Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680-1820: Heft 16-18 Femme [u.a.] [Reprint 2014 ed.] 9783486829389, 9783486561302

Das Handbuch behandelt in über 150 eigenständigen Artikeln den grundlegenden Wortschatz des französischen Ancien Régime

156 55 13MB

German Pages 276 Year 1995

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Femme
Einleitung
Liberté
Modération, Modéré, Modérantisme
Moeurs
Petits-maĩtres, Muscadins, Incroyables, Merveilleuses
Siècle
Artikelliste
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Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680-1820: Heft 16-18 Femme [u.a.] [Reprint 2014 ed.]
 9783486829389, 9783486561302

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Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 - 1820

Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 - 1 8 2 0

Herausgegeben von Rolf Reichardt und Hans-Jürgen Lüsebrink Heft 1 6 - 1 8 Femme Anette Höfer/Annette Keilhauer Liberte Gerd van den Heuvel Moderation, Modere, Moderantisme Georges Benrekassa Moeurs Georges Benrekassa Petits-maitres, Muscadins, Incroyables, Merveilleuses Anette Höfer Siecle Dieter Gembicki

R. Oldenbourg Verlag München 1996

Das Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 - 1820 erscheint als Band 10 der Reihe Ancien Regime, Aufklärung und Revolution (hrsg. von Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer).

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich : 1680 - 1820 / hrsg. von Rolf Reichhardt und Hans-Jürgen Lüsebrink. München : Oldenbourg. (Ancien ^gime, Aufklärung und Revolution ; Bd. 10) NE: Reichardt, Rolf [Hrsg.]; GT

© 1996 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Hofmann-Druck GmbH Augsburg Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-56130-8

Inhalt Vorwort

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Femme / Anette Höfer und Annette Keilhauer

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Liberie / Gerd van den Heuvel

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Moderation, Modere, Moderatisme / Georges Benrekassa

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Moeurs / Georges Benrekassa

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Petits-maitres, Muscadins, Icroyables, Merveilleuses / Anette Höfer

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Siecle/Dieter Gembicki

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Artikelliste

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Vorwort Als ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstütztes Vorhaben ist das Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich bisher durchgängig als deutschsprachiges Werk erschienen. Dies bedeutete nicht nur, daß sich zur Verdeutschung der fremdsprachigen Manuskripte fortgeschrittene Studenten, Kollegen und die Herausgeber unentgeldlich engagierten, sondern war auch mit einem erheblichen redaktionellen Zusatzaufwand verbunden. Solche Bemühungen kamen zwar deutschen Lesern entgegen, unterschätzten jedoch das wissenschaftliche Interesse, das dem Werk besonders im englisch- und französischsprachigen Ausland entgegengebracht wird. Daher haben sich die Herausgeber - beginnend mit dem vorliegenden Heft - entschlossen, alle Beiträge zum Handbuch jeweils in der Sprache zu belassen, in der sie ursprünglich abgefaßt wurden. Dies entspricht der internationalen wissenschaftlichen Kooperation, auf die das Handbuch gegründet ist, und wird - so ist zu hoffen - auch seiner Verbreitung förderlich sein. Die Herausgeber

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Femme ANETTE HÖFER / ANNETTE KEILHAUER

Einleitung I.

II.

Kontinuität des traditionellen Frauenbegriffs im Ancien Regime 1. Die Frau als Gefährtin des Mannes 2. Die Reduzierung der Frau auf ihre Körperlichkeit 3. Die Frau als unbezähmbares Wesen 4. Die Mutterschaft als Erfüllung der Frau Ansätze zu einem oppositionellen Frauenbegriff im 17. Jahrhundert 1. Christlicher und rationaler Feminismus 2. Die mondäne Salondame als Antithese der ,keuschen Christin' 3. Die „femme forte" zwischen .hero'isme' und .chastete'....

III. Lockerung des konservativen Frauenbegriffs im Zeichen der Aufklärung 1. Die Entstehung einer Frauenliteratur. Fortführung kritischer Ansätze des 17. Jahrhunderts 2. Gebildete Frauen in den Salons 3. Die Frau als ,etre egal' bei den Aufklärern?

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IV. Wortergreifimg und Verstummen: Logomachie um die ,Frau' in der Französischen Revolution 1. Erste Gleichheitsforderungen der ,Dames Francises' 2. Vom ,sexe meprise' zur,femme citoyenne': Olympe de Gouges und Ansätze zu einer,feministischen' Bewegung 3. Politisches Engagement der Frau in revolutionären Clubs 4. Von der,femme homme' zur ,mere de famille'

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V. Restauration des konservativen Frauenbegriffs

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Literatur

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Einleitung Die für die Bestimmung des Begriffs femme entscheidenden Konnotationen bleiben auf der allgemeinsprachlichen Ebene von der Mitte des 17. Jhs. bis ins frühe 19. Jh. konstant. Dies gilt letztlich auch für die Zeit der Französischen Revolution: Sie bringt keinen radikalen Konnotationsbruch, sondern in ihrem Verlauf verschärft sich eine Polarisierung zwischen zwei schon vorher vorhandenen Bedeutungsvarianten: mere de famille versus bestiaire. Denn nicht die Reife des kollektiven Bewußtseins, sondern erst die vorübergehende Wertdesorientiertheit verbunden mit einer extremen Politisierung machen den Versuch von .Frauenrechtlerinnen' und aufgeklärten Männern möglich, die von der Aufklärung zwar theoretisch propagierte, doch für die gesellschaftliche Praxis abgelehnte Gleichheit von Mann und Frau während der Revolution zu institutionalisieren. In der herrschenden Meinung findet der Begrifffemme kontinuierlich seinen Endzweck in dem Verweis auf die Funktion der Frau als Arterhalterin und auf die in diesem Zusammenhang notwendigen gesellschaftlichen Bedürfnisse. Die Modalitäten der Integration der ,Frau' in die soziopolitischen Stukturen prägen den Begrifffemme a priori und erweisen sich als so zäh und tragfähig, 1 daß sie verhindern, daß neue - gedachte - Konzeptionen in das breite Kollektivbewußtsein eindringen und mit einer Konnotationsveränderung des Begriffs femme auch die gesellschaftliche Stellung des weiblichen Teils der Bevölkerung verändern. Aus der gegen Ende des 18. Jhs. sich bildenden bürgerlichen Öffentlichkeit werden Frauen von vorneherein ausgeschlossen, indem sie der privaten Sphäre zugeordnet werden. Durch diesen Ausschluß werden vorrevolutionäre und revolutionäre Emanzipationsbewegungen zunichtegemacht und die Mutterrolle verabsolutiert.

' M.J. A.N. de CONDORCET: Lettres d'un Bourgeois de New-Haven ä un Citoyen de Virginie, 1787: „il est difficile meme ä un philosophe de ne pas s'oublier un peu lorsqu'il parle des femmes". (Oeuvres, ed. Arago/O'Connor, Paris 1849,1X20).

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Femme

I. Kontinuität des traditionellen Frauenbegriffs im Ancien Regime 1. Die Frau als Gefahrtin des Mannes Die enzyklopädischen Wörterbücher assimilierenfemme am häufigsten mit „la femelle de l'homme" (17562, 17873, 1694, 1762, 17994) mit „compagne et (de) cooperateur commun" (1789)5, mit „compagne de l'homme pour contribuer ä notre bonheur" (1768)6 oder in Form einer Synthese mit „la compagne de l'homme et la femelle de l'espece humaine" (1791)7. Für die allgemeinsprachliche Ebene erweist sich die ausführliche Definition des Dictionnaire de Trevowc (1743) am tragfähigsten: Sie vereinigt alle wesentlichen Bedeutungselemente des Terminus femme, wie sie in ähnlicher Form auch von Condillac (um 1760), Richelet (1680) und Furetiere (1690) sowie dem Dictionnaire de l'Academie (1694 - 1799)8 präsentiert werden: „Creature raisonnable faite de la main de Dieu pour tenir compagnie ä l'homme et pour engendrer des enfans par sa conjonction avec lui; celle qui congoit et qui porte les enfans dans son ventre [...] Femme se dit plus particulierement de Celles qui sont ou ont ete mariees"9. Auch die Encyclopedie nennt diese traditionellen Konnotationselemente: .getreue Lebensgefährtin'„tüchtige Hausfrau' und .liebende Mutter' 10 des Begriffs femme. Dieser wird also in erster Linie durch das Verhältnis zum Mann und zu dessen

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Erw.,

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FERAUD (1788), II 231.

4

Diet. Acad.(' 1694), 1443; ( 4 1762), 1478; ( 3 1798), I 574. Motions adressees ά l'Assemblee Nationale en faveur du sexe, 1789 in:

5

V I ( 1 7 5 6 ) , 4 6 8 , A r t i k e l v o n d e JAUCOURT.

DUHET, 5 4 . 6

Diet. Pitt., I 184. Enc. methodique: Jurisprudence, X 172. 8 In der Reihenfolge: Dictionnaire des Synonymes, 277; RICHELET', I 328; FURETI6RE, I u. II; Diet. Acad1,14-5. 9 3 Diet. Trevoux ( 1732), III 135 - 37. 10 Enc., VI (1756), 468f. " S.a. J. encycloped., VIII 3 (15.XII.1776), 505: „compagne", „amies"; I 2 7

( 1 5 . 1 . 1 7 8 0 ) , 2 4 2 ; ROUILLE D'ORFEUIL: L'Alambic

moral,

1773, 279:

„La

femme a ete creee pour contribuer au bonheur de l'homme". FERAUD, II231 (1787).

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Femme

.Glück' bestimmt11. Dieser Grundtendenz folgend teilt die Encyclopedic methodique (1791)12 die Frauen gemäß der Natur ihres Verhältnisses zum Mann ein und unterscheidet begrifflich die femme mariee, femme naturelle, maitresse, concubine, femme entretenue, courtisane und prostituee. Die Reihenfolge drückt dabei eine doppelte Rangfolge aus: je dominanter die sexuelle Komponente der Beziehung zwischen Mann und Frau, desto niedriger das Ansehen und die soziale Stellung der Frau. Darüberhinaus zeigt diese Aufzählung, daß andere soziale Existenzformen der Frau, ausgenommen noch die des Jungmädchendaseins13 und der Witwenschaft 14 , nicht im kollektiven Bewußtsein verankert waren; so wurde z.B. der Titel femme d'affaire als reine Persiflage in Anlehnung an den komme d'affaire gebraucht und besaß pejorativen Charakter15. Ein modifiziertes Echo dieses institutionalisierten Diskurses über die Frau bildete vor allem die seit dem 16. Jahrhundert existierende populäre Kolportageliteratur der Bibliotheque bleue16. Selten findet man in dieser Literatur eine Verteidigung der Rechte der Frau17. Meist werden dagegen Extrempositionen eingenommen, die entweder die positiven Eigenschaften der Frau hervorheben oder, was häufiger geschieht, vermeintlich weibliche Fehler in den Mittelpunkt nicken 18 . Dieses aus realen

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Enc. methodique: Jurisprudence, X 180 - 82. S. a.: Madame ou Mademoiselle? Itineraires de la solitude 1&-2& siecle. Rassembles par Arlette FARGE et Christiane KLAPISCH-ZUBER. Paris 1984. Encycl. methodique: Jurisprudence, IV (1784), 482. S.a. CHARLON: Lettre ou Memoire historique surles troublespopulaires de Paris en Aoüt et Septembre 1788, Londres 1788, 44f. Vocabulaire socio-politique, XI (1788). Da heißt es beispielsweise: "eile doit etre regardee comme sa compagne et comme faisant une partie de lui-meme". In: Portrait Des Femmes ou Les Femmes Traitees comme Elles le Meritent, in: Le Miroir, 355 - 361. Siehe z.B. La Malice des Hommes decouverte dans la Justification des Femmes, par Mademoiselle J....U.L 'imperfection des Hommes ou le Triomphe du Beau Sexe, Dedie aux Hommes, Par Mademoiselle L*A *D*B*, In: Le Miroir, 363 - 378 u. 379 - 404. S.a. G . BOLLEME: La Bibliotheque bleue: la litterature en France du XVI' au XIX' siecle, Paris 1971, bes. 165 - 1 7 9 . Diese Schwarzweißmalerei findet sich auch bei L A B R U Y 6 R E wieder, der schreibt: „Les femmes sont extremes: elles sont meilleures ou pires que les hommes" (Des Femmes, 1688, in: Les Caracteres de Theophraste traduits du grec avec Les Caracteres ou les Moeurs de ce siecle, Paris 1962, 127).

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Femme

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Gegebenheiten aber auch Imaginärem gespeiste Frauenbild 19 , das meist von Adeligen oder reichen Bürgerlichen verkörpert wurde, entsprach nicht dem Frauenbild des Volkes 20 , sondern propagierte die notwendige Unterordnung der Frau unter den Mann. Der traditionelle und tief im gesellschaftlichen Bewußtsein verwurzelte Gedanke der Unterordnungspflicht und des Gehorsams 21 - „Qui dit femme, dit une chose dependante" 22 - mit dem der Begriff femme hauptsächlich besetzt ist, wurde kontinuierlich von unterschiedlichsten Positionen hergeleitet. So sieht die katholische Kirche in der „soumission" der Frau eine gottgewollte Ordnung: „Je multiplierai", sagt Gott zu Eva, „les peines de tes grossesses, tu enfanteras avec douleur, tu seras assujettie ä ton man, et il sera ton maitre" (1789) 23 . Zugleich galt der weibliche Teil der Bevölkerung in der Volksmeinung als „sexe devote".24 Die vielzitierte Gottesfürchtigkeit der Frau war das Ergebnis einer katechismusorientierten christlichen Erziehung, deren alleiniges Ziel wenn nicht der Eintritt ins Kloster - die Ehe und der damit verbundene Gehorsam war25. Das pädagogische Bemühen galt in erster Linie der 19

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S. Einleitung: „L'Homme et la Femme, un conflit qui traverse la Bibliotheque bleue" zu Le Miroir von A. Farge, 20ff. So bemerkt Madame D E COICY, daß die Gleichheit der Frau gerade in den Unterschichten zu finden sei, da dort die Arbeitsgemeinschaft von Mann und Frau (Feld, Laden, Werkstatt) der männlichen Herrschaft vorbeuge. In: Les Femmes comme il convient de les voir, ou apergu de ce que les femmes ont ete, de ce qu 'elles sont, etdecequ 'ellespourraient etre, Londres, Paris 1785. Vgl. Enc., VI (1756). 469ff. zu Rom, Arabien und zum Judentum sowie Enc. methodique: Jurisprudence, X (1791), 172 - 180 u. ebd. IV (1784), 483f: Rom gilt als beispielhaft und vorbildlich mit seiner patriarchalischen Gesellschaftsstruktur während Sparta sowie Ägypten als wunderliche Ausnahmen genannt werden: „la femme doit necessairement etre subordonnee ä son man et obeir ä ses ordres"; Enc., VI (1756), 469: „La femme est faite pour etre subjuguee." S.a. Enc. methodique: Logique, III (1789), 169: „Saint-Paul nous ordonne d'etre soumises ä nos maris" in: La Femme mecontente de son mari u. La Patience de Griseldis, Femme du Marquis de Saluces in: Le Miroir, 215 - 2 4 9 , 224 u. 3 1 6 - 3 4 2 . COURTIN: Traite de la Jalousie (1674), zit. HOFFMANN, 35. Enc. methodique: Theologie, I I ( 1 7 8 9 ) , 1 3 ; BOSSUET: X I E Elevation sur les my steres (Oeuvres compl.), ed. 1862, IX 47: „Eve est malheureuse et maudite dans tout son sexe". Diet. Trevoux ( 3 1732), III 135f; L A BRUYERE: „Des Femmes" (1688) in: Us Caracteres, 123; „La Femme craint et aime le Seigneur [...]; e'est pourquoy l'Eglise lui donne le glorieux nom de Sexe devot". In: L'Imperfection des Hommes ou le Triomphe du Beau Sexe, Dedie aux Hommes, Par Mademoiselle L*A*D*B*, in: Le Miroir, 379 - 404.

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Herausbildung einer inneren Bereitschaft der Frau, gottesfürchtig und demütig in die ihr vom Gesetz auferlegte Unmündigkeit einzuwilligen26. Der Bildungsschwerpunkt lag dabei auf der Bibellektüre, nicht auf der Schreibfähigkeit, und die Alphabetisierung der jungen Mädchen erscheint der christlichen Sittenlehre sekundär. Nicht kognitive Fähigkeiten, deren kritische Potenz man fürchtete, sollten entwickelt, sondern nützliche, über die Institution der Familie dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge dienliche Fertigkeiten geschult werden: Rechnen, landwirtschaftliche Kenntnisse, Handarbeiten und vor allem sparsame Haushaltsführung. Dieses Lernprogramm galt ausnahmslos für Frauen aller sozialen Schichten. Die für das 18. Jahrhundert wegweisende erziehungstheoretische Schrift von Fenelon {De l'Education des Filles, 1687) und die pädagogische Praxis des 1686 von Madame De Maintenon gegründeten und 1693 in ein Kloster umgewandelten ,Modell-Instituts' in Saint-Cyr zeigen darüberhinaus, daß jene Erziehung gerade auch der .adeligen Frau' zur Erfüllung ihrer Pflichten als Ehefrau, Hausfrau und Mutter einen gesellschaftspolitischen Gegenpol zum Frauenbild der aristokratischen Salon-Kultur bilden sollte27. Mit der Förderung der Rolle der Frau als mulier oeconomica28 - also als sparsam wirtschaftende Hausverwalterin - verband sich die Hoffnung auf eine Stärkung und Regenerierung des wirtschaftlich geschwächten Adels29. Zugleich stand der im christlichen Diskurs verfochtene theoretische Egalitarismus einer Distanzierung der Frauen von der Kirche entgegen, 25

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V g l . z u d i e s e m A s p e k t L o u G E E , 1 7 3 - 194;TOUSSELOT;ALBISTUR/ARMOGATHE,

178f; M . S O N N E T : L'Education des Filles Ä Paris au XVIIP siecle, in: Penelope pour l 'Histoire des Femmes, No 2, Prin. 1980: Education des Filles, Enseignement des Femmes, 11 - 14; NONNOTTE (1774), I, XXXIII, Rezept für die Frau ist „craindre le seigneur", woraus sich dann alle anderen Pflichten wie Treue, Gehorsam, usw. ergeben (1774). S.a. Instruction ä l'usage des Grandes Filles. Pour etre Mariees, in: LeMiroir, 205 -213,207: „Demande: Quel est le sacrement le plus necessaire aux grandes Filles? Reponse: C'est le Manage." Zu kritischen Positionsnahmen diesen Mängeln gegenüber siehe SPENCER/SAMIA: Women and education, in: Diesn (Hrsg.) French women and the Age of Enlightenment, Bloomington 1984, 84 - 94. S.a. Adrienne ROGERS: Women and Law, in: SPENCER, 33 - 48. ROUSSELOT, 1 1 2 - 9 1 . Zur Rolle der Frau in der Salonkultur siehe weiter unten unter II, 2 und III, 2. Begriff von BAADER, Die Frau im A . R . , 3 1 3 ; s.a. E.v. SALLWUERK: Fenelon und die Literatur der weiblichen Bildung in Frankreich von Claude Fleury bis Frau Neckerde Saussure, Langensalza 1886. J . H . BLOCK: Woman and the Reform of the Nation, in: Women and Society, passim; ROUSSELOT, II 384 - 441.

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und die weibliche Religiosität läßt sich in diesem Zusammenhang auch als Ausdruck der Hoffnung auf Befreiung aus der Unterdrückung im Sinne des christlichen Gleichheits- und Erlösungsgedankens deuten30. In der Rechtssprache31 ist der Begriff femme identisch mit dem des ,Mündels'.Ihr Leben lang der männlichen Autorität - des Vaters, Ehemannes oder ältesten Bruders - unterstellt, war die Frau im Ancien Regime vor Gericht sowie in eitern- und vermögensrechtlicher Hinsicht, selbst was ihr eigenes Vermögen anbelangte, nur beschränkt oder gar nicht geschäftsfähig. Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern und Ehren war ihr versperrt, die Berufsausübung bis auf wenige Ausnahmen verboten. In strafrechtlicher Hinsicht wurde dagegen, zum Teil in extremer Weise, auf ihr Geschlecht Rücksicht genommen: So konnte einer schwangeren Frau bei geringfügigen Straftaten die Gefängnisstrafe erlassen werden, bei Kapitalverbrechen wurde die Hinrichtung bis zur Geburt des Kindes aufgeschoben. Auch was das kollektiv begangene Delikt des Mundraubes durch Frauen und Mütter betraf, war es Gewohnheitsrecht, daß jene nicht bestraft wurden. Aber auch Vergehen wie z.B. Falschaussage zugunsten eines angeklagten Ehemannes wurden von der Rechtssprechung des Ancien Regime kaum oder gar nicht geahndet32. Bei Fehlverhalten im Bereich geschlechtlicher Beziehungen traf die Frauen jedoch die volle Härte des Gesetzes. Der Ehebruch der Frau wurde noch immer mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und auf Antrag des Ehemannes mit anschließender, lebenslanger Klosterverbannung bestraft. Frauen, die eine illegitime Schwangerschaft verbargen, konnten öffentlich gezüchtigt, Abtreibung bzw. Kindestötung mit Hinrichtung durch den Strang bestraft werden33. Gesellschaftliche und religiöse Sitten sowie das positive Recht gaben im 18. Jh. die Herrschaft (autorite) also „unanimement et definitivement au male, comme celui qui etant doue d'une plus grande force d'esprit et de corps" (1756). Dabei setzte das positive Recht die „foiblesse" oder 30 31

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Enc., VI (1756), 469. FERRI6RE, I (1762), 6 2 3 - 2 8 , besonders 623f.; BRILLON: Diet, des arrets, Paris 1711, II 182 - 8 9 . J. PORTEMER: La femme dans la legislation des deux derniers siecles de Γ Ancien Regime, In: Etudes de droit prive offertes ä P. Petot, Paris 1 9 5 9 , 4 4 4 f f ; A. ROGERS: Women and Law, in: SPENCER, 33 - 48. CASTAN: La criminalite familiale dans le ressort du Parlement de Toulouse, 1 6 9 0 - 1730,in: Crimes et criminalite en France sous l'Ancien Regime, 17'18e siecles, Paris 1971, 91 - 107; HUFTON, bes. 93f. D U R A N D DE MAILLANE, I I ( 1 7 7 0 ) , 4 7 2 . 1 7 0 8 wird ein diesbezügliches Edikt von 1 5 5 6 bestätigt. GILLES, 2 4 3 u. 2 4 5 - 4 9 .

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„mollesse"34 als natürliche Determinanten der Weiblichkeit voraus; hierbei handelte es sich um eine Vorstellung, die die Funktion des weiblichen Gebärens miteinbezog und der in dieser Form selbst von engagierten Fürsprecherinnen der Rechte der Frau nicht widersprochen wurde35. Hinzu kam, daß nach herrschender Meinung diese durch die Physis der Frau bedingte Schwäche auch ihre kognitiven Fähigkeiten und ethisch-moralischen Qualitäten zu determinieren schien36. Diskurselemente wie „la femme a l'esprit plus foible que l'homme" 37 , „1'ignorance"38, „Absence de genie"39, „sexe leger"40, „bassesse de l'esprit", „apprehensions extravagantes", „Elles ne considerent que l'ecorce des choses"41 beweisen dies. Und Condorcet, ein Gegner dieser verbreiteten Meinung, faßtdies folgendermaßen zusammen: „On a dit que les femmes [...] n'etoient jamais conduites par ce qu'on appelle la raison".42 Der biblische Adam liefert dabei den Beweis für die Überlegenheit des Mannes auch auf intellektuellem Gebiet: „Eve ne savait-elle pas beaucoup moins qu'Adam et pour cette cause, le diable, sachant cela, ne fut-il pas vers eile pour la tenter, η' osant venir ä 1' homme connaissant son grand esprit et savoir?"43 Diese Annahme der geistigen und körperlichen Minderwertigkeit der Frau verstärken die Anatomen noch dadurch, daß sie den Begriff femme gleichsetzen mit einem

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Eric., VI (1756), 471; dieselbe Formulierung in: Enc. methodique: Jurisprudence, IV (1784), 483; Enc., VI (1756), 470 u. 472: „inferieur en force"; BRISSOT: De la Verite (1782), 282: „fragilite"; Enc.methodique: Jurisprudence, X (1791), 484: „delicatesse naturelle"; ROUSSEL: Systeme physique et moral de la femme, 6, In: HOFFMANN, 49; ROUILLE D'ORFEUIL: L'Alambic moral (1773), 284: „delicatesse", „sensibilite des fibres". Enc. methodique: Jurisprudence, X (1791), 172: „les besoins et les accidents de son sexe"; Enc. methodique: Theologie, II (1789), 13; O . De GOUGES bezeichnet die Frauen in diesem Zusammenhang als „foibles" und als „sexe trop infortune" (Dialogue entre la France et la Verite, 1789, 28). Abbe de BELLEGARDE: Le chretien honnete homme, 1736, 129f. BERNARD: Reflexions morales, satiriques et comiques, Cologne 1711, 296. BACH., XXXII 167 (4.VII. 1786). BRISSOT (S. Anm. 3 4 ) , 2 8 2 - 2 8 5 : die Frauen werden vom Geniebegriff ausgeschlossen, da sie sich - wie die historische Entwicklung zeige - nicht aus eigener Kraft von der Unterdrückung befreit hätten. L 'Irreligion devoilee (1774), 8; Enc. methodique: Jurisprudence, X (1791), 485: „le temoignage des femmes en general est leger". MALEBRANCHE: Recherche de la Verite (1668 - 1712), zit. in: HOFFMANN, 95. Zit. in: DUHET, 62 ohne genauen Nachweis. HUARTE: L'Examen des esprits pour les sciences ( 1 6 4 5 ) , 1 7 2 . 17

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„homme manque"; denn - so ihre Argumentation - die Natur habe nun einmal das Bedürfnis, einen Mann zu produzieren, da dieser das vollkommene Geschöpf seiner Art darstelle44. Dieses Argument der Unvollständigkeit der weiblichen Zeugung und Anatomie greift zurück auf eine bereits bei Aristoteles und in der mittelalterlichen Scholastik verwendete Argumentation45. Auch Diderot sieht in dem Vorhandensein von Männlichkeit und Weiblichkeit Unregelmäßigkeiten der Natur, und in diesem Sinne ist für ihn die ,Frau' „le monstre de l'homme"46. Die Verbindung des Begriffs femme mit .Unzulänglichkeit' und Minderwertigkeit' zeigt sich auch in der idiomatischen Redewendung „faire la femme". Ihre verächtliche Anwendung auf einen Mann, „lors qu'il est lache, oisif, effemine, qu'il se delicate trop", zeugt von einem tief im sozialen Wissen der breiten Bevölkerung verankerten Bewußtsein der männlichen Überlegenheit47. So standen die B e g r i f f e superiorite,

autorite,

force,

raison48

in

ständiger Opposition zu dem Terminus femme, was selbst von gebildeten Frauen des 18. Jahrhunderts zumindest formal akzeptiert wird. So schrieb Madame Roland, wenn auch mit einer Diktion, die Zweifel an der Selbstverständlichkeit der männlichen Überlegenheit und damit gleichzeitig das Bewußtsein der eigenen Qualitäten verrät: „encore fautil que mon man vaille mieux que moi, car la nature et les lois lui donnant de la superiorite, j'en aurais honte s'il ne la meriterait pas veritablement."49 2. Die Reduzierung der Frau auf ihre Körperlichkeit Die Bestimmung der Frau in ihrer körperlichen Verfügbarkeit als , joli corps"50 hat eine Tradition, die sich bis zur Revolution beobachten läßt. 44 45

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Enc., VI (1756), 469. Ian M A C L E A N : The Renaissance notion of Woman. A study in the fortunes of scholasticism and medical science in european intellectual life, Cambridge 1980, 8. HOFFMANN, 4 9 3 . Zu Diderots allerdings widersprüchlichen Aussagen über die Natur der Frau: E . BADINTER: Preface, in: A . L . THOMAS, Diderot; Madame d'EpiNAY: Qu'est-ce qu'une femme? Paris, 1989, 22. F u R E T i f c R E , II (1690), Art. „Femme"; CONDILLAC: Dictionnaire des Synonymes (um 1760), Art. „Femme": „On dit figurement qu'un homme est une femme, pour marquer sa foiblesse, sa delicatesse, etc.". MONTESQUIEU: Esprit des lois ( 1 7 4 8 ) , X V I / 2 : „La nature, qui a distingue les hommes par la force et par la raison." Mme ROLAND: Memoires, Paris 1 8 2 0 , 1 1 6 0 zum 2 8 . V I I I . 1 7 9 3 .

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Femme

Davon zeugt die Einschätzung Laclos',der Frauen als „machines ä plaisir"51 bezeichnet, ebenso wie die Klage einer „Dame Fran^oise", die Gesellschaft sehe in den Frauen nur „des idoles de chair, de vils instrumens dans la main des hommes qui n'existerons [sic] qu'autant que nous savons obeir".52 Als Verkörperung eines „rien agreable et charmant" muß die Frau, will sie sich selbst erhalten, ihre Pflichten gegenüber dem Mann erfüllen53 und in Gesetze einwilligen, die sie entrechten und auf deren Zustandekommen sie keinen Einfluß hat. Politisch rechtlos, ohne eigentliche Ausbildung oder erlernten Beruf, in ihrer gesamten Existenz abhängig vom Ehemann und dessen sozialer Stellung54, geht die Frau ausschließlich in der Rolle von Jungfrau, Ehefrau und Mutter auf55. Würde und Achtung können Frauen nur erlangen, wenn sie ihre gesellschaftliche Rolle erfüllen und sich als „filles vertueuses, femmes sensibles et honnetes, meres tendres et indulgentes"56 erweisen. Darüberhinaus fordert der Verfasser des Alambic des loix eine totale Unterwerfung des weiblichen Geschlechts durch seinen Ausschluß von der Erbfolge und jeglichem Besitzrecht sowie durch eine besondere Form der Zivilehe, die sich jedes Jahr erneuern muß. Diese Projekte scheinen ihm geeignet, die Frau zu zwingen „ä etre heureuse, en faisant le bonheur des hommes."57 Dieses gesellschaftspolitische Konzept, das in ähnlicher Form auch Brissot verfolgte58, beraubt die Frau ihres letzten Restes von Unabhängigkeit, denn eigenes Vermö50

„Entre nous qu'est-ce qu'une femme?Unjoli corps, peut-etre une äme" (Les Femmes...

in: GRIMM, II 1 3 8 f . 2 9 . I V . 1 7 5 4 ) .

51

CHODERLOS DE LACLOS: De I 'education

des femmes

52

Remontrances,

des Dames Frangoises (1789), 11 f.

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GRIMM,II 1 3 8 ( 2 9 . I V . 1 7 5 4 ) u. 1 1 1 2 4 0 ( 1 5 . V I . 1 7 5 6 ) : „[...] l i v r i e ä un h o m m e

54 55

Plaintes et Doleances

( 1 7 8 3 ) , zit. in: DUHET, 2 0 8 .

qui exige comme devoir ce que le coeur seul peut accorder ä l'amant qui sait toucher." Enc. methodique: Jurisprudence, IV (1784), 486 u. FERRÄRE, I (1762), 624. Ein Dichter empfiehlt den Frauen in seinem Epitre aux Femmes: „II est un moment dans la vie, qui fait votre bonheur ou vous donne des fers. A vivre sous ses loix quand Thymen vous convient sur le choix d'un 6poux ayez les y e u x o u v e r t s " (MEITRA, X V I I 8 1 , 1 1 . X . 1 7 8 4 ) .

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BRISSOT: Verite (1782), 287f.: „Soyez que la nature vous ordonne d'etre".

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Zit. i n BACH., X V 1 3 7 ( 1 6 . I V . 1 7 8 0 ) .

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Correspondence philosophique et universelle pour le bonheur de I 'homme et de la societe, besprochen in METTRA, X V 1 6 6 . BRISSOT will, daß die Frau ohne Mitgift in die Ehe geht, damit sie dem Ehemann gegenüber gezwungen ist „de les indemniser par tous ces agremens enchanteurs qui rendent l'union des deux sexes si delicieuse, si interessante" (17.IX.1783). In Elemens du

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gen erhielt ihr ein gewisses Maß an Selbstständigkeit gegenüber dem Ehemann. Zugleich verträgt sich dieses Idealbild der Frau nicht mit Wissen und geistigem Engagement, denn eine gebildete Frau' - so Brissot - „ce seroit l'enfer pour celui qui l'epouseroit"59. Diese konservative Konzeption der Frau gipfelte noch am Ende des Ancien Regime in der kategorischen Sentenz: „Attendre qu'elles ne se soucient plus des hommes, c'est attendre qu'ils (sie) ne soient plus bons (sie) ä rien". Einer Frau, die einen anderen Ehrgeiz besitzt, als lediglich den Liebesbedürfnissen des Mannes zu dienen, wird die Bezeichnung/emme rundheraus abgesprochen, denn das weibliche Geschlecht existiere nach dem Willen der Nature „specialement pour plaire ä l'homme". 60

3. Die Frau als unbezähmbahres Wesen Als typisch weibliche Eigenschaften galten im Ancien Regime weithin imagination, sentiment, sensibility, aber auch mobilite, jeux, insouciance62 und caprice63, wodurch Vorstellungsmuster von der starken

59

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republicanisme ( 1 7 9 3 ) rekurriert BRISSOT wieder auf seine Zielvorstellung, nämlich Abschaffung der Mitgift, und fügt die Forderung nach Ausschluß der Frau von der Erbfolge hinzu. BRISSOT: Verite(1782),287f.; s.a. „eruditiondeplacee", „aimableignorance", in: BACH., XXXII 167 (4.VII. 1786); diese Ablehnung der Ausbildung der Frau hat Tradition, vgl. MOLIERE: Lesfemmes savantes (1672): „Je consens qu'une femme ait des clartes de tout; mais je ne lui veux point la passion choquante de se rendre savante" (Akt I, Sz. III). S.a. J.TRUCHET: Moliere et les Femmes Savantes, in: LEINER, 91 - 1 0 1 . Enc. methodique: Logique{ 1789), 169f. u. 166: „II est etonnant de voir dans le coeur de certaines femmes quelque chose de plus vif et de plus fort que Γ amour pour les hommes, je veux dire l'ambition et le jeu. - „de telles femmes rendent les hommes chastes, elles n'ont de leur sexe que les habits." Genauso: J . J . ROUSSEAU: Emile ou de l'Education, Paris 1956, I I 1 2 8 u. 129. S.a. L A BRUYERE: Des Femmes (1688), 127: Zur Opposition zwischen den Begriffen femme und ambition siehe Ε. Β ADINTER: Emile, Emile ou I 'ambition feminine au XVIII' siecle, Paris 1983, 24 - 29. Enc. methodique: Logique, III (1789), 183: „plutot par sentiment que par reflexions"; „la sensibilite secourt Γ esprit"; ,,Un auteur tres-respectable donne au sexe tous les agremens de l'imagination; 166: „elles se conduisent par le coeur"; s.a. ROUSSEL: Systeme physique et morale de la femme (1775) in: J.encycloped. 1776, III/2 (15.IV.1776), 195ff. METTRA, X V I I I 99ff. (13.V.1785), Auszüge aus S. PIERRE: Les etudes de la nature, o.J.

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Gefühlsmotiviertheit und gleichzeitigen Unstetigkeit, j a Unberechenbarkeit der Frau ausgedrückt werden 64 . „La ruse ordinaire de la femme" 65 , die vielzitierte und gefürchtete weibliche List, verstärkt noch diesen Charakter der Unberechenbarkeit. Lediglich vereinzelt wurde die Meinung vertreten, daß jene List nur A u s w u c h s einer Zivilgesellschaft war und im Rahmen des Unterdrückungssystems für das weibliche Geschlecht einer ,Überlebenshilfe' gleichkam 6 6 . Beschreibungen w i e „animal si malin" 67 , „de vraies sauvagesses" 6 8 oder: „les f e m m e s ? II faut les caresser c o m m e les chats" 69 - weisen auf eine Bedeutungsvariante des Begriffs femme, die ein animalisches, emotionales, ausschließlich den eigenen Trieben folgendes W e s e n bezeichnet, dessen Kräfte schwer zu kanalisieren sind 70 . D i e s e naturhaften Kräfte konzentrieren sich auf oder g e g e n den Mann, und ihr M e d i u m ist die beaute71, die zu einer 63

Caprice und insouciance sind „ordonnes par la nature"; vgl. METTRA, II 268 - 70, d e r aus ROUSSEL ( s . A n m . 6 1 ) zitiert (16.XII.1775).

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Enc., VI (1756), wo die Frau als „un animal indomptable" bezeichnet wird. Enc. methodique: Logique, III (1789), 170; BERNARD (S. Anm. 37) 296: „mais eile sent sa foiblesse, et surmonte l'homme par ses ruses". BERNARD spricht auch von „subtilite". S.a. Le Miroir des Femmes sowie La Mechancete des Filles in: Le Miroir, 83 - 108, 89 u. 97 bzw. 133 - 157, 155: „perfidie et trahison". O. De GOUGES: Les Droits de la Femme. A la Reine. Declaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne (IX/1791), 12. La Misere des Maris, in: Le Miroir, 405 - 4 1 1 .

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B e g r i f f v o n DIDEROT i n : HOFFMANN, 5 3 3 .

69

S. PIERRE (s. Anm. 62), in: METTRA, XVIII 100 (13.V.1785). Tiervergleiche in Bezug auf die Frau sind häufig und haben Tradition. Besonders zu erwähnen ist hier das Alphabet de /'imperfection et malice des Femmes (1617, 2 1683) (J.Olivier), 57: „La Femme est un animal si difficile ä connoitre, que le plus bei esprit du monde n'en sfauroit jamais donner une definition assuree". Dies. Formulierung findet sich in La Malice des Femmes, in: Le Miroir, 109 - 131, 123; s.a. 117: „une bonne Femme, une bonne Mule, une bonne Chevre font trois mechantes Betes". Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Vergleiche mit Raubtieren: „un chat bien nourri, qui ne prend des rats que pour s'en divertir" - Lesprejuges du public sur I'honneur in: J.encycloped., 1766, III/l (1 .IV. 1766), 106f.; eine schöne Frau ist für den Verfasser „un vrai traquenard". - Le Miroir des Femmes, in: Le Miroir, 83 - 108, 90: „Tigre", „Lion", „Ourse".

70

„La nature raisonne pour eile" (Enc. methodique: Logique, III, 1789, 183); ROUSSEL (S. A n m . 6 1 ) , i n : METTRA, I I 2 6 8 - 7 0 ( 1 6 . X I I . I 7 7 5 ) .

71

„La beaute, ce mobile puissant" (ROUSSEL, S. Anm. 63), 132; HOFFMANN 381 über ROUSSEAUS Emile: „Au surplus, la beaute de la femme est force aussi; sa grace est une violence faite ä Thomme". - Enc., VI (1756), 472f.: „grace", 21

Femme

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Relativierung der hierarchischen Machtstruktur des Mannes gegenüber der Frau führt72: C'est que le plus fort soit le maitre en apparence et depende en effet du plus foible [...] parune invariable loi de la nature, qui, donnant ä la femme plus de facilitö d'exciter les desirs qu'ä l'homme de les satisfaire fait dependre celuici [...] du bon plaisir de l'autre.73 In diesem Zusammenhang erweist sich die durch das Gebären bedingte Schwäche der Frau als Stärke, denn wozu dienen beaute und avidite der Frau, wenn nicht der Arterhaltung?74 Wenn die Schulphilosophie in diesem Kontext vom „empire des femmes" 75 spricht, so vertritt sie die neben der gängigen These von der naturgewollten Unterordnung ebenfalls traditionelle These von der .natürlichen Herrschaft' der Frau76. Dabei blieb die Sphäre der weiblichen Physis und Sexualität dem Mann rätselhaft. Die Frau war ihm als Reinkamation der ursprünglichen Eva eine ständige fleischliche Versuchung77 und in diesem Sinne .Zauberin',so daß die Bezeichnung femme auch eine dämonisch-gefahrvolle Dimension besaß: „elles sont toujours assez dangereuses". Mehr noch,

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„beaute"; dem Mann ist zum Kampf gegen die Frau „force", der Frau gegen den Mann „beaute" gegeben. - S.a. METTRA, XVIII81 ( 1 1 .X. 1 7 8 4 ) ; sowie L A BRUY6RE: Des Femmes ( 1 6 8 8 ) , 112 - 1 1 5 u. 129; J . M O R E L : La Place de la Femme dans ,Les Caractferes' de La Bruyere, in: LEINER, 1 3 1 - 4 6 . „un certain air d'empire et d'autorite", BELLEGARDE (S. Anm. 3 6 ) , 4 2 3 . Enc. methodique: Logique, I I I ( 1 7 8 9 ) , 1 7 0 . LACLOS: Essai sur la femme, 1 5 7 in: HOFFMANN, 1 5 0 Anm. 1 3 1 : „Les impressions que la beautö fait sur nous n'ont dans le fond pour regie que le sentiment de l'utilite physique". Alphabet (s. Anm. 69): „tres avide animal" (1 - 11), „avidite de son app6tit sensuel" (21). Enc. methodique: Logique, III (1789), 170. Vgl. HOFFMANN, 3 5 1 ; GRIMM, III 2 3 8 : „II semble que les hommes aient voulu, dans tout le temps, se venger par la medisance de l'empire qu'elles exercent sur eux par les attraits vainqueurs de la beaute, et par les prestiges des charmes auxquels rien ne resiste". ( 1 5 . V I . 1 7 5 6 ) ; BELLEGARDE (Anm. 3 6 ) , 1 2 9 : „merveilleux ascendant que les femmes ont sur les hommes". La Malice des Femmes, in: Le Miroir, 108-132,131: „De la ceinture en bas ce n'est que salete, / Bave, sueur et puanteurs vilaines". BELLEGARDE (Anm. 36), 129f u. 133: Die Verfiihrungskünste der Frau sind stärker als die des Teufels, und die Frau ist Ursache der ersten Rebellion des Menschen gegen das göttliche Gebot („caresses empoisonnees"). Abbe DROUET DE MAUPERTIus: Commerce dangereux entre les deux sexes, 1715. Le Miroir des Femmes, in: Le Miroir, 83 -108,92: „N'est-ce point que la femme / Alloit etre un logis oü l'homme trop charnel / Iroit loger son coeur aux depens de son äme, / Et risquer en l'aimant son salut eternel."

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die Idee der zu ewiger Verdammnis verurteilenden Erbsünde ließ die Begriffe femme und mort bedeutungsgleich werden: Dieu ne fit couler en Adam ce sommeil / Qu'afin qu' il ne vit pas sortir de lui la cause, / Qui devoit l'entrainer avec eile au cercueil".78 Demgegenüber barg die Frau aber auch das Geheimnis des Glücks in sich, da sie unter Gefährdung des eigenen Lebens Leben schenkte und in diesem Rahmen antagonistisches Element zu Unglück und Tod war79. Ihre Nähe zur,Natur' und das Wissen über elementare Lebensvorgänge und Körperfunktionen80 mag die Ursache dafür sein, daß man die Frau oft in Verbindung mit Okkultismus, Magie und auch mit Aberglauben brachte.81 So wurde sie zum „etre mysterieux"82, das den Mann bedrohende Kräfte freisetzen konnte.

4. Die Mutterschaft als Erfüllung der Frau Der wesentliche Aspekt des traditionellen Frauenbegriffs gründet sich auf die Mutterschaft83. Hier setzt der rechtliche und ethische Begründungsmechanismus an, der die Frau in die gesellschaftlich untergeord78

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Ebd. 91 u. 93: „disciple de Satan", ,,demons"(98); ROUSSEL (s.Anm. 61), in: METTRA, II 269 (16.XII. 1775); La Misere des Maris, in: Le Miroir, 405 - 411, 409: „Le coeur ensorcele par Γeclat de ses yeux". L'Imperfection Des Hommes ou le Triomphe Du Beau Sexe, in: Le Miroir, 379 - 404, 382: „Eve est la vie", „Mere des Vivans" (384). Der Comte De LUPP£: Les jeunes filles ä la fin du XVIII' siecle, Paris 1925 vertritt die Ansicht, daß die jungen Mädchen in der Regel ohne Prüderie aufgezogen wurden und über die biologischen Vorgänge gut informiert waren; als Beispiel führt er Manon Philipon, die spätere Madame Roland, Genevieve de Malboissiere und Mile. Diderot an (100, 118 - 124). S.a. ALBISTUR/ARMOGATHE, 141: Frauen verfügten über natürliche Verhütungsmittel, die es ihnen erlaubten, den Zeitpunkt ihrer Mutterschaft selbst zu bestimmen bzw. sich gegen eine solche zu entscheiden. Diese Tradition der Nähe der Frau zur Natur wird in der Rousseauschen Theorie dann in einen neuen Argumentationszusammenhang gebracht, siehe weiter unten unter 111,3.

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Enc., V I ( 1 7 5 6 ) , 4 7 0 ; BERNARD ( A n m . 37), 2 9 6 ; J . - M . SALLMANN: Sorcifere, in:

Histoire des femmes, Vol. III, 446 - 507. HOFFMANN, 533 greift hiereinen Begriff von DIDEROT: Sur les Femmes auf, der sagt: „[...] le Symbole des femmes en general est alle de Γ Apocalypse sur le front de laquelle etait ecrit Mystere." (In: Qu'est-ce qu'une femme, 180). Enc. methodique: Logique, III (1789), 166. Hier wird von einer „destination propre" gesprochen, die die Frau zum ,,sexe[s] que la nature a charge du depot des enfants" (171) macht. 23

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E C O U T E Z

SUR

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L A

L'l Μ Ρ ERF

D E S

V E R I T E

ECTIO

F E M M E

Erame ft ton cfprit audadeux & voiage pouvoit connourc la fort de ta niifcre , la vanitc' de re condition, tu fuirois ta lumterc du Soieil, fit entrerois dans le groideacavwnes mm PaveugJement «M»i t'öt* « t t c conmoiffeoce , fek que tu demeerc* dam Je monde la plus imparfeite cr&ture dc tout I'univers, I'rfcumede U n«tore, le femmaire Act malheurt, le jcu des infenfet, le ftea« i...de l'Eglise, 1788, Vorwort, 7f.: „Ce siecle plus rheteur que philosophique". D ' A R T A I Z E [ 107], 6 1 ; - „Moi je l'appellerois le siecle du papier", in (CLEMENT (1788), II 120). Diese Entwicklung wird von VOLTAIRE antizipiert: „Ce siecle ridicule est celui des brochures/Des Chansons, des extraits, et surtout des injures." (Epitre XCV A Mile Clairon 1765, abgedr. in ders.: Oeuvres completes, ed M O L A N D , X 386). So werden aus den Befürchtungen der Aufklärer handfeste Vorurteile, d.h. Waffen im Arsenal der antiphilosophischen Kritik. FANTIN-DESODOARD [ 112]. Ähnlich CONDILLAC: „l'ignorance des siecles polis [...] nos siecles de barbarie" (La languedes calculs [1798], in ders: Oeuvres, 23 Bde, Paris 1798, XXIII 201). D ' A R T A I Z E [107], 1 5 6 ; „ces demiers siecles de depravation et de despotisme" (zitiert in anon.: L'Aristocratie enchainee, II: L'Etat actuel du Clerge (3.10.1789), S. 7. FANTIN-DESODOARD [ 1 1 2 ] , Vorwort, S . 1 0 . Ähnlich, das allgemeine Vorurteil aufnehmend: Remarques historiques sur la Bastille, Londres 1 7 8 9 , 1 S . VI: „Dans un siecle que le nötre, ou les lumieres ont chasse les restes de l'ancienne barbarie [...]".

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Siecle

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Chronist hält Rivarol das weltgeschichtliche Ereignis fest: „un jour, diasait-on, a detruit huit cents ans de prejuges et d'esclavages, la nation a repris ses droits, et la raison est rentree dans les s i e n s " 1 D e r Blick von Palmyra bietet Volney die einzigartige Warte, um das Ereignis welthistorisch einordnen zu können als siecle nouveau, siecle d'etonnement'18. Ein Zuschauer beschreibt den Sturm auf die Bastille als ein barockes Spektakel: „l'admiration des siecles" 119 . 2. Radikale und bürgerliche Revolution blenden „siecle" als Schlagwort aus (1792-1798) Bestenfalls als Kontrastbegriff taugt siecle de lumieres120 in der revolutionären Ideologie. Auch dies endet mit der Einführung der Republik, und so ist siecle als aufklärerisches Schlagwort bis zum Direktorium gleichsam aus der öffentlichen Debatte ausgetilgt. Die politische Sprache der Jakobiner ist bekanntlich stark vereinheitlicht. Wohl entschlüpft dem Jakobiner Saint-Just gelegentlich der Ausdruck „siecle du concile 1,7

RIVAROL: Journal politique et national, ed. W. de SPENS, Paris 1964, 33. An dieser Stelle referiert der Journalist lediglich, ohne Stellung zu nehmen. 118 C.F. VOLNEY: Les Ruines ou Meditations sur les Revolutions des Empires (1791), Paris/Geneve 1971,86. Dem „siecle nouveau" ist Kap. XV gewidmet (ebda 93-99). Der Bastillesturm bilde eine Wasserscheide: „Le siecle dans lequel nous entrons [...] Oublions les epoques precödentes & recommen^ons ä compter cette annee, comme de la premiere de l'ere de la constitution", in [L. CHARPENTIER]: La Bastille devoilee, lere livraison, Paris 1789, 156. " 9 Anonym: La corruption de l'Assemblee Nationale, o.O. 1790, 5. - Der radikale Neuanfang führt zu einer chronologischen Schwierigkeit. Wo soll man den Nullpunkt der Geschichte ansetzen: mit der Einberufung der Generalstände, der Erstürmung der Bastille oder der Ausrufung der Republik? Der Jakobiner Simond apostrophiert z.B. den „siecle de la liberte et de l'egalite" 19.9.1792, in: AULARD: Jacobins, IV 304. S.a. das Lied von DAMADE: „La France ouvre un siecle tout neuf', in: Couplets surle calendrier republicain 120

( 1 7 9 3 ) , zit BARBIER/VERNILLAT, I V , 141.

Ein anonymer Autor führt einen Rundumschlag aus: „l'irreligion reduite en systeme et le vice erige en principe", „Rome n'eut pas longtemps le genie de notre siecle sans perdre ses vertus" sowie „la desastreuse Declaration des Droits"; die neue Situation sieht er als eine Verkehrung der aufklärerischen Ideale an: „s'il est vrai que nous soyons dans le siecle des lumieres, sortons d'un etat de tenebres et d'enfance qui fait honte ä la raison" (La Decadence de l'Empire frangois, o.O. [1790] 19, 22, 24, 32). Dieser Beleg zeigt die Politisierung des Begriffes siecle des lumieres. Eine positive Bewertung: „Les ginies du dix-huitieme siecle ont tant jette de lumiere [...] (La Quotidienne, No. 212, 19.6.1795, If.) - „En parcourant les Memoires et les Monu-

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de Trente", doch dient ihm als Politiker, ähnlich wie Robespierre, das Wort siecle/s in der Regel als rhetorisches Versatzstück: „depuis plusieurs siecles", „dans les siecles passes" 121 . Robespierres Vorliebe der Pluralform erinnert an die barocke Metaphorik: „mais le regne d'un peuple est d'un jour; celui des tyrans embrasse la duree des siecles" 122 . Robespierre, Verkörperung der radikalen Revolution, inspiriert seinerseits den Neologismus siecle de Robespierrem. Die Tendenz der Hoch- und Spätaufklärung, den „grand homme" zu aktualisieren, wird also in der Revolution fortgeführt. Den Schnittpunkt zwischen Ancien Regime und Revolution, d.h.zwischen altem und neuen Wortgebrauch, bezeichnet Condorcets politisches Wirken, dies bezeugen Ausdrücke wie „siecle d'Alexandre" und „ignorance et corruption de chaque siecle". Sein geschichtsphilosophischer Entwurf zielt dagegen darauf, den Begriff siecle aufzuheben. Seine Gliederung der Weltgeschichte in zehn übergreifende, „epoques"124 genannte Zeitabschnitte macht eigentlich siecle als historische Kategorie überflüssig.

121

ments de Louis XIV" (CHAMFORT: Maximes et pensees, ed. CL. ROY, Paris 1963,64); „[...] tous les personnages qui ont illustres le siecle de Louis XIV, et qui sans doute l'auroient mieux merite que Descartes. Voltaire et Desilles" (Artikel über das Pantheon, in: L'Ami du Peuple No 421, 6.4.1791, 7). SAINT-JUST: Esprit de la revolution et de la constitution de France ( 1 7 9 1 ) , in: ders.: Oeuvres completes, ed. M . DUVAL, Paris 1 9 8 4 , 2 7 6 - 3 4 8 , hier 3 4 7 , 2 7 7 , 308.

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Oeuvres completes, 6. IV, 495 (10.5.93). Ebda, 6.ΠΙ, 83 (2.1.92). AULARD: Comite de Salut Public, XVI 409 (29.8.1794); ein Gesandter des Wohlfahrtsausschusses schreibt von seiner Mission aus Goupilleau (Aveyron). CONDORCET: Esquise d'un tableau historique des progres de Γ esprit humain, Paris l'an III (1795-96), 158: „Dans l'Orient reuni sous un seul despote, nous verrons une decadence plus lente suivre l'affoiblissement graduel de l'empire; l'ignorance et la corruption de chaque siecle l'emportent de quelques degres sur l'ignorance et la corruption du siecle precedent". Als rhetorische Figuren: „une proposition [...] admise dans tel pays et depuis tel siecle", sowie: „Iis deposeront jusqu'ä la fin des sifecles contre cette doctrine" (ebda, 183, 196). - Zur Epoche als Strukturelement vgl. E. LEWALTER: Das Jahrhundert als Epoche (aetas, centuria, saeculum), in: R.F. 49, 1935, 343351; R. SCHMIDT: Aetates mundi, die Weltalter als Gliederungsprinzip der Geschichte in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 4. Folge, V, Bd. 67, 1955/ 56, 288-317); M . RIEDEL: Epoche, Epochenbewußtsein in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, 2, 1972, 595-599); sowie zur Theorie einer Begriffsgeschichte von „Epoche" H . BLUMENBERG, Aspekte der Epochenschwelle, Cusaner und Nolaner, Frankfurt/M. 1976. ROBESPIERRE:

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Was das Geschichtsbild der radikalen Revolution mit der Aufklärung teilt, ist ihr Manichäismus. Das aufklärerische Überlegenheitsgefühl, auf die Kultur gegründet, lebt in der Revolution im politischen Bereich weiter. Im Bewußtsein der Emanzipation des menschlichen Geschlechtes bleibt dem Revolutionär nur Verachtung für die Zeit davor übrig: ce siecle de boue, la corruption du siecle125. Selbst als der Hinweis auf 1789 zum Ritual erstarrt ist, klingt der große Schwung noch durch: „la grande pensee du premier siecle de l'ere frangais" sowie „le spectacle hideux d'un siecle entier"126. Wohl münzt die Revolution das Wortfeld von siecle um, doch fehlt ihr die Kraft, einen eigenen autonomen Begriff zu schaffen. 3. Das Kaiserreich: anknüpfend an das historische Erbe wird „siecle de Louis XIV" zugleich aufgewertet und historisch relativiert In ihrem Ringen um eine neue Legitimität bemächtigt sich das Kaiserreich des kulturellen Erbes. Was die Revolution verbannt und verdrängt hatte, daran wird jetzt wieder bewußt angeknüpft. Der Kaiser sieht es als seine persönliche Aufgabe an, Reich und nationale Geschichte zu versöhnen. Von den Mitgliedern des neugegründeten Institut de France erwartet er Apologetik, und deren Bekenntnis zum progres de Γesprit hat einen Sinn, nämlich „[fermer] la bouche aux detracteurs de notre siecle"127. Bossuet und die klassische Ästhetik als Vorbilder hinstellen kommt einer Rehabilitierung des ludovizianischen Zeitalters gleich128. 125

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L 'Ami du peuple No 243, (7.10.1790) 3f., über den 5./6. Okt. 1789. - S.a. vom Pariser Jakobinerklub das „Circulaire de la Societe... ä leurs Freres des Departements" vom 19.4.1793 über Marat: „Cet amant de la liberie ne sait point transiger avec les faiblesses et la corruption du siecle" ( A U L A R D : Jacobins, V, 146). M.J. CHENIER: Conseil des cinq-cents, seance du 26 messidor [an VI], in: Moniteur No 298 (16.7.1798), XXX 313-315, hier 314. Napoleons Antwort ist abgedruckt in: [J. L . KESTELOOT], Discours sur les progres des sciences, lettres et arts [depuis MDCCLXXXIX jusqu'ä ce jour ou Comte-rendu par l'Institut de France ä S.M. l'Empereur et Roi], Paris 1809, 80. Was LAHARPE dem Kaiser vorträgt, stellt ein Programm dar: „Etat des Lettres en Europe, depuis la fin du siecle qui a suivi celui d'Auguste jusqu'au regne de Louis XIV", in M.J. CHENIER: Tableau historique de l'etat et des progres de la litterature frangaise depuis 1789 (1808) Paris 1818, 378ff. - „Ce beau siecle" (LEBRETON, zitiert von KESTELOOT [127], 143).

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Gleichwohl wird die Aufwertung, des siecle de Louis XIV, relativiert aufgrund einer onomasiologischen Einschränkung, nämlich der periodologischen Zählung129. Im Kaiserreich bürgert sich der periodologische Es fällt auf, wie selbstverständlich die Berichterstatter Schlüsselbegriffe der Aufklärung verwenden: „les siecles de lumiere" (LEVESQUE ebd. 80); „Tous nos ecri vains ont marche avec la raison de leur siecle, et plusieurs ont accelere sa marche" (CHENIER, ebda, 105) bzw. „siecle philosophique" (ebda, 129); „Γesprit du dernier siecle et les progres de la raison humaine" (CHENIER: Tableau historique, 328). Der Zuwachs an Kenntnissen in den Naturwissenschaften wird einem günstigen Zeitgeist zugeschrieben: „cette heureuse revolution fut favorisee par l'esprit du siecle" (LEBRETON, in: KESTELOOT [127] 155). „On appe^oit ici, comme dans tout autre genre, le progres de l'esprit du siecle" (CHENIER: Tableau, ebd. 136). Ähnlich J.L. SOULAVIE l'aine: Histoire de la decadence de la monarchie frangaise et des progres de l'autorite royale, Paris 1803, 31: ,,le siecle de Louis XIV". 129 Dix-huitieme siecle, in den 60er Jahren ein Homonym zu siecle des lumieres·, VOLTAIRE, D 15660, 2 4 . 5 . 1 7 6 9 , a n d ' A l e m b e r t ; GRIMM, III 3 2 7 ( 1 5 . 1 . 5 7 ) ;

PALISSOT, Oeuvres, Paris 1809, (1777), III, 500f. A.J.L. Gilberts gleichnamige Satire auf Freron, Amsterdam 1775, 118; vgl. Laharpes Rezension im Mercure

de France

( O k t . 1775, II 1 1 4 - 1 2 8 ; s.a. V . RAMACIOTTIS A n a l y s e in

dem Sammelband Ragioni dell'Anti-Illuminismo, ed. L. Sozzi, Alessandria 1992. Eine Umdrehung der Perspektive in Anlehnung an Voltaires Micromegas und die Frühaufklärung (zit. in: Journal de Paris, No 268, 25.9.1781, 1081), wird er in der vorrevolutionären Krise entweder apologetisch (L.S.MERCIER: Entretiens du Palais royal, Paris 1786, 133) bzw. gegenaufklärerisch verwendet („les chefs de la secte philosophique [...], les Francis du dix-huitieme siecle", in: FUCHS [112], 349). Ein Transfer in die Politik liegt vor, eine rein juristische Argumentation, über „Γ histoire de notre siecle, trop tot nomme philosophique", in anon.: De la Feodalite et de l'aristocratie frangaise, 1789, 105. - Die Revolution verstärkt die Dichotomie, das negative Bild überwiegt (ein wertneutraler Gebrauch: „O Beiges du dix-huitieme siecle" eines anonymen Verehrers Josephs des Zweiten, in: Le siecle fiitur. Reve d'un beige. Le 6 ouüt 1791, o.0.1791,21); als positive Kontrastfolie in einer Zeitungsnotiz {La Quotidienne, No 121, If., 19.6.95), während die Kaiserzeit den Begriff dix-huitieme siecle geradezu kultiviert, er ist Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses. Ohne den Begriff zu thematisieren, verwendet MORELLET ihn in seinen Memoires de l'abbe Morellet sur le XVIIle siecle et sur la Revolution (Paris 1821, 2 Bde). Als philosophie du XVIIle verwandelt sich siecle de lumieres unterderhand in ein historisches Phänomen, z.B. bei A. FERRAND: L'esprit de l'histoire, ou lettresphilosophiques et morales d'un pere ä son fils (1802), 4 Bde, Paris 1803,1, XVIII. - Daß sich der periodologische Begriff nach 1800 endgültig durchsetzt als unentbehrliches Fachwort in der Philologie und der Kritik, ist eine Leistung der Kaiserzeit; z.B. Salverte, zit. in R. MORTIER: Le „Tableau litteraire de la France au XVIIle siecle". Un episode de la „guerre philosophique" ä

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Begriff siecle in der Literaturwissenschaft ein im Sinne einer relativierenden Kategorie130. Allerdings ist dem auf die Idee der decadence fixierten Ideologen de Bonald das aufklärerische Gedankengut so verhaßt, daß er noch den chronologischen Begriff dix-huitieme siecle verwirft unter dem Vorwand, diesem Zeitalter habe es an lumiere gemangelt 131 . De Maistre, nicht weniger affektiv, geißelt den Militarismus als horreur de notre siecle132. Dagegen operiert Madame de Stael mit dem periodologischen Begriff 133 , sie ist auch nicht bereit, das Erbe der Aufklärung zu verleugnen. Man kann sagen, daß in ihrem Werk De l 'Allemagne der moralistische Ansatz, in Fortführung der Querelle sur les anciens et les moderl'Academie Frangaise sous l'Empire (1804-1810), Bruxelles 1972, 76; ähnlich M.J. Chenier, zit. ebd. 181-252. 130 MORTIER nennt die in der Kaiserzeit eingeführte Jahrhunderteinteilung „debut de la periodisation seculaire" (ebd. 76), übersieht jedoch die Leistung der Mauriner, die im 18. Jahrhundert weltliche und geistliche Literatur nach dem periodologischen Prinzip ediert haben (vgl. Anm. 48). Wissenschaftsgeschichtlich können sie als die eigentlichen Pioniere gelten. 131 BONALD wägt sorgfältig ab: „le dix-septieme siecle [...] une opulente succession de bonne litterature et de saine philosophie", „le dix-huitieme siecle", „le siecle dernier, une decadence reelle", „le petit esprit [...] l'esprit des petites choses [...] du siecle precedent" und „le siecle qui commence". In ders.: Des progres ou de la decadence des lettres (19.7.1810), abgedr. in ders: Oeuvres, XI, 1886, 282-95. 132 J. De Maistre: Brief vom 22. Juli (3. August) 1804, in MANDOUL: Joseph de Maistre et la maison de Savoie, Paris 1889 (zitiert von E. DERMENGHEM: Joseph de Maistre mystique, Paris 1946,210). Wie unversöhnt de Maistre mit der Aufklärung ist, zeigt folgendes Urteil: „siecle infatue de l'ecriture et brouille avec la parole au point de croire que les hommes peuvent creer des constitutions, des langues et memes des souverainetes"; in ders.: Essai sur le principe generateur, Paris 1814, paragr. 24, zitiert in J. TULARD (ed.): La Contre-Revolution. Origine, Histoire, posterite, Paris 1990, 299. Für das Medium der politischen Karikatur vgl. B.A. DUNKER, La divinite, du siecle (ca. 1798), abgedr. in: La Suisse et la Rävolution Franfaise (Musee historique de Lausanne 1, 1989), Lausanne 1989, 200. 133 „Siecle de Pericles", „siecle de LuisXIV", „siecle des Medicis" sind Anklänge an die Vier-Zeitaltertheorie, während ihr Mittelalterbild von der Revolution vermittelt ist: „On compte dans Γ histoire plus de six siecles, pendant lesquels [...] l'esprit humain a retrograde", in: D E STAEL: De la litterature dans ses rapports avec les institutions sociales, o.0.1800,34,39,67,76,237; 130; 85f. Das Zeitalter der Aufklärung bezeichnet sie abwechselnd als „[litterature] au XVIII siecle", „le siecle du monde le plus corrompu" (ebda 238, 231).

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nes134, sich ausweitet und in der komparatistischen Methode definitive Gestalt gewinnt135.

VIII. „Siecle" in der Restaurationszeit Am Ende der Kaiserzeit ist der Begriff siecle zugleich rehabilitiert und instrumentalisiert im Sinne des Herrscherlobes. Dank dieser zaghaften erneuten Aufwertung durchläuft der aufklärerische Schlüsselbegriff in einem halben Jahrhundert eine Doppelbewegung. Einst Vehikel des historischen Bewußtseins sowie chiliastisches Element hat sich das Schlagwort abgenutzt und einen Tiefpunkt erreicht mit dem Ostrazismus der Jakobiner. Dennoch ist die nicht politisch gelenkte Neubewertung um so überraschender, als die völlige Umwertung des Wortfeldes einem epistemologischen Sprung gleichkommt. Freilich reagiert die nachnapoleonische Intelligentzia sensibler auf politische Parolen, um sich dafür dem romantischen Geist hingeben zu können. Hier liegt ein Paradigmenwechsel vor vom Rationalismus zum Sentimentalismus. Das Wortfeld siecle erweitert sich unerwartet. Neuschöpfungen - analog zum mal du pays'36 entsteht mal du siecle137 - indizieren einen völlig

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Die „forma mentis" ihres historischen Denkens ist von der Querelle sur les anciens et les modernes geprägt; s. dazu E. HARTMAN: Stael, the continuing quarrel of the Ancients and Moderns, and the idea of progress, in: Research Studies, Washington State University, March 1982, 33-45. Hierzu gehört auch der Topos der vier Zeitalter; vgl. A.A. GORJANK: Voltaire's conception of the four great ages of civilisation: its fortune among nineteenth century French critics and historians, these University of Missouri, Columbia 1967, in: DissAbstr. 28, (1967/68), 2683A. „Sous les regnes anarchiques du dernier siecle les hommes de lettres etaient animes par le desir de conqu6rir le gouvemement de leur pays aux principes et aux idees liberales dont Γ Angleterre donnait un si bon exemple" (in: Mme de STA£L: De l'Allemagne (1810), ed. S. BALA YE, Paris 1968,2 Bde, Π 107); „et ce qui fait la difference des siecles entre eux, ce n'est pas la nature toujours prodigue des meme dons, mais l'opinion dominante ä l'epoque oü Ton vit: si la tendance de cette opinion est vers l'enthousiasme, il s'eleve de toutes parts de grands hommes" (in ebd. II 307). Dank der komparatistischen Methode gehört ihr Hauptwerk gattungsgeschichtlich noch ganz zur Moralistik. Seit den 30er Jahren ist der Ausdruck belegt, bei Sainte-Beuve 1833 (Le Grand Larousse de la Langue frangaise, 1975, IV 3183) und 1835 (FEW I960,11 44ff.). Zum literarischen Phänomen des Weltschmerzes: K. HEITMANN: Der Weltschmerz in den europäischen Literaturen, in: Neues Hand-

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ungewöhnlichen Tatbestand: die aufklärerische Ratio wird endgültig vom romantischen Weltschmerz abgelöst. Wie läßt sich dieses widersprüchliche Phänomen erklären? Der tradierte rationalistische Begriff erweist sich in Parlamentsdebatten als politisch diskreditiert138. Andererseits kommt, wenn nicht alle Anzeichen trügen, in der Restauration eine semasiologische Entwicklung zum Abschluß, die in der Spätaufklärung einsetzt. Schon damals greift die allgemeine negative Selbsteinschätzung der Aufklärung auf ihr Ideal, den philosophe, über, und diese kritische Haltung führt dann zu einem explosiven Gemisch aus politischer Pamphletliteratur und Pornographie139. Der vorwaltende Moralismus und Sentimentalismus macht es letztlich möglich, le siecle schlechthin als den Ort der Lasterhaftigkeit,

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buch der Literaturwissenschaft, Bd. 15, Europäische Romantik II, ed. K. HEITMANN, Wiesbaden 1982, 59-63. M.-A. W A L L E R : The male malady. Gender, power and the „mal du siecle" in: Diss.Abstr. XLIX (1988/89) 3379A-3380A (Diss. Columbia Univ., 1986). „Cette langueur d'äme qu'on eprouve hors de sa patrie; [...] ce mal du pays. C'est veritablement un mal, et qui ne se peut guerir que par le retour" (CHATEAUBRIAND: Genie du christianisme, 1803,1228, zitiert in: Tresor de la Languefrangaise, 1985, XI223). „[...] ce que Γ on appelle le mal du pays, ce regret indefinissable de la patrie, qui est independant des amis memes qu'on y a laisses, s' applique particulierement ä ce plaisir de causer, que les Francais ne trouvent nulle part au meme degre que chez eux"; in Mme de STAEL: De l'Allemagne (1810), ed. J . de P A N G E , S . B A L A Y 6 , 5 Bde, Paris 1958-1960, Introduction, I S.xi. Ohne die schmerzhafte Erfahrung der Emigration wären beide Zeugnisse nicht vorstellbar. „Siecle. - Texte bannal pour les injures, les calomnies et les outrages des ultra; les royalistes constitutionnels appartiennent au siecle present, les ultra appartiennent au 15e siecle"; in Diet. Ultra, 1823, 90. - „Siecle, Soyez de votre siecle, ne cesse-t-on de dire ä ceux dont les goüts et les sentimens sont contraires aux opinions ä la mode. [...] Sans doute ceux qui parlent ainsi, sont l'ornement et la gloire de leur siecle [...]" (zit. in Diet, de la Cour et de la ville, 1826, 70f)- Wie populär der Begriff nach der Julirevolution ist, zeigt die erfolgreiche Gründung der liberalen Lyoner Zeitung Le Siecle im Jahre 1836. R. D A R N T O N : The High Enlightenment and the Low-Life of Literature in PreRevolutionary France, in Past and Present, No. 51, Mai 1971, 81 -115; ders.: Dans la France prerevolutionnaire: des philosophes des Lumieres aux 'Rousseau des ruisseaux' (1971), in ders.: Boheme litteraire et revolution. Le monde des livres au XVIIIe siecle, Paris 1983, 7-41. Dieses aus politischer Untergrundliteratur und Pornographie gebildete Kraftfeld wirkt weiter, nur verschiebt sich in der Revolution der Schwerpunkt von der Literatur auf die Politik; siehe dazu A. de Β AECQUE: La caricature revolutionnaire, Paris 1988, 24f, 190-194.

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in der Regence z.B., zu identifizieren140. Derart ist bei Sade die rationale Konnotation einer affektiven gewichen. „Flux et reflux", so hat Montesquieu in Anschluß an die Antike den Lauf der Weltgeschichte gesehen. Das gleiche gilt mutatis mutandis im Wortfeld siecle. Seit dem Hochabsolutismus wird er kontinuierlich ideologisch aufgeladen, triumphiert als Schlüsselbegriff der Aufklärung und überlebt seinen tiefen Fall nur als Terminus technicus, von einer kurzen Scheinblüte in der Romantik abgesehen. Die Nachwelt hat den aufklärerischen Anspruch gleichsam auf Goldkörner hin gesiebt, mit einem Wort relativiert. Doch sind Kraft und Magie dieses Schlüsselwortes selbst dort nicht vollkommen verblaßt, wo gerade dieser Anspruch bestritten wird.

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„... et quant aux crimes, on vivait alors dans un siecle oü il s'en fallait bien qu'ils fussent recherches et punis comme ils l'ont ete depuis"; in SADE: Les Cent Vingt Journees de Sodome [ 1787], in ders: Oeuvres, ed. M. DELON, Paris 1990, 47. Vgl. „les frivolites du siecle", Brief von Caraccioli an den Finanzminister, 13.8.1788, abgedr. in R. DARNTON: Boheme litteraire, ebd. 13, s.a. F.C. LOZEMBRUNE: Tableau des moeurs d'un siecle philosophe. Histoire de Justine de Saint-Val, Mannheim 1786. Zur vorrevolutionären Zeitströmung des Sentimentalismus vgl. A. DELON: L'idee d'energie au tournant des Lumieres (1770-1820), Paris 1988.

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Literatur Die Entstehung der modernen Jahrhundertrechnung. Ursprung und Ausbildung einer historiographischen Technik von Flacius bis Ranke, Göppingen 1971 (Göppinger Akademische Beiträge Nr. 43). W . KRAUSS: Der Jahrhundertbegriff im 18. Jahrhundert. Geschichte und Geschichtlichkeit im 18. Jahrhundert, in ders.: Studien zur deutschen und französischen Aufklärung, Berlin 1963, 9-40. R . MORTIER: „Lumiere" et „Lumieres", histoire d'une image et d'une idee, in ders.: Clartes et Ombres du Siecle des Lumieres. Etudes sur le XVIIIe siecle litteraire, Geneve 1969, 13-59. A. NIDERST: Le sens du mot „siecle" dans la langue classique, in: RM 39, 1971, 207-219. J. SCHLOBACH: D U siecle de Louis au siecle de Frederic? in: Le Siecle de Voltaire: Hommage ά Rene Pomeau, ed. Ch. Mervaud et S. Menant, 2 Bde, Oxford 1987, II, 831-846. G. STADTMÜLLER: „Saeculum", in: Saeculum 2, 1951, 315-320. J. BURCKHARDT:

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Artikelliste

Artikelliste Numerische Zusätze bezeichnen den Ort des Erscheinen des jeweiligen Artikels (ζ. B. 3/36 = Heft 3, Seite 36 ff.) Abus Administration, Bureaucratie Agiotage, Agioteur 12/7 Amerique - Angleterre Anarchie, Anarchiste Analyse, Experience 6/7 Ancien Regime - Nouveau Regime Antiquite Aristocratie, Aristocrate Art, Arts et Sciences Artisan, Artiste Atheisme, Athee Autorite, Pouvoir, Puissance Avocat Barbarie, Civilisation Vandalisme 8/7 Bastille 9/7 Bien commun, Esprit public Bon Sauvage Bonheur, Felicite publique Bourgeois, Bourgeoisie Canaille, Populace Capitaliste, Banquier, Financier 5/27 Caste, Classe Censure, Liberie de la presse Charite, Bienfaisance Citoyen - Sujet, Civisme 9/75 Civilite 4/7

Clerge Club, Cercle, Sociabilite Commune(s) Complot, Saint-Barthelemy Concorde, Division, Fraternite, Union, Unite Condition, Etat, Naissance, Qualite, Rang Conservateur Constitution, Constitutionnel 12/31 Convention Conversation, Demagogue, Orateur Corps, Etats, Ordres Corruption, Decadence 14/7 Cosmopolitisme, Cosmopolite 6/41 Cour, Courtisan Crime Crise Critique 5/7 Cure, Petre Debauche, Libertinage, Libertin 13/7 Deisme Democratie, Democrates, Democratique 6/57 Despotisme, Tyrannie Devotion, Devots Doctrine, Principes Domestique, Valet 13/47 Droit 12/65 Droite - Gauche Economie politique 8/51 Egalite, Egalitaire 273

Artikelliste Elite, Les meilleurs Erneute, Emotion, Desordres, Troubles Enthousiasme Esclavage, Noirs Etat, Chose publique Etre supreme Faction, parti (Girondins, Jacobins, usw.) Familie, Maison Fanatisme, Fanatique 4/51 Feodalite, Feodal 10/7 Femme 16/7 Fermier, Gabelle, Maltötier, Traitant Fermentation Financier, Banquier, Capitaliste 5/27 France, Frangais Gens de lettres, Auteur Gouvernement Guerre civile Guillotine, Supplice Histoire Honnete komme, Honnetete, Honnetes gens 7/7 Honneur, Merite Humanite Ideologie, Ideologues Idiomes, Dialectes, Language Individu, Individualisme Industrie Instruction, Education Insurrection, Revolte, Sedition Interet, Interet public

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Jansenisme, Jesuitisme Justice Liberal, Liberalite Liberie 16/85 Liberie - Egalite - Fraternite Libertinage 13/7 Libre pensee, libre penseur Loi, Legislateur Lumieres- Tenebres Luxe Magistrat, Magistrature Majorite - Minorite Manufacture, Fabrique Marchand, Commergant Negociant Materialisme, Materialiste 5/61 Moderation, Modere, Moderatisme 16/123 Moderne, Anciens et Modernes Moeurs 16/159 Monopoleur, Accaparement Morale Moyen-äge Nation 7/75 Nature, Naturel Noblesse, Nobles Notables Office, Officiers, Venalite Opinion publique Ordre, Desordre 14/61 Ouvrier, Proletaire Parlaments 10/55 Patrie, Patriotisme, Patriate Pauvres, Pauvrete

Artikelliste Paysan, Laboureur Petits-maltres, Muscadins Incroyables, Merveilleuses 16/207 Peuple, Sans-culottes Philosophe, Philosophie 3/7 Police Politique, Machiavelisme Prejuges Prive - Public Privilege, Privilegies Progres 14/101 Proprietaire 13/7 Propriete 13/7 Province Public, Publicite Raison, Werlte Reaction, Reactionnaire Reforme, Reformateur Religion Rente, Rentier Representation politique Republique, Republicain, Republicanisme Revolution, Revolutionnaire Riehes - Pauvres, Patriciens Plebeiens

Robe, Robin Royaute Sens, Sensibilite, Sentiment Siecle 16/235 Societe, Social, Art social Souverain, Souverainete Subsistance, Pain Superstition Systeme Terreur, Terrorisme, Terroriste 3/89 Tiers Etat Tolerance, Tolerantisme Travail, Travailleur Tribun, Orateur Utilite Utopie, Utopiste 11/9 Valet 13/47 Vertu Ville Volante generale

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Mitarbeiter und Autoren von Artikeln Sylvain AuROux/Paris, Keith Μ. BAKER/Stanford, Georges BENREKASSA/Paris, Armin BiERMANN/Siegen, Hans Erich BöDECKER/Göttingen, Elisabeth BOTSCH/ Paris, Nicole und Yves CASTAN/Toulouse, Roger CHARTiER/Paris, Albert CREMER/Göttingen, Otto DANN/ΚΟΙΠ, Andre DELAPORTE/Trier, Michel DELON/ Paris, Clause DESIRAT/Tours, Horst DiPPEiTHamburg, Christof DiPPER/Darmstadt, Henri DuRANTON/Saint Etienne, Arlette FARGE/Paris, Robert FAVRE/Lyon, Elisabeth FEHRENBACH/Saarbrücken, Martin FoNTius/Berlin, Hans-Günter FUNKE/Regensburg, Rolf GEissLER/Berlin, Dieter GEMBicKi/Genf, Maurice GRESSET/ Besanjon, Bernard GROSPERRIN/Chambery, Jacques GuiLHAUMOü/Marseille, Hans Ulrich GUMBRECHT/Stanford, Ran HALEVI/Paris, Frederike J. HASSAUERRoos/Wien, Gerd van den HEuvEiTHannover, Patrice HIGONNET/Cambridge (Mass.), Annette HÖFER/Essen, Jochen Hoocic/Paderbom, Gernod JUNGCURT/ Heidelberg, Barbara KALZ/Montreal, Steven KAPLAN/NCW York, Günther LOTTEs/Regensburg, Hans-Jürgen LüSEBRiNK/Passau, Klaus MALETTKE/Maiburg, Pierre MiCHEL/Lyon, Matthias MiDDEL/Leipzig, Michel MoRiNEAu/ClermontFerrand, Ulrich Christian PALLACH/Erlangen, Erich PELZER/Freiburg, JeanClaude PERROT/Paris, Claude PETITFRERE/Tours, Helmut PFEIFFER/Konstanz, Jeremy PoPKiN/Lexington (Kent.), Rolf REicHARDT/Mainz, Pierre RETAT/Lyon, Ulrich RicKEN/Halle, Jänos RiEsz/Bayreuth, Thomas SCHLEICH/Bamberg, Brigitte ScHLiEBEN-LANGE/Tübingen, Wolfgang ScHMALE/Bochum, Peter SCHÜTTLER/ Paris, Fred ScHRADER/Paris, Winfried ScHULze/Bochum, Michael SCOTTI-ROSIN/ Mainz, William SEWELL/Tucson (Ariz.), Martine SoNNET/Paris, Burkhard STEINWACHs/Konstanz, Karlheinz STIERLE/Konstanz, Christoph STROSETZKI/Münster, Hans-Ulrich THAMER/Münster, Manfred ΤΐΕτζ/Bochum, Anne VIGUIER/TOUlouse, Jürgen Voss/Paris, Michael WAGNER, Eric WALTER/Amiens, Denis WORONOFF/Paris.

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