsweise die Blüte der Pflanze, das Horn der Ziege oder der Verstand des Menschen. Als ein Substantiv bezeichnet das Verbalabstraktum physis das „Sein, das sich im phyein und phyesthai zur Erscheinung bringt […]. Physis (und phyê) bedeuten also ursprünglich die sich im Sprossen bildende und ausbildende Form“³⁵ und meinen vorrangig das Wachstumsresultat.Von hier sind die vielfältigen Übertragungen des Wortes einsichtig zu machen. Halten wir als Grundbedeutung der Verben phyein und phyesthai das ,Hervortreiben‘ beziehungsweise ,Wachsen‘ fest, so meint ,Wachsen‘ im Griechischen also nicht einfach nur ein Größerwerden³⁶ – woran man im Falle der Entstehung der unterschiedlichen Gemeinschaften, die sich auseinander entwickeln, denken könnte –, sondern ein Sich-Ausbilden. Die Pflanze, die das beste Beispiel für diese besondere Art des Werdens gibt, wird, indem sie sich entfaltet und dabei ihre bereits im Samen gegenwärtige Form gewinnt: Es bildet sich im Wachsen ein ursprünglich Angelegtes aus. Vor diesem Hintergrund ist nun zu fragen, was es bedeutet, dass Aristoteles die Geschichte menschlicher Vergemeinschaftung, die er mit den Verbindungen von Mann und Frau und von Herr und Sklave beginnen lässt, und die über das Haus zum Dorf und von dort zum Staat führt, ein ,Wachsen‘ nennt, wenn damit nicht einfach ein Größerwerden gemeint ist? Es lassen sich zwei Hypothesen formulieren:
Pol. I 2, 1252a24: φυόμενα [Ross] (siehe Anmerkung 26). Siehe zu diesem Abschnitt Patzer, Physis. Patzer, Physis, S. 234. Patzer, Physis, S. 251. Die Vorstellung des Zunehmens wird im Griechischen meist mit αὐξάνεσϑαι wiedergegeben, worauf das deutsche ,wachsen‘ zurückgeht.
4.2 Verschiedene Herrschaftsformen: Genese und Naturgemäßheit
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(i) Der Staat, der den Abschluss der geschilderten Entwicklung darstellt, und die Verbindungen von Mann und Frau und von Herr und Sklave, die am Anfang derselben stehen, gehören untrennbar zusammen. (ii) Mit der Genese des Staates aus Dörfern und der Dörfer aus Haushaltungen wird keine ziellose, kontingente und einmalige Entwicklung beschrieben, sondern die Verwirklichung einer schon in den ersten Gemeinschaften angelegten Form – eine gebundene Bewegung.³⁷ Die hier vorgestellte Interpretation des Eingangssatzes des zweiten Kapitels lässt sich anhand weiterer phy-Formen, die in diesem Kapitel in einer bemerkenswerten Dichte auftreten,³⁸ sowohl untermauern als auch präzisieren. Doch soll zunächst die vermeintliche Spannung zwischen der im ersten Kapitel angekündigten und der im zweiten Kapitel angewandten Methode aufgelöst werden: Ist die Genese des Staates als ein zielgerichteter Prozess vom Wachstumsresultat her gedacht, so entspricht das zusammengesetzte Ganze im Sinne des ersten Kapitels dem sich sukzessive entwickelnden Ganzen im Sinne des zweiten Kapitels. Stimmen das zusammengesetzte Ganze und seine Teile somit in beiden Kapiteln überein, wird im zweiten Kapitel ergänzend die Genese des Staates als ein Wachstumsprozess und somit als eine besondere Art des Werdens beschrieben. Ausgangspunkt sind jedoch auch hier die Teile, aus denen zunächst Häuser, später Dörfer und schließlich Staaten erwachsen.³⁹ Das Verfahren, das Zusammengesetze aus seinen Teilen zu bestimmen, ist in beiden Fällen – wie überhaupt in der gesamten Aristotelischen Politik – das leitende methodische Prinzip.⁴⁰ Daraus folgt, dass die Untersuchung der untergeordneten Gemeinschaften nicht Selbstzweck ist, son Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Charakterisierung des Kapitels als ,historisch‘ verfehlt, da historische Ereignisse einmalig sind. Zu der Vorstellung des Sich-Ausbildens passt, dass innerhalb des Hauses im folgenden Kapitel I 3 mit der Gemeinschaft des Vaters mit seinen Kindern eine dritte Verbindung eingeführt wird, womit – wie auch mit der Ehe – der Gedanke der Dauerhaftigkeit stärker hervortritt. Ich zähle über zwanzig Vorkommen. Siehe auch Newman, The Politics of Aristotle II, S. 104: „His [Aristotle’s] substitution of this method of watching the growth of the πόλις from its smallest elements is not a desertion of the method of division (διαιρεῖν) announced just previously; it is, on the contrary, its best application.“ So auch Newman, The Politics of Aristotle II, S. 104; und Schütrumpf, Einleitung, S. xxxvii. William L. Newman weist dort auf die folgende Parallele innerhalb des ersten Buches der Aristotelischen Politik hin: „The same plan is followed in chapter 9 to distinguish the sound and the unsound χρηματιστική. The growth of χρηματιστική both within and beyond the limits prescribed by nature is carefully traced.“ Eckart Schütrumpf weist auf das „Nebeneinander von analytischer Untersuchung […] und genetischem Verfahren“ in den ersten fünf Kapiteln der Poetik des Aristoteles hin (Schütrumpf, Politik I, S. 185).
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dern um des besseren Verständnisses der politischen Gemeinschaft als des übergeordneten Ganzen willen erfolgt, wie auch das im oikos erstrebte und zu bewahrende Gut der Verwirklichung des in der Polis erstrebten Guten dient. Kehren wir nun zu den kleinsten Teilen und Anfängen der staatlichen Gemeinschaft zurück: Es ist nun notwendig, dass sich zuerst diejenigen verbinden, die ohne einander nicht sein können: Weibliches und Männliches zum Beispiel (verbinden sich) um der Erzeugung willen, und dies nicht aufgrund einer Entscheidung; vielmehr (gibt es), wie auch bei den anderen Tieren und Pflanzen, das natürliche Verlangen, etwas anderes zu hinterlassen, das so ist wie sie selbst. Was hingegen von Natur herrscht und beherrscht wird (verbindet sich) zu seiner Erhaltung. Denn was fähig ist, mit dem Verstand vorauszuschauen, herrscht von Natur und ist Herr von Natur, was aber fähig ist, diese Dinge mit dem Körper zu verrichten, wird beherrscht und ist Sklave von Natur. Herren und Sklaven ist deshalb dasselbe nützlich.⁴¹
Es sind zwei unterschiedliche Gemeinschaften, aus denen sich zunächst Haushaltungen, später Dörfer und schließlich Staaten entwickeln. Beide Gemeinschaften bestehen, so Aristoteles, von Natur. Die in beiden Fällen unterlegte Natürlichkeit jedoch ist grundverschieden. Mann und Frau schließen sich aufgrund eines natürlichen Triebes, den sie mit Pflanzen und Tieren teilen und der ihnen keinerlei Verstandesleistung abverlangt, zum Zwecke der Fortpflanzung – der Erhaltung der Art – zusammen. Auch die Verbindung von Herr und Sklave besteht zum Zwecke der Erhaltung, ist jedoch als Gemeinschaft unterschiedlich veranlagter Menschen näher bestimmt. Es sind gleich vier Natürlichkeitsbehauptungen, die hier zusammenkommen: (i) Es gibt die Befähigung, mit Verstand vorausschauend zu planen, und die Befähigung, Dinge mit dem Körper zu verrichten. (ii) Diesen Befähigungen korrespondiert ein Herrschaftsverhältnis: Was fähig ist, mit Verstand vorauszuschauen, herrscht von Natur über dasjenige, das zu körperlicher Tätigkeit befähigt ist. (iii) Dieses Herrschaftsverhältnis besteht zum beiderseitigen Nutzen, im vorliegenden Falle zum Zwecke der Erhaltung.
Pol. I 2, 1252a26 – 34: ἀνάγκη δὴ πρῶτον συνδυάζεσθαι τοὺς ἄνευ ἀλλήλων μὴ δυναμένους εἶναι, οἷον θῆλυ μὲν καὶ ἄρρεν τῆς γεννήσεως ἕνεκεν (καὶ τοῦτο οὐκ ἐκ προαιρέσεως, ἀλλ᾽ ὥσπερ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ζῴοις καὶ φυτοῖς φυσικὸν τὸ ἐφίεσθαι, οἷον αὐτό, τοιοῦτον καταλιπεῖν ἕτερον), ἄρχον δὲ φύσει καὶ ἀρχόμενον διὰ τὴν σωτηρίαν. τὸ μὲν γὰρ δυνάμενον τῇ διανοίᾳ προορᾶν ἄρχον φύσει καὶ δεσπόζον φύσει, τὸ δὲ δυνάμενον [ταῦτα] τῷ σώματι πονεῖν ἀρχόμενον καὶ φύσει δοῦλον· διὸ δεσπότῃ καὶ δούλῳ ταὐτὸ συμφέρει [Ross]. Übersetzung in: Rapp, Staat, S. 61.
4.2 Verschiedene Herrschaftsformen: Genese und Naturgemäßheit
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(iv) Diesem Herrschaftsverhältnis korrespondieren bestimmte soziale Rollen: Was von Natur herrscht, ist von Natur Herr, was von Natur beherrscht wird, ist von Natur Sklave. Zunächst ist der Gedanke, dass Menschen unterschiedlich veranlagt sind und zu beiderseitigem Nutzen kooperieren, durchaus plausibel und bis heute für die Berufswahl und die gesellschaftliche Arbeitsteilung zentral. Erklärungsbedürftig erscheinen in diesem Zusammenhang besonders zwei Punkte: a) die strikte Trennung zwischen der Befähigung zu körperlicher Arbeit einerseits und der Befähigung zu vorausschauender Planung andererseits. Wir kennen sowohl die Vorstellung, dass Menschen vielseitig begabt sind, als auch die Vorstellung einzelner herausragender Begabungen, die jedoch nicht automatisch das Fehlen anderer – komplementärer – Fähigkeiten mit sich bringen; auch die antiken griechischen Curricula sind auf die Bildung von Körper und Geist hin angelegt. Im oben zitierten Textauszug allerdings entsteht der Eindruck, dass Menschen entweder befähigt sind, mit Verstand vorausschauend zu planen oder aber Dinge mit dem Körper zu verrichten; b) die Ableitung des Herrschaftsanspruchs und sozialer Rollen – im Falle der Sklaverei gar eines Besitzverhältnisses – aus bestimmten Befähigungen.⁴² Es ist naheliegend, diese beiden Aspekte miteinander zu verbinden: Ein Herrschaftsanspruch, so ließe sich plausibel argumentieren, ist umso mehr berechtigt, als der Verstand des Beherrschten unterentwickelt ist. Dem entspricht die bis in die Gegenwart übliche Praxis, Menschen, deren kognitive Vermögen stark eingeschränkt oder die noch nicht mündig sind, einer Vormundschaft zu unterstellen. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf den Nutzen für den Unmündigen oder Entmündigten und die Entwicklung und ,Erhaltung‘ seiner Person.⁴³ So wenig daraus absolute, gänzlich unkontrollierte Herrschafts- oder Besitzverhältnisse herzuleiten sind, ist die Berücksichtigung unterschiedlicher Begabungen und daraus resultierender Führungsansprüche durchaus notwendig, vorausgesetzt, dass der nicht – oder noch nicht – Vernünftige nicht autark zu leben im-
Siehe dazu das Urteil Eckart Schütrumpfs: „In dieser Verlagerung der Hierarchie des Arbeitsprozesses (Planung – Ausführung mit dem Körper) auf die soziologische Schichtung und Rechtsordnung bzw. das Besitzverhältnis Herr – Sklave liegt das eigentliche Problem dieser Argumentation.“ (Schütrumpf, Politik I, S. 190). So auch Kraut, Political Philosophy, S. 295: „Aristotle’s claim that some human beings lack the capacity to deliberate might give some support to his conclusion that others should exercise control over them. The lives of those who are incapable of thinking wisely about their ends might go better if their decision-making authority were restricted in certain ways.“
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stande ist. Auch die Vorordnung der geistigen Vermögen vor den körperlichen ist durchaus zu rechtfertigen. Um den Herrschaftsanspruch des Herrn über die Sklaven und den beiderseitigen Nutzen einsichtig zu machen, müsste Aristoteles also zeigen, dass Herren und Sklaven sich in ihren Befähigungen so grundsätzlich unterscheiden, dass eine Herrschaft des sehr viel stärker vernunftbegabten Herrn über den Sklaven auch für diesen vorteilhaft ist. Dies aufzuzeigen, ist das Anliegen des fünften Kapitels der Politik, wo es heißt: „Alle die, die sich also so sehr voneinander unterscheiden wie Seele und Körper sowie Mensch und Tier (und auf diese Weise unterscheiden sich alle die, deren Werk der Gebrauch ihres Körpers ist – und dies ist bei ihnen das Beste), diese sind von Natur aus Sklaven, für die es besser ist, auf diese Weise beherrscht zu werden.“⁴⁴ Dieser Teil der Argumentation ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. Halten wir zunächst fest: Die Verbindung des von Natur Herrschenden mit dem von Natur Beherrschten besteht zum Zwecke der Erhaltung (sôtêria). Ein Mangel an Autarkie beim Einzelnen liegt im Aristotelischen Entwurf beiden ursprünglichen Gemeinschaften zugrunde. Jedoch leuchtet dies nur im Falle der Verbindung von Mann und Frau sofort ein: Die Genese von artgleichen Individuen kann der Mensch als ein Einzelner nicht sicherstellen. Im Falle von Herr und Sklave hingegen ist der Mangel an Autarkie nicht unmittelbar einsichtig. Sklaven leben vor ihrer Versklavung zumeist selbstständig – wie es die Barbaren, die nicht versklavt sind, immer noch tun. Auch können sie vielfältige, zum Teil anspruchsvolle Aufgaben übernehmen und in der Funktion eines Verwalters anderen Sklaven vorstehen.⁴⁵ Sie können Strategien für Kriege entwickeln,⁴⁶ Kinder zeugen – auf diese Weise selbst die Erhaltung der Art sicherstellen – und Ehen Pol. I 5, 1254b16 – 20: ὅσοι μὲν οὖν τοσοῦτον διεστᾶσιν ὅσον ψυχὴ σώματος καὶ ἄνθρωπος θηρίου (διάκεινται δὲ τοῦτον τὸν τρόπον ὅσων ἐστὶν ἔργον ἡ τοῦ σώματος χρῆσις, καὶ τοῦτ᾽ ἐστ᾽ ἀπ᾽ αὐτῶν βέλτιστον), οὗτοι μέν εἰσι φύσει δοῦλοι, οἷς βέλτιόν ἐστιν ἄρχεσθαι ταύτην τὴν ἀρχήν [Ross]. Siehe beispielsweise Pol. I 7, 1255b34– 37 und IV 15, 1299a20. Diese Beobachtung legt Malcolm Heath seiner Interpretation zugrunde. Die Invasion des Xerxes, des persischen Großkönigs, der Griechenland angriff, beispielsweise habe umfassende Planungen, den Bau von Schiffsbrücken und Kanälen, die Versorgung eines riesigen Heeres und die Fähigkeit auf sich ändernde Umstände flexibel zu reagieren, erfordert. Es sei daher anzunehmen, dass Xerxes und seine Strategen die Kunst der Kriegsführung und des Brücken- und Kanalbaus vortrefflich beherrschten und dass Aristoteles das auch wusste. Aufgrund seines Wissens um die Leistungen von Persern, Ägyptern und Babyloniern (siehe beispielsweise Met. A 1, 981b24– 25) wiederum habe der Philosoph Sklaven für potenziell sehr intelligent halten müssen (Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 250: „extremely intelligent“) und ihnen lediglich das Vermögen, Einzelziele innerhalb des größeren Zusammenhangs eines gelingenden Lebens zu verwirklichen, absprechen wollen (S. 250: „an impairment of the capacity for global deliberation“; Kursivierung durch den Verfasser).
4.2 Verschiedene Herrschaftsformen: Genese und Naturgemäßheit
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schließen.⁴⁷ Bei der Verbindung von Herr und Sklave, der zweiten basalen Gemeinschaft, geht es daher nicht um die Arterhaltung, sondern um eine Form der Selbsterhaltung. Was den Herrn angeht, denkt Aristoteles dabei bereits an das abschließende Ziel des guten Lebens. Die Herren sind zur Verwirklichung des höchsten Guts, der eudaimonia, auf Sklaven angewiesen, da diese sie von den alltäglichen Arbeiten im Haus und der Sorge um alles Lebensnotwendige entlasten und auf diese Weise freistellen, unmittelbar nach dem glücklichen Leben zu streben. Worin aber besteht der Nutzen für den Sklaven? Zwei Antworten auf diese Frage erscheinen plausibel: (i) So könnte man erstens argumentieren, dass die Verbindung von Herr und Sklave dem Sklaven insofern nützt, als sein Überleben innerhalb des oikos gesichert ist.⁴⁸ Dabei kann auch geltend gemacht werden, dass Sklaven, sofern sie im Anschluss an eine Niederlage im Krieg versklavt worden sind, das Recht auf ihr Leben bereits verloren haben. Der Sieger im Krieg verzichtete mit dem Weiterverkauf des Gefangenen oder der Überführung der Sklaven in den eigenen Besitz auf sein Tötungsrecht. Bei dieser Lesart geht es in der Gemeinschaft von Herr und Sklaven für den Herrn um das gute Leben, für die Sklaven um das Überleben, sodass zwei Bedeutungen von ,Erhaltung‘ zu unterscheiden sind. (ii) Aristoteles könnte jedoch auch meinen, dass Sklaven aufgrund der Gemeinschaft mit dem Herrn selbst Anteil am guten – oder zumindest einem besseren – Leben gewinnen. Gibt es ein für Sklaven erreichbares Glück, das innerhalb des Hauses befördert wird?⁴⁹
Siehe beispielsweise Pol. I 2, 1252b5 – 9. Die These, dass Sklaven innerhalb von Hausgemeinschaften der Mittelschicht besser gelebt haben als die Menschen der ärmeren Bevölkerungsschichten, wird in der Forschungsliteratur immer wieder vorgebracht. So beispielsweise von Peter Garnsey: „[M]any slaves in ancient societies […] were more secure and economically better off than the mass of the free poor, whose employment was irregular, low-grade and badly paid.“ (Garnsey, Ideas of Slavery, S. 5). Dass es um die Verwirklichung der eudaimonia gehen könnte, ist freilich ausgeschlossen. Siehe beispielsweise Pol. III 9, 1280a31– 34: „Wenn Sie aber in Gemeinschaft getreten und zusammengekommen sind, um nicht allein zu leben, sondern vielmehr um gut zu leben? Denn in jenem Fall hätten auch Sklaven oder andere Lebewesen Poleis: Nun gibt es diese aber nicht, da sie keinen Anteil am Glück haben und auch nicht an einem Leben in Selbstbestimmung.“ / εἰ δὲ μήτε τοῦ ζῆν μόνον ἕνεκεν ἀλλὰ μᾶλλον τοῦ εὖ ζῆν [sc. ἐκοινώνησαν καὶ συνῆλθον] (καὶ γὰρ ἂν δούλων καὶ τῶν ἄλλων ζῴων ἦν πόλις. νῦν δ᾽ οὐκ ἔστι, διὰ τὸ μὴ μετέχειν εὐδαιμονίας μηδὲ τοῦ ζῆν κατὰ προαίρεσιν) [Ross]. Siehe auch Pol. II 12, 1274a15 – 18; III 1, 1275a5 – 11; 12, 1283a18 – 19; VII 4, 1326a16 – 21 und 8, 1328a21– 40.
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Da wir erst ein noch umfassenderes Bild des Sklaven bei Aristoteles gewinnen müssen, um die Frage nach dem Nutzen für die Sklaven beantworten zu können, sei diese zunächst zurückgestellt. Festgehalten werden soll an dieser Stelle lediglich, dass der Nutzen, den der Herr aus der Verbindung mit den Sklaven zieht, unmittelbar einsichtig ist, wohingegen der Vorteil für den Sklaven rätselhaft bleibt. Es ist nun zu klären, wie sich die beiden ersten Gemeinschaften in die von Aristoteles als Wachstumsprozess charakterisierte Genese des Staates einfügen, ja wie weit dieser Vergleich überhaupt reicht. Denn an die Pflanze, die stetig und aus sich selbst die eigene Form gewinnt, erinnert hier nichts. Zum einen haben wir zwei ursprüngliche Gemeinschaften, die zudem auf zwei verschiedene Weisen natürlich sind und unterschiedlichen Zwecken dienen und somit streng genommen nicht einmal einen dem Samen der Pflanze entsprechenden Anfang und eine an diesen Anfang gebundene Bewegung haben. Zum anderen begründet der Paarungsakt allein (und selbst die Geburt eines Nachkommen) noch keine dauerhafte Gemeinschaft des Mannes mit der Frau.⁵⁰ Und die Verbindung von Herren und Sklaven ist in der griechischen Antike in den allermeisten Fällen das Resultat eines Krieges und der im Kriegsfall geltenden positiven Rechtsprechung. Somit gilt schon für die ersten Gemeinschaften, was Christof Rapp für die Polis als Wachstumsresultat des hier von seinen Anfängen her in den Blick genommenen Prozesses feststellt, nämlich dass ihr Natürlich-Sein „vieldeutig, erläuterungsbedürftig und in gewisser Hinsicht sogar befremdlich“⁵¹ ist. Um die dem Wachstumsprozess eignende Kontinuität, Verlässlichkeit und Gebundenheit zu ,retten‘, wird eine gemeinsame Natürlichkeits-Quelle benötigt, auf die sich nicht nur die beiden ursprünglichen, sondern auch die größeren Gemeinschaften Haus, Dorf und Staat zurückführen lassen und die so unterschiedliche Natürlichkeitsbehauptungen wie die des Mann und Frau – und mit ihnen allen anderen Lebewesen – zukommenden Fortpflanzungstriebes und die der Kooperation unterschiedlich veranlagter Menschen plausibel machen kann. Christof Rapp weist in seinem Aufsatz ,Der Staat existiert von Natur aus‘ – Über eine befremdliche These im ersten Buch der Aristotelischen Politik nach, dass es sich bei der den unterschiedlichen Gemeinschaften und Natürlichkeitsbe-
Dies geschieht erst mit der Ehe, über die Aristoteles wenig später spricht (Pol. I 2, 1252b19) und die im Nachfolgenden gemeint ist (siehe Schütrumpf, Politik I, S. 187– 188), wenn der Philosoph über Mann und Frau spricht. Die eheliche Gemeinschaft ist Teil des Hauses, setzt eine Entscheidung voraus und kommt bei Pflanzen und Tieren nicht vor. Sie bringt außerdem als dritte, hier diskutierte häusliche Gemeinschaft die Beziehung zwischen dem Vater und den Kindern hervor. Rapp, Staat, S. 46.
4.2 Verschiedene Herrschaftsformen: Genese und Naturgemäßheit
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hauptungen zugrunde liegenden Physis um die Natur des Menschen handelt. Er vollzieht den Argumentationsgang des zweiten Kapitels der Aristotelischen Politik in elf Schritten nach. Dabei ist der zweite Schritt, der als Umformungsregel (UR) bezeichnet wird, entscheidend: Die These, dass eine Gemeinschaft sich bildet, um ein Gut zu erreichen, wird in die These übersetzt, dass es Menschen sind, die eine Gemeinschaft bilden, um das ihrer Natur entsprechende Gut zu erreichen. Diese Umformung ermöglicht es, die Natürlichkeit von Gemeinschaften durch ihr Verhältnis zur menschlichen Natur zu erklären: Die ersten Gemeinschaften sind daher von Natur aus, weil sie von Menschen (Mann und Frau, Herr und Sklave) aufgrund ihrer Natur eingegangen wurden. Man kann daher sagen, dass die ersten Gemeinschaften zu dem von Menschen aufgrund ihrer Natur (entweder als Mann und Frau oder ihrer Natur als Herrschendem und Beherrschten) Etablierten oder Eingerichteten gehören. […] Wenn wir es kurz und pointiert haben wollen, können wir hierzu auch sagen, dass diese Gemeinschaften von Natur aus sind; dann ist von den handelnden Menschen, die sie auf eine bestimmte Weise (nämlich gemäß ihrer Natur und nicht einfach so oder gegen ihre Natur) etabliert haben, nicht mehr die Rede – aber was sollen sie anderes sein, als die Gemeinschaften von diesen Menschen, die von diesen Menschen eingegangen und damit als Gemeinschaft etabliert wurden?⁵²
Somit kann der Beginn der als Wachstumsprozess charakterisierten sukzessiven Vergemeinschaftung auf die Natur des Menschen zurückgeführt werden. Die menschliche Natur zeigt sich dabei schon in den basalen, ursprünglichen Gemeinschaften als überaus vielseitig. Aristoteles konzediert zunächst die triebhafte Natur des Menschen, die er mit Pflanzen und Tieren teilt. Diese drängt auf Reproduktion. Er geht darüber hinaus jedoch auch von verschiedenen Begabungen der Menschen aus und unterscheidet solche, die geeignet sind, körperlich zu arbeiten, von solchen, die geeignet sind, vorausschauend zu planen. Dabei bleibt zunächst offen, ob in der Gemeinschaft des höherbegabten Herrn mit den Sklaven ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. Das Streben des Herrn zielt auf das gelingende Leben, das die Autarkie zur Vorbedingung hat. Diese wird zwar im Haus noch nicht erreicht, doch haben die häuslichen Gemeinschaften einen erheblichen Anteil an der mit dem Staat verwirklichten Autarkie. Was folgt daraus für das Aristotelische Verständnis des Sklaven? Neben der uns bereits vertrauten Vorstellung, dass der Einsatz von Sklaven der Beschaffung untergeordneter Güter dient, die wiederum Voraussetzung für das ihrem Tun übergeordnete Ziel des guten Lebens des Herrn sind, ist deutlich geworden, dass die Natürlichkeit der Verbindung von Herr und Sklave die Annahme unterschiedlicher, hierarchisch geordneter und wiederum als natürlich qualifizierter Rapp, Staat, S. 55.
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4 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven
Eignungen zur Voraussetzung hat. Der Niedrigstatus der Sklaven wird somit nicht durch ihr Schicksal oder die Niederlage im Krieg legitimiert, sondern auf ihre Leistung, die von niedrigerer Qualität als die des Herrn ist, zurückgeführt. Dies näher auszuführen, unternimmt Aristoteles in den Kapiteln 5 und 6 des ersten Buches der Politik, in denen er sich mit den Sophisten auseinandersetzt und somit wiederum auf eine philosophische Debatte Bezug nimmt.
4.3 Sklaven von Natur: Aristoteles’ Kritik an einer sophistischen These Bediente sich Aristoteles bei den Bestimmungen der Sklaven als Besitztümer und Werkzeuge konventioneller Vorstellungen, leitet er am Ende des vierten Kapitels des ersten Buches der Politik überraschend zu einer anderen Frage über: „Was nun die Natur und Aufgabe des Sklaven ist, ist hiernach klar: Wer von Natur nicht sich selbst, sondern als Mensch einem anderen gehört, der ist von Natur Sklave. Ein Mensch gehört aber einem anderen, wenn er als Mensch Besitz eines anderen ist, ein Stück Besitz ist aber ein physisch losgelöstes⁵³ Werkzeug für das Handeln.“⁵⁴ Aristoteles stellt hier nun erstmals die Sklaven selbst in den Mittelpunkt der Untersuchung und argumentiert, dass es sich bei den Charakterisierungen ,Besitz‘ und ,Werkzeug‘ nicht allein um Funktionsbestimmungen handele, sondern dass es tatsächlich Menschen gebe, die von Natur anderen Menschen gehörten und daher nicht aufgrund positiven Rechts, sondern von Natur Sklaven seien. Wie Victor Goldschmidt in einem berühmten Aufsatz zur Methode der Aristotelischen Sklavereiabhandlung herausgearbeitet hat, folgt die Diskussion der eigentlich entscheidenden und philosophisch bedeutsameren Frage, ob es tatsächlich Menschen gibt, auf welche die oben genannten Bestimmungen zutreffen und die daher mit Recht versklavt werden dürfen, der Definition des Sklaven als eines beseelten Werkzeugs für das Handeln des Herrn.⁵⁵ Richard Kraut spricht in diesem Zusammenhang von einer zusätzlichen Bürde, die Aristoteles sich aufer-
Wenngleich als Werkzeug physisch unterscheidbar, ist das Verhältnis von Sklave und Herr hier als ein organisches Verhältnis charakterisiert. Als Besitz ist der Sklave Teil des Herrn. Pol. I 4, 1254a13 – 17: τίς μὲν οὖν ἡ φύσις τοῦ δούλου καὶ τίς ἡ δύναμις, ἐκ τούτων δῆλον· ὁ γὰρ μὴ αὑτοῦ φύσει ἀλλ᾽ ἄλλου ἄνθρωπος ὤν, οὗτος φύσει δοῦλός ἐστιν, ἄλλου δ᾽ ἐστὶν ἄνθρωπος ὃς ἂν κτῆμα ᾖ ἄνθρωπος ὤν, κτῆμα δὲ ὄργανον πρακτικὸν καὶ χωριστόν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe Goldschmidt, La théorie aristotélicienne.
4.3 Sklaven von Natur: Aristoteles’ Kritik an einer sophistischen These
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legt: „Why does Aristotle take on the additional burden of trying to show that some people are suited at birth to be slaves and others to be masters?“⁵⁶ Nach eigener Aussage nimmt Aristoteles hier auf eine zeitgenössische philosophische Kontroverse Bezug: Denn die Bezeichnung ,als Sklave dienen‘ und ,Sklave‘ wird in zweifacher Bedeutung gebraucht. Es gibt nämlich (neben dem Sklaven von Natur) einen Sklaven und den Mann, der als Sklave dient, auch aufgrund von Gesetz. Dieses Gesetz ist eine Übereinkunft, dass das, was im Krieg besiegt wurde, den Siegern gehört. Dieses Recht klagen nun viele, die sich mit Gesetzen beschäftigen, der Gesetzwidrigkeit an – wie einen Redner; denn es sei unerträglich, wenn das Opfer von Gewalt Sklave und Untertan dessen ist, der die Mittel hat, Gewalt auszuüben, und an Macht überlegen ist. Diese Ansicht vertritt die eine Richtung, jene zweite Auffassung die andere – und auch unter den Gebildeten gibt es diesen Meinungsstreit.⁵⁷ Andere halten dagegen das Gebieten über Sklaven für naturwidrig, denn nur aufgrund von Gesetz sei der eine Sklave, der andere Freier, der Natur nach bestehe aber kein Unterschied zwischen ihnen; deswegen sei das Gebieten über Sklaven auch nicht gerecht, es gründe sich nämlich auf Gewalt.⁵⁸
Die Kritik der Gebildeten, auf die Aristoteles sich hier bezieht, richtet sich gegen die Sklaverei aufgrund von Gesetz. Gegenstand der dargestellten philosophischen Kontroverse ist ausschließlich das geltende Kriegsrecht, das der im Krieg Besiegte dem Sieger gehört. Die Aristotelische Unterscheidung zwischen Sklaven von Natur und Sklaven aufgrund von Gesetz hingegen wird in der ersten Passage zwar erwähnt, dann jedoch zurückgestellt. Es ist in der Forschung umstritten, ob sich Vertreter dieser kritischen Haltung zur Sklaverei identifizieren lassen und wie einflussreich diese Kritiker tatsächlich waren. Es scheint jedoch plausibel, Vertreter dieser Position im Umfeld der Sophisten und der grundsätzlichen Gegenüberstellung von Physis und Nomos zu verorten. Unter den Belegstellen sticht dieses berühmte Fragment des Antiphon hervor:
Kraut, Political Philosophy, S. 282. Pol. I 6, 1255a4– 12: διχῶς γὰρ λέγεται τὸ δουλεύειν καὶ ὁ δοῦλος. ἔστι γάρ τις καὶ κατὰ νόμον δοῦλος καὶ δουλεύων· ὁ γὰρ νόμος ὁμολογία τίς ἐστιν ἐν ᾗ τὰ κατὰ πόλεμον κρατούμενα τῶν κρατούντων εἶναί φασιν. τοῦτο δὴ τὸ δίκαιον πολλοὶ τῶν ἐν τοῖς νόμοις ὥσπερ ῥήτορα γράφονται παρανόμων, ὡς δεινὸν εἰ τοῦ βιάσασθαι δυναμένου καὶ κατὰ δύναμιν κρείττονος ἔσται δοῦλον καὶ ἀρχόμενον τὸ βιασθέν. καὶ τοῖς μὲν οὕτως δοκεῖ τοῖς δ᾽ ἐκείνως, καὶ τῶν σοφῶν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Pol. I 3, 1253b20 – 23: τοῖς δὲ παρὰ φύσιν τὸ δεσπόζειν (νόμῳ γὰρ τὸν μὲν δοῦλον εἶναι τὸν δ᾽ ἐλεύθερον, φύσει δ᾽ οὐθὲν διαφέρειν)· διόπερ οὐδὲ δίκαιον· βίαιον γάρ [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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4 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven
[Die Gesetze der in der Nähe ansässigen Menschen] kennen und achten wir, während wir diejenigen der Menschen, die weit entfernt wohnen, nicht kennen und nicht achten. Insoweit sind wir Menschen füreinander zu Barbaren geworden, da wir ja, was unsere Natur (physis) betrifft, in jeder Hinsicht ebenso dazu veranlagt sind (pephykamen), Barbaren zu sein, wie Griechen zu sein. Doch das zwingend Notwendige, d. h. das schon mit der Menschennatur (physis) Gegebene, lässt sich bei allen Menschen beobachten, und dass es von allen mittels der gleichen Fähigkeiten beschafft wird; und in diesen Dingen ist keiner von uns als Barbar oder Grieche abgegrenzt. Denn wir alle atmen durch Mund und Nasenlöcher in die Luft aus, und wir lachen, wenn wir in unserem Sinn erfreut werden, oder weinen, wenn wir betrübt werden; und mit dem Gehör nehmen wir Geräusche auf, und im Licht sehen wir mit dem Sehsinn, und mit den Händen arbeiten wir und mit den Füßen gehen wir.⁵⁹
Die Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren wird hier auf die unterschiedlichen Nomoi zurückgeführt, die sich bei unterschiedlichen Völkern finden. Die Gesetze und Bräuche anderer Völker sind den Beobachtenden mit zunehmender geografischer Distanz immer weniger vertraut, weswegen sie von ihnen als barbarisch beschrieben werden. Die Charakterisierung einer Gruppe von Menschen als Barbaren wird so zu einer Frage des eigenen Standorts und der eigenen Perspektive; Menschen werden füreinander zu Barbaren. Der Verschiedenheit der Nomoi jedoch liegt eine einheitliche Menschennatur zugrunde, die „sich sowohl in den elementaren Bedürfnissen als auch in den Funktionen des menschlichen Organismus zeigt“⁶⁰. Aristoteles hingegen führt als Prinzip der universalen Natur ein, dass sie in Gemeinschaften stets einen herrschenden und einen beherrschten Teil zusammenbringe. Auch die Verbindung des Herrn mit dem Sklaven ist Ausdruck dieser Natur als ein in sich differenziertes, geordnetes Ganzes und besteht zu beiderseitigem Nutzen. Die Ordnung der Natur ist teleologisch. Ihr hierarchischer Charakter lässt es nicht nur zu, Herrschende und Beherrschte zu unterscheiden,
Antiphon, Aletheia P.Oxy. LII, 1364, Fr. 2 ii + 3647 i, Z. 1– 27 und Z. 27– 3647 ii, Z. 12 (S. 2 und 3): [τοὺς νόμους τοὺς μὲν τῶν ἐγγυτέρ‐][ii,1]ρων ἐπ[ιστάμε]θά τε κ[αὶ σέβομεν] τοὺς δὲ [τῶν τη]λοῦ οἰκ[ούν]των, [5] οὔτε ἐπι[̣ στ]άμεθα οὔτε σέβομεν. ἐν τ[ο]ύτῳ οὖν πρὸς ἀλλήλους βεβαρβαρώμε[10]θα, ἐπεὶ φύσει γε πάντ̣ α̣ πάντες ὁμοίως πεφύκ[α]μεν καὶ βάρβαροι καὶ Ἕλλην[ες] [15] εἶναι. σκοπεῖν δ[ὲ] παρέχει τὰ τῶν φύσει [ὄντων] ἀναγκαῖ[α ἐν] πᾶσιν ἀν[θρώ‐][20]ποις, π̣[οριζό-μενά] τε κατὰ τ[ὰς αὐτὰς] δυνά[μεις ἅπασι,] καὶ ἐν̣ [αὐτοῖς τού]τοις οὔτε β[άρβα‐][25]ρος ἀφώρι[σται] ἡμῶν ο[ὐδείς,] οὔτε Ἕλλην. ἀναπνέομέν τε γὰρ εἰς τὸν ἀ-[30]έρ[α] ἅπαντες κατὰ τὸ στόμ[α] [κ]αὶ κατ[ὰ] τὰς ῥῖν̣ ας· κ[αὶ γελῶμε]ν χ[αίροντες τῷ] [III,1] [νῷ ἢ] δακρύομε[ν] λ̣ υπούμενο̣ι· καὶ τῇ ἀκοῇ τοὺς φθόγ-[5]γους εἰσδεχόμεθα· καὶ τῇ αὐγῇ μετὰ τῆς ὄψεως ὁρῶμεν· καὶ ταῖς χερσὶν ἐρ-[10]γαζόμεθα· καὶ τοῖς ποσὶν βαδ[ίζο]μεν. Text und Übersetzung: Oliver Primavesi in ders., Die menschliche Natur, S. 60 – 61 [Kursivierungen durch den Verfasser]. Siehe auch Platon, Gorgias 484a4–b1. Primavesi, Die menschliche Natur, S. 61.
4.3 Sklaven von Natur: Aristoteles’ Kritik an einer sophistischen These
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sondern verlangt, dass der jeweils Bessere herrscht und die Herrschaft über relativ ,Bessere‘ der Herrschaft über relativ ,Schlechtere‘ vorgeordnet ist. Insofern der Verstand der körperlichen Tätigkeit überlegen ist, kommt es dem Teil, der Verstand hat, zu, über den Teil zu herrschen, der mit dem Körper arbeitet: „Was nämlich aus mehreren (Bestandteilen) zusammengesetzt ist – einerlei, ob diese miteinander verbunden oder voneinander losgelöst sind – und zu einer eine Einheit bildenden Gemeinschaft wird, in allen (solchen zusammengesetzten Gebilden) wird ein herrschender und ein beherrschter Teil sichtbar, und es ist die universale Natur, von der her dieses (Ordnungsprinzip) den Lebewesen innewohnt.“⁶¹ Dass diese Beschreibung zutreffend ist, lasse sich sowohl theoretisch erarbeiten, als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ablesen, behauptet Aristoteles, und führt einige Beispiele an, um dieses als ein der Natur innewohnendes Prinzip zu veranschaulichen: In der Gemeinschaft von Körper und Seele herrsche die Seele über den Körper, innerhalb der Seele herrsche die Vernunft über die Leidenschaften, der Mensch über die Tiere, der Mann über die Frau: Es lässt sich also, wie wir sagten, zunächst an einem Lebewesen sowohl die despotische wie politische Herrschaftsform erkennen; denn die Seele übt über den Körper eine despotische Herrschaft aus, die Vernunft über das Begehren eine politische oder königliche. Bei ihnen ist es offensichtlich für den Körper naturgemäß und vorteilhaft, von der Seele beherrscht zu werden, und für den Seelenteil, der Sitz der Affekte ist, ist es (ebenso naturgemäß und vorteilhaft), von der Vernunft und dem Seelenteil, der Vernunft besitzt, beherrscht zu werden, eine gleichmäßige (Beteiligung an der Herrschaft) oder gar eine Vertauschung (der Herrschaftsstellung) ist dagegen für alle schädlich. In gleicher Weise trifft dies dann auch auf den Menschen und die übrigen Lebewesen zu: Die zahmen Tiere sind in ihrer Natur besser als die wilden, und für sie alle ist es vorteilhafter, vom Menschen beherrscht zu werden, denn auf diese Weise wird ihr Überleben gesichert. Ferner ist im Verhältnis der Geschlechter das Männliche von Natur das Bessere, das Weibliche das Geringerwertige, und das eine herrscht, das andere wird beherrscht.⁶²
Pol. I 5, 1254a28 – 32: Ὅσα γὰρ ἐκ πλειόνων συνέστηκε καὶ γίνεται ἕν τι κοινόν, εἴτε ἐκ συνεχῶν εἴτε ἐκ διῃρημένων, ἐν ἅπασιν ἐμφαίνεται τὸ ἄρχον καὶ τὸ ἀρχόμενον, καὶ τοῦτο ἐκ τῆς ἁπάσης φύσεως ἐνυπάρχει τοῖς ἐμψύχοις [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Pol. I 5, 1254b2– 14: ἔστι δ᾽ οὖν, ὥσπερ λέγομεν, πρῶτον ἐν ζῴῳ θεωρῆσαι καὶ δεσποτικὴν ἀρχὴν καὶ πολιτικήν· ἡ μὲν γὰρ ψυχὴ τοῦ σώματος ἄρχει δεσποτικὴν ἀρχήν, ὁ δὲ νοῦς τῆς ὀρέξεως πολιτικὴν ἢ βασιλικήν· ἐν οἷς φανερόν ἐστιν ὅτι κατὰ φύσιν καὶ συμφέρον τὸ ἄρχεσθαι τῷ σώματι ὑπὸ τῆς ψυχῆς, καὶ τῷ παθητικῷ μορίῳ ὑπὸ τοῦ νοῦ καὶ τοῦ μορίου τοῦ λόγον ἔχοντος, τὸ δ᾽ ἐξ ἴσου ἢ ἀνάπαλιν βλαβερὸν πᾶσιν. πάλιν ἐν ἀνθρώπῳ καὶ τοῖς ἄλλοις ζῴοις ὡσαύτως· τὰ μὲν γὰρ ἥμερα τῶν ἀγρίων βελτίω τὴν φύσιν, τούτοις δὲ πᾶσι βέλτιον ἄρχεσθαι ὑπ᾽ ἀνθρώπου· τυγχάνει γὰρ σωτηρίας οὕτως. ἔτι δὲ τὸ ἄρρεν πρὸς τὸ θῆλυ φύσει τὸ μὲν κρεῖττον τὸ δὲ χεῖρον, καὶ τὸ μὲν ἄρχον τὸ δ᾽ ἀρχόμενον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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4 Die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des Herrn über die Sklaven
In allen diesen Fällen ist das jeweils ,Bessere‘ dem ,Schlechteren‘ übergeordnet und in einer solchen Beziehung stehen auch Herr und Sklave zueinander: „Alle die, die sich also so sehr voneinander unterscheiden wie Seele und Körper sowie Mensch und Tier (und auf diese Weise unterscheiden sich alle die, deren Werk der Gebrauch ihres Körpers ist – und dies ist bei ihnen das Beste), diese sind von Natur aus Sklaven, für die es besser ist, auf diese Weise beherrscht zu werden.“⁶³ In der Bestimmung der Sklaven von Natur des Aristoteles kommen somit zwei Natürlichkeitsbehauptungen – unterschiedliche natürliche Veranlagungen und hierarchische Ordnung als natürliches Strukturprinzip – zusammen. Von Natur sind somit nicht alle Menschen gleich, sondern aufgrund unterschiedlicher Befähigungen zu unterscheiden. Um als natürlich und darin als gut qualifiziert werden zu können, muss das Verhältnis von Herr und Sklave ihren jeweiligen Vermögen entsprechen. Für die Sklaverei folgt daraus, dass sie weder willkürlich gegen die eine Natur des Menschen, noch positiv aus dieser abzuleiten ist. Gerechtfertigt ist sie nach Aristoteles, sofern sie der je individuellen Natur der beteiligten Menschen entspricht. Gregory Vlastos und Eckart Schütrumpf konnten zeigen, dass Aristoteles mit dieser These an Platonische Gedanken anknüpft.⁶⁴ Von hier stammt die Vorstellung, dass die menschliche Seele aus vernünftigen und unvernünftigen Teilen zusammengesetzt und als ein Ganzes am besten geordnet ist, wenn der überlegene vernünftige Seelenteil über die unvernünftigen Seelenteile und den Körper herrscht.⁶⁵ In diesem Zusammenhang einschlägig ist vor allem die folgende Passage aus dem Phaidon: „Betrachte es so: Solange Körper und Seele in einer Sache zusammen sind, gebietet die Natur ihm, Sklave zu sein und sich beherrschen zu lassen, ihr aber, zu herrschen und Hausherr zu sein.“⁶⁶ Es ist die Übertragung dieses anthropologischen Binnenverhältnisses auf soziale und rechtliche Strukturen, die den genuin Aristotelischen Beitrag zur theoretischen
Pol. I 5, 1254b16 – 20: ὅσοι μὲν οὖν τοσοῦτον διεστᾶσιν ὅσον ψυχὴ σώματος καὶ ἄνθρωπος θηρίου (διάκεινται δὲ τοῦτον τὸν τρόπον ὅσων ἐστὶν ἔργον ἡ τοῦ σώματος χρῆσις, καὶ τοῦτ᾽ ἐστ᾽ ἀπ᾽ αὐτῶν βέλτιστον), οὗτοι μέν εἰσι φύσει δοῦλοι, οἷς βέλτιόν ἐστιν ἄρχεσθαι ταύτην τὴν ἀρχήν [Ross]. Siehe Schütrumpf, Slaves in Plato’s Political Dialogues; ders., Aristotle’s Theory of Slavery; Vlastos, Does Slavery Exist in Plato’s Thought?; ders., Slavery in Plato’s Thought. Uneinig sind sich beide Interpreten hingegen in der Frage, ob Platon in seinem Idealstaatsentwurf Sklaven vorsieht oder nicht. Siehe beispielsweise Platon, Nomoi V, 726a1– 729b1 und Politeia IX, 588b1– 589d4. Platon, Phaidon 79e7– 80a2: ὅρα δὴ καὶ τῇδε ὅτι, ἐπειδὰν ἐν τῷ αὐτῷ ὦσι ψυχὴ καὶ σῶμα, τῷ μὲν δουλεύειν καὶ ἄρχεσθαι ἡ φύσις προστάττει, τῇ δὲ ἄρχειν καὶ δεσπόζειν [Robin / Méridier]; siehe Schütrumpf, Slaves in Plato’s Political Dialogues, S. 76 – 79; und ders., Aristotle’s Theory of Slavery, S. 85 – 91.
4.3 Sklaven von Natur: Aristoteles’ Kritik an einer sophistischen These
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Behandlung der Sklaverei darstellt und in die These, es gebe nicht nur von Rechts wegen, sondern schon von Natur Sklaven, mündet.⁶⁷ Der Aristotelische Begriff der Natur, so wie er in den hier untersuchten Passagen begegnet, umfasst verschiedene Natürlichkeitsbehauptungen, die in Spannung zueinander stehen: Von Natur bestehen unterschiedliche Gemeinschaften, die wiederum aufgrund eines natürlichen Prinzips aufeinander bezogen und geordnet sind. Dabei unterliegt der Verbindung von Mann und Frau ein anderer Naturbegriff als der Verbindung von Herr und Sklave – zumal Männer und Frauen sich in der Gruppe der Sklaven finden und Sklaven und Hausvorstände sich als Männer und Frauen begegnen. Auf die Verwirklichung der eudaimonia dringt die Menschennatur, doch sind Menschen von Natur unterschiedlich begabt und nicht allen Menschen steht die staatliche Gemeinschaft als Ermöglichungsbedingung des guten Lebens offen. Die als natürlich ausgewiesene Bestimmung des Menschen als Zoon politikon erscheint fragwürdig, wo das Glück der Bürger die erzwungene Mitwirkung der Sklaven, legitimiert durch die Annahme einer Sklavennatur, zur Voraussetzung hat. Um diese Widersprüche aufzulösen, soll im Folgenden das der Unterscheidung von Herren und Sklaven zugrunde liegende Naturverständnis noch einmal eingehender untersucht werden. Dabei möchte ich zeigen, dass es auch hier nicht die eine übergreifende und programmatische Art und Weise der Berufung auf die Natur gibt. Vielmehr gebraucht Aristoteles das Substantiv ,Physis‘ und die davon abgeleiteten Formen im Rahmen der Erörterung der Sklaverei durchaus unterschiedlich.
Wenngleich Gregory Vlastos zu folgendem Ergebnis kommt: „[W]e must still observe a fact which has escaped the notice of many modern interpreters and might modify their conclusions about Plato’s moral and social philosophy: that in every one of these three points Plato would have to agree with his pupil’s argument in defence of slavery: (i) that slavery is good for the slave (as well as for the master): better to be ruled by an alien reason, than not to be ruled by reason at all; (ii) that this difference in intellectual and social status rests on a diversity of native endowment: nature is the original factor in differentiating the philosopher from the producer and a forteriori from the slave; (iii) that this difference only repeats on the human plane a pattern writ large over the cosmos […].“ (Vlastos, Slavery in Plato’s Thought, S. 161).
5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten in der Sklavereitheorie des Aristoteles Die Ausführungen im voranstehenden Kapitel ergaben, dass Bezugnahmen auf ,Natur‘ und natürliche Gegebenheiten für die Aristotelische Politische Philosophie zentral sind. Das Nachdenken über die Sklaverei bildet einen thematischen Rahmen, innerhalb dessen vielfältige Naturalismen Begründungsleistungen unterschiedlicher Reichweite und Relevanz erbringen sollen. Schon der leichtfertige und mitunter inflationäre alltagssprachliche Gebrauch des Wortes ,natürlich‘ im Deutschen zeigt, wie vertraut uns naturalistische Argumentationsformen heute noch sind, und zugleich, wie unreflektiert Menschen mit ihnen umgehen: Dem als natürlich Gekennzeichneten stehen sie in der Regel positiv gegenüber;¹ ihm wird Autorität beigelegt, sofern es aus universalen, ursprünglichen und unwandelbaren Gesetzen und somit aus Gesetzen, die der menschlichen Einflussnahme entzogen sind, zu fließen scheint. Dem als natürlich Charakterisierten wird Objektivität zugesprochen, an der subjektive Meinungen zu überprüfen sind. Wird die Natur zudem nicht rein funktional, sondern als eine sinnhafte und gute Ordnung begriffen, lässt sich aus dem Sein ein Wert und in einem weiteren Schritt ein Sollen ableiten,² was dazu führt, dass Natürlichkeit im Bereich von Ethos und Recht seit je auch als Norm fungiert: naturam sequi. ³
Zu diesem Privileg, dem „Natürlichkeitsbonus in der Alltagsmoral“, siehe Birnbacher, Natürlichkeit, S. 21– 28; für eine instruktive Zusammenstellung und Erläuterung der positiv konnotierten Verwendungsweisen des Wortes ,natürlich‘ siehe dort S. 30 – 38. Schon John S. Mill stellt fest: „[T]he idea seems to be entertained that by describing it as natural, something has been said amounting to a considerable presumption in its favour.“ (Mill, Three Essays, S. 60). Dass der in diesem Zusammenhang häufig erhobene metaethische Einwand des naturalistischen Fehlschlusses – der nach George E. Moore grundsätzlich unzulässige Übergang von deskriptiven zu wertenden oder präskriptiven Aussagen aufgrund eines falschen Verständnisses des Wortes ,gut‘ (Moore, Principa Ethica, S. ix und S. 10 – 21); eine Spielart des humeschen SeinSollens-Problems – den ethischen Naturalismus nicht schon per se disqualifiziert, ist verschiedentlich überzeugend aufgewiesen worden. Noch heute einschlägig: Frankena, Naturalistic Fallacy. Siehe auch Birnbacher, Natürlichkeit, S. 44– 48; ders., Einführung, S. 364– 369; Ricken, Moral; Schmidt, Naturalismus, S. 53 – 54. Anders als der Common Sense, den Aristoteles als ein Indiz für Wahrheit hoch achtet und oft zum Ausgangspunkt der eigenen Argumentation macht, es nahelegt, ist Natürlichkeit als normatives Prinzip in der akademischen Ethik heute weitgehend diskreditiert (siehe Birnbacher, Natürlichkeit, S. 17– 64; und bereits Mill, Three Essays, S. 11– 65). Die Diskrepanz zwischen der überaus starken und ungebrochenen Wirkmacht naturalistischer moralischer Argumentationshttps://doi.org/10.1515/9783110651478-005
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Aristoteles macht im Rahmen seiner Politischen Philosophie von naturalistischen Argumenten in solcher Vielfalt Gebrauch und begegnet uns darin – wie beispielsweise auch Platon und die Stoiker – als Ahnherr wirkmächtiger Konzeptualisierungen und Funktionalisierungen von Natur im Zusammenhang politischer Ordnungsentwürfe. Das Spektrum der Bezugnahmen auf Natur in der Politik und den Ethiken reicht von beiläufigen, der Alltagssprache entlehnten ,natürlich‘-Formulierungen und der Verwendung von Endoxa über Wesensaussagen und Prinzipien bis hin zu Werturteilen sowie aus konstatierten Naturgesetzen abgeleiteten Handlungsaufforderungen. Entsprechend vielfältig sind auch die Funktionen, welche die Appelle an die Natur im Text übernehmen: Zuweilen stehen sie ganz am Anfang der Argumentation und stellen lediglich den Ausgangspunkt oder einen allgemeinen Rahmen für die philosophische Untersuchung bereit, die dann ganz andere, nicht-naturalistische Wege beschreitet. An anderen Stellen fungiert ,Natur‘ als Beweggrund und Ziel der Überlegung oder auch als oberstes Prinzip, aus dem einzelne Argumente abgeleitet werden. Naturargumente können schwergewichtig allein stehen – mitunter stellvertretend, um eine Position zu etablieren, die auf anderen Wegen zu belegen, weitaus umständlicher und kontroverser wäre – oder mit geringer Begründungslast neben weiteren Beweisgründen. Die Rede von dem Naturalismus des Aristoteles erscheint angesichts dieser Vielfalt als allzu grobe Etikettierung, sofern sie ein eindeutiges und einheitliches Verständnis von ,Natur‘ unterstellt. Auszugehen ist vielmehr von einer Variationsbreite möglicher Bedeutungen und Funktionen. Um diese Variationsbreite aufzuzeigen, stelle ich der Analyse der These, dass aufgrund natürlicher Veranlagungen bestimmte Menschen für ein Leben in Sklaverei, andere hingegen, über sie zu herrschen veranlagt sind (5.2), im Folgenden eine kurze Interpretation des physis-Abschnitts aus dem Lexikon philosophischer Grundbegriffe der Metaphysik voraus (5.1). Dieses methodische Vorgehen ist genuin aristotelisch: Für den Philosophen ist die Explikation der jeweils einschlägigen bedeutungstragenden
formen im Alltag auf der einen Seite und der vielfach festgestellten Untauglichkeit derselben als philosophische Argumentationsformen auf der anderen Seite wirft die Fragen auf, woher die Natur ihre hohe Attraktivität als Begründungsfigur bezieht und wie sie als eine solche dauerhaft fortbestehen kann. Siehe dazu Daston und Vidal, Doing What Comes Naturally. Häufig begegnet der Rekurs auf die Natur im Sinne einer guten und zu bewahrenden Ordnung, die als Maß für das moralisch Richtige dienen kann, heute noch in theologischen Beiträgen, so beispielsweise in der Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag am 22. September 2011, in der das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche „Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen“ benennt, von der „Würde“ der Erde spricht und über den Willen des Menschen sagt, dieser sei „recht, wenn er auf die Natur hört“ (Ratzinger, Ökologie des Menschen).
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Ausdrücke Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Arbeit.⁴ Die Interpretation der Bedeutungsanalyse des Wortes physis sowie zahlreicher Vorkommen des Begriffs innerhalb des Corpus Aristotelicum erbringt den Befund einer systematisch vorrangigen Stellung der Einzelnatur. Aristoteles versteht ,Natur‘ vorrangig als Einzel- und Artform. Die Rede von ,Natur‘ wird daher oft erst verständlich, wenn wir fragen, um wessen Natur es sich handelt, und einen attributiven Genitiv ergänzen. Die kosmische Natur oder das Naturgesetz hingegen sind gegenüber diesen vom konkreten Einzelnen ausgehenden Bestimmungen von untergeordneter Bedeutung.
5.1 Die Bedeutungsanalyse des Wortes physis in Metaphysik Δ 4 „The language which can with the greatest ease make the finest and most numerous distinctions of meaning is best.“⁵ Ist diese These Clive S. Lewis’ zutreffend, sollten wir davon absehen, den einen Naturbegriff des Aristoteles identifizieren zu wollen. Die oft beklagte Vieldeutigkeit des Wortes ,Natur‘, die nicht erst im Fortgang der Geschichte erwächst, sondern dem Wort von Anfang an innewohnt, sollte nicht als Last, sondern als Herausforderung zu einer begrifflichen Differenzierung aufgenommen werden. Schon die Durchsicht des Index Aristotelicus von Hermann Bonitz zeigt, dass Aristoteles mit verschiedenen Naturbegriffen arbeitet – nicht nur gattungsspezifisch, sondern auch innerhalb wissenschaftlicher Fachdisziplinen und einzelner Abhandlungen.⁶ Genau diesem Zweck dienen Buch Δ der Metaphysik und beispielsweise auch die ersten Bücher der Physik. Julia Annas wirft Aristoteles vor, die Arbeit am Naturbegriff in den Ethiken und der Politik vernachlässigt zu haben: „One reason for the existence of an unedifying tradition of reactionary appeals to nature in the name of Aristotle is surely his failure clearly to analyze, in his discussion, the role of nature as the usual and its distinctness from nature as providing an ideal.“; „[I]t is fair to regard Aristotle as open to criticism for not having thought more carefully about the relationship between his uses of nature in the physical works and his uses in the ethical and political works.“ (Annas, Human Nature, S. 733 – 734). Die Bedeutungsanalyse des Wortes physis in Met. Δ 4 hält sie anders als ich für nicht hilfreich (siehe S. 735). Lewis, Studies in Words, S. 6. Siehe beispielsweise diese berühmten und sehr unterschiedlichen Verstehensweisen der Worte φύσις und φύσει: Met. Λ 7, 1072b13 – 14: „Von einem solchen Prinzip also hängen der Himmel und die Natur ab.“ / ἐκ τοιαύτης ἄρα ἀρχῆς ἤρτηται ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ φύσις [Ross]; Phys. II 1, 192b8 – 9: „Es ist nämlich von dem Seienden einiges von Natur aus, anderes aus anderen Ursachen.“ / τῶν γὰρ ὄντων τὰ μὲν ἕστι φύσει, τὰ δὲ δι’ ἄλλας αἰτίας [Wicksteed / Cornford]. Übersetzung in: Rolfes, Begriff der Seele, S. 23; Pol. I 2, 1252b31– 34: „[E]s ist die Natur, die das Ziel darstellt. Die Beschaffenheit eines jeden Dinges, dessen Entwicklung vollständig abgeschlossen ist, bezeichnen
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Zudem liefert Aristoteles selbst uns eine wichtige Hilfestellung. Denn beim fünften Buch der Aristotelischen Metaphysik handelt es sich um eine Art Lexikon philosophischer Grundbegriffe. Im vierten Kapitel legt der Philosoph eine Bedeutungsanalyse des Wortes physis vor, welche die Variationsbreite erkennen lässt, von der bei der Interpretation der Werke des Aristoteles im Zugriff auf den Naturbegriff auszugehen ist.⁷ Weil sich das fünfte Buch nicht sonderlich gut in den Gesamtzusammenhang einfügt und bei Diogenes Laertios unter dem Titel Über das in wie viel Weisen Gesagte oder gemäß dem Zusatz ⁸ als ein eigenständiges Werk geführt wird,⁹ ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Buch ursprünglich nicht der Metaphysik zugehörte.¹⁰ Da das Buch außerdem den Charakter eines Nachschlagewerks hat und nicht an ein bestimmtes Sachgebiet gebunden ist,¹¹ wird im Folgenden vorausgesetzt, dass die dort gegebene Bedeutungsanalyse des Wortes physis auch für die Interpretation der Politik als Orientierungshilfe herangezogen werden darf. Es wird freilich sorgsam zu prüfen sein, welche Bedeutungen für die Aristotelische Politische Philosophie relevant sind und welche spezifischen Prägungen der Begriff in diesem Zusammenhang erfährt. Jedoch wird damit nicht behauptet, dass das Begriffslexikon sämtliche Bedeutungen von physis erfasst und nicht weitere hinzukommen könnten.¹² Ferner ist zu betonen, dass es keine exakten Definitionen enthält. Die folgende Übersicht stellt daher nicht mehr als den Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen dar.
wir ja als seine Natur, wie etwa die Natur eines Menschen, Pferdes oder Hauses.“ / ἡ δὲ φύσις τέλος ἐστίν· οἷον γὰρ ἕκαστόν ἐστι τῆς γενέσεως τελεσθείσης, ταύτην φαμὲν τὴν φύσιν εἶναι ἑκάστου, ὥσπερ ἀνθρώπου ἵππου οἰκίας [Ross], Übersetzung: Schütrumpf 2012; Pol. I 5, 1254a36 – 37: „Man muss aber einen Zustand, der von Natur ist, eher an Objekten betrachten, die naturgemäß sind, als an pervertierten.“ / δεῖ δὲ σκοπεῖν ἐν τοῖς κατὰ φύσιν ἔχουσι μᾶλλον τὸ φύσει, καὶ μὴ ἐν τοῖς διεφθαρμένοις [Ross], Übersetzung: Schütrumpf 2012. Auch ist davon auszugehen, dass Aristoteles hier auf vorfindliche Verstehensweisen von ,Natur‘ rekurriert. Für den vortheoretischen Gebrauch des Wortes φύσις siehe die reiche Studie Physis. Grundlegung zu einer Geschichte des Wortes von Harald Patzer, die als Habilitationsschrift bereits 1945 fertiggestellt, jedoch erst 1993 veröffentlich wurde. Περὶ τῶν ποσαχῶς λεγομένων ἢ κατὰ πρὸσθεσιν. Lebensgeschichten und Meinungen von berühmten Philosophen / Βίοι καὶ γνῶμαι τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων, Liber V, 292. Siehe Rapp, Metaphysik, S. 125; und Ross, Metaphysics I, S. xxv. Siehe Kirwan, Metaphysics. Book Γ, Δ, E, S. 122: „manual“; siehe auch Ross, Metaphysics I, S. xxv: „It [Book Δ] is a useful preliminary to the Metaphysics, but it is not preliminary to it in particular.“ Siehe Wagner, Physikvorlesung, S. 445 für Bedeutungen von φύσις im Aristotelischen Œuvre, die hier nicht erfasst sind.
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Der Philosoph benennt sechs Bedeutungen¹³ von physis und orientiert sich dabei offensichtlich an der Vier-Ursachen-Lehre: (i) Die Entstehung der wachsenden Dinge.¹⁴ (ii) Das Eine, woraus das Wachsende wächst, wobei es im Wachsenden als Erstes vorhanden ist.¹⁵ (iii) Zudem das, wovon die erste Bewegung in jedem der Dinge, die von Natur aus sind, ausgeht, durch die ein jedes Ding selbst besteht.¹⁶ (iv) Das, woraus als Erstem etwas von den Dingen, die von Natur aus sind, ist oder entsteht.¹⁷ (v) Das Wesen der Dinge, die von Natur aus sind.¹⁸ (vi) Im übertragenen Sinne nennt man auch überhaupt schon jedes Wesen Natur wegen dieser (Natur), da auch die Natur irgendein Wesen ist.¹⁹
Ross, Metaphysics I, S. 295 und Seidl, Metaphysik I, S. 378 unterscheiden sechs (jedoch in einem Fall nicht übereinstimmende) Bedeutungen von φύσις, während Heinemann, Naturbegriff, S. 289 von fünf Verstehensweisen ausgeht. Ich folge der Gliederung von William D. Ross, die auch Schwarz, Metaphysik hat. Fünf der in der Metaphysik genannten Bedeutungen begegnen auch in der Physik: Met. Δ 4, 1014b16 – 17 = Phys. II 1, 193b12– 18 b Met. Δ 4, 1014 18 – 20 = Phys. II 1, 192b8 – 193a2 b Met. Δ 4, 1014 26 – 32 = Phys. II 1, 193a9 – 17 Met. Δ 4, 1014b32– 35 = Phys. II 1, 193a17– 30 Met. Δ 4, 1014b35 – 1015a5 = Phys. II 1, 193a30 – b12 Ohne Entsprechung ist Bedeutung (ii). Siehe Ross, Metaphysics I, S. 296. Met. Δ 4, 1014b16 – 17: ἡ τῶν φυομένων γένεσις [Jaeger]. Met. Δ 4, 1014b17– 18: ἕνα δὲ ἐξ οὗ φύεται πρώτου τὸ φυόμενον ἐνυπάρχοντος [Jaeger]. Met. Δ 4, 1014b18 – 20: ἔτι ὅθεν ἡ κίνησις ἡ πρώτη ἐν ἑκάστῳ τῶν φύσει ὄντων ἐν αὐτῷ ᾗ αὐτὸ ὑπάρχει [Jaeger]. Met. Δ 4, 1014b27: ἐξ οὗ πρώτου ἢ ἔστιν ἢ γίγνεταί τι τῶν φύσει ὄντων [Jaeger]. Der hier gegebene Text folgt mit Jaeger und Ross der Variante des α-Zweiges und nicht der Lesart des Codex Laur. Plut. 87.12 (Ab) (τῶν φύσει ὄντων α : τῶν μὴ φύσει ὄντων Ab). Met. Δ 4, 1014b36: ἡ τῶν φύσει ὄντων οὐσία [Jaeger]. Met. Δ 4, 1015a11– 13: μεταφορᾷ δ᾽ ἤδη καὶ ὅλως πᾶσα οὐσία φύσις λέγεται διὰ ταύτην, ὅτι καὶ ἡ φύσις οὐσία τίς ἐστιν [Jaeger]. Was Aristoteles an dieser Stelle meint, ist nicht klar. Christopher Kirwan schlägt die folgenden drei Interpretationen vor: „It is not clear whether Aristotle means (1) in addition to the substances (= essences) of e. g. men, men themselves, as being substances, are natures; or (2) in addition to substances which exist naturally, artificial substances are also called natures; or (3) ‘nature’ is also used as a collective name for all substances taken together.“ (Kirwan, Metaphysics. Book Γ, Δ, E, S. 131). Kursivierungen durch den Verfasser. Gottfried Heinemann erwägt, „ob Aristoteles nicht einfach sagt, das Wort φύσις werde übertragenerweise auch als ein anderer Ausdruck für οὐσία verwendet.“ (Heinemann, Naturbegriff, S. 289). In diesem Sinne versteht er die Paraphrase von William D. Ross („essence in general“; Ross, Metaphysics I, S. 289).
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Die Bedeutung (i) bezeichnet das Heranwachsen oder Entstehen einer Sache, auf deren Ursprünge die Bedeutungen (ii) und (iii) gehen. Die erste Bedeutung ist besonders nah an der Bedeutung des Verbs, das dem Verbalsubstantiv zugrunde liegt, worauf Aristoteles selbst hinweist. Sensibel für den Unterschied, der sich für den Hörenden aus dem kurzen υ in φύσις und dem langen ῦ in den Verbformen φῦομαι oder φῦναι ergibt, schlägt er vor, man solle auch einmal φῦσις sprechen, um damit an die durch die Verbformen gegebene Grundbedeutung zu denken.²⁰ Anfang und Werden kommen in den Bedeutungen (ii) und (iii) zusammen und können nicht getrennt werden: Der Beginn eines Wachstumsprozesses ist Teil desselben, entweder als Form (ii) oder als Wirkursache (iii). ,Wachsen‘ meint im Griechischen, so wurde im voranstehenden Kapitel bereits betont, nun jedoch nicht einfach ein Größerwerden, sondern ein Sich-Ausbilden. Die Pflanze, die das beste Beispiel für diese eigentümliche Vorstellung des Wachsens als einer gebundenen Bewegung gibt, wird, indem sie sich entfaltet und dabei ihre bereits im Samen gegenwärtige Form gewinnt: Es bildet sich im Wachsen ein ursprünglich Angelegtes aus. Daher ist auch das Ziel – als Vollendung des in (i), (ii) und (iii) beschriebenen Prozesses – untrennbar mit Anfang und Verlauf desselben verbunden: „Deshalb sagen wir auch von den Dingen, die von Natur aus sind oder entstehen, wobei das, woraus sie naturgemäß entstehen oder sind, bereits existiert, dass sie das Wesen noch nicht haben, wenn sie Form und Gestalt nicht haben.“²¹ Erst mit Erreichen des Ziels vollendet etwas seine Form als ein Ganzes – sein Wesen –, das zu beschreiben, das Wort physis in der Bedeutung (v) gebraucht wird. Dabei zeigt sich Aristoteles durch die spätere Hinzunahme von Bedeutung (vi) offen für Übertragungen. Es ist offensichtlich nicht so, dass nur natürlich Gewachsenes eine physis hat, sondern – ungeachtet der Bewegungsursache – beispielsweise auch Artefakte, die bereits im Zusammenhang von Bedeutung (iv) erwähnt werden.²² Die Bedeutung ,Wesen‘ (v) zeichnet der Philosoph als höchste und wichtigste Bedeutung des Wortes aus, was einsichtig ist, da das Ziel im Aristotelischen Theorierahmen ,das Beste‘ ist: „Auf Grundlage des Gesagten ist die erste Natur und die eigentlich so genannte das Wesen derjenigen Dinge, die das Prinzip der Bewegung in sich haben, insofern sie sind, was sie sind.“²³ Und:
Siehe Met. Δ 4, 1014b17. Met. Δ 4, 1015a3 – 5: διὸ καὶ ὅσα φύσει ἔστιν ἢ γίγνεται, ἤδη ὑπάρχοντος ἐξ οὗ πέφυκε γίγνεσθαι ἢ εἶναι, οὔπω φαμὲν τὴν φύσιν ἔχειν ἐὰν μὴ ἔχῃ τὸ εἶδος καὶ τὴν μορφήν [Jaeger]. Siehe Met. Δ 4, 1014b26 – 31. Siehe auch Phys. II 8, 199a9 – 20. Met. Δ 4, 1015a13 – 15: ἐκ δὴ τῶν εἰρημένων ἡ πρώτη φύσις καὶ κυρίως λεγομένη ἐστὶν ἡ οὐσία ἡ τῶν ἐχόντων ἀρχὴν κινήσεως ἐν αὑτοῖς ᾗ αὐτά [Jaeger].
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„Die Beschaffenheit eines jeden Dinges, dessen Entwicklung vollständig abgeschlossen ist, bezeichnen wir ja als seine Natur, wie etwa die Natur eines Menschen, Pferdes oder Hauses. Außerdem sind das Worumwillen und das Ziel das Beste […].“²⁴ Das Wesen einer Sache lässt sich somit erst von ihrem Endzustand her bestimmen. Auch begegnen im zweiten Zitat erstens das Nebeneinander natürlich gewachsener Dinge und Artefakte wieder und zweitens eine ,neue‘ Übertragung: die vom Einzelnen zur Art – hier der Pferde, Menschen und Häuser. Diese Verstehensweise hebt auf gemeinsame und sich beständig wiederholende Merkmale ab, die es erlauben, Einzelnes einer es einbegreifenden Art als nächsthöherer Abstraktionsstufe zuzuordnen.²⁵ ,Art‘ bedeutet Vervielfachung, Regelmäßigkeit und von dort Vorhersehbarkeit.Wer mehrere Exemplare einer Art untersucht, wird übereinstimmende Eigenschaften feststellen, ein Muster erkennen und so zu allgemeinen Wesensaussagen kommen. Als Artform besteht die physis inmitten des Veränderlichen und Vergänglichen fort. Sie zu erhalten, streben alle Lebewesen: „Es ist nun notwendig, dass sich zuerst diejenigen verbinden, die ohne einander nicht sein können: Weibliches und Männliches zum Beispiel (verbinden sich) um der Erzeugung willen, und dies nicht aufgrund einer Entscheidung; vielmehr (gibt es), wie auch bei den anderen Tieren und Pflanzen, das natürliche Verlangen, etwas anderes zu hinterlassen, das so ist wie sie selbst.“²⁶ Es ist leicht zu sehen, dass sich von hier Normen gewinnen lassen: Was der Art entspricht, erscheint als das Normale. Aus der Beobachtung und Beschreibung dessen, was ist, werden Wert- und Verpflichtungsurteile über das, was gut ist
Pol. I 2, 1252b32– 34: οἷον γὰρ ἕκαστόν ἐστι τῆς γενέσεως τελεσθείσης, ταύτην φαμὲν τὴν φύσιν εἶναι ἑκάστου, ὥσπερ ἀνθρώπου ἵππου οἰκίας. ἔτι τὸ οὗ ἕνεκα καὶ τὸ τέλος βέλτιστον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012, mit Änderungen. Siehe Patzer, Physis, S. 245: „Es liegt also im φύειν und φύεσϑαι zweierlei Wesen: das dem Einzelnen eigentümliche und dessen Individualität ausmachende Wesen, das sich in seinem Wachsen zeigt, und das der Art zugehörige allgemeine Wesen, das in aller Vervielfachung als dasselbe sichtbar wird. Erst das höhere Wesen der Art, daß das Individuelle übergreift und in das dieses sich einzuordnen hat, ermöglicht ein Vorwissen über die sich sprossend entwickelnde Form des Einzelnen. Erzeugte das φυόμενον nur individuelle Form, so wäre diese erst sichtbar mit ihrer Verwirklichung, erst die Regelmäßigkeit des artbestimmten Wesens begründet ein Allgemeines, von dem Erfahrung möglich wird.“ Kursivierungen durch den Verfasser. Pol. I 2, 1252a26 – 30: ἀνάγκη δὴ πρῶτον συνδυάζεσθαι τοὺς ἄνευ ἀλλήλων μὴ δυναμένους εἶναι, οἷον θῆλυ μὲν καὶ ἄρρεν τῆς γεννήσεως ἕνεκεν (καὶ τοῦτο οὐκ ἐκ προαιρέσεως, ἀλλ᾽ ὥσπερ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ζῴοις καὶ φυτοῖς φυσικὸν τὸ ἐφίεσθαι, οἷον αὐτό, τοιοῦτον καταλιπεῖν ἕτερον) [Ross]. Übersetzung in Rapp, Staat, S. 61.
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und sein soll, abgeleitet.²⁷ Dies ist freilich nur deshalb möglich, weil natürliche Prozesse zwar Regelmäßigkeit kennen, jedoch keine absolute Notwendigkeit. Sie gelten in der Regel (hôs epi to poly). Zwar werden verlässlich bestimmte Merkmale ausgebildet, doch gibt es immer einzelne Exemplare, die ,aus der Art schlagen‘.²⁸ Somit erkennt Aristoteles auch das in diesem Sinn Widernatürliche als der Natur in einem weiteren Sinn zugehörig an. Nicht nur sinnlich wahrnehmbare Einzelne und Arten haben eine spezifische Natur, sondern es ist in der Antiken Philosophie üblich, auch nach der Natur von Nicht-Gegenständlichem zu fragen, im Falle des Aristoteles beispielsweise nach der Natur der Gerechtigkeit (dikaiosynê) oder der (Geld‐)Erwerbskunst (ktêtikê oder chrêmatistikê). Als Antwort auf solche Fragen wird Auskunft darüber erwartet, was es bedeutet, gerecht zu sein oder sich Besitz und Geld kunstgemäß zu beschaffen, worin also die bestimmenden Merkmale der Gerechtigkeit oder der Erwerbskunst bestehen.²⁹ Erst dieses Wissen ermöglicht, eine Handlung als gerecht zu erkennen, einer Stadt gute Gesetze zu geben, Kinder zur Gerechtigkeit zu erziehen und ein verlässlicher Geschäftspartner zu sein. Daran anschließend begegnet die Frage nach der Natur in der Antike auch als Frage nach dem Wesen
Für eine instruktive und immer noch aktuelle Diskussion des ethischen Gebrauchs des Naturbegriffs siehe Mill, Three Essays. John S. Mill verweist in diesem Zusammenhang auf die Mehrdeutigkeit des Wortes ,Gesetz‘, das sowohl die physikalischen Naturgesetze (als das, was ist) als auch das Naturrecht (als das, was sein sollte) bezeichnet. Den ethischen Sinn von ,Natur‘ führt er auf diese Ambiguität zurück: „The conception which the ethical use of the word Nature implies, of a close relation if not absolute identity between what is and what ought to be, certainly derives part of its hold on the mind from the custom of designating what is, by the expression ‘laws of nature’, while the same word Law is also used, and even more familiarly and emphatically, to express what ought to be“ (S. 15). Siehe GA IV 4, 770b9 – 13; Phys. II 8, 199a33–b5 und Pol. I 6, 1255b3 – 4. Für die Gerechtigkeit siehe beispielsweise EN I 1, 1094b15 – 16. An anderer Stelle spricht Aristoteles über die Natur der Billigkeit (ἐπιείκεια), eine bestimmte Art von Gerechtigkeit (EN V 14, 1137b26: „Dies ist also die Natur des Billigen“ / καὶ ἔστιν αὕτη ἡ φύσις ἡ τοῦ ἐπιεικοῦς [Bywater]). Für die Erwerbskunst in ihrer naturgemäßen und widernatürlichen Form siehe beispielsweise Pol. I 8 – 10 und EE III 4, 1231b39 – 1232a9. Siehe auch Platon, Gorgias 465c4 und besonders 482e2– 484c3 und 488b2– 492c8. Zur Gerechtigkeit wiederum verhält sich der Mensch aufgrund seines individuellen Wesens in einer bestimmten Art und Weise: „Denn ob einer aus seinem inneren Wesen heraus und nicht bloß zum Schein das Recht ehrt und wirklich das Unrecht hasst, das zeigt sich ganz deutlich gegenüber solchen Menschen, bei denen es ihm ein Leichtes wäre, ihnen Unrecht zu tun.“ / διάδηλος γὰρ ὁ φύσει καὶ μὴ πλαστῶς σέβων τὴν δίκην, μισῶν δὲ ὄντως τὸ ἄδικον, ἐν τούτοις τῶν ἀνθρώπων ἐν οἷς αὐτῷ ῥᾴδιον ἀδικεῖν [Platon, Nomoi VI, 777d6 – 8; Burnet]. Übersetzung: Schöpsdau 72016.
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transzendenter Größen, etwa nach der Natur der Götter bei Cicero (De natura deorum) oder nach der Natur der Zeit bei Augustinus.³⁰ Zwar sind Individuen und Arten wie auch Konkreta, Kollektiva und Abstrakta kategorial distinkt, der hier verwendete Naturbegriff jedoch ist derselbe.³¹ Wer über die Natur von etwas spricht – was immer es sei –, der spricht über die der jeweiligen Sache zukommenden wesentlichen Eigenschaften. ³² Dabei ist zwischen den wesentlichen Eigenschaften eines Individuums und solchen, die es mit anderen Angehörigen seiner Art teilt, zu unterscheiden. Beispielsweise können wir einen Jungen, den wir kennen, als einfallsreich und gutherzig beschreiben. Wie anderen Jungen auch wird ihm wohl in der Pubertät ein Bart wachsen und als Vertreter der Art Mensch hat er, wie Mädchen auch, im siebten Lebensjahr mit Wackelzähnen zu kämpfen und ist vernunftbegabt.³³ Wir sprechen in der gleichen Weise über die einer Person eigene Art – ihr Naturell – wie über die Natur junger Männer und die des Menschen. Diese Verstehensweise von ,Natur‘ entspricht dem gewöhnlichen und philosophisch unreflektierten Sprachgebrauch: Wenn sich etwas genau so verhält, wie es üblich ist und daher zu erwarten war, genügen oftmals der Hinweis auf die Natur der Sache oder ein schnell hingeworfenes ,natürlich‘ als Begründung.³⁴ Und was sich hier im Sprachgebrauch zeigt, gilt auch schon für die antiken Philosophen. Christof Rapp kann am Beispiel der Antiken Moralphilosophie und im Besonderen der Politischen Philosophie des Aristoteles zeigen, dass vermeintlich starke naturalistische Thesen oft die Natur von etwas Bestimmtem verhandeln und über dessen essentielle Eigenschaften sprechen. Der Begriff ,Natur‘ kann dann dem Begriff ,Wesen‘ gleichgesetzt werden, wodurch sich normativ anmutende Formulierungen vielfach als Wesensaussagen der oben beschriebenen Art und Weise entpuppen.³⁵ Diese Lesart der Politischen Philosophie
Siehe Augustinus, Confessiones XI 23,30: „Ich will Macht und Wesen der Zeit verstehen.“ / Ego scire cupio vim naturamque temporis. Lewis, Studies in Words, S. 25. Siehe Platon, Gorgias 465a2– 5: Wissen von etwas zu haben, heißt, dessen Natur zu kennen. John S. Mill bezeichnet die Natur eines bestimmten Dinges als „the aggregate of its powers and properties“ (Mill, Three Essays, S. 5). Für diese Beschreibung greife ich auf Solons bei Philon von Alexandria überlieferte Charakteristik der Lebensalter [De opificio mundi § 104] zurück. Siehe dazu Schadewaldt, Lebenszeit. Auch gemäß der methodischen Forderung des Aristoteles, „von dem, was für uns das Einsichtigere und Deutlichere ist“ (Phys. I 1, 184a16 – 17), auszugehen, sollte dieser Verstehensweise von Natur der Vorrang gehören. Siehe Rapp, Staat, für das Beispiel der These aus der Aristotelischen Politik, der Staat existiere von Natur (Pol. I 2, 1252b27– 1253a2).
5.1 Die Bedeutungsanalyse des Wortes physis in Metaphysik Δ 4
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stimmt mit Bedeutung (v), der Aristoteles im Rahmen seines eigenen Lexikons philosophischer Grundbegriffe den Vorzug gewährt, überein. Nun wird das Konkrete im Kontext philosophischer Untersuchungen nicht ausschließlich je für sich betrachtet, sondern über die Natur des Einzelnen hinaus richtet sich der Blick des Forschenden auf die Art und von dort auf die nächstgrößeren, zunehmend abstrakteren Einheiten und ihre Gesetzmäßigkeiten.³⁶ Dabei wird der Begriff ,Natur‘ auf den höheren Abstraktionsstufen beibehalten und schließlich im Sinne der Gesamtheit alles Lebendigen gebraucht, im Sinne alles Seienden unterhalb des Firmaments und unter Einbezug der Himmelskörper sowie im Sinne des Weltlaufs im Ganzen, der universalen Natur, wie sie beispielsweise im Zentrum der stoischen Philosophie steht. Als Inbegriff alles Seienden gebrauchen schon die Vorsokratiker das Wort, die mit dem physis-Begriff nach der einheitlichen Substanz alles Seienden, aus der die Welt entstanden sei, fragen. Über sie sagt Aristoteles, dass sie Naturphilosophie betrieben hätten.³⁷ In das Ganze fügt sich das Einzelne jedoch nicht einfach ein, um als Teil in ihm aufzugehen. ,Natur‘ als Allzusammenhang ist mehr als ein Kollektivname, als die Summe der Erscheinungen. Denn da die Einzeldinge den allgemeinen Naturgesetzen unterworfen sind und sich die Naturgesetze ausschließlich in den Einzeldingen zeigen, wohnt das Ganze dem Einzelnen immer schon inne. Die schrittweise gedankliche Annäherung an die Allnatur erscheint vor diesem Hintergrund unausweichlich.³⁸ In der Aristotelischen Politischen Philosophie aber spielen die kosmische Natur oder das Naturgesetz allenfalls eine untergeordnete Rolle. Abschließend sei noch auf zwei im 4. Jahrhundert v. Chr. vorfindliche Bedeutungen des Wortes physis verwiesen, die für die Interpretation der Aristotelischen Thesen zur Sklaverei wichtig sind: (i) Meint physis bei Homer noch ausschließlich die pflanzliche und körperliche Gestalt, lassen sich schon bei Herodot Übertragungen auf den Bereich des Nicht-Sichtbaren feststellen.³⁹ Mehr und mehr wird das Wort zur Beschreibung Siehe Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, AA III, S. 184: „Unter Natur (im empirischen Verstande) verstehen wir den Zusammenhang der Erscheinungen ihrem Dasein nach, nach nothwendigen Regeln, d. i. nach Gesetzen.“ Siehe Met. A 5, 986b9 – 18. Eine solche Verhältnisbestimmung von Teil und Ganzem findet sich auch bei Blaise Pascal: „Da also alle Dinge verursacht und verursachend sind, bedingt und bedingend, mittelbar und unmittelbar, und da alle durch ein natürliches und unfaßbares Band verbunden sind, das das Entfernteste und Verschiedenste umschlingt, halte ich es weder für möglich die Teile zu kennen, ohne daß man das Ganze kenne, noch für möglich, daß man das Ganze kenne, ohne im Einzelnen die Teile zu kennen“ (Pascal, Pensées, S. 48). Stellenangaben bei Patzer, Physis, S. 252– 263.
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
des Menschen gebraucht, womit der Aspekt der individuellen Form an Bedeutung gewinnt. Da körperliche und seelische Merkmale die individuelle Form eines Menschen ausmachen, beginnt physis, auch die geistige Gestalt zu bezeichnen. Sind körperliche und geistige Gestalt erst einmal unterschieden, stellt sich die Frage ihrer Ordnung. Zunehmend wird der Verstand als ein sich eigenständig Ausbildendes anerkannt und als spezifisch menschliches Vermögen dem Körperlichen übergeordnet: Seine eigentümliche Form gewinnt der Mensch erst mit der Vernunft, seine vollkommene Form mit der Tugend.⁴⁰ (ii) Nicht nur der individuelle Mensch hat ein eigentümliches Wesen, sondern ein solches wird im Altgriechischen auch Völkern zugesprochen. Insbesondere bei Thukydides bezeichnet physis den Charakter von Menschengruppen und Völkern. Da der Charakter – sei es der eines individuellen Menschen oder der einer Gruppe – nicht unmittelbar sichtbar ist, sondern sich erst im Handeln zeigt, markiert diese Übertragung den Übertritt in den Bereich des im weitesten Sinne Politischen. Anders als die Pflanze, die keine Entscheidungen trifft und ihre festgelegte Form verlässlich ausbildet, hat der Mensch die Möglichkeit, seine äußere und stärker noch seine innere Gestalt zu beeinflussen. Im Unterschied zu den griechischen Worten tropos und êthos, die ebenfalls ,Charakter‘ bedeuten, betont physis jedoch stets den unveräußerlichen, ursprünglichen und daher ,wahren‘ inneren Kern des Menschen, der gegenüber konkurrierenden äußeren Einflüssen durch Sitten, gesetztes Recht und Erziehung vorrangig ist.⁴¹ Von hier stammen die Übertragungen ,Begabung‘ und ,Fähigkeit‘ und es entsteht der fundamentale Gegensatz von physis und technê als Gegenüberstellung des von selbst Gewordenen und des Gemachten. Halten wir fest: Es entfaltet sich der Aristotelische Naturbegriff vor uns als ein Kontinuum, das verschiedene Verstehensweisen und Abstraktionsstufen einbegreift und nicht auf eine Bedeutung oder die beiden Pole des einzelnen Phänomens auf der einen Seite und des planvollen Ganzen auf der anderen Seite reduziert werden kann. Nicht eine einzige in einer bestimmten Weise geprägte ‚Münze‘ ist in Umlauf, sondern es gilt Verschiedenes zur gleichen Zeit. Die verschiedenen Verwendungsweisen aber kommen darin überein, dass die im Begriffslexikon der Metaphysik an fünfter Stelle genannte, von Aristoteles aber eigens ausgezeichnete Bedeutung ,Wesen/Beschaffenheit‘ die primäre ist. In diesem Sinne gebraucht der Philosoph das Substantiv physis und die davon ab-
Auch dies begegnet bereits in Solons bei Philon von Alexandria überlieferten Charakteristik der Lebensalter [De opificio mundi §104]. Siehe dazu Schadewaldt, Lebenszeit. Siehe Patzer, Physis, S. 265.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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geleiteten Formen, insbesondere physei und kata physin – para physin, im Rahmen seiner Praktischen Philosophie vorrangig, um über Einzel- und Artformen zu sprechen, zuvorderst über die Natur des Menschen.
5.2 Das der Unterscheidung von Herren und Sklaven zugrunde liegende Naturverständnis Im voranstehenden Kapitel 4 wurde die sophistische Position, derzufolge allen Menschen eine einheitliche Natur zukommt, anhand eines Fragments des Antiphon skizziert. Die Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren beruht demnach allein auf der Neigung der Menschen, ihnen Fremdes abzuwerten, weshalb die Frage, ob jemand als Barbar oder als Grieche bezeichnet wird, vom Standort der Betrachtenden abhängig ist. Denn „durch die natürliche Ausstattung der Menschen ist nicht festgelegt, ob sie jeweils als ,Grieche‘, d. h. als zivilisierter Mensch, oder als Barbar wahrgenommen werden, insofern bei jedem prinzipiell die doppelte Möglichkeit besteht sowohl von ihm kulturell nahestehenden als auch von ihm kulturell fernstehenden Menschen beurteilt zu werden“⁴². Vor diesem Hintergrund soll nun die Aristotelische Position genauer herausgearbeitet werden. Dabei gilt es, sich zunächst bewusst zu machen, dass zwischen der sophistischen Positionierung und der des Aristoteles durchaus auch Gemeinsamkeiten bestehen. Zum einen sieht auch Aristoteles die Sklaverei auf der Basis geltenden Kriegsrechts allein kritisch: Andererseits setzen einige die im Verlaufe eines Krieges erzwungene Sklaverei für schlechthin gerecht; dabei berufen sie sich, wie sie glauben, auf eine bestimmte Form von Gerechtigkeit – denn das Gesetz ist eine bestimmte Form von Gerechtigkeit –, zugleich bestreiten sie das aber auch wieder; denn es kann vorkommen, dass Kriege in ungerechter Weise begonnen wurden, und in keiner Weise behauptet wohl jemand, wer nicht verdient, Sklave zu sein, sei ein Sklave. Andernfalls müsste sich ja ergeben, dass die, die im Ansehen höchsten Adels stehen, Sklaven und Nachkommen von Sklaven sind, wenn es sich ergibt, dass sie gefangen und (in Sklaverei) verkauft wurden. Deswegen wollen die Vertreter dieser Auffassung zwar solche Personen nicht als Sklaven bezeichnen, wohl aber die Barbaren. Wenn sie dies sagen, suchen sie jedoch nichts anderes als, was wir am Anfang Sklave von Natur nannten. Sie müssen ja zugeben, dass es einige gibt, die überall Sklaven sind, andere dagegen nirgendwo.⁴³
Primavesi 2018, S. 60. Pol. I 6, 1255a21– 32: ὅλως δ᾽ ἀντεχόμενοί τινες, ὡς οἴονται, δικαίου τινός (ὁ γὰρ νόμος δίκαιόν τι) τὴν κατὰ πόλεμον δουλείαν τιθέασι δικαίαν, ἅμα δ᾽ οὔ φασιν· τήν τε γὰρ ἀρχὴν ἐνδέχεται μὴ
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
Dass einige überall, andere hingegen nirgendwo Sklaven sind, bedeutet, dass für Aristoteles das Faktum der Versklavung in Folge eines Krieges nicht darüber entscheidet, ob ein Mensch Sklave ist oder nicht. Er rechnet vielmehr mit der Möglichkeit, dass Sklaven bereits unabhängig vom Kriegsgeschehen und seinen Folgen – nämlich in einer noch näher zu bestimmenden Weise von Natur – existieren. Legitim ist die Sklaverei daher nur, wenn sie einen ohnehin zur Sklaverei disponierten Menschen trifft.⁴⁴ Zum anderen würde wohl auch Aristoteles der Beschreibung der menschlichen Natur, wie sie uns im zitierten Antiphon-Fragment vorliegt, zustimmen: Die Merkmale der Atmung durch Mund und Nase, der Fähigkeit zur Sinneswahrnehmung und des Vermögens, mit den Händen zu arbeiten und aufrecht zu gehen, sind allen Menschen gemeinsam. Doch daran entscheidet sich für den Philosophen nicht, wer Sklave und wer frei ist. Diese Entscheidung fällt im Aristotelischen Theorierahmen auf einer gleichsam höheren Stufe: Es handelt sich um eine Frage der „persönlichen Qualität“⁴⁵ (aretê) oder – wie es an anderer Stelle heißt – der „Schönheit der Seele“:
δικαίαν εἶναι τῶν πολέμων, καὶ τὸν ἀνάξιον δουλεύειν οὐδαμῶς ἂν φαίη τις δοῦλον εἶναι· εἰ δὲ μή, συμβήσεται τοὺς εὐγενεστάτους εἶναι δοκοῦντας δούλους εἶναι καὶ ἐκ δούλων, ἐὰν συμβῇ πραθῆναι ληφθέντας. διόπερ αὐτοὺς οὐ βούλονται λέγειν δούλους, ἀλλὰ τοὺς βαρβάρους. καίτοι ὅταν τοῦτο λέγωσιν, οὐθὲν ἄλλο ζητοῦσιν ἢ τὸ φύσει δοῦλον ὅπερ ἐξ ἀρχῆς εἴπομεν· ἀνάγκη γὰρ εἶναί τινας φάναι τοὺς μὲν πανταχοῦ δούλους τοὺς δ᾽ οὐδαμοῦ [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Auch aus diesem Grund bin ich nicht überzeugt, dass Aristoteles die Institution der Sklaverei in der Form, in der er sie vorfand, hat rechtfertigen wollen. Anders Kraut, Political Philosophy (siehe dort beispielsweise S. 300: „his efforts to defend the institution of slavery as it was practiced by his society“; S. 290: „in order to justify the institution of slavery as he knew it“; und vor allem S. 302: „Aristotle ist not interested in defending the abstract proposition that slavery can in principle be justified. Rather, he wants to show that slavery as it is practiced in his society, or something rather like it, is a just institution.“) und Annas, Human Nature, S. 732: „In Aristotle’s world every known society contained slavery, a fact that clearly prevented Aristotle from being able to think of it as an institution based on force rather than nature.“ Auf der anderen Seite sollte auch das kritische Potenzial der Aristotelischen Positionierung nicht überbewertet werden. Christoph Horn beispielsweise charakterisiert „die Ablehnung der konventionellen, bloß gesetzesbasierten Sklaverei in Politik I 6“ als „menschenrechtsaffin“ (Horn, Politischer Aristotelismus, S. 8). Vorsichtiger formuliert Julia Annas: „[T]his idea of nature is one that would seem to have critical potential against the status quo, since if that is the product of artifice or force then it is unnatural.“ (Annas, Arguments from Nature, S. 189). Siehe Pol. I 6, 1255a39 – 40: „Jedoch wenn sie dies sagen, bestimmen sie Sklaven und Freie und Leute von edler und niedriger Geburt durch nichts anderes als durch hohe persönliche Qualität oder deren Fehlen.“ / ὅταν δὲ τοῦτο λέγωσιν, οὐθενὶ ἀλλ᾽ ἢ ἀρετῇ καὶ κακίᾳ διορίζουσι τὸ δοῦλον καὶ ἐλεύθερον, καὶ τοὺς εὐγενεῖς καὶ τοὺς δυσγενεῖς [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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Jedoch ist Folgendes unumstritten: Angenommen, einige wären allein körperlich so sehr überlegen, wie es die Standbilder von Göttern sind, dann dürfte jeder sagen, dass die dahinter Zurückbleibenden verpflichtet wären, jenen wie Sklaven zu dienen. Wenn dies aber schon im Falle des Körpers zutrifft, dann wird dies mit viel größerer Berechtigung so bei (einer Überlegenheit in Eigenschaften) der Seele bestimmt. Die Schönheit der Seele lässt sich jedoch nicht ebenso leicht erkennen wie die des Körpers.⁴⁶
Die Natur des Menschen ist in sich differenziert und hierarchisch organisiert. Als spezifisch menschliches Vermögen ist der Verstand dem Körperlichen übergeordnet und stellt als höchstes menschliches Vermögen das Beste und als solches zugleich das Ziel für den Menschen dar.⁴⁷ Seine eigentümliche Form, so haben wir in den voranstehenden Kapiteln gesehen, gewinnt der Mensch erst mit der Vernunft, seine vollkommene Form mit der Tugend. Für Aristoteles folgt der Herrschaftsanspruch des Herrn aus seiner Überlegenheit in Eigenschaften der Seele. Der Grad der Verwirklichung der Menschennatur wird somit zum entscheidenden Kriterium für die Bestimmung eines Menschen als Herr oder als Sklave. Doch lässt sich, räumt Aristoteles in der zitierten Passage selbst ein, die Schönheit der Seele nur schwer erkennen. Zudem lässt sich die Vorstellung eines graduellen Modells, wie sie hier in Begriffen des Überlegen-Seins und Zurückbleibens zum Ausdruck kommt, nur schwer mit der übergangslosen und kategorischen Zuordnung von Menschen zu einer der beiden Gruppen vereinbaren.⁴⁸ Es bedarf also eines Kriteriums (oder mehrerer Kriterien), um die Charakterisierung von Menschen als Sklaven oder Herren einsichtig zu machen. Aristoteles selbst ist in seinen diesbezüglichen Ausführungen äußerst knapp: An einer Stelle heißt es, dem Sklaven fehle mit dem bouleutikon ein wichtiges rationales Vermögen.⁴⁹ Die Leistung des bouleutikon ist als ein Prozess vorzustellen, der von einem Ziel, welches für gut befunden und dem Bereich des Möglichen zugeordnet worden ist, über die einzelnen Schritte und die Wahl der Mittel zur gegenwärtigen Situation führt. Es handelt sich somit um ein PraxisWissen, das sich nicht auf die Ziele selbst richtet, sondern abwägt, was zu diesen Zielen führt. Der Prozess der Abwägung wiederum führt zu einem Entschluss
Siehe Pol. I 5, 1254b34– 1255a1: ἐπεὶ τοῦτό γε φανερόν, ὡς εἰ τοσοῦτον γένοιντο διάφοροι τὸ σῶμα μόνον ὅσον αἱ τῶν θεῶν εἰκόνες, τοὺς ὑπολειπομένους πάντες φαῖεν ἂν ἀξίους εἶναι τούτοις δουλεύειν. εἰ δ᾽ ἐπὶ τοῦ σώματος τοῦτ᾽ ἀληθές, πολὺ δικαιότερον ἐπὶ τῆς ψυχῆς τοῦτο διωρίσθαι· ἀλλ᾽ οὐχ ὁμοίως ῥᾴδιον ἰδεῖν τό τε τῆς ψυχῆς κάλλος καὶ τὸ τοῦ σώματος [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe Pol. I 2, 1252b32– 34 und 5, 1254b2– 14. Für diesen Hinweis danke ich Oliver Primavesi. Pol. I 13, 1260a12: „Der Sklave besitzt die Fähigkeit zu praktischer Vernunft überhaupt nicht.“ / ὁ μὲν γὰρ δοῦλος ὅλως οὐκ ἔχει τὸ βουλευτικόν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
(prohairesis), zu dem Sklaven nach Aristoteles ebenfalls nicht fähig sind.⁵⁰ Und an anderer Stelle heißt es: „Denn von Natur ist derjenige Sklave, der einem anderen gehören kann – deswegen gehört er ja auch einem anderen – und der in dem Maße an der Vernunft Anteil hat, dass er sie vernimmt, aber sie nicht (als ihn leitendes Vermögen) besitzt.“⁵¹ Diese Beschreibung wiederum reflektiert die Aristotelische Seelenlehre: Der Philosoph unterscheidet innerhalb der menschlichen Seele einen Teil, der selbst vernünftig ist von einem Teil, der nicht selbst vernünftig ist, die Vernunft jedoch vernehmen und ihr gehorchen kann.⁵² Dieser Teil ist zu wechselnden Koalitionen fähig: In einer wohlgeordneten Seele folgt er der Vernunft, in Momenten der Willensschwäche gibt er den eigenen Strebungen nach. In der Forschungsliteratur findet sich eine ganze Reihe vielfältiger und kontroverser Vorschläge, näher auszuführen, was das Fehlen des bouleutikon beziehungsweise der praktischen Vernunft als leitendes Vermögen für die Sklaven bedeutet. Diese Vorschläge decken die ganze Bandbreite möglicher Interpretationen ab, von der Annahme, Sklaven von Natur seien in der Aristotelischen Vorstellung hilflose, geistig stark eingeschränkte Menschen, bis zu der These, der Unterschied sei kaum wahrnehmbar. Ich möchte im Folgenden exemplarisch zwei Lösungsansätze diskutieren: Richard Kraut argumentiert, dass die Sklaven der Aristotelischen Politik durchaus fähig sind, sich zu versorgen und selbstständig zu leben.⁵³ Alltägliche Aufgaben könnten sie selbstverständlich ausführen. Von allen darüber hinausgehenden Verstandesleistungen jedoch seien sie ausgeschlossen: „He [Aristotle] thinks that slaves lack only the capacity to acquire advanced intellectual skills.“⁵⁴ Ziele, auf die hin wir unsere Überlegungen ausrichten und geeignete Mittel wählen, können Teilziele sein, wie beispielsweise die Fertigung eines Stuhls oder die Anhäufung von Reichtum. Überlegungen können sich jedoch auch – und tun dies letztlich immer – auf das abschließende Ziel menschlichen Lebens beziehen,
Siehe Pol. III 9, 1280a31– 34. Pol. I 5, 1254b20 – 23: ἔστι γὰρ φύσει δοῦλος ὁ δυνάμενος ἄλλου εἶναι (διὸ καὶ ἄλλου ἐστίν), καὶ ὁ κοινωνῶν λόγου τοσοῦτον ὅσον αἰσθάνεσθαι ἀλλὰ μὴ ἔχειν [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe beispielsweise EN I 6, 1098a3 – 5: „Übrig bleibt also ein tätiges Leben desjenigen Bestandteils in der menschlichen Seele, der Vernunft besitzt; von diesem hat ein Teil Vernunft in der Weise, dass er der Vernunft gehorcht, der andere so, dass er sie hat und denkt.“ / λείπεται δὴ πρακτική τις τοῦ λόγον ἔχοντος· τούτου δὲ τὸ μὲν ὡς ἐπιπειθὲς λόγῳ, τὸ δ᾽ ὡς ἔχον καὶ διανοούμενον [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Ausführlicher: EN I 13, 1102a26 – 1103a10. Zu diesem Abschnitt siehe Kraut, Political Philosophy, S. 276 – 305. Kraut, Political Philosophy, S. 285.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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die Verwirklichung der eudaimonia. ⁵⁵ In der Interpretation Richard Krauts können Sklaven nun weder im Bereich der poiêsis noch im Bereich der Praxis Meisterschaft erlangen.⁵⁶ Sie werden zwar lernen können, einen Stuhl herzustellen oder einen Marktstand zu betreiben, wobei sie jedoch stets ein vorgegebenes und erlerntes Muster nachahmen. Nie würden sie ihr Handwerk so weit beherrschen, dass sie in der Lage wären, auf unvorhergesehene Umstände zu reagieren oder die zur Verwirklichung eines Ziels erforderlichen Schritte selbstständig abzuleiten. Sie würden kein neues Möbel fertigen und keine neue Geschäftsidee ersinnen, kein Musikstück komponieren können. Damit ist den Sklaven der Weg zur eudaimonia verschlossen. Wäre die Verwirklichung von Glück ein realisierbares Ziel für die Sklaven – und nur solche Ziele sind Gegenstand der Überlegung –, wäre das Gut, das der freie griechische Mann erstrebt, nicht länger ihm vorbehalten und seine Herrschaft nicht legitimiert. Malcolm Heath hat diese Interpretation kritisiert.⁵⁷ Die Auslegung Krauts könne nicht richtig sein, insofern sie dem widerspreche, was Aristoteles selbst über andere Völker, über die Barbaren, die vermeintlichen Sklaven von Natur, wusste. Die Invasion des Xerxes, des persischen Großkönigs, der Griechenland angriff, beispielsweise erforderte umfassende Planungen, den Bau von Schiffsbrücken und Kanälen, die Versorgung eines riesigen Heeres und die Fähigkeit, auf sich ändernde Umstände flexibel zu reagieren. Es sei daher davon auszugehen, dass Xerxes und seine Strategen die Kunst der Kriegsführung und des Brückenund Kanalbaus vortrefflich beherrschten. Erkenntnisse im Bereich der Mathematik und der Astronomie bei den Ägyptern und Babyloniern zeigten ferner, dass auch nicht-griechischen Menschen theoretisches und technisches Wissen zugänglich war. Das Fehlen des bouleutikon beziehungsweise der praktischen Vernunft als leitendes Vermögen bei den Sklaven könne daher allenfalls das gute Handeln betreffen. Haben natürliche Sklaven womöglich keine Vorstellungen davon, was richtig und was falsch ist? Haben sie durchaus, sagt Malcolm Heath, sei doch nach Kapitel 2 des ersten Buches der Aristotelischen Politik die Verständigung über das Gerechte und Ungerechte, über Gut und Schlecht den Menschen gegenüber anderen staatenbildenden Tieren eigentümlich. Und Aristoteles kenne barbarische Vorstellungen des kalon, des in sich Guten, und zitiere sie beispielsweise in der Topik. Diese Vorstellungen können aus griechischer Per-
Siehe EN VI 10, 1142b28 – 33. „[T]here is good reason to take him to be saying that the slave’s thorough deliberative incapacity is twofold: he cannot acquire intellectual excellence as a fashioner of artifacts, nor can he deliberate well about how he should lead his life.“ (Kraut, Political Philosophy, S. 286 – 287). Zu diesem Abschnitt siehe Heath, Aristotle on Natural Slavery.
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spektive verfehlt sein, es handelt sich gleichwohl um Vorstellungen über erstrebenswerte und abzulehnende Handlungen. Unabhängig von der inhaltlichen Bestimmung guter Handlungen stellt die bouleusis, wie schon bemerkt wurde, ohnehin einen Prozess des Abwägens über geeignete Mittel dar und hat als ihren Gegenstand nicht das Ziel der Handlung selbst.⁵⁸ Die Einschränkung des Sklaven muss also irgendwo in diesem Prozess aufzuspüren sein. Malcolm Heath meint nun, dass Sklaven nach Aristotelischer Vorstellung in der Lage seien, geeignete Mittel mit Blick auf partikulare Ziele, durchaus auch moralischer Art, zu wählen. Gilt es in einem barbarischen Volksstamm beispielsweise als gut, dem Thrakischen Reiter ein Opfer zu bringen, werden die Mitglieder dieses Stammes die geeigneten Mittel wählen und das Opfer erbringen. Phronêsis jedoch dürfe man den Sklaven erst dann zuerkennen, wenn ihr Handeln gleichzeitig auch der Verwirklichung eines obersten Strebenszieles dient, wenn sie Einzelziele innerhalb des größeren Zusammenhangs eines gelingenden Lebens verwirklichten. Diesen größeren Zusammenhang nennt Heath „unqualified“ oder „global deliberation“: Natural Slaves, then, suffer from an impairment that is limited in several ways: it is an impairment of the capacity for practical (not technical or theoretical) reasoning; it is an impairment of the capacity for deliberation (not a conceptual or motivational failure); it is an impairment of the capacity for global deliberation; and it is an impairment that disrupts deliberation by detaching an individual’s conception of intrinsic value from executive control of his behaviour.⁵⁹
Gemäß dieser Interpretation fehlt natürlichen Sklaven das Vermögen, ihre partikularen Ziele mit der Verwirklichung des guten Lebens im Ganzen zu verbinden und entsprechend zu handeln. Die Beobachtung, die Malcolm Heath an den Anfang seiner Argumentation stellt – die These, dass die Vorstellung von in ihren kognitiven Vermögen stark eingeschränkten Sklaven dem widerspreche, was Aristoteles selbst über andere Völker, über die Barbaren, die vermeintlichen Sklaven von Natur, wusste –, ist überzeugend. Es fällt dann jedoch schwer, nachzuvollziehen, worin genau Xerxes noch hinter Themistokles, seinem griechischen Gegner, zurückbleibt. Sollte er den Brücken- und Kanalbau, die aufwendige Versorgung seines Heeres und die strategischen Planungen nicht mit Blick auf das übergeordnete Ziel des Sieges durchgeführt haben und sollte er sich von dem Sieg über die Griechen nicht Ruhm und Ehre versprochen haben? Sollte er Ruhm und Ehre nicht als Bestandteile
Siehe EN III 5, 1112a31 und b12– 16; VI 8, 1141b8 – 16 und Met. Z 7, 1032b6 – 9. Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 250. Kursivierungen durch den Verfasser.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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eines guten Lebens angesehen haben? Betätigt er sich in seiner Rolle als politischer Führer nicht genau in der Weise architektonisch, wie es Aristoteles als die Leistung der höchsten praktischen Disziplin, der Politischen Wissenschaft, zu Beginn der Nikomachischen Ethik beschreibt?⁶⁰ Entscheiden, was die Sklaven von Natur nun ganz genau zu leisten imstande sind und was nicht, müssen die Interpretierenden der Aristotelischen Theorie jedoch nur, wenn sie von einer feststehenden, allen Sklaven gemeinsamen Natur ausgehen. Sowohl Richard Kraut als auch Malcolm Heath meinen, dass Aristoteles allen⁶¹ Barbaren eine Sklavennatur zuschreibt und dass ihr Niedrigstatus auf eine angeborene Schwäche zurückzuführen ist: At least this much is clear and uncontroversial: he [Aristotle] thinks that at birth some people are suited to be slaves. Nothing they do as children or adults can undo the deficiency with which they are born. They lack the faculty by which normal human beings reason (Pol. I 5, 1254b22– 23) and no amount of training or education can remedy this impairment. A natural master, on the other hand, is simply someone who does not suffer from this handicap; he is in full possession of his rational faculties.⁶²
Die Vorstellung eines einheitlichen angeborenen Handicaps der Mehrzahl der Menschen nun wirft eine Reihe von Schwierigkeiten auf: Zum einen erscheint es als äußerst fragwürdig, dass Aristoteles tatsächlich alle Barbaren für Natursklaven hält.⁶³ Dies widerspricht nicht nur dem, was der Philosoph selbst über andere Völker wusste, wie auch Malcolm Heath argumentiert, sondern auch dem im Voranstehenden dargelegten methodischen Vorgehen der Politik, zwischen unterschiedlichen Menschengruppen zu differenzieren und von den politischen
Siehe EN I 1, 1094a14; a27–b7; 2, 1095a14– 20; 10, 1099b29 – 32; VI 8, 1141b22– 23; Pol. I 13, 1260a18 und VII 3, 1325b23. Freilich mit der Einschränkung, dass Aussagen der Praktischen Philosophie nur mit Wahrscheinlichkeit (hôs epi to poly) und im Umriss (typô) gelten (siehe Kraut, Practical Philosophy, S. 291, Anmerkung 28 und S. 294, Anmerkung 31; Heath, Aristotle on Natural Slavery, S. 2, Anmerkung 6). Kraut, Practical Philosophy, S. 282. In diesem Sinne auch Julia Annas: „[I]t is assumed that Aristotle thinks that barbarians are natural slaves. However, although he is clearly prejudiced against them, he does not think this, and indeed has views that preclude it: see Politics 1327b20 – 38.“ (Annas, Arguments from Nature, S. 193). Sie geht deshalb davon aus, dass Aristoteles für seinen Idealstaat (Pol. VII und VIII) nicht auf Natursklaven, sondern auf versklavte Freie, auf Bauern, Händler und Handwerker, zurückgreifen will: „Aristotle’s discussion assumes throughout that these are people who are capable of functioning as free people, but have been deprived of their freedom through tychê, bad luck.“ (Annas, Human Nature, S. 740).
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Ordnungsentwürfen anderer zu lernen.⁶⁴ Immer wieder betont Aristoteles in der Politik Unterschiede zwischen Sklaven, die sowohl ihre Naturanlagen als auch ihre Erziehung und Ausbildung betreffen.⁶⁵ Dabei gilt es ihm beispielsweise grundsätzlich als erstrebenswert, dass ein Sklave im Haus die Aufgaben des Herrn übernimmt, sodass der Herr selbst sich der Politik oder der Philosophie widmen kann.⁶⁶ Das wiederum setzt voraus, dass dieser den anderen Sklaven des Hauses überlegen und fähig ist, den Herrn zu vertreten. Auch ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Sklaven Tugenden ausbilden und mit ihnen Freundschaften zu schließen (wenngleich in der jeweils unvollkommenen Art).⁶⁷ In seinem Testament entlohnt Aristoteles selbst seine Sklaven gemäß ihres persönlichen Verdienstes und veranlasst, dass diejenigen Sklaven freigelassen werden sollen, die ihm lange gedient haben. Diese Sklaven erhalten zum Teil bei ihrer Freilassung Besitz, zu dem wiederum auch Sklaven zählen können.⁶⁸ Das bedeutet, dass die ehemaligen Sklaven nun selbst zu Herrschenden werden, wie überhaupt die Freilassung, die Aristoteles auch in der Politik als Belohnung in Aussicht stellt,⁶⁹ die Möglichkeit eines Rollenwechsels vom Sklaven zum Freien impliziert.Von hier erscheint ein über das bloße Überleben hinausgehender Nutzen, den Sklaven durch ihre Versklavung haben sollen, einmal mehr als fragwürdig. Dies alles setzt ganz erhebliche Unterschiede in Wert und Qualität der Sklaven voraus, was nur dann plausibel ist, wenn – wie bei allen Menschen – neben
Siehe Pol. VII 2, 1325a7– 10: „Der gute Gesetzgeber hat ja die Aufgabe herauszufinden, wie ein Staat, eine Klasse von Menschen und jede andere Gemeinschaft am guten Leben und dem für sie erreichbaren Glück teilhaben können.“ / τοῦ δὲ νομοθέτου τοῦ σπουδαίου ἐστὶ τὸ θεάσασθαι πόλιν καὶ γένος ἀνθρώπων καὶ πᾶσαν ἄλλην κοινωνίαν, ζωῆς ἀγαθῆς πῶς μεθέξουσι καὶ τῆς ἐνδεχομένης αὐτοῖς εὐδαιμονίας [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe auch VII 10, 1329a40–b5: „Nicht (erst) jetzt oder seit Kurzem wissen, wie es scheint, diejenigen, die über Verfassungen philosophisch nachdenken, dass eine staatliche Gemeinschaft nach Gruppen untergliedert und dass die Kriegsschicht von den Ackerbauern verschieden sein muss. In Ägypten gilt diese Regelung auch heute noch und ebenso auch auf Kreta – in Ägypten hatte, wie man sagt, Sesostris ein solches Gesetz erlassen und Minos auf Kreta.“ / Ἔοικε δὲ οὐ νῦν οὐδὲ νεωστὶ τοῦτ᾽ εἶναι γνώριμον τοῖς περὶ πολιτείας φιλοσοφοῦσιν, ὅτι δεῖ διῃρῆσθαι χωρὶς κατὰ γένη τὴν πόλιν καὶ τό τε μάχιμον ἕτερον εἶναι καὶ τὸ γεωργοῦν. ἐν Αἰγύπτῳ τε γὰρ ἔχει τὸν τρόπον τοῦτον ἔτι καὶ νῦν, τά τε περὶ τὴν Κρήτην, τὰ μὲν οὖν περὶ Αἴγυπτον Σεσώστριος, ὥς φασιν, οὕτω νομοθετήσαντος, Μίνω δὲ τὰ περὶ Κρήτην [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe dazu Annas, Arguments from Nature, S. 194– 195. Siehe beispielsweise Pol. I 7, 1255b20 – 30; III 4, 1277a37– 38; 14, 1285a19 – 22; VII 7; 10, 1330a25 – 30. Siehe Pol. I 7, 1255b34– 37. Siehe EN VIII 8, 1158b11– 28 und Pol. I 13. Zum Testament des Aristoteles siehe die Seiten 74 und 87– 88 der vorliegenden Untersuchung. Siehe Pol. VII 10, 1330a31– 33.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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der Naturanlage⁷⁰ Erziehung und Gesetze Einfluss nehmen und ihre individuelle Natur prägen. Ich schlage daher vor, die vermeintliche Inferiorität der Sklaven im Aristotelischen Theorierahmen auf verschiedene Einflüsse zurückzuführen (die ihrerseits sowohl natürlich als auch kulturell sein können)⁷¹ und von der Vorstellung eines einheitlichen angeborenen Defekts Abstand zu nehmen. Bei manchen Menschen sind aufgrund klimatischer Einflüsse die entwicklungsfähigen Anlagen eingeschränkt, anderen fehlt es an äußeren Gütern, wieder andere werden durch mangelhafte Gesetze und Pädagogen geprägt und in ihrer Entfaltung behindert. Sprachliche Barrieren, Vereinzelung, die Art der Tätigkeit, der radikale Ausschluss aus der politischen Gemeinschaft und nicht zuletzt Charakter und Qualität des Herrn können dazu beitragen, dass Sklaven hinter dem zurückbleiben, wozu sie in ihrer Natur als Menschen bestimmt sind, wodurch der von Aristoteles beschriebene große Abstand zwischen Herren und Sklaven zumindest mitbedingt ist.⁷² Die Vorstellung einer flexiblen und multifaktoriell bedingten ,Natur von Sklaven‘ entlastet die Interpretierenden von der Bürde einer einheitlichen Definition und lässt sich zugleich mit der Aristotelischen Vorstellung einer sich graduell verwirklichenden Menschennatur verbinden, die im voranstehenden Abschnitt 5.1 entwickelt worden ist. Dass alle Menschen nach dem vollkommenen Leben und dem Glück streben, sei evident, sagt Aristoteles im siebten Buch der Politik, und benennt im Weiteren drei Faktoren, durch die man „gut und trefflich“ werde: Gut und trefflich wird man durch drei (Einflüsse): Diese drei sind Natur, Gewöhnung und Vernunft. Zunächst einmal muss man ja als Mensch geboren werden und nicht als eines der anderen Lebewesen; ebenso muss man auch mit einer bestimmten Anlage in Körper und
Julia Annas spricht in diesem Zusammenhang von „mere nature“: „It is simply the basic material of human beings, which, so far from having its own reliable built-in goals, can be developed in quite opposite directions by habit and reason.“ (Annas, Human Nature, S. 734). Siehe auch dies., Arguments from Nature, S. 187. Philippe Descola weist die Gegenüberstellung von Natur und Kultur als euro- und anthropozentrisch zurück und tritt dafür ein, auch diese Grundbegriffe als Kontinua zu verstehen (siehe dazu Descola, Natur und Kultur; und ders., Anthropologie). Siehe Pol. I 5, 1254b14– 19: „Das Gleiche muss aber auch unter allen Menschen Gültigkeit besitzen: diejenigen, die voneinander so weit unterschieden sind wie Seele und Körper, Mensch und Tier – und (einige Menschen) sind tatsächlich in dieser Weise voneinander unterschieden, wenn ihre Leistung der Gebrauch des Körpers ist und dies als das Beste von ihnen (zu gewinnen) ist – diese sind von Natur Sklaven.“ / τὸν αὐτὸν δὲ τρόπον ἀναγκαῖον εἶναι καὶ ἐπὶ πάντων ἀνθρώπων. ὅσοι μὲν οὖν τοσοῦτον διεστᾶσιν ὅσον ψυχὴ σώματος καὶ ἄνθρωπος θηρίου (διάκεινται δὲ τοῦτον τὸν τρόπον ὅσων ἐστὶν ἔργον ἡ τοῦ σώματος χρῆσις, καὶ τοῦτ᾽ ἐστ᾽ ἀπ᾽ αὐτῶν βέλτιστον), οὗτοι μέν εἰσι φύσει δοῦλοι [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012.
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
Seele geboren werden. Für gewisse Eigenschaften hilft die Naturanlage dagegen nicht, denn Gewöhnung hat die Macht, sie zu ändern; manche Qualitäten, die von Natur noch ambivalent sind, entwickeln sich ja unter dem Einfluss der Gewohnheit zum Schlechteren oder Besseren. Tiere leben meist nach ihren angeborenen Instinkten, einige zu einem geringen Teil auch nach der Gewohnheit, der Mensch aber auch nach Vernunft, denn er allein besitzt Vernunft. Daher müssen (bei ihm) diese drei miteinander in Einklang stehen. Gegen ihre Gewohnheit und Natur handeln Menschen ja oft nach Vernunftgründen, wenn sie sich überzeugen lassen, dass es so besser sei.⁷³
Natur, Gewöhnung und Vernunft sind also die drei Faktoren, die, sofern sie nach Maßgabe der Vernunft zusammenkommen, das Glück des Menschen bedingen. ,Natur‘ ist hier im Sinne grundlegender, der jeweiligen Kultur vorgegebener Veranlagungen gebraucht.⁷⁴ Dabei geht Aristoteles davon aus, so erläutert er an anderer Stelle, dass diesbezüglich große Unterschiede zwischen den Völkern bestehen (und schreibt diesen mithin eine je eigene Natur zu): Die Völker in den kalten Regionen und in Europa sind zwar voller Mut, es fehlt ihnen aber an geistiger Fähigkeit und Fachkenntnissen; daher behaupten sie auch eher ihre Freiheit auf Dauer, ohne aber eine politische Ordnung zu besitzen und über ihre Nachbarn herrschen zu können. Die Völkerschaften Asiens besitzen dagegen die Fähigkeit zu geistiger Leistung und Fachkenntnissen, ihnen fehlt aber Mut; deswegen sind sie fortwährend beherrscht und versklavt. Wie das Volk der Hellenen in den Regionen (die es bewohnt) in der Mitte liegt, so hat es auch an beiden (Anlagen) teil; es besitzt Mut und ist zu geistiger Leistung fähig. Deswegen lebt es immer in Freiheit, fortwährend erfreut es sich der besten politischen Verhältnisse und ist fähig, über alle zu herrschen, wenn es nur eine einzige Verfassung erhielte. Den eben beschriebenen Unterschied weisen aber auch die hellenischen Völker untereinander auf: Einige sind in ihren Anlagen ganz einseitig ausgebildet, andere besitzen dagegen beide genannten Fähigkeiten in einer wohl ausgeglichenen Weise.⁷⁵
Pol.VII 13, 1332a38–b8: ἀλλὰ μὴν ἀγαθοί γε καὶ σπουδαῖοι γίγνονται διὰ τριῶν. τὰ τρία δὲ ταῦτά ἐστι φύσις ἔθος λόγος. καὶ γὰρ φῦναι δεῖ πρῶτον, οἷον ἄνθρωπον ἀλλὰ μὴ τῶν ἄλλων τι ζῴων· οὕτω καὶ ποιόν τινα τὸ σῶμα καὶ τὴν ψυχήν. ἔνια δὲ οὐθὲν ὄφελος φῦναι· τὰ γὰρ ἔθη μεταβαλεῖν ποιεῖ· ἔνια γὰρ εἶσι, διὰ τῆς φύσεως ἐπαμφοτερίζοντα, διὰ τῶν ἐθῶν ἐπὶ τὸ χεῖρον καὶ τὸ βέλτιον. τὰ μὲν οὖν ἄλλα τῶν ζῴων μάλιστα μὲν τῇ φύσει ζῇ, μικρὰ δ᾽ ἔνια καὶ τοῖς ἔθεσιν, ἄνθρωπος δὲ καὶ λόγῳ· μόνος γὰρ ἔχει λόγον· ὥστε δεῖ ταῦτα συμφωνεῖν ἀλλήλοις. πολλὰ γὰρ παρὰ τοὺς ἐθισμοὺς καὶ τὴν φύσιν πράττουσι διὰ τὸν λόγον, ἐὰν πεισθῶσιν ἄλλως ἔχειν βέλτιον [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Für seine Naturanlagen wiederum ist der Mensch nicht verantwortlich. Sie sind daher nicht Gegenstand von Lob oder Tadel. Siehe beispielsweise EN VII 6, 1148b31– 32: „Diejenigen nun, bei denen die Natur die Ursache ist, wird niemand unbeherrscht nennen“ / ὅσοις μὲν οὖν φύσις αἰτία, τούτους μὲν οὐδεὶς ἂν εἴπειεν ἀκρατεῖς [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Pol.VII 7, 1327b23 – 36: τὰ μὲν γὰρ ἐν τοῖς ψυχροῖς τόποις ἔθνη καὶ τὰ περὶ τὴν Εὐρώπην θυμοῦ μέν ἐστι πλήρη, διανοίας δὲ ἐνδεέστερα καὶ τέχνης, διόπερ ἐλεύθερα μὲν διατελεῖ μᾶλλον, ἀπολίτευτα δὲ καὶ τῶν πλησίον ἄρχειν οὐ δυνάμενα· τὰ δὲ περὶ τὴν ᾿Aσίαν διανοητικὰ μὲν καὶ τεχνικὰ
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
135
Offensichtlich kommt den Griechen eine dem Glück des Menschen besonders zuträgliche Naturanlage zu.⁷⁶ Sie besteht in einem ausgewogenen Mittleren, der Verbindung von Mut (thymos) und Verstand (dianoia). Dem steht nun jedoch nicht eine zweite – barbarische – Naturanlage entgegen, sondern es lassen sich Abweichungen in zwei Richtungen beobachten: Den tendenziell mutigen Völkern Nordeuropas fehlt es an geistigem Vermögen, den Asiaten an Mut. Die natürliche Veranlagung der Völker wiederum hat Konsequenzen für ihre Fähigkeit, die eigene Freiheit zu wahren, sich politisch zu organisieren und über andere Menschen zu herrschen. Dabei scheint Mut Freiheit zu gewährleisten, während Intellektualität die Voraussetzung dafür ist, Verfassungen zu etablieren und andere Menschen dauerhaft zu beherrschen. Da nun bei den Griechen Mut und geistige Kraft zusammenkommen, leben sie frei und politisch besser organisiert als andere Völker und sind daher berechtigt, über sie zu herrschen. Doch ist auch bei ihnen diese vorteilhafte Naturanlage nicht einheitlich ausgeprägt, sondern es lassen sich auch hier Abstufungen beobachten. Wir sind somit erneut mit einem graduellen Modell konfrontiert, das die Griechen selbst einschließt.⁷⁷ Auch hinsichtlich der Sklaverei differenziert Aristoteles in diesem Zusammenhang: Aufgrund mangelnden Mutes sind die Bewohner Asiens zur Sklaverei disponiert, während die kampfeslustigen Nordeuropäer zu Widerstand neigen und weitaus schwieriger zu beherrschen sind.⁷⁸ Dieser Unterscheidung scheinen jedoch rein praktische Erwägungen zugrunde zu liegen. Denn dass Aristoteles den Asiaten dianoia zuerkennt und damit das Vermögen, das in Politik I 2 den Herrn charakterisiert,⁷⁹ qualifiziert sie eigentlich zu herrschen und nicht dazu, mit dem Körper
τὴν ψυχήν, ἄθυμα δέ, διόπερ ἀρχόμενα καὶ δουλεύοντα διατελεῖ· τὸ δὲ τῶν Ἑλλήνων γένος, ὥσπερ μεσεύει κατὰ τοὺς τόπους, οὕτως ἀμφοῖν μετέχει. καὶ γὰρ ἔνθυμον καὶ διανοητικόν ἐστιν· διόπερ ἐλεύθερόν τε διατελεῖ καὶ βέλτιστα πολιτευόμενον καὶ δυνάμενον ἄρχειν πάντων, μιᾶς τυγχάνον πολιτείας. τὴν αὐτὴν δ᾽ ἔχει διαφορὰν καὶ τὰ τῶν Ἑλλήνων ἔθνη πρὸς ἄλληλα· τὰ μὲν γὰρ ἔχει τὴν φύσιν μονόκωλον, τὰ δὲ εὖ κέκραται πρὸς ἀμφοτέρας τὰς δυνάμεις ταύτας [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Die Naturanlage wiederum führt Aristotles nach der hippokratischen Lehre auf die klimatischen Verhältnisse einer Region zurück. Siehe dazu Heinimann, Nomos und Physis. Da Aristoteles die Griechen in sein graduelles Modell einbezieht und sich auch hier einseitige Naturanlagen finden, scheint es mir nicht richtig zu sein, die Ausführungen des Aristoteles als rassistisch zu bezeichnen, wie beispielsweise Josiah Ober es tut (siehe Ober, Political Dissent, S. 347). Auch Julia Annas betont, dass rassistische Haltungen Aristoteles zu Unrecht zugeschrieben werden („patently specious“; Annas, Human Nature, S. 731). Siehe Pol. III 14, 1285a19 – 22 und VII 10, 1330a26 – 28. Siehe Pol. I 2, 1252a31– 34: „Denn was fähig ist, mit dem Verstand vorauszuschauen, herrscht von Natur und ist Herr von Natur, was aber fähig ist, diese Dinge mit dem Körper zu verrichten, wird beherrscht und ist Sklave von Natur.“ / τὸ μὲν γὰρ δυνάμενον τῇ διανοίᾳ προορᾶν ἄρχον
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
zu arbeiten. Die Naturanlagen der Asiaten und Nordeuropäer sind somit weder einheitlich barbarisch oder sklavisch noch handelt es sich, so geht aus dem ersten Zitat hervor, um gänzlich unbeeinflussbare Größen: Durch Gewöhnung und Vernunft lässt sich die Natur formen – eine Aufgabe, die vor allem dem Gesetzgeber zukommt.⁸⁰ Die Vernunft nun ist Anlage wie Aufgabe des Menschen. Im Sinne der Logosfähigkeit unterscheidet sie Mensch und Tier und kommt als solche auch den Sklaven zu.⁸¹ Als Ziel menschlichen Lebens wird sie in einem wohlgeordneten Staat durch die Erziehung und durch gute Gesetze sukzessive ausgebildet, wohingegen der Mensch ohne Gesetz und Recht, die charakterliche Qualität hervorbringen, das schlimmste Lebewesen von allen zu werden droht: frevelhaft und wild, in Sexualität und Fressgier am schlimmsten.⁸² In diesem Sinne weist die Menschennatur eine Variationsbreite möglicher Realisierungen auf: Sie umspannt die Pole der reinen Vernunft und der Triebverhaftung und weist ein großes Spektrum verschiedener Mischungen auf. Dabei ist allein ein göttliches Wesen ausschließlich vernünftig: Denn da der Mensch als Mensch nicht ununterbrochen die höchsten Gegenstände denkend betrachten kann, übersteigt die reine und dauerhafte theôria seine Möglichkeiten.⁸³ Es kann somit nur um eine Annäherung
φύσει καὶ δεσπόζον φύσει, τὸ δὲ δυνάμενον [ταῦτα] τῷ σώματι πονεῖν ἀρχόμενον καὶ φύσει δοῦλον· διὸ δεσπότῃ καὶ δούλῳ ταὐτὸ συμφέρει [Ross]. Übersetzung in: Rapp, Staat, S. 61. Siehe beispielsweise EN I 10, 1099b28 – 32 und II 1, 1103b3 – 6: „Die Gesetzgeber machen die Bürger nämlich durch Gewöhnung gut – die Absicht jedes Gesetzgebers besteht darin. Diejenigen aber, die das nicht richtig machen, verfehlen diese Absicht, und gerade darin unterscheidet sich eine gute Verfassung von einer schlechten.“ / οἱ γὰρ νομοθέται τοὺς πολίτας ἐθίζοντες ποιοῦσιν ἀγαθούς, καὶ τὸ μὲν βούλημα παντὸς νομοθέτου τοῦτ᾽ ἐστίν, ὅσοι δὲ μὴ εὖ αὐτὸ ποιοῦσιν ἁμαρτάνουσιν, καὶ διαφέρει τούτῳ πολιτεία πολιτείας ἀγαθὴ φαύλης [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit Änderungen. Siehe Pol. I 13, 1259b26 – 28 und EN VIII 13, 1161b1– 6. Siehe Pol. I 2, 1253a29 – 37. Siehe EN X 7, 1177b26 – 31: „Ein so beschaffenes Leben aber ist wohl höher, als es dem Menschen entspricht. Denn so wird er nicht leben, insofern er Mensch ist, sondern insofern etwas Göttliches in ihm vorhanden ist. Und in dem Maß, in dem dieses dem Zusammengesetzten überlegen ist, in dem Maß ist auch seine Tätigkeit derjenigen überlegen, die aus der anderen Tugend [der des Charakters] hervorgeht. Wenn also die intuitive Vernunft im Vergleich mit dem Menschen göttlich ist, dann ist auch das Leben in der Betätigung dieser Vernunft göttlich im Vergleich mit dem menschlichen Leben.“ / ὁ δὲ τοιοῦτος ἂν εἴη βίος κρείττων ἢ κατ᾽ ἄνθρωπον· οὐ γὰρ ᾗ ἄνθρωπός ἐστιν οὕτω βιώσεται, ἀλλ᾽ ᾗ θεῖόν τι ἐν αὐτῷ ὑπάρχει· ὅσον δὲ διαφέρει τοῦτο τοῦ συνθέτου, τοσοῦτον καὶ ἡ ἐνέργεια τῆς κατὰ τὴν ἄλλην ἀρετήν. εἰ δὴ θεῖον ὁ νοῦς πρὸς τὸν ἄνθρωπον, καὶ ὁ κατὰ τοῦτον βίος θεῖος πρὸς τὸν ἀνθρώπινον βίον [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011, mit einer kleinen Änderung. Auch in dieser Passage wird ein graduelles Modell vorgestellt.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
137
gehen: Der Mensch ist dort ,am meisten Mensch‘, wo er seine Vernunft betätigt.⁸⁴ Aber auch, was eine Annäherung an das vollkommene Leben angeht, ist Aristoteles skeptisch: Es ist nun evident, dass alle nach dem vollkommenen Leben und dem Glück streben; aber nur einigen ist es möglich, dies zu erreichen, anderen dagegen nicht – sei es durch eine Fügung der Verhältnisse oder ihre Natur; das vollkommene Leben ist ja auch auf eine gewisse Ausstattung angewiesen, in geringerem Umfang bei Menschen von besserer Art, in größerem bei denjenigen von schlechterer; andere suchen dagegen von vornherein das Glück auf falsche Weise, während die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.⁸⁵
Die Möglichkeit der Vervollkommnung der menschlichen Natur ist somit an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Neben der Naturanlage kommt dabei der Erziehung eine entscheidende Rolle zu, da die Tugenden des Charakters in einem Prozess der Habituierung, der seit frühester Kindheit angeleitet werden muss, erworben werden. Erziehung ist die Vervollkommnung natürlicher Anlagen zu dauerhaften Dispositionen: „Es kommt also nicht wenig darauf an, ob man schon von Kindheit an so oder so gewöhnt wird; es hängt viel davon ab, ja sogar alles.“⁸⁶ Damit ist zugleich eine zeitlich-biografische Entwicklung angedeutet: Im Leben eines Bürgers folgt auf die Zeit beim Militär, für die es physische Kraft braucht, eine Zeit der politischen Aktivität, für die Vernunft erforderlich ist.⁸⁷ Die strikte Trennung zwischen der Befähigung zu körperlicher Arbeit einerseits und der Befähigung zu vorausschauender Planung andererseits, die Aristoteles in der Gemeinschaft von Herr und Sklave vornimmt, erscheint von hier fragwürdig. Vielmehr entspricht es der „Ordnung der Natur“, dass sich „physische Kraft bei
Siehe EN X 7, 1178a4– 8: „Das zuvor Gesagte passt auch diesmal: Was einem Lebewesen von Natur eigentümlich ist, das ist jeweils für es das Beste und Lustvollste. Für den Menschen ist dies also das Leben in der Betätigung der intuitiven Vernunft, wenn der Mensch gerade diese am meisten ist. Dieses Leben ist daher auch das glücklichste.“ / τὸ λεχθέν τε πρότερον ἁρμόσει καὶ νῦν· τὸ γὰρ οἰκεῖον ἑκάστῳ τῇ φύσει κράτιστον καὶ ἥδιστόν ἐστιν ἑκάστῳ· καὶ τῷ ἀνθρώπῳ δὴ ὁ κατὰ τὸν νοῦν βίος, εἴπερ τοῦτο μάλιστα ἄνθρωπος. οὗτος ἄρα καὶ εὐδαιμονέστατος [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Pol. VII 13, 1331b39 – 1332a2: ὅτι μὲν οὖν τοῦ τε εὖ ζῆν καὶ τῆς εὐδαιμονίας ἐφίενται πάντες, φανερόν, ἀλλὰ τούτων τοῖς μὲν ἐξουσία τυγχάνει τοῖς δὲ οὔ, διά τινα τύχην ἢ φύσιν (δεῖται γὰρ καὶ χορηγίας τινὸς τὸ ζῆν καλῶς, τούτου δὲ ἐλάττονος μὲν τοῖς ἄμεινον διακειμένοις, πλείονος δὲ τοῖς χεῖρον), οἱ δ᾽ εὐθὺς οὐκ ὀρθῶς ζητοῦσι τὴν εὐδαιμονίαν, ἐξουσίας ὑπαρχούσης [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. EN II 1, 1103b23 – 25: οὐ μικρὸν οὖν διαφέρει τὸ οὕτως ἢ οὕτως εὐθὺς ἐκ νέων ἐθίζεσθαι, ἀλλὰ πάμπολυ, μᾶλλον δὲ τὸ πᾶν [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011. Siehe auch Pol. VII 13, 1332b10. Siehe Pol. VII 9, 1329a2– 9.
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
den Jüngeren, Vernunft bei den Älteren findet“⁸⁸ und Aristoteles empfiehlt, die Curricula auf die Bildung von Körper und Geist hin anzulegen und dabei von der Sorge um den Körper zu der Sorge um die Seele voranzuschreiten.⁸⁹ Es ist nun leicht zu sehen, dass Sklaven in jeglicher Hinsicht schlechte Voraussetzungen haben, ihre Vernunft auszubilden⁹⁰ – es sei denn, so heißt es in der Nikomachischen Ethik, sie haben Anteil an der entsprechenden Lebensform: „Doch niemand gibt einem Sklaven Anteil am menschlichen Glück, es sei denn, er hat auch Anteil an einer entsprechenden Lebensform.“⁹¹ Was hier theoretisch möglich erscheint, ist nicht nur aufgrund mangelhafter Naturanlagen, sondern auch aufgrund fehlender Erziehung zum Guten de facto ausgeschlossen. Anders als die Kinder freier Bürger lernen die Sklaven in den allermeisten Fällen nicht, die auch in ihnen angelegte Vernunft auszubilden, indem sie beispielsweise einüben, Entscheidungen zu fällen und ihr Handeln zunehmend selbstständig auf das Ziel des guten Lebens auszurichten. Vielmehr sind sie mit der Bereitstellung des Lebensnotwendigen befasst und somit damit, anderen die politische Lebensform zu ermöglichen. Ihre Menschennatur verkümmert. Mit der Bereitstellung des Lebensnotwendigen, einer vorrangig körperlichen Arbeit, befasst, ohne Muße und äußere Güter, von der politischen Gemeinschaft, die Voraussetzung sowohl für die Betätigung der Charaktertugenden als auch die Erziehung ist, ausgeschlossen, ausschließlich den Zielen des Herrn verpflichtet, erwächst eine Sklavennatur, die doch ihrer Menschennatur widerspricht: Qualitäten, die von Natur noch ambivalent sind, entwickeln sich zum Schlechteren und eine nachteilige Naturanlage, die eine besonders intensive Förderung und reiche Ausstattung erforderlich gemacht hätte, verstetigt sich.
Siehe Pol. VII 9, 1329a13 – 16: „Es bleibt daher nur die Regelung, dass die Verfassung diese beiden Befugnisse zwar den Gleichen überträgt, jedoch nicht zur gleichen Zeit, sondern in der Weise, wie sich nach der Ordnung der Natur physische Kraft bei den Jüngeren, Vernunft bei den Älteren findet.“ / λείπεται τοίνυν τοῖς αὐτοῖς μὲν ἀμφότερα ἀποδιδόναι τὴν πολιτείαν ταῦτα, μὴ ἅμα δέ, ἀλλ᾽ ὥσπερ πέφυκεν ἡ μὲν δύναμις ἐν νεωτέροις, ἡ δὲ φρόνησις ἐν πρεσβυτέροις εἶναι [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe beispielsweise Pol.VII 15, 1334b25 – 28: „Deswegen muss man sich zuvor der Ausbildung des Körpers als der Seele annehmen und sich (erst) danach um das Verlangen kümmern – man muss sich um das Verlangen der Vernunft wegen sorgen und sich des Körpers um der Seele willen annehmen.“ / διὸ πρῶτον μὲν τοῦ σώματος τὴν ἐπιμέλειαν ἀναγκαῖον εἶναι προτέραν ἢ τὴν τῆς ψυχῆς, ἔπειτα τὴν τῆς ὀρέξεως, ἕνεκα μέντοι τοῦ νοῦ τὴν τῆς ὀρέξεως, τὴν δὲ τοῦ σώματος τῆς ψυχῆς [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Dies gilt auch für Handwerker, Händler und Bauern (siehe Pol. VII 9). EN X 6, 1177a8 – 10: εὐδαιμονίας δ᾽ οὐδεὶς ἀνδραπόδῳ μεταδίδωσιν, εἰ μὴ καὶ βίου [Bywater]. Übersetzung: Wolf 32011.
5.2 Das zugrunde liegende Naturverständnis
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Vor diesem Hintergrund sind sowohl die Bestimmung der Menschennatur als auch die Bestimmung der Sklavennatur durch Aristoteles so zu gebrauchen, dass sie das Spektrum unterschiedlicher Grade der Verwirklichung der menschlichen Natur offenhalten. Es handelt sich in beiden Fällen um Spektren, die unterschiedliche Grade der Verwirklichung der in der menschlichen Natur angelegten Vernunft anzeigen. Zwar verfehlen auch freie Männer das Glück häufig, doch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die von Aristoteles als Sklaven von Natur bezeichneten Menschen aufgrund verschiedener sich negativ auswirkender Faktoren noch deutlich hinter ihnen zurückbleiben. Die Konzeption einer Sklavennatur steht somit nicht im Widerspruch zu Aristoteles’ allgemeiner Anthropologie,⁹² sondern meint das untere Ende eines graduellen Modells: Die menschliche Natur begreift die Sklavennatur ein. Dabei können Handwerker und arbeitende Freie durchaus hinter Sklaven zurückfallen, wie einzelne Sklaven zu Philosophen aufzusteigen vermögen. Diesem ,weichen‘, flexiblen Kontinuum der Verwirklichung der Menschennatur sind freilich die rechtlich strikte Unterscheidung zwischen Freien und Unfreien und die Bestimmung der Sklaven als Besitztümer und Werkzeuge gegenüberzustellen, die alle Nuancierungen hinfällig machen.⁹³ In der Gemeinschaft mit dem Herrn verlieren die Sklaven insofern ihre Menschennatur, als sie zu einem „Teil des Herrn“⁹⁴ werden und als Besitztümer und Werkzeuge gänzlich ohne eigenes Ziel den Nutzen des Herrn befördern: Da aber, wie bei allen anderen gemäß der Natur zusammengesetzten Dingen, die Teile des ganzen Zusammengesetzten nicht dasselbe sind wie das, ohne welches das Ganze nicht sein könnte, ist es klar, dass man auch nicht diejenigen Dinge als Teile der Polis ansehen darf, worüber die Poleis verfügen müssen […] Deshalb bedürfen die Poleis zwar des Besitzes, der Besitz ist jedoch kein Teil der Polis. Aber es gibt viele beseelte Teile des Besitzes. Die Polis aber ist eine Gemeinschaft von Gleichen um des möglichst besten Lebens willen. Da aber einerseits das Glück das Beste ist, dieses andererseits aber in der Aktivität und in einem gewissen vollendeten Gebrauch der Tugend besteht, und es sich so ergibt, dass die einen an ihm (d. h. am Glück) teilhaben können, die anderen ein wenig oder gar nicht, ist es klar, dass
Anders beispielsweise Kahn, Comments on M. Schofield, S. 31: „For Aristotle, the distinctive feature of human kind is precisely our rationality, our possession of logos, as he has so eloquently argued in Pol. I 2. The claim now that the natural slave ‘shares in logos to the extent of perceiving but not possessing it’ (Pol. I 5, 1254b22) emerges as an arbitrary thesis, required by his argument but apparently incompatible with Aristotle’s own theory of human nature.“ In diesem Sinne auch Ross, Aristotle, S. 250 – 251: „What cannot be commended in Aristotle’s view, however, is his cutting of the human race in two with a hatchet. There is a continuous gradation of mankind in respect of both moral and intellectual qualities. This gradation leads and probably always will lead to a system of subordination.“ Siehe Pol. I 6, 1255b11.
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5 Bezugnahmen auf Natur und natürliche Gegebenheiten
dies der Grund für die Entstehung von Formen, Unterschieden und verschiedenen Verfassungen der Polis ist.⁹⁵
Auch an dieser Stelle, an der Aristoteles die Ungleichheit betont, ist nicht zu verkennen, dass es spezifisch menschliche Eigenschaften sind, die den Sklaven als ‚beseeltes‘ Besitztum gegenüber anderen Werkzeugen auszeichnen. Mit dem Begriff der Seele aber verbindet sich ein teleologisches Verständnis der menschlichen Natur, demgemäß auch Sklaven, unabhängig davon, ob sie es kraft positiven Rechts oder ihrer individuellen Anlage nach sind, die bestmögliche Ausbildung ihrer ‚Natur‘ zukommen sollte. Dieser Gedanke, der im Naturverständnis des Aristoteles angelegt ist, weist allerdings über die historischen Verhältnisse, unter denen es entwickelt worden ist, hinaus.
Pol. VII 8, 1328a21– 40: ’Eπεὶ δ᾽ ὥσπερ τῶν ἄλλων τῶν κατὰ φύσιν συνεστώτων οὐ ταῦτά ἐστι μόρια τῆς ὅλης συστάσεως ὧν ἄνευ τὸ ὅλον οὐκ ἂν εἴη, δῆλον ὡς οὐδὲ πόλεως μέρη θετέον ὅσα ταῖς πόλεσιν ἀναγκαῖον ὑπάρχειν […] διὸ κτήσεως μὲν δεῖ ταῖς πόλεσιν, οὐδὲν δ᾽ ἐστὶν ἡ κτῆσις μέρος τῆς πόλεως· πολλὰ δ᾽ ἔμψυχα μέρη τῆς κτήσεώς ἐστιν· ἡ δὲ πόλις κοινωνία τίς ἐστι τῶν ὁμοίων, ἕνεκεν δὲ ζωῆς τῆς ἐνδεχομένης ἀρίστης. ἐπεὶ δ᾽ ἐστὶν εὐδαιμονία τὸ ἄριστον, αὕτη δὲ ἀρετῆς ἐνέργεια καὶ χρῆσίς τις τέλειος, συμβέβηκε δὲ οὕτως ὥστε τοὺς μὲν ἐνδέχεσθαι μετέχειν αὐτῆς τοὺς δὲ μικρὸν ἢ μηδέν δῆλον ὡς τοῦτ᾽ αἴτιον τοῦ γίγνεσθαι πόλεως εἴδη καὶ διαφορὰς καὶ πολιτείας πλείους [Ross].
6 Schlussbetrachtung Wir sind ausgegangen von der These Heraklits, derzufolge Antagonismen zu einer durch den „Krieg“ bestimmten Welt gehören. Auch der Gegensatz von Freien und Sklaven scheint demnach in der Verfassung der Welt begründet zu sein. Aber ist er notwendig? Mit Aristoteles ist eine solche quasi naturgesetzliche Allgemeinheit und damit letztlich auch Unüberwindbarkeit mit guten Gründen infrage zu stellen. Die Reflexion auf die Unterscheidung der Praktischen Philosophie von der Naturphilosophie in Hinsicht auf Gegenstand und Methode erbrachte, dass diese beiden Disziplinen unterschiedliche Gegenstandsbereiche haben und dass Gedanken über das Notwendige und Allgemeine der Naturphilosophie und nicht der Praktischen Philosophie zugehören. Diese hat es ja gerade mit dem Veränderlichen zu tun, also nicht mit dem, was notwendig so und nicht anders sein kann. Auch wenn Aristoteles das Faktum der Sklaverei als Ausgangssituation nicht grundsätzlich in Frage stellt und die Möglichkeit der Abschaffung der Sklaverei vermutlich außerhalb seines Horizontes geblieben ist, bietet seine Bestimmung des Begriffs der Menschennatur doch kritisches Potenzial, das unter veränderten Bedingungen immer noch und immer wieder wirksam werden kann. Zwar rechnet Aristoteles das Gegenüber von herrschenden und zu beherrschenden Teilen im Organismus des einzelnen Menschen ebenso wie im ,Körper‘ der Polis zu den Eigentümlichkeiten der Natur des Menschen. Damit ist jedoch noch nicht festgelegt, wie sich dieses Verhältnis gestaltet. Schon bei Platon ist ja zu lesen, dass die Vernunft als herrschender Teil die übrigen Seelenteile gerecht beherrschen soll,¹ also wohl nicht unterdrückend, sondern ihren jeweiligen Anlagen entsprechend. Auch bei Aristoteles besteht das gute Leben in der Betätigung der Vernunft als bestem Teil der menschlichen Seele, und zwar nicht irgendwie, sondern auf die beste Art und Weise.² Dass eine in diesem Sinne gerechte Herrschaft die Sklaverei letztlich ausschließt, zu diesem Ergebnis kommt Aristoteles selbst nicht. In sich widersprüchlich ist die Vorstellung von einem ,beseelten Werkzeug‘, die den Sklaven menschliche Qualitäten zuschreibt und sie zugleich ihrer eigenen Zwecke und
Siehe Platon, Politeia IX, 588b–589b. Siehe EN I 6, 1098a16 – 18: „Das für den Menschen Gute ist die Aktivität der Seele gemäß der Vortrefflichkeit beziehungsweise, wenn es mehrere Arten der Vortrefflichkeit gibt, gemäß der besten und vollkommenen – und dies während eines kompletten Lebens.“ / τὸ ἀνθρώπινον ἀγαθὸν ψυχῆς ἐνέργεια γίνεται κατ᾽ ἀρετήν, εἰ δὲ πλείους αἱ ἀρεταί, κατὰ τὴν ἀρίστην καὶ τελειοτάτην· ἔτι δ᾽ ἐν βίῳ τελείῳ [Bywater]. Übersetzung in: Rapp, Aristoteles, S. 27. https://doi.org/10.1515/9783110651478-006
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6 Schlussbetrachtung
damit ihres Menschseins beraubt. Wünschenswert wäre es zwar, deutet Aristoteles an, dass jedes Werkzeug auf Geheiß oder mit eigener Voraussicht seine Aufgabe erledigen könnte, wie man es von den (Standbildern) des Daidalos und den Dreifüßen des Hephaistos berichtet, die, wie der Dichter sagt, ,sich von selbst zur Versammlung der Götter einfinden‘ – wenn so die Weberschiffchen von allein die Webfäden durcheilten und die Schlagplättchen Kithara spielten, dann brauchten die Meister keine Gehilfen und die Herren keine Sklaven.³
In den Gegebenheiten seiner Zeit jedoch hält der Philosoph an der Sklaverei fest. Die Herren brauchen Sklaven; die Sklaverei ist insofern ,notwendig‘, als sie die Freien für die Politik und Philosophie freistellt. Für diese Funktion scheint es jedoch unerheblich zu sein, ob sie von Menschen, die von Natur zur Sklaverei disponiert sind, oder von Menschen, die aufgrund positiven Rechts in den Sklavenstatus gefallen sind, erfüllt wird. Bedenkt man jedoch mit Aristoteles die in der menschlichen Natur angelegte Vielfalt, lassen sich auch Gründe gegen die widernatürliche Versklavung Freier nennen. Die ,Notwendigkeit‘ besteht dann darin, dass Menschen in der Verschiedenheit ihrer natürlichen Veranlagung aufeinander angewiesen sind. Diesem, durchaus modern anmutenden Gedanken stehen allerdings die mit der Institution der Sklaverei verbundenen absoluten Herrschafts- und Besitzverhältnisse entgegen. Verstehen wir jedoch die Sklavennatur als Ausdruck umfassender durch verschiedene Faktoren bedingte Benachteiligung – als Mangel an vorteilhaften Naturanlagen und hinsichtlich der Ausstattung mit äußeren Gütern⁴ – käme es eigentlich der Erziehung zu, einen Ausgleich zu schaffen. Davon würden nicht nur die Benachteiligten, sondern auch die Erziehenden selbst profitieren. Erziehung wiederum ist im Aristotelischen Theorierahmen eine politische Aufgabe und in einer wohlgeordneten Gemeinschaft auf das Gute gerichtet. Die von Aristoteles behauptete Ungleichheit unter den Menschen – die Konzeption einer Sklavennatur – steht nicht im Widerspruch zu den zentralen Lehrstücken seiner allgemeinen Anthropologie. Denn die Thesen von der Vernunftbegabung des Menschen, seinem Streben nach eudaimonia, das sich gerade in der Betätigung der Vernunft erfüllt, und der Bestimmung des Menschen als politisches Lebewesen behalten ihre Gültigkeit auch dort, wo Menschen in ungerechter Weise
Pol. I 4, 1253b33 – 1254a1: εἰ γὰρ ἠδύνατο ἕκαστον τῶν ὀργάνων κελευσθὲν ἢ προαισθανόμενον ἀποτελεῖν τὸ αὑτοῦ ἔργον, ὥσπερ τὰ Δαιδάλου φασὶν ἢ τοὺς τοῦ Ἡφαίστου τρίποδας, οὕς φησιν ὁ ποιητὴς αὐτομάτους θεῖον δύεσθαι ἀγῶνα, οὕτως αἱ κερκίδες ἐκέρκιζον αὐταὶ καὶ τὰ πλῆκτρα ἐκιθάριζεν, οὐδὲν ἂν ἔδει οὔτε τοῖς ἀρχιτέκτοσιν ὑπηρετῶν οὔτε τοῖς δεσπόταις δούλων [Ross]. Übersetzung: Schütrumpf 2012. Siehe Pol. VII 13, 1331b39 – 1332a2.
6 Schlussbetrachtung
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von der Teilhabe an der Polis und damit der Chance auf ein glückliches Leben ausgeschlossen werden.
Abkürzungsverzeichnis Um das Leseverständnis nicht zu erschweren, wurden nur die Werke des Aristoteles abgekürzt (nach Düring, Darstellung und Interpretation).
An. post. De Int. De motu (an.) EE EN GA Met. MM Phys. Pol. Rhet. Top.
Analytica posteriora / ᾿Aναλυτικὰ ὕστερα De interpretatione / Περὶ ἑρμηνείας De motu animalium / Περὶ ζῴων κινήσεως Ethica Eudemia / Ἠθικὰ Εὐδήμεια Ethica Nicomachea / Ἠθικὰ Νικομάχεια De generatione animalium / Περὶ ζῴων γενέσεως Metaphysik / τὰ μετὰ τὰ φυσικά Magna Moralia / Ἠθικὰ μεγάλα Physica / Φυσικὴ ἀκρόασις Politik / Πολιτικά Rhetorica / Τέχνη ῥητορική Topica / Τοπικά
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Vogt, Joseph: Forschungen zur antiken Sklaverei. Kommission für Geschichte des Altertums der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz). In: ders.: Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihrer Erforschung. Ergänzungsheft zur 2. erw. Auflage. Wiesbaden 1983 (Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte. Einzelschriften Heft 44). S. 1 – 5. Wallon, Henri: Histoire de l’esclavage dans l’antiquité. 3 Bde. Paris 1847. Wiedemann, Thomas E. J.: Fifty Years of Research on Ancient Slavery: the Mainz Academy Project. In: Slavery and Abolition: A Journal of Slave and Post-Slave Studies 21/3 (2000). S. 152 – 158. Wieland, Wolfgang: Die aristotelische Physik. Untersuchungen über die Grundlegung der Naturwissenschaft und die sprachlichen Bedingungen der Prinzipienforschung des Aristoteles. 3. um ein Vorwort erw. Auflage. Göttingen 1992. Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin 31985 Williams, Raymond: s. v. Nature. In: ders.: Keywords. A Vocabulary of Culture and Society. New York 21983. S. 216 – 224. Wolf, Ursula: Aristoteles’ Nikomachische Ethik. Darmstadt 22007 (Werkinterpretationen).
Begriffsregister Abolitionismus, abolitionistisch 19, 27 Aktivität, Betätigung, Tätigkeit 6, 11 f., 32, 37, 40, 44, 47, 57, 75, 100, 102, 136 – 139, 141 f. Allgemeines, Allgemeinheit, allgemein 2, 10 – 14, 31, 44, 47, 50, 53, 92, 120, 123, 141 Alltag, alltäglich 27, 31, 69, 84 f., 87, 105, 114 f., 128 anthrôpinon 13, 44 Anthropologe, Anthropologie, anthropologisch 10, 12 f., 15, 43, 46, 52, 54, 91, 112, 139, 142 arbeiten, Arbeit 5, 7, 14, 31, 70 – 73, 75, 79 – 84, 103, 105, 107, 110, 126, 136 – 139 architektonikos 33 Art 95 – 97, 100 – 102, 104 f., 116, 120 – 123, 125, 137 Athen 1, 68 – 70, 75 f., 78, 84 Autarkie, autark 6, 10 f., 35, 43, 47, 54, 67, 74, 89, 103 f., 107 Automat 71 Barbar/Barbarin, barbarisch 11, 14, 70, 76 – 78, 80, 89, 91, 104, 109 f., 125, 129 – 131, 135 f. beherrscht werden, Beherrschter/Beherrschte 2 f., 5 f., 8 – 10, 16, 43, 46, 72, 91, 95 – 97, 102 – 104, 107, 110 – 112, 134 f., 141 belohnen, Belohnung 74, 84 f., 87, 132 beseelt 6, 81 f., 85, 108, 139 – 141 Besitz 1, 5 – 8, 12, 15, 27, 29, 37 f., 61, 65 f., 78 – 83, 85 – 89, 103, 105, 108, 121, 139 f., 142 Bewegung 32, 101, 106, 118 f. beweisen, Beweis 31, 53 Bildung 39, 52, 103, 138 bouleusis 49, 130 bouleutikon 127 – 129 Bürger 2 – 5, 7, 34, 38 – 42, 45 – 47, 52, 66 f., 70 f., 73, 75, 80, 84, 89, 92, 97 f., 113, 136 – 138
Charakter 27, 36, 38 f., 57, 124, 133, 136 f. Charaktertugend 37 – 40, 42, 44, 47, 138 Christentum 19 f., 28 Demokratie 1 f, 7, 76, 79, 84, 92, 97 Despot, despotisch 3, 5 f., 8 f., 16, 28, 65, 67, 72 f., 77, 86, 93, 95 – 98, 111 Disposition 28, 39, 42, 44, 137 Ehefrau 4, 27, 65 f., 82, 96, 98 Ehemann 4, 65 f., 96, 98 Eigenschaft 82, 120, 122, 134, 140 Einzelnatur, Einzelform 116, 125 Einzelne, Einzelner, Einzelnes 3, 11, 34 – 36, 38 – 40, 45, 47, 66, 87, 104, 116, 120 f., 123 entscheiden, Entscheidung, Entschluss 34, 73, 102, 106, 120, 124, 127, 138 entstehen, Entstehung 6, 32, 99 f., 118 f., 140 ergon 32, 44, 81 erhalten, Erhaltung 9, 102 – 105, 120 erziehen, Erziehung 10, 34, 37, 39 f., 42, 45 f., 59, 78, 80, 84, 121, 124, 132 f., 136 – 138, 142 essentialistisch 50, 52 Ethik 20, 31 f., 35 – 37, 39 – 43, 45, 48 – 52, 54, 58, 62, 64, 67, 85, 87, 99, 114 – 116 eudaimonia 10, 12, 33 – 35, 37 – 39, 43, 47, 49, 52, 57, 75, 81, 105, 113, 129, 142 Familie 2, 10, 35, 80, 87 Form 100 f., 106, 116, 119 f., 124 f., 127 Frau 8, 43, 61, 65, 70, 76, 80, 100 – 102, 104, 106 f., 111, 113 Freie/Freier, frei 1 – 9, 12, 14, 27, 65 – 67, 70, 72 – 75, 77, 81 f., 85 f., 89, 96, 98, 109, 126, 129, 131 f., 135, 138 f., 141 f. Freiheit 1, 7 f., 27 f., 70 f., 74, 85 – 88, 131, 134 f. Freundschaft 5, 38 f., 50, 82 f., 132 Frieden 2
Begriffsregister
Funktion der Sklaverei 88 f.
7, 15, 71, 78 – 83,
Ganzes 5, 45, 65 f., 99, 101 f., 110, 112, 119, 123 f., 139 Gattung 53, 79, 116 gebrauchen, Gebrauch 3, 6, 8, 32, 61, 72 f., 79, 82 – 85, 104, 112, 133, 139 Gegensatz 1 – 3, 27, 124, 141 Gemeinschaft 2 – 6, 9, 25, 28, 31, 34 – 45, 47, 52, 57, 70, 72, 74, 76, 84, 92 – 102, 104 – 107, 110 f., 113, 132 f., 137 – 139, 142 Gemeinwohl 34 Gerechtigkeit, gerecht 5, 9, 15 f., 36, 38 f., 42, 50, 52, 57, 74, 82 f., 86, 91, 109, 121, 125, 129, 141 Gesellschaft 10, 15, 68 – 73, 76, 79, 88 Gesetz 9, 34 – 36, 38, 40, 42, 45, 54, 56 – 58, 77, 82, 109 f., 114 – 116, 121, 123, 125, 132 f., 136 Gesetzgeber, Gesetzgebung 34, 39 – 42, 45 f., 56, 62 f., 132, 136 Gewalt 3, 85 – 87, 91, 109 Gewohnheitsrecht 2, 5, 13, 69 Gewöhnung 10, 40, 78, 133 f., 136 Gleiche, Gleichheit, Gleichsein 3, 6, 19, 82, 91 f., 97, 110 – 112, 138 f. Glück, glücklich 5 f., 31, 34 – 36, 38 f., 41, 44 f., 52, 57 f., 81, 84 – 86, 105, 113, 129, 132 – 135, 137 – 139, 143 Gott, göttlich 1, 3, 9, 11, 14, 20, 28, 36, 43, 45, 54, 57, 99, 122, 136 Grieche/Griechin 76 f., 91, 110, 125, 135 Gut 3, 10, 14, 31 – 35, 38 f., 41, 45, 47, 49, 65, 85, 96 – 98, 102, 105, 107, 129, 133, 138, 142 Habituierung 39, 137 handeln, Handlung 6 f., 29, 31, 33 – 36, 38 – 41, 45, 49, 51, 54, 74 f., 82 – 87, 89, 96, 98, 107 f., 121, 124, 129 f., 138 Handwerker 7, 14, 43, 71 f., 75, 81 f., 131, 138 f. Haus, Haushalt 4, 7, 10, 15, 27, 35, 47, 60, 64 – 67, 72, 78 – 82, 84 f., 87 f., 93 – 102, 105 – 107, 117, 120, 132
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Hausherr, Herr 3 – 5, 7 – 9, 16, 28, 43, 65 – 67, 71 – 73, 75, 79, 80 – 87, 89, 91 – 113, 125 – 140 Hausverwalter 92 f., 95 f. Herrschaftsformen/-weisen 5, 7, 16, 40, 50, 66 f., 91 – 107 herrschen, Herrschaft 2 f., 5, 7 – 9, 12, 15 f., 43, 64,–67, 72 f., 76 f., 84, 86, 91 – 113, 115, 129, 134 f., 141 f. Herrschende/Herrschender 2 f., 8, 43, 70 – 72, 86 f., 93 f., 96 – 98, 104, 107, 110 f., 132 hôs epi to poly 31, 50, 121, 131 Idealstaatsentwurf, idealstaatlich 27, 41, 46, 56, 59, 60, 62, 112, 131 Ideengeschichte, ideengeschichtlich 1, 18, 70 f. Ideologie, ideologisch 4, 13, 15, 18, 21 – 24, 29, 48, 76, 89 Kind
2 – 4, 7 f., 27, 61, 65 f., 75, 80, 82, 89, 96, 98, 101, 104, 106, 121, 138 Kindheit 39, 50, 137 Klima, klimatisch 10, 133, 135 König, königlich 1 – 3, 7 – 9, 34, 92 – 96, 111 Körper, körperlich 9, 31, 43, 57, 70, 73, 75, 85, 91, 102 – 104, 107, 110 – 112, 123 f., 127, 133, 135, 137 f., 141 Krieg 1 – 3, 8, 38, 70, 85, 104 – 106, 108 f., 125 f., 141 Kriegsrecht 46, 109, 125 Kultur, kulturell 1, 23, 70, 84, 125, 133 f. Lebensform 11, 31, 47, 52, 57 f., 62, 138 Lebensnotwendiges 7, 31, 47, 67, 81, 83 f., 86, 98, 105, 138 Logos 10, 13 f., 136, 139 Macht 7, 38, 49, 51, 71 f., 78 f., 84, 87, 109, 122, 134 Mann, männlich 2 – 5, 7, 12, 28, 42 f., 61, 65 – 67, 74, 77, 80 f., 86, 92, 96, 100 – 102, 104, 106 f., 109, 111, 113, 120, 129, 139 Menschenrecht 2 f., 126 Menschenwürde 25
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Begriffsregister
mesotês 38 metabasis eis allo genos 53 Methode 48 – 54, 65 f., 78, 92, 99, 101, 108, 141 Methodologie, methodologisch 52 methodos 60 f., 64 Muße 7, 31, 47, 70 f., 84, 138 Naturalismus, naturalistisch 12 – 14, 16 f., 89, 114 f., 122 Naturanlage, Anlage, Veranlagung 8, 10, 12, 16, 36, 39, 77 f., 91, 102 f., 106, 109, 112, 115, 132 – 138, 140 – 142 Naturbegriff 17, 32, 48, 54, 64, 113, 116 – 125 naturgemäß 91, 98 – 108, 111, 117, 119, 121 Naturgesetz 115 f., 121, 123, 141 Naturphilosophie 15, 30, 48 – 54, 64, 123, 141 Nomos 91, 109 Norm, normativ 14 f., 114, 120, 122 Notwendiges, Notwendigkeit, notwendig 1, 5, 7 f., 10, 23, 31, 47, 50 – 52, 61, 63, 79, 81, 102, 110, 120 f., 141 f. Nutzen, Nützliches, nützlich 5, 7 – 9, 25, 27, 32 – 34, 36, 41, 43 f., 51, 64, 71, 84, 86, 102 – 106, 110, 132, 139 Objektivität, objektiv 14, 45, 114 öffentlich 28, 40, 72 Oikonomik, oikonomisch 6, 15, 27, 47, 64 – 66, 79, 86 oikos -> siehe Haus, Haushalt organon 81 Pflanze 80, 100, 102, 106 f., 119 f., 124 Philosophie über die menschlichen Belange 11, 36 f., 56 – 58, 62, 67 phronêsis 33, 50, 130 Physis 32, 91, 100, 106, 109 f., 113, 115 – 125 poiêsis 32, 81, 129 Polis 2 – 7, 11 f., 27, 34 – 38, 42 f., 45, 47, 54, 57, 61, 65 – 69, 72, 97, 102, 106, 139 – 141, 143 politês 36, 84 Politiker, Staatsmann 33 f., 39 – 43, 45 f., 51, 59, 62 f., 73, 92 – 96
Politik, Staatskunst 7, 29, 33 f., 36 f., 39, 42 f., 45, 50 – 52, 59, 92, 132, 142 Praxis 15, 31 – 33, 41, 46 – 48, 50, 52, 103, 127, 129 Prinzip 2, 8, 30, 32, 43 f., 48, 50 f., 53 f., 101, 110 – 116, 119 Recht, rechtlich 2 f., 6, 8, 9, 14, 16, 18, 26 f., 29, 36, 42, 48, 73, 77, 89, 91, 99, 105, 108 f., 112, 114, 121, 124, 136, 139 f., 142 Schicksal 8, 46, 87, 108 Seele, seelisch 28, 36, 43 f., 51, 57, 75, 84 f., 87, 91, 104, 111 f., 116, 124, 126 – 128, 133 f., 138, 140 f. Selbstbestimmung, selbstbestimmt 5, 8, 105 sklavereibasiert 10, 69 f. Sklave „von Natur“, Natursklaven 8 – 11, 13, 25, 46, 48, 76 f., 85, 89, 102, 108 – 113, 125, 128 – 131, 135, 139 sklavisch 5 f., 11, 27, 72 f., 75, 81, 136 Sokratik 79 Sophistik, Sophist, sophistisch 16, 28, 30, 46 f., 59, 79, 91, 108 – 113, 125 Staat, staatlich 2 – 7, 12, 14, 33 – 36, 38 f., 40 f., 43 – 45, 52, 54, 56, 63, 65, 67, 70, 74 f., 80, 82, 84, 93 – 102, 106 f., 113, 122, 132, 136 Stabilität 28, 40, 50, 96 Status 8, 46, 70 f., 77, 107, 113, 131, 142 Stoa 20, 28, 115, 123 strafen, Strafe 38 f., 85 f. streben, Strebensziel 12, 30, 33, 35 f., 44 f., 52, 84, 105, 107, 120, 130, 133, 137, 142 technê 32, 94, 96, 124 Teil 2 – 6, 36 – 38, 43, 54, 61, 65 f., 72, 79, 82, 97 – 99, 101 f., 106, 108, 110 – 112, 119, 123, 128, 130, 132, 139, 141 teilhaben, Teilhabe 2, 6, 12 f., 27, 41, 66 f., 92, 132, 139, 143 Testament 74, 87 f., 132 theôria 54, 136 Tier 9, 27, 36, 54, 76, 80, 86, 100, 102, 104, 106 f., 111, 120, 129, 133 f., 136
Begriffsregister
Tötungsrecht 2, 105 Trieb 9 f., 75, 102 Tugend, tugendhaft 6 f., 15, 27, 35, 37 – 40, 46 f., 50, 54, 57, 73, 75, 83 – 89, 124, 127, 132, 136 f., 139 typô 31, 50, 131 Tyrann, Tyrannis 7, 34, 96, 98 überleben 35, 105, 111, 132 Überlegung 31, 49, 51, 115, 128 f. unbeseelt 81 f. Unfreie/Unfreier/Unfreies 2, 14, 27, 70, 73, 75, 89, 139 Ursache 30, 51, 116, 118, 119, 134 Vater 1 – 4, 7 f., 61, 65 f., 82, 96, 98, 101, 106 Veränderung 2, 27 Veranlagung –> siehe Naturanlage Verantwortung, verantwortlich 45, 65, 134 Verfassung 1 f., 6, 14, 37, 40, 42, 46, 50, 56, 58 – 63, 66, 92, 94, 99, 132, 134 – 136, 138, 140 f. Vermögen 14, 43, 103 f., 112, 124, 126 – 130, 135, 139 Vernunft, vernünftig, Verstand 9, 11 f., 14, 21, 31, 43, 45, 51, 53 f., 57, 85, 100, 102 f., 110 f., 115, 123 f., 127 – 129, 133 – 139, 141 f. Voraussetzung 3 – 5, 7, 23, 35, 40 f., 44, 47, 63, 67, 71, 96 f., 107, 113, 135, 137 f. Vorsokratik, Vorsokratiker 1, 123
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wachsen, Wachsendes, Wachstum 2, 99 f., 119 f., 122 Wahrheit 31, 44, 51 f., 89 f., 114 weiblich 2, 5, 102, 111, 120 werden, Werdendes 100 f., 119 Werkzeug 7 f., 12, 71, 80 – 83, 85 f., 108, 139 – 142 Werkzeug für das Handeln 75, 86, 89 Wesen 36, 44, 50 – 53, 74 f., 83, 85, 92, 95 f., 118 – 122, 124, 136 widernatürlich 77, 121, 142 Widerspruch 1, 3, 12 f., 28, 139, 142 Wirtschaft, wirtschaftlich 71, 80, 82, 84 Wissen 16, 22, 30 – 33, 38 f., 46 f., 50 – 53, 58 f., 63, 70, 80, 91 – 95, 97, 104, 121 f., 127, 129, 132 Wissenschaft 18, 21, 29 – 34, 37, 40 f., 43, 45 – 47, 49, 52 – 54, 62 – 66, 79, 92 – 94, 97, 99, 131 Ziel
4 f., 11, 27, 30 – 35, 39, 44 f., 47, 49, 52, 58, 67, 73, 86, 96, 105, 107, 115 f., 119 f., 127 – 130, 136, 138 f. Zoon politikon, politisches Lebewesen 12, 36 f., 47, 113 Zusammengesetztes 5, 57 Zwang 74, 87 Zweck 14, 37, 49 f., 72 – 74, 89, 97, 102, 104, 106, 116, 141
Stellenregister Antiphon Aletheia P.Oxy. LII, 1364, Fr. 2 ii + 3647 i, Z. 1 – 27 und Z. 27 – 3647 ii, Z. 12 (S. 2 und 3) 110 Aristoteles De interpretatione 2, 16a26 – 28 Analytica posteriora I 2, 71b15 – 16 I 7, 75a38 – 39 I 7, 75b12 – 15 I 30 I 30, 87b22 – 23 Topik VI 6, 145a15 – 17 Physik I 1, 184a16 – 17 II 1, 192b8 – 9 II 1, 192b8 – 23 II 1, 192b8 – 193a2 II 1, 193a9 – 17 II 1, 193a17 – 30 II 1, 193a30 – b12 II 1, 193b12 – 18 II 8 II 8, 199a9 – 20 II 8, 199a33 – b5 II 8, 199b15 – 17 De motu animalium 10, 703a29 – b2 De generatione animalium II 6, 744b19 – 21 IV 4, 770b9 – 13 Metaphysik A1 A 1, 980a21 A 1, 981b24 – 25 A 1, 981b29 – 982a1 A 1, 982a21 – 23 A 1, 982a25 – b28 A 2, 982a30 – b8 A 2, 982b26
17, 31, 50 31 53 53 31, 50 50, 52 30 53, 122 116 32, 48 118 118 118 118 118 32 119 121 32 32 6 121 31 30 104 31 31 31 31 74
https://doi.org/10.1515/9783110651478-009
A 5, 986b9 – 18 Δ4 Δ 4, 1014b16 – 17 Δ 4, 1014b16 – 1015a19 Δ 4, 1014b17 Δ 4, 1014b17 – 18 Δ 4, 1014b18 – 20 Δ 4, 1014b26 – 31 Δ 4, 1014b26 – 32 Δ 4, 1014b27 Δ 4, 1014b32 – 35 Δ 4, 1014b35 – 1015a5 Δ 4, 1014b36 Δ 4, 1015a3 – 5 Δ 4, 1015a11 – 13 Δ 4, 1015a13 – 15 Δ 6, 1016b32 – 1017a2 E1 E 1, 1025b22 – 24 E2 E 2, 1027a20 – 22 Z 7, 1032a12 – 25 Z 7, 1032b6 – 9 I 4, 1055a6 – 7 K7 K 7, 1064a10 – 20 Λ 7, 1072b13 – 14 Nikomachische Ethik I 1, 1094a1 – 3 I 1, 1094a3 – 6 I 1, 1094a4 I 1, 1094a5 I 1, 1094a14 I 1, 1094a14 – 16 I 1, 1094a22 – 26 I 1, 1094a26 – 27 I 1, 1094a26 – b3 I 1, 1094a26 – b11 I 1, 1094a27 I 1, 1094a27 – b7 I 1, 1094a28 I 1, 1094a28 – b11 I 1, 1094b7 – 8
123 32, 116 118 16 119 118 116, 118 119 118 118 116 116 118 119 118 119 43 31 32 30 45, 50 32 49, 130 53 31 30 116 96 32 32 32 33, 131 32 45 47 33, 47, 65, 97 39 36 33, 131 33 32, 34 33
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I 1, 1094b7 – 10 I 1, 1094b11 I 1, 1094b11 – 27 I 1, 1094b14 – 15 I 1, 1094b15 – 16 I 1, 1094b19 – 1095a2 I 1, 1095a2 – 13 I 1, 1095a5 – 6 I 2, 1095a14 – 20 I 2, 1095a18 I 2, 1095a30 – b4 I 2, 1095b4 – 6 I 2, 1095b5 I 3, 1095b17 – 19 I 4, 1096b26 – 31 I 5, 1097b6 – 21 I 5, 1097b8 – 11 I 5, 1097b14 – 21 I6 I 6, 1097b25 – 28 I 6, 1098a1 – 3 I 6, 1098a3 – 5 I 6, 1098a16 I 6, 1098a16 – 18 I 7, 1098a22 – 24 I 7, 1098a26 – b1 I 7, 1098a29 – 31 I 7, 1098a32 – 33 I 7, 1098a33 – b8 I 8, 1098b20 – 22 I 9, 1098b31 – 1099a7 I 10, 1099a31 – b2 I 10, 1099b18 – 20 I 10, 1099b28 – 32 I 10, 1099b29 – 32 I 10, 1099b29 – 1100a1 I 11, 1101a14 I 11, 1101a14 – 16 I 11, 1101a24 – 28 I 12, 1101b35 – 1102a4 I 13, 1102a6 – 10 I 13, 1102a7 – 26 I 13, 1102a12 – 13 I 13, 1102a18 – 26 I 13, 1102a20 – 21 I 13, 1102a23 – 32
34, 45 36 51 33, 36 121 31, 50, 52 f. 45 31, 33 33, 131 44 53 45 36 9, 80 43, 51 35 11, 35 f., 47 35 31 32 9 128 86 141 50 30 51 53 50 31 32, 86 85 32 34, 136 33, 39 f., 47, 131 9 32 31 50 32 41, 63 39 36 51 32 51 f.
I 13, 1102a26 – 1103a10 I 13, 1102b3 II 1 II 1, 1103a15 II 1, 1103b3 – 6 II 2, 1103b23 – 25 II 2, 1103b26 – 29 II 2, 1103b34 – 1104a10 II 2, 1104a3 – 4 II 2, 1104a5 – 10 II 2, 1104b11 – 13 II 2, 1105a12 II 4, 1106a9 – 10 II 7, 1107a31 III 1, 1109b30 – 35 III 1, 1110a19 – 34 III 4, 1111b19 – 26 III 5, 1112a19 – 27 III 5, 1112a30 – b11 III 5, 1112a31 III 5, 1112a34 – b11 III 5, 1112b2 – 4 III 5, 1112b12 – 16 III 5, 1112b24 – 27 III 5, 1112b31 – 32 III 7, 1113b21 – 1114a2 III 10, 1115a31 – 32 III 10, 1115a32 – 35 III 13, 1118a23 – 25 III 13, 1118b15 – 21 III 15, 1119b3 – 18 IV 2, 1120b2 – 3 IV 5, 1122b19 – 1123a2 IV 8, 1124b31 – 1125a1 IV 8, 1125a11 – 12 IV 11, 1126a6 – 8 IV 12, 1126b19 – 23 IV 15 V 3, 1129b11 – 25 V 3, 1129b17 – 19 V 3, 1129b25 – 27 V 3, 1130a1 – 5 V4 V 4–8 V 5, 1130b25 – 29 V 6, 1131a24 – 29 V 8, 1132b31 – 34
159
128 44 40 40 40 f., 63, 136 40, 137 31, 46 50 f. 53 31 40 40 40 31 38 f. 38 41 52 30 f., 41 49, 130 31, 43 49 49, 130 41 32 38 f. 38 38 9, 75, 80 75 40 37 37 74 86 7 38 38 38, 42, 38 f. 38 39 36 38 35, 41, 63 39 39
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V 8, 1132b34 – 1133a1 V 10 V 10, 1134a24 – 30 V 10, 1134a24 – 32 V 10, 1134b8 – 18 V 10, 1135a3 – 5 V 12, 1136b29 – 31 V 13, 1137a11 – 12 V 14, 1137b26 V 15, 1138b5 – 12 VI 2, 1139a11 – 15 VI 2, 1139a21 – b5 VI 2, 1139a26 – 29 VI 2, 1139a34 – b5 VI 2, 1139b1 – 5 VI 3, 1139b20 – 23 VI 4 VI 4, 1140a1 – 2 VI 4, 1140a1 – 5 VI 4, 1140a10 – 14 VI 4, 1140a14 – 16 VI 5, 1140a25 – 28 VI 5, 1140a31 – b4 VI 5, 1140a35 – 6, 1141a1 VI 5, 1140b4 – 7 VI 5, 1140b5 – 6 VI 5, 1140b7 – 11 VI 5, 1140b20 – 21 VI 6, 1140b31 – 32 VI 6, 1140b35 – 1141a1 VI 7, 1141a9 – b3 VI 7, 1141a33 – b2 VI 7, 1141b1 – 3 VI 8, 1141b8 VI 8, 1141b8 – 16 VI 8, 1141b10 – 11 VI 8, 1141b14 – 16 VI 8, 1141b16 VI 8, 1141b22 – 23 VI 9, 1141b23 – 33 VI 9, 1142a9 – 10 VI 10, 1142b28 – 33 VI 12, 1143a25 – 34 VII 1, 1145a22 – 33 VII 1, 1145a30 – 32
7 39 74 42 5 – 7, 11, 79, 82, 86 42 7, 75 42 121 75, 83, 86 31 31 31 32 32 31 32 31, 50 31 32 32 31, 33 31 31 31, 33 50 97 33 31 50 31 9 31 44 31, 49, 33, 130 31, 49 f. 31 49 33, 131 40 36 129 50 9, 36 76
VII 1, 1145b2 – 7 VII 3, 1145b23 – 24 VII 6, 1148b15 – 24 VII 6, 1148b31 – 32 VII 6, 1149a9 – 11 VII 7, 1149b27 – 1150b8 VII 14, 1153b25 – 32 VIII 1, 1155a22 – 28 VIII 8, 1158b11 – 28 VIII 9, 1158b33 – 1159a5 VIII 10, 1159a27 – 33 VIII 11, 1159b35 – 1160a2 VIII 11, 1160a8 – 11 VIII 11, 1160a8 – 23 VIII 12, 1160b2 VIII 12, 1160b22 – 30 VIII 12, 1160b27 – 32 VIII 12, 1160b29 VIII 12, 1160b31 – 32 VIII 12, 1161a4 – 7 VIII 13, 1161a25 – 27 VIII 13, 1161a30 – b10 VIII 13, 1161b1 – 6 VIII 13, 1161b4 – 5 VIII 14 IX 6 IX 9, 1169b16 – 22 IX 9, 1169b28 – 30 IX 9, 1170b10 – 14 X 1, 1172b3 – 5 X 1, 1172b4 X 4, 1174b2 – 3 X 6–8 X 6, 1176b2 – 6 X 6, 1176b30 – 31 X 6, 1177a8 – 10 X 7, 1177a19 – 21 X 7, 1177a27 – 34 X 7, 1177b1 – 2 X 7, 1177b26 – 31 X 7, 1178a4 – 8 X 8, 1178a9 – 23 X 8, 1178a21 – 23 X 8, 1178a23 – b7 X 8, 1178b5 – 7 X 9, 1179a22 – 31 X 10, 1179a35 – b2
53, 89 7, 74 9, 80 134 76 9 9 39 5, 132 9 4 5 5, 35 35 98 7 5, 7 98 5, 96 4 4 7, 29 9, 80, 82, 136 81 4 39 36 86 9 45, 50, 52 44 51 57 35 35 138 31 11, 47 31 9, 11, 57, 136 137 57 51 43 36, 54 9 31
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X 10, 1179b4 – 20 X 10, 1179b7 – 10 X 10, 1179b29 – 1180a4 X 10, 1180b11 – 23 X 10, 1180b28 – 1181b15 X 10, 1180b31 – 32 X 10, 1181a14 – b12 X 10, 1181b12 – 23 X 10, 1181b14 – 15 X 10, 1181b15 Magna Moralia I 1, 1181a24 – 1182a1 Eudemische Ethik I 1, 1214a15 – 25 I 5, 1215b31 – 35 I 5, 1216a13 I 5, 1216a21 – 27 I 6, 1216b37 – 39 I 7, 1217a24 – 29 II 1, 1219b1 – 8 II 1, 1219b2 II 6, 1222b18 – 20 II 8, 1224a24 – 29 II 11, 1228a3 – 5 III 1, 1228b4 III 3, 1231b8 – 26 III 4, 1231b39 – 1232a9 III 4, 1232a5 – 10 III 6, 1233b8 – 10 VII 9, 1241b25 VII 12, 1244b8 – 10 Politik I 1, 1252a1 – 3 I 1, 1252a1 – 7 I 1, 1252a7 – 10 I 1, 1252a7 – 16 I 1, 1252a17 – 19 I 1, 1252a17 – 21 I 1, 1252a17 – 23 I2 I 2, 1252a24 I 2, 1252a24 – 26 I 2, 1252a26 – 30 I 2, 1252a26 – 34 I 2, 1252a30 – 34 I 2, 1252a31 – 34 I 2, 1252a34 – b1
45 44 40 31 46, 59 40 58 6, 56 37, 44 36, 57 36 52 6, 9 31 41 52 9 31 32 9 9 73 31, 50 6 121 86 88 97 43 96 34 f., 97 5 95 99 61 66 4, 35 100 99 120 102 9, 16 116 5
I 2, 1252a34 – b5 I 2, 1252b5 – 9 I 2, 1252b9 – 12 I 2, 1252b11 – 12 I 2, 1252b19 I 2, 1252b27 – 30 I 2, 1252b27 – 1253a2 I 2, 1252b29 – 30 I 2, 1252b31 – 34 I 2, 1252b32 – 34 I 2, 1252b34 – 35 I 2, 1253a1 – 3 I 2, 1253a1 – 5 I 2, 1253a1 – 18 I 2, 1253a2 – 3 I 2, 1253a25 – 29 I 2, 1253a29 I 2, 1253a29 – 37 I3 I 3, 1253b1 – 3 I 3, 1253b1 – 14 I 3, 1253b3 – 8 I 3, 1253b4 I 3, 1253b4 – 11 I 3, 1253b20 – 23 I4 I 4, 1253b23 – 28 I 4, 1253b24 – 25 I 4, 1253b25 – 33 I 4, 1253b25 – 38 I 4, 1253b33 – 1254a1 I 4, 1254a7 – 8 I 4, 1254a8 – 17 I 4, 1254a13 – 17 I 4, 1254a15 – 17 I 5, 1254a17 – 20 I 5, 1254a21 – 24 I 5, 1254a28 – 32 I 5, 1254a36 – 37 I 5, 1254b2 – 14 I 5, 1254b10 – 26 I 5, 1254b14 – 19 I 5, 1254b16 – 20 I 5, 1254b19 – 20 I 5, 1254b20 – 23 I 5, 1254b24 – 31 I 5, 1254b34 – 1255a1
32 75, 105 9 80 106 35 43, 122 33, 47 135 120, 127 35 36, 99 9 36, 54 36 9, 35 11 136 4 4 65 98 4 5 85, 109 85 7 32, 35, 81 81 71 71, 142 32 11 7, 108 75, 83, 86 9, 16 8 43, 111 117 111, 127 9, 80 133 104, 112 9, 16 128 7, 71, 98 127
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162
Stellenregister
I 5, 1255a1 – 3 I6 I 6, 1255a4 – 12 I 6, 1255a5 – 6 I 6, 1255a6 – 7 I 6, 1255a21 – 32 I 6, 1255a26 – 32 I 6, 1255a39 – 40 I 6, 1255b3 – 4 I 6, 1255b4 – 9 I 6, 1255b9 – 14 I 6, 1255b11 I 6, 1255b12 – 14 I 7, 1255b16 – 20 I 7, 1255b20 – 30 I 7, 1255b30 – 37 I 7, 1255b31 – 33 I 7, 1255b34 – 37 I 8 – 10 I 8, 1256a1 – 3 I 8, 1256a31 – 32 I 8, 1256b23 – 26 I 8, 1256b30 – 37 I 9 – 10 I 11, 1258b10 – 11 I 12, 1259a37 – b1 I 12, 1259b4 – 6 I 13 I 13, 1259b21 – 28 I 13, 1259b26 – 28 I 13, 1260a4 I 13, 1260a7 – 10 I 13, 1260a12 I 13, 1260a18 I 13, 1260a33 – 36 I 13, 1260a39 – b2 I 13, 1260b8 – 13 I 13, 1260b13 – 14 II 1, 1260b30 – 31 II 1, 1260b37 – 1261a1 II 2, 1261a10 – 15 II 2, 1261a31 II 2, 1261a32 – b5 II 2, 1261b11 – 15 II 4, 1262b1 II 5, 1263b3 – 14 II 5, 1264a18 – 22
5, 9, 16 85 109 77 2, 5 125 77 126 121 5, 9, 16 83 139 9, 16 5 72, 132 71, 84 7 7, 72, 104, 132 121 7 86 5, 85 85 86 86 4, 5, 96 3 132 83 136 99 5, 96 127 33, 131 7, 71, 98 7, 71 f., 75 61 4 58 4, 66 35 37 3 74 39 37, 85 6
II 5, 1264a34 – 36 II 5, 1264b17 – 22 II 6, 1265a17 – 18 II 6, 1265a28 – 38 II 7, 1266b26 – 28 II 7, 1267b1 – 13 II 7, 1267b13 – 19 II 8, 1268a17 – 20 II 8, 1268a20 II 8, 1269a11 – 12 II 9, 1269a34 – 36 II 9, 1269a36 – 39 II 9, 1269b7 – 12 II 11, 1273a32 – 35 II 12, 1274a15 – 18 II 12, 1274a18 III 1, 1274b38 – 41 III 1, 1274b41 III 1, 1275a5 – 11 III 1, 1275b2 – 4 III 1, 1275b17 – 21 III 3, 1276b1 – 4 III 4, 1276b26 – 29 III 4, 1276b30 – 35 III 4, 1276b35 – 1277a5 III 4, 1277a5 – 12 III 4, 1277a25 – 27 III 4, 1277a33 – 37 III 4, 1277a33 – b1 III 4, 1277a37 – 38 III 4, 1277a37 – b1 III 4, 1277b3 – 7 III 4, 1277b7 – 10 III 4, 1277b13 – 16 III 5 III 5, 1278a7 – 13 III 5, 1278a10 – 11 III 5, 1278a11 – 12 III 6 – 8 III 6, 1278a29 – 34 III 6, 1278b15 – 24 III 6, 1278b19 III 6, 1278b20 – 24 III 6, 1278b30 – 1279a9 III 6, 1278b32 – 37 III 7, 1279a40 – b1 III 7, 1279b6 – 7
6 34 41 85 86 85 f. 7, 78 6 6 31 7, 71 6 87 7, 71 5, 6, 79, 105 6 4, 61, 66 79 5, 79, 105 42 4, 34, 66 4, 66 28 42 34 7, 32 3 5, 7, 71, 98 7, 71 f. 72, 132 81 73 3 3 71 75, 81 7, 71, 98 7, 78 61 6 33, 47 12 33, 35 5, 96 8 – 9, 16 34 98
Stellenregister
III 8, 1279b11 – 15 III 8, 1279b15 III 8, 1279b16 – 17 III 9 – 13 III 9, 1280a31 – 34
III 9, 1280a34 – b13 III 9, 1280b5 – 12 III 9, 1280b33 – 35 III 9, 1280b33 – 1281a4 III 9, 1280b40 – 1281a1 III 11, 1282a15 – 17 III 11, 1282a16 III 12, 1282b14 – 18 III 12, 1283a14 – 19 III 12, 1283a18 – 19 III 13, 1283b40 – 1284a3 III 13, 1283b42 – 1284a1 III 13, 1284a3 – 17 III 14, 1285a19 – 22 III 16, 1287a8 – 16 III 16, 1287a16 – 18 III 17, 1287b37 – 39 IV 1 IV 1, 1288b21 – 35 IV 1, 1288b22 IV 1, 1288b26 IV 1, 1288b28 IV 1, 1288b29 IV 1, 1288b34 – 35 IV 3 IV 3, 1289b27 – 29 IV 4, 1290b25 – 38 IV 4, 1291a6 – 8 IV 4, 1291a8 – 10 IV 4, 1291a17 – 18 IV 4, 1291a24 – 26 IV 6, 1292b34 – 37 IV 7 IV 7, 1293b1 – 7 IV 11, 1295b18 – 23 IV 12, 1296b40 – 1297a2 IV 12, 1297a2 IV 15, 1299a20 V 3, 1302b33 – 1303a1
45, 50, 52 44 98 38 5, 6, 9, 33, 47, 79 f., 105, 128 35 39, 41 f., 63 4, 35, 65 33, 35, 39, 47 4, 65 6 6 32 4, 66 5, 79, 105 34 3 9, 36 132, 135 32 3 5, 9, 16 14, 33, 41, 43, 92 63 63 63 63 28 63 61 4, 61, 65 32 5, 71 6, 35, 74 33, 47 32 5 41 42 6 6 6 104 32
V 3, 1303b7 – 9 V 9, 1310a12 – 14 V 9, 1310a35 – 36 V 10, 1310a34 – 40 V 10, 1310b36 – 40 V 10, 1311a2 – 5 V 10, 1311a18 – 20 V 10, 1311a19 V 11, 1313b8 V 11, 1313b32 – 38 V 11, 1315a35 – 38 VI 2, 1317b2 – 4 VI 2, 1317b10 – 13 VI 2, 1317b13 VI 4, 1319b27 – 33 VI 5, 1319b39 VI 6, 1320b33 – 39 VI 8, 1321b16 – 18 VI 8, 1323a5 VII 1, 1323a17 – 19 VII 1, 1323b1 – 2 VII 1, 1323b6 – 8 VII 1, 1323b16 – 23 VII 1, 1323b29 – 33 VII 1, 1323b41 – 1324a2 VII 2, 1324a5 – 25 VII 2, 1324a8 – 13 VII 2, 1324a13 – 25 VII 2, 1324a16 VII 2, 1324b32 – 37 VII 2, 1325a7 – 10 VII 2, 1325a7 – 11 VII 3, 1325a24 – 30 VII 3, 1325a31 – 34 VII 3, 1325a41 – b5 VII 3, 1325b7 – 8 VII 3, 1325b14 – 16 VII 3, 1325b23 VII 3, 1325b30 – 32 VII 4 VII 4, 1325b38 – 39 VII 4, 1326a16 – 21 VII 4, 1326a29 – 33 VII 4, 1326a35 – b9 VII 5 VII 5, 1326b26 – 30 VII 5, 1326b30 – 32
163
41 42 6 6, 71 5 98 6 6 6 7 7 3 6, 74 6 7 28 32 35 80 41 58 32 85 33 f., 47 33 33, 47 34 37 40 5 132 41 3, 6 f., 74, 84 31 5, 96 3 31 33, 131 33 41, 43 41 5, 79, 105 36 35 35, 41 43 38
164
Stellenregister
VII 5, 1326b32 – 33 VII 7 VII 7, 1327b20 – 33 VII 7, 1327b23 – 36 VII 7, 1327b36 – 38 VII 8, 1328a21 – 35 VII 8, 1328a21 – 40 VII 8, 1328a28 – 35 VII 8, 1328b5 – 19 VII 8, 1328b19 – 23 VII 9 VII 9, 1329a2 – 9 VII 9, 1329a13 – 16 VII 10, 1329a40 – b5 VII 10, 1330a4 – 5 VII 10, 1330a25 – 28 VII 10, 1330a25 – 30 VII 10, 1330a25 – 33 VII 10, 1330a26 – 28 VII 10, 1330a30 – 31 VII 10, 1330a31 – 33 VII 13, 1331b39 – 1332a2 VII 13, 1332a21 – 22 VII 13, 1332a38 – b8 VII 13, 1332b2 – 4 VII 13, 1332b10 VII 14, 1332b25 – 29 VII 14, 1333a3 – 6 VII 14, 1333a3 – 11 VII 14, 1333b38 – 41 VII 14, 1333b38 – 1334a2 VII 15, 1334a20 – 22 VII 15, 1334a36 – 40 VII 15, 1334b25 – 28 VII 16, 1335b16 – 19 VII 17, 1336a39 – b12 VII 17, 1336b7 – 12 VII 17, 1336b10 – 11 VIII 1 VIII 1, 1337a8 – 9 VIII 1, 1337a14 VIII 2, 1337b17 – 21 VIII 4, 1338b12 – 32 VIII 6, 1341a13 – 17 Oikonomika (Ps.-Aristoteles) I 1, 1343a1 – 4
61 132 6 134 41 f., 63 61 5, 8, 79, 105, 140 7 35 4, 66 138 137 138 132 61 6 132 10 135 7, 74, 78 86, 132 137, 142 37 134 9 137 3 8 73 5, 71 84 5, 7, 71 6 138 4 6 6, 74 85 41 f., 63 40 42 73 9, 80 9, 80 97
I 2, 1343a20 – 21 I 5, 1344a22 – 26 I 5, 1344a25 – 26 I 5, 1344b3 – 4 I 5, 1344b15 – 16 I 6, 1345a12 – 13 Rhetorik I 2, 1356a27 I 8, 1366a8 – 16 I 9, 1367a32 II 3, 1380b19 Fragmente 658 Rose Augustinus Confessiones XI 23,30
80 79 72 86 86 86 36 42 74 86 80
122
Demokrit bei Stobaios IV, LXII, 45, S. 430, 2 – 3 Wachsmuth (DK 68 B 270) 72 Diogenes Laertios Lebensgeschichten und Meinungen von berühmten Philosophen V, 292 16 V, 330 55 VII, 121 – 122 28 Euripides bei Stobaios IV, XIX, 15, S. 425, 4 – 5 Wachsmuth (fr. 49 N.2) 11 Heraklit DK 22 B 8 DK 22 B 10 DK 22 B 53 DK 22 B 54 DK 22 B 80
1 1 1 1 2
Hesiod Theogonie 26 Opera et Dies 405
11 80
Philon von Alexandria De opificio mundi § 104
122
Stellenregister
Platon Apologie 37c1 – 2 Gorgias 450b6 – c2 464b4 – c5 465a2 – 5 465c4 482e2 – 484c3 484a4 – b1 488b2 – 492c8 502e2 – 508c3 504d1 – e4 513d1 – 517c1 521d6 – 9 Kriton 48b 52c10 – d3 Nomoi I, 630c1 – 631a8 I, 650b6 – 9 IV, 719e8 – 720e5 IV, 720a7 – e4 IV, 720b2 – 6 V, 726a1 – 729b1 V, 726a4 – 6 VI, 776b5 – c3 VI, 776b5 – 778a4 VI, 777a – 778b1 VI, 777a4 – 6 VI, 777b1 – 778a4 VI, 777b4 – c1 VI, 777d2 – e2 VI, 777d2 – e5 VI, 777d6 – 8 VI, 777d6 – e5 IX, 857c4 – e1 IX, 882a2 – c2 X, 963a1 – 4 Phaidon 79e7 – 80a2 79e8 – 80a8
6 32 36 30, 122 121 121 110 121 41, 63, 94 36 41, 63, 94 41, 63, 94 31 6 41, 63, 94 36 6 72 72 112 6, 85 79 79 80 85 10 79 86 84 121 7 72 85 41, 63, 94 112 6
Philebos 55c – 59d 58b1 – 2 Politeia IV, 430b7 – 9 IV, 444b1 – 5 V, 469b5 – c6 V, 471a6 – 7 VIII, 569a1 – c4 IX, 577c5 – d11 IX, 578e1 – 7 IX, 588b – 589b IX, 588b1 – 589d4 IX, 590c9 – d8 Politikos 258b – 262a 258b4 258e8 – 259c4 259b7 259c1 – 2 259d4 – 6 267c5 – 268d4 268c1 289b7 – c1 293b8 – 9 294a1 300e 305e2 – 6 Theaitetos 173a1 – b4
30 6 80 6 76 76 6 f. 6 74 141 112 6 30 92 33, 93 94 92 94 94 94 80 94 95 95 94 6
Plutarch De audiendis poetis 12, 33D
28
Thukydides Historiae 1.22.4
44
Xenophon Oikonomikos XII, 5 – 7 XII, 17 – 19 XII, 18 – 19 XIV, 6 – 8
84 84 84 84
165
166
Stellenregister
Bibelstellen Altes Testament Genesis 1,28
20
Neues Testament Korinther 7,21 – 24 Galater 3,28 Philemonbrief
28 20, 28 20, 28