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German Pages 604 [612] Year 1817
Handbuch -er
Differential« »»* Integralrechnung von
B F. L a c r o i x.
2t u < dem Französischen überse'ht »on
C.
F.
B e t h k k.
Nach der zweiten durchgesehenen und verbesserten Original-Ausgade.
Mit
fünf
K u p fe r t a fr ln.
Berlin,
i 8 « 7*
3 1.1 der Slealschulbuchhandlung.
Vorrede. Uni« den deutschen Lehrbüchern, die Anfangt, gründe der höher» Größwissenschaft enthaltend, ist mir keinS bekannt, das den Forderungen, wo* zu der gegenwärtige erhöhte Zustand der gesamm« ten Größenlehre nöthigt, auf eine zureichende Weise Genüge leistete. Um nun zum Behufe verschiedener über jenen Zweig des Wissens zu haltenden mündlichen Vortrage einen Leitfaden zu haben, ohne doch ganze Abschnitte selbst auS» arbeiten und den Lernenden in die Feder sagen zu dürfen, was mir theils meine, besonders aber meiner Schüler Zeit verbot: so konnte, wo auch französische Werke dieses Gegenstände- zulässig waren, da diese in einem Lande, welches sich besonders neuerer Zeit in den mathematischen Wis senschaften durch schöpferischen Geist und allge mein verbreiteten Eifer so glänzend hervorgethan-
IV
Vorrede.
und zur Entwickelung und Ausbildung einer höhern umfassendem wissenschaftlichen Allgemeinheit der Mathematik hauptsächlich mitbeigetragen hat, in größerer Vollkommenheit gedeihen mußten, zwar nur die Auswahl zu treffen sein. Weil aber das erste Erlernen selbst einer reinen Wis senschaft aus einer fremden, und, wie dies am häufigsten der Fall, noch nicht bis zur nöthigen Fertigkeit für den Denkgebrauch besessenen Spra che, immer jenes als den Hauptzweck genom men, durch ein unvermeidliches Zerstreuen der auf den Gegenstand zu heftenden Aufmerksam keit mit nicht geringem Zeitverlust verknüpft ist: so durfte ich, bei gegebner Muße, das Uebersetzen der nach meinem Urtheile für den ersten Unter richt in der höhern Wissenschaft am meisten geeigneten Anfangsgründe für keine ganz nutz lose Arbeit achten, besonders in Hinsicht der bei weitem größer» Anzahl derjenigen Anfänger in dieser Wissenschaft, denen es an der Kenntniß der französischen Sprache fast gänzlich gebricht. Wenn aber Gründlichkeit, Klarheit und Bün digkeit in den Grundsätzen, Begriffen und Be-
Vorrede.
v
weisen, wenn eine mit tiefer Kenntniß des Ent wickelungsganges eines die Wissenschaft sich an bildenden Gemüthes und mit steter Hinsicht auf den gegenwärtigen Zustand der Größenlehre ge troffene Auswahl des Stoffes, wenn endlich unter den mannigfaltigen Begründungen, welche man der Differential-Rechnung zu geben ge sucht hat, die Darlegung der das Wesen der letztem am lichtvollsten offenbarenden tmb alle andern als Keime in sich schließenden, nämlich die der Grenzenlehre, einem Werke- den Vorzug giebt: so konnte die Wahl des Uebersetzers auf kein anderes fallen, als auf das nach meiner Ueberzeugung alle diese genannten Eigenschaften im hohen Grade in sich vereinigende Werk von Lacroix: Traite clcmentaire de Calcnl disferentiel et de Calcul integral. Um jedoch dieses Buch auch zum Selbstunterricht brauchba rer zu machen, manche Abschnitte etwas weiter aus zuführen und zu ergänzen, letzteres besonders durch eine strenge Durchführung der Grenzenlehre, und vorzüglich, um die oben ausgesprochene Ueberzeu gung über die Urgrundlegung der Differential-
n
Vorrede.
Rechnung
aus ihren Gründen,
wie ich Hesse, voll«
ständig zu rechtfertigen, soll eine eigene kleine Schrift, Erläuterungen und Zusätze in sich begrei fend, dieser Übersetzung als Anhang folgen.
In
deß hege ich den Wunsch, auch schcn durch Ausar beitung Dieser Uebersetzung wenigstens Einigen nütz lich zu werden, und daß dieselbe, enlspi ungen aus dem Bestreben, nach meinen Verhältnissen und Kräften zur Erleichterung im Betriebe des höhern Theils der Größenlehre Einiges beizutragen, eine nachsichtige Aufnahme finden möge. Berlin, den rzsten September 1817»
Der Uebersetzer.
Inhalt.
Erst,er Theil.
Differential-Rechnung. vorläufige Begriffe und Grundsätze von der Differentiirung der Functionen einer einzigen veränderlichen Größe.................................................... Seite ? Was mnit unter dem Worte Function verstehe. ebendas. Von-der Grenze, deren der Verhältnißname der Zu wachse einer Function zu denen der veränderlichen Größe, wovon diese abhängt, empfänglich ist. 4 Erklärungen in Bezug auf die Differential-Rechnung. 6 Bestimmung der Grenze der Product» und de» Quo, tienfc» von zwei Größen, die sich zusammen intern. 9 Regeln für das Differentnren der algebraischen Func tionen mit einer veränderlichen Größe. . . 11 Don den auf einander folgenden Differentiirungen. 19 Entwickelung der Functionen nach den Potenzen ihrer veränderlichen Größe............................................ Taylor sche Lehrsatz.................................................... *4 Von der Differenkiirung der transcendenten Functionen. 26 Von den Cxponential-Functionen und ihrer Entwicke ln, ig...................................................................ebendas. Don de» logarithmische» Functionen und ihrer Ent wickelung....................................................................«8 Verwickelte Exponentiql- Functionen. .... 34 Von den Kreis -Fnnctioncn. .... ebendas. Entwickelung der Kreis-Functionen . . . . 38
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Inhalt.
Sott der Differentiirung beliebiger Gleichungen mit zwei veränderlichen Größen. . . Seite 42 Erklärungen, auf die Gleichungen Bezug habend. .46 Don der (dimimrutig der beständige» Größen. . .49 Don berinugen der veränderlichen Functionen. . .51 Anwendn»- auf die Entwickelung der Funcrionen. ebendas. Erforschung des Größten und Kleinsten der Func tionen von einer einzigen veränderlichen Größe. 55 Erklärung oee Größen und de« Kleinsten. . ebendas. Unterscheit »ngemerkmate, woran man erkennt, ob tut Größtes oder Kleinstes Statt findet. ... 57 Don den Werthen, »vclche in gewissen Fällen dir Dif ferential- Eorfficienten annehmen, und von den Ausdrücken, welche g- werde». ... 6» Erste Regel, de» wahren Werth einer Function, welche 5 wird, zu bekomme»............................... liebiqen Curve............................................................ 90 Ausdruck des Differentiale von dem Flächeninhalte einer beliebigen Curve................................................. ebendas. Untersuchung der singulären Puncte der Curven. . 91 Don dem Größten und Kleinsten lhrer Ordinate», ebendas. Don der Beugung. . . . , . 92 Don den Grenzen der Curven....................................... 94 Don den vielfachen Puncten. . . . ebendas. Don den Rückkehrungen.................................................... 95
Inhalt.
IX
Allgemeine Regel, die fing« lIrrn Punct« zu entdecken. 0. Von den conjugirten Puncten......................................ioo Beispiel von der Analyse einer Curve« ♦ « . Regel den wahren Werth der Differential-koefficienten, welche werden, zu finden. . , , .
102 io8
Don den SchmiegungS-Curven. .... 110 Von dem Schmiegung« Kreise und seiner Bestimmung. ebend. Eigenschaften diese« Kreises und der Abgewickelte». 112 Erklärung der Krümmung und des KrümmungsHalbmesser«..............................................................................116 Bon den Schmiegungen und den verschiedenen Berüh rungen im Allgemeinen................................. ebendas. Anwendung der Theorie der Krümmung«-Halbmesser. 120 Don den transcendenten Curven. ... . 124 Von der logarithmischen Linie.............................................. ebendas. Bon der Radlinie..........................................................................126 Don den Spiral-Linien .......................................................izr Don den Polar-Coordinaten...................................................... 133 Ausdrücke der Differentialen von den Polar-Coordinalen, den Subtangenten, usw., . . ebendas. Umformung der rechtwinkligen in Polar-Coordinaten, und umgekehrt............................................... ......... , 133 Ausdruck, in Polar-koordinaten, de« Differentials von dem Dogen einer kurve, und ihrem Flächen inhalte. ......................................................................... 138 Umformung, m Polar - Coordinaten, de« Ausdruck« des Krümmungshalbmesser«.............................................. 159 Verhalten, welche« daraus entspringt, zwischen den IweitDifferentialen dieser Coordinaten. . . ,140 Don der Verwandlung der unabhängigen veränderst« chen Größe, oder wie sich das Differential,wel« ches man als beständig genommen hat, in ein an« deres, welches es nicht mehr ist, verwandeln lasse. ........ 14^ Formeln, einen Differential Ausdruck, in welchem man ein Differential als beständig angenommen hat, in einen ander» umzuformen, worin alle beide verän derlich sind......................................................................... »44 Don der Dlffereutiirnng der zugleich Statt habenden Gleichungen. , . , . . »47 Bon der Elunlnirung zwischen zwei Differential-Glei chungen. ................................................................... »48 Don der Differentiirung der Functionen von zwei oder einer größern Anzahl veränderlicher Größen. . Von den theilhaften Diffcrenkialr». ....
149 »2»
X
3«halt.
Entwickelung »er Functionen mit zwei veränderlichen Größrn, vermöge ihrer Zuwachse. . Seite 151 Einerleidcir der Differential - Coefficienten, welche man durch Differenklirungen, tu einer veränderten Ord nung verrichtet, erhält.......................................... 151 Regeln ffir die Differenturung der Functionen mit zwei veränderlichen Größen. ................................................ 156
Unterschied zwischen thrilhasten Differenzen und Differentialen..........................................158 Aussuchunq der Differential - Coefficienren der verschicdittti Ordnungen...................................................................159 Bemerkungen über die verschiedenen Bedeutungen, in welchen man die Differencnrunqe» der Functionen anzeigen kann, und über die Lahm sich v.'ziehenden Bezeichnungen................................................. . .
161
Differentilrung der Gleichungen mit drei und einer grö ßer» Anzahl veränderlicher Größe». . . .162 Eliminirung der willtührlichen Funcrionen
.
.
.
167
Entwickeln»- der Functionen mit zwei veränderlichen Größen nach den Potenzen dieser veränderlichen.
169
Erforschung des Größten und Kleinsten der Functio nen von zwei veränderlichen Großen. . .
170
Kennzeichen, woran man erkennt, ob ein Größte« oder Kleinste« Statt habe........................................................ 172
Allgemeine Begriffe von der Anwendung der Diffe, rcntial-Rechnung auf die Theorie der Curven von doppelter Krümmung und der frummrn Ober flächen. ....... ♦♦
177
Von den Curven mit doppelter Krümmung, ihren Tan genten, ihrer Schmiegung«.Ebene, dem Differen tiale ihre« Dogen«, »nd ihrer Normal. Ebene, ebendas. Von den krummen Oberflächen, Bedingung ihrer Ste tigkeit, Differential-Gleichungen ihrer Schnitte, Gleichung ihrer Berührung« - Ebene, ihrer Nor male, Bestimmung de« Größten und Kleinsten ih rer Ordinalen...................................................................... ißo
Inhalt.
XI
Zweiter Theil.
Integral-Rechnung. Don der Jntegrirung brr rationalen Functionen von einer einzigen veränderlichen Größe. . Seite 187 Erklärung der Integral Rechnung. . ebendas. Jntegrirung der monomischen Functionen. . igg — — des logarikhmischen Differentiale. 109 Beständige Größe, die mau vor das Zeichen /hinaus» treten lassen kann............................................ 191 Jntegrirung der gebrochenen Functionen........................... 192 ZerfLllung der zu integrirendrn Brüche in Thrilbrüche, und von der Jntegrirung der letzter«. . . 194 Abgekürzte Berfahrungsarten, diese Zerfällung zu beiverk» stelligen............................................................ 203 Don der Jntegrirung der irrationalenFunctionen. 213 Functionen der Wurzelgrtße V i+Bx+Ox1 enthal» tend......................................................................... 214 Ausdrücke der Sinus und Cosinus durch unmögliche Ex» ponenkial-Größen. . ... ^ . 218 Aufsuchung der Faktoren von der Function xn + a°. 220 — — — — — von der Function x3D + epxn + cj. 226 Don der Jntegrirung der binomischenDifferentialen. 227 In welchen Fällen man dieselben rational macht. 226 Verfahren, die binomischen Differentialen auf andere, in Bezug auf die Exponenten, einfachere zurückzu» bringen..................................................................... 229 Wa« das theil,veis» Integriren ist....................................rzc man sie aus der Differcntial-Gleichung ableitet.
401 40a 400
Auflösung einiger geometrischen,von den DifferentialGleichungen abhängenden Aufgaben. . .
414
Aufgabe von ben Trajectorien............................................ 417 Geometrische Ausdeutung der besondern Auflisungen, 4**
XIT
Inhalt.
Von der Jntegrirung der Functionen mit jwei oder einer ^rößern Anzahl veränderlicher Größen. Untersuchung einer Function mit mehreren veränder lichen Größen, wenn alle ihre Differential-Coefstcienten von drriclden Ordnung ausgewickelt ober eingewickelt gegeben find. . . . Seite424 Jntegrirung der vollständigen Differentialen mit drei veränderlichen Größen. ...................................... 426 Nöthige Bedingungen, damit eine Differential-Gleichung mit drei veränderlichen Größen eine einzige ursprüng liche Gleichung zum Integrale haßen könne. . 429 Jntegrirung der theilhaften Differential-Gleichun gen von der ersten Ordnung. «...
433
Don der Jntegrirung der theilhaften DifferentialGleichungen von höhern Ordnungen alS der ersten. 439 Von der Bestimmung der ivillkührlichen Functionen in den Integralen der theilhaften Differential < Glei chungen. .........................................................................449 Don de» Gelammt-Differential-Gleichungen, welche den JntegrirdarkeitS-Dedingungen nicht Genüge thun» ... « ♦ ...» 451
Von der Variations-Methode. Untersuchung der Variation einer beliebigen Function. 454 Zweck dieser Untersuchung. ..... ebenda'. Wie (silier die Variationen durch thcilhafte Differen tiale» darstellt. Anmerkung..........................................457 Versetzung der Kennbuchstaben $ hinter den Kennbuch staben d, und unter das Zeichen / 450 Entwickelung der Variation der Differential-Functionen und der Integralen................................................................459 Dedingnnqsgleichungen, die Statt haben müssen, damit eine Differential - Function für sich selbst integrirbar sci. .................................................................. 464 Don dem Größten und Kleinsten der unbestimmten Integral-Formeln................................................ . 467 Wae unbestimmte Integral-Formeln sind. . . ebendas Kemizüge de» Größten undKleinstendieser Formeln. 46» Von den Gleichungen, welche das Verhalten zwischen den veränderlichen Größe» bestimmen. . . . 469 Von den Variationen in Bezug auf die Grenzen der vorgegebene» Integralen...... 47 Untersuchung der kürzesten Linie zwischen zwei Punkten. 475 Unters«dornig der Linie de» scimellsten Fall», ober der Bra.chpstochrone......................................................... 46
Inhalt. Bon dem relativen Größten und Kleinsten. Deisptrl der isoperimetrischen Aufgabe.
xv . .
Seite 46» . t03
Anhang zum Handbuche der Differentialund Integral - Rechnung. Von den Differenzen und den Reihen. Don der geraden Differenzen-Rechnung. ... 487 Bildung der Differenzen..........................................................488 Was die Anzeiger Meinen, Anmerkung. ebendas. Uebergang von den Differenzen zu den Differentialen und Dewele des Taolorschen Lehrsatzes. . 496 Ueber die verschledenen Dezerchnungsarten der Dlfferen. tistl Rechnung, Anmerkung....................................................... 498 AuSdrückungen der Differenzen nach Aehnlrchkclt mit den Potenzen................................................................................ 5°Anwendung der Differenzen-Rechnung auf die Interpolirung der Reiben. ......................................................... 507 Wann die -u interpol:renden Größen gleichunterschiedenen Anzeigern enrsvreck.en. .... 503 Wann die Anzeiger beliebige find....................................... 5H Formel von Lagrange. .......................................................... 518 Bon der Inrerpelirung, weiln die Funcuon gegebenist. 519 Don der verkehrten Differenzen Rechnung in Bezie hung auf die aufgewickelten Functionen einer einzigen veränderlichen Größe.................................522 Don der Jntegr rnng t-er algebraischen, rattoimlm und ganzen gimaioneu............................................... 525 Don der Inregrirung der transcendenten gutKtioitcti. 551 Allgemeine gonnrhi der Integralen................................... 553 Aehnlichkcit der Integralen unO der negativen Potenzen. 556 Von der theiliversen Integrlnmg. .... 537 Anwendung der Differenze n» Rechnung auf bis Cummtruiig der Reihen. . . . . . Don der Integrirung der Differenzen-Gleichungen mit zwei veranderlichiM Größen. . . . Integrirung der Gleichung vom ersten ©rot* und von der ersten Ordnung..........................................................545 Don den Gleichungen des ersten Grades ln allen Ord, nungen.
...
539 541
547
XVI
Inhalt.
Uebereinstimmung zwischen diesen Gleichungen und de» recurrirenden Reihen. ...... Seite 551 Äon der Natur der willkührlicben durch die Diffe renzen »Jntegrirung tingrfuhrtrn Größen, und von der Construction dieser Größen. . . > 552 Anwendung der Integral- Rechnung auf die Theo rie der Reihen. ....... 557 Summirung der Reihen durch begrenzte Integralen, ebendas. Beispiele von den besondern Werthen, welche die be grenzten Integralen annehmen............................. 563 Ausdruck des Krrisumsanges in unbegrenzten Produk ten, von Wallis herrührend. .... 565 ummirung der Reihe I1-H2....-HX. . . . 566 uiNmirung der verschiedeNtn Theile der Taylorsche» Reihe durch die Formeln von d'Llembert und von kagrange. . ....... 58
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Lade -e- Inhalt-
Handbuch bet
Differential- und Integral-Rechnung. Ltster
L h e i I.
Von der Differential - Rechnung.
Vorläufige Begriffe und Grundsätze von der Differenriirung der Functionen einer einzigen veränderlichen Größe. §. ».
rvSft diesem Theile der Analysis nimmt
man zum Gegenstände den Uebergang einer oder mehre, rer Größen durch verschiedene Werthzustande und die Veränderungen, welche dadurch andere Größen erlei den, die ihrem Werthe nach von dem Werthe der erste ren abhängig sind. §. 2. UM auszudrücken, daß eine Größe von einer oder Mehreren andern abhänge, sei dies nun durch beliebige Operationen, oder auch nur durch Be ziehungen, die, wiewohl algebraisch unangeblich, doch ein durch sichere Bedingungen bestimmtes Dasein ha ben: so sagt man, die erste sei eine Function der andern. Der Gebrauch dieses WokteS wird die Be deutung desselben völlig aufklaren. H. 5. Die Größe, welche so betrachtet wird, daß sie ihren Werthzustand verändere oder verändern könne, heißt die veränderliche, und diejenige, welche immer denselben Werth im Verlaufe der Rechnung be hält, die beständige Größe. Hiernach sieht man, daß die Natur der vorgelegten Frage bestimmt, welche Größen als veränderlich, oder welche als beständig anzusehen sind. H. 4. Um dieses deutlich zu Machen, will ich sogleich einige Beispiele hinzufügen. Es sei u = ax;
4
Erster Theil. Differential - Rechnung.
und a betrachte man als beständig, so ist u eine Func tion von x, und zwar von der einfachsten Ordnung, da sie eine Größe ist, die mit dieser veränderlichen in Proportion steht. Seht man, x werde x + h, und stellt den neuen Werth von u durch u' vor, so be kommt man iV — ax + alt, woraus u' -• u — ah folgt; und aus der Division beider Seiten der GleiU; ---- U chung durch h ergiebt sich —-— — a, d. h.: der Verhältnißname von den Zuwachsen der Function und der veränderlichen Größe »st von ihren besondern Wer« then unabhängig. Ich gehe jetzt zu der ein wenig verwickeltem Function u ---- ax* über. Man sehe darin x + h statt x, so wird u' = a (x1 + « xh + h2); subtraHirt man darauf die erste Gleichung von der zweiten, so kommt u' — ii — eaxh + ah2; und dividirt matt endlich auf beiden Seiten mit h, so hat man u- u — 3 ax 4* ah. Hier besteht der Verhältnißname der Zu wachse der Function und der veränderlichen Größe aus zwei Theilen; vereine hängt nicht von dem besondern Werthe der Zuwachse ab, und der andere ist mit h be haftet. Stellt man sich vor, diese Größe nehme fort während ab, so wird sich das Resultat immer mehr dem eax nähern, und alsdann nur erreichen, wenn h — o gefetzt worden, so daß 2.1 x die Grenze des Verhält« tti0ttamen6 —£—/ d. h.: derWerth ist, dem die ser Verhältnißname in dem Maaße, als dieGröße h abnimmt, sich zu nähern strebe nnd so nahe kommen kann, als man nur will. Man sieht leicht, daß die Differenz u' — u alle mal mit h zu gleicher Zeit verschwindet, weil jene Größe durch das Vorhandensein der letztem allein nur Statt findet; doch verschwindet keinesweges ihr Der«
Vorl. B-griffe u. Grunds, v. d. Differ. rc.
z
hältnißname, welcher zu der Art von Größen gehört, die §. 70. in den Anfangsgründen der Algebra ange zeigt worden sind. Macht man ferner noch u = ax3, so -rgiebt sich durch die Substitution von x -j- h statt x u'==a (x^f-h)3 — ax3 rr gax^h -t-saxh* + ah3.
Die erste Gleichung von der zweiten abgezogen, giebt u' — u --- 3ax2h gaxh* -t- ah3, und hieraus den Verhältnißnamen der Zuwachse gesucht, " = gax* -f- gaxh + ah*, Hier sieht man wiederum ein von jedem besondern Werthe der Zu wachse unabhängiges Glied, welches ihr Verhältniß name beständig zu erreichen strebt, indem h abnimmt, so daß dieser Verhältnißname auch eine Grenze hat. Dieses erste Glied oder diese Grenze ist nicht blö den Functionen eigen, welche wir jetzt eben untersucht haben, sondern es findet sich allgemein in jeder Function. Beim Verschwinden behalten die bei derseitigen Zuwachse einer Function und ihrer veränderlichen Größe noch den Ver hältnißnamen, dem sie sich stufenweise genähert habe«; unh e* findet zwischen die sem letzter« und der Function, von weicher derselbe abgeleitet ist, eine gegenseitige Abhängigkeit Statt, durch welche sie wech selsweise bestimmt werden. Diese Behauptun gen erläutern und bestätigen sich auf eine sehr befriedigende Art durch die Betrachtung der Curven, wie man es in der Folge (H. 61 u. (»2.) sehen wird. §• 5. Zuvörderst werde ich mit den Zeichen be kannt machen, wodurch die neuen Beziehungen, welche die vorhergehenden Begriffe zwischen den Größen fest stellen, ausgedrückt werden. Um deren zweckmäßigen Gebrauch zu zeigen, nehme ich die schon oben §. 4. betrachtete Function u — ax3 wieder vor. Dadurch, daß man x + h start x setzte, und von
6
Erster Theil. Differential-Rechnung.
diesem Resultate die Größe ax3 abzog, erhielt man in dem Ausdrucke u' — u = 3 a x2 h + 3 a x h * -f a h3 die Entwickelung der Differenz der zwei Zustande der Function u, geordnet nach den Potenzen des Zu« wachses h, welchen man der veränderlichen Größe bei legt; und die Grenze 5»x2 des Verhalmißnamens der Zuwachse u' — u und h hängt nur von der Betrach tung des ersten Gliedes 5ax2h dieser Differenz ab (§. 4*)« Dieses erste Glied, welches nur ein Theil der Differenz ist, heißt Differential, und wird durch du bezeichnet, wo der Buchstabe d als ein Kennbuch stabe dient; es wird daher in dem vorgegebenen Bei spiele du = 3ax h. Um hierauf zu 5»x% als der gesuchten Grenze, zu gelangen, muß man durch h bwidireu, und man er« hält^ - 5 axa. Ist aber von einer schlichten ver änderlichen Größe die Rede, da sich x in x^ — x »t- h verwandelt, so hat man x'— x = li; alsdann sind die Differenz und das Differential nur em und dasselbe. Man gebraucht dem zufolge statt der Größe h das Zei chen dx, um Gleichförmigkeit tu die Rechnungen zu bringen, und es ergiebt sich du --- zax2 dx, ^ — 5ax2. Der erste Ausdruck wird das Differential von u oder von n3 sein, und der zweite, welcher die Gren ze de« Verhältnißnamens der gleichzeitigen Verände rungen von der Function und der veranderltchen Größe ausdrückt, bekommt den Namen DifferentialCoefficjent, weil die Größe, welche dadurch dar gestellt wird, nichts anders, als der Multiplikator des Differentials dx, in dem Auedrucke des Differentials du ist. Hieraus folgt, Paß die Grenze des Ver haltnißnamens der Zuwachse pder der Differential-Eoeffirient erhalten wird, indem man das Differential der Function durch das Differential der veränderlichen Größe
Vors. Begriffe u. Grunds, o. d. Differ. rc. 7 divid'rrt; und daß gegenseitig man das Dif ferential erhalten wird, indem man die Grenze he- Verhältnißnamens per Zu wachse oder den Differential-Coeffi cienten durch das Differential der veränderlichen Größe multiplicirt. Diese Bemerkung ist wichtig, weil eS Functionen giebt, deren Differential - Coefficient ßch leichter, als das Differential findet. Um nämlich unmittelbar zu diesem lehtern zu gelangen, muß man x + dx statt x in der vorgegebenen Function schreiben, das Resultat nach den Potenzen von dx entwickeln, indem man bei dem mit der er* sten Potenz behaftetenGliede stehen bleibt, und von pemResultate den ursprünglichen Auedruck abziehen. Man steht, paß diese Me thode vorausseht, daß man die vorgegebene Function ;u entwickeln wisse, wobei noch anderweitige Hülfsmit tel erforderltch sein können, deren uns die Betrachtung der Grenzen am öftersten überhebt. Zufolge dieser verschiedenen Betrachtungen ist die Differential-Rechnung die Erforschung der Grenze von hem Verhältnißnamen der gleichzeitigen Zuwachse einer Function und der veränderlichen Größe, wovon sie ab hängt. §. 6. Man muß ft4> wohl in Acht nehmen, und das Differential nicht tmt der Differenz uy — n ver wechseln. So ist in dem Beispiele von §. 4. daö eine gax1 h und die andere 5ax*h + saxh* 4* ah3 ; aber man steht, daß, wenn die Größe h sehr klein ist, bas Differential 5 ax*i» den beträchtlichsten Theil der Differenz u' — u ausmacht, und das Differential, je kleiner h wird, steh immer mehr und mehr der Differenz nähert, Im Allgemeinen begeht man einen um so geringern Fehler, indem man das Dif ferential für die Differenz nimmt, je flei«
8
Erster Theil. Differential - Rechnung.
iter man bett Werth des Zuwachses der »et« anderkichen Größe fe|(. Dieselbe Folgerung laßt sich auch aus der Betrachtung der Grenzen ztehen; denn wenn der Verhaltmßname der gleichzeitigen Zu« wachse u' — u und h eilte Function p zur Grenze hat, so nähert er sich ihr unaufhörlich; es wird daher die Gleichung ” --- p best» genauer, je kleiner der Zu wachs h ist, und in dieser Voraussetzung wird u/—■ u -- hp.*) Es ist hier zweckdienlich zu bemerken, daß, wenn das Resultat der Substitution von x -t- h nach den Po tenzen von h in der Form ü-f*ph-f-qha -j-etc. ent wickelt worden, das erste Glied U der ursprüngliche Werth der vorgegebenen Function ist, weil auf dieses Glied allein der obige Ausdruck zurückgebracht wird, wenn man dariu h — o macht, welches voraussetzt, haß x sich nicht verändert hat. §. 7. Es ist leicht einzusehen, daß zwei gleiche Functionen gleiche Differentialen haben; denn wenn zwei Functionen, welches auch der Werth der verän derlichen Größe, wovon sie abhängen, sein möge, un ter sich gleich sind, so muffen die beiderseitigen Verän derungen, welche sie in Folge der Veränderung, welche man der veränderlichen Größe beilegt, erleiden, immer gleich sein. Bezeichnen z. B. n und v solche Func tionen von x, daß, was auch x fein mag, u — v ist, tmo, wenn x x + Ax wird, verwandle sich >v in n', und v tit v', so ist ebenfalls u' — v'. Zieht man nun von dieser Gleichung die vorhergehende ab, so ergiebt sich u' — u = vy — v; hierauf durch A x divi11^----ll
dirt, erhalt man
V*----- V
--- -
Wenn daher p und
q die Grenzen der obigen Verhältnißnamen bezeichnen, *) Auf diesem Grundsätze führte Leibnitz die DifferentialRechnung auf, indem er bte Differentialen als unend lich kleine Differenzen betrachtete.
Bork. Begriffe u. Grunds, v. d. Dlffer. rc. 9 so hat man p = q, woraus pdx = qdx und endlich du . dv geschlossen wird, in Betracht, daß nach §.5, pdx und qdx die Differentialen der Functionen « und v sind. Der umgekehrte Satz ist nicht allgemein wahr, und man würde mit Unrecht behaupten, daß zwei gleiche Differentialen zu gleichen Functionen gehören. Denn hakte man a + bx, und sehte x + dx statt X, so würde man a -f» bx + bdx erhalten, und nach Abzug von a -+- bx ein Resultat bdx finden, in welchem feine Spur mehr von der beständigen Große a ist. Das D>»serenrial bdx gehört daher sowohl zu a + bx, x* gesetzt, giebt, vermittelst der Anwendung der Regel bd * von §. 13, 1 bx* 1 dx oder 8 v^x’■; aus dem drit c „ . cdx ten — — folgt + X 1 (§. rz.). Nimmt man nun die einzelnen Resultate zusammen, so findet sich Z b
du — l —— + \2/X
c \
du
XV
dx
b
3 ) dx Und — = —— + 2 /x
b c e 2) u — a ■+■ 3 “ — -3— + 775; schreibt man die }sx1 x/x
se Function auf folgende Art: u = a -4-bx
__ i
* — cx
. J
I *
+ ex
M
, so giebt
die Anwendung der Regel aus §. 13. du ss —• -j
„
bdx
cdx _ »Jx
xi r? xi
«bdx
Äcdx
3«/'**
3»*/«
=------ ;—+—
** ' oder
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Dort. Begriffe u. Grunds, v. d. Differ. rc. 17 §. 15. Die obigen Beispiele begreifen nur Monomien; allein es giebt Functionen, welche nicht ohne eine vorgangige Entwickelung in Glieder vondieser Form zerlegt werden können. Eme solche Func tion ist u sss (a -f b xm)n. In diesem Falle mache man a 4- bx" = z, woraus u = z folgt; und itt Betracht, daß d. zn — nz°-1 dz ($.15.) ist, erdu du d* dz hält man ($.•) ^ = 57 * —’ dx "" dx * nun aber ist dz = d (a • bx”) — d.bx” = du mbx - dx; mithin — = n (a + bxm)‘ mbx™- , und du = nmbx -,4x (a + bxm),,-‘. Es ist hier eine zweckdienliche Bemerkung, daß das Vorhergehende darauf hinaus geht, daß man zuerst den Ausdruck von u in z differentiirt, u»dd nachher die Werthe von z und von dz in x und dx fubstituirt. Hatte man u=v^a-j-bx+cx , so konnte man das Trinomium a + bx-f-cx1 wie eine be sondere Function z betrachten; und da daöDlfferen* —* de tial von /"z oder z , 1 z dz oder ist, so würde sich daraus ergeben: d (a 4 bx + cx2) bchc + acxdx dum ----- -----— ■— -------— e a-f- bx + cx* 2 / a + b x-j-cx Da man oft Wurzelgrößen vom zweiten Grade zu differentiiren nöthig hat, so merke man zu Folge dz der Formel— —: Das Differential einer 2/ z Wurzelgröße vom zweiten Grade wird er halten, wenn man das Differential der Größe, welche sich unter demWurzelzeiche» befindet, durch das Doppelte der Wurzel divid irl.
B
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Erster Theil. Differential-Rechnung.
§. 16. Die $.11. für die Differentiirung der Produkte gegebene Regel auf die Function u = x (a3+x3) / aa —x2 angewendet, führt auf du = dx(a3+x3) / a3—*x2 + x/ a3— x3, d(a3fx3) + x(a’- + x3) d^a3-x3.
Die zwei lehren Glieder dieses Ausdruckes- schließen Operationen ein, welche nur angedeutet sind, aber sich nach einander bewerkstelligen lassen, m sofern als d (a3 •+- x2) * d.x3 — 2xdx, _______
d /'a2 — x3
—
d (—x3) 7 ----- ~ 2 va3 — x3
—xdx v a3 — x 3
ist;
und man findet hiernach / _____ . . x2 xa)X du=( (a*4.x2) /a2-x2+2x* /V-x2« ,— ■■---- Jd%i
bringt man alle Glieder auf gleiche Benennung, so hat man endlich du =
(a4-+-a3 x3 — 4x4)dx -------- , -------. W — X3
Die auf die Differentiirung der Brüche sich be« ziehende Regel auf die Function u = x4+a2x3 —x4 angewendet, giebt unmittelbar . _ (aV^x^x^dCa^x1) - (a1-x*)d(a*4aaxs+x4) ~ 4.x4}a , . —u(2a4 + aaaxl — x4)