Haftung leitender Angestellter: Business Judgment Rule, Arbeitnehmerprivileg und Einfluss von D&O-Versicherungen 3161626915, 9783161626913

Der Begriff des leitenden Angestellten ist gesetzlich nicht einheitlich definiert. Einigkeit besteht dahingehend, dass e

121 10 2MB

German Pages 263 [265] Year 2024

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
§ 2 Leitende Angestellte
A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext
I. Betriebsverfassungsrechtlicher Begriff
1. Historische Entwicklung
2. Zweck des § 5 Abs. 3 BetrVG
3. Inhaltliche Anforderungen
a) Beurteilung nach formalen Kriterien (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr 1 und Nr. 2 BetrVG)
b) Funktionsbezogene Beurteilung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr 3 BetrVG)
II. Kündigungsschutzrechtlicher Begriff
1. Historische Entwicklung
2. Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG
3. Inhaltliche Anforderungen
4. Unterschiede zum betriebsverfassungsrechtlichen Begriff
III. Verfahrensrechtlicher Begriff
B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte
I. Leitende Angestellte als Arbeitnehmer-Führungskraft
II. Abgrenzung des leitenden Angestellten von anderen Formen der Arbeitnehmer-Führungskraft
1. Außertarifliche Angestellte
2. Prokuristen
3. Risikoträger in Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten
4. Führungsebene im Sinne des Führungspositionengesetzes
C. Folgen der Abgrenzung für das Haftungsrecht
§ 3 Arbeitnehmerprivileg
A. Rechtstechnische Umsetzung
I. Gesetzlicher Ausgangspunkt
1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen
a) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG
b) Allgemeine Handlungsfreiheit und Privatautonomie, Art 2 Abs. 1 GG
c) Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG
2. Einfachgesetzliche Regelungen
a) § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB
b) § 254 BGB
c) § 670 BGB
II. Bisherige Ansätze
III. Herrschende Meinung: analoge Anwendung von § 254 BGB
IV. Zwischenergebnis
B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs
I. Verfassungsrechtliches Gebot einer Haftungsbegrenzung
1. Abwehr- und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte
a) Abwehrfunktion
b) Schutzgebotsfunktion
2. Grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und das Sozialstaatsprinzip
a) Ungleichgewicht bei Arbeitsvertragsverhandlungen als typische Konstellation
b) Hypothetische Alternativvereinbarung unbeachtlich
c) Zwischenfazit
3. Grundrechtliche Gewährleistung der Berufs- und der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Sozialstaatsprinzip
4. Würdigung der Rechtslage unter Einbeziehung des Arbeitnehmerprivilegs
II. Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers
1. Risikoveranlassung und Risikobeherrschung durch den Arbeitgeber
a) Betriebliches Geschehen als Gefahrenquelle
b) Gesetzgeberische Billigung der Haftungsbeschränkung
2. Fehlende Ausweichmöglichkeiten des Arbeitnehmers
3. Symmetriegedanke
4. Betriebliche Veranlassung als Grenze der Risikozurechnung
III. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mangels eigenen Auftretens am Markt
1. Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit
2. Fehlende Risikoabgeltung durch die Vergütung
3. Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den Arbeitnehmer
IV. Rechtsökonomische Aspekte der Haftung
1. Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit betrieblicher Risiken
2. Reduktion der Schadensvermeidungskosten
V. Überwiegen der Argumente für eine Haftungsbeschränkung gegenüber den haftungsbegründenden Aspekten
1. Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts
2. Schadensprävention
3. Verschuldensprinzip
VI. Keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und selbstständigen Dienstverpflichteten?
VII. Zwischenergebnis
§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg
A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte
I. Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
II. Meinungsstand in der Literatur
1. Keine Anwendung des Haftungsprivilegs auf leitende Angestellte
2. Berücksichtigung der Stellung als leitender Angestellter im Rahmen der Abwägung
3. Unterschiedlicher Haftungsmaßstab je nach ausgeübter Funktion
III. Eigene Stellungnahme
1. Fremdbestimmtheit des leitenden Angestellten
2. Schutzbedürftigkeit des leitenden Angestellten
a) Bedeutung einer höheren Vergütung für die Schutzbedürftigkeit
aa) Abgeltung von Haftungsrisiken
bb) Systematische Herausforderungen bei Herausnahme von Besserverdienern
cc) Verhältnis von Vergütung und gesetzlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft
b) Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den leitenden Angestellten
3. Besonderheiten bei der Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs
a) Berücksichtigung von Stellung und Handlungsspielräumen
b) Relevanz besonderer Kenntnisse und Kompetenzen für die Haftung
IV. Zwischenergebnis
B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen
I. Gesellschaftsrechtlicher Kontext der Business Judgment Rule
II. Historische Entwicklung der Business Judgment Rule
1. US-amerikanisches Vorbild
2. Entwicklung in Deutschland
III. Zweck des Geschäftsleiterermessens
IV. Voraussetzungen und Rechtsfolge der Business Judgment Rule
1. Unternehmerische Entscheidung
2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft
3. Handeln ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse
4. Angemessene Informationsgrundlage
5. Gutgläubigkeit
6. Rechtsfolgen der Business Judgment Rule
a) Rechtsfolgen bei Einhaltung der Anforderungen
b) Rechtsfolgen bei Überschreiten der Grenzen
V. Unternehmerische Entscheidungen leitender Angestellter
1. Eingreifen der Zwecke des Geschäftsleiterermessens
2. Vermeidung von Wertungswidersprüchen
3. Sorgfaltsmaßstab
a) Leitbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
b) Pflicht zur Förderung des Unternehmensinteresses
c) Bindung an die unternehmensinterne Zuständigkeitsordnung
d) Dogmatische Umsetzung
e) Zwischenergebnis
C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime
I. Ausschließliche Anwendung der Business Judgment Rule
1. Weisungsgebundenheit
2. Unternehmerische Teilfunktionen
3. Zwischenergebnis
II. Ausschließliche Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs
III. Kompatibilität beider Haftungsregime
D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
I. Gesetzliche Regelung für die Arbeitnehmerhaftung
II. Beweislastverteilung in der Organhaftung
III. Unternehmerische Entscheidung eines Arbeitnehmers
1. Unmittelbare Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung
2. Analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung
3. Zwischenergebnis
E. Zwischenergebnis
§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung
A. Modifikation der Business Judgment Rule
B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg
I. Abdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs
1. Verfassungsrechtliche Wertungen
2. Einfachgesetzliche Wertungen
a) Dispositiver Charakter der maßgeblichen Vorschriften
b) Analoge Anwendung anderer Schutzvorschriften
c) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch § 307 BGB und § 138 BGB
3. Zwischenergebnis
II. Abweichung durch arbeitsvertragliche Vereinbarung
1. Formularvertrag oder Verbrauchervertrag
2. Individualvertrag
III. Abweichung durch kollektivrechtliche Regelung
1. Tarifvertrag
2. Betriebsvereinbarung
3. Zwischenergebnis
IV. Beurteilung in Bezug auf leitende Angestellte
C. Zwischenergebnis
§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung
A. Rechtlicher Rahmen
B. Persönlicher Anwendungsbereich
I. Versicherungsnehmer
II. Versicherte Personen
1. Gruppenversicherung
2. Organmitglieder
3. Einbeziehung leitender Angestellter
a) Hintergrund des Einschlusses leitender Angestellter
b) Bestimmung der leitenden Angestellten
aa) Maßstab der Auslegung im Dreiecksverhältnis
bb) Auslegung angesichts uneinheitlicher gesetzlicher Begriffe
cc) Autonome versicherungsvertragliche Definition?
c) Schwierigkeiten bei einer Einbeziehung leitender Angestellter
C. Sachlicher Anwendungsbereich
I. Versichertes Risiko
1. Versicherte Tätigkeit
2. Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und schadensverursachender Handlung
3. Versicherte Ansprüche
II. Versicherungsfall und versicherter Zeitraum
III. Abgrenzung der D&O-Versicherung zu anderen Versicherungsarten
1. Privathaftpflichtversicherung
2. Betriebshaftpflichtversicherung
3. Berufshaftpflichtversicherung
4. Vertrauensschadenversicherung
5. E&O-Versicherung
D. Gewährung von Versicherungsschutz
I. Abwehr- und Schadensausgleichsfunktion
II. Grenzen des Versicherungsschutzes
1. Haftungshöchstsumme
2. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei wissentlicher Pflichtverletzung
3. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Kenntnis von Umständen und Pflichtverletzungen vor Versicherungsbeginn
III. Inanspruchnahme der Deckung
§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit
A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung
I. Gesetzliche Versicherungspflicht der Gesellschaft oder der Organmitglieder
1. Gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Risikovorsorge
a) Umfang der Pflicht zur Risikovorsorge
b) Gesetzgeberische Entscheidung gegen eine generelle Versicherungspflicht
c) Bedeutung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
d) Versicherungspflicht für besonders risikogeneigte Unternehmen
e) Prüfpflicht in Bezug auf den Abschluss einer D&O-Versicherung
f) Einfluss der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung
g) Zwischenfazit
2. Dienst- oder arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht
a) Pflicht zum Abschluss einer Versicherung
b) Beurteilung in Bezug auf kleine und mittlere Betriebe
c) Pflicht zum Angebot des Abschlusses einer Versicherung
II. Gesetzliche Versicherungspflicht der Führungskraft
III. Vertragliche Versicherungspflicht
1. Inhaltliche Herausforderung
2. Vereinbarung eines Selbstbehalts
3. Vorsorge für Versicherungsfälle nach dem Ausscheiden der Führungskraft
IV. Rechtsfolgen bei Bejahung einer Versicherungspflicht
1. Anspruch des leitenden Angestellten auf Abschluss einer D&O-Versicherung
a) Materieller Erfüllungsanspruch
b) Beschaffenheit des Versicherungsschutzes
2. Schadensersatz neben der Leistung wegen Nichtabschlusses einer Versicherung
3. Möglichkeit der Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch (§ 389 BGB)
4. Möglichkeit der Leistungsverweigerung (§ 273 Abs. 1 BGB)
5. Konkludenter Verzicht auf die Anwendung des Haftungsprivilegs
B. Versicherungsobliegenheit
I. Rechtsgrundlage
II. Voraussetzungen
1. Weite Verbreitung
2. Typisches Risiko und günstigere Versicherungsmöglichkeit
3. Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis
4. Einzelfallbezogene Beurteilung
III. Rechtsfolgen des (Nicht-)Bestehens einer Versicherung für die Haftung
1. (Nicht-)Abschluss durch den leitenden Angestellten
2. (Nicht-)Abschluss durch den Arbeitgeber
a) Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs
aa) Versicherung im Interesse und auf Kosten des Arbeitgebers
bb) Zufälliges Bestehen
cc) Freiwillige Versicherung
dd) Zwischenergebnis
b) Berücksichtigung des (Nicht-)Abschlusses bei der Schadensaufteilung
aa) Systematik
bb) Tatsächlicher Schutz
cc) Mehrfache Berücksichtigung der Versicherbarkeit
dd) Rechtssicherheit
ee) Trennungsprinzip
c) Zwischenergebnis
C. Zwischenergebnis
§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen
Literaturverzeichnis
Sachregister
Recommend Papers

Haftung leitender Angestellter: Business Judgment Rule, Arbeitnehmerprivileg und Einfluss von D&O-Versicherungen
 3161626915, 9783161626913

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Beiträge zum Arbeitsrecht herausgegeben von

Martina Benecke, Felix Hartmann, Sudabeh Kamanabrou, Hartmut Oetker

21

Anna Girogi Kuhn

Haftung leitender Angestellter Business Judgment Rule, Arbeitnehmerprivileg und Einfluss von D&O-Versicherungen

Mohr Siebeck

Anna Girogi Kuhn, geboren 1992; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Würzburg, Begleitstudium im europäischen Recht; Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht München; Promotionsstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR); Rechtsanwältin in München. orcid.org/0009-0006-8360-6447

Diss., Ludwig-Maximilians-Universität München, 2023 ISBN 978-3-16-162691-3 / eISBN 978-3-16-162743-9 DOI 10.1628/978-3-16-162743-9 ISSN 2509-9973 / eISSN 2569-3840 (Beiträge zum Arbeitsrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über https://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meiner Familie

Vorwort Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2022/2023 als Dissertation angenommen. Ich habe Rechtsprechung und Litertatur bis einschließlich November 2022 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Abbo Junker. Es war eine sehr schöne und lehrreiche Zeit, die ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) verbringen durfte. Danken möchte ich auch Professor Dr. Richard Giesen, der das Zweitgutachten übernommen hat. Die Arbeit widme ich meiner Familie, die mir die Ausbildung meiner Wahl ermöglicht und mich stets gefördert hat. Danken möchte ich auch meinen Freunden und meinen (ehemaligen) Kollegen vom ZAAR für all die Unterstützung, den Zuspruch und die hilfreichen Gespräche und Diskussionen. München, November 2023

Anna Kuhn

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§ 2 Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext . . . . .

3

B.

Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte

19

C. Folgen der Abgrenzung für das Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

§ 3 Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Rechtstechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Rechtfertigung des Haftungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte . . . . . .

73

B.

B.

Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime . . . . . . . . . .

116

D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126

E.

X

Inhaltsübersicht

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

A. Modifikation der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128

C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

A. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

C. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

D. Gewährung von Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit . . . . . . . . .

175

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

Versicherungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193

C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . .

211

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237

B.

B.

B.

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§ 2 Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext . . . . . I. Betriebsverfassungsrechtlicher Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck des § 5 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beurteilung nach formalen Kriterien (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionsbezogene Beurteilung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kündigungsschutzrechtlicher Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiede zum betriebsverfassungsrechtlichen Begriff . . . . . . . III. Verfahrensrechtlicher Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 5 5 8 8 9 10 12 12 14 15 17 18 19 20

B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte I. Leitende Angestellte als Arbeitnehmer-Führungskraft . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung des leitenden Angestellten von anderen Formen der Arbeitnehmer-Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Außertarifliche Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prokuristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risikoträger in Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten . . . . 4. Führungsebene im Sinne des Führungspositionengesetzes . . . . . .

20 21 21 22 23

C. Folgen der Abgrenzung für das Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

XII

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Rechtstechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Handlungsfreiheit und Privatautonomie, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einfachgesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 670 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bisherige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herrschende Meinung: analoge Anwendung von § 254 BGB . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 29 29 29

Rechtfertigung des Haftungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsrechtliches Gebot einer Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . 1. Abwehr- und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte . . . . . . . . . . a) Abwehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzgebotsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ungleichgewicht bei Arbeitsvertragsverhandlungen als typische Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hypothetische Alternativvereinbarung unbeachtlich . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtliche Gewährleistung der Berufs- und der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Würdigung der Rechtslage unter Einbeziehung des Arbeitnehmerprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikoveranlassung und Risikobeherrschung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebliches Geschehen als Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzgeberische Billigung der Haftungsbeschränkung . . . . 2. Fehlende Ausweichmöglichkeiten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . 3. Symmetriegedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebliche Veranlassung als Grenze der Risikozurechnung . . . . III. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mangels eigenen Auftretens am Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Risikoabgeltung durch die Vergütung . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 39 40 42

B. I.

30 30 31 31 32 34 34 37 38

44 45 46 46 47 49 51 53 53 54 56 56 58 58 59 61

Inhaltsverzeichnis

3. Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den Arbeitnehmer . . . . IV. Rechtsökonomische Aspekte der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit betrieblicher Risiken . . . . 2. Reduktion der Schadensvermeidungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überwiegen der Argumente für eine Haftungsbeschränkung gegenüber den haftungsbegründenden Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschuldensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und selbstständigen Dienstverpflichteten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte . . . . . . I. Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Anwendung des Haftungsprivilegs auf leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung der Stellung als leitender Angestellter im Rahmen der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiedlicher Haftungsmaßstab je nach ausgeübter Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fremdbestimmtheit des leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbedürftigkeit des leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung einer höheren Vergütung für die Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgeltung von Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Herausforderungen bei Herausnahme von Besserverdienern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis von Vergütung und gesetzlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft . . . . . . . . b) Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei der Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs a) Berücksichtigung von Stellung und Handlungsspielräumen b) Relevanz besonderer Kenntnisse und Kompetenzen für die Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.

Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 61 63 63 65 66 66 67 68 69 72

73 73 73 75 75 75 76 78 78 79 79 79 80 83 84 86 87 88 89 90

XIV

Inhaltsverzeichnis

I. Gesellschaftsrechtlicher Kontext der Business Judgment Rule . . . . . II. Historische Entwicklung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . 1. US-amerikanisches Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweck des Geschäftsleiterermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Voraussetzungen und Rechtsfolge der Business Judgment Rule . . . . 1. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handeln ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse . . . . . 4. Angemessene Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolgen bei Einhaltung der Anforderungen . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen bei Überschreiten der Grenzen . . . . . . . . . . . . . V. Unternehmerische Entscheidungen leitender Angestellter . . . . . . . . . 1. Eingreifen der Zwecke des Geschäftsleiterermessens . . . . . . . . . . . 2. Vermeidung von Wertungswidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Förderung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . c) Bindung an die unternehmensinterne Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . d) Dogmatische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 116 116

C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime . . . . . . . . . . I. Ausschließliche Anwendung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . 1. Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmerische Teilfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschließliche Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs . . . . . . . . . . III. Kompatibilität beider Haftungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 117 117 118 119 119 120

Verteilung der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Regelung für die Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . Beweislastverteilung in der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmerische Entscheidung eines Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 121 123

D. I. II. III.

91 92 93 94 97 99 99 101 102 103 106 107 107 108 111 111 113 114 114 114

123 123 126

Inhaltsverzeichnis

XV

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

A. Modifikation der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einfachgesetzliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dispositiver Charakter der maßgeblichen Vorschriften . . . . . b) Analoge Anwendung anderer Schutzvorschriften . . . . . . . . . c) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch § 307 BGB und § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweichung durch arbeitsvertragliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . 1. Formularvertrag oder Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individualvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abweichung durch kollektivrechtliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilung in Bezug auf leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 128 129 129 130 130 131 131 132 133 134 134 135 137 138

C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

A. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

B. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versicherte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gruppenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einbeziehung leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergrund des Einschlusses leitender Angestellter . . . . . . . b) Bestimmung der leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßstab der Auslegung im Dreiecksverhältnis . . . . . . . . bb) Auslegung angesichts uneinheitlicher gesetzlicher Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Autonome versicherungsvertragliche Definition? . . . . . . c) Schwierigkeiten bei einer Einbeziehung leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 144 144 145 147 148 148 149 149

C. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

E.

B. I.

150 152 153

XVI

Inhaltsverzeichnis

I.

Versichertes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versicherte Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und schadensverursachender Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versicherte Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versicherungsfall und versicherter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung der D&O-Versicherung zu anderen Versicherungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privathaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebshaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berufshaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertrauensschadenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. E&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 156

D. Gewährung von Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwehr- und Schadensausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei wissentlicher Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Kenntnis von Umständen und Pflichtverletzungen vor Versicherungsbeginn . . . III. Inanspruchnahme der Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 168 168 169

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit . . . . . . . . .

175

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Versicherungspflicht der Gesellschaft oder der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Risikovorsorge . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Pflicht zur Risikovorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzgeberische Entscheidung gegen eine generelle Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit . . . d) Versicherungspflicht für besonders risikogeneigte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfpflicht in Bezug auf den Abschluss einer D&OVersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einfluss der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung . . . . . . . . g) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dienst- oder arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zum Abschluss einer Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung in Bezug auf kleine und mittlere Betriebe . . . . . . c) Pflicht zum Angebot des Abschlusses einer Versicherung . . .

175

157 161 162 164 164 165 165 167 167

170 171 172

175 175 176 177 178 179 179 181 182 182 182 184 185

Inhaltsverzeichnis

XVII

II. Gesetzliche Versicherungspflicht der Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragliche Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung eines Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorsorge für Versicherungsfälle nach dem Ausscheiden der Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen bei Bejahung einer Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch des leitenden Angestellten auf Abschluss einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materieller Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschaffenheit des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatz neben der Leistung wegen Nichtabschlusses einer Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeit der Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch (§ 389 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Möglichkeit der Leistungsverweigerung (§ 273 Abs. 1 BGB) . . . . . 5. Konkludenter Verzicht auf die Anwendung des Haftungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 186 187 188

B. Versicherungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weite Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typisches Risiko und günstigere Versicherungsmöglichkeit . . . . . 3. Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelfallbezogene Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen des (Nicht-)Bestehens einer Versicherung für die Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Nicht-)Abschluss durch den leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . 2. (Nicht-)Abschluss durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs . . . aa) Versicherung im Interesse und auf Kosten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zufälliges Bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Freiwillige Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung des (Nicht-)Abschlusses bei der Schadensaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mehrfache Berücksichtigung der Versicherbarkeit . . . . . . dd) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 195 196 196 198 198 199

188 189 189 190 191 192 193 193 193

199 200 201 201 202 203 203 204 204 205 206 207 207 208

XVIII

Inhaltsverzeichnis

c)

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . .

211

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.F. ABl. EU Abs. AcP AG AGB AGG AktG AnwBl AO AOG AP ArbER ArbGG ArbnErfGDV AR-Blattei SD ArbRAktuell ArbVG ArbZG ARS Art. AuR AVB AVB AHB AVB BHV AVB D&O

AVB PHV AVB-AVG

BAG

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Anwaltsblatt (Zeitschrift) Abgabenordnung Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitnehmererfindungsrecht Arbeitsgerichtsgesetz Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsrechts-Blattei Systematische Darstellungen Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Arbeitsvertragsgesetz Arbeitszeitgesetz Arbeitsrechts-Sammlung Artikel Arbeit und Recht (Zeitschrift) Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die VermögensschadenHaftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die VermögensschadenHaftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern Bundesarbeitsgericht

XX BB BBG BeckOGK BeckOK BeckRS Begr. BEEG BetrVG BetrVG 1952 BGB BGBl. BGH BNotO BRAO BT-Drs. BUrlG BVerfG BVerfGE bzw. CCZ d.h. DB ders. DGB dies. D-PCGM DrittelbG DStR DVStB EBRG ErfK EUArbRK EUR EuZA f., ff. FDP Fn. FüPoG

FüPoG II

Abkürzungsverzeichnis Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz beck-online.Großkommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck’sche Rechtsprechungssammlung Begründer Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Betriebsverfassungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Deutscher Bundestag Drucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund dieselbe(n) Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische BetriebsräteGesetz) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht Euro Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht folgende Freie Demokratische Partei Fußnote Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Führungspositionengesetz) Gesetz zur Ergänzung und Änderungen der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionengesetz)

Abkürzungsverzeichnis GDV GenG

XXI

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Gesamthrsg. Gesamtherausgeber GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbHRundschau (Zeitschrift) GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union GS Großer Senat GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber i.V.m. in Verbindung mit InsO Insolvenzordnung JA Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) jurisPK juris Praxiskommentar JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ JuristenZeitung (Zeitschrift) Kfz Kraftfahrzeug KommArbEG Kommentar zum Gesetz über Arbeitnehmererfindungen KR Gemeinschafts- Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu kommentar sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften KSchG Kündigungsschutzgesetz KSchG 1951 Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 KWG Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) LAG Landesarbeitsgericht lit. litera/littera (Latein; Buchstabe) m.w.N. mit weiteren Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MiLoG Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) MitbestR Mitbestimmungsrecht MüKo Münchener Kommentar NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nr. Nummer NVersZ Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OLG Oberlandesgericht

XXII PflVG ProdHaftG r+s RAG RdA RGBl. Rn. RNotO RsprEinhG RVO S. SEAG

SGB SGG sog. SPD SprAuG StBerG StGB StVG TVG TV-L TVöD u.a. UMAG UMTS US v. VerfahrensR VersR vgl. VP VVG VW WM WPO ZfA ZGR

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) recht und schaden (Zeitschrift) Reichsarbeitsrecht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Randnummer Reichsnotarordnung Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes Reichsversicherungsordnung Seite Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz) Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz sogenannt Sozialdemokratische Partei Deutschlands Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschußgesetz) Steuerberatungsgesetz Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und andere Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Universal Mobile Telecommunications System United States (Englisch; Vereinigte Staaten) versus (Latein; gegen) Verfahrensrecht Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Die Versicherungspraxis (Zeitschrift) Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Wertpapier-Mitteilungen) Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis ZHR ZIP ZPO ZRP ZVersWiss

XXIII

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

§ 1 Einleitung Wer ist leitender Angestellter und wie haftet diese Person? Einigkeit besteht dahingehend, dass ein leitender Angestellter auf Grundlage eines Arbeitsvertrags für einen Arbeitgeber tätig wird. Er zählt nicht zu dessen Organmitgliedern, sondern ist ein Arbeitnehmer1 mit besonderen Aufgaben bzw. unternehmerischen Funktionen.2 Er unterscheidet sich von anderen Arbeitnehmern dadurch, dass er für das Unternehmen typische unternehmerische (Teil-)Funktionen in eigener Verantwortung und mit einem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum ausübt.3 Diese unbestimmten Rechtsbegriffe ermöglichen nicht immer eine eindeutige Abgrenzung eines leitenden Angestellten von anderen Arbeitnehmern. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen gesetzlichen Begriffsbestimmungen und die Besonderheiten, die für die leitenden Angestellten im haftungsrechtlichen Kontext gelten. Nicht Gegenstand der Untersuchung sind Organ-Führungskräfte. Mitglieder von Gesellschaftsorganen sind grundsätzlich keine Arbeitnehmer, wobei ausnahmsweise auch Geschäftsführer dem Arbeitnehmerbegriff unterfallen können.4 Auch letztere sind von der vorliegenden Abhandlung ausgenommen. Auch angesichts der rechtstatsächlichen Entwicklung, dass Gesellschaften zunehmend Ansprüche gegen ihre Führungskräfte geltend machen, ist zu untersuchen, welchem Haftungsregime die leitenden Angestellten unterliegen. Auf der einen Seite steht die von der Rechtsprechung entwickelte Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer. Dieses arbeitsrechtliche Privileg schützt den Arbeitnehmer vor einer unbilligen und existenzbedrohenden Haftung. Auf der anderen Seite hat der BGH in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung5 festgestellt, dass eine unternehmerische Tätigkeit einen Handlungsspielraum des Geschäftsleiters erfordert, der keiner umfassenden gerichtlichen Über

1

So ausdrücklich BT-Drs. VI/1786, S. 36 (in Bezug auf § 5 Abs. 3 BetrVG). Vgl. Spinner, in: MüKoBGB, § 611a BGB Rn. 153; Kania, in: Küttner, Personalbuch 2022, Leitende Angestellte Rn. 1. 3 Vogelsang, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 2. 4 Beispielsweise in Bezug auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG: BGH, Urteil vom 26. März 2019 – II ZR 244/17, NZA 2019, 706 (707 ff.). 5 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 2

2

§ 1 Einleitung

prüfung unterliegt.6 Dies hat der Gesetzgeber mit der Kodifizierung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bestätigt.7 Zu klären ist, ob diese Haftungsbeschränkungen auch auf einen leitenden Angestellten Anwendung finden und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Die Arbeit beschränkt sich auf die Frage nach dem Haftungsregime, ohne auf einzelne Anwendungsfälle wie etwa die Frage nach der Regressfähigkeit von (kartellrechtlichen) Unternehmensgeldbußen einzugehen. Viele Gesellschaften schließen für ihre Führungskräfte eine D&O-Versicherung ab. Die D&O-Versicherung (directors’ and officers’ liability insurance) ist eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für Vermögensschäden, die dem Versicherungsnehmer infolge einer fahrlässigen Pflichtverletzung durch die versicherte Person entstanden sind. Erfasst die Versicherung auch Ansprüche der Gesellschaft gegen ihr eigenes Führungspersonal, bildet diese Deckung im Innenverhältnis das „versicherungsrechtlich[e] Korrelat zur Innenhaftung“8. Häufig sind auch Personen versichert, welche die Versicherungsbedingungen als leitende Angestellte bezeichnen. Zu untersuchen ist, welche Personen dieser Begriff erfasst und ob der Versicherungsschutz deren Haftung beeinflusst. Möglicherweise lässt der wirtschaftliche Schutz durch die Versicherung das Bedürfnis oder sogar die Rechtfertigung für eine Haftungsbeschränkung entfallen. Nach einer Analyse der Begriffe des leitenden Angestellten und einer Abgrenzung zu anderen Formen von Führungskräften (§ 2) erfolgt eine Untersuchung der Gründe für das Arbeitnehmerprivileg (§ 3). Auf dieser Grundlage lässt sich beantworten, nach welcher Maßgabe leitende Angestellte haften (§ 4) und ob die Arbeitsvertragsparteien die Haftung vertraglich modifizieren können (§ 5). Nach einem Überblick über die Besonderheiten der D&O-Versicherung (§ 6) befasst sich die Arbeit abschließend mit den Fragen einer Versicherungspflicht und einer Versicherungsobliegenheit und deren Einfluss auf die Haftung leitender Angestellter (§ 7).

6 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927); das Erfordernis eines unternehmerischen Ermessensspielraums war bereits vorher bekannt, näher dazu: Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 137 ff. m.w.N. 7 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 8 Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 6.

§ 2 Leitende Angestellte Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Haftung im Innenverhältnis zwischen einer Gesellschaft und deren leitenden Angestellten. Der Begriff des leitenden Angestellten ist gesetzlich nicht einheitlich definiert. Weder gibt es einen allgemein gültigen gesetzlichen Begriff noch eine einheitliche arbeitsrechtliche Definition.1 § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG bestimmt den Terminus anhand von Fallgruppen. Demgegenüber enthalten etwa die Vorschriften der §§ 14 Abs. 2, 17 Abs. 5 Nr. 3 KSchG, § 16 Abs. 4 Nr. 4 SGG oder auch des § 22 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG eigenständige Begriffe. Welche konkreten Merkmale ein „leitender Angestellter“ aufweisen muss, bestimmt sich nach Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung.2 Um die Haftung leitender Angestellter beurteilen zu können, gilt es zunächst zu erfassen, wer leitender Angestellter ist. Hierfür bedarf es einer Analyse der unterschiedlichen Begriffsbestimmungen (A) und einer Abgrenzung zu anderen Formen von Führungskräften (B). Dies soll Schlussfolgerungen für das Haftungsrecht ermöglichen (C).

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext Zwei Aspekte führten dazu, dass sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die leitenden Angestellten als eine gesonderte Gruppe innerhalb der Arbeitnehmerschaft3 herausbildeten: einerseits die Funktion als Arbeitgebervertreter und andererseits die – im Vergleich zu anderen Angestellten – gehobene wirtschaftliche und soziale Stellung dieser Personengruppe.4 Diese Sonderstellung spiegelte sich schon

1

BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (966). BAG, Beschluss vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73, BeckRS 9998, 149655 (III.2 der Entscheidungsgründe). 3 Zur Entwicklung der Arbeitnehmerschaft als gesellschaftliche Gruppe: Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 8 ff. 4 Vgl. Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 101 f. 2

4

§ 2 Leitende Angestellte

bald in gesetzlichen Regelungen wider5, etwa im Sozialversicherungsrecht und im Arbeitsschutzrecht. Im Kündigungsschutzrecht galten gesonderte Fristen für Angestellte mit Leitungsaufgaben bzw. mit einem Jahresgehalt in Höhe von mehr als 5.000 Mark (§§ 133a, 133a.b der Gewerbeordnung vom 26. Juli 19006 und § 68 i.V.m. § 67 des Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 18977). Das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 19118 verwendete bereits den Begriff der „Angestellte[n] in leitender Stellung“. Diese Personen waren bei einem Jahresarbeitsverdienst von bis zu 5.000 Mark grundsätzlich versicherungspflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 des Versicherungsgesetzes für Angestellte). Hieran anknüpfend nahm das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 19169 Angestellte in leitender Stellung jenseits dieser Verdienstgrenze von der Betriebsvertretung durch die sog. Angestelltenausschüsse aus (§ 11 Abs. 3 des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst). Die Verordnung über die Regelung der Arbeitszeit der Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung vom 18. März 191910 nahm Angestellte in leitender Stellung, die Vorgesetzte von in der Regel mindestens 20 Angestellten oder 50 Arbeitnehmern waren oder deren Jahresarbeitsverdienst 7.000 Mark überstieg, von ihrem Anwendungsbereich und damit vom Arbeitszeitschutz aus (§ 12 Nr. 2 der Verordnung). Auch wenn sie schon seit langer Zeit sowohl in gesellschaftlicher als auch in rechtlicher Hinsicht anerkanntermaßen eine gesonderte Gruppe innerhalb der Arbeitnehmerschaft bilden, gibt es keinen einheitlichen Begriff der leitenden Angestellten.11 Je nach Regelungszusammenhang dient die Abgrenzung der leitenden Angestellten von anderen Personengruppen unterschiedlichen Zwecken. Drei Bereiche haben sich herausgebildet: Neben den praktisch besonders relevanten Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Begriffs (I) treten das Kündigungsschutzrecht (II) und das Verfahrensrecht (III).

5 Ausführlich zu dieser Entwicklung: Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 95 ff.; Leese, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, S. 43 ff. 6 RGBl. 1900, S. 871 ff., 958 f. 7 RGBl. 1897, S. 219 ff., 233. 8 RGBl. 1911 S. 989 ff., 989. 9 RGBl. 1916, S. 1333 ff., 1336. 10 RGBl. 1919, S. 315 ff., 318. 11 BAG, Beschluss vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73, BeckRS 9998, 149655 (III.2 der Entscheidungsgründe): „Der Senat hat auch schon ausgeführt, daß keine allgemeingültige und eindeutige Verkehrsanschauung besteht. Es wird jeweils immer auf den Sinn der konkreten gesetzl. Regelung abgestellt.“

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

5

leitender Angestellter BetrVG

EBRG

SprAuG

KSchG

MitbestR

VerfahrensR

ArbZG

ArbGG

MitbestG

SGG

DrittelbG

ArbER

I. Betriebsverfassungsrechtlicher Begriff Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 BetrVG ordnet den leitenden Angestellten hinsichtlich der kollektiven Interessenvertretung auf Betriebsebene der Arbeitgeberseite zu. Die Bestimmung gilt nicht nur für das BetrVG, sondern aufgrund von Verweisungen auch für mehrere andere Gesetze. Zu nennen sind das Gesetz über Europäische Betriebsräte (§§ 11 Abs. 4, 23 Abs. 6 Satz 1, 36 Abs. 2 EBRG), das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (§ 1 Abs. 1 SprAuG), das Mitbestimmungsrecht (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 1 DrittelbG) und das Arbeitszeitgesetz (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG). Der betriebsverfassungsrechtliche Begriff des leitenden Angestellten ist daher bei der Rechtsanwendung besonders relevant. Die Begriffsbestimmung des § 5 Abs. 3 BetrVG ist für das Betriebsverfassungsrecht zwingend12 und kann nicht durch einzelvertragliche Vereinbarungen, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geändert werden.13 Ob ein Arbeitnehmer ein leitender Angestellter ist, kann der Arbeitgeber nicht durch Statusvereinbarungen, sondern allein über die Zuweisung entsprechender Aufgaben und Funktionen festlegen. 1. Historische Entwicklung § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916 schloss bestimmte Angestellte in leitender Stellung von der Vertretung durch einen Angestelltenausschuss aus. Dieses Gesetz enthielt erstmals eine allgemeine Regelung zur kollektiven Interessenvertretung auf betrieblicher Ebene 12

BAG, Beschluss vom 16. April 2002 – 1 ABR 23/01, NZA 2003, 56 (57). U. Koch, in: ErfK, § 5 BetrVG Rn. 17; Wiedemann/Wank, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 1, Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73. 13

6

§ 2 Leitende Angestellte

in Form von Arbeiter- bzw. Angestelltenausschüssen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte es lediglich einzelne Betriebsvertretungen ohne gesetzliche Grundlage gegeben. Die ersten gesetzlichen Regelungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten nur für Bergbaubetriebe, etwa §§ 80f a, 80f i des allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 in der Fassung vom 28. Juli 1909. Der Ausschluss gemäß § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst beschränkte sich auf eine Teilgruppe der Angestellten in leitender Stellung und knüpfte an eine bestimmte Verdiensthöhe und nicht an unternehmerische Funktionen an. Insofern ist die Regelung nicht vergleichbar mit § 12 Abs. 2 des späteren Betriebsrätegesetzes. Das Betriebsrätegesetz14 nahm Personen mit unternehmerischen Aufgaben aus seinem Anwendungsbereich aus. Die Ausnahme erfasste diejenigen Personen, „die, obwohl formell Angestellte, dennoch innerlich dem Arbeitgeber näherstehen als den übrigen Arbeitnehmern, indem sie ein solches Maß von Selbständigkeit und Unabhängigkeit […] besitzen, daß ihre Zurechnung zu den Arbeitnehmern mit dem doppelten Aufgabenkreis der Betriebsvertretungen […] in Widerspruch stünde.“15

Die Betriebsvertretungen sollten einerseits die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Angestellten wahrnehmen, andererseits Einfluss nehmen auf die Betriebsleitung und -leistung.16 § 12 Abs. 2 des Betriebsrätegesetzes stellte noch nicht ausdrücklich auf den Begriff des leitenden Angestellten ab. Diesen verwendete im Betriebsverfassungsrecht erstmals das BetrVG 1952.17 Im Sozialversicherungsrecht gebrauchte bereits das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911 den Begriff der „Angestellte[n] in leitender Stellung“. Im Gesellschaftsrecht findet sich im Jahr 1937 eine Legaldefinition der leitenden Angestellten: Nach § 80 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. Januar 193718 waren leitende Angestellte „die Geschäftsführer und Betriebsleiter, die zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung der übrigen im Betriebe oder in der Betriebsabteilung Beschäftigten berechtigt sind oder denen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist.“

Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 lit. c BetrVG 195219 bezeichnete die entsprechende Personengruppe, die vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungs14

Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 (RGBl. 1920 S. 147 ff., 149), abrufbar unter http s://www.zaar.uni-muenchen.de/download/doku/historische gesetze/mo-nr 31 reichsgese.p df (zuletzt abgerufen am 17. November 2022). 15 Flatow/Kahn-Freund, Betriebsrätegesetz, § 12 (S. 103). 16 Flatow/Kahn-Freund, Betriebsrätegesetz, Einleitung (S. 27). 17 Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 (BGBl. 1952 I S. 681 ff., 681). 18 RGBl. 1937 I S. 107 ff., 121. 19 Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 lit. c BetrVG 1952 lautete wie folgt: „(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht […] die leitenden Angestellten, wenn sie zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Be-

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

7

rechts grundsätzlich ausgenommen werden sollte, ausdrücklich als leitende Angestellte. Mit dem Ablösungsgesetz im Jahr 1972 wollte der Gesetzgeber eine eindeutigere Abgrenzung dieses Personenkreises ermöglichen, indem er das subjektive Kriterium des besonderen persönlichen Vertrauens des Arbeitgebers durch objektivere Merkmale ersetzte.20 Eine wesentliche Veränderung des erfassten Personenkreises bezweckte er mit der Regelung des § 5 Abs. 3 BetrVG 197221 nicht. Entgegen dieser gesetzgeberischen Intention erachtete das BAG die Merkmale in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG 1972 zunächst als „so unscharf, daß sie noch keine justitiable Abgrenzung ermöglichen“.22 Die Fallgruppen genügten für sich genommen nicht für eine eindeutige Abgrenzung leitender Angestellter von anderen Arbeitnehmern. Die Regelung enthalte insoweit eine verdeckte Regelungslücke und setze ein „Vorverständnis“23 des Begriffs des leitenden Angestellten voraus. Dieser vorausgesetzte Oberbegriff sei nicht eindeutig bestimmbar.24 Für eine Einordnung als leitender Angestellter müsse eine Gesamtbetrachtung ergeben, dass sowohl der Oberbegriff als auch die Voraussetzungen der Fallgruppen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erfüllt anzusehen seien. Mit Beschluss vom 9. Dezember 1975 revidierte das BAG die Annahme einer verdeckten Regelungslücke und führte aus, dass das BetrVG insoweit lediglich „einen allgemeinen Rechtsbegriff, allerdings mit einem hohen Maß von Unbestimmtheit“ enthalte.25 Mit Beschluss vom 29. Januar 1980 modifizierte das BAG seine Rechtsprechung erneut und lässt nunmehr die Prüfung der in § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG genannten Merkmale genügen.26

triebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt sind oder wenn ihnen Generalvollmacht oder Prokura erteilt ist oder wenn sie nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und Aufgaben wahrnehmen, die regelmäßig wegen ihrer Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Betriebs nur auf Grund besonderen persönlichen Vertrauens des Arbeitgebers bestimmten Personen im Hinblick auf deren besondere Erfahrung und Kenntnisse übertragen werden“. 20 BT-Drs. VI/1786, S. 34 und S. 36. 21 Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972 (BGBl. 1972 I S. 13 ff., 15). 22 BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (966). 23 BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (965). 24 BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (967). 25 BAG, Beschluss vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73, BeckRS 9998, 149655 (III.3 der Entscheidungsgründe). 26 BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2725): „Es genügt, § 5 III Nr. 3 BetrVG im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats auszulegen und anzuwenden. Wenn also die erforderliche Gesamtwürdigung ergibt, daß ein Angestellter ausreichend bedeutsame unternehmerische Aufgaben wahrnimmt und dabei einen erheblichen Entscheidungsspielraum zu verantworten hat und wenn dies auch seiner Dienststellung und seinem Dienstvertrag entspricht, so ist er als leitender Angestellter anzusehen.“

8

§ 2 Leitende Angestellte

Die heutige Fassung der Vorschrift gilt seit dem 1. Januar 1989. Der Gesetzgeber hat mit dem damaligen Änderungsgesetz27 den Wortlaut von § 5 Abs. 3 BetrVG wie folgt geändert: Statt der Bestimmung „Dieses Gesetz findet […] keine Anwendung auf leitende Angestellte, wenn […]“,

enthält die Vorschrift seitdem die Formulierung „Dieses Gesetz findet […] keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer […]“.

Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber eine (für das BetrVG) abschließende Begriffsbestimmung eingeführt, so dass die Annahme eines vorgelagerten Oberbegriffs des leitenden Angestellten endgültig ausgeschlossen ist.28 2. Zweck des § 5 Abs. 3 BetrVG Die leitenden Angestellten übernehmen für den Arbeitgeber unternehmerische (Teil-)Funktionen und identifizieren sich daher stärker mit den Unternehmensinteressen als die Gesamtbelegschaft. Um Interessenskonflikte aufgrund ihrer Doppelrolle als Arbeitnehmer einerseits und Mitverantwortliche für die Unternehmensführung andererseits zu vermeiden, vertritt nicht der Betriebsrat die leitenden Angestellten, sondern – sofern vorhanden – ein Sprecherausschuss, § 25 Abs. 1 Satz 1 SprAuG. Die Regelung des § 5 Abs. 3 BetrVG soll die Angelegenheiten dieser Mitarbeitergruppe der Einwirkung des Betriebsrats entziehen.29 Arbeitgeber und Betriebsrat sollen Angelegenheiten beraten und endgültige Entscheidungen treffen können, ohne dass die jeweils andere Betriebspartei auf den internen Prozess der Meinungsbildung Einfluss nehmen kann.30 3. Inhaltliche Anforderungen Im Betriebsverfassungsrecht bestimmt § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG den Begriff des leitenden Angestellten anhand von Fallgruppen: „Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb 1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder 2. Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder

27 Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung vom 20. Dezember 1988 (BGBl. 1988 I S. 2312 ff., 2312). 28 Kallenberg, Der Status des leitenden Angestellten im Rahmen des gesetzlichen Kündigungsschutzes, S. 45; Wlotzke, DB 1989, 111 (118). 29 BAG, Beschluss vom 16. April 2002 – 1 ABR 23/01, NZA 2003, 56 (57). 30 Vgl. Hromadka, BB 1990, 57 (58) m.w.N.

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

9

3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.“

Aus Sicht des Gesetzgebers ist für die Einordnung als leitender Angestellter maßgeblich, dass sie „der Unternehmensleitung durch ihre Tätigkeit und die Bedeutung ihrer Funktion nahestehen“.31 Dementsprechend erfasst § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG unterschiedliche Arbeitgeberfunktionen, wobei die jeweiligen unternehmerischen Aufgaben gleichwertig sind.32 Allen Fallgruppen ist gemeinsam, dass der leitende Angestellte die jeweiligen Arbeitgeberfunktionen nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder Betrieb wahrnehmen muss. Das bedeutet, dass er die Funktion sowohl tatsächlich ausüben als auch vertraglich hierzu berechtigt sein muss.33 Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des BAG ist ein „Gegnerbezug“ bzw. Interessengegensatz zum Betriebsrat keine Voraussetzung, sondern nur ein Indiz für eine Tätigkeit als leitender Angestellter.34 a) Beurteilung nach formalen Kriterien (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG) Während die Tatbestandsgruppen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG auf formale Merkmale abstellen, enthält der Auffangtatbestand nach Nr. 3 eine funktionsbezogene Umschreibung.35 Für die Einordnung als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG kommt es auf die Personalführungsbefugnis des Mitarbeiters an. Diese muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen, im Innen- und Außenverhältnis bestehen und eine quantitativ oder qualitativ bedeutsame Gruppe von Mitarbeitern erfassen.36 Grundsätzlich muss der leitende Angestellte zur eigenverantwortlichen Einstellung oder Entlassung einer bedeu-

31

BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2727); nach § 45 Satz 2 WPO gelten angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Vorschrift ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie nur angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokura erfasst, BAG, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 ABR 15/10, NZA 2012, 408 (408 ff.). Die Vorschrift ist nicht (entsprechend) anwendbar auf angestellte Steuerberater oder Rechtsanwälte, BAG, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 ABR 5/10, NZA-RR 2011, 647 (650). 32 BAG, Beschluss vom 16. April 2002 – 1 ABR 23/01, NZA 2003, 56 (57). 33 BAG, Beschluss vom 16. April 2002 – 1 ABR 23/01, NZA 2003, 56 (58); Urteil vom 11. März 1982 – 6 AZR 136/79, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 28 (B.1 der Entscheidungsgründe); Besgen, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 5 BetrVG Rn. 41. 34 BAG, Urteil vom 11. März 1982 – 6 AZR 136/79, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 28 (B.2 der Entscheidungsgründe); 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2727). 35 BT-Drs. 11/2503, S. 30. 36 BAG, Beschluss vom 4. Mai 2022 – 7 ABR 14/21, BeckRS 2022, 22077; Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 176/00, NZA 2002, 1277 (1281).

10

§ 2 Leitende Angestellte

tenden Anzahl von Arbeitnehmern berechtigt sein. Allerdings kann auch die Personalführungskompetenz für einen kleinen Personenkreis ausreichen, wenn dessen Tätigkeit für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, wesentlich ist. Ist der Angestellte für eine solche „qualitativ bedeutsame“ Gruppe verantwortlich, hat er einen prägenden Einfluss auf die Besetzung von Schlüsselpositionen im Unternehmen bzw. Betrieb und damit auf dessen Entwicklung.37 Damit ein Arbeitnehmer den Tatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG erfüllt, muss der Arbeitgeber ihm rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht in Form einer Generalvollmacht oder Prokura erteilen. Die §§ 48 ff. HGB beschränken den zulässigen Höchstumfang der Prokura im Vergleich zur (potentiell) umfassenderen Generalvollmacht, so dass der Generalbevollmächtigte hierarchisch über dem Prokuristen steht.38 Der Prokurist muss auch im Verhältnis zum Arbeitgeber, d.h. im Innenverhältnis, bedeutende unternehmerische Leitungsaufgaben mit erheblichem Entscheidungsspielraum wahrnehmen.39 Gleichzeitig muss die Vertretungsmacht des Prokuristen sachliche Bedeutung für die Wahrnehmung dieser Aufgaben haben.40 Insoweit enthält der Tatbestand ein funktionales Kriterium, auch wenn er im Übrigen auf formale Merkmale abstellt. Titularprokuristen oder Angestellte in Stabsfunktionen fallen damit nicht unter § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG.41 b) Funktionsbezogene Beurteilung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG) In der Praxis am relevantesten ist der funktionsbezogene Auffangtatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Durch die Bezeichnung als „sonstige Aufgaben“ schafft der Auffangtatbestand einen Zusammenhang zu vorangegangenen Tatbeständen in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG. Alle Tätigkeiten im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG müssen schwerpunktmäßig42 Aufgaben mit Führungscharakter beinhalten, welche die Gesamttätigkeit des Angestellten prägen.43 Der Tatbestand der Nr. 3 fordert „Führungsaufgaben u. a. in wirtschaftlicher, technischer, kaufmännischer, organisatorischer, personeller, rechtlicher oder wissenschaftlicher Hinsicht“.44 Der Mitarbeiter muss nach der Art seiner Tätigkeit und der Bedeutung seiner Funktion der Unternehmensleitung nahestehen.45

37

BAG, Beschluss vom 4. Mai 2022 – 7 ABR 14/21, BeckRS 2022, 22077; Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 176/00, NZA 2002, 1277 (1282). 38 Krebs, in: MüKoHGB, Vorbemerkung zu § 48 HGB Rn. 101. 39 BAG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94, NZA 1995, 747 (749). 40 BAG, Beschluss vom 25. März 2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296 (1297). 41 BAG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94, NZA 1995, 747 (748 f.). 42 BAG, Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81, NZA 1986, 484 (485). 43 Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 245. 44 BT-Drs. 11/2503, S. 30. 45 BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2727).

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

11

Ob dies zutrifft, richtet sich auch nach der individuellen Struktur des jeweiligen Unternehmens.46 Eine schlichte Vorgesetztenstellung genügt für sich genommen nicht.47 Der Führungscharakter einer Aufgabe zeigt sich insbesondere darin, dass diese sowohl für den Bestand als auch für die Entwicklung des Unternehmens oder Betriebs objektiv von Bedeutung ist. Eine Aufgabe ist von Bedeutung, wenn die entsprechende Tätigkeit wichtig ist, damit das konkrete Unternehmen bzw. der konkrete Betrieb die von der Unternehmensleitung vorgegebenen Ziele erreicht.48 Die leitenden Funktionen können sich ebenso auf das gesamte Unternehmen wie auch nur auf einen von mehreren Betrieben beziehen.49 Ausschlaggebend für die Einordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist der Entscheidungsspielraum des Arbeitnehmers. Ein leitender Angestellter trifft Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen oder beeinflusst sie zumindest maßgeblich. Der entscheidende „Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann“.50

Hintergrund ist, dass der Unternehmer aufgrund der weitreichenden wirtschaftlichen, sozialen und technischen Veränderungen nicht mehr imstande ist, sämtliche Unternehmerfunktionen selbst auszuüben. Vielmehr ist er im Vorfeld unternehmerischer Entscheidungen darauf angewiesen, dass ihn sachverständige Personen durch Problemermittlung, Planung und Kontrolle unterstützen.51 Im Gegensatz zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG kann der Auffangtatbestand also auch Angestellte in Stabsfunktionen erfassen.52 In einer Stabsfunktion „erfüllt der Angestellte eine unternehmerische bedeutsame Aufgabe dadurch, daß er planend und beratend tätig wird und kraft seines besonderen Sachverstandes unternehmerische Entscheidungen auf eine Weise vorbereitet, die es der eigentlichen Unternehmensführung nicht mehr gestattet, an seinen Vorschlägen vorbeizugehen“.53

Sein unternehmerischer Einfluss beschränkt sich auf das Innenverhältnis zum Arbeitgeber. Im Gegensatz dazu trifft ein Angestellter in Linienfunktion die maßgebenden Entscheidungen selbst und vertritt diese auch gegenüber Dritten.54

46

Vgl. Hromadka, BB 1990, 57 (57). BAG, Beschluss vom 5. Mai 2010 – 7 ABR 97/08, NZA 2010, 955 (958); Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81, NZA 1986, 484 (485). 48 Vgl. Hromadka, BB 1990, 57 (60). 49 BT-Drs. 11/2503, S. 30. 50 BAG, Beschluss vom 25. März 2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296 (1299). 51 BAG, Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (966). 52 BAG, Beschluss vom 25. März 2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296 (1297). 53 BAG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94, NZA 1995, 747 (749). 54 Kempf, ArbRAktuell 2009, 42, Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 25. März 2009 – 7 ABR 2/08. 47

12

§ 2 Leitende Angestellte

Wie viele Angestellte unternehmerische Aufgaben mit erheblichem Entscheidungsspielraum wahrnehmen, hängt von der Struktur des konkreten Unternehmens ab und muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.55 Völlige Weisungsfreiheit ist nicht erforderlich. Dies wäre schon mit der Arbeitnehmereigenschaft des leitenden Angestellten unvereinbar.56 Dementsprechend steht es der Annahme eines ausreichenden Entscheidungsspielraums nicht generell entgegen, wenn aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien Vorgaben bestehen oder mehrere leitende Angestellte zusammenarbeiten und daher nicht jeder für sich allein entscheidet (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 BetrVG).

II. Kündigungsschutzrechtlicher Begriff Beim kündigungsschutzrechtlichen Begriff stehen nicht die unterschiedlichen Interessen von Unternehmen und Belegschaft, sondern das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und leitendem Angestellten im Fokus. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)57 gewährleistet einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen bei Kündigungen.58 1. Historische Entwicklung Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs existierten nur vereinzelte Regelungen zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Im Grundsatz bestand Kündigungsfreiheit, welche die Vertragsfreiheit bei der Eingehung von Arbeitsverhältnissen spiegelte und eine wirtschaftsliberale Grundhaltung ausdrückte.59 Zwar führte der Gesetzgeber zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mindestkündigungsfristen ein, wobei gesonderte Fristen galten für Angestellte mit Leitungsaufgaben bzw. mit einem Jahresgehalt in Höhe von mehr als 5.000 Mark.60 Diese Regelungen verhinderten die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aber nicht, weil der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung (grundsätzlich) keinen materiellen Kündigungsgrund voraussetzte. Einen allgemeinen materiellen Kündigungsschutz begründete erstmals das Betriebsrätegesetz.61 Aufgrund des Ausschlusses gemäß § 12 55 Vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2727); Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73, NJW 1974, 965 (968); Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 244. 56 Hromadka, BB 1990, 57 (61). 57 Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (BGBl. 1951 I S. 499 ff.) in der Fassung vom 25. August 1969 (BGBl. 1969 I S. 1317 ff.). 58 Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil Kapitel A Rn. 23. 59 Hergenröder, in: MüKoBGB, Einleitung KSchG Rn. 1; Krause, in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, Einleitung Rn. 3; Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil Kapitel A Rn. 1 f. 60 §§ 133a, 133a.b der Gewerbeordnung vom 26. Juli 1900 (Fn. 6) und § 68 i.V.m. §§ 67, 66 des Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 (Fn. 7). 61 §§ 84 ff. des Betriebsrätegesetzes vom 4. Februar 1920 (RGBl. 1920 S. 147 ff., 167 ff.);

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

13

Abs. 2 des Betriebsrätegesetzes galt dieser jedoch nicht für Angestellte in Führungspositionen. Entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie gab das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG)62 die Unterscheidung zwischen leitenden und sonstigen Angestellten auf (§ 1 AOG). Der Kündigungsschutz nach §§ 56–62 AOG erfasste sämtliche Arbeitnehmer gleichermaßen und wurde wegen der Generalklausel des § 56 Abs. 1 AOG63 zum Einfallstor für ideologische und wirtschaftspolitische Zwecke.64 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hob der Alliierte Kontrollrat das AOG auf.65 In der Folge führte die zersplitterte Rechtslage in den vier Besatzungszonen zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Demgegenüber sollte das Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (KSchG 1951)66 einen einheitlichen allgemeinen Kündigungsschutz auf Grundlage einer sozial-marktwirtschaftlichen Ordnung bieten.67 § 12 des KSchG 1951 nahm „Angestellte in leitender Stellung“ vom allgemeinen Kündigungsschutz aus. Inhaltlich orientierte sich diese Vorschrift an § 12 Abs. 2 des Betriebsrätegesetzes.68 Die Neufassung des KSchG69 aufgrund des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 196970 bezog auch die leitenden Angestellten in den Geltungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes ein. Was den Bestandsschutz des Arbeitsplatzes anbelangt, erachtete der Gesetzgeber diese Arbeitnehmergruppe als in ähnlicher Weise schutzbedürftig wie die übrigen Arbeitnehmer. Angesichts der besonderen Vertrauensstellung eines leitenden Angestellten billigte er dem Arbeitgeber aber die Möglichkeit zu, das Arbeitsverhältnis nach

Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil Kapitel 1 Rn. 8 ff.; Krause, in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, Einleitung Rn. 5 ff. 62 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (RGBl. 1934 I S. 45 ff., 45). 63 „Wird einem Angestellten oder Arbeiter nach einjähriger Beschäftigung in dem gleichen Betrieb oder dem gleichen Unternehmen gekündigt, so kann er, wenn es sich um einen Betrieb mit in der Regel mindestens zehn Beschäftigten handelt, binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht mit den Antrag auf Widerruf der Kündigung klagen, wenn diese unbillig hart und nicht durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt ist.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 64 Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil Kapitel 1 Rn. 12 ff. 65 Aufhebung des AOG mit Wirkung zum 1. Januar 1947 durch das Kontrollratsgesetz Nr. 40 vom 30. November 1946 (Hemken, Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat und der Amerikanischen Militärregierung erlassenen Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Befehle, Direktiven, Band 1, Teil I: Kontrollrat, K Gesetz Nr. 40). 66 Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (BGBl. 1951 I S. 499 ff.). 67 Preis, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil Kapitel 1 Rn. 17. 68 BT-Drs. I/2090, S. 15. 69 Bekanntmachung der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes vom 25. August 1969 (BGBl. 1969 I S. 1317 ff.). 70 Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechts und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. 1969 I S. 1106 ff.).

14

§ 2 Leitende Angestellte

Ausspruch einer sozialwidrigen Kündigung auch ohne Nachweis über den Verlust dieses Vertrauensverhältnisses zu beenden und die gerichtliche Auflösung gegen Zahlung einer Abfindung herbeizuführen.71 § 14 KSchG lautet seitdem wie folgt: „(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts72 gelten nicht 1. in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, 2. in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen. (2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.“

2. Zweck des § 14 Abs. 2 KSchG Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 KSchG modifiziert den allgemeinen Kündigungsschutz. Zwar unterfällt ein leitender Angestellter dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes, allerdings gelten für ihn zwei Besonderheiten. Daneben entfällt nach § 17 Abs. 5 Nr. 3 KSchG für leitende Angestellte der besondere Schutz bei Massenentlassungen. Zum einen kann ein leitender Angestellter keinen Einspruch beim Betriebsrat einlegen, wenn er eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt hält (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Dies ist folgerichtig, da der Betriebsrat die leitenden Angestellten nicht vertritt (§ 5 Abs. 3 BetrVG), auch wenn der Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung auch dem Betriebsrat nach § 105 BetrVG rechtzeitig mitteilen muss (wobei es bei diesen Regelungen des BetrVG wiederum auf den betriebsverfassungsrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten ankommt). In Betracht kommt allenfalls ein Einspruchsrecht des leitenden Angestellten gegenüber dem Sprecherausschuss in analoger Anwendung von § 3 KSchG.73 Zum anderen braucht der Arbeitgeber einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht zu begründen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Kündigungsschutz bedeutet insoweit also nicht Bestandsschutz, sondern lediglich Abfindungsschutz.74 Diese erleichterte Beendigungsmöglichkeit beruht auf der besonderen Vertrauensstellung eines leitenden Angestellten aus Sicht des Unternehmers:75 71

BT-Drs. V/3913, S. 9. Erster Abschnitt: allgemeiner Kündigungsschutz (§§ 1–14 KSchG). 73 Künzl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 3 KSchG Rn. 16; ablehnend: Kerwer, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 3 KSchG Rn. 15; Oetker, ZfA 1990, 43 (77), mit der Begründung, dass es an der erforderlichen Regelungslücke fehle. 74 Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 194; Volkening, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 14 KSchG Rn. 27 f. 75 Vgl. Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 34; kritisch: Martens, Das Arbeitsrecht der lei72

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

15

Leitende Angestellte besetzen Schlüsselpositionen im Unternehmen und treffen Entscheidungen mit erheblichem Einfluss auf dessen wirtschaftliche Entwicklung.76 Damit der Arbeitgeber einem Mitarbeiter solche unternehmerische Teilfunktionen überträgt, muss er diesem in besonderem Maße vertrauen. Diese Vertrauensbasis ist spätestens mit dem Ausspruch einer sozialwidrigen Kündigung in der Regel zerstört.77 Ob im Einzelfall noch eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erwarten und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessengerecht ist, können nur die Arbeitsvertragsparteien selbst beurteilen.78 Indem das Begründungserfordernis entfällt und dadurch erleichterte Voraussetzungen für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers gelten, bewirkt die Regelung des § 14 Abs. 2 KSchG zweierlei: Einerseits vermeidet die Abfindungslösung Konflikte, die sich aus dem zerrütteten Vertrauensverhältnis der Parteien ergeben können, wenn der leitende Angestellte nach einem erfolgreichen79 Kündigungsschutzprozess seine bisherige Tätigkeit wieder aufnimmt.80 Andererseits kann der Unternehmer dank der erleichterten Möglichkeit, sich von einem leitenden Angestellten zu lösen, die Richtung der Unternehmensleitung korrigieren bzw. deren Handlungsfähigkeit sichern.81 3. Inhaltliche Anforderungen Ein ähnlicher leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 BetrVG muss eine vergleichbare Führungsfunktion wie ein Geschäftsführer oder ein Betriebsleiter erfüllen. Mit „Geschäftsführer“ bezeichnet das Gesetz nicht den Geschäftsführer im Sinne des GmbHG; dieser ist der gesetzliche Vertreter einer GmbH bzw. einer juristischen Person und unterfällt daher dem Ausschluss gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Ebenso wenig bezieht sich der Begriff auf die Geschäftsführung im Sinne des Personengesellschaftsrechts. Stattdessen meint er Angestellte, die eine leitende Funktion im Unternehmen wahrnehmen, etwa im kaufmännischen, organisatorischen, personellen oder technischen Bereich.82

tenden Angestellten, S. 195 f.; Kreutzberg-Kowalczyk, in: KR Gemeinschaftskommentar, § 14 KSchG Rn. 2 m.w.N. 76 Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 34. 77 Diringer, NZA 2003, 890 (895). 78 Vgl. Bayreuther, in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, § 14 KSchG Rn. 30. 79 Teilweise wird vertreten, dass ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers bei einem leitenden Angestellten nicht allein im Falle einer sozialwidrigen Kündigung möglich sein soll, sondern auch, wenn die Kündigung neben der Sozialwidrigkeit auch aus anderen Gründen unwirksam ist, vgl. Kreutzberg-Kowalczyk, in: KR Gemeinschaftskommentar, § 14 KSchG Rn. 52. 80 Horn, NZA 2012, 186 (189); dazu auch: Bauer/von Medem, NZA 2013, 1233 (1235). 81 Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 34. 82 Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 14 KSchG Rn. 17.

16

§ 2 Leitende Angestellte

Betriebsleiter ist, „wer innerhalb eines Unternehmens einen selbständigen Betrieb eigenverantwortlich führt, dabei bedeutungsvolle unternehmerische (Teil-)Aufgaben wahrnimmt, Vorgesetzter der im Betrieb Beschäftigten ist und das Weisungsrecht ausübt und bei seiner Tätigkeit einen erheblichen Entscheidungsspielraum hat“.83

Ein ähnlicher leitender Angestellter muss also im Unternehmen oder Betrieb eine unternehmensbezogene (Teil-)Aufgabe in leitender Funktion wahrnehmen und über einen erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum verfügen.84 Nach der Rechtsprechung des BAG85 muss jeder leitende Angestellte im Sinne des Kündigungsschutzrechts zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sein, d.h. auch Geschäftsführer und Betriebsleiter.86 Nach der Entstehungsgeschichte der Regelung ist das Merkmal der Personalkompetenz für alle Personen im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG zu fordern. Die Gegenansicht bezieht dieses Kriterium nur auf die ähnlichen leitenden Angestellten.87 Indem sich das Erfordernis der Einstellungs-/Entlassungsbefugnis sowohl auf alle drei in § 14 Abs. 2 KSchG genannten Personengruppen als auch nur auf die zuletzt genannten ähnlichen leitenden Angestellten beziehen lässt, ist der Wortlaut nicht eindeutig und lässt beide Auslegungsmöglichkeiten zu.88 Die formale Sichtweise des BAG führe zu einem übermäßig eng gefassten Anwendungsbereich in großen Unternehmen und widerspreche damit dem Gesetzeszweck.89 Als Ausnahme vom Bestandsschutz bedarf die Vorschrift aber gerade einer restriktiven Auslegung. Die Personalkompetenz bietet ein sachgerechtes und eindeutiges Kriterium für die Festlegung, wann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise ohne Begründung gegen Zahlung einer Abfindung auflösen darf.90 Die Personalführung muss die Stellung des leitenden Angestellten prägen und sich auf eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer beziehen. Für den Umfang der Personalkompetenz

83

BAG, Urteil vom 25. November 1993 – 2 AZR 517/93, NZA 1994, 837 (838). Vgl. Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 14 KSchG Rn. 19; Kreutzberg-Kowalczyk, in: KR Gemeinschaftskommentar, § 14 KSchG Rn. 35. 85 BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437 (444). 86 Kritisch hierzu: Hergenröder, in: MüKoBGB, § 14 KSchG Rn. 20; Klamert/Mosch, NJW-Spezial 2014, 242 (242); Vogel, NZA 2002, 313 (314 f.). 87 Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 14 KSchG Rn. 23; Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 39 ff. m.w.N. 88 BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437 (444); Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 14 KSchG Rn. 23; a.A.: Vogel, NZA 2002, 313 (314 f.). 89 Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Teil § 14 KSchG Rn. 23; Hergenröder, in: MüKoBGB, § 14 KSchG Rn. 20. 90 BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437 (444). 84

A. Unterschiedlicher Abgrenzungszweck je nach Regelungskontext

17

ist entscheidend, welchen Stellenwert die Tätigkeit der unterstellten Arbeitnehmer für das Unternehmen einnimmt.91 Der leitende Angestellte muss zur Einstellung oder Entlassung sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber berechtigt sein und die formale Berechtigung auch tatsächlich ausüben. Ein bloßer informeller Einfluss auf Personalentscheidungen genügt nicht. Der Wortlaut des KSchG fordert, dass der leitende Angestellte zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung „berechtigt“ ist. Der Arbeitgeber muss seinem Mitarbeiter also eine entsprechende rechtliche Befugnis einräumen. Informelle Einflüsse sind dagegen schwierig festzustellen und ermöglichen kaum eine zuverlässige rechtliche Gewichtung.92 Einer selbstständigen Entscheidung steht nicht zwingend entgegen, wenn der Angestellte unternehmensinterne Vorgaben wie beispielsweise einen Stellenplan zu beachten hat.93 4. Unterschiede zum betriebsverfassungsrechtlichen Begriff Das Begriffsverständnis in § 14 Abs. 2 KSchG weicht vom Begriff des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ab. Die Regelungen dienen unterschiedlichen Zwecken: § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG berücksichtigt die Doppelrolle des leitenden Angestellten als Arbeitgebervertreter einerseits und als Arbeitnehmer andererseits. Mit dieser Zwitterstellung geht ein (potentieller) Interessenkonflikt einher, so dass das Betriebsverfassungsrecht diese Personengruppe von einer kollektiven Interessenvertretung durch den Betriebsrat ausnimmt. Dagegen trägt § 14 Abs. 2 KSchG dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber sowie leitendem Angestellten Rechnung. Die unterschiedlichen Begriffe im Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrecht verfolgen aber nicht nur unterschiedliche Ziele, sondern unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen. Dies wirkt sich beispielsweise in folgenden Konstellationen aus: Beispiel 1: Ein Mitarbeiter ist zur selbstständigen Einstellung, nicht aber zur Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Die Personalführung ist seine Hauptaufgabe. Dieser Mitarbeiter unterfällt dem kündigungsschutzrechtlichen Begriff nach § 14 Abs. 2 KSchG. Er ist aber kein leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG, weil er hierfür kumulativ zu Einstellungen und Entlassungen befugt sein müsste. Beispiel 2: Ein Arbeitnehmer nimmt wesentliche unternehmerische Funktionen als Hauptaufgabe wahr, ohne zur Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern berechtigt zu sein. Er kann leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 3 BetrVG sein, unterfällt aber nicht dem kündigungsrechtlichen Begriff, der die Personalkompetenz zwingend voraussetzt. Nach überzeugender Ansicht der Rechtsprechung gilt dies nicht nur für ähnliche leitende Angestellte, sondern auch für Geschäftsführer und Betriebsleiter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG. 91

BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 (30); vgl. Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 62. 92 BAG, Urteil vom 14. April 2011 – 2 AZR 167/10, BeckRS 2011, 77048 (Rn. 18 f.). 93 BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 (30).

18

§ 2 Leitende Angestellte

Der betriebsverfassungsrechtliche Begriff des leitenden Angestellten ist also hinsichtlich der Personalverantwortung als unternehmerischer Aufgabe (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG) enger als der kündigungsrechtliche Begriff. Gleichzeitig ist das BetrVG in anderer Hinsicht aber deutlich weiter, indem es auch andere unternehmerische Funktionen genügen lässt, während § 14 Abs. 2 KSchG zwingend eine Entscheidungskompetenz des leitenden Angestellten in Personalangelegenheiten voraussetzt.94

III. Verfahrensrechtlicher Begriff Im Verfahrensrecht ist die Abgrenzung für die Besetzung bestimmter Spruchkörper mit Laienrichtern relevant. Die Laienrichter entstammen paritätisch der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt und mit dieser Beschäftigung einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, der über die Befriedigung des privaten Bedarfs hinausgeht.95 Auch wenn dies auf leitende Angestellte nicht zutrifft, ordnen die Regelungen des SGG, des Rechts der Arbeitnehmererfindungen und auch des ArbGG sie der Arbeitgeberseite zu: – Bestimmten Kammern des Sozialgerichts sollen ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Versicherten angehören (§ 12 Abs. 2 SGG). Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGG können leitende Angestellte ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitgeber sein. – Bei Streitigkeiten der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit Arbeitnehmererfindungen können leitende Angestellte nach Maßgabe von § 30 Abs. 1, Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (2. ArbnErfGDV) Beisitzer aus Kreisen der Arbeitgeber sein. Diese Verfahren dienen der gütlichen Beilegung der Streitigkeiten und finden vor einer Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt statt, deren Besetzung um Beisitzer aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erweitert werden kann. – § 22 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nennt die leitenden Angestellten nicht ausdrücklich und erfasst nur einen Teil von ihnen. Wortlaut und Gesetzeshistorie sprechen dafür, dass für sämtliche genannten Personengruppen das Erfordernis der Personalkompetenz gilt.96

94

Bayreuther, in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, § 14 KSchG Rn. 18. BAG, Beschluss vom 19. August 2004 – 1 AS 6/03, NZA 2004, 1116 (1118); generell zum Arbeitgeberbegriff: Preis, in: ErfK, § 611a BGB Rn. 202. 96 Prütting, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 22 ArbGG Rn. 13; zur Kritik an dieser (übermäßig) eng gefassten Regelung: Hohmann, NZA 2007, 958 (960 f.). 95

B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte

19

Die Einbindung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern „soll sicherstellen, dass die unmittelbare Anschauung und der Sachverstand beider Kreise des Arbeitslebens in gleichgewichtiger Weise in die Rechtsprechung eingebracht werden. Zudem soll das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte durch die paritätische Beteiligung von Personen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen gefestigt werden.“97

Indem die Besetzung der jeweiligen Spruchkörper die typischen Interessengegensätze zwischen den Arbeitsvertragsparteien widerspiegelt, möchte der Gesetzgeber eine höhere Befriedungsfunktion der Entscheidungen erreichen.98 Diese Ziele gelten für das arbeitsgerichtliche Verfahren in gleicher Weise wie für die Besetzung sozialgerichtlicher Kammern und der Schiedsstelle bei Streitigkeiten der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit Arbeitnehmererfindungen.99 Auch im Verfahrensrecht ist demnach entscheidend, dass leitende Angestellte aufgrund ihrer unternehmerischen (Teil-)Funktionen häufig der Arbeitgeberseite näherstehen als der übrigen Belegschaft. In seinem jeweiligen Aufgabenbereich steht ein leitender Angestellter anderen Arbeitnehmern typischerweise als Repräsentant des Unternehmens bzw. des Arbeitgebers gegenüber und verfolgt insoweit die unternehmerischen Interessen. Dies gilt in besonderem Maße für diejenigen leitenden Angestellten, die Personalkompetenz haben. Die Erweiterung des Personenkreises, der dem Arbeitgeber bei der Besetzung von Spruchkörpern gleichsteht, dient nicht zuletzt dazu, genügend ehrenamtliche Richter auf Arbeitgeberseite zu finden.100

B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte Leitende Angestellte bilden nach allgemeinem Verständnis eine Untergruppe der (Arbeitnehmer-)Führungskräfte, wobei nicht zwingend jeder leitende Angestellte eine Führungskraft ist.101 Der Begriff „Führungskraft“ ist kein Rechtsbegriff und entsprechend nicht gesetzlich definiert, sondern entstammt der Organisationstheorie.102 Danach ist eine Führungskraft „eine Person, die Führungs97 BAG, Beschluss vom 21. September 1999 – 1 AS 6/99, NZA 2000, 389 (389); Beschluss vom 19. August 2004 – 1 AS 6/03, NZA 2004, 1116 (1117), in Bezug auf das arbeitsgerichtliche Verfahren; vgl. dazu auch Prütting, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 6 ArbGG Rn. 18. 98 Prütting, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 6 ArbGG Rn. 4, 18. 99 Vgl. dazu Bischofs, in: BeckOK Sozialrecht, § 16 SGG Rn. 12; Bartenbach/Volz, KommArbEG, § 30 ArbEG Rn. 11; Boemke, in: Boemke/Kursawe, ArbEG, § 30 Rn. 40 f. 100 Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 22 ArbGG Rn. 4. 101 Nadler, in: Besgen, Handbuch Führungskräfte, Teil 1 Rn. 4. 102 Nadler, in: Besgen, Handbuch Führungskräfte, Teil 1 Rn. 1; H.-J. Fritz, NZA 2017, 673 (673).

20

§ 2 Leitende Angestellte

aufgaben in einer Organisation (etwa einem Unternehmen) wahrnimmt, wobei es sich bei der Führung um eine von mehreren Aufgaben wie zum Beispiel Planung, Organisation und Kontrolle handelt“.103

I. Leitende Angestellte als Arbeitnehmer-Führungskraft Zu unterscheiden ist zwischen zwei Gruppen von Führungskräften: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die eine juristische Person gesetzlich vertreten und leiten, mithin Mitglieder der Gesellschaftsorgane sind (auch als Organwalter104 oder Organ-Führungskräfte105 bezeichnet). Auf der anderen Seite gibt es Führungskräfte auf untergeordneten Hierarchiestufen, die zwar keine Gesellschaftsorgane sind, gleichwohl aber maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung nehmen.106 Letztere werden in Abgrenzung zu den Gesellschaftsorganen als Arbeitnehmer-Führungskräfte bezeichnet.107 Zu dieser Gruppe zählen insbesondere leitende Angestellte, unter Umständen aber beispielsweise auch außertarifliche Angestellte oder Prokuristen. In Einzelfällen können Fremd-Geschäftsführer dem – für das Haftungsrecht relevanten – nationalen Arbeitnehmerbegriff unterfallen, wenn sich das Weisungsrecht der Gesellschaft nicht auf ein unternehmerisches Weisungsrecht beschränkt, sondern darüber hinaus die konkreten Umstände der Leistungserbringung erfasst.108 Diese Konstellation betrifft jedoch Ausnahmefälle, so dass die vorliegende Arbeit hierauf nicht näher eingeht.

II. Abgrenzung des leitenden Angestellten von anderen Formen der Arbeitnehmer-Führungskraft Der organisatorische Begriff der Arbeitnehmer-Führungskraft und seine rechtlichen Erscheinungsformen sind nicht deckungsgleich. Neben den leitenden Angestellten können unter Umständen auch außertarifliche Angestellte (1), Prokuristen (2), Risikoträger (3) oder sonstige Angehörige in oberen Führungsebenen (4) dem Begriff unterfallen. Diese gilt es von den leitenden Angestellten abzugrenzen.

103

Nadler, in: Besgen, Handbuch Führungskräfte, Teil 1 Rn. 1. Nadler, in: Besgen, Handbuch Führungskräfte, Teil 1 Rn. 3. 105 Zeißig, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil A Rn. 13. 106 Zu Sonderkonstellationen, insbesondere zur sog. Drittanstellung von Führungskräften (Auseinanderfallen von Anstellungs- und Bestellungskörperschaft): Zeißig, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil A Rn. 182 ff. 107 Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 34. 108 BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18, NZA 2019, 490 (493); Urteil vom 24. November 2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366 (367); Urteil vom 26. Mai 1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 (988). 104

B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte

21

1. Außertarifliche Angestellte Überschneidungen können sich ergeben zwischen der Gruppe der leitenden Angestellten und den sog. außertariflichen Angestellten (oder AT-Angestellten). Letztere können, müssen aber nicht zwangsläufig leitende Angestellte sein. Denkbar, wenn auch in der Praxis nicht vorhanden, ist auch die umgekehrte Situation, dass ein leitender Angestellter ausnahmsweise nicht zugleich ein außertariflich Angestellter ist.109 Außertarifliche Angestellte haben regelmäßig einen Aufgaben- und Verantwortungsbereich mit höheren Anforderungen, als es der Beschreibung der höchsten Tarifgruppe entspricht. Sie sind also – wie leitende Angestellte – mit der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben und Aufgaben mit besonderer Verantwortung betraut, bilden aber gegebenenfalls eine Zwischenebene zwischen den tariflichen Beschäftigten und den leitenden Angestellten. Angesichts ihrer Tätigkeit und/oder Vergütung110 bedürfen sie nicht des tariflichen Schutzes und unterfallen daher nicht dem persönlichen Geltungsbereich eines „an sich“ einschlägigen Tarifvertrags. Auf Betriebsebene erfolgt die kollektive Interessenwahrnehmung für außertarifliche Angestellte durch den Betriebsrat, sofern die betreffende Person nicht als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG zu qualifizieren ist. Das Betriebsverfassungsrecht unterscheidet nicht zwischen tariflichen und außertariflichen Arbeitnehmern.111 2. Prokuristen Auch zwischen Prokuristen und leitenden Angestellten können sich Überschneidungen ergeben. Prokuristen verfügen über eine handelsrechtliche Vollmacht nach Maßgabe der §§ 48 ff. HGB. Diese Vertretungsmacht kann der Unternehmer im Außenverhältnis nicht beschränken, § 50 HGB. Prokuristen sind in der Regel Arbeitnehmer und genießen das besondere Vertrauen des Unternehmers.112 Sofern sie auch im Verhältnis zum Arbeitgeber bedeutende unternehmerische Leitungsaufgaben mit erheblichen Entscheidungsspielraum wahrnehmen und die Prokura der Wahrnehmung dieser Aufgaben dient, sind sie leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG (siehe § 2A.I.3.a)). Sind sie zudem auch im Innenverhältnis zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt, unterfallen sie auch dem kündigungsschutzrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten (siehe § 2A.II.3).

109

Vogelsang, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 13. BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 84/17, NZA-RR 2018, 556 (558). 111 BAG, Beschluss vom 3. Dezember 1981 – 6 ABR 60/79, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 16. 112 Zeißig, in: Hansen/Kelber/Zeißig u.a., Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, Teil A Rn. 124. 110

22

§ 2 Leitende Angestellte

3. Risikoträger in Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten In Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten können sich Überschneidungen zwischen leitenden Angestellten und sog. Risikoträgern ergeben. Risikoträger sind Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut auswirkt.113 Ob ein Arbeitnehmer ein solcher „Risk-Taker“ ist, beurteilt das betreffende Unternehmen selbst anhand einer Risikoanalyse, bei der es insbesondere die Aufgaben des Mitarbeiters berücksichtigt.114 Auch wenn die Vorschrift des § 25a Abs. 5b Nr. 3 KWG Mitarbeiter bestimmter Kreditinstitute mit einer Mindestvergütung in Höhe von EUR 500.000 besonders hervorhebt, gelten auch diese nicht funktionsunabhängig als Risikoträger.115 Auch in diesem Falle muss die berufliche Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers wesentliche Auswirkungen auf das Risikoprofil des Instituts haben.116 Ist ein Risikoträger kein leitender Angestellter, hat er unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 5a KWG dennoch keinen Bestandsschutz, sondern nur Abfindungsschutz: Kündigt ein bedeutendes Kredit- oder Finanzdienstleistungsunternehmen das Arbeitsverhältnis mit einem Risikoträger in sozialwidriger Weise und erhebt dieser dagegen Kündigungsschutzklage, muss es den Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung – ebenso wie im Falle leitender Angestellter – nicht begründen. Ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut ist bedeutend, wenn seine Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Milliarden Euro überschritten hat (§ 1 Abs. 3c Satz 1 KWG). Ebenso wie im Falle leitender Angestellter begründet der Gesetzgeber diese Ausnahme mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien.117 Hinzu tritt die besondere Bedeutung dieser Mitarbeitergruppe für den Arbeitgeber und generell für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt.118 Wegen ihrer Relevanz für die allgemeine Finanzstabilität bestehen für die Vergütung von Risikoträgern besondere gesetzliche Regelungen (vgl. insbesondere §§ 18 ff. der Institutsvergütungsverordnung). 113

§ 1 Abs. 21 Satz 1 KWG und § 25a Abs. 6 KWG i.V.m. § 2 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) vom 16. Dezember 2013 (BGBl. 2013 I S. 4270 ff.); zu beachten ist dabei der Mitarbeiterbegriff gemäß § 2 Abs. 7 der Institutsvergütungsverordnung. 114 Baeck/Winzer/Abend, NZG 2019, 462 (463); vgl. § 25a Abs. 5b Nr. 3 Sätze 2 und 3 KWG i.V.m. Art. 3 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 2021/923 der Kommission vom 25. März 2021 (ABl. EU 2021 L 203/1), welche die delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014 der Kommission vom 4. März 2014 (ABl. EU 2014 L 167/30) aufgehoben und ersetzt hat. 115 So missverständlicherweise Jensen, BB 2019, I (I). 116 § 25a Abs. 5b Nr. 3 lit. b KWG; siehe dazu auch § 25a Abs. 5b Nr. 3 Sätze 2 und 3 KWG i.V.m. Art. 6 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 2021/923 der Kommission vom 25. März 2021 (ABl. EU 2021 L 203/1). 117 BT-Drs. 19/7377, S. 25. 118 BT-Drs. 19/7377, S. 25.

B. Leitende Angestellte als Untergruppe innerhalb der Führungskräfte

23

4. Führungsebene im Sinne des Führungspositionengesetzes Leitende Angestellte können sich auf Führungsebenen finden, für welche der angestrebte Frauenanteil anzugeben ist. Das Führungspositionengesetz (FüPoG)119 sollte erreichen, dass sich der Frauenanteil an Führungspositionen in der Privatwirtschaft, der Bundesverwaltung und bei Gremienbesetzungen mittelfristig deutlich erhöht.120 Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter zu erhöhen, ist am 12. August 2021 das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II)121 in Kraft getreten. Diese Gesetzesnovelle ergänzt bzw. modifiziert die bisherigen Regelungen. Bei börsennotierten oder mitbestimmten Gesellschaften greift eine flexible Geschlechterquote, bei welcher der Vorstand eine Zielgröße für den Frauenanteil in den beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands festlegen musss (§§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG). Entsprechende Regelungen finden sich in §§ 16 Abs. 2, 40 Abs. 2 SEAG, §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG, § 9 Abs. 3 und 4 GenG, wobei die Festlegung je nach Vorschrift durch den Vorstand, die Geschäftsführer, die Gesellschafterversammlung oder den Aufsichtsrat erfolgt. Was eine Führungsebene ist, definiert das FüPoG II ebenso wenig wie das FüPoG. Vielmehr geht aus den Gesetzesmaterialien zum FüPoG hervor, dass diese Führungsebenen „die tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands“, unabhängig von betriebswirtschaftlichen Lehren, meinen.122 Hierarchieebenen sind nach der Gesetzesbegründung organisatorische Einheiten, die zueinander gleichberechtigt und einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind.123 Viele Unternehmen haben keine festgelegten Führungsebenen. Es kann daher Schwierigkeiten bereiten, die entsprechenden Führungsebenen überhaupt zu identifizieren.124 Nach dem Gesetzeswortlaut („Führungsebenen“) kommt es auf die Ausübung von Führungsfunktionen an.125 Der Begriff der Führung wird teilweise mit dem Begriff der Personalverantwortung gleichgesetzt.126 Letztlich überlässt es der Gesetzgeber den Unternehmen, die geeigneten Füh-

119 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. April 2015 (BGBl. 2015 I S. 642 ff.). 120 BT-Drs. 18/3784, S. 42. 121 Gesetz zur Ergänzung und Änderungen der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 7. August 2021 (BGBl. 2021 I S. 3311 ff.). 122 BT-Drs. 18/3784, S. 119; kritisch zum Begriff der Führungsebene in § 76 Abs. 4 AktG: Thüsing/Fütterer, NZG 2015, 778 (778 ff.). 123 BT-Drs. 18/3784, S. 119. 124 Röder/C. Arnold, NZA 2015, 1281 (1283); Spindler, WM 2021, 817 (822 f.). 125 Röder/C. Arnold, NZA 2015, 1281 (1283). 126 Vgl. C. Junker/Schmidt-Pfitzner, NZG 2015, 929 (934) m.w.N.

24

§ 2 Leitende Angestellte

rungsebenen selbst festzulegen.127 Bezugspunkt für die Ermittlung der Führungsebenen ist stets die jeweilige juristische Person.128 Der Begriff des leitenden Angestellten knüpft nicht an eine bestimmte Führungs- oder Hierarchieebene, sondern vor allem an die unternehmerische Funktion des Mitarbeiters an. Ob ein Arbeitnehmer die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, ist im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen und richtet sich auch nach der Struktur des jeweiligen Unternehmens.129 Aufgrund der erforderlichen Entscheidungsspielräume leitender Angestellter findet sich diese Mitarbeitergruppe häufig nur in den obersten Leitungsebenen. Es können sich also Überschneidungen zu den Führungsebenen ergeben, für die es der Festlegung einer Zielgröße für den Frauenanteil bedarf.

C. Folgen der Abgrenzung für das Haftungsrecht Im Haftungsrecht gibt es keine gesetzliche Begriffsbestimmung für den leitenden Angestellten. Weder das BAG noch der BGH ist in den bisherigen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Haftung leitender Angestellter näher darauf eingegangen, welche Begriffsbestimmung das Gericht seiner Prüfung zugrunde legt.130 Angesichts der hohen praktischen Bedeutung des betriebsverfassungsrechtlichen Begriffs und der zahlreichen gesetzlichen Bezugnahmen hierauf stellt sich die Frage, ob das Haftungsrecht den Begriff des § 5 Abs. 3 BetrVG übernehmen kann. Anders als im Betriebsverfassungsrecht ist es im Haftungsrecht aber irrelevant, ob der leitende Angestellte seinen Interessen nach eher dem Unternehmer oder eher der restlichen Belegschaft nahesteht. Diese Interessenpolarität hat keine Verbindung zu einem Schaden, der dem Arbeitgeber aus der Pflichtverletzung eines leitenden Angestellten entsteht. Es ist daher nicht sinnvoll, den betriebsverfassungsrechtlichen Begriff allein wegen seiner praktischen Bedeutung zu übernehmen. Entzeroth plädiert dagegen dafür, den betriebsverfassungsrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten zu übernehmen und dadurch ein einheitliches Begriffsverständnis zu fördern.131

127

BT-Drs. 18/4227, S. 21; Röder/C. Arnold, NZA 2015, 1281 (1283). BT-Drs. 18/4227, S. 21. 129 BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79, NJW 1980, 2724 (2727). 130 Vgl. BAG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223 (227 f.) – Chefarzt; Urteil vom 11. November 1976 – 3 AZR 266/75, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 80 (4.b der Entscheidungsgründe) – Betriebsleiter und Bauingenieur in einem Baubetrieb; BGH, Urteil vom 25. Juni 2001 – II ZR 38/99, NJW 2001, 3123 (3124) – Prokuristin; Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35) – Justiziar; Urteil vom 25. Februar 1969 – VI ZR 225/67, VersR 1969, 474 – Leiter der Kreditabteilung und Prokurist einer Bank. 131 Entzeroth, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, S. 218 f. 128

C. Folgen der Abgrenzung für das Haftungsrecht

25

Dass die Begriffsübertragung ohne Rücksicht auf die zugrundeliegenden Wertungen nicht zweckmäßig ist, belegt das Negativbeispiel des Arbeitszeitrechts: Nach Ansicht des Gesetzgebers rechtfertigt der Umstand, dass leitende Angestellte Arbeitgeberaufgaben wahrnehmen, eine Sonderstellung dieser Personengruppe und die Nichtanwendung des Arbeitszeitgesetzes, für dessen Einhaltung der Arbeitgeber bzw. die von ihm damit betrauten Personen verantwortlich sind.132 Mit dem Ziel, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen, verweist die Regelung zur Bestimmung des leitenden Angestellten auf das BetrVG133 und hat damit berechtigte Kritik auf sich gezogen: Während der betriebsverfassungsrechtliche Begriff der Doppelrolle des leitenden Angestellten als Arbeitnehmer bzw. Arbeitgebervertreter und dem damit einhergehenden Interessenkonflikt Rechnung trägt, dient das Arbeitszeitrecht primär dem Gesundheitsschutz.134 Ein Bezug zwischen dem beschriebenen Interessenkonflikt und der Dauer der Arbeitszeit fehlt.135 Statt auf die Doppelrolle des leitenden Angestellten kommt es im Arbeitszeitrecht darauf an, dass „eine strenge Beschränkung und Kontrolle der Arbeitszeit […] mit den Aufgaben eines leitenden Angestellten unvereinbar“ ist.136 Henssler/ Lunk weisen zudem darauf hin, dass Unsicherheiten beim Begriffsverständnis im Bereich des Gesundheitsschutzes schwerer wiegen als im Betriebsverfassungsrecht, da Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht unmittelbar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen können.137 Zu klären ist, welche Aspekte die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze rechtfertigen und ob bzw. inwiefern sich leitende Angestellte diesbezüglich von anderen Arbeitnehmern entscheiden. Je nachdem bedarf es eines eigenständigen haftungsrechtlichen Begriffs des leitenden Angestellten.138

132 Vgl. Begründung zur entsprechenden Personengruppe im öffentlichen Dienst: BT-Drs. 12/5888, S. 54 f.; zur Vereinbarkeit von § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 GRCh): Schubert, in: Franzen/Gallner/Oetker, EUArbRK, Art. 31 GRCh Rn. 28 f.; Henssler/Lunk, NZA 2016, 1425 (1428); dagegen kritisch, wenn auch ohne nähere Ausführungen: Hanau, NZA 2010, 1 (2). 133 BT-Drs. 12/5888, S. 32. 134 Henssler/Lunk, NZA 2016, 1425 (1427); Lunk, AnwBl 2020, 216 (218). 135 Bauer/von Medem, NZA 2013, 1233 (1235); Schuster, AnwBl 2016, 641 (643). 136 BAG, Urteil vom 17. November 1966 – 5 AZR 225/66, NJW 1967, 413 (413). 137 Henssler/Lunk, NZA 2016, 1425 (1426); Lunk, AnwBl 2020, 216 (218). 138 Vgl. Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Rn. 1; für einen eigenen haftungsrechtlichen Begriff: Monjau, DB 1969, 84 (84).

§ 3 Arbeitnehmerprivileg Die Frage nach der Haftung leitender Angestellter erfordert es, die rechtstechnische Umsetzung (A) und die Rechtfertigung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze (B) zu untersuchen. Auf dieser Grundlage lassen sich die Anwendbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte und das Erfordernis eines haftungsrechtlichen Begriffs für den leitenden Angestellten beurteilen.

A. Rechtstechnische Umsetzung Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Ein Arbeitnehmer kann seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen, indem er seine Arbeitsleistung nicht oder schlecht erbringt oder indem er Nebenpflichten verletzt. Erbringt er seine Arbeitsleistung nicht, verliert er wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung grundsätzlich den Anspruch auf die Gegenleistung bzw. Vergütung (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Liegt dagegen eine Schlechtleistung vor oder verletzt der Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, behält er zwar den Vergütungsanspruch. Er ist gegenüber dem Arbeitgeber aber zur Leistung von Schadensersatz für etwaige Schäden verpflichtet, sofern er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Für die (vertragliche ebenso wie die deliktische) Haftung gelten prinzipiell die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Auch wenn das Arbeitsvertragsrecht nach dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 „möglichst bald einheitlich neu“ kodifiziert werden sollte1, ist eine umfassende gesetzliche Regelung des Arbeitsvertragsrechts bislang nicht erfolgt. Als einzige speziell arbeitsrechtliche Haftungsvorschrift weist § 619a BGB die Beweislast für das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung dem Arbeitgeber zu und weicht damit von der Regelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ab. Den Umfang der Ersatzpflicht bestimmen die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Danach muss der Ersatzpflichtige den (hypothetischen) schadensfreien Zustand herstellen (Grundsatz der Naturalrestitution) bzw. den hierfür erforderlichen

1 Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (BGBl. 1990 II S. 889 ff., 899).

28

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

Geldbetrag zahlen. Selbst bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Schadensverursacher mit seinem gesamten Vermögen für den vollen Schaden (Grundsatz der Totalreparation). Angesichts des Wertes der Betriebsmittel, die der Arbeitgeber einsetzt bzw. einsetzen lässt, bedeutet dies, dass bereits ein leicht fahrlässiger Fehler eines Arbeitnehmers zu außerordentlich hohen Haftungssummen bis hin zu dessen wirtschaftlichen Ruin führen könnte.2 Dieses „alles oder nichts“-Prinzip steht im Einklang mit dem primären Ziel des Haftungsrechts, entstandene Schäden auszugleichen (Schadensausgleichsfunktion).3 Im Arbeitsrecht lehnt die weit überwiegende Mehrheit in Literatur und Rechtsprechung eine starre Anwendung dieses Haftungsregimes als unangemessen ab und befürwortet eine Haftungsbeschränkung zum Schutz des Arbeitnehmers.4 Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze greifen, wenn ein Arbeitnehmer bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt. Betrieblich veranlasst ist eine Tätigkeit, die der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Übertragung oder im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände analog § 254 BGB nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten.5 Maßgebliches Kriterium ist zunächst der Grad des Verschuldens. Neben dieser Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt die Abwägung insbesondere die objektive Verantwortung des Arbeitgebers für Schadensrisiken, die mit der von ihm veranlassten und für ihn ausgeführten Tätigkeit typischerweise verbunden sind.6 Handelt der Arbeitnehmer vorsätzlich, trägt er den hieraus entstandenen Schaden des Arbeitgebers grundsätzlich in voller Höhe. Allerdings muss der Vorsatz nach Ansicht des BAG nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch den Schaden erfassen.7 Nur ausnahmsweise können besondere Umstände im Einzelfall eine Schadensteilung rechtfertigen.8 Verletzt der Arbeitnehmer fahrlässig seine arbeitsvertraglichen Pflichten, sind drei Fahrlässigkeitsstufen zu unterscheiden: Bei grober Fahrlässigkeit9 trägt der Arbeitnehmer in der Regel den 2

BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1084). Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 1 Rn. 5. 4 Zur Begründung des Haftungsprivilegs: siehe § 3B; zur Arbeitnehmerhaftung im europäischen Rechtsvergleich: Pacˇic´, EuZA 2009, 47. 5 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086). 6 Rieger, Anmerkung zu BAG, Urteil vom 3. November 1970 – 1 AZR 228/70, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 61. 7 BAG, Urteil vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37 (40 f.). 8 BAG, Urteil vom 28. Juni 2018 – 8 AZR 141/6, NZA 2019, 34 (37). 9 Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, BAG, Urteil vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37 (39). 3

A. Rechtstechnische Umsetzung

29

gesamten Schaden. Bei normaler bzw. mittlerer Fahrlässigkeit teilen Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Schaden quotal auf und bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht.

I. Gesetzlicher Ausgangspunkt Das Haftungsprivileg ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Weder gibt das Grundgesetz die nach dem Verschuldensgrad abgestuften Haftungsgrundsätze im Detail vor noch enthält das einfachgesetzliche Recht dazu eine ausdrückliche Regelung. Auch wenn sie keine konkreten Vorgaben enthalten, bilden verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Regelungen den Rahmen für das Haftungsregime im Arbeitsverhältnis. 1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen Die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für Schäden im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit haftet, berührt das Verfassungsrecht, namentlich die Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit, die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien und das Sozialstaatsprinzip. Auch wenn das Grundgesetz keine konkreten Vorgaben für eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten des Arbeitnehmers enthält, sind Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG für die Diskussion um die privilegierte Arbeitnehmerhaftung relevant.10 a) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit und gewährleistet das Recht, eine Tätigkeit als Beruf zu ergreifen (Berufswahlfreiheit) und frei auszuüben (Berufsausübungsfreiheit). Das Grundrecht konkretisiert das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit für den Bereich der individuellen Leistung und Existenzsicherung11 und ist insoweit spezieller als Art. 2 Abs. 1 GG, welcher die allgemeine Handlungsfreiheit (auch auf wirtschaftlichem Gebiet12) und – in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG – das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt. Eine andere Ansicht nimmt Idealkonkurrenz zu Art. 12 Abs. 1 GG an, soweit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt.13 Die Berufsausübungsfreiheit umfasst das Recht, Unternehmen frei zu gründen und zu führen (Unternehmerfreiheit). Die Unternehmerfreiheit erfasst die unternehmerische Betätigung in kleinen und mittleren Unternehmen ebenso wie 10 Zur Frage, ob das Grundgesetz eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gebietet: § 3B.I. 11 BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 – 1 BvR 355/86, NJW 1990, 2306 (2307). 12 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699 (708). 13 So etwa Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Art. 12 GG Rn. 275.

30

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

in Großunternehmen oder Konzernen.14 Bei Großunternehmen und Konzernen hat die Grundrechtsausübung einen geringeren personellen Bezug, weil sich das unternehmerische Verhalten in diesen Fällen nicht darauf beschränkt, dass eine einzelne Person ihre unternehmerische Initiative entfaltet. Das Verhalten der Unternehmens- bzw. Konzernleitung kann, je nach Größe der beteiligten Betriebe sowie Unternehmen und nach Höhe des eingesetzten Kapitals, Auswirkungen haben auf die gesamtwirtschaftliche Lage.15 b) Allgemeine Handlungsfreiheit und Privatautonomie, Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Diese allgemeine Handlungsfreiheit schützt neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht16 auch die Privatautonomie. Privatautonomie bedeutet die „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“17 und findet ihre wichtigste Ausprägung in der Vertragsfreiheit. Diese umfasst die Freiheit zu wählen, ob und mit wem sich der Grundrechtsträger vertraglich binden möchte (Abschlussfreiheit), und den Vertrag inhaltlich zu gestalten (Gestaltungsfreiheit).18 Die allgemeine Handlungsfreiheit beinhaltet also das Recht, Rechtsverhältnisse nach dem eigenen Willen zu gestalten.19 c) Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG Art. 20 GG legt die verfassungsrechtlichen Grundstrukturen des Staates fest und eröffnet im Anschluss an die Grundrechte den staatsorganisatorischen Teil des Grundgesetzes.20 Neben Staatsstrukturprinzipien21 enthält Art. 20 Abs. 1 GG das Sozialstaatsgebot als (materielles) Staatsziel. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG stellt entsprechende Anforderungen an die Verfassungen der Bundesländer. Nach dem Sozialstaatsgebot muss der Staat für eine gerechte Sozialordnung sorgen, wobei ihm angesichts dieses nur abstrakt bestimmten Staatsziels ein weiter Gestaltungs-

14

BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699 (708); in Bezug auf Konzerne: BVerfG, Urteil vom 7. August 1962 – 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (1668), wobei diese Entscheidung einen möglichen Eingriff in die Rechte von Minderheitsaktionären betraf und daher Art. 14 Abs. 1 GG den Prüfungsmaßstab bildete. 15 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699 (708); Urteil vom 7. August 1962 – 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (1668). 16 Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. 17 BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 18 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 150 Rn. 7. 19 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 GG Rn. 101. 20 Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 GG Rn. 1. 21 Art. 20 Abs. 1 GG nennt das föderalistische, das republikanische und das demokratische Prinzip, hinzu tritt das Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG).

A. Rechtstechnische Umsetzung

31

spielraum zusteht.22 Bestehen keine weiteren normativen Anknüpfungspunkte, welche das Sozialstaatsgebot konkretisieren oder einer Auslegung vor dessen Hintergrund bedürfen, vermittelt dieses Staatsziel grundsätzlich keine subjektiven Rechte.23 So begründet beispielsweise erst die Verbindung von Art. 20 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet. Der konkrete Leistungsumfang ergibt sich nicht aus dem Grundgesetz, so dass der Gesetzgeber den Anspruch konkretisieren und stetig aktualisieren muss.24 Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Gesetzgeber aber im Mindestmaß etwa dazu, Leistungen für Hilfsbedürftige anhand deren konkreten Bedarfs und mit einer tragfähigen Begründung zu bemessen25 oder einem Steuerpflichtigen bei der Einkommensbesteuerung einen Betrag in Höhe des Existenzminimums nicht zu entziehen.26 2. Einfachgesetzliche Regelungen Abgesehen von der Beweislastregelung des § 619a BGB gibt es keine spezielle einfachgesetzliche Bestimmung zur Arbeitnehmerhaftung, so dass grundsätzlich das allgemeine Haftungsrecht des BGB greift. Um die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers gesetzlich zu verankern, erfolgt ein Rückgriff auf die Regelungen des allgemeinen und besonderen Schuldrechts. a) § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB § 276 Abs. 1 BGB bestimmt, bei welchen Verschuldensgraden der Schuldner für einen Schaden die Verantwortung trägt. Die Zurechnungsnorm betrifft also den Haftungsgrund. Im Allgemeinen ist muss der Schuldner nur bei schuldhaftem Verhalten einen Schaden ersetzen (Verschuldensprinzip). Abweichungen von diesem Grundsatz können sich aus dem Gesetz, aus einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses ergeben. Gesetzliche Haftungsbeschränkungen finden sich etwa in § 680 BGB (Haftung des Geschäftsführers bei Gefahrenabwehr nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) oder § 708 BGB (Haftung der Gesellschafter nur bei Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt). 22 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, etwa Beschluss vom 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470 (474); Beschluss vom 8. Juni 2004 – 2 BvL 5/00, NJW-RR 2004, 1657 (1662). 23 Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 GG VIII. Sozialstaat Rn. 19 f. 24 BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 169/13, NJW 2014, 3425 (3425 f.). 25 BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 169/13, NJW 2014, 3425 (3426). 26 BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, NJW 1990, 2869 (2871).

32

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

Verschulden ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten einer zurechnungsfähigen Person und umfasst Vorsatz und Fahrlässigkeit.27 Mit der Schuldrechtsreform wollte der Gesetzgeber einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für das Haftungsprivileg für Arbeitnehmer eröffnen, indem er in § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB folgende Formulierung wählte: „Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin)

Diese Regelung soll eine gesetzliche Grundlage bieten für die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung, welche die Rechtsprechung entwickelt hat. Gleichzeitig überließ es der Gesetzgeber den Rechtsanwendern ausdrücklich, den bisherigen Begründungsansatz fortzuführen.28 Problematisch ist, dass § 276 BGB eine Tatbestandsvoraussetzung regelt und die Anwendung der Vorschrift keinen Spielraum für differenzierende Haftungsfolgen lässt.29 Auch wenn im Rahmen von § 276 BGB unterschiedliche Verschuldensgrade möglich sind, beschränkt sich die Anwendung der Vorschrift auf die Frage, ob der Arbeitnehmer die in Rede stehende Pflichtverletzung zu vertreten hat. Je nachdem haftet er oder eben nicht. Eine Aufteilung des Schadens zwischen Schuldner und Gläubiger nach Maßgabe des Verschuldensgrades ermöglicht § 276 BGB nicht.30 § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB betrifft den Haftungsgrund und kann allenfalls eine Haftungsfreistellung bei leichtester Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers tragen31, aber nicht die übrigen differenzierenden arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze.32 b) § 254 BGB Im Gegensatz zu § 276 BGB betrifft § 254 BGB nicht den Haftungsgrund, sondern die Haftungsfolgen. Die Regelungen der §§ 249 ff. BGB bestimmen Art und Umfang der (dem Grunde nach bestehenden) Schadensersatzpflicht. „(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

27

Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 276 BGB Rn. 5. BT-Drs. 14/6857, S. 48. 29 In diese Richtung auch Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 87, nach dem sich eine Vorschrift zur Regelung der Haftungsvoraussetzungen dogmatisch nicht als Grundlage für eine an den Haftungsfolgen ansetzenden Privilegierung eignet. 30 Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5 Rn. 6. 31 So Henssler, RdA 2002, 129 (133). 32 Henssler, RdA 2002, 129 (133); ders., in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 12; Preis, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (151). 28

A. Rechtstechnische Umsetzung

33

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.“

Der Ersatzpflichtige muss denjenigen Zustand herstellen, der bestünde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, § 249 Abs. 1 BGB. Er haftet grundsätzlich unbegrenzt, wobei das Nichtbestehen einer generellen Haftungsbegrenzung nicht ausschließt, dass im Einzelfall vertragliche oder gesetzliche Haftungsbeschränkungen (z.B. §§ 9, 10 ProdHaftG oder § 12 StVG) eingreifen können. Art oder Grad des Verschuldens finden keine Berücksichtigung beim Umfang der Ersatzpflicht. Abweichend von diesem „alles oder nichts“-Prinzip sieht § 254 BGB vor, dass eine Mitverantwortung des Geschädigten dazu führen kann, dass der Schädiger nur einen Teil des Schadens tragen muss. Gleiches gilt, wenn die Mitverantwortung eines Dritten dem Geschädigten nach § 254 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen ist. Hat der Geschädigte schuldhaft zur Entstehung des Schadens beigetragen oder es unterlassen, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, bestimmt sich die Haftungsquote anhand einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Dem Tatrichter steht bei dieser Abwägung ein weiter Beurteilungsspielraum zu (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 287 ZPO). Auch das Revisionsgericht muss die Frage eines Mitverschuldens von Amts wegen prüfen. Allerdings beschränkt sich die Prüfung im Revisionsverfahren darauf, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig Berücksichtigung gefunden haben und ob die Abwägung auf rechtlich zulässigen Erwägungen beruht.33 Je nach den Umständen des Einzelfalls kann § 254 BGB dazu führen, dass der Schädiger oder der Geschädigte den gesamten Schaden tragen muss oder dass die Beteiligten den Schaden quotenmäßig untereinander aufteilen. § 254 BGB beschränkt die Arbeitnehmerhaftung dann, wenn der Arbeitgeber oder dessen Erfüllungsgehilfe (§§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB) schuldhaft zur Schadensentstehung beigetragen hat. Ein solches Mitverschulden kann etwa darin bestehen, dass der Arbeitgeber Organisationsmängel in seinem Unternehmen trotz entsprechender Anhaltspunkte nicht aufklärt und behebt.34 Fehlt es an einem konkreten Mitverschulden, bleibt es nach den zivilrechtlichen Vorschriften bei einer unbeschränkten Haftung des Schädigers. Für die Schadenstragung ist entscheidend, welche Kriterien in die Abwägungsentscheidung einfließen. Nach dem Wortlaut von § 254 Abs. 1 BGB kommt es insbesondere auf das Maß der Schadensverursachung an. Maßgeblich ist dem33

BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14, 8 AZR 876/13, NZA 2015, 1517 (1519). 34 BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14, 8 AZR 876/13, NZA 2015, 1517 (1519).

34

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

nach, ob das Verhalten des Schädigers oder des Geschädigten den Schadenseintritt in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat35 bzw. mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad das jeweilige Verhalten dazu geeignet war, den Schaden herbeizuführen.36 In der Abwägung findet das jeweilige Verschulden Berücksichtigung. Auf Seiten des Geschädigten („Verschulden gegen sich selbst“) kommt es darauf an, ob bzw. inwieweit er diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die er nach der Verkehrsanschauung in eigenen Angelegenheiten beachten musste.37 c) § 670 BGB Nach § 670 BGB kann ein Beauftragter von seinem Auftraggeber Ersatz erforderlicher Aufwendungen verlangen. Es handelt sich um einen schadensunabhängigen Wertersatzanspruch.38 „Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.“

Ein Schaden ist als unfreiwillige Vermögenseinbuße keine Aufwendung. Wenn der Geschädigte freiwillig ein (tätigkeitsspezifisches) Risiko eingegangen ist und sich dieses Risiko im Schaden verwirklicht, lässt eine Literaturansicht diese freiwillige Risikoübernahme genügen und stellt den entstandenen Schaden einem freiwilligen Vermögensopfer gleich. Dies bedeutet aber oft eine unzulässige Fiktion: Wer ein Risiko eingeht, handelt häufig in der Annahme, dass er einen Schaden vermeiden könne und gerade keine Vermögenseinbuße erleiden werde.39 Ungeachtet dieser Frage gehört die Vorschrift des § 670 BGB zum Auftragsrecht. Mangels einer unentgeltlichen Geschäftsbesorgung greift sie im Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar. Bei Aufwendungen des Arbeitnehmers, welche nicht bereits die Vergütung ausgleicht, findet sie aber analoge Anwendung.40

II. Bisherige Ansätze Trotz der unterschiedlichen Begründungsansätze sind sich Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis einig, dass ein Arbeitnehmer bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung nicht unbeschränkt haften soll. Wie diese Haftungsbeschrän-

35

S. Lorenz, in: BeckOK BGB, § 254 BGB Rn. 54. Ebert, in: Erman BGB, § 254 BGB Rn. 86. 37 Ebert, in: Erman BGB, § 254 BGB Rn. 24. 38 Frank L. Schäfer, in: MüKoBGB, § 670 BGB Rn. 2. 39 Canaris, RdA 1966, 41 (42). 40 Ständige Rechtsprechung, etwa BAG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 170/07, NZA 2008, 1012 (1014) Rn. 23; Frank L. Schäfer, in: MüKoBGB, § 670 BGB Rn. 5; bei einem weiten Verständnis der Geschäftsbesorgung kommt eine Anwendung von § 670 BGB über die Verweisung des § 675 Abs. 1 BGB in Betracht. 36

A. Rechtstechnische Umsetzung

35

kung rechtstechnisch umzusetzen ist, war lange Zeit umstritten und ist immer noch nicht vollständig geklärt.41 Die Rechtsprechung und der inzwischen weit überwiegende Teil der Literatur haben den Weg gewählt, die Haftungsfolgen durch eine analoge Anwendung von § 254 BGB anzupassen. In der Debatte um die dogmatische Umsetzung der Haftungsbeschränkung lassen sich zwei Grundtendenzen unterscheiden: Die einen Stimmen modifizieren den Tatbestand, während die anderen die Rechtsfolgen anpassen.42 Innerhalb der tatbestandsmodifizierenden Bewegung lassen sich wiederum mehrere Strömungen trennen. Nach einigen Ansichten fehlt es bereits an einer Schlechtleistung.43 Andere setzen am Vertretenmüssen an. Ein (partieller) Haftungsausschluss lasse sich auf eine konkludente vertragliche Einigung44 oder die analoge Anwendung spezieller haftungsrechtlicher Vorschriften aus anderen Zusammenhängen stützen.45 Ein Teil der Literatur plädierte dafür, den Fahrlässigkeitsbegriff an arbeits-

41

Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 46. Zusammenfassend zu den unterschiedlichen Ansätzen und der Kritik daran: Canaris, RdA 1966, 41 (44 f.); Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 509 ff.; Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5; mit Unterscheidung von vier Grundtendenzen (Tatbestandsausschluss, Rechtswidrigkeitsausschluss, Schuldmodifikation, Rechtsfolgenmodifikation): Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 82. 43 Nach Hammen beschränkt sich der Anspruch des Arbeitgebers auf eine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte (vgl. § 243 Abs. 1 BGB), Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 327 ff. Rother betrachtet nicht die einzelnen Arbeitsleistungen, sondern deren (im Laufe des Arbeitsverhältnisses erbrachte) Gesamtheit, Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S. 266 ff. Nach beiden Ansichten soll keine Schlechtleistung vorliegen, wenn ein langjähriger Arbeitnehmer über die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich eine gute Gesamtleistung erbringt und ihm einmal ein Fehler unterläuft. Zur Kritik an diesem Ansatz: Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5 Rn. 2 m.w.N.; ausführlich: Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 65 ff., 74 ff. 44 Für eine (stillschweigende) Vereinbarung, dass ein reduzierter Sorgfaltsmaßstab gelten solle: Arbeitsgericht Plauen, Urteil vom 4. November 1936 – 1 Ca. 189/36, ARS 29, zweite Abteilung 62 (62); RAG, Urteil vom 12. Juni 1937 – RAG. 297/36, ARS 30, erste Abteilung 3 (6); kritisch zu diesem Ansatz bereits Hueck, ARS 41, erste Abteilung 64 (65), der die generelle Annahme eines vertraglichen Haftungsausschlusses als unzulässige Fiktion (und die Annahme einer Einrede nach § 242 BGB mangels einer tiefergehenden Begründung als unsubstantiiert) kritisierte. 45 Für eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten des Arbeitnehmers nach dem Rechtsgedanken der §§ 708, 1359, 1664 BGB: Clauß, NJW 1959, 1408 (1408); für eine analoge Anwendung von §§ 690, 708, 277; 670 BGB: Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 29 ff., 41 f., 154; für ein Haftungsprivileg analog Art. 34 Satz 2 BGB: Preis, AuR 1986, 350 (365 f.); LAG Stuttgart, Urteil vom 17. September 1954 – II Sa 141/54, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 2; generell gegen ein Vertretenmüssen von Schlechtleistungen, die erfahrungsgemäß vergleichbaren Mitarbeitern ebenso unterlaufen: Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 209 ff.; zur Kritik an den drei erstgenannten Ansätzen: Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 510 f. 42

36

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

rechtliche Besonderheiten anzupassen.46 Eine weitere Ansicht verneinte den haftungsbegründenden Tatbestand mit der Begründung, dass ein sozialadäquater Fehler die Rechtswidrigkeit eines pflichtwidrigen Verhaltens entfallen lasse.47 Diese Auffassungen basieren letztlich auf dem gemeinsamen Gedanken, dass jedem Menschen bei einer dauerhaften Tätigkeit gelegentlich Fehler unterlaufen.48 Wer sich menschlicher Arbeitskraft bediene, sei sich der Gefahr eines solchen „typischen Abirrens“ der Arbeitsleistung bewusst und müsse diesen Umstand einkalkulieren.49 Das „typische Abirren“ der Arbeitsleistung kennzeichnete nach früheren Entscheidungen eine gefahrgeneigte Tätigkeit. Das Kriterium der Gefahr- oder Schadensneigung hat die Rechtsprechung mit der Entscheidung des Großen Senats des BAG aus dem Jahr 1994 aufgegeben.50 Diese zutreffende Beobachtung der Fehleranfälligkeit menschlichen Verhaltens ändert jedoch nichts daran, dass das deutsche Recht die Schadensersatzpflicht an das einzelne pflichtverletzende bzw. schadensverursachende Verhalten knüpft und auch für Dauerschuldverhältnisse keine Gesamtbetrachtung zulässt.51 Eine solche Sichtweise bedeutete einen Bruch mit dem System des Haftungsrechts und ist deswegen grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten. Abweichungen sind allenfalls bei schwer erträglichen Ergebnissen denkbar.52 Der Gesetzgeber hat für das Arbeitsrecht gerade keine solche Regelung getroffen. Hinzu tritt das bereits erwähnte Problem, das eine tatbestandsorientierte Lösung stets beinhaltet: Der Haftungsgrund kann nur entweder vorliegen oder eben nicht. Eine Anpassung des Tatbestands erlaubt es nicht, den Schaden zwischen Schuldner und Gläubiger aufzuteilen und dabei den Verschuldensgrad oder sonstige Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Überzeugender ist es daher, an den Rechtsfolgen anzusetzen. 46 Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt; für eine Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs: Küchenhoff, AuR 1969, 193 (199); Steindorff, JZ 1959, 1 (4); kritisch dazu: Ohr, AuR 1960, 242 (242 f.). Scheuerle setzt dagegen am Kriterium der Erforderlichkeit an und stellt darauf ab, was für ein kontinuierliches Zusammenwirken der Arbeitsvertragsparteien erforderlich ist, Scheuerle, RdA 1958, 247 (252 f.). Eine solche Relativierung des Fahrlässigkeitsbegriffs widerspricht dem geltenden zivilrechtlichen System und führt zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 512 m.w.N. Für einen subjektiven Verschuldensbegriff im Bereich der Arbeitnehmerhaftung: Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, S. 50 ff.; kritisch hierzu: Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 104 ff. 47 Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 304 f., der für einen solchen fahrlässigen Fehler einen „echten relativen Rechtswidrigkeitsausschließungsgrund“ zwischen den Arbeitsvertragsparteien annimmt. 48 R. Klein, Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis, S. 44; Preis, AuR 1986, 360 (363). 49 RAG, Urteil vom 18. Dezember 1940 – RAG. 49/40, ARS 41, erste Abteilung 55 (58); Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 210. 50 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1084). 51 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1469); Canaris, RdA 1966, 41 (44); Däubler, NJW 1986, 867 (869); Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5 Rn. 2. 52 Däubler, NJW 1986, 867 (869).

A. Rechtstechnische Umsetzung

37

III. Herrschende Meinung: analoge Anwendung von § 254 BGB Das Arbeitnehmerprivileg ergibt sich nicht aus einer direkten Anwendung von § 254 BGB. Die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung geht von vier Verschuldensgraden aus. Während bei leichtester Fahrlässigkeit der Arbeitgeber und bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in der Regel der Arbeitnehmer den gesamten Schaden trägt, erfolgt bei mittlerer Fahrlässigkeit eine quotale Aufteilung der Schadensfolgen nach Maßgabe einer umfassenden Abwägung der Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen anhand von Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Diese vergleichsweise abstrakten Haftungsgrundsätze entsprechen nicht der einzelfallbezogenen Abwägung, die § 254 BGB fordert.53 Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze ermitteln den Zurechnungsgrund für die Schadensverursachung in einer abstrakt-typisierenden Weise, während die angestrebte Rechtsfolge des § 254 BGB an ein konkret schadensverursachendes Verhalten anknüpft.54 Dies zeigt sich etwa an der pauschalen Annahme, dass sich der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss stets in einer unterlegenen Position befinde und eine für sich günstige vertragliche Haftungsregelung oder eine dem Haftungsrisiko angemessene Vergütung aufgrund dieser schwachen Verhandlungsposition nicht durchsetzen könne. Allerdings ist eine solche Typisierung im Falle der Arbeitnehmerhaftung aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar (vgl. dazu auch § 3B.I.2). Kritik verdient auch, dass die Rechtsprechung persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers berücksichtigt. Danach sollen etwa auch das Lebensalter und die Familienverhältnisse des Arbeitnehmers in die Abwägung einfließen.55 § 254 BGB erlaubt es nach überwiegender Ansicht nicht, allgemeine Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, wenn diese keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben und den Schaden nicht beeinflussen.56 Trotz dieser berechtigten Einwände überzeugt es, die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf eine analoge Anwendung von § 254 BGB zu stützen. Diese Regelung durchbricht den Grundsatz der Totalreparation und lässt es zu, die Schadensfolgen zwischen Schädiger und Geschädigten aufzuteilen und dabei die Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Nur diese Vorschrift sieht eine umfassende Abwägung vor. Diese Rechtsfolge ermöglicht eine individuelle und interessengerechte Lösung, so dass es keines Rückgriffs auf eine Kombination von

53

Ahrens, DB 1996, 934 (934 f.); Eich, NZA 1984, 65 (67); Krause, in: Otto/Schwarze/ Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 5 Rn. 13. 54 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 586. 55 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086). 56 Vgl. Ebert, in: Erman BGB, § 254 BGB Rn. 91; speziell für den Bereich der Arbeitnehmerhaftung: Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 84; Langenbucher, ZfA 1997, 523 (552); Waltermann, RdA 2005, 98 (107); differenzierend: Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 39.

38

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

§ 276 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 254 BGB analog57 bedarf, zumal beide Vorschriften keine vollkommen überzeugende dogmatische Grundlage für die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bieten.

IV. Zwischenergebnis Wenn das geschriebene Gesetz seine Funktion nicht erfüllt, ein Rechtsproblem angemessen zu lösen, muss eine richterliche Entscheidung diese Lücke „nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft“ schließen.58 Mit der analogen Anwendung von § 254 BGB hat die Rechtsprechung einen Ansatz entwickelt, der an den Vorschriften des BGB anknüpft. Ob tatsächlich eine Regelungslücke und ein Grund dafür bestehen, die Schadensfolgen einer betrieblichen Tätigkeit (teilweise) dem Arbeitgeber aufzuerlegen, obwohl der Arbeitnehmer den Schaden verursacht hat, untersucht das folgende Unterkapitel. Nur wenn die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 254 BGB vorliegen, sind die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze gerechtfertigt.

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs Die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber59 (§ 611a Abs. 1 Satz 1, 4 BGB) rechtfertigt möglicherweise eine Beschränkung der Haftung. Nach einer Untersuchung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz des Arbeitnehmers durch den Staat (I) folgt daher eine Analyse der unterschiedlichen Facetten der persönlichen Abhängigkeit. Hierzu zählen die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit (II) und die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers (III).60 Hinzu treten rechtsökonomische Aspekte (IV).

I. Verfassungsrechtliches Gebot einer Haftungsbegrenzung Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze hat die Rechtsprechung entwickelt. Der Gesetzgeber hat sie im Nachhinein gebilligt (siehe § 3B.II.1.b)). Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung lässt sich auf überzeugende Argumente stützen und mit der analogen Anwendung von § 254 BGB hat sich die Rechtsprechung so nah wie möglich an die einfachgesetzlichen Regelungen gehalten.

57

So aber Preis, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (150). BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287). 59 Zum Merkmal der persönlichen Abhängigkeit: Fischinger, in: Staudinger, § 611a BGB Rn. 28 ff. 60 Nach anderer Ansicht ist die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers vom Kriterium der persönlichen Abhängigkeit zu trennen, Beuthien, RdA 1978, 2 (6). 58

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

39

Richterrechtliche Rechtsfortbildung darf nicht stärker in die Strukturen des geschriebenen Rechts eingreifen, als dies zwingend erforderlich ist, um die verfassungsmäßigen Wertvorstellungen umzusetzen.61 Vor diesem Hintergrund analysiert der folgende Textabschnitt, ob die verfassungsrechtlichen Vorgaben die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze gebieten. Nach einer Abgrenzung von Abwehr und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte (1) erfolgt eine Prüfung, ob die unbeschränkte Haftung von Arbeitnehmern einen Eingriff in deren Privatautonomie (2) oder in deren Berufs- und allgemeinen Handlungsfreiheit (3) bedeutet, beides vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips. Der Abschnitt schließt mit einer Bewertung der aktuellen Rechtslage (4). 1. Abwehr- und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte Um beurteilen zu können, ob das Grundgesetz eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gebietet oder zumindest rechtfertigt, gilt es zunächst, den Prüfungsmaßstab zu bestimmen. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat, können ihn aber auch dazu verpflichten, in Rechtsverhältnisse zwischen Privaten einzugreifen, um deren Grundrechte zu schützen. Dieses Schutzgebot besteht nicht umfassend im Hinblick auf jede Beeinträchtigung, sondern setzt voraus, dass die fehlende Unterbindung der Grundrechtsbeeinträchtigung dem Staat zuzurechnen ist. Die Anforderungen an diese Zurechenbarkeit sind im Einzelnen umstritten.62 So fordern einige Stimmen in der Literatur eine „verfassungsrechtliche Garantenstellung des Staates“63, andere ein „pflichtenaktivierendes Gefahrniveau“64 oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer eingriffsadäquaten Grundrechtsbeeinträchtigung.65 Ungeachtet dieser einzelnen Zurechenbarkeitsvoraussetzungen ist jedenfalls die Schwelle, ab der eine Grundrechtsverletzung zu bejahen ist, anders zu bestimmen als beim Eingreifen der abwehrrechtlichen Funktion des betroffenen Grundrechts. Der Staat hat einen weiten Spielraum hinsichtlich der Frage, wie er eine grundrechtliche Schutzpflicht erfüllt, während die Abwehrfunktion eines Grundrechts den Staat konkret dazu verpflichtet, den ungerechtfertigten Eingriff zu unterlassen. Für die Abgrenzung von abwehrrechtlicher Komponente und Schutzgebotsdimension eines Grundrechts kommt es darauf an, ob der Staat selbst aktiv in 61

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287, 292); BGH, Urteil vom 21. Dezember 1993 – VI ZR 103/93, NJW 1994, 852 (855); BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 524/82, NZA 1988, 579 (581). 62 Zu den unterschiedlichen Kriterien: Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 90 f. 63 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 511. 64 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 105 ff. 65 Epping, Grundrechte, Rn. 124.

40

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

individuelle Rechte eingreift oder ob er passiv bleibt und es unterlässt, eine Grundrechtsbeeinträchtigung zu unterbinden. Im Falle der Arbeitnehmerhaftung erscheint angesichts der Dreierkonstellation zunächst die Schutzgebotsfunktion naheliegend: Der Arbeitnehmer sieht sich einer Schadensersatzforderung des Arbeitgebers ausgesetzt, die ihm im Einzelfall das berufliche Fortkommen erschweren oder ihn sogar in den wirtschaftlichen Ruin stürzen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seine Schadensersatzforderung tatsächlich geltend macht. Bereits das bloße Bestehen eines Anspruchs beeinträchtigt die Rechtsposition des Arbeitnehmers.66 Eine gerichtliche Durchsetzung der vertraglichen Forderung bestätigt lediglich den privatrechtlichen Vorgang und begründet keinen eigenständigen staatlichen Eingriff.67 Den Ansatzpunkt für die verfassungsrechtliche Beurteilung bildet nicht die (gerichtliche) Geltendmachung, sondern die normative Begründung des Anspruchs. a) Abwehrfunktion Für die abwehrrechtliche Funktion sprechen zwei Aspekte: die gesetzliche Anordnung der Haftung und die (möglicherweise) berufsregelnde Tendenz des zivilrechtlichen Haftungssystems. Damit die Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers den Arbeitnehmer in dessen Berufsausübung und allgemeinen Lebensführung beeinträchtigen, kommt es auf den Umfang der Ersatzpflicht an. Dieser Umfang bemisst sich nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB anhand des Schadens, den der Arbeitnehmer durch die Pflichtverletzung im konkreten Fall verursacht hat. Der Staat hat die Haftung gesetzlich angeordnet (§§ 280 ff. i.V.m. §§ 249 ff. BGB).68 Die Haftung beruht also auf einem Willensakt des Gesetzgebers.69 Die Rechtsfolge knüpft nicht unmittelbar an die Willenserklärungen an, durch die der Arbeitsvertrag zustandekommt, sondern an einen Realakt in Form der Pflichtverletzung.70 Anders verhält es sich, wenn sich die Rechtsfolge aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, wie dies beispielsweise bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot der Fall ist: §§ 74 ff. HGB regeln die Voraussetzungen. Die Rechtsfolge bzw. das Wettbewerbsverbot selbst folgt aber aus der Parteivereinbarung. Bei einem strukturellen Ungleichgewicht bei den Vertragsverhandlungen kann eine gerichtliche Überprüfung des Vereinbarungsinhalts geboten sein.71 Für die abwehrrechtliche Funktion speziell von Art. 12 Abs. 1 GG spricht, dass das zivilrechtliche Haftungssystem eine objektiv berufsregelnde Tendenz

66

Vgl. Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 4 Rn. 9. Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 508. 68 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 541; Krause, NZA 2003, 577 (581); Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 136 f. 69 Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 4 Rn. 8. 70 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 541. 71 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389 (389 f.). 67

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

41

hat. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Vorschriften kann einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers begründen und legt daher ein Eingreifen der Abwehrfunktion von Art. 12 Abs. 1 GG nahe. Nach dem erweiterten Eingriffsverständnis muss ein staatlicher Eingriff nicht zwingend unmittelbar sein, um ein Grundrecht zu verletzen, sondern es genügt, dass eine Maßnahme dem Staat zurechenbar ist und ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht. Das zivilrechtliche Haftungssystem regelt zwar nicht unmittelbar die Erwerbstätigkeit von Arbeitnehmern, prägt aber deren Rahmenbedingungen. Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer Zugriff auf die Betriebsmittel und setzt sich damit in höherem Maße der Gefahr einer Schädigung durch den Arbeitnehmer aus, als er dies etwa bei einem selbstständigen Dienstleister zulassen würde, der selbst für die technische Ausstattung für seine Leistungserbringung sorgen muss. Der Arbeitnehmer hat intensivere Zugriffsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des Arbeitgebers und trägt daher ein höheres Haftungsrisiko als Personen im allgemeinen Rechtsverkehr. Die Haftung steht daher in engem Zusammenhang mit der unselbstständigen Berufsausübung. Gegen einen spezifischen Zusammenhang zwischen der Haftung nach §§ 280 ff., 249 ff. BGB und der Berufsausübung lässt sich einwenden, dass auch in anderen Bereichen existenzbedrohende Haftungsfolgen denkbar sind, etwa im Mietrecht: Setzt ein Mieter fahrlässig ein Wohngebäude in Brand, kann er ebenfalls mit ruinösen Schadensersatzforderungen konfrontiert sein; auch hier besteht eine besonders enge Bindung der Mietvertragsparteien, da es um den Lebens- und Wohnraum des Mieters geht. Ein Unterschied zu dieser Konstellation besteht darin, dass der Arbeitnehmer zwangsläufig Arbeitsmittel des Arbeitgebers verwenden muss, um seine Arbeitsleistung erbringen zu können. Der Gebrauch der Mietsache steht zwar im Austauschverhältnis zur Zahlung des Mietzinses, ist aber keine praktische Voraussetzung der Zahlung. Der Arbeitgeber gewährt seinem Mitarbeiter dagegen Zugriff auf Rechtsgüter in der eigenen betrieblichen Sphäre, damit dieser den vorgegebenen arbeitstechnischen Zweck verfolgen kann. Damit besteht ein größeres Risiko für den Arbeitnehmer, seinem Arbeitgeber einen Schaden zuzufügen. Die Vorschriften zur Haftung haben demnach eine objektiv berufsregelnde Tendenz, auch wenn sie sich nicht speziell an Berufstätige richten.72 Als Berufsausübungsregelung fallen sie in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG.73

72

Andeutungsweise: BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 (549), wobei der Große Senat des BAG in der nachfolgenden Entscheidung primär auf die privatautonome Entscheidung der Arbeitsvertragsparteien und nicht mehr auf eine berufsregelnde Tendenz der Haftungsvorschriften abstellt, vgl. BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085); kritisch zum Kriterium einer subjektiv oder objektiv berufsregelnden Tendenz: Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Art. 12 GG Rn. 75 ff. 73 Vgl. Argumentation bei BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05,

42

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

b) Schutzgebotsfunktion Beide Argumente treffen zwar zu. Die Befürworter eines Eingreifens der grundrechtlichen Abwehrfunktion vernachlässigen aber den Umstand, dass die Haftung nach Maßgabe der §§ 280 ff. BGB ein Schuldverhältnis der Beteiligten und vertragliche Pflichten voraussetzt. Das Schuldverhältnis gehen die Parteien mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags ein, so dass die gesetzlich angeordnete Haftung auf deren privatautonome Entscheidung zurückzuführen ist.74 Die Parteien sind „Herrscher über ihre Rechts- und Haftungsbeziehungen“75 und können selbst über den Vertragsschluss sowie die Frage entscheiden, ob sie eine vom gesetzlichen System abweichende Vereinbarung treffen. Auch wenn die Haftungsfolge nicht zwingend einem konkreten Rechtsfolgewillen der Parteien entspricht, sondern auf einer staatlichen Anordnung beruht, übernehmen sie mit der fehlenden abweichenden Abrede das Haftungsregime des Gesetzgebers in ihr Vertragsverhältnis.76 Dagegen bewertet Krause die Haftung als eine vom Willen der Parteien unabhängige Zurechnung von Schadensfolgen kraft objektiven Rechts.77 Ein Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich auf Dauer angelegt und fast jedem Arbeitnehmer wird wegen der menschlichen Unzulänglichkeit früher oder später ein fahrlässiger Fehler unterlaufen, so dass das Haftungsrisiko im Arbeitsverhältnis inbegriffen ist. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags lässt sich der Arbeitnehmer auf dieses Risiko ein.78 Die privatautonome Entscheidung des Vertragsschlusses wirkt also in der Haftung nach §§ 280 ff. BGB (abgeschwächt) fort. Dass ein Arbeitnehmer in der Praxis häufig nicht imstande ist, eine für sich günstige Haftungsvereinbarung durchzusetzen, ändert nichts an der rechtlichen Disponibilität der §§ 280 ff., 249 ff. BGB. Für ein Eingreifen der Schutzgebotsfunktion spricht zudem der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“:79 Die Diskussion um die Notwendigkeit spezieller arbeitsBVerfGE 128, 1 (82 f.); Einordnung der Arbeitnehmerhaftung als Berufsausübungsregelung (in Abgrenzung zu subjektiven Zulassungsvoraussetzungen und objektiven Berufswahlregelungen) auch bei Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Art. 12 GG Rn. 219; siehe aber auch BVerfG, Beschluss vom 22. April 2009 – 1 BvR 386/09, NJW 2009, 2945 (2945 f.), wonach die zivilrechtlichen Folgen der Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags mangels berufsspezifischen Bezugs nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit fallen. 74 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085). 75 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 85. 76 Vgl. Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 85. 77 Krause, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 4 Rn. 8. 78 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (221), zum Verhältnis von Privatautonomie und der Möglichkeit, ein Dauerschuldverhältnis zu kündigen. 79 Zur Übertragbarkeit dieses Abgrenzungskriteriums vom Strafrecht auf die Abgrenzung von Abwehrfunktion und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte: Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 504.

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

43

rechtlicher Haftungsregelungen ist bereits so weit gegangen, dass mehrere konkrete Reformvorschläge vorliegen. Bereits in den 1970er Jahren enthielten der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums für das 2. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz80 und § 29 des DGB-Entwurfs zum Arbeitsverhältnisrecht vom 5. April 197781 jeweils eine ausdrückliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Im November 1970 setzte die Bundesregierung eine Kommission ein, die sie bei der Erarbeitung des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs beraten sollte. Diese Sachverständigenkommission veröffentlichte im September 1977 Vorschläge zur Regelung des Arbeitsvertragsrechts, welche die Bundesregierung aber mangels politischer Konsensaussichten82 nicht weiterverfolgte. § 26 des Entwurfs der Arbeitsgesetzbuchkommission beschränkte die Arbeitnehmerhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.83 Die SPD-Fraktion brachte mehrmals einen Gesetzesentwurf zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung ein. Nach der jeweils gleichlautenden Änderung von § 619a BGB („§ 619a – Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung“) sollte ein Arbeitnehmer für vorsätzliche Pflichtverletzungen unbeschränkt, für grob fahrlässige Pflichtverletzungen bis zur Höhe von drei Nettomonatseinkommen und im Übrigen für Schäden infolge betrieblicher oder dienstlicher Tätigkeit nicht haften.84 Der jüngste Reformvorschlag stammt von Henssler/Preis und kodifiziert die von der Rechtsprechung entwickelten arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze.85 Danach soll der Arbeitnehmer für vorsätzliche Pflichtverletzung vollumfänglich und für leichte Fahrlässigkeit nicht haften. Für normale und grobe Fahrlässigkeit soll sich die Ersatzpflicht danach bestimmen, inwieweit sie dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Die Regelung nennt die zu berücksichtigenden Kriterien (Art der Arbeit, Person, Schadenshöhe, Höhe des Arbeitsentgelts, beiderseitige Verursachungsbeiträge und Verantwortungsbereiche). Dass der Arbeitnehmer nicht nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln haften soll, hat der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Anerkennung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bestätigt.86 Dennoch hat er die Arbeitnehmerhaftung nicht explizit gesetzlich geregelt. Der Vorwurf an den Staat zielt vor diesem Hintergrund nicht auf die Übertragung allgemeiner zivilrechtlicher Vor80

RdA 1971, 355 (356). RdA 1977, 166 (169). 82 Näher dazu: Hanau, ZRP 1978, 215 (215 f.). 83 Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission, in: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht, 1977, S. 43. 84 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung vom 22. August 1995, BT-Drs. 13/2195, S. 3, vom 11. August 1993, BT-Drs. 12/5551, S. 3, und vom 21. August 1989, BT-Drs. 11/5086, S. 2. 85 § 89 Abs. 2 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG), Henssler/ Preis, NZA-Beilage 2007, 6 (21). 86 Vgl. BT-Drs. 14/6857, S. 48. 81

44

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

schriften auf das Arbeitsrecht, sondern auf das Unterlassen einer speziellen arbeitsrechtlichen Haftungsregelung. Trotz wesentlicher Argumente für ein Eingreifen der Abwehrfunktion sprechen die überzeugenderen Argumente daher für eine Einordnung als schutzgebotsrechtliche Frage. 2. Grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und das Sozialstaatsprinzip Der Staat hat die Aufgabe, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Bürger ihre Grundrechte möglichst umfassend ausüben und ein selbstbestimmtes Leben führen können.87 Die Privatautonomie schützt die Freiheit des Einzelnen, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Dementsprechend muss der Staat Vereinbarungen und Verpflichtungen zwischen Privaten als Ausdruck ihrer Vertragsfreiheit respektieren. Im Rechtsverkehr treffen Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Zielen aufeinander. Das Zivilrecht basiert auf der Vorstellung, dass die Beteiligten jeweils ihre Gestaltungsfreiheit wahrnehmen und ihre Belange durch Verhandlungen in einen angemessenen Ausgleich bringen. Diese Annahme trifft allerdings nicht immer zu: Unter Umständen hat eine Partei eine so starke Verhandlungsposition, dass sie die Vertragsbedingungen einseitig zu Lasten der anderen Partei festlegen kann. In einem solchen Fall kann die Gewährleistung der Privatautonomie den Schutz der schwächeren Partei vor Fremdbestimmung verlangen. Ist jemandem eine autonome Willensbildung nicht möglich, und stimmt er in dieser Situation einem Vertrag zu, so bietet die Einigung keine Gewähr für einen angemessenen Interessenausgleich88 und kann daher etwaige existenzbedrohende vertragliche Folgen für die unterlegene Partei nicht rechtfertigen.89 Abweichend beurteilt dies Zöllner, der eine selbstbestimmte Entscheidung als zwingende Voraussetzung einer vertraglichen Bindung mit einschneidenden Folgen ablehnt.90 Er stellt stattdessen darauf ab, dass das Dauerschuldverhältnis den Arbeitnehmer als Person erfasse und die Vertragsbedingungen (unabhängig von einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit bei Vertragsschluss) mit besonderer Rücksicht darauf gestaltet sein müssen, dass sie diese Person nicht über ein angemessenes Maß hinaus beeinträchtigen. Zwar kann weder die Rechtsordnung für jede denkbare Konstellation Regelungen bereithalten, noch jede Störung der Privatautonomie die Wirksamkeit der vertraglichen Einigung beeinträchtigten, ohne dass die notwendige Rechts87

Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 105. 88 Näher zur Selbstbestimmung und zur (begrenzten) Richtigkeitsgewähr vertraglicher Vereinbarungen: Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (14 ff.). 89 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38 f.); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 111, S. 115 f. 90 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (25 ff.; 34).

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

45

sicherheit verloren ginge.91 Wenn es aber typisierbare Fallgestaltungen gibt, in denen ein Vertragsteil strukturell unterlegen ist und die Folgen des Vertrags diese Partei in ungewöhnlich hohem Maße belasten, muss die Rechtsordnung korrigierend eingreifen, um dem Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht zu werden.92 Andernfalls verletzt der Staat das verfassungsrechtliche Untermaßverbot.93 a) Ungleichgewicht bei Arbeitsvertragsverhandlungen als typische Konstellation Ob ein Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags tatsächlich eine ungleich schwächere Verhandlungsposition hat gegenüber dem Arbeitgeber, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je nachdem kann sich das Machtverhältnis sogar einmal umkehren, beispielsweise wenn ein Unternehmen einen am Markt stark nachgefragten Experten sucht, etwa einen IT-Spezialisten. Typischerweise94 ist ein Arbeitnehmer in existentieller Weise auf ein Arbeitsverhältnis angewiesen, um mit der Vergütung seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Dieser Notwendigkeit kann er sich nicht dauerhaft entziehen. Auch wenn abweichende Konstellationen auftreten, so ist es doch der Regelfall, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Marktposition keine aus seiner Sicht interessengerechte Einigung durchzusetzen vermag.95 Häufig bestimmt der Arbeitgeber die Vertragsbedingungen und der Arbeitnehmer nimmt diese hin. Die Annahme einer strukturell bedingten Fremdbestimmung des Arbeitnehmers orientiert sich „realitätsgerecht am typischen Fall“.96

91

BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 92 BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 93 Schlachter, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 (unter Ziffer III der Anmerkung), Anmerkung zu BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A); zur Bedeutung des Untermaßverbots für den Privatrechtsgesetzgeber: Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); zur (verfassungsgerichtlichen) Überprüfung der Einhaltung des Untermaßverbots: O. Klein, JuS 2006, 960, 961 ff.; ausführlich zum Untermaßverbot: Tzemos, Das Untermaßverbot. 94 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 395; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 112; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (33); kritisch in Bezug auf diese Annahme: Bengelsdorf, BB 1995, 978 (983); Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 286 f.; Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 186 ff. 95 Ausführlicher hierzu: Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 395 f. 96 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, das diese Anforderungen insbesondere im Zusammenhang mit pauschalisierenden Regelungen im Steuerrecht formuliert hat, BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 – 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, BVerfGE 152, 274 (315); Beschluss vom 7. Oktober 1969 – 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142 (150).

46

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

b) Hypothetische Alternativvereinbarung unbeachtlich Nicht überzeugen kann der Einwand, wonach der Arbeitnehmer auch bei ungestörter Privatautonomie im Zweifel keine wesentlich besseren Haftungsbedingungen durchsetzen würde.97 Je eher eine bestimmte Art von Fehler einem Leistungserbringer typischerweise unterlaufe, desto eher falle ein entsprechendes Verhalten in seine Risikosphäre und desto weniger vereinbarten die Parteien hierfür eine abweichende Haftung. Gerade bei fahrlässig verursachten Fehlern infolge menschlicher Unachtsamkeit droht aber eine als unangemessen empfundene Haftung. Eine andere Ansicht stellt darauf ab, ob eine freie Vertragsgestaltung durch beide Parteien möglich ist und ob die Gegenleistung offensichtlich vom Marktpreis abweicht. Gerade im Arbeitsverhältnis sei es angesichts der wirtschaftlichen Abhängigkeiten wichtig, dass die Leistungen der Parteien im Gegenseitigkeitsverhältnis stünden.98 Die Privatautonomie schützt aber den freien Willen, so dass es nicht auf den Inhalt einer autonom getroffenen Entscheidung ankommt. Maßgeblich ist allein, ob die Beteiligten tatsächlich selbstbestimmt handeln können. Richtigerweise kommt es daher nicht darauf an, ob ein ausgewogeneres Verhandlungsverhältnis zwischen den Vertragsparteien zwingend dazu führt, dass sich diejenige Partei besser absichert, welche eine Leistung gegen Entgelt erbringt.99 c) Zwischenfazit Vor dem Hintergrund der Bürgschaftsentscheidung des BVerfG erscheint es zunächst inkonsequent, dass die Gerichte nicht prüfen, ob der Arbeitgeber im Einzelfall tatsächlich eine ungleich stärkere Verhandlungsposition gegenüber einem Arbeitnehmer hat.100 Droht keine (strukturell bedingte) Fremdbestimmung durch den Vertragspartner, besteht kein Anlass für einen staatlichen Eingriff in das Vertragsverhältnis. Allerdings darf der Staat seinen Regelungen vereinfachte und typisierte Sachverhalte zugrundezulegen, um Rechtssicherheit sowie eine praktikable Anwendung und effektive Überprüfung gewährleisten zu können.101 Die Annahme einer strukturell bedingten Unterlegenheit des Arbeitnehmers hat keinen atypischen Fall als Leitbild, sondern unterstellt die übliche Konstellation. Die Haftungsfolgen können den Arbeitnehmer in erheblicher Weise belasten. Der Staat muss sich daher schützend vor den typischerweise unterlegenen

97

So aber Annuß, NZA 1998, 1089 (1092). Brors, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht, S. 91 ff. 99 A.A.: Langenbucher, ZfA 1997, 523 (546). 100 Kritisch hierzu auch Schlachter, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 (unter Ziffer III der Anmerkung), Anmerkung zu BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A); Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (229 f., 236 f.). 101 Heun, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 GG Rn. 34; Wollenschläger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 GG Rn. 201 ff. 98

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

47

Arbeitnehmer stellen, um das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG nicht zu verletzen. Wie die Korrektur konkret aussieht, bleibt dem Staat überlassen. Schreitet er nicht korrigierend ein, bedeutet das Unterlassen einen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.102 3. Grundrechtliche Gewährleistung der Berufs- und der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Sozialstaatsprinzip Aus Sicht des Arbeitnehmers bedeutet die Berufsausübungsfreiheit nach dem Vorlagebeschluss des BAG, dass jeder imstande sein soll, sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen, indem er seine Arbeitskraft verwertet.103 Bei Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsgrundsätze droht dem Arbeitnehmer, dass ein leicht fahrlässiger Fehler bei der Arbeit „ihn und seine Familie auf Lebenszeit zu einer kümmerlichen Lebenshaltung zwingen, ihm die Arbeitsfreude nehmen und die Ausbildung seiner Kinder gefährden“ kann.104 Wegen ihrer wirtschaftlichen Folgen kann sich eine Haftung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften sehr einschneidend auf die Lebensgestaltung und Berufsausübung eines schadensersatzpflichtigen Arbeitnehmers auswirken. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübung) bzw. von Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) ist daher eröffnet.105 Gegen eine Berücksichtigung der Folgen einer vertraglichen Vereinbarung spricht sich hingegen Wiedemann aus. Er plädiert dafür, die Kontrolle auf den Vereinbarungsinhalt zu beschränken. Daneben gelte es die Situation zu überprüfen, in welcher die Vereinbarung zustande gekommen ist.106 Auch das BVerfG hat die Eröffnung des Schutzbereichs im Zusammenhang mit der Anwalts- und Arzthaftung anders beurteilt.107 In diesen Entscheidungen stellte das Gericht darauf ab, dass die zivilrechtlichen Folgen der Schlechterfüllung von Verträgen unabhängig davon eintreten, ob das schädigende Verhalten im Rahmen der Berufsausübung eintritt. Die Haftungsnormen beinhalten keine berufsspezifischen Sanktionen und betreffen in ihrem Hauptanwendungsbereich nicht speziell berufsmäßig Handelnde. Die mittelbaren Auswirkungen auf die Berufsausübung genügten nicht. 102 So auch BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085). 103 BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89 (A), NZA 1993, 547 (549) m.w.N.; kritisch zu den verfassungsrechtlichen Ausführungen des BAG: BGH, Beschluss vom 21. September 1993 – GmS – OBG 1/93, NZA 1994, 270 (271). 104 BAG GS, Beschluss vom 25. September 1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (238); vgl. BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 (547). 105 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085); Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 (549). 106 Wiedemann, JZ 1994, 411 (412 f.), Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89. 107 BVerfG, Beschluss vom 22. April 2009 – 1 BvR 386/09, NJW 2009, 2945 (2945 f.); Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94, NJW 1998, 519 (520).

48

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

Darüber hinaus kann die Haftung die Frage nach der Gewährleistung eines hinreichenden Existenzminimums für den Arbeitnehmer und damit das Sozialstaatsprinzip berühren (Art. 12 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Auf der anderen Seite berührt es die Grundrechtspositionen des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, wenn von der Rechtsprechung entwickelte Vorgaben zur Haftung seinen Gestaltungsspielraum bei der Unternehmensführung einschränken und er auf Forderungen verzichten muss, die ihm grundsätzlich zustehen. Sieht sich der Arbeitnehmer im Einzelfall derart hohen Schadensersatzforderungen ausgesetzt, dass er seine wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten verliert und nur noch arbeitet, um die Forderungen seines Arbeitgebers zu erfüllen, so macht die zivilrechtliche Haftung seine Berufsausübung im Sinne einer selbstbestimmten Verwertung der eigenen Arbeitskraft faktisch unmöglich. In einem solchen Extremfall läge nach dem erweiterten Eingriffsverständnis ein Eingriff in die Berufs- und die allgemeinen Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie in das Sozialstaatsprinzip vor. Der Eingriff bestünde darin, dass der Staat es unterlässt, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern und die Beeinträchtigung der künftigen Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers abzuwenden.108 Allerdings sieht die Rechtsordnung bereits einen Schutz vor unverhältnismäßiger Haftung vor: Gefährden die Haftungsfolgen die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers, so schützen ihn der zivilprozessuale Vollstreckungsschutz gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 765a ZPO und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO109 vor einem Verlust seines Existenzminimums.110 Sofern der Arbeitnehmer weiterhin ein Arbeitseinkommen erzielt (und nicht etwa die Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergegangen ist), gewährleisten die Bestimmungen zum Pfändungsschutz, dass dem Schuldner und dessen Angehörigen ein Teil des Arbeitseinkommens zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleibt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 850 ff. ZPO).111 Diese Instrumente greifen zwar noch nicht auf der Ebene der Anspruchsentstehung ein, hindern aber die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs. Sie ermöglichen es dem Betroffenen, in einem gewissen – wenn auch beschränk108

Blomeyer, JuS 1993, 903 (905 f.). Die Erteilung einer Restschuldbefreiung berührt Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht, § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO. 110 Vgl. Vereinigte Große Senate des BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16, r + s 2017, 101 (104). 111 Diese Vorschriften finden ausnahmsweise keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorsätzlich geschädigt hat und die Berufung auf den Pfändungsschutz unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls rechtsmissbräuchlich ist; in diesem Fall verbleibt dem Schuldner nur ein Existenzminimum, BAG, Urteil vom 17. Februar 2009 – 9 AZR 676/07, NZA 2010, 99 (100); Urteil vom 18. März 1997 – 3 AZR 756/95, NZA 1997, 1008 (1110). 109

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

49

ten – Rahmen für sich und seine Familie und nicht ausschließlich für den Gläubiger zu wirtschaften. Die Restschuldbefreiung begrenzt den Zeitraum nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO grundsätzlich auf drei Jahre, so dass der Betroffene die Aussicht hat, eine Erwerbstätigkeit in absehbarer Zeit wieder zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausüben zu können. Damit hat er einen Anreiz, weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und seine individuelle Leistungsfähigkeit zu entfalten.112 Selbst bei sehr hohen Schadensersatzforderungen steht keine Grundrechtsverletzung zu Lasten des Arbeitnehmers zu befürchten.113 4. Würdigung der Rechtslage unter Einbeziehung des Arbeitnehmerprivilegs Der Große Senat des BAG hat das Haftungsprivileg für Arbeitnehmer auch auf die Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und auf die Pflicht zur Gewährleistung eines Existenzminimums114 gestützt. Könnten im Arbeitsverhältnis allgemeine betrieblich bedingte Schadensrisiken zu unzumutbaren finanziellen Belastungen führen oder gar die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers gefährden, so beeinträchtige dies dessen Berufsausübung in unverhältnismäßiger Weise.115 Ein erster Hinweis auf eine verfassungsrechtliche Begründung findet sich bereits in einem früheren Urteil aus dem Jahr 1989, in welchem das BAG eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung unter anderem mit den Wertvorstellungen rechtfertigt, die den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG zugrunde liegen.116 In seiner zwei Jahre auf den Vorlagebeschluss des Großen Senats folgenden Entscheidung hielt das Gericht die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung durch entsprechende Anwendung von § 254 BGB sogar für verfassungsrechtlich geboten117 und erachtete angesichts einer strukturellen Ungleichgewichtslage zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Einschreiten der Gerichte für erforderlich. In späteren Entscheidungen ging das BAG dagegen nicht mehr auf diese verfassungsrechtlichen Aspekte ein. Eine Ausnahme bildet insoweit allenfalls das Urteil vom 12. November 1998, in welchem das BAG eine Haftungsbeschränkung auch bei einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nicht generell ausschloss, wenn die Vergütung in einem deutlichen Missverhältnis zum

112

Zweifelnd insoweit: BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547

(549). 113 So auch Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 309 ff.; Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 128 f. 114 Die Pflicht zur Gewährleistung eines Existenzminimums ergibt sich aus Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (näher dazu: Fn. 23 m.w.N.). 115 BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 (549). 116 BAG, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88, NZA 1990, 97 (98). 117 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085); der VI. Zivilsenat des BGH hat sich dieser Ansicht ausdrücklich nicht angeschlossen, Beschluss vom 21. September 1993 – GmS – OBG 1/93, NZA 1994, 270 (271).

50

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit steht.118 Damit trägt die Rechtsprechung wohl dem verfassungsrechtlichen Schutz vor existenzgefährdenden Schadensersatzforderungen Rechnung.119 Im Urteil vom 15. November 2012 stellte das BAG fest, dass der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG keine festen Haftungshöchstgrenzen erfordert.120 Der BGH äußerte sich zurückhaltend in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BAG: Er folge diesen Ausführungen nicht in allem und messe ihnen „keine tragende Bedeutung“ zu.121 Das Grundgesetz enthält keine konkreten Vorgaben für eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten der Arbeitnehmer. Um allerdings das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG nicht zu verletzen, muss der Staat korrigierend zu Gunsten des Arbeitnehmers tätig werden. Der zivilprozessuale Vollstreckungsschutz und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung schließen aus, dass die Haftungsfolgen die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers ernsthaft gefährden. Allerdings bedeutet das typischerweise gegebene Ungleichgewicht bei den Arbeitsvertragsverhandlungen bei einem Nichteingreifen des Staates eine Verletzung der Privatautonomie des Arbeitnehmers und des Sozialstaatsprinzips, weil der Arbeitnehmer hinsichtlich der Haftungsmodalitäten typischerweise einer Fremdbestimmung durch den Arbeitgeber ausgesetzt ist und der Staat ihn in dieser Konstellation trotz schwerwiegender Konsequenzen im Einzelfall nicht schützt. Das Fehlen von Schutzvorschriften ist erst dann verfassungswidrig, wenn das Schutzniveau nach der bestehenden Rechtslage unterhalb des verfassungsrechtlichen Minimums („Untermaß“) liegt.122 Der Gesetzgeber muss die Zivilrechtsordnung so gestalten, dass sie jedem Einzelnen Raum für eine möglichst weitgehende Ausübung seiner Grundrechte bietet und im Falle einer strukturell ungleichen Verhandlungsstärke einen Ausgleich ermöglicht.123 Dieser Ausgleich kann dadurch erfolgen, dass die Grundrechte als objektive Werteordnung Be-

118

BAG, Urteil vom 12. November 1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999, 263 (264). Ahrens, Anmerkung zu AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 117. 120 BAG, Urteil vom 15. November 2012 – 8 AZR 705/11, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 137 (Rn. 30). 121 BGH, Beschluss vom 21. September 1993 – GmS – OBG 1/93, NZA 1994, 270 (271); in diese Richtung bereits BGH, Urteil vom 10. Januar 1955 – III ZR 153/53, NJW 1955, 458 (459); so auch Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 29; kritisch auch Langenbucher, ZfA 1997, 523 (545 f.). 122 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228). 123 BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38 f.); der Begriff der „strukturell ungleichen Verhandlungsstärke“ stammt aus der Rechtsprechung des BVerfG zur Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen mit Familienangehörigen, BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38), und zu entschädigungslosen Wettbewerbsverboten für Handelsvertreter, BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389 (390). 119

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

51

rücksichtigung finden bei der Auslegung und Anwendung von zivilrechtlichen Generalklauseln.124 Solche Generalklauseln sind beispielsweise die Vorschriften des § 138 BGB oder des § 242 BGB. Auch wenn eine gesetzliche Regelung zur Arbeitnehmerhaftung fehlt, bietet die Rechtsordnung verschiedene Möglichkeiten, eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung umzusetzen. Insbesondere die Vorschriften des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 254 BGB bieten dafür Raum. Indem die Rechtsprechung die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze entwickelt hat und die Vorschrift des § 254 BGB analog anwendet, hat sie einen Weg der verfassungskonformen Rechtsanwendung eröffnet. Ohne die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung beinhaltet die allgemeine zivilrechtliche Haftung im Einzelfall erhebliche Härten für den Arbeitnehmer und verletzt dessen Privatautonomie unter Berücksichtigung des Sozialstaatsgebots. Die analoge Anwendung von § 254 BGB ermöglicht es, die Haftung des Arbeitnehmers in verfassungskonformer Weise zu modifizieren. Zwar beeinträchtigt diese Haftungsbeschränkung die durch Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten Positionen des Arbeitgebers, allerdings finden die Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung in der Abwägung analog § 254 BGB. Dies mildert die Intensität der Beeinträchtigung für den Arbeitgeber. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebieten zwar nicht zwingend den Grundrechtsschutz in Form des Arbeitnehmerprivilegs. Sie verlangen aber sehr wohl, dass der Staat überhaupt zum Schutz des Arbeitnehmers in das Arbeitsverhältnis eingreift, und tragen daher zur Rechtfertigung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bei.125

II. Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers Für eine Beschränkung der Haftung sprechen die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit aus Sicht des Arbeitnehmers und die Organisationshoheit sowie die Risikoveranlassung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist in der Regel eher dazu imstande, die Risiken zu beherrschen, die sich aus der von ihm veranlassten und in seinem unternehmerischen Interesse ausgeführten Arbeit ergeben.126 Diese Aspekte lassen sich bündeln unter dem Begriff des Betriebsrisikos im haftungsrechtlichen Sinne. Die Rechtsprechung hatte die beschränkte Arbeitnehmerhaftung zunächst auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestützt.127 Der Arbeitgeber nehme ein

124

BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38 f.). 125 Deutlich zurückhaltender dagegen Oetker, der sich restriktiv zur Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten für das Schadensersatzrecht äußert, Oetker, in: MüKoBGB, § 249 BGB Rn. 15. 126 Langenbucher, ZfA 1997, 523 (539). 127 RAG, Urteil vom 18. Dezember 1940 – RAG. 49/40, ARS 41, erste Abteilung 55 (58; 60 f.); BAG GS, Beschluss vom 25. September 1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (237).

52

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

gelegentliches Abirren der Arbeitsleistung „als eine Art von typischem Betriebsrisiko“ in Kauf.128 Die Fürsorgepflicht könne es dem Arbeitgeber daher verbieten, vom Arbeitsnehmer in vollem Umfang Schadensersatz zu verlangen. In den 1970er Jahren gab das BAG die Begründung anhand der Fürsorgepflicht auf, hielt jedoch am Gedanken des Betriebsrisikos fest.129 Dieser findet sich nunmehr als verschuldensunabhängiger Zurechnungsfaktor im Rahmen einer (analogen) Anwendung von § 254 BGB.130 Das Betriebsrisiko bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung das Lohnzahlungsrisiko des Arbeitgebers bei zufälliger Unmöglichkeit der Arbeitsleistung131 und betrifft damit die arbeitsvertraglichen Primärpflichten. Dass es im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen bzw. Sekundärpflichten ein Abwägungskriterium definiert, ist daher missverständlich132, auch wenn es in beiden Fällen um die Abgrenzung von Risikosphären der Arbeitsvertragsparteien geht. Im haftungsrechtlichen Kontext bezeichnet das Betriebsrisiko den Umstand, dass der Arbeitgeber für die Organisation des Betriebs verantwortlich ist und die Arbeitsbedingungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gestaltet.133 Kraft seines Weisungsrechts und seiner Organisationsbefugnis für den Betrieb prägt er das Haftungsrisiko für den Arbeitnehmer.134 Dieser kann den vorgegebenen Arbeitsbedingungen nicht ausweichen. Das Betriebsrisiko im haftungsrechtlichen Sinne umfasst also mehrere Aspekte, was den Begriff konturlos erscheinen lässt.135 Nach verbreiteter Ansicht muss sich der Arbeitgeber diese Abwägungsmerkmale, gebündelt unter der Bezeichnung als Betriebsrisiko, anspruchsmindernd zurechnen lassen.136 Vor allem in Gerichtsentscheidungen fehlt häufig eine Begründung, warum dies so sein soll. Die Vorschrift des § 254 BGB enthält dazu keine Wertung.137 Für eine Berücksichtigung zu Lasten des Arbeitgebers sprechen der Umstand, dass er die betrieblichen Risiken veranlasst und jedenfalls bei abstrakter Betrachtung eher beherrschen kann (1), die fehlende Ausweichmöglichkeit des Arbeitnehmers (2) und der Gleichlauf von Nutzen und Risiko (3). Das

128

RAG, Urteil vom 18. Dezember 1940 – RAG. 49/40, ARS 41, erste Abteilung 55 (58). BAG, Urteil vom 3. November 1970 – 1 AZR 228/70, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 61; zustimmend zu der Verortung im Rahmen der Risikoverteilung anstelle einer Begründung über die Fürsorgepflicht: Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 41 (63). 130 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 2 Rn. 6. 131 BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 524/82, NZA 1988, 579 (583). 132 Mayer-Maly, in: FS Hilger/Stumpf (1983), S. 467 (472); kritisch zur Verwendung des Betriebsrisikobegriffs im Haftungsrecht (noch): BAG, Beschluss vom 10. November 1961 – GS 1/60, NJW 1962, 411 (413). 133 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085). 134 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085). 135 Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 36 m.w.N. 136 BAG GS, Beschluss vom 25. September 1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (237). 137 Langenbucher, ZfA 1997, 523 (535). 129

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

53

Kriterium, wonach das pflichtverletzende Verhalten betrieblich veranlasst sein muss, begrenzt die Risikozurechnung (4). 1. Risikoveranlassung und Risikobeherrschung durch den Arbeitgeber Für eine Berücksichtigung des Betriebsrisikos zu Lasten des Arbeitgebers lässt sich anführen das Prinzip von Gefahrveranlassung und Gefahrbeherrschung, welches auch die Gefährdungshaftung bestimmt.138 Der Arbeitgeber verursacht zwar in der Regel nicht unmittelbar den konkreten Schaden, jedoch hat er die betrieblichen Tätigkeiten für einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck veranlasst und erhält den Betrieb aufrecht. Der Unternehmer ist für die Organisation des Betriebs verantwortlich und gestaltet die Arbeitsbedingungen und -umgebung.139 Lichtenberg verweist in diesem Zusammenhang auch auf den zunehmenden Wert der Arbeitsmittel und deren erschwerte Beherrschbarkeit infolge der Technisierung.140 Der Arbeitgeber schafft und gestaltet mithin den Betrieb als Gefahrenquelle. Trifft ihn ausnahmsweise doch ein konkretes Mitverschulden, findet § 254 BGB unmittelbare Anwendung. Diese Unterscheidung zwischen unmittelbarer und analoger Anwendung betont das BAG ausdrücklich.141 a) Betriebliches Geschehen als Gefahrenquelle Öffentlich-rechtliche Vorgaben, etwa zum Arbeitsschutz oder in Form technischer Normen, beschränken den Gestaltungsspielraum und damit die Möglichkeit des Arbeitgebers zur Risikobeherrschung.142 Nichtsdestotrotz beruht das gesamte betriebliche Geschehen auf der unternehmerischen Initiative des Arbeitgebers. Dieser Umstand rechtfertigt es, dass dieser für die hieraus resultierenden betrieblichen Gefahren einzustehen hat, selbst wenn ihn im einzelnen Haftungsfall kein konkretes Mitverschulden trifft. Es geht also um eine „Gefährdungshaftung des Geschädigten“.143 Kritisch äußert sich zu diesem Ansatz Maties, der stattdessen darauf abstellt, dass sich der Arbeitgeber widersprüchlich verhalte, wenn er vom Arbeitnehmer Schadensersatz verlangt, obwohl er ihn bewusst in seinem eigenen Rechts- und Geschäftskreis einsetzt und mit Fehlern rechnen muss; damit verstoße der Ar-

138

Näher zu den Prinzipen der Gefährdungshaftung: Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2, S. 604 ff. 139 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085); BAG, Urteil vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37 (39). 140 Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, S. 3 f. 141 Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14, 8 AZR 876/13, NZA 2015, 1517 (1520). 142 Bachmann, ZIP 2017, 841 (843); Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1471). 143 Zu diesem Begriff: Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, S. 392.

54

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

beitgeber gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB).144 Dagegen sieht Annuß im Unternehmerrisiko des Arbeitgebers einen eigenständigen Schadenszurechnungsgrund und ausdrücklich keinen Aspekt der Gefährdungshaftung.145 Einem weiteren Einwand zufolge rechtfertigt die Parallele zur Gefährdungshaftung ausschließlich die Zurechnung besonderer Tätigkeitsrisiken.146 Eine Haftungsbeschränkung für allgemeine betriebliche Tätigkeiten ohne besonderes Risiko lässt sich nach dieser Ansicht nicht auf die Wertungen der Gefährdungshaftung stützen, weil es insoweit an einem erhöhten Gefahrenpotential als Anknüpfungspunkt für die Schadenszurechnung fehle.147 Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die allgemeinen betrieblichen Risiken auf die unternehmerische Initiative des Arbeitgebers zurückgehen. Der Unternehmer schafft und gestaltet den Betrieb als einheitliche Gefahrenquelle. Sämtliche betrieblichen Risiken beruhen daher auf seinem Verursachungsbeitrag, unabhängig von einer besonderen Schadensneigung der jeweiligen Tätigkeit. Für eine umfassende Risikozurechnung spricht auch der Umstand, dass die Rechtsprechung das Kriterium der gefahrgeneigten Tätigkeit ausdrücklich aufgegeben hat als Voraussetzung der Haftungsbeschränkung.148 Die Einschränkung auf die Zurechnung besonderer Tätigkeitsrisiken überzeugt daher nicht. Trotz seiner differenzierenden Betrachtung kommt letztlich auch Otto zum gleichen Ergebnis, indem er die Zurechnung allgemeiner Risiken auf die Gesichtspunkte von Fremdnützigkeit und Fremdbestimmtheit der Arbeitnehmertätigkeit stützt.149 b) Gesetzgeberische Billigung der Haftungsbeschränkung Generell gilt im deutschen Zivilrecht das Verschuldensprinzip. Danach setzt eine Schadensersatzpflicht ein schuldhaftes Verhalten voraus, das dem Schädiger zuzurechnen ist. Umgekehrt muss sich der Geschädigte sein eigenes schuldhaftes Verhalten, das beim Entstehen des Schadens mitgewirkt hat, als anspruchsbeschränkendes Mitverschulden anrechnen lassen.150 Die Gefährdungshaftung erfordert dagegen kein konkretes haftungsbegründendes Verschulden, sondern lässt genügen, dass eine Person ein Risiko abstrakt veranlasst und beherrscht, indem sie eine Gefahrenquelle schafft bzw. aufrecht-

144

Maties, in: BeckOGK, § 611a BGB Rn. 1725. Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 113 ff. 146 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 14 ff.; kritisch dagegen Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 68. 147 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 14 ff. 148 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1084). 149 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 22. 150 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1972 – 1 BvL 4, 17/71, 10/72, 1 BvR 355/71, BVerfGE 34, 118 (130). 145

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

55

erhält.151 Diese Haftungsform bedarf einer ausdrücklichen Regelung durch den Gesetzgeber, weil sie von dessen Grundentscheidung für das Verschuldensprinzip abweicht (sog. Enumerationsprinzip).152 Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze betreffen den umgekehrten Fall, nämlich eine Minderung des Ersatzanspruchs des Geschädigten wegen dessen Verantwortlichkeit für eine Gefahrenquelle. Die Haftungsbeschränkung ist zwar gerade nicht gesetzlich geregelt. Allerdings hat der Gesetzgeber sie in den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ausdrücklich anerkannt.153 Dabei hat er die dogmatische Begründung anhand von § 254 BGB offengelassen, auch wenn er selbst die maßgeblichen Aspekte nicht einer Abwägung nach Verursachungsbeiträgen, sondern einer vertraglichen Haftungsbeschränkung im Sinne von § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB zuordnete.154 Zudem setzt der Gesetzgeber etwa in § 16d Abs. 7 Satz 3 SGB II eine besondere Haftung von Arbeitnehmern voraus und hat auch damit die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsgrundsätze implizit gebilligt. Otto argumentiert, dass es nicht darum gehe, einen neuen Haftungstatbestand zu schaffen, sondern um die Frage, welche Risikozurechnungsgründe bei der Arbeitnehmerhaftung Berücksichtigung finden.155 Dagegen lehnen Brox/Walker diesen Ansatz ab mit Verweis auf das Enumerationsprinzip, die fehlende generelle Möglichkeit des Arbeitgebers zur Risikobeherrschung und den geringen Spielraum eines Arbeitgebers bei der Gestaltung seines Betriebs angesichts umfassender Standards zu Technik und Arbeitssicherheit.156 Weil die Legislative die Haftungsbeschränkung anerkennt und die genaue dogmatische Herleitung offenlässt, besteht Raum dafür, im Rahmen der Abwägung analog § 254 BGB die Risikoveranlassung und -beherrschung zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Wertung steht im Einklang mit der zivilrechtlichen Ordnung, die denselben Gedanken in Form der Gefährdungshaftung bereits enthält. Dieses Ergebnis kann sich zusätzlich auf verfassungsrechtliche Wertungen stützen: Auch wenn die Rechtslage dank der von der Rechtsprechung entwickelten arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze nicht gegen Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG verstößt (siehe § 3B.I) und die verfassungsrechtlichen Aspekte die Haftungsbeschränkung nicht zwingend in dieser Form gebieten, so bestimmen sie doch den Rahmen und können es rechtfertigen, die Betriebsveranlassung und -beherrschung als Abwägungsaspekt zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen.157 151

Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2, S. 605. Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, S. 393. 153 BT-Drs. 14/6857, S. 48. 154 BT-Drs. 14/6857, S. 48. 155 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 9; ähnlich auch Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 48. 156 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1471). 157 Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, S. 419. 152

56

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

2. Fehlende Ausweichmöglichkeiten des Arbeitnehmers Für eine Zuweisung des Betriebsrisikos an den Arbeitgeber spricht, dass der Arbeitnehmer in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert wird, deren Ausgestaltung der Arbeitgeber bestimmt. Dass der Arbeitgeber die Tätigkeit des Arbeitnehmers steuert, ist nach Ansicht des BAG ein bloßer Abwägungsfaktor und begründet nicht die Haftungsbeschränkung.158 Der Unternehmer legt die betrieblichen Abläufe und Arbeitsbedingungen nach seinen Vorstellungen fest, während dem Arbeitnehmer die Möglichkeit selbstbestimmten Handelns fehlt.159 Indem der Arbeitgeber die Arbeitsumgebung gestaltet und die Arbeitsleistung kraft seines Weisungsrechts näher bestimmt, schafft er zugleich Haftungsrisiken für den Arbeitnehmer, welchen dieser nicht ausweichen kann.160 Auch wenn der Arbeitnehmer im Moment des schädigenden Ereignisses näher am Geschehen ist, beeinflusst die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsumgebung entscheidend, wie sich eine Pflichtverletzung auswirkt.161 Aufgrund seiner einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten ist dem Arbeitgeber ein größeres Risiko zuzurechnen als einem sonstigen Gläubiger.162 Gamillscheg/Hanau vergleichen menschliche Fehler mit dem Versagen einer Maschine.163 Ein Maschinenversagen beruht jedoch auf einem „wertneutralen“ technischen Defekt (und gegebenenfalls mittelbar auf einem Fehler des Maschinenherstellers).164 Dagegen liegt einem menschlichen Fehlgriff ein schuldhaftes Verhalten zugrunde. Der Vergleich überzeugt daher nicht. 3. Symmetriegedanke Als weiteres Argument für eine Berücksichtigung des Betriebsrisikos zu Lasten des Arbeitgebers kommt der Vorteils- bzw. Symmetriegedanke in Betracht. Der Arbeitgeber zieht den Nutzen aus der unternehmerischen Betätigung und dem

158

BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1085). Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 20; Preis, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (150); vgl. auch Mayer-Maly, in: FS Hilger/Stumpf (1983), S. 467 (474). 160 BAG, Urteil vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37 (39); Gamillscheg, AuR 1993, 262 (265); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 20; Richardi, NZA 1994, 241 (242). 161 Krause, NZA 2003, 577 (579); dagegen fehlt es an einer Risikobeherrschung des Arbeitgebers nach Ansicht von Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1471); kritisch auch Brors, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht, S. 197, die aber ausdrücklich auch auf die fehlende Ausweichmöglichkeit des Arbeitnehmers hinweist, a.a.O, S. 200; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 384 ff.; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 65. 162 Vgl. Löwisch, NZA 2001, 465 (466); Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 57. 163 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 46. 164 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 17. 159

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

57

betrieblichen Geschehen. Möglicherweise muss er sich spiegelbildlich auch die Nachteile bzw. Risiken des Betriebs zurechnen lassen.165 Eine solche Beurteilung lehnen Brox/Walker ab und verweisen auf die Gefahr einer unterschiedlichen Haftung von Arbeitnehmern privater Unternehmen einerseits und nicht gewinnorientierter gemeinnütziger oder öffentlicher Unternehmen andererseits.166 Zudem beziehe sich der Symmetriegedanke nicht auf betriebliche Schadensrisiken, sondern auf die Symmetrie von Gewinnchance und dem Risiko des Arbeitgebers, Mitarbeiter auch ohne gewinnbringenden Einsatz bezahlen zu müssen und insoweit einen Verlust zu erzielen. Diese Sichtweise verkennt allerdings den Bezugspunkt des Symmetriegedankens: Es geht nicht um den gewinnbringenden bzw. verlustbehafteten Einsatz von Mitarbeitern, sondern um das gesamte betriebliche Geschehen als Gewinnchance bzw. Gefahrenquelle.167 Der Einwand ist daher nicht stichhaltig. Kritisch äußert sich auch Brors, die den Symmetriegedanken als alleinigen Erklärungsansatz als zu unbestimmt ablehnt und in ihm nur eine gewohnheitsrechtliche Ausprägung anstelle eines tragfähigen Rechtsprinzips sieht.168 Der Gleichlauf von Vorteil und Risiko bildet aber nur eine von mehreren Stützen der Risikozurechnung und findet sich auch in der Gefährdungshaftung: Wer zum eigenen Nutzen eine besondere Gefahrenquelle schafft bzw. aufrechterhält, muss für die hieraus entstehenden Schäden einstehen.169 Hinsichtlich der Vorteile für den Arbeitgeber ist einschränkend zu berücksichtigen, der Arbeitnehmer nicht ausschließlich fremdnützig für den Arbeitgeber tätig ist, wie dies etwa bei einem Auftrag oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag der Fall ist. Der Arbeitnehmer zieht selbst auch Vorteile aus seiner Tätigkeit. Die Arbeitsleistung ist die vertraglich geschuldete Gegenleistung für die Vergütung und bietet ihm idealerweise eine Möglichkeit, seine Persönlichkeit zu entfalten. Zudem trägt er mit seiner Arbeitsleistung zum Fortbestand des Unternehmens und damit zur Sicherung seines eigenen Arbeitsplatzes bei.170 Der Arbeitnehmer hat daher ein – wenn auch mittelbares171 – eigenes Interesse an einem funktionierenden Betrieb. Diese mittelbaren Interessen tragen auch dazu bei, eine Haftung des Arbeitnehmers trotz des teilweise fremdnützigen Charakters seiner Tätigkeit zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund überzeugt die Überlegung nicht, dass der Ar165

So Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 12. Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1470 f.). 167 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1470 f.), 168 Brors, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht, S. 197 f.; kritisch auch Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 72. 169 Canaris, RdA 1966, 41 (43); Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2, S. 605; vgl. Walter, in: BeckOGK, § 7 StVG Rn. 3; Freymann, in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Einleitung Rn. 76. 170 Langenbucher, ZfA 1997, 523 (538); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 19. 171 Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, S. 416. 166

58

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

beitgeber den Schaden schon allein deswegen tragen müsse, weil er sich zum Erreichen seiner Ziele fremder Arbeitskraft bedient. Dass ein Schädiger auch bei einer fremdnützigen Tätigkeit grundsätzlich haftet, unterstellen etwa die Vorschriften des § 680 BGB oder der §§ 31a, 31b BGB. Erst recht haftet der Schädiger bei einer entgeltlichen Tätigkeit, die zwar auch fremdnützig sein kann, dem Ausführenden aber mittelbare Vorteile bietet. Bei einem Auftrag oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag rechtfertigt die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit die Erwartung, von damit einhergehenden Risiken (teilweise) freigestellt zu werden. Bei einem entgeltlichen Vertrag regeln die Parteien die Risikoverteilung grundsätzlich in einer entsprechenden Vereinbarung.172 Bei Abschluss eines Arbeitsvertrags ist die Verhandlungssituation aber typischerweise nicht ausgewogen, so dass ein Arbeitnehmer nicht dazu imstande ist, eine interessengerechte Risikozuweisung durchzusetzen. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht ausschließlich fremdnützig tätig ist, sind die Gewinnchancen, die sich aus der unternehmerischen Tätigkeit des Arbeitgebers und damit aus dem Einsatz von Arbeitnehmern im Betrieb ergeben, dem Unternehmer vorbehalten. Dieser Umstand rechtfertigt es, ihm spiegelbildlich auch die Risiken des betrieblichen Geschehens zuzurechnen. 4. Betriebliche Veranlassung als Grenze der Risikozurechnung Die Grenze der Zurechnung bestimmt das Kriterium, wonach die schadensverursachende Tätigkeit betrieblich (mit-)veranlasst sein muss. Diese Voraussetzung schließt das Haftungsprivileg aus bei Schadensursachen außerhalb des Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.173 Es besteht kein Grund dafür, dem Arbeitgeber das allgemeine Lebensrisiko des Arbeitnehmers aufzubürden.174

III. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mangels eigenen Auftretens am Markt Für eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung spricht die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. Rechtsprechung und Literatur haben zu Recht den Ansatz verworfen, das Haftungsprivileg aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers herzuleiten. Der Begriff der Fürsorgepflicht bzw. der arbeitsrechtlichen Schutzpflichten bündelt zahlreiche Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers

172

Langenbucher, ZfA 1997, 523 (538 f.). BAG, Urteil vom 22. März 2018 – 8 AZR 779/16, NZA 2018, 1216 (1222); Langenbucher, ZfA 1997, 523 (540); zum Problem einer gemischten Verursachung, bei der eine klare Abgrenzung privater von betrieblicher Tätigkeit nicht möglich ist: Melot de Beauregard, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 7 Rn. 90 ff. 174 BAG, Urteil vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37 (38); BAG GS, Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 (550); Canaris, RdA 1966, 41 (46); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 14. 173

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

59

zur Wahrung der Arbeitnehmerinteressen, die nur vereinzelt Ausdruck finden in gesetzlichen Regelungen, etwa in §§ 617 f. BGB.175 Ab den 1940er Jahren hatte die Rechtsprechung die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung zunächst auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestützt.176 Die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht könne es dem Arbeitgeber verbieten, vom Arbeitnehmer in vollem Umfang Schadensersatz zu verlangen, wenn sich der Fehler aus der Art der Tätigkeit und der Unzulänglichkeit eines jeden Menschen erkläre. In den 1970er Jahren gab das BAG die Begründung anhand der Fürsorgepflicht zu Recht auf.177 Diese Nebenpflicht ist zu unbestimmt, als dass sie für sich genommen die Beschränkung der Ersatzpflicht rechtlich umzusetzen vermag.178 Dessen ungeachtet begründen die folgenden beiden Aspekte eine Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers (1) und sprechen daher für eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung, auch wenn sie allein das Haftungsprivileg nicht zu tragen vermögen: Typischerweise gleicht die Vergütung das Schadensrisiko für den Arbeitnehmer nicht aus (2) und der Beschäftigte ist wegen seiner persönlichen Abhängigkeit auf eine fremde Daseinsfürsorge angewiesen (3). 1. Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit Die Eigenschaft als Arbeitnehmer erfordert keine soziale Schutzbedürftigkeit, sondern persönliche Abhängigkeit (§ 611a Abs. 1 BGB). Die soziale Schutzbedürftigkeit kennzeichnet arbeitnehmerähnliche Personen und bezieht sich auf deren Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern.179 Das Merkmal dient der Abgrenzung arbeitnehmerähnlicher Personen von Selbstständigen180 und ergänzt insoweit das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit.181 Eine wirtschaftliche Abhängigkeit hat typischerweise, aber nicht zwingend zur Folge, dass die abhängige Person sozial schutzbedürftig ist.182

175

Fischinger, in: Staudinger, § 611a BGB Rn. 1750. RAG, Urteil vom 18. Dezember 1940 – RAG. 49/40, ARS 41, erste Abteilung 55 (58; 60 f.); BAG GS, Beschluss vom 25. September 1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (237). 177 BAG, Urteil vom 3. November 1970 – 1 AZR 228/70, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 61; prägnant zur Kritik an der Begründung anhand der Fürsorgepflicht: Canaris, RdA 1966, 41 (44 f.); Langenbucher, ZfA 1997, 523 (543). 178 Canaris, RdA 1966, 41 (45) m.w.N. 179 A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 156 f. 180 Vgl. dazu auch die Begriffsbestimmung der arbeitnehmerähnlichen Personen in § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG. 181 BAG, Urteil vom 23. Dezember 1961 – 5 AZR 53/61, NJW 1962, 1125 (1125); Mayr, Arbeitsrechtlicher Schutz Soloselbständiger am Beispiel der Plattformarbeit, S. 259; Temming, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 21 Rn. 11; nach Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Person, S. 27 f., dient das Merkmal der Ergebniskontrolle, indem es eine normative Gesamtbetrachtung der Konstellation ermöglicht. 182 Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, S. 27, 47. 176

60

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

Der Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit ist nicht eindeutig definiert. Nach dem BAG ist hierfür entscheidend, ob „das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind“.183

Einen Anhaltspunkt für die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bietet die Frage, ob für die Person unter Berücksichtigung sämtlicher „die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit [besteht], seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz zu verwerten.“184 Bei der Bewertung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, wozu auch die Höhe der Vergütung und anderweitige Einkünfte zählen.185 Die finanziellen Verhältnisse der wirtschaftlich abhängigen Person finden demnach in diesem Kontext Berücksichtigung. Die persönliche Abhängigkeit eines Arbeitnehmers beinhaltet regelmäßig dessen soziale Schutzbedürftigkeit, auch wenn der Arbeitnehmerbegriff nicht an dieses Merkmal anknüpft und die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers außer Betracht lässt. Die soziale Schutzbedürftigkeit stützt möglicherweise eine Haftungsbeschränkung unter Berücksichtigung von Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Sowohl einen Arbeitnehmer als auch eine arbeitnehmerähnliche Person kennzeichnet die fehlende Möglichkeit, autonom über die eigene Arbeitskraft zu verfügen und diese wirtschaftlich zu verwerten.186 Beide haben sich in einer solchen Weise dauerhaft an einen bestimmten Arbeitgeber oder Auftraggeber gebunden, dass ihnen diese Tätigkeit einen eigenen Marktauftritt erschwert und sie auf die Vergütung aus dem Rechtsverhältnis angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.187 Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung dient dem Schutz vor einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung. Die wirtschaftliche Situation ist zwar nicht für den Status als Arbeitnehmer, wohl aber für haftungsrechtliche Fragen im Arbeitsverhältnis relevant. Eine haftungsrechtlich relevante soziale Schutzbedürftigkeit ergibt sich möglicherweise daraus, dass die Vergütung eines Arbeitnehmers typischerweise nicht dessen Schadensrisiko kompensiert und dass der Arbeitnehmer auf fremde Daseinsfürsorge angewiesen ist.

183 Ständige Rechtsprechung, etwa BAG, Urteil vom 2. Oktober 1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239 (240). 184 BAG, Urteil vom 2. Oktober 1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239 (240). 185 BAG, Urteil vom 2. Oktober 1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239 (240). 186 Willemsen/Müntefering, NZA 2008, 193 (196). 187 Mayr, Arbeitsrechtlicher Schutz Soloselbständiger am Beispiel der Plattformarbeit, S. 259 f.; Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, S. 28 f.

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

61

2. Fehlende Risikoabgeltung durch die Vergütung Wer eine unselbstständige Tätigkeit aufnimmt, verzichtet weitgehend auf die Möglichkeit, selbst unternehmerisch tätig zu sein. Angesichts der denkbaren Schäden müsste ein Arbeitnehmer hohe Rücklagen für einen Schadensfall bilden bzw. sich über teure Einzelpolicen (soweit überhaupt möglich) versichern und dementsprechend hohe Risikoprämien vom Arbeitgeber verlangen.188 Der Arbeitnehmer ist in der Regel nicht dazu imstande, bei den Vertragsverhandlungen eine Vergütung durchzusetzen, die sämtliche Schadensrisiken ausgleicht bzw. eine hinreichende Absicherung ermöglicht.189 Unabhängig von der Frage, ob er typischerweise dem Arbeitgeber unterlegen ist, kann er bei Vertragsschluss häufig nicht überblicken, welchen Haftungsrisiken er im Laufe des Arbeitsverhältnisses begegnen wird, zumal sich das Vertragsverhältnis über mehrere Jahre oder Jahrzehnte erstrecken und sich der Aufgabenbereich, gegebenenfalls aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung, verändern kann. Nach Vertragsschluss kann der Arbeitgeber die tatsächlichen Arbeitsbedingungen kraft seines Weisungsrechts einseitig ändern, ohne die Vergütung an das veränderte Risiko anzupassen. Krause spricht insoweit von der Gefahr eines „nachvertraglichen Opportunismus“ und verweist auf die fehlende Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung in Dauerschuldverhältnissen.190 Vertragsbedingungen, welche die Arbeitsvertragsparteien auf die individuellen Risiken abstimmen, steht aus Sicht des Arbeitgebers zudem der Umstand entgegen, dass er aus Praktikabilitätsgründen einheitliche Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter anstrebt. Tarifliche Regelungen können die individuellen Regelungsmöglichkeiten auf arbeitsvertraglicher Ebene einschränken.191 3. Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den Arbeitnehmer Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit kennzeichnet das Arbeitsverhältnis, § 611a Abs. 1 Satz 1, 4 BGB, wobei häufig eine wirtschaftliche Abhängigkeit hinzutritt.192 Indem er eine unselbstständige Tätigkeit ausübt, stellt der Arbeit188 Canaris, RdA 1966, 41 (51); Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 403; näher zur (in der Praxis seltenen) Möglichkeit von D&O-Einzelpolicen: Dreher, in: FS Bergmann (2018), S. 145 (147 ff.); ders., in: FS Baums (2017), S. 325 (326 ff.); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 3 Rn. 69 ff. 189 Gamillscheg, AuR 1993, 262 (263); Krause, NZA 2003, 577 (578); Otto, in: Otto/ Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 25; vgl. auch Richardi, NZA 1994, 241 (242). 190 Krause, NZA 2003, 577 (580); vgl. auch Brors, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht, S. 198 f. 191 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 403; Krause, NZA 2003, 577 (578). 192 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 394; zum Begriff der wirtschaftlichen Abhängigkeit und deren Bedeutung für die Frage nach einer Anwendung des Arbeitsrechts: A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 138 ff.

62

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

nehmer seine Leistungsfähigkeit dauerhaft in fremde Dienste und verliert die Möglichkeit, „seine Arbeitskraft und die damit verbundenen eigenen unternehmerischen Chancen am Markt zu verwerten“.193 Dadurch ist er nach Ansicht einiger Stimmen in der Literatur nicht mehr dazu imstande, für sich (und seine Familie) in finanzieller Hinsicht umfassend vorzusorgen.194 Die arbeitsvertragliche Vergütung genüge der Höhe nach nicht für eine umfassende Daseinsvorsorge.195 Diese Beurteilung hängt aber von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom konkreten Gehalt ab. Entscheidend ist vielmehr, dass die Vergütung die Gegenleistung für die Arbeitsleistung ist und den Arbeitnehmer regelmäßig nicht für Risiken entschädigt, die der Arbeitgeber kraft seiner Weisungsbefugnis und seiner Organisationshoheit schafft und gestaltet.196 Die Vergütung ist also nicht generell zu gering, sondern steht regelmäßig in keinem angemessenen Verhältnis zum Haftungsrisiko.197 Im arbeitsteiligen Wirtschaftssystem verzichtet der Arbeitnehmer auf einen eigenen Marktauftritt. Somit kann er nur in eingeschränktem Maße über seine eigene Arbeitskraft disponieren und hat geringere Verdienstchancen. Infolgedessen ist der Arbeitnehmer auf eine fremde Daseinsfürsorge angewiesen.198 Diese Aufgabe trifft das staatliche System der sozialen Sicherung und den Arbeitgeber, der im Gegenzug über die Arbeitskraft seiner Beschäftigten verfügen und dadurch seine unternehmerischen Gewinnchancen erhöhen kann.199 Koller stellt plakativ fest: „der Arbeitgeber hat ein[en] Teil des Entgelts nicht in Geld, sondern in der Befreiung von Risiken zu entrichten, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers bedrohen.“200 Vor diesem Hintergrund kann die Rechtsordnung eine wirtschaftliche Überforderung des Arbeitnehmers durch Schadensersatzforderungen bis hin zu einer potentiellen Existenzgefährdung nicht hinnehmen.201 Der Arbeitnehmer ist sozial schutzbedürftig. 193

Beuthien, RdA 1978, 2 (5). Beuthien, RdA 1978, 2 (5 f.); Heinze, NZA 1986, 545 (549); Lieb, RdA 1977, 210 (215); Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 15. 195 So etwa Lieb, RdA 1977, 210 (215). 196 Vgl. Fischinger, in: Staudinger, § 611a BGB Rn. 1356; Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 25; auch Preis betont die fehlende Äquivalenz von Lohn und Schadensrisiko als einen tragenden Gesichtspunkt für die Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung, Preis, AuR 1986, 360 (364). 197 Bachmann, ZIP 2017, 841 (848). 198 Heinze, NZA 1986, 545 (549, 551); Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austauschund Gemeinschaftsverhältnis, S. 14 ff.; zustimmend: Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht, Rn. 11. 199 Beuthien, RdA 1978, 2 (5); Lieb, RdA 1977, 210 (216); Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 16. 200 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 400 f. 201 Allgemein zur Funktion des Arbeitsschutzrechts: Spinner, in: MüKoBGB, § 611a BGB Rn. 368; vgl. auch Heinze, NZA 1986, 545 (549 ff.), der allerdings eine Differenzierung des Haftungsumfanges zwischen leichtester und mittlerer Fahrlässigkeit und die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit ablehnt. 194

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

63

IV. Rechtsökonomische Aspekte der Haftung Die genannten Aspekte sind wesentlich für die Beurteilung, ob eine Anwendung der generellen zivilrechtlichen Regeln auf die Arbeitnehmerhaftung angemessen ist oder ob es einer Haftungsbeschränkung bedarf. Hinzu treten ökonomische Aspekte, die für sich genommen ein Haftungsprivileg nicht begründen können.202 1. Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit betrieblicher Risiken Der Arbeitgeber kann etwaige Schäden auf breiter Ebene ermitteln und streuen.203 Damit kann er Schäden insgesamt besser einkalkulieren und absorbieren.204 Die durchschnittliche Höhe eines betrieblichen Schadens für den Arbeitgeber ist geringer als der potentielle Schaden, der dem einzelnen Arbeitnehmer bei einer Pflichtverletzung droht.205 Ob der Arbeitgeber möglicherweise finanzstärker ist als ein einzelner Mitarbeiter, ist nicht entscheidend.206 Die Relevanz von Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit von Schäden für die Risikoverteilung anerkennt auch das BAG, nach dem „ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust um so mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen [sei], als dieser einkalkuliert oder durch Versicherung […] deckbar ist.“207 Brose sieht in dieser „Präventionsmacht“ des Arbeitgebers sogar den Grund für die Zurechnung des Betriebsrisikos.208 Die häufig schwächere Verhandlungsposition des Arbeitnehmers führt dazu, dass der Arbeitgeber im Vergleich zu sonstigen Austauschverträgen weniger unter Druck steht, Schadensrisiken oder zumindest deren Folgen zu mindern. Bei einem Verhandlungsgleichgewicht könnten die Beschäftigten höhere Vergütungen verlangen und so die Absicherung von Schadensrisiken in finanzieller Hinsicht auf den Arbeitgeber überwälzen. Das dürfte diesen wiederum dazu veranlassen, Schadensvorkehrungen unter Nutzung positiver Skaleneffekte zu treffen, um die Vergütung wieder zu senken und seine finanziellen Mittel so insgesamt effizienter einsetzen zu können.209 Wenn sich die haftungsrechtlichen Anreize an diejenigen Personen richten, die hierauf am besten reagieren können, werden insgesamt mehr Personen die ein-

202

Kritisch dazu: Brors, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht, S. 196 f.; Hager, in: Staudinger, Vorbemerkung zu §§ 823 ff. BGB Rn. 15 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass eine rein ökonomische Betrachtung teilweise auf nicht hinreichend fundierten Annahmen basiert. 203 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 388 f. 204 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 21. 205 Vgl. Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 37. 206 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 90 f.; 388; siehe aber auch a.a.O., S. 401. 207 BAG, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88, NZA 1990, 97 (99). 208 Brose, RdA 2011, 205 (207). 209 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 405 f.; zustimmend: Krause, NZA 2003, 577 (580).

64

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

zuhaltenden Regeln befolgen.210 Der Unternehmer kann unter Nutzung von Skaleneffekten eine umfassende Versicherung abschließen und hat damit im Schadensfall einen solventen Schuldner. Je nach Beschaffenheit des Unternehmens kann es auch sinnvoll sein, Schadensrisiken nicht extern zu versichern, sondern durch die Bildung von Rückstellungen selbst zu tragen.211 Die Form und der Umfang der betrieblichen Risikovorsorge sind eine unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers. Die Kosten der Risikovorsorge kann er je nach Marktlage (teilweise) auf seine Kunden abwälzen.212 Dagegen ist es angesichts der hohen Transaktionskosten für beide Parteien in wirtschaftlicher Hinsicht nicht sinnvoll, wenn der Arbeitgeber Risikoprämien an die Mitarbeiter zahlt und sich jeder Beschäftigte einzeln versichert, sofern und soweit dies überhaupt möglich ist.213 Die positiven Skaleneffekte dürfen allerdings nicht überbewertet werden. Andernfalls müsste sich der Umfang der Haftungsbeschränkung nach der Größe des Unternehmens richten und bei großen Unternehmen mit vielen gleichgestellten Mitarbeitern und entsprechenden Möglichkeiten der Risikostreuung größer sein als bei Kleinunternehmen.214 Die Höhe des Vermeidungsaufwands darf nicht allein entscheidend sein. § 254 BGB knüpft in erster Linie an die Verursachungsbeiträge an, so dass das Kriterium des „cheapest cost avoider“ nur als sonstiger Umstand in die Abwägung miteinfließen kann.215 Das deutsche Schadensersatzrecht dient primär dem Ausgleich von Schäden und eine Präventionsfunktion bildet nur einen Nebenaspekt, wenn dieser auch zunehmend an Bedeutung gewinnt.216 Ineffizient wäre es, wenn der Arbeitnehmer um jeden Preis kaum vermeidbare oder sogar unvermeidbare Schäden zu umgehen versuchte und so Einbußen in der Produktivität herbeiführte, etwa durch langsameres Arbeitstempo, mehr und längere Pausen oder eine insgesamt verkürzte Arbeitszeit.217 Eine Haftungsbeschränkung bei geringfügigen Pflichtverletzungen ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, um den Mitarbeiter zu einer effizienten Arbeitsweise anzuhalten. Verursacht der Arbeitnehmer dagegen grob fahrlässig Schäden, hätte er diese mit verhältnismäßig geringem Aufwand vermeiden können. Muss er in einer solchen

210

Scheel, Versicherbarkeit und Prävention, S. 95. H.-B. Schäfer/C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 452. 212 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 58; Langenbucher, ZfA 1997, 523 (540); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 21. 213 Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 37; H.-B. Schäfer/C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 452. 214 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 389. 215 Oetker, in: MüKoBGB, § 249 BGB Rn. 13. 216 Brand, in: BeckOGK, § 249 BGB Rn. 41 ff.; zur zunehmenden Bedeutung der Präventionsfunktion auch H.-B. Schäfer/C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 166 m.w.N. 217 Behrens, ZfA 1989, 209 (232). 211

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

65

Konstellation (in der Regel) den Schaden tragen, kann ihn die Schadenszurechnung dazu motivieren, den Vermeidungsaufwand tatsächlich einzusetzen.218 2. Reduktion der Schadensvermeidungskosten Auch die Vermeidung von Schäden bedeutet für den Arbeitgeber Kosten in Form von Präventionsaufwand und geringerer Produktivität.219 Befreit er seine Mitarbeiter von der Haftung für Schäden, welche diese durch leichteste oder normale Fahrlässigkeit verursacht haben, kann das deren Entscheidungsfreude und Arbeitsgeschwindigkeit fördern und so zu einer höheren Produktivität führen. Dieser Gedanke kommt auch in der beamtenrechtlichen Vorschrift des Art. 34 Satz 2 GG zum Ausdruck. Diese Vorschrift beschränkt den Regressanspruch des Dienstherrn auf die Fälle, in denen der Amtswalter bei einer hoheitlichen Tätigkeit seine Amtspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Indem die Regelung das Risiko einer persönlichen Haftung des Bediensteten begrenzt, soll sie insbesondere dessen Entschlusskraft und Entscheidungsfreude stärken220 und verfolgt damit einen vergleichbaren Zweck.221 § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG und § 48 Satz 1 BeamtStG bestimmen eine generelle Ersatzpflicht der Beamten für vorsätzliche und grob fahrlässige Pflichtverletzungen, die auch den Bereich privatrechtlicher Tätigkeit einschließt. § 3 Abs. 7 TVöD und § 3 Abs. 7 TV-L ordnen die entsprechende Anwendung der Vorschriften auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst an. Einige Stimmen lehnen es ab, beamtenrechtliche Regelungen ihrem Zweck nach auf privatrechtliche Arbeitnehmer zu übertragen.222 Nach Brox/Walker soll die partielle Haftungsfreistellung nicht die Entscheidungsfreude des Arbeitnehmers fördern, sondern ihn aus Billigkeitsgesichtspunkten vor der Gefahr eines wirtschaftlichen Ruins schützen.223 Daneben weist auch Peifer auf den Umstand hin, dass private Arbeitgeber – anders als die steuerfinanzierte öffentliche Hand – deutlich mehr auf Gewinnerzielung angewiesen sind und gerade kleinen Unternehmen ein „Haftungsverzicht“ möglicherweise nicht zumutbar sei.224 Dass die Unternehmen wirtschaftlich in so hohem Maße auf die Schadensersatzleistung angewiesen sein sollen, widerlegt aber die praktische Handhabung: Arbeitgeber machen ihre Schadensersatzansprüche vornehmlich nur bei gravierendem Fehlverhalten, einer insgesamt nachlässigen Arbeitsweise oder im Zu-

218

Behrens, ZfA 1989, 209 (233). Behrens, ZfA 1989, 209 (232); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 26. 220 Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 34 GG Rn. 298a. 221 Preis, AuR 1986, 360 (365 f.); vgl. zu diesem (Teil-)Zweck auch Hanau, in: FS Hübner (1984), S. 467 (482). 222 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1475); Eich, NZA 1984, 65 (71). 223 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1475). 224 Peifer, ZfA 1996, 69 (79). 219

66

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

sammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen geltend und verzichten im Übrigen eher auf deren Durchsetzung.225 Die Besonderheiten, die im Beamtenrecht im Vergleich zum Arbeitsrecht gelten, ändern nichts an dem hier in Rede stehenden Grundgedanken: In beiden Fällen soll die partielle Haftungsfreistellung zumindest auch vermeiden, dass die Beschäftigten aus Sorge vor Fehlern und vor der damit an sich verbundenen Haftung einen zu hohen Präventionsaufwand betreiben und ineffizient arbeiten. Beamtenrechtliche Besonderheiten einschließlich der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn wirken sich auf diese ökonomische Überlegung nicht aus.226

V. Überwiegen der Argumente für eine Haftungsbeschränkung gegenüber den haftungsbegründenden Aspekten Für eine unbeschränkte Anwendung des allgemeinen Schadensersatzrechts sprechen auf den ersten Blick dessen Ausgleichsfunktion (1), die Präventionswirkung der Haftung (2) und das Verschuldensprinzip (3). 1. Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts Die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB bestimmen, nach welcher Maßgabe erlittene Einbußen auszugleichen sind. Der Ersatzpflichtige muss denjenigen Zustand herstellen, der bestünde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Geschädigte soll also grundsätzlich vollen Ausgleich erhalten. Die Ausgleichsfunktion als primärer Zweck der Regelungen der §§ 249 ff. BGB227 ist nicht unumstritten. So kritisiert Wagner den Kompensationszweck als inhaltsleer.228 Ähnlich äußert sich Brand, der die Regelungen der §§ 249 ff. BGB aufgrund ihrer dienenden Funktion gegenüber der jeweils haftungsbegründenden Norm als zweckfrei bewertet.229 Bokelmann lehnt den Kompensationszweck für den Bereich der Arbeitnehmerhaftung vollständig ab mit der Begründung, dass die Arbeitnehmerhaftung primär der Prävention diene.230

225 Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 24; dazu auch Preis, AuR 1986, 360 (367); Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, S. 56 ff. 226 Ebenso Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 64. 227 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 17; Ebert, in: Erman BGB, Vorbemerkung vor § 249 BGB Rn. 1; Flume, in: BeckOK BGB, § 249 Rn. 50; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, Vorbemerkungen vor § 249 BGB Rn. 2; Höpfner, in: Staudinger, Vorbemerkungen zu §§ 249–254 BGB Rn. 3; H. Lange/Schiemann, in: Handbuch des Schuldrechts. Schadensersatz, S. 9 f.; Oetker, in: MüKoBGB, § 249 BGB Rn. 8; Rüßmann, in: jurisPK-BGB, § 249 BGB Rn. 15; Spindler, in: BeckOGK, § 823 Rn. 10. 228 Kötz/G. Wagner, Deliktsrecht, 4. Kapitel Rn. 2. 229 Brand, Schadensersatzrecht, § 2 Rn. 23; dagegen für eine Ausgleichsfunktion der §§ 249 ff. BGB: ders., in: BeckOGK, § 249 BGB Rn. 42. 230 Bokelmann, ZRP 1972, 283 (287).

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

67

Indem der Arbeitnehmer bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig und bei leichtester Fahrlässigkeit in der Regel überhaupt nicht haftet, erlangt der Arbeitgeber keinen vollständigen Ausgleich des Schadens, den der Arbeitnehmer verursacht hat. Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze beeinträchtigen die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts. Das Ausgleichsprinzip gilt jedoch nicht absolut. Abweichungen von diesem Grundsatz sind möglich, erfordern aber eine besondere Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung ergibt sich aus den haftungsbeschränkenden Gesichtspunkten (siehe § 3B.II–IV).231 2. Schadensprävention Das BAG hob die Präventionsfunktion der Haftung hervor, indem es in einer Entscheidung aus dem Jahr 1959 hinwies auf die Bedeutung „der Aufrechterhaltung einer allgemeinen schadensfreien Ordnung im Interesse aller, der Abschreckung vor einem „Sich-gehen-lassen“ [und] der Bewahrung der dem Arbeitnehmer anvertrauten – oft wertvollen – Güter des Arbeitgebers vor vermeidbaren Schäden“.232 Neben dem Ausgleich als Hauptzweck dient das Haftungsrecht auch der Schadensprävention, indem es das Verhalten eines potentiellen Schädigers beeinflussen kann. Um Schadensersatzpflichten zu vermeiden, muss dieser ein gewisses Maß an Sorgfalt aufwenden, das möglicherweise über dem Sorgfaltsniveau seines Verhaltens ohne eine drohende Haftung liegt. Durch die sorgfältigere Arbeitsweise verursacht er keine oder zumindest geringere Schäden.233 Dieser Effekt setzt aber voraus, dass der potentielle Schädiger einen Entscheidungsspielraum hat, in welchem sich eine Verhaltenssteuerung der Haftung auswirken kann. Bei fahrlässigem Verhalten ist die mittelbare234 Lenkungswirkung der drohenden Schadensersatzpflicht mangels einer willentlichen Entscheidung überschaubar.235 Gleiches gilt für Situationen, in denen etwa der Zeitdruck eine rationale Abwägung nicht zulässt.236 Im Arbeitsverhältnis ist der individuelle Entscheidungsspielraum zudem dadurch begrenzt, dass der Arbeitnehmer in eine fremde Betriebsorganisation eingebunden und gegenüber seinem Arbeitgeber weisungsgebunden ist.237 Die Existenz von Versicherungsschutz steht einer Präventionswirkung nicht generell entgegen238, zumal ein Schadensereignis auch für einen (Haftpflicht-)Versicherten nicht wirtschaftlich neutral ist.239 231 Vgl. Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 27; näher dazu auch Buchner, RdA 1972, 153 (156 ff.). 232 BAG, Urteil vom 19. März 1959 – 2 AZR 402/55, NJW 1959, 1796 (1797). 233 Armbrüster, NJW 2009, 187 (191). 234 Näher dazu: Brand, in: BeckOGK, § 249 BGB Rn. 47 ff. 235 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 28; Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 44. 236 Kötz/G. Wagner, Deliktsrecht, 4. Kapitel Rn. 22. 237 Däubler, NJW 1986, 867 (870). 238 Armbrüster, NJW 2009, 187 (187); Brand, in: BeckOGK, § 249 BGB Rn. 48. 239 Armbrüster, NJW 2009, 187 (187); zur Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien

68

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

Dass Arbeitgeber in manchen Fällen das Verhalten ihrer Mitarbeiter durch Schadensersatzforderungen beeinflussen möchten, zeigt sich daran, unter welchen Umständen sie diese geltend machen.240 Häufig ist der Anlass ein gravierendes Fehlverhalten des Mitarbeiters, eine insgesamt nachlässige Arbeitsweise oder ein Konflikt im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hier tritt eine gewisser Sanktionscharakter der Inanspruchnahme zutage. In den drittgenannten Fällen wird die drohende Durchsetzung von Ersatzforderungen zum Druckmittel, mit dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu motivieren kann, sich nicht gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wehren, dieses nicht selbst zu beenden oder auf eigene Ansprüche zu verzichten.241 Die Lenkung ergibt sich aber nicht aus der Haftung an sich, sondern nur aus der Frage ihrer Geltendmachung. Über letztere entscheidet der Arbeitgeber im Einzelfall, so dass sie die Frage nach der Rechtfertigung einer Haftungsbeschränkung nicht berührt. 3. Verschuldensprinzip Nach der ursprünglichen Konzeption des deutschen Zivilrechts bildet das Verschulden die Schwelle, ab deren Überschreiten eine Haftung in Betracht kommt.242 Hat jemand schuldhaft einen Schaden verursacht, führt das bloße Überschreiten dieser Grenze aber nicht zwingend zur Haftung des Schädigers. Das Verschulden bildet also eine grundsätzliche Hürde, ab deren Erreichen es denkbar ist, den Schaden vom Geschädigten als Träger des verletzten Rechts(-guts) auf den Schädiger zu verlagern. Diese Schadensverlagerung erfolgt nicht zwingend, sondern nur wenn weitere Voraussetzungen – die Tatbestandsmerkmale eines Schadensersatzanspruchs – erfüllt sind. Das Verschuldensprinzip gilt nicht absolut, sondern lässt Abweichungen zu. So enthält das Recht zahlreiche Tatbestände der Gefährdungshaftung, bei denen der Ersatzverpflichtete die Schwelle zum schuldhaften Verhalten gerade nicht überschritten hat. Vorliegend geht es nicht um die Schadensverlagerung auf den Schädiger, sondern um die Rückverlagerung des Schadens vom Schädiger auf den Geschädigten, d.h. auf den Arbeitgeber. Gegen eine solche Rückverlagerung des Schadens könnte sprechen, dass das konkrete Verschulden des Arbeitnehmers die Mitverantwortlichkeit des Arbeitgebers möglicherweise überwiegt. Richtig ist, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der schadensverursachenden Pflichtverletzung regelmäßig näher am Geschehen ist und dieses daher teilweise eher steuern kann als

infolge eines schuldhaft verursachten Unfalls des Arbeitnehmers als ersatzfähigem Vermögensschaden: BAG, Urteil vom 23. Juni 1981 – 3 AZR 648/79, NJW 1982, 846 (846). 240 Vgl. Bokelmann, ZRP 1972, 283 (289). 241 Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, S. 59; Bokelmann, ZRP 1972, 283 (289); zu beachten ist das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. 242 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 21.

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

69

der Arbeitgeber. Ihm obliegt es, die Arbeitsaufträge mit der angemessenen Sorgfalt zu erfüllen und in Rahmen der Vorgaben des Arbeitgebers eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.243 Auch wenn jedem Beschäftigten früher oder später ein Fehler unterlaufen wird, hängen die Wahrscheinlichkeit und die Schwere eines Fehlverhaltens bzw. eines Schadens von den individuellen Fähigkeiten des Arbeitnehmers ab.244 Nichtsdestotrotz ist für der Schadenseintritt und die Schadenshöhe entscheidend, auf welche Rahmenbedingungen die Pflichtverletzung trifft.245 Deren Gestaltung fällt in die Verantwortungssphäre des Arbeitgebers. Das Verschulden des Mitarbeiters überlagert diesen wesentlichen Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers nicht.

VI. Keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und selbstständigen Dienstverpflichteten? Gegen die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze wenden einzelne Stimmen in der Literatur ein, dass das Haftungsprivileg zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern gegenüber selbstständigen Dienstverpflichteten führe.246 Unterstellt, die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung wäre eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Selbstständigen und dies erforderte ein Eingreifen des Gesetzgebers, hilfsweise der Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG, würde dies allenfalls eine Ausweitung der Haftungsbeschränkung begründen und nicht deren Nichtanwendung auf Arbeitnehmer. Um den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung auszudehnen bzw. § 254 BGB analog auf Dienstverträge anzuwenden, muss neben einer Regelungslücke ein Grund dafür bestehen, das Schadensrisiko dem Auftraggeber zuzurechnen.247 Jedenfalls am Zurechnungsgrund fehlt es in vielen Fällen, so dass die Ungleichbehandlung von selbstständigen Dienstleistern und Arbeitnehmern gerechtfertigt ist. Die Argumente für eine beschränkte Arbeitnehmerhaftung sind grundsätzlich nicht auf Selbstständige übertragbar: Anders als ein Arbeitnehmer ist ein selbst-

243

Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 385. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 387; kritisch zu den Auswirkungen subjektiver Eigenschaften oder Verhaltensweisen des einzelnen Arbeitnehmers im Vergleich zu den objektiven Risikofaktoren einer bestimmten beruflichen Tätigkeit: Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, S. 76 f. 245 Krause, NZA 2003, 577 (579). 246 Vgl. Eich, NZA 1984, 65 (68); kritisch hierzu: Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 31. 247 Waltermann, RdA 2005, 98 (101); zustimmend: Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 65. 244

70

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

ständiger Dienstleister nicht dauerhaft in vom Auftraggeber vorgegebene Arbeitsprozesse eingegliedert und damit nicht dem „latenten Schadensrisiko“ ausgesetzt, das einer fremdbestimmten Betriebsorganisation innewohnt.248 Der Auftraggeber prägt daher nicht in vergleichbarer Weise das Schadensrisiko für den Selbstständigen.249 Ähnlich argumentierte der BGH bei der Frage, ob die Haftungsbeschränkung auf ein ehrenamtlich tätiges Vereinsmitglied Anwendung finde: In vergleichbarer Weise wie bei einem Arbeitsverhältnis bestehe „eine auf Dauer angelegte Verbundenheit zwischen Verein und Vereinsmitglied, das ständig in die Vereinsorganisation eingegliedert und den für seine Tätigkeit aufgestellten Richtlinien und Verhaltensregeln unterworfen ist“. Dieser Umstand unterscheide die Tätigkeit des ehrenamtlichen Vereinsmitglieds von der Dienstleistung eines Selbstständigen und rechtfertige angesichts der unentgeltlichen und gefahrgeneigten Tätigkeit eine Übertragung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs.250 Zudem unterscheidet sich ein Arbeitnehmer insofern von einem Selbstständigen, als er wegen seiner Weisungsgebundenheit die Gefahrneigung seiner Tätigkeit und damit sein Haftungsrisiko nicht selbstbestimmt steuern kann.251 Auch soweit ein Arbeitnehmer über eigene Gestaltungsspielräume verfügt, hat der Arbeitgeber stets das Recht, ihm Weisungen zu erteilen, während ein Besteller gegenüber einem selbstständigen Dienstverpflichteten oder einem Werkunternehmer deutlich eingeschränktere Eingriffsmöglichkeiten hat.252 Mangels eines vergleichbaren Direktionsrechts gegenüber einem selbstständigen Dienstleister kann ein Auftraggeber drohende Risiken in geringerem Maße abwenden als dies einem weisungsbefugten Arbeitgeber in Bezug auf betriebliche Risiken möglich ist.253 Zusätzlich stellte der BGH in einer früheren Entscheidung auf die fehlende „personale Prägung der Beziehungen und der Betriebsverbundenheit“ im Falle einer selbstständigen Tätigkeit ab.254 Dieses Argument ist im Zusammenhang mit der damaligen Begründung der Haftungsbeschränkung anhand der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu sehen.255 Wer eine unselbstständige Tätigkeit aufnimmt, verzichtet bewusst darauf, seine eigenen unternehmerischen Chancen am Markt zu verwerten. Dagegen tritt ein selbstständiger Dienstleister willentlich in den Wettbewerb mit anderen Anbietern und wirtschaftet mit seinen unternehmerischen Fähigkeiten und finan248

Waltermann, RdA 2005, 98 (101). Waltermann, RdA 2005, 98 (101). 250 BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 252/82, NJW 1984, 789 (790). 251 Vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35); Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 212; differenzierend: Latzel, in: Staudinger, § 611 BGB Rn. 296 f. 252 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 414 f. 253 BGH, Urteil vom 1. Februar 1963 – VI ZR 271/61, NJW 1963, 1100 (1103). 254 BGH, Urteil vom 1. Februar 1963 – VI ZR 271/61, NJW 1963, 1100 (1102 f.). 255 Vgl. Isele, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 1. Februar 1963 – VI ZR 271/61, NJW 1963, 1100 (1103). 249

B. Rechtfertigung des Haftungsprivilegs

71

ziellen Ressourcen. Fehlt es ihm hieran, muss er die Konsequenzen tragen, die sich hieraus ergeben.256 Eine Differenzierung zwischen haupt- und nebenberuflicher selbstständiger Tätigkeit überzeugt daher nicht.257 Er ist selbst für seine Daseinsvorsorge verantwortlich. Es steht ihm auf der anderen Seite frei darüber zu entscheiden, wie er im Einzelnen seine vertraglich übernommenen Pflichten erfüllt,258 und er kann Risiken auf andere Weise eingrenzen als ein Arbeitnehmer. Zum Beispiel hat ein Selbstständiger weitergehende Versicherungsmöglichkeiten oder kann die finanziellen Risiken im Wege einer GmbH-Gründung begrenzen.259 Im Falle spezialisierter Dienstleister ist zudem zu berücksichtigten, dass der Unternehmer dem Dienstleister gerade deswegen bestimmte Tätigkeiten überträgt, weil dieser die damit verbundenen Schwierigkeiten und Risiken kraft seines Berufes beherrscht. Dies gilt beispielsweise für Rechtsanwälte, Architekten oder Steuerberater. Konsequenterweise können sich diese Personen, bei denen der Dienstvertrag die Übernahme gewisser berufstypischer Risiken gerade beinhaltet, konsequenterweise nicht auf eine Haftungserleichterung berufen.260 Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn eine Person zwar formell selbstständig tätig ist, die Ausübung ihrer Tätigkeit aber nicht frei bestimmt, sondern in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und von diesem wirtschaftlich abhängig ist.261 Je stärker die Person in den Betrieb eingegliedert ist und der Auftraggeber deren Tätigkeit beaufsichtigt oder organisiert, desto eher ist der Auftraggeber in der Lage, Schäden zu vermeiden, und desto stärker verlagert sich auch das Schadensrisiko auf ihn.262 Für solche arbeitnehmerähnlichen Personen gelten dieselben Erwägungen wie für Arbeitnehmer, so dass ein Zurechnungsgrund vorliegt und eine Beschränkung der Haftung analog § 254 BGB rechtfertigt. Sudhof weist allerdings darauf hin, dass Eingliederung in den Betrieb und Weisungsgebundenheit in der Regel miteinander einhergehen und zur Annahme

256 257

Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 417. So aber beispielsweise Canaris, RdA 1966, 41 (48); Neumann-Duesberg, JZ 1964, 433

(440). 258

BGH, Urteil vom 1. Februar 1963 – VI ZR 271/61, NJW 1963, 1100 (1102). Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 3 Rn. 31. 260 Canaris, RdA 1966, 41 (48); Däubler, NJW 1986, 867 (874); vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 252/82, NJW 1984, 789 (790). 261 LAG Hessen, Urteil vom 2. April 2013 – 13 Sa 857/12, BeckRS 2013, 70404; LAG Berlin, Urteil vom 11. April 2003 – 6 Sa 2262/02, BeckRS 2003, 40716 Rn. 24; zustimmend Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 18; Latzel, in: Staudinger, § 611 BGB Rn. 296 f., 299; vgl. auch Däubler, NJW 1986, 867 (874); generell für eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten arbeitnehmerähnlicher Personen: Joussen, RdA 2006, 129 (136 f.); Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 417 f.; a.A.: Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 69; Preis, in: ErfK, § 619a BGB Rn. 19; Sudhof, Anmerkung zu LAG Hessen, Urteil vom 2. April 2013 – 13 Sa 857/12; BB 2013, 1726 (1728). 262 Vgl. H.-B. Schäfer/C. Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 452. 259

72

§ 3 Arbeitnehmerprivileg

der Arbeitnehmereigenschaft führen.263 Schubert befürwortet zwar ebenfalls eine Haftungsbeschränkung für arbeitnehmerähnliche Personen, stützt diese aber auf § 276 Abs. 1 BGB und erblickt die maßgebliche Begründung im fehlenden Ausgleich unternehmerischer Chancen und Risiken.264

VII. Zwischenergebnis Die haftungserhaltenden Argumente überzeugen nicht. Bei einer Gegenüberstellung haftungsbegründender bzw. -erhaltender und haftungsbeschränkender Aspekte überwiegen letztere deutlich und zeigen, dass die allgemeine zivilrechtliche Haftung in Bezug auf arbeitsrechtliche Besonderheiten eine planwidrige Regelungslücke enthält. Ausschlaggebend für das Haftungsprivileg ist vor allem der Umstand, dass der Arbeitnehmer seine geschuldete Leistung in einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Rahmen erbringt und nicht frei über Art und Weise seiner Leistungserbringung bestimmen kann. Die verschiedenen Teilaspekte der persönlichen Abhängigkeit rechtfertigen es, die Schadensfolgen einer betrieblichen Tätigkeit (teilweise) dem Arbeitgeber aufzuerlegen, obwohl der Arbeitnehmer den Schaden verursacht hat. Die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit und die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers rechtfertigen die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze, wobei rechtsökonomische Aspekte unterstützend hinzutreten.

263 Sudhof, Anmerkung zu LAG Hessen, Urteil vom 2. April 2013 – 13 Sa 857/12, BB 2013, 1726 (1728). 264 Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, S. 416 ff.; zur Anwendung der Haftungsbeschränkung auf beschäftigtenähnlich tätige Personen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII und dem damit verbundenen Ausschluss von Ansprüchen eines an sich nicht versicherten, geschädigten Unternehmers auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VII: BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 39/02 R, NJW 2004, 966 (966 f.); allgemein zum Verhältnis der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung: Brose, RdA 2011, 205.

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg Ob die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auch zu Gunsten leitender Angestellter Anwendung finden, ist bislang nicht endgültig geklärt (dazu A). Im Rahmen ihrer Tätigkeit treffen leitende Angestellte unternehmerische Entscheidungen, so dass sich die Frage stellt, ob für sie auch der unternehmerische Haftungsfreiraum greift, der für Organmitglieder gilt (B). Das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsinstituten gilt es zu klären (C), ebenso wie die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (D).

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte Mit dem Umstand, dass leitende Angestellte nach jedwedem Begriffsverständnis unternehmerische Teilaufgaben wahrnehmen, begründen einige Stimmen in der Literatur ihre Ansicht, nach welcher die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf diese Personengruppe keine Anwendung finden. Nach einem Überblick über die höchstrichterliche Rechtsprechung (I) und den Meinungsstand in der Literatur (II) ist zu untersuchen, ob das Arbeitnehmerprivileg auch für leitende Angestellte gilt. Hierfür sind die Überlegungen maßgeblich, inwiefern sich diese Mitarbeitergruppe von anderen Arbeitnehmern unterscheidet und ob diese Besonderheiten im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze hinreichende Berücksichtigung finden (III).

I. Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Der BGH lehnte eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf leitende Angestellte ursprünglich ab.1 Das Haftungsprivileg resultiere aus der 1

BGH, Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35) – Justitiar; Urteil vom 25. Februar 1969 – VI ZR 225/67, VersR 1969, 474 – Leiter der Kreditabteilung und Prokurist der klagenden Bank. In beiden Fällen prüfte das Gericht einen Amtshaftungsanspruch gegen einen Notar. Diese Haftung erfordert bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung, dass der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann, § 21 RNotO bzw. § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO, jeweils i.V.m. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine solche Möglichkeit bot

74

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Spiegelbildlich zu seinem Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern müsse der Arbeitgeber selbst das Schadensrisiko tragen, das mit der Anordnung gefahrgeneigter Arbeit einhergehe. Leitende Angestellte könnten dagegen selbst über ihre Tätigkeit bestimmen, so dass eine Haftungsbeschränkung mangels einer entsprechenden Befugnis des Arbeitgebers ausscheide.2 Anknüpfungspunkt für die Haftungserleichterung war demnach der Umstand, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen weisungsgebundenen Arbeitnehmern Aufgaben in Form von gefahrgeneigten Tätigkeiten anordnen kann. Dieses Kriterium der gefahrgeneigten Arbeit als Voraussetzung des Haftungsprivilegs hat der Große Senat des BAG mit Beschluss vom 27. September 19943 aufgegeben. Dieser Ansicht hatte sich der sechste Zivilsenat des BGH auf Anfrage des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Ergebnis angeschlossen.4 In der Folge bejahte der BGH grundsätzlich eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf leitende Angestellte.5 Das BAG stand der ursprünglichen restriktiven Anwendung durch den BGH kritisch gegenüber. Zumindest bei Tätigkeiten, die nicht charakteristisch für einen leitenden Angestellten sind, hielt es die Haftungserleichterung für anwendbar.6 Seit Aufgabe des Kriteriums der gefahrgeneigten Arbeit hat sich das BAG nicht grundlegend zu der Frage geäußert. Die Entscheidung vom 25. Oktober 20077 betraf eine Sonderkonstellation und beantwortet nicht die Frage nach der generellen Anwendbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte. Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Oberarzt unter anderem Schmerzensgeldansprüche gegen seine Arbeitgeberin geltend gemacht wegen schuldhafter Verursachung einer Gesundheitsschädigung durch seinen Vorgesetzten in Form von Mobbing. Das BAG lehnte eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze zu Gunsten des Chefarztes ab. Dies war jedoch nicht dessen Stellung geschuldet; mit einer möglichen Qualifizierung als leitender Angestellter beschäftigten sich weder das BAG noch die Vorinstanz8. Ob ein Chefarzt als leitender Angestellter

jeweils der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihren Justitiar bzw. gegen den Leiter ihrer Kreditabteilung mit Prokura. 2 BGH, Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35). 3 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083. 4 BGH, Beschluss vom 21. September 1993 – GmS-OBG 1/93, NZA 1994, 270; auf diesen Beschluss hin stellte der Vorsitzende des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes am 16. Dezember 1993 das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ein (§ 14 Satz 1 RsprEinhG). 5 BGH, Urteil vom 25. Juni 2001 – II ZR 38/99, NJW 2001, 3123 (3124) – Prokuristin; in diesem Fall hatte der Konkursverwalter die Prokuristin der betroffenen Gesellschaft als faktische Geschäftsführerin in Anspruch genommen. 6 BAG, Urteil vom 11. November 1976 – 3 AZR 266/75, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 80 (4.b der Entscheidungsgründe) – Bauleiter. 7 BAG, 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223. 8 LAG Hamm, Urteil vom 6. März 2006 – 16 Sa 76/05, BeckRS 2008, 50471; das LAG hat

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

75

einzuordnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.9 Entscheidend war vielmehr der Umstand, dass die Haftungsbeschränkung wegen einer Zurechnung des Verhaltens des Chefarztes über § 278 BGB der beklagten Arbeitgeberin selbst zugutegekommen wäre.10 Eine solche „Selbstprivilegierung“ widerspräche dem Grundgedanken der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, welche gerade den Arbeitnehmer schützt und dem Arbeitgeber das Betriebsrisiko anspruchsmindernd zurechnet.

II. Meinungsstand in der Literatur In der Literatur besteht ein breit gefächertes Meinungsspektrum, das von der vollständigen Ablehnung eines Haftungsprivilegs für leitende Angestellte über verschiedene Differenzierungen nach der jeweils ausgeübten Tätigkeit bis zur Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze reicht. 1. Keine Anwendung des Haftungsprivilegs auf leitende Angestellte Vereinzelte Stimmen lehnen eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung auf leitende Angestellte generell ab.11 Die Rechtfertigung, auf welche sich die Arbeitnehmerprivileg stütze, greife bei leitenden Angestellten nicht. In ihrem Aufgabenbereich bestimmten sie die Arbeitsbedingungen und die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen.12 Sein Direktionsrecht gebrauche der Arbeitgeber diesen Mitarbeitern gegenüber nicht. Ihre Vergütung sei deutlich höher bemessen als der Lohn für andere Arbeitnehmer und kompensiere das Haftungsrisiko.13 2. Berücksichtigung der Stellung als leitender Angestellter im Rahmen der Abwägung Die entgegengesetzte Ansicht bejaht eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs und berücksichtigt die Sonderstellung der leitenden Angestellten im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze.14 lediglich im Zusammenhang mit der Ausübung des fachlichen Weisungsrechts des Chefarztes gegenüber dem Oberarzt hingewiesen auf die herausragende Stellung leitender Krankenhausärzte innerhalb der Organisation des ärztlichen Dienstes im Krankenhaus, ohne auf eine Einordnung als leitender Angestellter einzugehen. 9 Vgl. BAG, Beschluss vom 5. Mai 2010 – 7 ABR 97/08, NZA 2010, 955 (956 ff.); Diringer, NZA 2003, 890 (890 ff.). 10 BAG, 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223 (228). 11 Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 230 ff.; Monjau, DB 1969, 84 (86); jedenfalls für Compliance-Verstöße: Eufinger, CCZ 2017, 130 (136). 12 BGH, Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35); Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 230. 13 Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 230. 14 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1476); Fischinger, in: Staudinger, § 611a BGB Rn. 229,

76

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

3. Unterschiedlicher Haftungsmaßstab je nach ausgeübter Funktion Der überwiegende Teil des Schrifttums bewegt sich zwischen diesen beiden Positionen und differenziert nach teils nur graduell voneinander abweichenden Kriterien. So stellen einige Literaturvertreter auf die Funktion des leitenden Angestellten ab, in deren Rahmen er die Pflichtverletzung begeht:15 Verwirkliche sich in der konkreten Tätigkeit das allgemeine Betriebsrisiko, das alle Mitarbeiter gleichermaßen betreffe und nicht aus einer unternehmerischen Verantwortung resultiere, finde das Haftungsprivileg Anwendung. Sei die konkrete Handlung dagegen einer unternehmerischen Funktion zuzuordnen bzw. betreffe sie einen spezifischen, dem leitenden Angestellten übertragenen Verantwortungsbereich, bestehe kein Raum für das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg.16 Innerhalb der spezifischen Tätigkeiten leitender Angestellter erfolgt teilweise eine zusätzliche Unterscheidung nach den jeweiligen Aufgaben.17 Andere Autoren befürworten eine Abstufung des Haftungsumfangs je nach Position und Vergütung.18 Kelber stellt missverständlicherweise einerseits auf den übertragenen Aufgabenbereich und andererseits „ausschließlich“ darauf ab, ob der leitende Angestellte in Bezug auf das schadensverursachende Verhalten frei entscheiden konnte oder weisungsgebunden handelte.19 Diese beiden Differenzierungskriterien führen häufig, aber nicht zwingend zum selben Ergebnis. So ist auch denkbar, dass ein leitender Angestellter außerhalb seiner spezifischen Führungsaufgaben weisungsfrei handelt (beispielsweise im Straßenverkehr bei einer betrieblich veranlassten Fahrt) oder innerhalb seines Verantwortungsbereichs Weisungen umsetzen muss.

§ 619a BGB Rn. 67; ders., Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 570 ff.; Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (284 ff.); Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 17; Joussen, RdA 2006, 129 (132 f.); Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 409 f.; Krause, NZA 2003, 577 (581 f.); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Rn. 1; Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 30; Trümner/Kocher, in: Blanke, Handbuch Außertarifliche Angestellte, Rn. 349; Waltermann, RdA 2005, 98 (100). 15 Vgl. Bieder, DB 2008, 638 (639); Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 223 ff.; Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (592); Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 116 ff., 124; Pallasch, RdA 2013, 338 (348 f.). 16 Bieder, DB 2008, 638 (639); Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (592); Groß, Chief Compliance Officer, S. 223 f.; Peifer, ZfA 1996, 69 (77), fordert zwar ebenfalls, zwischen allgemeinem Betriebsrisiko und besonderen Risiken zu unterscheiden, lässt aber offen, ob dies eine Nichtanwendung der Haftungsbeschränkung oder nur eine entsprechende Gewichtung im Rahmen der einzelfallbezogenen Abwägung bedeutet. 17 Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 113 ff.; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 552 ff. 18 Melot de Beauregard/Baur, DB 2016, 1754 (1756). 19 Kelber, in: Hansen/Kelber/Zeißig u.a., Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, Rn. 394; insoweit identisch: Pander, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Rn. B.621.

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

77

Für eine Differenzierung nach dem Aufgabenbereich spricht, dass die Übernahme unternehmerischer Aufgaben durch den leitenden Angestellten gerade dazu dient, die Unternehmensführung zu entlasten und spezielle Schwierigkeiten und Risiken einer versierten Person zu übertragen. Eine Haftungsbeschränkung erscheint bei einer bewussten Risikoübernahme nicht geboten.20 Andererseits erweckt der Umstand Zweifel, dass ein Unternehmer auf diese Weise durch die bloße Delegation von Aufgaben sein unternehmerisches Risiko auf den Arbeitnehmer abwälzen könnte, obwohl dieser gerade keine Erfolgsgarantie für die Ergebnisse seiner Arbeitsleistung übernimmt.21 Unterscheidet sich der Haftungsmaßstab je nach Funktion des leitenden Angestellten, führt dies mangels einer stets eindeutigen Zuordnung einzelner Tätigkeiten zu einer Funktion zu Abgrenzungsschwierigkeiten und widerspricht der bewussten Aufgabe des Kriteriums der schadensgeneigten Tätigkeit22 als Voraussetzung der Haftungsbeschränkung. Die Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze soll gerade nicht mehr davon abhängen, inwieweit eine bestimmte Tätigkeit risikogeneigt ist.23 Eine Differenzierung nach der jeweiligen Aufgabe bedeutet, hinsichtlich der leitenden Angestellten das überkommene Kriterium der schadensgeneigten Tätigkeit gleichsam „durch die Hintertür“ wieder einzuführen. Die tätigkeitsabhängige (Nicht-)Anwendung der Haftungsbeschränkung führt zu nicht sachgerechten, teils unstimmigen Ergebnissen, die von Zufälligkeiten abhängen und erhebliche Rechtsunsicherheit hervorrufen.24 Zwar gelten auch für Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft, die zugleich als Arbeitnehmervertreter Mitglieder des Aufsichtsrats sind, je nach Tätigkeit unterschiedliche Haftungsmaßstäbe. Hier sind die Aufgabenbereiche der beiden unterschiedlichen Ämter aber eindeutig zu trennen – anders als beim fließenden Übergang von Aufgaben, die ein leitender Angestellter in seiner einheitlichen Position als leitender Angestellter und Arbeitnehmer zu erledigen hat. Diejenigen Gesichtspunkte, welche für bzw. gegen die Gefahrneigung einer konkreten Tätigkeit sprechen, finden in angemessener Weise Berücksichtigung bei der Verschuldensprüfung oder im Rahmen der Gesamtabwägung analog § 254 BGB.25 Eine tätigkeitsabhängige Differenzierung der Haftung ist wegen der genannten Kritikpunkte abzulehnen.

20

Vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 252/82, NJW 1984, 789 (790); Canaris, RdA 1966, 41 (48); Däubler, NJW 1986, 867 (874). 21 Vgl. Fabian/Mengel, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer, § 7 Rn. 14. 22 Vgl. BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1084). 23 Wilhelmi, NZG 2017, 681 (687). 24 Vgl. Blomeyer, JuS 1993, 903 (904); Mayer-Maly, in: FS Hilger/Stumpf (1983), S. 467 (470 f.); Schlachter, in: FS OLG Jena (1994), S. 253 (262); kritisch auch Krause, NZA 2003, 577 (581). 25 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1473).

78

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

III. Eigene Stellungnahme Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer. Arbeitnehmer haften grundsätzlich nach Maßgabe der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze. Damit die Haftung leitender Angestellter hiervon abweicht, müssen Unterschiede zwischen ihnen und anderen Arbeitnehmern bestehen, die ihre Herausnahme aus dem generellen Haftungssystem für Arbeitnehmer erfordern bzw. rechtfertigen.26 Ob solche Unterschiede bestehen, beurteilt sich anhand derjenigen Aspekte, die eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung begründen. Es ist daher zu analysieren, ob leitende Angestellte fremdbestimmt tätig (1) und schutzbedürftig (2) sind und inwieweit sie sich gegebenenfalls diesbezüglich von anderen Arbeitnehmern unterscheiden. Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob das Haftungsprivileg auf leitende Angestellte Anwendung findet (3). 1. Fremdbestimmtheit des leitenden Angestellten Entscheidendes Argument für die Haftungsbeschränkung zu Gunsten von Arbeitnehmern ist deren Fremdbestimmung. Maßgeblich sind die Risikoveranlassung und -beherrschung des Arbeitgebers, die fehlende Ausweichmöglichkeit des Arbeitnehmers und der fehlende Gleichlauf von Risiko und Vorteil aus Sicht des Arbeitnehmers (siehe § 3B.II). Für die Frage nach der Haftung leitender Angestellter kommt es darauf an, inwieweit die genannten Gesichtspunkte auf diese Beschäftigten zutreffen. Das betriebliche Geschehen als Gefahrenquelle beruht auf der unternehmerischen Initiative des Arbeitgebers. Dieser bestimmt den arbeitstechnischen Zweck und erhält den Betrieb aufrecht. Verwirklicht sich bei einer hiermit zusammenhängenden Tätigkeit ein betriebliches Risiko, so hat es für die Schadensentstehung selbst zunächst keine Bedeutung, ob die schadensverursachende Person ein leitender Angestellter oder ein sonstiger Arbeitnehmer ist. Ein leitender Angestellter ist in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert27, auch wenn er auf deren Ausgestaltung eher Einfluss hat als andere Arbeitnehmer und weitgehend frei bestimmen kann, wie er seine Tätigkeit ausübt. Letzteres gilt zumindest für diejenigen Aufgaben, die seine Stellung als leitender Angestellter begründen. Obgleich der Arbeitgeber häufig auf die Ausübung seines Weisungsrechts verzichtet, beeinträchtigt dieser Umstand nicht seine rechtliche Befugnis, auch einem leitenden Angestellten Weisungen zu erteilen, welche dieser umsetzen muss. Die Haftungsrisiken prägt der Arbeitgeber auch für einen leitenden Angestellten, wenn auch in geringerem Maße als bei anderen Arbeitneh-

26

Zur Herausnahme leitender Angestellter aus der sozialen Schutzgesetzgebung als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme: Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 206 f. 27 Waltermann, RdA 2005, 98 (100).

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

79

mern. Es bleibt daher dabei, dass die Betriebsgefahr und die Betriebsrisiken dem Arbeitgeber zuzuordnen sind.28 Neben der Risikoveranlassung und Risikobeherrschung durch den Arbeitgeber sowie der fehlenden Ausweichmöglichkeit des Arbeitnehmers stützt sich die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch auf den Gleichlauf von Risiko und Nutzen. Zu Ungunsten des leitenden Angestellten könnte hier ins Gewicht fallen, dass er etwa durch Gewinnbeteiligungen oder Aktienoptionen eher an unternehmerischen Erfolgen partizipiert als andere Arbeitnehmer. Diese Teilhabe hängt aber wiederum von den Verhältnissen des Einzelfalls ab. Ein leitender Angestellter tritt nicht selbst am Markt auf, sondern gehört zur Wirtschaftseinheit des Arbeitgebers. Im Außenverhältnis treffen Chancen und Risiken einer Marktteilnahme allein den Arbeitgeber-Unternehmer.29 Etwaige Gewinnbeteiligungen kommen einem leitenden Angestellten nur mittelbar bzw. im Innenverhältnis zugute und beruhen auf einer (zumindest auch) fremdnützigen Tätigkeit. Zudem stehen die Gewinnchancen eines leitenden Angestellten – sofern überhaupt vorhanden – regelmäßig in keinem angemessenen Verhältnis zu den Haftungsrisiken.30 Trotz des Einflusses eines leitenden Angestellten auf die Unternehmensentwicklung kommen die Vorteile des unternehmerischen Tätigwerdens und des betrieblichen Geschehens primär dem Arbeitgeber zugute. Spiegelbildlich treffen ihn auch die Risiken, die sich aus der unternehmerischen Tätigkeit ergeben. 2. Schutzbedürftigkeit des leitenden Angestellten a) Bedeutung einer höheren Vergütung für die Schutzbedürftigkeit Ein leitender Angestellter erhält gewöhnlich eine höhere Vergütung als ein einfacher Arbeitnehmer. Die Untersuchung, ob das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg auch auf leitende Angestellte Anwendung findet, wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls wie eine höhere Vergütung die Schutzbedürftigkeit eines leitenden Angestellten beeinflusst. aa) Abgeltung von Haftungsrisiken Es ist zweifelhaft, ob die verhältnismäßig hohe Vergütung auch dazu dient, etwaige Risiken abzugelten, und nicht einfach nur die Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung ist. In vielen Fällen dürfte sich die höhere Vergütung darauf zurückführen lassen, dass leitende Angestellte im Vergleich zu anderen

28

Fabian/Mengel, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer, § 7 Rn. 14. Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (301); Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 67, 73, 128 f. 30 Fabian/Mengel, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer, § 7 Rn. 14; Monjau, DB 1969, 84 (85, 87). 29

80

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Arbeitnehmern anspruchsvollere Aufgaben wahrnehmen31 und in den Gehaltsverhandlungen eine stärkere Position haben. Ob die Vergütung auch gewisse Haftungsrisiken abgelten soll, beurteilt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und lässt sich nicht pauschal beantworten.32 Sie dürfte selten in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der Ersatzansprüche stehen, die dem leitenden Angestellten wegen seiner Beteiligung an weitreichenden Entscheidungen drohen.33 Vor diesem Hintergrund dient die Vergütung eines leitenden Angestellten in der Regel nicht dazu, Haftungsrisiken abzugelten, wobei diese Beurteilung vom Einzelfall abhängt. bb) Systematische Herausforderungen bei Herausnahme von Besserverdienern Möglicherweise beeinflusst eine relativ hohe Vergütung die Schutzwürdigkeit des betreffenden Arbeitnehmers. In der Literatur finden sich immer wieder Überlegungen, den arbeitsrechtlichen Schutz, insbesondere den Kündigungsschutz, für Spitzenverdiener oder „unternehmerähnliche“ Personen zu beschränken oder zumindest für dispositiv zu erklären.34 Eine Versagung arbeitsrechtlichen Schutzes ab einer gewissen Verdiensthöhe wirft allerdings mehrere Probleme auf. In Bezug auf eine pauschale Herausnahme von Spitzenverdienern aus dem Anwendungsbereich des Arbeitsrechts warnt Bayreuther vor einem drohenden „Systembruch“ wegen einer inkonsequenten Anwendung der Kriterien der Arbeitneh-

31 Vgl. Boergen, MDR 1971, 178 (181); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 553; in Bezug auf Chefärzte: Reichold, in: Weth/ Thomae/Reichold, Arbeitsrecht im Krankenhaus, A. Chefarzt Rn. 55. 32 In diese Richtung auch Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 619 a BGB Rn. 20. 33 Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1476); Entzeroth, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, S. 223; Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 114 f.; Pander, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil B Rn. 623; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 554; dazu auch Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (299 f.) unter Nennung von Beispielen aus der Rechtsprechung zum Umfang der Ersatzforderungen. 34 Bauer/von Medem, NZA 2013, 1233 (1236 f.); A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 403, 445, der mit Blick auf die Einführung von § 611a Abs. 1 BGB fordert, dass der Gesetzgeber Spitzenverdiener teilweise vom Anwendungsbereich des Arbeitsrechts ausschließen solle; zu einem partiellen Ausschluss in Bezug auf entgeltbezogene Vorschriften: Henssler, NZA-Beilage 2014, 95 (100); differenzierend zwischen Existenzschutz und Berufsschutz auch Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 138 ff.; kritisch dagegen: Bayreuther, NZA 2013, 1238 (1240 ff.); Bepler, in: Fütterer/Pötters/Stiebert u.a., Arbeitsrecht – für wen und wofür? (2015), S. 10 (19 ff.); Böglmüller, Persönlichkeitsrechte im Sportarbeitsverhältnis, S. 118 f.; 298 f.; Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 206; für die Abdingbarkeit bestimmter Regelungen zum Arbeitnehmerschutz: § 148 Abs. 2 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG), Henssler/Preis, NZA-Beilage 2007, 6 (32); grundsätzlich zustimmend: Hromadka, NZA 2007, 838 (840).

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

81

mereigenschaft.35 Diese erfordert eine persönliche, nicht aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Weiterhin ist beispielsweise unklar, ab welcher Entgelthöhe eine solche höhere Vergütung vorliegt und damit die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers entfallen soll.36 Wie Böglmüller zutreffend feststellt, ist die Beurteilung dieser Grenze subjektiv geprägt.37 Im Zusammenhang mit der objektiven Vergütungserwartung in Bezug auf Überstunden hat sich das BAG an der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung orientiert, um festzulegen, wann eine „deutlich herausgehobene Vergütung“ vorliegt.38 Diese Bewertung galt der Frage nach einer zusätzlichen Vergütung von Überstunden, also nach Einkommenszuwächsen, die über die Grundvergütung hinausgehen. Haftungsrisiken betreffen dagegen Verlustgefahren und haben eine enorme Tragweite für den Arbeitnehmer als potentiellen Schädiger. Aus diesem Grund müssen sie für ihn erkennbar sein. Der Arbeitgeber trägt das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko und darf dieses prinzipiell nicht auf den Arbeitnehmer überwälzen.39 Daher ist beispielsweise eine arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung unwirksam nach § 138 Abs. 1 BGB, wenn sie eine Verlustbeteiligung des Arbeitnehmers ohne entsprechende Gegenleistung bzw. Gewinnchance regelt.40 Haftungsverschärfungen erfordern eine ausdrückliche Vereinbarung, eine nur konkludente Einigung genügt nicht (ausführlich dazu: § 5B). Dementsprechend kann von der Höhe der Vergütung nicht darauf geschlossen werden, dass sie ab einer gewissen Grenze pauschal die Haftungsrisiken abgilt und im Ergebnis eine Haftungsverschärfung begründet. Die Orientierung an der Beitragsbemessungsgrenze ist wegen der unterschiedlichen Bezugspunkte nicht übertragbar. Ob ein leitender Angestellter die maßgebliche Verdienstgrenze überschreitet, hängt zudem ab von den Umständen des Einzelfalls, etwa von den Gehaltsstrukturen des jeweiligen Unternehmens oder von der Branche. Erbringt ein Mitar-

35 Bayreuther, NZA 2013, 1238 (1240); in diese Richtung auch Henssler, NZA-Beilage 2014, 95 (99). 36 Vgl. A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 158; vgl. auch Bauer/von Medem, NZA 2013, 1233 (1236), die sich dafür aussprechen, ab einer gewissen Verdienstgrenze eine unwiderlegbare Vermutung der Eigenschaft als leitender Angestellter (im Sinne des KSchG) festzusetzen. 37 Böglmüller, Persönlichkeitsrechte im Sportarbeitsverhältnis, S. 118. 38 BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 (862 f.). 39 Krause, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 64 Rn. 42; differenzierend zur Zulässigkeit von Zielvereinbarungen, insbesondere im Hinblick auf das Leitbild der arbeitsrechtlichen Risikoverteilung und die Möglichkeit einer eng begrenzten Marktteilnahme des Arbeitnehmers: Brors, RdA 2004, 273 (279 f.). 40 BAG, Urteil vom 10. Oktober 1990 – 5 AZR 404/89, NZA 1991, 264 (265); Urteil vom 21. März 1984 – 5 AZR 462/82, BeckRS 1984, 04545; zur Unwirksamkeit einer Malusklausel im Formulararbeitsvertrag: LAG Hamm, Urteil vom 25. November 2020 – 17 Sa 1185/10, BeckRS 2011, 86560 (Urteil laut juris verworfen durch Beschluss des BAG vom 15. März 2011 – 10 AZN 91/11).

82

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

beiter sehr gute Leistungen und erhält dafür einen Bonus, kann dies dazu führen, dass die Vergütung einschließlich des Bonus’ eine bestimmte Verdienstschwelle überschreitet und der Arbeitnehmer daher nicht mehr als schutzbedürftig anzusehen wäre. Es irritiert, wenn eine gute Arbeitsleistung bei gleichbleibenden Aufgaben und unveränderter Rechtsgrundlage in Form eines Arbeitsvertrags einerseits zu einer (aus Arbeitnehmersicht grundsätzlich erfreulichen) Bonuszahlung und andererseits zum (aus Arbeitnehmersicht nachteiligen) Entfallen der Schutzbedürftigkeit führt.41 Richtet sich die Entgeltschwelle dagegen allein nach dem Grundgehalt und der Mitarbeiter erhält regelmäßige Bonuszahlungen, die ihrer Höhe nach miteinander vergleichbar sind, berücksichtigt die Entgeltschwelle nicht hinreichend die wirtschaftliche Lage. Auch wenn bloße Gewinnchancen keine Sicherheit vermitteln und daher die soziale Schutzbedürftigkeit nicht entfallen lassen, prägen regelmäßig gewährte Vergütungsbestandteile, die nicht zum Grundgehalt zählen, längerfristig durchaus die wirtschaftliche Stellung des betreffenden Arbeitnehmers.42 Findet nur das Einkommen Berücksichtigung, führt das zu folgendem Widerspruch: Ein Arbeitnehmer mit hohem Einkommen und geringem Vermögen oder Schulden kann im Einzelfall eher eines Sozialschutzes bedürfen als ein Mitarbeiter mit geringem Einkommen und einem großen Vermögen.43 Richtet sich die Haftung dagegen nach der finanziellen Situation des jeweiligen Arbeitnehmers, führt das zu hoher Rechtsunsicherheit und einer fragwürdigen Obliegenheit zur Offenlegung der eigenen Vermögensverhältnisse. Dies ist kaum praktikabel.44 Die Vermögensverhältnisse sind ein Umstand, der außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegt und den Schaden des Arbeitgebers nicht beeinflusst, und sollten daher keine Berücksichtigung finden bei der Abwägung zum Zwecke der Schadensverteilung im Innenverhältnis der Arbeitsvertragsparteien.45 Das Interesse an Rechtssicherheit rechtfertigt es, den Regelfall zugrundezulegen, wonach in erster Linie das Einkommen die wirtschaftliche Situation prägt. Es besteht kein gesetzlicher Anhaltspunkt, dass das Arbeitsrecht ab einer gewissen Vergütungshöhe keine Anwendung finden soll.46 Vielmehr sind leitende Angestellte grundsätzlich in den arbeitsrechtlichen Sozialschutz einbezo41

Henssler, NZA-Beilage 2014, 95 (99 f.); zur mit Bonuszahlungen und Schwellenwerten verbundenen Missbrauchsgefahr und möglichen Schutzmaßnahmen: Aldenhoff, NZA 2010, 800 (802). 42 Näher zur Frage berücksichtigungsfähiger Vergütungsbestandteilen: Aldenhoff, NZA 2010, 800 (801). 43 Zur Bedeutung des Gesamtvermögens für den Status als arbeitnehmerähnliche Person: Schubert, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, S. 49, 51. 44 A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 159 m.w.N. 45 BGH, Urteil vom 10. Januar 1955 – III ZR 153/53, NJW 1955, 458 (459); dazu bereits § 3A.III. 46 Böglmüller, Persönlichkeitsrechte im Sportarbeitsverhältnis, S. 118; vgl. dazu auch Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 206.

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

83

gen, ohne dass es auf ihre soziale Schutzbedürftigkeit ankäme.47 Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB48 den Inhalt eines Arbeitsvertrags festgesetzt und dabei auf wirtschaftliche Kriterien als Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft verzichtet. Es kommt allein auf die persönliche Abhängigkeit an. cc) Verhältnis von Vergütung und gesetzlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft Die – zum Zeitpunkt der Einführung von § 611a BGB bereits diskutierten – Kriterien der wirtschaftlichen Abhängigkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit hat der Gesetzgeber demnach für nicht ausschlaggebend erachtet. Eigenständige Bedeutung für den Anwendungsbereich erlangen wirtschaftliche Kriterien bei der Beurteilung, ob eine Person arbeitnehmerähnlich ist. Zur Eingrenzung dieser Personengruppe hat der Gesetzgeber die wirtschaftliche Abhängigkeit bzw. wirtschaftliche Unselbstständigkeit als Voraussetzung anerkannt, beispielsweise in § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG oder § 2 Satz 2 BUrlG.49 Leitende Angestellte haben sich gegenüber einer anderen Partei zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet und sind daher als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Die Vergütungshöhe ändert nichts an dem Umstand, dass leitende Angestellte die Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs erfüllen und auf Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig sind. Um sie dennoch partiell von einer Anwendung des Arbeitsrechts auszuschließen, bedarf es einer besonderen Rechtfertigung.50 Hält der Gesetzgeber den jeweiligen Schutzzweck einer arbeitsrechtlichen Regelung für nicht einschlägig, steht es ihm frei, bestimmte Arbeitnehmergruppen von der Anwendung einzelner Vorschriften auszunehmen oder Beurteilungsspielräume innerhalb der jeweiligen Norm zu eröffnen51. Insoweit kann er auf die Einkommenshöhe Bezug nehmen, wie dies beispielsweise in § 1 Abs. 8 BEEG geschehen ist. Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze hat der Gesetzgeber bislang nicht gesetzlich geregelt und daher auch nicht deren persönlichen Anwendungsbereichs eingeschränkt. Das Haftungsprivileg dient insbesondere dazu, den Arbeitnehmer vor einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung zu schützen. Es betrifft also elementare Grundbedürfnisse. In Bezug auf eine krasse wirtschaftliche Überforderung bedarf auch ein Arbeitnehmer in der Position eines leitenden

47

Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 207. Eingefügt durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 (BGBl. 2017 I S. 258 ff., 261). 49 Näher zur Verwendung wirtschaftlicher Kriterien in bestehenden Regelungen: A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 125 ff. 50 Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 206. 51 Böglmüller, Persönlichkeitsrechte im Sportarbeitsverhältnis, S. 119; 299. 48

84

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Angestellten trotz einer vergleichsweise hohen Vergütung des Schutzes durch das Rechtssystem.52 Andernfalls könnte ihm der Arbeitgeber durch die Übertragung bestimmter Aufgaben die unternehmerischen Risiken aufbürden.53 Ein einzelner Arbeitnehmer kann kaum angemessen vorsorgen für den Fall existenzbedrohender Schadensersatzansprüche, zumal entsprechende Versicherungsprodukte nicht jedem offen stehen. Die Schutzbedürftigkeit eines leitenden Angestellten spiegelt sich auch in dem Umstand, dass er grundsätzlich in das System der Sozialversicherung einbezogen ist. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, leitende Angestellte aufgrund einer häufig relativ hohen Vergütung in Bezug auf Haftungsfragen als nicht schutzbedürftig einzustufen und pauschal von einer Anwendung des Haftungsprivilegs auszunehmen.54 Sachgerechter ist es, die Höhe der Vergütung im Rahmen der Gesamtabwägung analog § 254 BGB zu berücksichtigen und so die Umstände des jeweiligen Einzelfalls einzubeziehen. b) Erfordernis fremder Daseinsfürsorge für den leitenden Angestellten Für die Frage der Schutzbedürftigkeit eines leitenden Angestellten ist nicht die Höhe der Vergütung, sondern sind die folgenden zwei Aspekte entscheidend: das Erfordernis fremder Daseinsfürsorge und die fehlende strukturelle Unterlegenheit in Vertragsverhandlungen. Letzterer Gesichtspunkt spricht gegen eine Schutzbedürftigkeit leitender Angestellter. Für diese Personen ist die Gefahr geringer, dass sie in Vertragsverhandlungen einer Fremdbestimmung durch ihren Arbeitgeber ausgeliefert sind. Um ihren unternehmerischen (Teil-)Aufgaben gerecht werden zu können, müssen sie zumindest in Bezug auf diese Funktion auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln können. Zudem zeichnen sie sich durch besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten aus, aufgrund derer sie für das Unternehmen besonders wichtig sind und die ihnen eine günstigere Verhandlungsposition verschafft im Vergleich zu Mitarbeitern, die einfach zu ersetzen sind. Ein leitender Angestellter sollte daher jedenfalls eher dazu imstande sein, eine aus seiner Sicht interessengerechte Einigung mit dem Arbeitgeber erzielen zu können als ein ohne Weiteres ersetzbarer Mitarbeiter. Allerdings ist auch ein leitender Angestellter ein Arbeitnehmer, der auf das Einkommen aus dieser Tätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht regelmäßig angewiesen ist. Während ein potentielles Organmitglied bei Verhandlungen um die Rahmenbedingungen für diese Tätigkeit häufig die Option hat, alternativ seine

52

Eine soziale Schutzbedürftigkeit von Beschäftigten mit überdurchschnittlich hoher Vergütung verneint hingegen A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 402 ff. 53 Hueck, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 1. 54 Mit Hinweis auf eine fehlende Rechtfertigung im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz: Richardi/Maschmann, in: Richardi, BetrVG, § 5 BetrVG Rn. 206.

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

85

Tätigkeit als Arbeitnehmer fortzusetzen, hat ein Arbeitnehmer diese Alternative nicht, sondern kann nur zwischen der Tätigkeit als Arbeitnehmer zu den gegebenen Bedingungen oder der Arbeitslosigkeit wählen.55 Auch ein leitender Angestellter ist auf fremde Daseinsfürsorge angewiesen, zumindest wenn es um die Vorsorge für elementare Risiken geht.56 Zwar sollten sich Führungskräfte vornehmlich gegen essentielle Gefahren absichern. Gleichzeitig gilt es, gerade in Bezug auf grundlegende Belange einen Schutz zu gewährleisten. Ebenso wie andere Arbeitnehmer verzichtet er auf ein eigenes Auftreten am Markt. Stattdessen stellt er seine Arbeitskraft in den Dienst des Arbeitgebers, der auf dieser Grundlage seine unternehmerischen Chancen ausbauen kann und im Gegenzug für die Daseinsvorsorge des leitenden Angestellten mitverantwortlich ist. Das Erfordernis fremder Daseinsfürsorge zeigt sich auch an dem Umstand, dass leitende Angestellte nicht generell von den Sozialversicherungen ausgenommen sind.57 Lediglich die gesetzliche Krankenversicherung und in der Folge auch die soziale Pflegeversicherung, welche die Versicherungspflicht an die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung anknüpft, nehmen Beschäftigte von der Versicherungspflicht aus, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt eine gewisse Grenze übersteigt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Dieser Gesichtspunkt legt die Folgerung nahe, dass Personen mit einem höheren Jahresarbeitsentgelt zur Eigenvorsorge imstande und daher weniger schutzbedürftig sind. Für eine einkommensunabhängige Schutzbedürftigkeit von Beschäftigten in Bezug auf grundlegende Risiken spricht aber, dass andere Sozialversicherungszweige nur eine Beitragsbemessungsgrenze vorsehen. Für die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung oder die Arbeitslosenversicherung gilt weder eine einkommensabhängige Befreiung von der Versicherungspflicht noch eine Ausnahme speziell für leitende Angestellte, sondern nur eine Beitragsbemessungsgrenze.58 Anders als eine Pflichtversicherungsgrenze bewirkt die Beitragsbemessungsgrenze keine Herausnahme von Personen mit höheren Einnahmen aus dem jeweiligen Sozialversicherungszweig. Sie führt lediglich dazu, dass beitragspflichtige Einnahmen nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze Berücksichtigung finden. Dies verhindert, dass die Beiträge im Einzelfall außer Verhältnis zu den gewährten Leistungen stehen und dadurch das sozialversicherungsrechtliche Solidarprinzip überstrapazieren.59 55

Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 39. A.A.: A. Wagner, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener, S. 166 ff. 57 Vgl. Joussen, RdA 2006, 129 (132 f.); dagegen differenziert Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 86 ff., hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit zwischen Risiken, die je nach Art und funktionalem Bezug dem Arbeitsrecht, dem Sozialversicherungsrecht oder einem anderen Vorsorgesystem zuzuordnen sind. 58 § 159 SGB VI, § 223 Abs. 3 SGB V, § 55 Abs. 2 SGB XI, § 341 Abs. 3 und 4 SGB III. 59 Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung. Pflegeversicherung, § 55 SGB XI 56

86

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Auch leitende Angestellte sind schutzbedürftig, soweit gewisse Risken ihre wirtschaftliche Situation grundlegend und dauerhaft gefährden, wie dies bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Arbeitslosigkeit oder auch existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen droht.60 Insgesamt ist ihre Schutzbedürftigkeit weniger stark ausgeprägt als bei anderen Arbeitnehmern, da sie weitergehende Gestaltungs- und Vorsorgemöglichkeiten haben. Insbesondere ist der Staat mangels einer typischen Ungleichgewichtslage bei Verhandlungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht dazu verpflichtet, zum Schutz der Privatautonomie zu Gunsten des leitenden Angestellten in das Vertragsverhältnis einzugreifen. Dennoch sind leitende Angestellte auf fremde Daseinsfürsorge seitens des Arbeitgebers und des Staates angewiesen, so dass die Rechtsordnung eine krasse wirtschaftliche Überforderung dieser Arbeitnehmergruppe durch Schadensersatzansprüche grundsätzlich nicht akzeptieren kann. Aufgrund ihrer weitreichenden Entscheidungsbefugnisse drohen gerade bei leitenden Angestellten enorme Haftungsrisiken.61 Bei unternehmerischen Entscheidungen tritt hinzu, dass diese Prognosen erfordern, die teils unter hohem Zeitdruck erfolgen müssen62 und sich erst im Nachhinein als fehlerhaft herausstellen. 3. Besonderheiten bei der Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs Zu der Frage nach haftungsrelevanten Unterschieden zwischen leitenden Angestellten und anderen Arbeitnehmern lässt sich Folgendes festhalten: Ein leitender Angestellter ist in großen Teilen seiner Tätigkeit weniger fremdbestimmt als andere Arbeitnehmer, und zwischen ihm und dem Arbeitgeber besteht kein so starkes Verhandlungsungleichgewicht. Dennoch bestehen auch viele Übereinstimmungen: Der Arbeitgeber veranlasst und beherrscht die betriebliche Tätigkeit,

Rn. 9; Bieback, Verfassungs- und sozialrechtliche Probleme einer Änderung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV, S. 20, 61; Hesral, in: jurisPK-SGB V, § 223 SGB V Rn. 9. 60 Generell eine Schutzbedürftigkeit leitender Angestellter bejahend: Joussen, RdA 2006, 129 (132); ohne nähere Begründung: Pallasch, RdA 2013, 338 (348); zur Schutzbedürftigkeit leitender Angestellter vor dem Hintergrund historischer und sozialpolitischer Entwicklungen in den 1960er und 1970er Jahren: Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 241 ff.; zusammenfassend: a.a.O., S. 305 ff. 61 Vgl. dazu auch Boergen, MDR 1971, 178 (181); Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1476); Joussen, RdA 2006, 129 (132); Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 409 f.; Monjau, DB 1969, 84 (85); in Bezug auf die Haftungsrisiken für Chefärzte: Fahrenhorst, NZA 1991, 544 (545 f.); Reichold, in: Weth/Thomae/Reichold, Arbeitsrecht im Krankenhaus, A. Chefarzt Rn. 55. 62 Näher zur Unvermeidbarkeit von situationsbedingten Fehlern bei Handeln in Stresssituationen: Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 121 ff.; kritisch zu diesem Aspekt, weil das Agieren in Drucksituationen gerade Inhalt des Arbeitsvertrags mit den Führungskräften sei: Kelber, in: Hansen/Kalber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, Teil C Rn. 393; Pander, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil B Rn. 620.

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

87

während der leitende Angestellte an seine Weisungen gebunden ist. Reichold spricht treffend von einer „nur graduell gelockerte[n] organisatorische[n] Abhängigkeit“.63 Aus Sicht des leitenden Angestellten besteht bei unbeschränkter Haftung kein Gleichlauf von Chancen und Risiken. Ihm droht im Falle einer unbeschränkten Haftung eine wirtschaftliche Überforderung bis hin zur Existenzvernichtung. Auch hinsichtlich der rechtsökonomischen Aspekte des Arbeitnehmerprivilegs ergeben sich keine grundlegenden Differenzen: Zwar sollen Führungskräfte nach Bröckner wegen ihrer Qualifikation dazu imstande sein, Schäden einfacher und billiger verhindern zu können als der Arbeitgeber.64 Die fachlichen Fähigkeiten eines leitenden Angestellten haben aber keinen Einfluss auf die Möglichkeit des Arbeitgebers, Risiken zu streuen und in ihrer Gesamtheit besser kalkulieren und absorbieren zu können. Gerade Führungskräfte müssen entscheidungsfreudig sein65 und stehen häufig unter Zeitdruck. Ein hoher Präventionsaufwand steht daher in keinem angemessenen Verhältnis zu leicht fahrlässig verursachten Schäden geringen Umfangs und bedeutet unter Umständen einen ineffizienten Einsatz von Unternehmensressourcen. Die rechtsökonomischen Argumente für das Arbeitnehmerprivileg treffen auch auf leitende Angestellte zu. Zusätzliche haftungsbegründende bzw. -erhaltende Aspekte sind dagegen nicht ersichtlich. Die Unterschiede zwischen leitenden Angestellten und anderen Arbeitnehmern sind nicht hinreichend gravierend, um pauschal eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Gruppen in Bezug auf die Haftung zu rechtfertigen. Auch leitende Angestellte sind persönlich abhängig von ihrem Arbeitgeber, was eine Beschränkung ihrer Haftung rechtfertigt.66 Zu untersuchen ist, ob die festgestellten Differenzen hinreichende Berücksichtigung finden im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze. Als Anknüpfungspunkte dienen der Sorgfaltsmaßstab und die Abwägung der Gesamtumstände analog § 254 BGB nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Kann das Arbeitnehmerprivileg den Unterschieden Rechnung tragen, so gelten die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auch für leitende Angestellte. a) Berücksichtigung von Stellung und Handlungsspielräumen Die Besonderheiten eines leitenden Angestellten gegenüber anderen Arbeitnehmern können in zweierlei Hinsicht Beachtung finden: Zum einen prägt die besondere Verantwortung eines leitenden Angestellten den Sorgfaltsmaßstab, an

63

Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 64. Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 225. 65 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Rn. 1; Waltermann, RdA 2005, 98 (100). 66 Vgl. Fischinger, in: Staudinger, § 611a BGB Rn. 229, § 619a BGB Rn. 67 64

88

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

dem er sich messen lassen muss (§ 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Je nach Tätigkeit bzw. Funktion sind entsprechend hohe Anforderungen zu stellen.67 Je stärker die Möglichkeit selbstbestimmten Handelns ausgeprägt ist, desto höhere Ansprüche gelten für die anzuwendende Sorgfalt und desto höher kann die Haftungsquote des Arbeitnehmers ausfallen. Zum anderen finden die Stellung als leitender Angestellter, seine unternehmerischen Funktionen und seine individuellen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Betriebsablauf auch Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtabwägung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Dies gilt ebenso für die Vergütung.68 Dies hat der Große Senat des BAG bereits festgestellt, indem er zu den Abwägungskriterien Folgendes ausführte:69 „Zu den Umständen […] gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikogruppe enthalten ist.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin)

Auf diese Weise erlauben es sowohl der Sorgfaltsmaßstab als auch die einzelfallbezogene Gesamtabwägung, die Besonderheiten des leitenden Angestellten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern einzubeziehen und angemessen zu gewichten.70 b) Relevanz besonderer Kenntnisse und Kompetenzen für die Haftung Die häufig hohe Qualifikation von Führungskräften wirft die Frage auf, ob besondere Kenntnisse oder Kompetenzen eines leitenden Angestellten dessen Haftung beeinflussen. Übernimmt er eine Aufgabe gerade aufgrund seiner speziellen Expertise (etwa juristische Kenntnisse eines Justiziars), so darf der Arbeitgeber erwarten, dass der Mitarbeiter seine Fähigkeiten sachgerecht einsetzt und nutzt. Auf diesen Umstand wies auch der BGH hin in einer Entscheidung zur Haftung eines Justitiars für eine mangelhafte Rechtsberatung seiner Arbeitgeberin.71 Al-

67

Vgl. BAG, Urteil vom 14. Oktober 1970 – 1 AZR 58/70, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 60 (I.1. der Entscheidungsgründe); Joussen, RdA 2006, 129 (132 f.); Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 619 a BGB Rn. 20; Melot de Beauregard, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 7 Rn. 23; Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Rn. 1; Reinhardt, Die dogmatische Begründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers, S. 191; Waltermann, RdA 2005, 98 (100). 68 Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (301). 69 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086). 70 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 572; Joussen, RdA 2006, 129 (132 f.); Krause, NZA 2003, 577 (581 f.); Otto, AuR 1995, 72 (74), Anmerkung zu BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A); Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 64; Waltermann, RdA 2005, 98 (100). 71 BGH, Urteil vom 7. Oktober 1969 – VI ZR 223/67, NJW 1970, 34 (35).

A. Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs auf leitende Angestellte

89

lerdings stützte das Gericht hierauf seine Auffassung, die Haftungsbeschränkung nicht auf einen leitenden Angestellten anzuwenden. Eine solche Beurteilung widerspricht aber dem Wesen des Arbeitsvertrags, bei dem sich der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, sondern nur dazu, eine gewisse Tätigkeit auszuüben. Ein leitender Angestellter garantiert es nicht, unternehmerische Entscheidungen fehlerfrei zu treffen.72 Ein Ausschluss leitender Angestellter von der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung lässt sich daher nicht auf deren besondere Expertise stützen. Vielmehr können besondere Kenntnisse und Kompetenzen im Rahmen des Arbeitnehmerprivilegs Berücksichtigung finden. Mit größerem Wissen gehen höhere Sorgfaltsanforderungen einher. Dieser Umstand beeinflusst die Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs dahingehend, dass ein strengerer Sorgfaltsmaßstab gilt. Dass ein Mitarbeiter dank seiner umfassenderen Kenntnisse eher dazu imstande ist, den Schaden zu vermeiden, und dass diese Sonderkenntnisse Berücksichtigung finden, bedeutet mithin eine Haftungsverschärfung. Dagegen können besondere Kenntnisse und Kompetenzen eines leitenden Angestellten es nicht rechtfertigen, eine Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs generell abzulehnen. Nicht überzeugend ist es dagegen, die besonderen Kenntnisse und Kompetenzen eines Mitarbeiters außer Betracht zu lassen. Brox/Walker argumentieren in Bezug auf die Innenhaftung angestellter Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten, dass sämtliche Berufstätigen spezifische Gefahren zu bewältigen hätten und ein gesteigertes Haftungsrisiko speziell ausgebildeter Mitarbeiter nicht gerechtfertigt sei.73 Es ist aber nicht ersichtlich, warum größeres (Fach-)Wissen keine Berücksichtigung finden soll bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs. Für spezielle Berufsgruppen gilt kein abweichender Maßstab. Hat ein Mitarbeiter Kenntnisse, die über die Anforderungen hinausgehen, welche der Arbeitgeber üblicherweise an seine Arbeitnehmer stellt, darf der Arbeitgeber von ihm erwarten, dieses Wissen auch einzusetzen. Außerhalb der genannten Berufsgruppen argumentieren auch Brox/Walker für die vorliegend vertretene Sichtweise, zudem beschränken sie ihre Aussage auf die Frage nach der generellen Anwendbarkeit der Haftungsgrundsätze auf angestellte Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten.

IV. Zwischenergebnis Im Haftungsrecht sind die Fremdbestimmtheit und die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers entscheidend. Diese beiden Aspekte sind bei leitenden Angestellten weniger stark ausgeprägt als bei anderen Arbeitnehmern, da ein leitender Angestellter seine Führungsaufgaben in eigener Verantwortung und weitgehend weisungsfrei ausübt und er sich dem Arbeitgeber gegenüber häufig in

72 73

Fabian/Mengel, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer, § 7 Rn. 14. Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1477).

90

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

einer stärkeren Verhandlungsposition befindet als andere Arbeitnehmer. Allerdings ist die Selbstbestimmung des leitenden Angestellten auf seinen spezifischen unternehmerischen Aufgabenbereich begrenzt. Ebenso wie andere Arbeitnehmer ist er persönlich abhängig von seinem Arbeitgeber, muss sich in dessen Betriebsorganisation eingliedern und unterliegt dessen Direktionsrecht, auch wenn der Arbeitgeber hiervon faktisch keinen Gebrauch machen mag. Inwieweit der leitende Angestellte in Bezug auf das schadensverursachende Verhalten selbstbestimmt handeln konnte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und lässt sich nicht pauschal beurteilen. Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bieten sowohl im Rahmen der Sorgfaltsanforderungen bzw. der Prüfung des Vertretenmüssens als auch bei der Abwägung analog § 254 BGB die Möglichkeit, die konkreten Umstände angemessen zu würdigen und zu gewichten. Nach der Rechtsprechung zählt zu den (nicht abschließenden) Abwägungskriterien insbesondere auch die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb. Einem leitenden Angestellten eine Haftung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln aufzubürden, ist wegen der fehlenden Abstufungsmöglichkeit nicht sachgerecht. Der Arbeitgeber prägt auch das Haftungsrisiko des leitenden Angestellten, wenngleich in geringerem Maße. Die Schutzbedürftigkeit des leitenden Angestellten und rechtsökonomische Aspekte treten hinzu. Das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg findet daher auch auf leitende Angestellte Anwendung. Ein gesonderter haftungsrechtlicher Begriff des leitenden Angestellten ist nicht notwendig, weil die Besonderheiten, welche diese Mitarbeiter von anderen Arbeitnehmern unterscheidet, unabhängig von einer Statusbestimmung in die Verschuldensprüfung bzw. in die Abwägung analog § 254 BGB einfließen.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen Einige Autoren befürworten statt einer Anwendung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung eine Haftungsbegrenzung nach Maßgabe der sog. Business Judgment Rule.74 Vertreter dieser Ansicht fordern zum Teil, die Haftung – unabhängig vom Eingreifen der Business Judgment Rule – im Einzelfall der Höhe nach zu begrenzen, um eine wirtschaftliche Überforderung des

74 Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 231 ff.; Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (593); Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 182, 234; Pallasch, RdA 2013, 338 (349); vgl. auch Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 116 ff.; für eine Berücksichtigung der Wertung der Business Judgment Rule erst im Rahmen des Haftungsmaßstabs: Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 7 Rn. 1; die Anwendung der Business Judgment Rule auf leitende Angestellte gänzlich ablehnend: Entzeroth, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, S. 227 f.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 91

leitenden Angestellten auszuschließen.75 Die rechtliche Grundlage dieser Forderung ist unklar. Teilweise verweisen die Autoren auf arbeitsrechtliche Treuepflichten76 oder auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Führungskraft77. Der pauschale Verweis auf arbeitsrechtliche Treuepflichten entbehrt einer näheren dogmatischen Herleitung und ist daher nicht tragfähig. Auf der Grundlage einer Analyse von Kontext (I), historischer Entwicklung (II) und Zweck der Business Judgment Rule (III) und eines Überblicks über deren Regelungsinhalt (IV) lässt sich beurteilen, ob das Geschäftsleiterermessen auch auf unternehmerische Entscheidungen von leitenden Angestellten Anwendung findet (V).

I. Gesellschaftsrechtlicher Kontext der Business Judgment Rule Die Business Judgment Rule, auch als Geschäftsleiterermessen bezeichnet, stammt aus dem Gesellschaftsrecht und eröffnet Organmitgliedern einen unternehmerischen Entscheidungsspielraum. Neben der Haftung nach besonderen Tatbeständen (beispielsweise der Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft nach § 88 Abs. 2 AktG bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot) und der deliktischen Haftung steht die Organhaftung. Ein Organmitglied kann sich dadurch Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aussetzen, dass es seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung verletzt (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG). Die geschäftsführenden Gesellschaftsorgane müssen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden. Die Regelungen der § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG statuieren einerseits die allgemeine Leitungs- und Sorgfaltspflicht und andererseits den Verschuldensmaßstab.78 Die Organhaftung ist zwingend und zielt auf das persönliche Vermögen der Organmitglieder. Die Haftung im Innenverhältnis dient dem Ausgleich des entstandenen Schadens sowie der Prävention und damit insgesamt dem Ziel, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen.79 Bei juristischen Personen sind handelnde Person und Haftungssubjekt (Gesellschaft) nicht identisch.80 Dieser Umstand kann

75 Möller, NZA 2017, 1567 (1571); vgl. dazu auch Kelber, in: Hansen/Kelber/Zeißig u.a., Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, Teil C Rn. 399; Pander, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil B Rn. 624, 626 f. 76 Möller, NZA 2017, 1567 (1571). 77 Kelber, in: Hansen/Kelber/Zeißig u.a., Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, Teil C Rn. 396 f.; Pander, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte, Teil B Rn. 624. 78 Zur Doppelfunktion von § 93 AktG: Fischer, Ausstrahlungswirkungen im Recht, S. 35. 79 Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 12 ff. 80 Konflikte, die sich aus diesem Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle ergeben, werden unter dem Stichwort „principal-agent-Problem“ diskutiert.

92

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Fehlanreize setzen, weil das handelnde Organmitglied einerseits nur in beschränktem Umfang über Unternehmensbeteiligungen oder Bonussysteme am Unternehmenserfolg teilhat, andererseits aber Schadensersatzansprüche im Außenverhältnis vollumfänglich die Gesellschaft treffen. Die persönliche Haftung im Innenverhältnis soll der Gefahr vorbeugen, dass ein Organmitglied Entscheidungsspielräume zu seinen eigenen Gunsten nutzt oder nicht die im Hinblick auf das Gesellschaftsinteresse gebotene Sorgfalt aufwendet.81 Gleichzeitig trifft die Geschäftsleiter aber keine Erfolgshaftung.82 Das unternehmerische Risiko verbleibt bei der Gesellschaft. Als Gegengewicht zu dieser strengen organschaftlichen Haftung soll der unternehmerische Entscheidungsspielraum der Business Judgment Rule einen sachgerechten Interessenausgleich ermöglichen. Die Business Judgment Rule ist gesetzlich normiert im Aktienrecht und Genossenschaftsrecht. Die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG beschränkt die Haftung von Vorstandsmitgliedern und aufgrund der Verweisung des § 116 Satz 1 AktG von Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft. Eine entsprechende Regelung enthält seit dem Jahr 2017 auch das Recht der Genossenschaft in §§ 41, 34 Abs. 1 Satz 2 GenG.83 Im GmbHG findet sich keine Bestimmung, die den Regelungen der §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 Satz 1 AktG, §§ 41, 34 Abs. 1 Satz 2 GenG entspricht, aber die Übertragung der Business Judgment Rule auf Geschäftsführer ist allgemein anerkannt.84

II. Historische Entwicklung der Business Judgment Rule Den Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung bilden das US-amerikanische Recht85 und die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH86 aus dem Jahr 1997.

81

Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (441); Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 15 f.; nach teilweise vertretener Ansicht ist die Präventionsfunktion der Hauptzweck der Organhaftung: Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 (928 f.); G. Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (256); kritisch zur Prävention oder Kompensation als alleinigem Zweck: Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT, E 21. 82 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 83 Art. 1 Nr. 10 lit. a des Gesetzes zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. Juli 2017 (BGBl. 2017 I S. 2434 ff., 2435). 84 Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 GmbHG Rn. 71. 85 BT-Drs. 15/5092, S. 11; zur Business Judgment Rule aus rechtsvergleichender Sicht: Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (833 ff.); Merkt, ZGR 2017, 129; Überblick über die Business Judgment Rule im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht: Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 55 ff. 86 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 93

1. US-amerikanisches Vorbild Im US-amerikanischen Recht beruht die Business Judgment Rule auf Richterrecht. Die Gesetzgebungskompetenz für das Gesellschaftsrecht liegt bei den einzelnen Bundesstaaten, die insoweit aber keinen Gebrauch davon gemacht und die Business Judgment Rule nicht kodifiziert haben.87 Die Rechtsprechung beruht auf einer Auslegung und Weiterentwicklung der einzelstaatlichen Gesetze und kann daher von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren.88 Die Gerichte in Delaware haben insoweit eine Vorreiterrolle, als sie eine Vermutung für ein ordnungsgemäßes Handeln der Unternehmensleiter bei der Entscheidungsfindung aufgestellt haben89, an welcher sich die Rechtsprechung auch in anderen Bundesstaaten orientiert.90 Andere Bundesstaaten haben die Formulierung des American Law Institute übernommen.91 Die Business Judgment Rule entfaltet ihre Wirkung sowohl im materiellen Recht als auch in prozessrechtlicher Hinsicht.92 Nach Auffassung des American Law Institute konkretisiert die Business Judgment Rule die allgemeine Sorgfaltspflicht der directors und officers in Bezug auf Geschäftsentscheidungen und reduziert dadurch das Haftungsrisiko der Führungskräfte. Die Business Judgment Rule bezweckt den Schutz von Geschäftsleitern vor einer nachträglichen Überprüfung erfolgloser Entscheidungen und soll einer übermäßigen Risikoscheu entgegenwirken.93 Sie bewirkt ein zweistufiges Vorgehen: Erfüllt das beanstandete Verhalten die Anforderungen der Business Judgment Rule, unterliegt es keiner nachträglichen 87

P. Doralt/W. Doralt, in: FS Koziol (2010), S. 565 (573). Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (445). 89 Aronson v. Lewis, Supreme Court of Delaware, 473 A.2d 805, 812 (1984), abrufbar über LexisNexis: „[…] a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company“. 90 Zu den Gründen des großen Einflusses der Rechtslage in Delaware auf die Entwicklung des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts: Fest, in: Kreutz/Renftle/Faber u.a., Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2011, S. 119 (124 f.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 56 f. 91 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01(c): „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer: (1) is not interested [§ 1.23] in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director of officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“ Den Erläuterungen zufolge geht das American Law Institute davon aus, dass diese Formulierung der Auslegung durch die meisten Gerichte entspricht. 92 Paefgen, AG 2004, 245 (256); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 64. 93 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01 Comment d. 88

94

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

gerichtlichen Überprüfung. Sind die Voraussetzungen nicht gegeben, erfolgt auf einer zweiten Stufe eine vollumfängliche Kontrolle durch das Gericht und der director oder officer muss darlegen und beweisen, dass er pflichtgemäß gehandelt hat (sog. entire fairness test).94 Je nach Stufe gelten also unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe. Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichteingreifen der Business Judgment Rule liegt beim Anspruchsteller, der aus dem Verhalten der Führungskraft eine Forderung ableiten will.95 Während die Gerichte dies häufig als presumption, also als Vermutung eines pflichtgemäßen Verhaltens bezeichnen, vermeidet das American Law Institute diesen Begriff, um Fehlinterpretationen wie die Annahme einer unwiderlegbaren Vermutung oder einer besonderen Beweislastverteilung zu vermeiden.96 Stattdessen beschreibt das American Law Institute den Schutz der Business Judgment Rule als safe harbor.97 Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen haben die Ansätze die Annahme gemeinsam, dass sich der Geschäftsleiter pflichtgemäß verhalten hat.98 Der Anspruchsteller kann diese Annahme auf der ersten Stufe entkräften, indem er Anhaltspunkte dafür darlegt und gegebenenfalls beweist, dass die angegriffene Entscheidung nicht die Anforderungen der Business Judgment Rule wahrt. Ist ihm das gelungen, verlagert sich die Darlegungs- und Beweislast in der zweiten Stufe auf den director oder officer. Dieser muss im Rahmen einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung mit dem Gesellschaftsinteresse vereinbar ist und dem entire fairness standard (of judicial review) entspricht.99 2. Entwicklung in Deutschland In Deutschland hatte die Vorstandshaftung ursprünglich kaum praktische Bedeutung, weil der Aufsichtsrat etwaige Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder nicht verfolgte. Diese Zurückhaltung aus kollegialer Rücksichtnahme oder im Hinblick auf eigene Versäumnisse bei der Überwachung des Vor94 Paefgen, AG 2004, 245 (256); P. Doralt/W. Doralt, in: FS Koziol (2010), S. 565 (573); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 67. 95 Zu den Anforderungen an den klägerischen Vortrag: Fest, in: Kreutz/Renftle/Faber u.a., Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2011, S. 119 (148 ff.). 96 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01 Comment g; siehe dazu auch die Erläuterung bei Paefgen, AG 2004, 245 (256) unter Fn. 128. 97 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01 Comment d; Comment a to § 4.01(c). 98 A.A.: Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (445), die in der Verteilung der Beweislast einen maßgeblichen Unterschied zwischen der Rechtsprechung in Delaware und der Formulierung des American Law Institute sehen; bei Zugrundelegung der Formulierung des American Law Institute liege die Beweislast für ein pflichtgemäßes Verhalten bei den Führungskräften 99 Paefgen, AG 2004, 245 (256); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 67.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 95

stands endete mit der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH.100 In diesem Urteil hat das Gericht festgehalten, dass Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet sind, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen und zu analysieren, ob und in welchem Umfang eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche einen Ausgleich des entstandenen Schadens erwarten lässt. Durchsetzbare Schadensersatzansprüche muss der Aufsichtsrat grundsätzlich verfolgen.101 Vor allem aber hat der BGH festgestellt, dass „dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt ist.“102

Seit dieser Entscheidung ist die praktische Bedeutung der Organhaftung gewachsen. Neben dem BGH-Urteil und der Finanzkrise ab dem Jahr 2007 dürfte zu dieser Entwicklung beigetragen haben, dass die Verbreitung von D&O-Versicherungen bei deutschen Unternehmen zugenommen hat und damit die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der Forderungen gestiegen ist.103 Darüber hinaus wächst der (öffentliche) Druck zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen.104 Nachdem der BGH in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung das Geschäftsleiterermessen ausdrücklich anerkannt und sich nach einem entsprechenden Beschluss des 63. Deutschen Juristentages105 auch die Regierungskommission „Corporate Governance“106 auf Grundlage eines konkreten Gesetzesvor-

100

BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927 f.); zur Analyse der Erfolgswahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung: Hitzer/ Meyer, ZHR 186 (2022), 702 (706 ff.). 102 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927); das Erfordernis eines unternehmerischen Ermessensspielraums war bereits vorher bekannt, näher dazu: Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 137 ff. m.w.N. 103 Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737 (744); von Schenck, NZG 2015, 494 (495). 104 Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 7. 105 Beschluss III.1 des 63. Deutschen Juristentages (angenommen mit 46:10:11 Stimmen), Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Band II/1, O 79, Band II/2, O 226. 106 Einsetzung der Regierungskommission „Corporate Governance. Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ mit Schreiben des Bundeskanzlers vom 29. Mai 2000 mit dem Auftrag, Empfehlungen zu erarbeiten für eine Anpassung des Systems der Corporate Governance an die wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen. 101

96

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

schlags von Ulmer107 für die Regelung ausgesprochen hatte108, hat der Gesetzgeber diese Figur durch die Einführung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich geregelt.109 Während der BGH den Begriff der Business Judgment Rule nicht ausdrücklich verwendet hatte, bezeichnete der Gesetzgeber den unternehmerischen Entscheidungsspielraum ausdrücklich so und nahm explizit Bezug auf das US-amerikanische Vorbild.110 Zugleich hat der Gesetzgeber das Verfolgungsrecht der Aktionäre verschärft und nunmehr in § 148 AktG geregelt.111 Nachdem die Einführung des Minderheitenrechts nach § 147 Abs. 3 AktG a.F. auf erhebliche Kritik112 gestoßen war, sollte eine Reform eine effektivere Rechtsdurchsetzung in Bezug auf Schadensersatzforderung gegen Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats ermöglichen.113 Der Antrag nach § 148 AktG ist darauf gerichtet, dass das Gericht der Antrag stellenden, qualifizierten Aktionärsminderheit die Prozessführungsbefugnis und die Aktivlegitimation dafür zuspricht, dass sie Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Geschäftsführung gegen Organmitglieder geltend machen können. Das Klagezulassungsverfahren sollte die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtern114 und beinhaltet keine Haftungsverschärfung im materiellrechtlichen Sinne.115 Um ein Gegengewicht zu der Aktionärsklage zu schaffen und die Figur des Geschäftsleiterermessens zu kodifizieren, definiert § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Kriterien, wann der unternehmerische Haftungsfreiraum eröffnet ist, und erleichtert dadurch die Abgrenzung zwischen unternehmerischer (Fehl-)Entscheidung und haftungsbegründender Pflichtverletzung.116 107 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299): „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Schaden durch unternehmerisches Handeln im Interesse der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Informationen verursacht wurde, auch wenn dieses Handeln sich aufgrund späterer Entwicklungen oder Erkenntnisse als für die Gesellschaft nachteilig erweist.“ 108 Baums, Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, BT-Drs. 14/7515 S. 50 f. 109 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. 2005 I S. 2802 ff., 2802). 110 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 111 Art. 1 Nr. 15 UMAG (BGBl. 2005 I S. 2802 ff, 2804 f.); begleitend hat der Gesetzgeber die Schwellenwerte für eine Sonderprüfung herabgesetzt, § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG. Die Sachverhaltsermittlung im Rahmen der Sonderprüfung kann einer Durchsetzung von Ersatzansprüchen nach § 148 AktG erleichtern, ist aber aufwendig und kostenintensiv für die Gesellschaft, BT-Drs. 15/5092, S. 18. 112 Arnold, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 3, § 147 AktG Rn. 11 ff.; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (290 ff.). 113 Auch nach der Änderung der §§ 147 ff. AktG setzt sich die Debatte um Reformmöglichkeiten fort (nähere Nachweise bei J. Koch, Aktiengesetz, § 148 AktG Rn. 3). So fand auch etwa ein Gesetzentwurf aus dem Jahr 2019 (BT-Drs. 19/8233) keine Zustimmung. 114 BT-Drs. 15/5092, S. 19. 115 Arnold, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 3, § 148 AktG Rn. 2. 116 C. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1254).

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 97

III. Zweck des Geschäftsleiterermessens Die Unternehmensleitung unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG) erfordert einen gewissen Spielraum für unternehmerische Entscheidungen.117 Dieses notwendige Geschäftsleiterermessen hat vor allem zwei Gründe: Die drohende persönliche Haftung birgt das Risiko einer übermäßigen Risikoaversion der Unternehmensleitung und kann dazu führen, dass sie risikobehaftete Chancen nicht wahrnimmt.118 Unternehmerische Entscheidungen beinhalten aber zwangsläufig gewisse Risiken.119 Eine erfolgreiche Unternehmensführung erfordert die Bereitschaft, wirtschaftliche Wagnisse einzugehen, und die individuelle Fähigkeit der Geschäftsleiter, Chancen und Risiken zutreffend einzuschätzen.120 Eine übermäßig defensive Unternehmensführung liegt nicht im Interesse der Gesellschaft bzw. derer Aktionäre121 und ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nachteilig.122 Eine gewisse Risikoaversion ergibt sich daneben aus der Unsicherheit, die sich angesichts zahlreicher und nur teilweise kodifizierter Anforderungen an ein pflichtgemäßes Verhalten und des nur vagen Maßstabs eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei einem Geschäftsleiter einstellen kann.123 Die Business Judgment Rule beschränkt die gerichtliche Überprüfung einer unternehmerischen Entscheidung zunächst auf bestimmte Anforderungen, die der Geschäftsleiter bei der Entscheidungsfindung einzuhalten hat, und stellt auf eine Perspektive ex ante ab. Auf diese Weise soll sie den Einfluss sog. hindsight bias (Rückschaufehler) begrenzen124 und die Präventivwirkung der Haftung gewährleisten. Nur wenn im Zeitpunkt der Handlung feststeht, ob ein Verhalten den Anforderungen des Haftungssystems genügt, kann dieses seine verhaltenssteuernde Wirkung entfalten.125 Hindsight bias bezeichnen den Umstand, dass die Kenntnis später eingetretener Tatsachen die nachträgliche Beurteilung eines Verhaltens zum Nachteil des Handelnden beeinflusst. Ist ein Ereignis bereits eingetreten, schätzen viele die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Ereignis-

117

Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 43; vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927). 118 Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 20. 119 Semler, in: FS Ulmer (2003), S. 627 (627 f.); a.A. Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 84. 120 Vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 1997 – II ZB 11/96, NJW 1997, 1923 (1925). 121 Paefgen, AG 2005, 245 (247). 122 Fleischer, ZIP 2004, 685 (685 f.); ders., in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (830). 123 Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 32, 43, 137 f., der aus diesem Bedürfnis nach Klarheit und Berechenbarkeit der Verhaltensanforderungen eine Vereinfachungsfunktion der Business Judgment Rule ableitet. 124 Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 438 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 46. 125 C. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1253).

98

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

ses höher ein und stellen dementsprechend nachträglich höhere Anforderungen an ein sorgfaltsgemäßes Verhalten.126 Hinzu tritt eine weitere Verzerrung durch sog. outcome bias. Danach tendieren Menschen in der Rückschau zu einer negativen Beurteilung einer Entscheidung, wenn sie das dadurch erreichte Ergebnis negativ bewerten.127 Selbst wenn ein Geschäftsleiter in der Entscheidungssituation die optimale Sorgfalt angewendet hat, würde ein Gericht dies rückblickend angesichts der später eingetretenen Entwicklungen häufig als nicht ausreichend erachten.128 Dagegen können (angeblich) fehlender Sachverstand der Richter für die Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen129 oder Zeitdruck und Unsicherheiten in der Entscheidungssituation130 den Haftungsfreiraum nicht rechtfertigen. Trotz der Komplexität betriebswirtschaftlicher Fragestellungen können sich Richter in einzelne Themen einarbeiten. Dies erfordert auch die Beurteilung von Haftungsfragen in anderen Bereichen, etwa im Arzthaftungsrecht oder in der Produkthaftung.131 Richter können und müssen fehlendes Fachwissen ausgleichen, indem sie Sachverständige heranziehen, (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495 ZPO i.V.m.) §§ 402 ff. ZPO.132 Nimmt ein Gericht diese Möglichkeit trotz fehlender eigener Sachkunde nicht wahr, kann dies das Recht der Partei auf rechtliches Gehör verletzen, Art. 103 Abs. 1 GG.133 Auch wenn es mitunter an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen fehlt, überzeugt es nicht, der Richterschaft pauschal das Urteilsvermögen für unternehmerische Entscheidungen abzusprechen. Unternehmerische Entscheidungen sind stets mit Unwägbarkeiten verbunden und fallen häufig unter Zeitdruck. Auch wenn dies zutrifft, sind Entscheidungen in Drucksituationen und ohne Gewissheit über künftige Entwicklungen kein Spezifikum unternehmerischen Handelns, sondern auch in anderen Bereichen 126

Korch, Haftung und Verhalten, S. 42 ff., 168. Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 435. 128 Korch, Haftung und Verhalten, S. 195; unter Verweis auf die Gefahr einer Mutation der Organhaftung zur Erfolgshaftung auch aufgrund von Rückschaufehlern: Fischer, Ausstrahlungswirkungen im Recht, S. 37 f.; zu den speziellen Auswirkungen von hindsight bias bei unternehmerischen Entscheidungen im Vergleich zu anderen Bereichen des Haftungsrechts: Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 6 Rn. 12 ff. 129 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (831); in diese Richtung auch Paefgen, AG 2004, 245 (247 f.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 46. 130 So aber Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 80. 131 Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 6 Rn. 4; in diese Richtung auch Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 450 f. 132 Korch, Haftung und Verhalten, S. 200 f.; diese Möglichkeit räumt auch Fleischer selbst ein, Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (831); Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 6 Rn. 4, der hervorhebt, dass Sachverständige ebenso Rückschaufehlern unterliegen. 133 BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549 (551); Beschluss vom 21. Mai 2007 – II ZR 266/04, NZG 2007, 714 (714 f.). 127

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 99

erforderlich. Dieses Argument vermag daher keinen speziell unternehmerischen Entscheidungsspielraum zu begründen134, wenn auch die Unsicherheiten im Zusammenhang mit gerichtlichen Rückschaufehlern besonders virulent für die Haftung von Geschäftsleitern werden. Nach der Business Judgment Rule haften Organmitglieder der Gesellschaft nicht für solche Fehler, die sich im Rahmen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums halten. Eine Erfolgshaftung besteht nicht.135 Es ist zu differenzieren zwischen fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen und haftungsbegründenden Pflichtverletzungen. Das Geschäftsleiterermessen hat zwar seine ausdrückliche Normierung in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 34 Abs. 1 Satz 2 GenG136 gefunden, beschränkt seine Geltung aber nicht auf den Haftungstatbestand des § 93 AktG bzw. § 34 Abs. 2 GenG oder generell das Aktien- und Genossenschaftsrecht. Vielmehr gilt die Wertung für alle Formen unternehmerischer Betätigung.137

IV. Voraussetzungen und Rechtsfolge der Business Judgment Rule § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG unterscheidet zwischen unternehmerischen Entscheidungen und sonstigem Verhalten der Vorstandsmitglieder. Die Vorschrift nimmt Fehler im Rahmen des festgelegten unternehmerischen Entscheidungsspielraums vom Tatbestand einer Sorgfaltspflichtverletzung aus. Dies setzt voraus, dass das Vorstandsmitglied gutgläubig eine unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage von Informationen getroffen hat, die es vernünftigerweise für angemessen halten durfte, und dass es dabei ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hat (1–5). Die gesellschaftsrechtliche Haftungsbegrenzung schränkt die Verantwortlichkeit von Organmitgliedern ein, um ihnen einen gewissen Handlungsspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen einzuräumen. Wahren sie diesen Rahmen, liegt keine Pflichtverletzung vor und eine Haftung scheidet aus (6). 1. Unternehmerische Entscheidung Das Geschäftsleiterermessen setzt eine unternehmerische Entscheidung (business judgment) voraus. Eine unternehmerische Entscheidung steht im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung und ist „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit

134

Korch, Haftung und Verhalten, S. 201 f.; vgl. Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). BT-Drs. 15/5092, S. 11. 136 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 10 lit. a des Gesetzes zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. Juli 2017 (BGBl. 2017 I S. 2434 ff., 2435); zur Übertragung der Grundsätze der Business Judgment Rule, die für die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entwickelt wurden, auf das Genossenschaftsrecht: Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (49 ff.). 137 BT-Drs. 15/5092, S. 12; nochmals hervorgehoben in BT-Drs. 18/11506, S. 28. 135

100

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“.138 Sie birgt zugleich Chancen und Risiken für die künftige wirtschaftliche Entwicklung.139 Eine Definition des Merkmals ist angesichts der Vielfalt unternehmerischer Handlungen schwierig.140 Beispiele sind etwa Investitionen in neue Technologien141 oder Standorterweiterungen142. Die unternehmerische Entscheidung erfordert kein positives Tun, sondern kann auch in der Entscheidung bestehen, eine bestimmte Maßnahme bewusst zu unterlassen. Ein Handlungsspielraum des Geschäftsleiters scheidet von vornherein aus, wenn ein bestimmtes Verhalten gesetzlich oder statutarisch vorgegeben ist. Bei Pflichtaufgaben ohne eigenen Gestaltungsspielraum findet Business Judgment Rule keine Anwendung. Eine unternehmerische Entscheidung setzt voraus, dass mehrere rechtmäßige Handlungsmöglichkeiten bestehen.143 Die Entscheidung muss die Grenzen von Gesetzen, Satzung, Anstellungsvertrag, Geschäftsordnung und des Unternehmensgegenstandes (sog. Legalitätspflicht) sowie die Zuständigkeiten anderer Organe wahren. Die Frage nach der Legalitätspflicht geht der Frage nach einem Eingreifen der Business Judgment Rule voraus.144 Probleme ergeben sich bei einer unsicheren Rechtslage.145 Auch bei einem Eingreifen von Treuepflichten verbleibt kein Handlungsspielraum.146 138

BT-Drs. 15/5092, S. 11. Semler, in: FS Ulmer (2003), S. 627 (627 f.); nach N. Ott, ZGR 2017, 149 (152 ff.), kommt es dagegen nicht darauf an, ob eine Entscheidung zukunftsbezogen oder mit Unsicherheiten behaftet ist, sondern liegt dann vor, wenn „der Vorstand im Rahmen einer Geschäftsführungsentscheidung zwischen mindestens zwei tatsächlich möglichen und rechtlich nicht erkennbar unzulässigen Optionen wählen kann und […] hierbei unabhängig von konkreten gesetzlichen oder sonstigen rechtlichen Vorgaben nach unternehmerischen Zweckmäßigkeitserwägungen entscheiden kann.“; ablehnend in Bezug auf den Prognose- und Risikocharakter als normative Voraussetzung einer unternehmerischen Entscheidung: Hopt/ Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 84; Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 140 Vorschlag einer positiven Begriffsbestimmung von Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 104: „Unter einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sollte daher die bewusste Auswahl des Vorstands der Gesellschaft aus mehreren rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen Verhaltensalternativen verstanden werden.“ 141 BGH, Urteil vom 3. März 2008 – II ZR 124/06, NJW 2008, 1583: Erwerb von UMTSLizenzen durch ein Telekommunikationsunternehmen. 142 BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549: Ausbau einer Niederlassung durch Einstellung von zusätzlichem Personal und Anmietung neuer Büroflächen. 143 Fischer, Ausstrahlungswirkungen im Recht, S. 38; Semler, in: FS Ulmer (2003), S. 627 (627). 144 Fischer, Ausstrahlungswirkungen im Recht, S. 38. 145 Zu den Geschäftsleiterpflichten und der Frage eines Handlungsspielraums bei einer rechtlich gebundenen Entscheidung bei unsicherer Rechtslage: Verse, ZGR 2017, 174 (176 ff.), wobei Verse den Begriff der Legal Judgment Rule ablehnt (193); für eine Lösung auf Verschuldensebene nach Maßgabe der Grundsätze des Rechtsirrtums: Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2251 ff.); kritisch zu einem Handlungsspielraum bei unklarer Rechtslage: Holle, AG 2016, 270 (270 ff.) m.w.N. 146 BT-Drs. 15/5092, S. 11; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 73; Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 7 Rn. 161. 139

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 101

2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft Der Geschäftsleiter muss vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Das „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“ ist weit zu verstehen und umfasst nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch deren Umsetzung.147 Es berücksichtigt auch Auswirkungen auf Konzerngesellschaften und ist jedenfalls dann gegeben, wenn es aus Sicht ex ante „der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient“.148 Ein Geschäftsleiter hat einen weiten Spielraum und überschreitet die Grenze des Unternehmenswohls erst dann, wenn seine Risikobereitschaft als unverantwortlich anzusehen ist.149 Angesichts von Systematik und Gesetzesmaterialien bedeutet die Formulierung „zum Wohle der Gesellschaft“ keine Verengung auf die Interessen der Gesellschaft.150 Maßgeblich ist das (weiter gefasste) Unternehmensinteresse151, welches die Leitlinie für die Leitungsverantwortung nach § 76 Abs. 1 AktG bildet. Dieses Verständnis gewährleistet einen Gleichlauf von Haftung und Sorgfaltsmaßstab. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien nicht nur auf die Gesellschaftsbelange, sondern auf das Unternehmen und sogar auf die Interessen von Konzerngesellschaften abstellt.152 Indem der Gesetzgeber fordert, dass das Organmitglied die entsprechenden Voraussetzungen „vernünftigerweise annehmen durfte“, normiert er das Erfordernis von dessen Gutgläubigkeit.153 Zu seiner eigenen Empfehlung für eine Formulierung der Business Judgment Rule führt das American Law Institute insoweit aus, dass der Wortlaut „rationally believes“154 der Führungskraft einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Der sichere Hafen der Business Judgment Rule ist demnach auch bei solchen Entscheidungen eröffnet, die möglicherweise nicht „reasonable“ sind, aber die Grenzen des Ermessens nicht so weit überschreiten, dass eine Haftung geboten wäre.155 147 BT-Drs. 15/5092, S. 11; zu den Schwierigkeiten, zu ermitteln, worin das Wohl der Gesellschaft im Einzelfall besteht: Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 98 ff. 148 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 149 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1028); Flaßhoff, Die Beweislastverteilung in der Organhaftung, S. 433. 150 Vgl. Fleischer, ZIP 2004, 685 (690); Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 53 f. 151 C. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1258); zur Konkretisierung des Unternehmensinteresses im Rahmen der Business Judgment Rule: Schubert, Das Unternehmensinteresse, S. 174 f.; kritisch zu einer Differenzierung zwischen Gesellschaftswohl und Unternehmensinteresse in diesem Zusammenhang: Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 98. 152 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 153 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 154 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01(c): „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer: […] (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“ 155 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Volume 1, § 4.01 Comment d.

102

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

3. Handeln ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse Auch wenn § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG diese Voraussetzung nicht ausdrücklich nennt, erfordert ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft implizit, dass der Geschäftsleiter keinen Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen oder einem Streben nach unmittelbarem Eigennutz unterliegt, der sich nicht aus dem Unternehmensinteresse ableitet.156 Der Geschäftsleiter muss unbefangen und unabhängig entscheiden.157 Verletzt ein Geschäftsleiter seine Loyalitätspflichten gegenüber der Gesellschaft, kann dieses Verhalten nicht in deren Interesse liegen.158 Zur Einhaltung der Treuepflichten setzt ausschließlich die Haftung einen Anreiz und schützt so die Interessen der Gesellschaft und der Kapitalgeber.159 Ein unternehmerischer Handlungsspielraum scheidet insoweit aus. Aus diesem Grund verneint die Mehrheit in der Literatur bei einer Treuepflichtverletzung bereits eine unternehmerische Entscheidung.160 Die Abgrenzung einer Sorgfaltspflicht- von einer Treuepflichtverletzung kann Schwierigkeiten bereiten.161 Eine Entscheidung aus gesellschaftsfremden Motiven entspricht nicht der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Es ist vorzugswürdig, etwaige Verstöße gegen Treuepflichten bei der Voraussetzung der Business Judgment Rule zu prüfen, wonach der Geschäftsleiter ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse handeln muss.162 Dieses Vorgehen vermeidet Doppelungen bei der Überprüfung einer Entscheidung. Unabhängig von der Einordnung von der Verletzung von Loyalitätspflichten hat die implizite Voraussetzung des Geschäftsleiterermessens auch insofern eigenständige Bedeutung, als eine Entscheidung zwar auch dem Wohle der Gesellschaft, primär aber dem Eigeninteresse des Geschäftsleiters dienen kann.163 Eine 156

BT-Drs. 15/5092, S. 11; Bayer/Scholz, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 3 Rn. 103; kritisch zu diesem Verständnis: P. Doralt/W. Doralt, in: FS Koziol (2010), S. 565 (573), die darauf hinweisen, dass diejenigen Konstellationen Schwierigkeiten bereiten, in denen ein Organmitglied trotz eigener Interessen gutgläubig meint, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln; differenzierend zwischen relevanten und irrelevanten gesellschaftsfremden Interessen: Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 294 ff. 157 BT-Drs. 15/5092, S. 11; umstritten ist, ob bereits das objektive Bestehen eines Interessenkonflikts schädlich ist; bejahend: Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 93, mit Verweis auf eine objektive Formulierung in den Gesetzesmaterialien; C. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1257); Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 74; ablehnend: J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 55; Link, in: Wachter, AktG, § 93 AktG Rn. 47. 158 Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085). 159 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (844). 160 BT-Drs. 15/5092, S. 11; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 73; Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 7 Rn. 161. 161 Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 152. 162 Ebenso Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 152 f. 163 Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 92.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 103

Ausnahme von dem Erfordernis, ohne gesellschaftsfremde Interessen zu handeln, kann gelten, wenn der Geschäftsleiter seinen Interessenkonflikt offengelegt hat.164 Mögliche Interessenkonflikte offenzulegen gebietet die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.165 4. Angemessene Informationsgrundlage Der Geschäftsleiter muss vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln. Nach der Business Judgment Rule richtet sich die Bewertung, ob eine Entscheidung pflichtwidrig ist, nicht nach deren Ergebnis, sondern nach der Art und Weise der Entscheidungsfindung.166 Der Gesetzgeber hat ausdrücklich anerkannt, dass insbesondere ein hoher Zeitdruck eine umfassende Entscheidungsvorbereitung erschweren kann. Zudem sei unternehmerisches Handeln auch durch „Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und [ein] Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten“ geprägt.167 Gleichzeitig soll die Regelung die Unternehmensleitung nicht zu unverantwortlichem Verhalten auf Kosten von Kapitalgebern und Belegschaft ermuntern.168 Dieser Interessenpolarität muss das Tatbestandsmerkmal gerecht werden und ist daher entscheidend für das Eingreifen der Business Judgment Rule.169 Nach dem Wortlaut von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bestehen zwei Schranken: die Angemessenheit der Informationsgrundlage und die Frage, ob der Geschäftsleiter vernünftigerweise annehmen durfte, über eine angemessene Informationsgrundlage zu verfügen.170 Eine angemessene Informationsgrundlage muss bereits der Formulierung nach nicht umfassend sein. Der Gesetzgeber hat dem Geschäftsleiter einen Spielraum eingeräumt bei der Beurteilung, welche Informationen nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten

164 BT-Drs. 15/5092, S. 11; näher dazu: Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 177 f.; Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 71. 165 Vgl. Empfehlung E.1 und E.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 28. April 2022, aktuelle Fassung abrufbar unter https://www.dcgk.de/de/kodex. html (zuletzt abgerufen am 17. November 2022). 166 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (840); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 178; unter Hervorhebung der Neuartigkeit dieses Beurteilungsansatzes: Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086 f.). 167 BT-Drs. 15/5092, S. 11; kritisch zu diesen weichen Faktoren: Graumann, CCZ 2010, 222 (223). 168 BT-Drs. 15/5092, S. 12. 169 Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 7 Rn. 108. 170 Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (Hervorhebung durch die Verfasserin).

104

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Entscheidungssituation und des jeweiligen Ressorts der handelnden Person erforderlich sind.171 Die Gesetzesmaterialien enthalten den ausdrücklichen Hinweis, dass eine rein formale Absicherung, etwa durch externe Gutachten, die den individuell angemessenen Informationsbedarf übersteigen, nicht zielführend sei.172 Aufwand und Kosten müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der Entscheidung stehen.173 Maßgeblich ist, welche Informationen ein vernünftiger Geschäftsleiter in der Situation des Organmitglieds im Zeitpunkt der Entscheidung herangezogen hätte.174 Nach der Gegenansicht soll (aus Sicht ex ante) ein objektiver Maßstab gelten und der Geschäftsleiter den Sachverhalt in alle Richtungen ermitteln und alle verfügbaren Informationsmöglichkeiten ausschöpfen.175 Die Relativierung des Prüfungsmaßstabs durch die Formulierung „vernünftigerweise annehmen durfte“ beziehe sich nur auf das Handeln zum Wohle der Gesellschaft und nicht auf die Informationsgrundlage.176 Hiergegen spricht, dass bereits die Angemessenheit der Informationsgrundlage eine Abwägung erfordert. Für das Erfordernis „vernünftigerweise annehmen durfte“ verbleibt immer noch ein Anwendungsbereich insoweit, als dieses Kriterium die (subjektive) Sicht des Geschäftsleiters einbezieht, dessen Einschätzung in Bezug auf die Angemessenheit der Informationsgrundlage aber wiederum objektiviert177 und die Perspektive im gerichtlichen Verfahren auf eine Beurteilung ex ante festlegt. Die Entscheidung über den Umfang der Informationsgrundlage ist ihrerseits nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.178

171

BT-Drs. 15/5092, S. 12; BR-Drs. 3/05, S. 20 f.; OLG Köln, Urteil vom 1. Oktober 2019 – 18 U 34/18, NZG 2020, 110 (113). 172 BT-Drs. 15/5092, S. 12. 173 Verse, ZGR 2017, 174 (177), dessen Ausführungen zur Rechtsermittlungspflicht insoweit übertragbar sind auf die Frage nach einer angemessenen Informationsgrundlage als Voraussetzung der Business Judgment Rule. 174 Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 17; für eine Präzisierung der rechtlichen Anforderungen durch die Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und eine Unterscheidung einzelner Entscheidungsschritte, die unterschiedliche Anforderungen an die jeweilige Informationsgrundlage stellen: Graumann, CCZ 2010, 222 (223 ff.). 175 Goette, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 123 (140 f.); ders., ZGR 2008, 436 (448); Redeke, ZIP 2011, 59 (60 ff.). 176 Goette, ZGR 2008, 436 (448); zustimmend: Altmeppen, GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 9. 177 T. Hölters/W.Hölters, in: W. Hölters/Weber, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 33. 178 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (10 f.); Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 93 f.; Kocher, CCZ 2009, 215 (221); Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (444); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2087); Redeke, ZIP 2011, 59 (61 ff.); Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 7 Rn. 107; nach einer Literaturansicht soll die Entscheidung über den Umfang der Informationsgrundlage bereits eine unternehmerische Entscheidung im Sinne der Business Judgment Rule sein: Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 55; kritisch hierzu: Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 125 ff.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 105

Der BGH hat den Maßstab mehrfach umformuliert. Nachdem er in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung gefordert hatte, dass die Entscheidung „auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“ beruhen müsse179, hat er in einem Beschluss aus dem Jahr 2008 unter Verweis auf einen Beitrag des Vorsitzenden Richters180 festgestellt, dass der Geschäftsführer einer GmbH „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen“ müsse.181 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 hat das Gericht diese Formulierung wieder aufgegriffen.182 Diese Formulierung legt eine Rückkehr zu einem strengeren Maßstab nahe, dürfte aber unbedacht erfolgt sein und keine Änderung in der Sache bedeuten.183 Der fünfte Strafsenat des BGH hat sich ausdrücklich dem in der Literatur befürworteten Maßstab angeschlossen.184 Indem der Gesetzgeber auf diese Weise die Perspektive für eine (gerichtliche) Beurteilung des Handelns auf den Geschäftsleiter aus der Sicht ex ante und auf die Sorgfalt der Entscheidungsvorbereitung verschiebt, mindert er den Einfluss von hindsight bias.185 Berücksichtigte das Gericht alle im Nachhinein verfügbaren Informationen, verzerrte dies den Sorgfaltsmaßstab und schüfe dies einen Fehlanreiz: Um eine Haftung zu vermeiden, würde der Geschäftsleiter unverhältnismäßig hohe Kosten auf die Informationsbeschaffung verwenden (etwa durch Gutachten) und der Entscheidungsprozess sich dadurch insgesamt verlangsamen. Andererseits könnte ein rein subjektiver Ansatz dazu führen, dass ein Geschäftsleiter nicht die gebotene Mühe für die Informationsbeschaffung aufwendet, Informationen bewusst nicht einholt oder vertuscht.186 Es ist nicht systemwidrig, dass der Gesetzgeber dem Geschäftsleiter auch in Bezug auf die Informationsgrundlage einen Beurteilungsspielraum zugebilligt hat. Auch in anderen Bereichen des Zivilrechts finden sich derartige Beurteilungsspielräume.187 Für eine gemischt subjektiv-objektive Bewertung spricht auch das Verständnis, welches der Empfehlung des American Law Institute in Bezug auf das US-amerikanische Vorbild der deutschen Business Judgment Rule zugrunde liegt.188 Maßgeblich ist demnach der Umfang an Informationen, den 179

BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1928). Goette, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 123 (140 f.). 181 BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361 (3363). 182 BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636 (3639). 183 Bachmann, NZG 2013, 1121 (1125). 184 BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15, NJW 2017, 578 (580). 185 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9); Fleischer, in: Henssler, BeckOGK, § 93 AktG Rn. 93; ders., in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (840). 186 Korch, Haftung und Verhalten, S. 167. 187 Scholz, AG 2018, 173 (176), unter Verweis auf das Beispiel des Arzthaftungsrechts, BGH, Urteil vom 8. Juli 2003 – VI ZR 304/02, NJW 2003, 2827 (2827 f.). 188 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recom180

106

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

die Führungskraft im Einzelfall vernünftigerweise für angemessen hält. Der Zeitdruck kann daher auch eine Entscheidung trotz möglicherweise unvollständiger Informationen erfordern, wenn dies nach Auffassung der Führungskraft nach den Umständen der konkreten Situation geboten ist. 5. Gutgläubigkeit Der Geschäftsleiter muss gutgläubig gehandelt haben.189 Dieses Kriterium hat keine eigenständige Bedeutung neben der Anforderung, dass der Geschäftsleiter vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft (und damit auch ohne Sonderinteressen oder sachfremde Einflüsse) zu handeln (siehe dazu § 4B.IV. 2–4).190 Danach ist die Perspektive des Geschäftsleiters („annehmen“) maßgeblich, wobei diese Sichtweise durch ein objektives Kriterium („durfte“) begrenzt ist. Die Einschränkung „vernünftigerweise“ eröffnet die Möglichkeit einer begrenzten inhaltlichen Kontrolle.191 Diese Vertretbarkeitsprüfung weicht ab von dem Konzept, wonach im Rahmen von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nur die Entscheidungsfindung überprüfbar ist, und beschränkt sich auf evident unvertretbares Verhalten.192 Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der Geschäftsleiter ein Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt hat.193 Diese Kontrollmöglichkeit entspricht der Rechtsprechung des BGH, der sich in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung die Prüfung eines pflichtwidrigen Verhaltens für Ausnahmefälle vorbehalten hat, in denen die Grenzen des unternehmerischen Handlungsspielraums „deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß“.194 Soweit das Merkmal der Gutgläubigkeit eine weitergehende Überprüfung ermöglichen soll, konterkariert sie das Konzept der Business Judgment Rule, womendations, Volume 1, Comment e to § 4.01(c): „Here, as elsewhere in Part IV, the term ,reasonably believes‘ has both an objective and a subjective content.“ 189 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 190 Ebenso Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 462. 191 Ausführlich zur Auslegung des Merkmals „vernünftigerweise“ mit dem Ergebnis, dass es grob fahrlässiges Handeln ausschließen soll: Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 128 ff. 192 Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 8 Rn. 11 ff.; Spindler, in: Goette/ Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 63 ff.; für eine Plausibilitätskontrolle bei offensichtlichen, nicht mehr nachvollziehbaren Entscheidungen auch Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 113 ff., 124, nach denen diese Prüfung aber auch im Rahmen des Merkmals der Gutgläubigkeit als „Notanker richterlicher Entscheidungskontrolle“ erfolgen soll; ablehnend: Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 121 f. 193 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 194 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1928).

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 107

nach zunächst nur eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung und nur bei Überschreiten ihrer Voraussetzungen eine eingehende Kontrolle erfolgen soll.195 6. Rechtsfolgen der Business Judgment Rule a) Rechtsfolgen bei Einhaltung der Anforderungen Wahrt eine unternehmerische Entscheidung die Anforderungen der Business Judgment Rule, ist sie keine Pflichtverletzung und begründet daher keine Haftung des Geschäftsleiters. Die Regelungstechnik in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist im deutschen Recht ungewöhnlich196 und die dogmatische Einordnung der Business Judgment Rule umstritten. Der Gesetzgeber verwendet in den Gesetzesmaterialien den Begriff des sicheren Hafens, wobei er ihn im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung versteht.197 Ein safe harbor ist keine dogmatische Kategorie, sondern eine Regelungstechnik.198 Im Vergleich zu einem Verbotskatalog bietet ein safe harbor zwar ebenfalls einen feststehenden Rahmen für ein bestimmtes Verhalten, gleichzeitig aber eine größere Flexibilität als eine (abschließende) Aufzählung von Verboten oder Geboten.199 Sind die Voraussetzungen erfüllt, treffen den Normadressaten keine Rechtsnachteile.200 Mit der Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG hat der Gesetzgeber einen „sicheren Hafen“ dahingehend eröffnet, dass sich die gerichtliche Überprüfung zunächst auf die in der Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale beschränkt. Entsprechend dem US-amerikanischen Vorbild, erfolgt auf einer ersten Stufe nur eine Prüfung der Voraussetzungen nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Sind diese erfüllt, schließt das Geschäftsleiterermessen eine Haftung des betreffenden Organmitglieds für einen Schaden infolge der Entscheidung ebenso aus wie eine nähere inhaltliche Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung. Indem die Business Judgment Rule nur einen sicheren Hafen eröffnet, ohne ein bestimmtes Verhalten zwingend vorzugeben, bietet sie Flexibilität, um den komplexen Zusammenhängen und dynamischen Entwicklungen im Wirtschaftsleben gerecht zu werden.201 Auf die dogmatische Einordnung der Business Judgment Rule kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Sie ist erst relevant für

195

Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 462. Scholz, AG 2018, 173 (173). 197 BT-Drs. 15/5092, S. 11. 198 Zur methodischen Einordnung von safe harbor-Regelungen: Augschill, „Safe harbor“Regelungen, S. 156 ff. 199 Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (700); zum Bedürfnis nach hinreichend flexiblen gesetzlichen Vorgaben auch Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 21 f, 40 f., 132. 200 Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (700 f.); unter Hervorhebung der mittelbaren Form der Verhaltenssteuerung durch den Anreiz eines Haftungsfreiraums: Augschill, „Safe harbor“Regelungen, S. 138 f. 201 Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 21 f., 132. 196

108

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

die Rechtsfolgen, wenn eine Entscheidung die Grenzen der Business Judgment Rule überschreitet. Sind die Anforderungen der Business Judgment Rule erfüllt, liegt keine Pflichtverletzung vor. Ließe das Geschäftsleiterermessen nicht die objektive Sorgfaltspflichtverletzung, sondern nur den subjektiven Verschuldensvorwurf entfallen, hätte das Organmitglied zwar ebenfalls keine Haftung zu befürchten, aber die Entscheidung wäre einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich und damit in ihrem Fortbestand gefährdet.202 Mangels einer Pflichtverletzung kann die unternehmerische Entscheidung nicht den Anlass für einen Widerruf der Bestellung eines Organmitglieds nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG bilden, welcher nur eine objektive Pflichtverletzung voraussetzt.203 War die unternehmerische Entscheidung objektiv (mit-)ursächlich dafür, dass sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert, schützt ein Eingreifen der Business Judgment Rule ein Vorstandsmitglied aber nicht vor einer Herabsetzung seiner Vergütung. Auch wenn die unternehmerische Entscheidung nicht pflichtwidrig war, kann sie Berücksichtigung finden bei der Entscheidung des Aufsichtsrats, die Vergütung des verantwortlichen Vorstandsmitglieds nach § 87 Abs. 2 AktG herabzusetzen.204 b) Rechtsfolgen bei Überschreiten der Grenzen Liegen die Voraussetzungen der (deutschen) Business Judgment Rule nicht vor, ist der weitere gerichtliche Prüfungsumfang umstritten. Maßgeblich für die Rechtsfolgen ist die dogmatische Einordnung der Regelung.205 Ist lediglich kein sicherer Hafen eröffnet, muss das Gericht für die Frage der Haftung im Einzelnen prüfen, ob der Geschäftsleiter seine Pflichten verletzt hat. Enthält die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dagegen eine abschließende Konkretisierung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs, bedeutet ein Nichtvorliegen der Voraussetzungen zwingend eine haftungsbegründende Pflichtverletzung. Nach den Gesetzesmaterialien beinhaltet § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine „haftungstatbestandlich[e] Freistellung“ bzw. eine „Tatbestandseinschränkung“.206 Dauner-Lieb spricht daher von einem Tatbestandsausschlussgrund.207 Andere

202

J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 30, 32. C. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1255); so auch Krieger, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 3 Rn. 11; a.A.: Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 128. 204 Spindler, DB 2015, 908 (909) m.w.N. 205 Missverständlich insoweit Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 46 f., nach dem die Einordnung keine besonderen Konsequenzen haben soll, der aber dem Verhältnis der Business Judgment Rule zur allgemeinen Sorgfaltspflicht dennoch maßgebliche Bedeutung für die Rechtsfolgen beimisst. 206 Vgl. BT-Drs. 15/5092, S. 11. 207 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 19; zustimmend: Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 461. 203

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 109

Literaturstimmen bewerten die Business Judgment Rule stattdessen als unwiderlegbare Vermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens208 oder betrachten § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG als Konkretisierung zu § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG209. Nach der letztgenannten Ansicht konkretisiert die Business Judgment Rule den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab und regelt die Anforderungen, die das Recht an unternehmerische Entscheidungen eines Geschäftsleiters stellt (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG).210 Einzelne Vertreter dieser Ansicht verneinen einen abschließenden Charakter der Konkretisierung.211 Eine Konkretisierung bedeutet zugleich einen Ausschluss abweichender Kriterien, so dass diese Bewertung nicht überzeugt. Genügt eine unternehmerische Entscheidung nicht den Anforderungen der Business Judgment Rule, begründet dieser Verstoß im Falle einer (abschließenden) Konkretisierung stets eine Pflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG.212 Enthielte § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG tatsächlich eine abschließende Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht, wäre ein Verhalten des Geschäftsleiters zwingend als Pflichtverletzung zu bewerten, wenn es den Anforderungen der Business Judgment Rule nicht genügt. Diese Rechtsfolge findet aber keinen Anhaltspunkt im Gesetz.213 Vielmehr spricht die negative Formulierung der Vorschrift dafür, dass eine Nichterfüllung der Business Judgment Rule lediglich bedeutet, dass ein Nichtvorliegen der Pflichtverletzung nicht ausgeschlossen ist.214 Eine positive Formulierung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wäre möglich gewesen215 und würde eindeutig § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG konkretisieren. Der Gesetzgeber hat sich aber offensichtlich gegen eine solche Regelung entschieden und die umständlichere negative Formulierung gewählt. Das lässt den Rückschluss zu, dass bei Nichterfüllung der Business Judgment Rule nicht automatisch eine Pflichtverletzung gegeben sein soll216, zumal die Formulierung angesichts der 208 Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 181 f.; J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 33; P. Doralt/W. Doralt, in: FS Koziol (2010), S. 565 (577 f.). 209 Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 454 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 86 ff. 210 Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 452 ff.; Scholz, AG 2018, 173 (178); ders., AG 2015, 222 (225 ff.); ders., Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, S. 86 ff. 211 Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 46 f. 212 Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 452, 455 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, S. 97 f. 213 OLG München, Urteil vom 12. Januar 2017 – 23 U 3582/16, ZIP 2017, 372 (375). 214 Ebenso Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 37, 42; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. Rn. 15. 215 Vgl. Vorschlag von Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 105: „Die nach Satz 1 gebotene Sorgfalt erfordert bei einer unternehmerischen Entscheidung, dass das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen darf, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ 216 Vgl. Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 41, nach dem die negative Formulierung belegt, dass die Business Judgment Rule nicht abschließend ist.

110

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Bestimmung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auch nicht einer abweichenden Regelung der Darlegungs- und Beweislast dient. Die automatische Annahme einer Pflichtverletzung bei Nichteinhaltung der Business Judgment Rule vermag in der Sache nicht zu überzeugen. So ist etwa denkbar, dass ein Geschäftsleiter eine unternehmerische Entscheidung zwar auf einer nicht ausreichenden Informationsgrundlage getroffen hat, diese aber im Ergebnis nicht zu beanstanden und daher nicht pflichtwidrig ist.217 Die Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG dient nicht dazu, die Gesellschaft vor Verlusten infolge einer vertretbaren unternehmerischen Entscheidung zu schützen. Entspricht eine Entscheidung im Ergebnis der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wahrt aber die Entscheidungsfindung nicht die Grenzen nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, greift die ratio der Geschäftsleiterhaftung nicht.218 Mit eben dieser Argumentation kommt Scholz, der eine abschließende Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht durch die Anforderungen der Business Judgment Rule unterstellt, letztlich zu dem gleichen Ergebnis. Er verortet aber das Problem einer vertretbaren Entscheidung trotz des Verstoßes gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bei der Schadenszurechnung bzw. beim Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens.219 Es gelte zu bewerten, ob die Folgen eines pflichtwidrigen Verhaltens dem Schadensverursacher billigerweise zuzurechnen sind. Eine unwiderlegliche Vermutung pflichtkonformen Verhaltens lässt dagegen von vornherein Raum für ein pflichtgemäßes Verhalten auch außerhalb der Voraussetzungen gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.220 Die persönliche Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bedeutet für das einzelne Organmitglied eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz. Eine derart einschneidende Rechtsfolge erfordert eine eingehende Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale, welcher ein bloßer Umkehrschluss aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht gerecht wird.221 Diese pauschale Schlussfolgerung stünde im Gegensatz zu dem ausdifferenzierten System der Sorgfaltsanforderungen an einen Geschäftsleiter. Unternehmerisches Handeln lässt sich mangels eines eindeutigen Beurteilungsmaßstabs nicht auf nur eine einzige richtige Entscheidung festlegen, sondern regelmäßig sind – jedenfalls aus Sicht ex ante – mehrere Verhaltensweisen vertretbar.222 Es besteht gerade keine Erfolgshaftung, sondern nur die Pflicht, die 217 OLG München, Urteil vom 12. Januar 2017 – 23 U 3582/16, ZIP 2017, 372 (375); Seyfarth, Vorstandsrecht, § 23 Rn. 20. 218 Scholz, AG 2015, 222 (228). 219 Scholz, AG 2015, 222 (227 ff.); ders., Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, S. 98 ff.; aus dieser Einordnung ergäben sich aber keine beweisrechtlichen Konsequenzen. 220 Augschill, „Safe harbor“-Regelungen, S. 181 f.; J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 33; P. Doralt/W. Doralt, in: FS Koziol (2010), S. 565 (577 f.). 221 J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 31, spricht von „kaum tragfähigen Ergebnissen“ nach Maßgabe der Gegenauffassung. 222 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 18; Flaßhoff, Die

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 111

Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine eingehende Prüfung nach Maßgabe von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG käme typischerweise zu dem Ergebnis eines pflichtgemäßen Verhaltens, wenn eine unternehmerische Entscheidung die Anforderungen nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG erfüllt.223 Die Business Judgment Rule betrifft nur einen Ausschnitt pflichtgemäßen Verhaltens und normiert dieses nicht abschließend. Es ist daher vorzugswürdig, die Regelung als unwiderlegliche Vermutung zu qualifizieren. Sind die Anforderungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt, bedeutet das demnach nicht zwingend, dass der Geschäftsleiter eine Pflichtverletzung begangen hat. Die Nichterfüllung bedeutet im Umkehrschluss zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich, dass ein Nichtvorliegen der Pflichtverletzung nicht ausgeschlossen ist und dass sich eine gerichtliche Überprüfung nicht auf die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG genannten Voraussetzungen beschränkt. Ein Gericht muss die Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht nach Maßgabe von § 93 Abs. 2 AktG und vor allem die Frage nach einer Pflichtverletzung im Einzelnen prüfen. Für eine Indizwirkung eines Verstoßes gegen die Business Judgment Rule in Bezug auf die Pflichtverletzung besteht kein gesetzlicher Anhaltspunkt.224 Ist der Tatbestand erfüllt, haftet das in Anspruch genommene Organmitglied nach dem Grundsatz der Totalreparation mit seinem Vermögen für den gesamten Schaden, § 249 Abs. 1 BGB.

V. Unternehmerische Entscheidungen leitender Angestellter 1. Eingreifen der Zwecke des Geschäftsleiterermessens Unternehmerische Aufgaben nehmen nicht nur Organmitglieder, sondern auch leitende Angestellte wahr. Diese Funktion unterscheidet sie von anderen Arbeitnehmern. Die leitenden Angestellten stehen insoweit der Unternehmensführung

Beweislastverteilung bei der Organhaftung, S. 430; Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 116: „Unternehmerisches Verhalten entzieht sich einer stringenten Richtigkeitskontrolle.“; Semler, in: FS Ulmer (2003), S. 627 (632). 223 J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 33. 224 Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 8 Rn. 2 ff., nach dem es darauf ankommt, welches Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist; so auch Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 283 f.; Seyfarth, Vorstandsrecht, § 23 Rn. 20; zurückhaltend auch Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 72, 116; a.A.: BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15, NZG 2017, 116 (117); Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 47. Nach Auffassung des fünften Strafsenats des BGH indiziert ein Überschreiten der Grenzen unternehmerischen Ermessens nicht nur eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten, sondern begründet auch eine Pflichtwidrigkeit des Handelns im Sinne von § 266 StGB, BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15, NZG 2017, 116 (116 f.); Urteil vom 22. November 2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453 (454 f.).

112

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

nahe.225 Soweit ihm der Arbeitgeber unternehmerische Aufgaben zugewiesen hat, muss der leitende Angestellte in diesem Bereich unternehmerische Entscheidungen treffen oder ist zumindest an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Bei einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung ist er in gleichem Maße wie Organmitglieder der Gefahr ausgeliefert, dass hindsight bias und outcome bias die Wahrnehmung der Richter verzerren. Auch wenn das Arbeitnehmerprivileg die Haftung beschränkt, drohen einem leitenden Angestellten im Falle einer pflichtwidrigen Entscheidung erhebliche Verluste, zumal die Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf leitende Angestellte bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist. Trotz des Haftungsprivilegs besteht das Risiko, dass ein leitender Angestellter aus Sorge vor einer persönlichen Inanspruchnahme risikobehaftete Chancen nicht ergreift und dadurch eine dynamische Unternehmensführung bremst.226 Ebenso wenig wie bei einem Organmitglied lässt sich bei einem leitenden Angestellten aus Sicht ex ante stets eindeutig bestimmen, welche von mehreren Handlungsmöglichkeiten bei einer unternehmerischen Entscheidung richtig ist. Dementsprechend ist auch leitenden Angestellten bei unternehmerischen Entscheidungen ein Entscheidungsspielraum zuzugestehen. Dass ein leitender Angestellter einen eigenen Entscheidungsspielraum haben muss, findet sich auch in den Begriffsbestimmungen zum leitenden Angestellten wieder (siehe § 2A.I.3, § 2A.II.3). Mangels eines eindeutigen und justitiablen Maßstabs für den Inhalt der Entscheidung, sollte sich auch bei leitenden Angestellten die gerichtliche Überprüfbarkeit zunächst auf die Entscheidungsfindung beschränken. Die Business Judgment Rule bietet der Führungskraft zumindest in Bezug auf die Vorbereitung der Entscheidung einen transparenten Verhaltensstandard, den sie zur Vermeidung von Haftung einhalten muss.227 Nur wenn sie die Grenzen dieses Handlungsspielraums überschreitet, greift die unwiderlegbare Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens nicht und die Entscheidung unterliegt einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle.

225

Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 231. 226 Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (593); in diese Richtung auch Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 232. 227 Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (593); Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 63.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 113

2. Vermeidung von Wertungswidersprüchen Organmitglieder können Entscheidungen an nachgeordnete Mitarbeiter, insbesondere an leitende Angestellte delegieren. Eine Ausnahme gilt für Leitungsentscheidungen wie beispielsweise eine Änderung der Unternehmensstruktur.228 Auch wenn grundsätzlich unterschiedliche Sorgfaltsanforderungen für Organmitglieder und Arbeitnehmer gelten, kann eine Anwendung unterschiedlicher Maßstäbe auf unternehmerische Entscheidungen zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen führen: Hat ein Organmitglied die Entscheidung getroffen und wahrt diese die Grenzen der Business Judgment Rule, erfolgt keine weitere Kontrolle und die Entscheidung ist (unwiderleglich) als pflichtgemäß anzusehen. Hat ein leitender Angestellter die gleiche Entscheidung unter den gleichen Umständen getroffen, unterliegt die Entscheidung einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung und kann sich als pflichtwidrig herausstellen. Anders als bei der Entscheidung des Organmitglieds greift keine unwiderlegbare Vermutung, wonach die Entscheidung pflichtgemäß ist. Die beiden Konstellationen entscheiden sich nur dadurch, dass im zweitgenannten Fall das Organmitglied die Entscheidung an einen leitenden Angestellten delegiert hat. Ein leitender Angestellter hat keine weitergehenden Befugnisse als ein Organmitglied, so dass eine unterschiedliche Bewertung derselben Entscheidung nicht gerechtfertigt ist.229 Ohne ein Geschäftsleiterermessen unterläge ein Arbeitnehmer einer strengeren Haftung als ein Organmitglied. Wenn die Rechtsordnung schon den Organmitgliedern einen haftungsfreien Handlungsspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen zubilligt, so muss dies erst recht für einen leitenden Angestellten gelten, der aufgrund seiner Stellung als Arbeitnehmer besonders schutzwürdig ist (siehe § 4A.III.2). Es widerspräche den zahlreichen Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern, unterlägen sie hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungen, die sie für ihren Arbeitgeber treffen, einer strengeren Haftung als die Mitglieder von Gesellschaftsorganen.230 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gilt es, einen Gleichlauf von Sorgfaltsmaßstab und Haftung insoweit herzustellen, als die Frage nach der Pflichtverletzung nach den gleichen Kriterien zu beurteilen ist und nicht von der Stellung des Handelnden abhängen soll.231 Organmitglieder und leitende Angestellte sind diesbezüglich gleich zu behandeln.232 228 Eine solche Entscheidung kann im Einzelfall auch der Vorstand nur mit Zustimmung der Hauptversammlung treffen, BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 – II ZR 174/80, NJW 1982, 1703 (1708). 229 Vgl. Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (595); Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 81, 118. 230 In diese Richtung auch Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (594); Möller, NZA 2017, 1567 (1571). 231 Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (594 f.); Möller, NZA 2017, 1567 (1571). 232 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 18.

114

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

3. Sorgfaltsmaßstab a) Leitbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters Das Arbeitsrecht bietet keinen separaten Maßstab für die Sorgfalt, die ein leitender Angestellter bei unternehmerischen Handlungen anzuwenden hat. Um das Verhalten sachgerecht beurteilen zu können, kommt ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter als Leitbild in Betracht. Dieses Ideal bestimmen die Vorschriften der § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG für die Mitglieder von Gesellschaftsorganen. Mit den Regelungen hat der Gesetzgeber die Bestimmung des § 276 Abs. 2 BGB ergänzt und einen Sorgfaltsmaßstab für organschaftliches Verhalten vorgegeben. Der Sorgfaltsmaßstab trägt den Anforderungen Rechnung, die sich für einen Geschäftsleiter aus der unternehmerischen Verantwortung und der treuhänderischen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen ergeben.233 Soweit leitende Angestellte in unternehmerischen Funktionen tätig werden, sehen sie sich mit den gleichen Erwartungen konfrontiert.234 Die Ausrichtung auf die spezifischen Anforderungen an einen Geschäftsleiter könnte eine Übertragung des Sorgfaltsmaßstabs aus dem Gesellschaftsrecht auf unternehmerische Entscheidungen leitender Angestellter rechtfertigen. Als Arbeitnehmer schuldet ein leitender Angestellter zwar grundsätzlich nur, die vereinbarte Tätigkeit unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit auszuüben.235 Bei der Wahrnehmung unternehmerischer Funktionen muss er allerdings, ungeachtet etwaiger subjektiver Unfähigkeit, möglicherweise die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden. b) Pflicht zur Förderung des Unternehmensinteresses Das Unternehmensinteresse bindet einen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht. Die allgemeinen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verpflichten einen Arbeitnehmer dazu, auf die Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.236 Dies beinhaltet keine Pflicht, die Unternehmensziele aktiv zu

233

Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 7; Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 15; ders., in: MüKoGmbHG, § 43 GmbHG Rn. 10; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, § 93 AktG Rn. 58; J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 8. 234 A.A. wohl Entzeroth, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, S. 227 f. 235 BAG, Urteil vom 17. Januar 2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 (694); statt vieler: Preis, in: ErfK, § 611a BGB Rn. 736 f. 236 Vgl. Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 53 Rn. 14 f.; dazu auch Buchner, ZfA 1979, 335 (342 f.), der von „den Leistungserfolg absichernde[n] Leistungstreuepflichten“ spricht und eine völlige Loslösung des Arbeitnehmers von den Unternehmenszielen daher ablehnt.

B. Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen 115

fördern.237 Die geringere Bindung an das Unternehmensinteresse unterscheidet den Arbeitnehmer vom Organmitglied oder Gesellschafter.238 Ein leitender Angestellter aber nimmt unternehmerische Funktionen wahr und tritt teilweise als Repräsentant seines Arbeitgebers auf. Dieser Umstand rechtfertigt es, einen leitenden Angestellten in höherem Maße als andere Arbeitnehmer dem Unternehmensinteresse zu verpflichten239 und ihn am Leitbild eines ordentlichen und sorgfältigen Geschäftsleiters zu messen. Die Bindung an das Unternehmensinteresse entspricht dem Einfluss, den leitende Angestellte auf die Unternehmensentwicklung haben. Dieser Einfluss, sei es durch ihre Personalverantwortung oder durch andere Kompetenzen, und die Vertretung von Unternehmensinteressen gegenüber der Belegschaft oder Dritten kennzeichnet leitende Angestellte nach jedwedem Begriffsverständnis (siehe dazu § 2A.I.3.b), § 2A.II.3, § 2A.III). Eine stärkere Bindung an das Unternehmensinteresse zeigt sich beispielsweise auch an dem (im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern gesteigerten) Arbeitszeiteinsatz.240 Das Arbeitszeitrecht findet auf leitende Angestellte keine Anwendung (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG).241 c) Bindung an die unternehmensinterne Zuständigkeitsordnung Anders als ein Vorstandsmitglied oder ein Geschäftsführer ist ein leitender Angestellter nicht kraft Organstellung zur Wahrnehmung unternehmerischer Funktionen berufen. Seine Stellung beruht ausschließlich auf dem Arbeitsvertrag bzw. auf den mit dem Arbeitgeber vereinbarten Aufgaben. Ein leitender Angestellter hat keine originären Entscheidungsbefugnisse, sondern leitet seine Kompetenzen von einem Gesellschaftsorgan ab. Dementsprechend muss er vorgelagerte Kompetenzen respektieren und unterliegt einer „strikte[n] Bindung an die unternehmensinterne Zuständigkeitsordnung“.242 Anders als die Organmitglieder ist ein leitender Angestellter nicht dazu berufen, die Unternehmenspolitik nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und or237 Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 203. 238 Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 139 (140). 239 Vgl. Buchner, ZfA 1979, 335 (351 f.), der aus der Stellung eines leitenden Angestellten eine umfassende Kooperations- und Loyalitätspflicht gegenüber der Unternehmensführung ableitet. 240 Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 208; Kaiser, in: AR-Blattei SD 70.2 Rn. 207. 241 Die Ausnahme bezieht sich auf leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG; zur Kritik hieran siehe § 2C. 242 Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 82, 117; in diese Richtung auch Raiser, ZHR 144 (1980), 206 (223), nach dem die Unternehmensziele als Bewertungsmaßstab für das Handeln von Anteilseignern und Beschäftigten dienen und sich in Kompetenz- und Verfahrensregeln niederschlagen, die auf nachgelagerter Ebene stets einzuhalten sind.

116

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

ganschaftliche Leitungsentscheidungen zu treffen, sondern übt seine unternehmerischen Funktionen in dem von den Gesellschaftsorganen vorgegebenen Rahmen und nur in dem vertraglich zugewiesenen Bereich aus.243 d) Dogmatische Umsetzung Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Geschäftsleiterermessens ist der Begriff der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist einer Auslegung unter Berücksichtigung des allgemeinen Rechtsgedankens der Business Judgment Rule zugänglich. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist der Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen nicht auf die aktienrechtliche Organhaftung beschränkt, sondern „findet sich auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung“.244 Erfüllt eine unternehmerische Entscheidung die Anforderungen der Business Judgment Rule, besteht eine unwiderlegliche Vermutung, dass der leitende Angestellte keine Pflichtverletzung begangen hat, so dass es am Tatbestand des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt. Einer analogen Anwendung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bedarf es angesichts des auslegungsfähigen Begriffs der Pflichtverletzung nicht. e) Zwischenergebnis Trifft ein leitender Angestellter unternehmerische Entscheidungen, hat er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Die Wahrnehmung unternehmerischer Teilfunktionen verpflichtet ihn zur Förderung des Unternehmensinteresses, so dass dieser Maßstab eine sachgerechte Beurteilung ermöglicht. Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist unter Berücksichtigung der Business Judgment Rule auszulegen.

C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime Das Arbeitnehmerprivileg kommt für sämtliches betrieblich veranlasstes Verhalten des leitenden Angestellten als Schutz in Betracht, wohingegen das Geschäftsleiterermessen nur bei unternehmerischen Entscheidungen eingreifen kann. Zu klären ist, ob der Schutz eines der beiden Haftungsregime ausreicht (I und II) oder ob beide kumulativ Anwendung finden (III).

243 Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 84 f.; in diese Richtung auch Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 (594). 244 BT-Drs. 15/5092, S. 12; nochmals bekräftigt durch die Ausführungen zum Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften, BT-Drs. 18/11506, S. 28.

C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime

117

I. Ausschließliche Anwendung der Business Judgment Rule Wahrt ein leitender Angestellter bei einer unternehmerischen Entscheidung die Anforderungen der Business Judgment Rule, lässt diese bereits die Pflichtverletzung und damit den haftungsbegründenden Tatbestand entfallen. Anders als bei Organmitgliedern richtet sich die Haftung nach der allgemeinen Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Genügt die Entscheidung des leitenden Angestellten nicht den Voraussetzungen des Geschäftsleiterermessens, prüft das Gericht im Einzelnen die Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht. Haftet der leitende Angestellte dem Grunde nach, stellt sich beim Umfang der Schadensersatzforderung die Frage, ob auf dieser Stufe die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze Anwendung finden. Möglicherweise schützt bereits die Anwendung der Business Judgment Rule den leitenden Angestellten hinreichend, so dass es einer Haftungsbeschränkung durch das Arbeitnehmerprivileg und einer Abwägung der Gesamtumstände analog § 254 BGB nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten nicht bedarf. 1. Weisungsgebundenheit Die Business Judgment Rule trägt den Besonderheiten unternehmerischen Handelns Rechnung. Sie beeinflusst aber nicht diejenigen Aspekte, welche eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung begründen und auch auf einen leitenden Angestellten zutreffen (siehe § 4A). Einer Haftung allein nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen Business Judgment Rule steht insbesondere die Weisungsgebundenheit des leitenden Angestellten entgegen.245 Auch wenn der Arbeitgeber weitgehend auf die Ausübung seines Direktionsrechts verzichten mag, ist der leitende Angestellte an etwaige Weisungen gebunden und kann diese nicht einfach übergehen. Als Arbeitnehmer muss er auch bei unternehmerischen Entscheidungen etwaige Weisungen des Arbeitgebers einhalten. Die Weisungsgebundenheit verdeutlicht die strikte Bindung des leitenden Angestellten an unternehmensinterne Zuständigkeiten (siehe § 4B.V. 3). Damit besteht eine andere Interessenlage als bei einem Organmitglied, insbesondere bei einem Vorstandsmitglied. Der Vorstand leitet die Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung. Dass ihm Geschäftsordnung und Satzung sowie das Zustimmungserfordernis bestimmter Rechtsgeschäfte, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, gewisse Grenzen setzen, ist nicht vergleichbar mit der Stellung eines leitenden Angestellten, dessen Arbeitsleistung der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts im Einzelnen bestimmen darf, § 106 GewO. Ein Vorstandsmitglied ist nicht fremdbestimmt tätig.246 Abweichend kann dies in Bezug 245 So auch Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 5 Rn. 20, nach dem die Tatbestandsmerkmale der Business Judgment Rule im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze Berücksichtigung finden sollen; a.A.: Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 232 f. 246 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 578.

118

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

auf einen Geschäftsführer zu beurteilen sein. Bei diesem kann sich im Einzelfall die Frage nach einer Fremdbestimmung stellen, wenn ihm die Gesellschafterversammlung durch Weisungen einen engen Rahmen für eigene Entscheidungen vorgibt (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Wenn die Literatur schon für Organmitglieder die Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs diskutiert247, so müssen die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze erst recht auf die leitenden Angestellten Anwendung finden, die als Arbeitnehmer den übrigen Arbeitnehmern deutlich näher stehen als die Organmitglieder.248 2. Unternehmerische Teilfunktionen Auch wenn § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einen interessengerechten Ansatz beinhaltet, bietet die alleinige Anwendung dieses Geschäftsleiterermessens den leitenden Angestellten keinen hinreichenden Schutz. Diese sind eben gerade keine Organmitglieder, sondern Arbeitnehmer. Sie wirken an unternehmerischen Entscheidungen mit, unterliegen aber der Überwachung durch die Gesellschaftsorgane.249 Sie übernehmen lediglich unternehmerische Teilfunktionen auf der Grundlage ihres Arbeitsvertrags und haben keine mit Gesellschaftsorganen vergleichbare umfassende Verantwortung. Sie sind nur schuldrechtlich und nicht kraft einer gesellschaftsrechtlichen Organstellung dazu verpflichtet, unternehmerische Funktionen wahrzunehmen.250 Leitende Angestellte sind daher nur teilweise vergleichbar mit Organmitgliedern. Während ein Arbeitnehmer fremdbestimmt für seinen Arbeitgeber und damit (auch) fremdnützig tätig ist, ist ein Organmitglied kraft seiner körperschaftlichen 247 Bachmann, ZIP 2017, 841 (844 ff.); Hopt, ZIP 2013, 1793 (1804); J. Koch, AG 2012, 429 (433 ff.); Wilhelmi, NZG 2017, 681 (684 ff.); vorbehaltlich eines Abhängigkeitsverhältnisses des Organvertreters zur Gesellschaft: H.-J. Fritz, NZA 2017, 673 (678 f.); ablehnend: Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 313 ff.; Brox/Walker, DB 1985, 1469 (1477); Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 GmbHG Rn. 256; Joussen, GmbHR 2005, 441; Melot de Beauregard/ Baur, DB 2016, 1754 (1758); Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 267 ff.; Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 28 ff., nach dem zwar die Wertungen des Haftungsprivilegs zum Teil auch bei Organmitgliedern greifen, der aber eine Haftungsbegrenzung angesichts der detaillierten gesetzlichen Regelungen zur Organhaftung de lege lata verneint (vorbehaltlich einer Begrenzung auf Grundlage von Treue- und Fürsorgepflichten bei existentiellen Risiken); in diese Richtung auch Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 566, 573 ff. der aber (mit Ausnahme der Sonderfälle im Sinne von § 43 Abs. 3 GmbHG) für eine teleologische Reduktion von § 43 Abs. 1 GmbHG und eine Anwendung der des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs plädiert, wenn ein Geschäftsführer bei atypischen Tätigkeiten ausnahmsweise in einem solchen Maße persönlich abhängig ist von der Gesellschaft, dass er einem Arbeitnehmer (zumindest) vergleichbar ist. 248 Bröckner, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, S. 224. 249 Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 237. 250 Vgl. dazu auch Müller, NZA-Beilage 2014, 30 (31).

C. Verantwortlichkeit nach Maßgabe beider Haftungsregime

119

Stellung Vertreter der Gesellschaft (§ 35 GmbHG, § 78 AktG). Die Organstellung unterscheidet sich grundlegend von der Stellung eines Arbeitnehmers, der sich ausschließlich schuldrechtlich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Während die Arbeitsvertragsparteien festlegen, welche Aufgaben ein Arbeitnehmer wahrnimmt, verpflichtet sich ein Organ mit seiner Bestellung zur umfassenden Unternehmensleitung.251 Ein Organmitglied ist daher strukturell für die Steuerung der Betriebsrisiken verantwortlich. Wäre es zugleich aufgrund ebendieser Betriebsrisiken privilegiert hinsichtlich seiner Haftung, führte dies zu Widersprüchen.252 Ein leitender Angestellter hat dagegen nur partielle unternehmerische Kompetenzen, die einer Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze nicht entgegenstehen. 3. Zwischenergebnis Allein eine Anwendung der Business Judgment Rule wird der Stellung eines leitenden Angestellten als Arbeitnehmers nicht gerecht. Auch wenn ein leitender Angestellter in bestimmten, vertraglich zugewiesenen Bereichen zu unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt ist, ist er an etwaige Weisungen des Arbeitgebers gebunden und trägt, anders als ein Organmitglied, nur partielle Verantwortung. Diese Umstände müssen bei der Haftung Berücksichtigung finden können. Eine Anwendung des Geschäftsleiterermessens lässt daher das Bedürfnis nicht entfallen, eine Schadensersatzforderung des Arbeitgebers dem Umfang nach beschränken zu können.

II. Ausschließliche Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs Möglicherweise gewährleistet bereits das Arbeitnehmerprivileg eine interessengerechte Haftungsbeschränkung, so dass es des zusätzlichen Haftungsfreiraums bei unternehmerischen Entscheidungen nicht bedarf. Allerdings trägt die Business Judgment Rule gerade den Besonderheiten unternehmerischer Entscheidungen Rechnung, indem sie deren inhaltliche Überprüfung einschränkt. Die Zwecke, denen das Geschäftsleitermessen dient, greifen bei unternehmerischen Entscheidungen leitender Angestellter ebenso ein wie bei den Entscheidungen von Organmitgliedern (siehe § 4B.V. 1). Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze berücksichtigen nicht die Besonderheiten unternehmerischen Handelns. Das Arbeitnehmerprivileg erlaubt keinen abgestuften Prüfungsumfang, bei dem zunächst nur die Entscheidungsfindung und nur bei Überschreiten eines gewissen Handlungsspielraums eine umfassende Prüfung der Entscheidung erfolgt. Die Rechtsinstitute der beschränkten

251

Joussen, RdA 2006, 129 (135). Joussen, RdA 2006, 129 (135); ders., GmbHR 2005, 441 (445); eine solche Konstellation erinnert an das Rechtsphänomen der Konfusion, bei denen die Schuldner- und die Gläubigerstellung zusammenfallen. 252

120

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Arbeitnehmerhaftung und der Business Judgment Rule unterscheiden sich deutlich. Die Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs hat eine andere Zielrichtung als das Geschäftsleiterermessen und vermag eine Ungleichbehandlung von leitenden Angestellten und Organmitgliedern in Bezug auf unternehmerische Entscheidungen nicht zu rechtfertigen.253

III. Kompatibilität beider Haftungsregime Eine kumulative Anwendung der Business Judgment Rule und der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung ist dogmatisch konsequent und führt zu sachgerechten Ergebnissen, indem sie den Besonderheiten unternehmerischer Entscheidungen durch einen abgestuften Prüfungsumfang Rechnung trägt und bei der Frage nach dem Umfang eines Schadensersatzes eine einzelfallbezogene Gewichtung der konkreten Umstände zulässt.254 Die beiden Rechtsinstitute haben unterschiedliche Ansatzpunkte, so dass eine kumulative Anwendung möglich ist, ohne Widersprüche zu verursachen. Während die Business Judgment Rule auf Tatbestandsebene eingreift und bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen die Pflichtverletzung entfallen lässt, betrifft das Arbeitnehmerprivileg die Frage nach dem Haftungsumfang. Die kumulative Anwendung des gesellschaftsrechtlichen Haftungsfreiraums und der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung trägt auch zur Rechtssicherheit bei. Ob ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter zu qualifizieren ist, lässt sich häufig nicht eindeutig beurteilen. Diese Schwierigkeit wird umgangen, indem dieser Status nicht entscheidend ist für die Frage nach dem anzuwendenden Haftungsregime: Für das Eingreifen des Geschäftsleiterermessens kommt es darauf an, ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt. Genügt das Verhalten nicht den Anforderungen der Business Judgment Rule und bejaht ein Gericht im Rahmen einer umfassenden Überprüfung eine Pflichtverletzung, finden im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze sämtliche Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung. Maßgeblich ist nicht die Einordnung als leitender Angestellter, sondern entscheidend sind die konkrete Stellung und die Befugnisse des betreffenden Arbeitnehmers.

253 A.A. Entzeroth, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, S. 228, die eine Anwendung der Business Judgment Rule ablehnt und in der Anwendung ausschließlich der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze keine Ungleichbehandlung gegenüber den Organmitgliedern sieht. 254 Ebenso H.-J. Fritz, NZA 2017, 673 (676 f.); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 1243 ff.; wohl auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 18.

D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

121

D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Die Business Judgment Rule findet also Anwendung auf unternehmerische Entscheidungen von Arbeitnehmern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob für die Voraussetzungen auch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG gilt.

I. Gesetzliche Regelung für die Arbeitnehmerhaftung Als Anspruchsteller muss grundsätzlich der Gläubiger darlegen und beweisen, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen vorliegen, um seinen Schadensersatzanspruch gerichtlich durchzusetzen. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt dies nicht für das Vertretenmüssen. Danach trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Diese Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hebt die arbeitsrechtliche Sondervorschrift des § 619a BGB für den Bereich der Arbeitnehmerhaftung wieder auf. Verlangt der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Schadensersatz, so muss er nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers darlegen und beweisen.255 Nach umstrittener Ansicht des BAG gilt die Beweislastumkehr bei sämtlichen Pflichtverletzungen, selbst wenn diese arbeitsvertragliche Nebenpflichten betreffen.256 Als Arbeitnehmer fallen auch leitende Angestellte unter den personellen Anwendungsbereich des § 619a BGB.257 Die Beweislastregelung bildet das prozessuale Gegenstück zu den materiell-rechtlichen Wertungen der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze.258

II. Beweislastverteilung in der Organhaftung Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG trägt dagegen wegen seiner Sachnähe das Vorstandsmitglied die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat.259 Entsprechendes gilt für Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft (§§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG), die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat einer Genos-

255

BT-Drs. 14/7052, S. 204. BAG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 AZR 578/05, NZA 2007, 462 (463); a.A.: Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 13 ff. 257 Unter Bezugnahme auf den Anwendungsbereich der beschränkten Arbeitnehmerhaftung: Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 52. 258 Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 49; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 60. 259 BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358); Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 393; Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 274; kritisch zu dieser Beweislastverteilung: Hopt, ZIP 2013, 1793 (1803) m.w.N. 256

122

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

senschaft (§ 34 Abs. 2 Satz 2 GenG, gegebenenfalls i.V.m. § 41 GenG), und die Geschäftsführer einer GmbH (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG analog).260 Für ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung ist die Beweislastumkehr dagegen weder gesetzlich geregelt noch allgemein anerkannt. Im Schrifttum spricht sich die Mehrheit für eine entsprechende Geltung im Vereinsrecht aus.261 Die Gesellschaft muss danach Eintritt und Höhe des Schadens, die möglicherweise262 pflichtwidrige Handlung des in Anspruch genommenen Organmitglieds und die Kausalität zwischen Handlung und Schaden darlegen und beweisen.263 Der Haftungsfreiraum der Business Judgment Rule bildet die Ausnahme zur Ersatzpflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BGB. Genügt die unternehmerische Entscheidung den Anforderungen des Geschäftsleiterermessens, liegt keine Pflichtverletzung vor. Das Organmitglied muss darlegen und beweisen, dass es den unternehmerischen Entscheidungsspielraum gewahrt hat.264 Die Beweislastumkehr gilt also für die Beurteilung, ob die Business Judgment Rule eingreift bzw. ob es an einer Pflichtverletzung als Voraussetzung der Organhaftung fehlt. Damit die Business Judgment Rule tatsächlich ihren rechtspolitischen Zweck erreicht, kommt es entscheidend darauf an, wer die Darlegungs- und Beweislast trägt. Im deutschen Recht liegt diese beim Organmitglied. Infolgedessen können sich die Geschäftsleiter in der Praxis häufig nicht auf den „sicheren Hafen“ der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit berufen.265 Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entwertet den unternehmerischen Entscheidungsspiel-

260

Zur analogen Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG auf GmbH-Geschäftsführer: ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358); bestätigt etwa durch Beschluss vom 18. Februar 2008 – II ZR 62/07, NZG 2008, 314 (314); Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358). 261 Bayer/Scholz, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 3 Rn. 1466 ff.; zur stiftungsrechtlichen Vorstandshaftung: a.a.O., § 3 Rn. 1567 ff. 262 BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358 f.): „[…] trifft die Gesellschaft […] die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsleiters in seinem Pflichtenkreis, das als pflichtwidrig überhaupt in Betracht kommt, sich also insofern als „möglicherweise“ pflichtwidrig darstellt“ (Hervorhebung durch die Verfasserin); umstritten ist, welche Folgen für die Darlegungs- und Beweislast sich hieraus ergeben, näher dazu: OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 12 U 567/13, NZG 2015, 555 (556), wobei diese Entscheidung in der Literatur auf geteiltes Echo gestoßen ist; kritisch zu dem „Möglichkeitsvorbehalt“: Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 278 m.w.N. 263 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 22. Februar 2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549 (550); Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, NJW 2009, 850 (853); Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358). 264 BT-Drs. 15/5092, S. 12. 265 Zu der Diskussion einer abweichenden Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder: Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 398 ff.

D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

123

raum266 und ist ein entscheidender Unterschied zur US-amerikanischen Business Judgment Rule.267

III. Unternehmerische Entscheidung eines Arbeitnehmers Trifft ein Arbeitnehmer eine unternehmerische Entscheidung, findet die Business Judgment Rule Anwendung. Das Geschäftsleiterermessen hat seine ausdrückliche Normierung in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (und § 34 Abs. 1 Satz 2 GenG) gefunden. Dieser Umstand führt zu der Folgefrage, ob für den Arbeitnehmer auch die aktienrechtliche (bzw. genossenschaftsrechtliche) Verteilung der Darlegungsund Beweislast gilt. Der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geregelte unternehmerische Entscheidungsspielraum ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Dies gilt nicht zwangsläufig auch für die in § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG bestimmte Beweislastverteilung. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann die Regelung des § 93 AktG den Anknüpfungs- und Ausgangspunkt einer weiteren Rechtsentwicklung bilden, muss dies aber nicht zwingend.268 1. Unmittelbare Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung Eine direkte Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG scheidet im Hinblick auf Wortlaut und Systematik aus. § 93 AktG regelt ausdrücklich die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder. Die Stellung in den Vorschriften zur Verfassung der Aktiengesellschaft bzw. im Abschnitt zum Vorstand steht einer unmittelbaren Anwendung der Vorschrift auf Arbeitnehmer entgegen. Entsprechendes gilt für eine unmittelbare Anwendung der genossenschaftsrechtlichen Vorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG. 2. Analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Beweislastregelung Eine analoge Anwendung der Bestimmung erfordert eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage. Die Verteilung der Darlegungsund Beweislast gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG stützt sich auf die größere Sachnähe derjenigen Personen, die unmittelbar an der beanstandeten Entscheidung beteiligt waren.269 Sie entspricht dem Grundsatz, wonach ein Treuhänder dem Treugeber Rechenschaft schuldet.270 Möglicherweise fehlt ohne diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ein Anreiz für die entscheidende Person, den 266 Fest, in: Kreutz/Renftle/Faber u.a., Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2011, S. 119 (142 ff.); Paefgen, AG 2004, 245 (257 f., 261). 267 Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen, § 5 Rn. 25. 268 BT-Drs. 15/5092, S. 12. 269 BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (358); Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 393. 270 Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT, E 34.

124

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

Vorgang sorgfältig zu dokumentieren, weil sie damit Beweismaterial schafft, dass in einem etwaigen späteren Haftungsprozess primär dem Arbeitgeber zugutekommt.271 Auch wenn ein Arbeitnehmer eine unternehmerische Entscheidung trifft, ist er im Vergleich zu seinem Arbeitgeber näher mit dem Vorgang befasst und hat insofern einen Wissensvorsprung. Mit Einschränkungen gilt das auch, wenn er nur an einer Entscheidung beteiligt ist. Der Arbeitnehmer hat ebenfalls Einfluss auf die Dokumentation des Vorgangs und damit auf das Vorhandensein und den Umfang von Beweismaterial. Diese beiden Aspekte legen eine Vergleichbarkeit der Interessenlage nahe. Die Wertung von § 619a BGB könnte aber sowohl einer vergleichbaren Interessenlage und als auch einer planwidrigen Regelungslücke entgegenstehen. Auch wenn der Gesetzgeber die Haftung im Arbeitsverhältnis nicht geregelt hat, hat er die Beweislast für das Merkmal des Vertretenmüssens im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung ausdrücklich festgelegt. Mit dieser Vorschrift wollte er die Rechtsprechung des BAG zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung absichern.272 Wenn der Arbeitgeber nach § 619a BGB, abweichend von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, sogar das Vertretenmüssen darlegen und beweisen muss, so muss das erst recht für die Pflichtverletzung selbst gelten. Nach den Erwägungen, welche das Arbeitnehmerprivileg begründen, trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Eine analoge Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG verschöbe das Betriebsrisiko in wesentlichen Teilen wieder auf den Arbeitnehmer273 und führte zu Widersprüchen: Eine Pflichtverletzung, die keine unternehmerische Entscheidung betrifft, müsste der Arbeitgeber darlegen und beweisen. Bestünde eine potentielle Pflichtverletzung dagegen in einer unternehmerischen Entscheidung, müsste der Arbeitnehmer das Nichtvorliegen einer Pflichtverletzung darlegen und beweisen. Die analoge Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG bewirkte mithin eine Aushöhlung des Arbeitnehmerprivilegs in einem Bereich, der aufgrund der Unwägbarkeiten und der Tragweite unternehmerischer Entscheidungen sowie wegen der mit diesen Entscheidungen verbunden Kosten besonders große Haftungsrisiken birgt. Das materiell-rechtliche Pflichtenprogramm eines Arbeitnehmers, der unternehmerische Funktionen wahrnimmt, erfordert keine Darlegungsund Beweislastregelung im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG. Eine planwidrige Regelungslücke ist demnach fernliegend. Die Gründe, welche das Arbeitnehmerprivileg rechtfertigen, sprechen dagegen, den Arbeitnehmer mit der Darlegungs- und Beweislast zu belasten. Deren Verteilung entscheidet darüber, ob eine Haftungsbeschränkung die Betroffenen tatsächlich schützt. Ein Arbeitnehmer hat gegenüber seinem Arbeitgeber keine

271

Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 394, 399, in Bezug auf Vorstandsmitglieder. BT-Drs. 14/7052, S. 24. 273 Vgl. BAG, Urteil vom 17. September 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (143 f.). 272

D. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

125

umfassende Leitungsverantwortung. Seine Position ist daher nicht vergleichbar mit der treuhänderischen Stellung eines Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft bzw. den Kapitelgebern. Der Gedanke, wonach ein Treuhänder dem Treugeber Rechenschaft schuldet, prägt das Arbeitsverhältnis daher nicht in entsprechender Weise. Zudem kann ein Arbeitnehmer nicht in gleicher Weise wie ein Organmitglied auf Informationsquellen im Unternehmen zugreifen.274 Die Interessenlage ist wegen der unterschiedlichen Stellung von Arbeitnehmern und Organmitgliedern nicht vergleichbar mit einem Organhaftungsprozess. Angesichts der Organisations- und Überwachungspflichten der Gesellschaftsorgane obliegt es dem Arbeitgeber, sich Kenntnis von den haftungsbegründenden Umständen zu verschaffen. Dem Umstand, dass der Arbeitnehmer unmittelbar an der Entscheidung beteiligt, während der Arbeitgeber möglicherweise wegen der geringeren Sachnähe Beweisschwierigkeiten hat, kann die gestufte Darlegungs- und Beweislast hinreichend abhelfen.275 Hat der Arbeitgeber Indizien für eine Pflichtverletzung und für einen Verstoß gegen die Business Judgment Rule vorgetragen, muss sich der Arbeitnehmer substantiiert dazu einlassen.276 Einer fehlenden oder unsorgfältigen Dokumentation kann der Arbeitgeber vorbeugen, indem er hierzu standardisierte Verfahren, etwa ein Vier-AugenPrinzip auch bei der Dokumentation, einführt und deren Einhaltung regelmäßig überprüfen lässt. Es bleibt bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen trägt. Für eine Abweichung durch eine analoge Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auf unternehmerische Entscheidungen von Arbeitnehmern ist angesichts der Wertung des § 619a BGB kein Raum. Dieses Ergebnis ist dogmatisch konsequent. Die Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Entscheidungen von Arbeitnehmern bedeutet, dass das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter Berücksichtigung des Geschäftsleiterermessens auszulegen ist (siehe § 4B.V. 3.d)). Die Auswirkung der Business Judgment Rule beschränkt sich auf die Auslegung dieser Tatbestandsvoraussetzung und lässt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unberührt. Letztere richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, soweit nicht eine speziellere Vorschrift – im Falle der Arbeitnehmerhaftung die Regelung des § 619a BGB – eingreift. 274

Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT, E 34. Eine ähnliche Entlastung, wenn auch in umgekehrter Richtung, sehen einige Literaturvertreter in dem Umstand, dass die Gesellschaft im Organhaftungsprozess eine möglicherweise pflichtwidrige Entscheidung substantiiert darzulegen hat, Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT, E 34 f., Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, S. 395 f. 276 Vgl. BAG, Urteil vom 17. September 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (144); auf diese Entscheidung verweist die Gesetzesbegründung zur Einfügung von § 619a BGB, BT-Drs. 14/7052, S. 24; zur gestuften Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung: Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 58; Riesenhuber, in: Erman BGB, § 619a BGB Rn. 17 f. 275

126

§ 4 Kumulation: Business Judgment Rule und Arbeitnehmerprivileg

3. Zwischenergebnis Der Arbeitgeber muss sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs, einschließlich der Pflichtverletzung und des Vertretenmüssens, darlegen und beweisen. Dem Arbeitnehmer obliegt es dagegen, bei der Frage nach dem Haftungsumfang das Eingreifen des Haftungsprivilegs, vor allem also die betriebliche Veranlassung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

E. Zwischenergebnis Für die Haftung eines Arbeitnehmers sind dessen Fremdbestimmtheit und besondere Schutzbedürftigkeit entscheidend. Diese Aspekte treffen auch auf leitende Angestellte zu, wenn sie bei diesen Mitarbeitern auch weniger stark ausgeprägt sind als bei anderen Arbeitnehmern. Der Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB und die Schadensverteilung nach Maßgabe einer Gesamtabwägung analog § 254 BGB bieten die Möglichkeit, die Besonderheiten leitender Angestellter nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Eines eigenständigen haftungsrechtlichen Begriffs des leitenden Angestellten bedarf es daher nicht. Auch die Anwendung der Business Judgment Rule erfordert keine Festlegung dieses Begriffs. Für das Geschäftsleiterermessen kommt es darauf an, ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt. Genügt diese den Anforderungen der Business Judgment Rule, liegt keine Pflichtverletzung vor. Ob der Arbeitnehmer, der die unternehmerische Entscheidung trifft, als leitender Angestellter einzuordnen ist, ist nicht relevant. Dementsprechend bedarf es auch keines separaten haftungsrechtlichen Begriffs des leitenden Angestellten. Treffen Arbeitnehmer unternehmerische Entscheidungen, greifen die gleichen Erwägungen wie bei unternehmerischen Entscheidungen von Organmitgliedern. Für sie gilt ebenfalls der Maßstab eines sorgfältigen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist unter Berücksichtigung der Business Judgment Rule auszulegen. Anders als in der Organhaftung trägt insoweit aber nicht der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Es bleibt bei der Maßgabe des § 619a BGB, so dass der Arbeitgeber darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht.

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung Möglicherweise können die Arbeitsvertragsparteien Abweichungen von der Haftung nach Maßgabe des Geschäftsleiterermessens (A) und der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze (B) vereinbaren.

A. Modifikation der Business Judgment Rule Anders als das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg, hat die Business Judgment Rule eine gesetzliche Kodifikation in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 34 Abs. 1 Satz 2 GenG gefunden. Wie bereits der BGH in der „ARAG/Garmenbeck“Entscheidung ausdrücklich festgehalten hat, ist unternehmerische Tätigkeit ohne einen Handlungsspielraum des Geschäftsleiters nicht denkbar.1 Auch wenn ein unternehmerischer Entscheidungsspielraum zwingend erforderlich ist, gilt dies nicht für die Ausgestaltung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Nach den Gesetzesmaterialien kann diese Vorschrift die Grundlage für eine weitere Rechtsentwicklung bilden2, so dass eine abweichende Gestaltung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung nicht ausgeschlossen ist. Angesichts ihres Zwecks (siehe § 4B.III) ist eine vertragliche Modifikation der Voraussetzungen der Business Judgment Rule zu Lasten einer Führungskraft allerdings kaum denkbar. Eine vertragliche Gestaltung zu Gunsten der Führungskraft ist ausgeschlossen in Bezug auf Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, die der zwingenden aktienrechtlichen Haftung unterliegen. Zu Gunsten eines Arbeitnehmers ist dagegen eine abweichende Vereinbarung möglich. Die Arbeitsvertragsparteien können sich darauf einigen, dass die Schwelle für die Eröffnung des Entscheidungsspielraums niedriger liegt, und beispielsweise regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Mitwirkung eines Geschäftsleiters an einer unternehmerischen Entscheidung nach Offenlegung eines potentiellen Interessenkonflikts unschädlich ist.3 1

BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927). BT-Drs. 15/5092, S. 12. 3 Zur Relevanz potentieller Interessenskonflikten für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule und zum (umstrittenen) Umgang mit der Offenlegung: Jena, Die Business Judgment Rule im Prozess, S. 177 f. m.w.N.; Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 71. 2

128

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg I. Abdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs Nach der Rechtsprechung des BAG sind die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Abweichungen zu Lasten des Arbeitnehmers seien weder einzel- noch kollektivrechtlich zulässig.4 Bereits der Große Senat des BAG hatte in seiner Entscheidung über die Ausweitung der Haftungsgrundsätze auf alle betrieblichen Tätigkeiten die Berücksichtigung des Betriebsrisikos bei der Risikoverteilung als unabdingbar bezeichnet.5 Eine Ausnahme gilt für Vereinbarungen über die Haftung des Arbeitnehmers für Bereiche unter dessen Kontrolle (beispielsweise für Waren- oder Kassenbestände), sofern eine angemessene Gegenleistung diese Haftung abgilt (sog. Mankohaftung).6 Vereinbarungen zu Gunsten des Arbeitnehmers sind – vorbehaltlich der Grenze des § 276 Abs. 3 BGB – möglich.7 Nach § 276 Abs. 3 BGB können die Parteien nicht im Voraus die Haftung bei Vorsatz ausschließen. Zu untersuchen ist, ob die Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer im Hinblick auf verfassungsrechtliche (1) und einfachgesetzliche Wertungen (2) tatsächlich einseitig zwingend sind. 1. Verfassungsrechtliche Wertungen Möglicherweise begründet das Grundgesetz einen einseitig zwingenden Charakter der beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Für verfassungsrechtliche Überlegungen bestehen zwei Anknüpfungspunkte: Einerseits könnte die verfassungsrechtliche Gebotenheit der Haftungsbeschränkung auch die Unabdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs erfordern. Andererseits könnte es einen Grundrechtseingriff bedeuten, wenn die Judikative die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung als zwingendes Recht bewertet, das nicht zur Disposition der Vertragspartner steht. Wie bereits festgestellt, gebietet das Verfassungsrecht die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze nicht in ihrer konkreten Form (siehe § 3B.I). Wenn schon die Grundsätze an sich nicht verfassungsrechtlich zwingend sind, so gibt das

4

BAG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649 (650); Urteil vom 27. Januar 2000 – 8 AZR 876/98, NZA 2000, 727 (730); Urteil vom 17. September 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (144). 5 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086); zustimmend: Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 13; Brose, RdA 2011, 205 (215 f.); Peifer, ZfA 1996, 69 (74 f.); im Ergebnis auch Waltermann, RdA 2005, 98 (108 f.). 6 Eine Sonderstellung der Mankohaftung ablehnend: Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 37 ff. 7 Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 14; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 465.

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg

129

Grundgesetz erst recht nicht deren zwingenden Charakter vor.8 Die verfassungsrechtlichen Wertungen erfordern keine Unabdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs. Möglicherweise steht das Grundgesetz einem zwingenden Charakter der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung sogar entgegen: Die Judikative muss die richterrechtliche Korrektur auf das beschränken, was zum Schutz des betroffenen Grundrechts, hier also der Privatautonomie des Arbeitnehmers in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot, unerlässlich ist.9 Um den Arbeitnehmer vor einer verfassungswidrigen Fremdbestimmung bei den Vertragsverhandlungen zu schützen, könnten die einfachgesetzlichen Vorgaben genügen, welche den Gestaltungsspielraum für eine arbeitsvertragliche (II) oder kollektivrechtliche Vereinbarung (III) begrenzen. Besteht ein hinreichender Schutz, greift die Rechtsprechung in ungerechtfertigter Weise in die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien ein, indem sie die Haftungsbeschränkung für nicht abdingbar erklärt.10 Die zwingende Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung ist dann mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG unverhältnismäßig.11 2. Einfachgesetzliche Wertungen a) Dispositiver Charakter der maßgeblichen Vorschriften Ein zwingender Charakter der Haftungsbegrenzung ergibt sich weder aus dem (einfachen) Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform, in denen der Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze ausdrücklich anerkannte. Die zugrunde liegende Vorschrift des § 254 BGB ist selbst dispositiv, was gegen die Einordnung als einseitig zwingendes Recht spricht.12 Eine Literaturansicht verweist darauf, dass der Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze auf § 276 Abs. 1 Satz 1 stützen wollte13 und sie damit als privatrechtliche Haftungsvereinbarung eingeordnet habe, so dass sie abdingbar sein müsse.14 Hiergegen wenden andere ein, dass diese Sichtweise den gesetzgeberischen Willen überinterpretiere oder sogar konterkariere: Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze schützen den Arbeitnehmer vor einer unangemessenen Haftung. Um diesen Zweck verwirklichen zu können, dürfe die Haftungsbeschränkung grundsätzlich nicht abdingbar sein.15 Andernfalls könne der Ar8 Im Ergebnis ebenso: Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 703; Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 190. 9 Vgl. Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 214 f. 10 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 702 ff. 11 Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 190 ff. 12 Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 91; Preis, in: ErfK, § 619a BGB Rn. 11, § 310 Rn. 85; a.A.: Waltermann, RdA 2005, 98 (108). 13 BT-Drs. 14/6857, S. 48. 14 In diese Richtung Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 195. 15 Brose, RdA 2011, 205 (216); Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 13; Krause, NZA 2003, 577 (585); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 2 Rn. 15.

130

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

beitgeber den Schutz einfach umgehen, indem er die Haftung nach seinen Vorstellungen vertraglich festsetzt. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass er die Möglichkeiten einer Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 BGB und § 138 BGB außer Betracht lässt. Es bleibt bei der Feststellung, dass die Regelungen des § 254 BGB und des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB als diejenigen Vorschriften, auf die sich das Arbeitnehmerprivileg stützen lässt, nicht zwingend sind. Sie begründen daher auch keinen zwingenden Charakter der Haftungsbeschränkung. Der Gesetzgeber selbst hat sich zu der Frage nicht ausdrücklich geäußert. b) Analoge Anwendung anderer Schutzvorschriften Angesichts der Disponibilität von § 254 BGB und § 276 BGB stellt sich die Frage, ob sich die Unabdingbarkeit der Haftungsbeschränkung herleiten lässt aus der analogen Anwendung anderer unabdingbarer Regelungen zum Arbeitnehmerschutz wie beispielsweise § 31 AGG, § 13 BUrlG oder § 3 Satz 1 MiLoG. Die Vorschriften verfolgen allerdings einen spezifischen Schutzzweck nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzes, so dass keine vergleichbare Interessenlage zur Arbeitnehmerhaftung besteht.16 Andere Stimmen in der Literatur berufen sich auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke.17 Diskutabel ist auch eine analoge Anwendung von § 619 BGB. Die Vorschrift erklärt die Fürsorgepflichten nach §§ 617, 618 BGB für unabdingbar. Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ergibt sich aber nach überzeugender Ansicht nicht aus einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (siehe § 3B.III), so dass sich auch ihre etwaige Unabdingbarkeit nicht auf eine Fürsorgepflicht stützen lässt.18 Zudem bezieht sich § 619 BGB nur auf die konkreten Pflichten nach §§ 617, 618 BGB und nicht auf die allgemeine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht oder sonstige Nebenpflichten.19 Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg scheidet daher aus, selbst wenn sich dieses (auch) aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers herleiten ließe.20 Aus anderen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz lässt sich nicht ableiten, dass die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung unabdingbar sei. c) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch § 307 BGB und § 138 BGB Einer vertraglichen Gestaltung, die zu Lasten des Arbeitnehmers von den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen abweicht, setzen die Vorschriften des § 307 BGB und des § 138 BGB enge Grenzen. Dass das Arbeitnehmerprivileg abdingbar ist, bedeutet nicht automatisch, dass der Arbeitnehmer schutzlos gestellt ist. 16

Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 701. Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 91. 18 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 701. 19 Henssler, in: MüKoBGB, § 619 BGB Rn. 5; Witschen, in: BeckOGK, § 619 BGB Rn. 7. 20 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 701.

17

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg

131

Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bzw. § 138 BGB begrenzt die arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten und schützt den Arbeitnehmer dadurch vor einer verfassungswidrigen Fremdbestimmung. Auch Krause anerkennt die Möglichkeit, die Haftungsbedingungen gegen Zahlung eines Risikozuschlags zu Lasten des Arbeitnehmers anzupassen.21 Hinsichtlich der Einzelheiten der Risikoprämien verweist er auf die Grundsätze zur Mankohaftung und plädiert für deren Übertragung auf allgemeine Haftungsverschärfungen, um Rechtseinheitlichkeit und Rechtsklarheit zu gewährleisten.22 Dies gilt nur insoweit, als die Haftungsvereinbarung von den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen abweicht. Begrenzte die Vereinbarung generell die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers auf die Höhe der Risikoprämien, die ihm der Arbeitgeber innerhalb eines Jahres gezahlt hat, wäre dies für den Arbeitgeber wenig attraktiv. Beschränkte sich die Haftung dem Umfang nach selbst bei grober Fahrlässigkeit auf denjenigen Betrag, den der Arbeitgeber zusätzlich zur regulären Vergütung als Risikozuschlag zahlt, trüge der Arbeitgeber letztlich jeden Schaden und hätte mangels einer Abwägung keine Möglichkeit, im Einzelfall über den Umfang der Risikozuschläge hinaus Schadensersatz von dem Beschäftigten zu erlangen. Übernimmt der Arbeitnehmer dagegen zusätzliche Haftungsrisiken, für die er an sich nicht einzustehen hätte und deren Vermeidung der Arbeitgeber erreichen möchte, ist es interessengerecht, wenn er einerseits durch die Risikoübernahme zusätzliche Gewinnchancen hat und andererseits das übernommene Risiko auf den Verlust eben dieser Gewinnchancen beschränkt.23 3. Zwischenergebnis Es fehlt an einem gesetzlichen Anhaltspunkt für einen einseitig zwingenden Charakter der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze. Weder aus dem Grundgesetz noch aus dem einfachen Recht lässt sich deren Unabdingbarkeit plausibel herleiten. In dogmatischer Hinsicht überzeugt es daher, Abweichungen von der beschränkten Arbeitnehmerhaftung auch zu Lasten des Arbeitnehmers zuzulassen. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass die maßgebliche Vorschrift des § 254 BGB (ebenso wie § 276 BGB) disponibel ist.

II. Abweichung durch arbeitsvertragliche Vereinbarung Weicht eine arbeitsvertragliche Vereinbarung vom Arbeitnehmerprivileg ab, richtet sich der Prüfungsmaßstab danach, ob ein Formularvertrag oder Verbrauchervertrag vorliegt oder ob die Parteien den Arbeitsvertrag individuell ausge-

21

Krause, NZA 2003, 577 (585). Krause, NZA 2003, 577 (585). 23 Vgl. BAG, Urteil vom 17. September 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (144). 22

132

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

handelt haben. Je nachdem muss die Haftungsvereinbarung einer Überprüfung anhand der §§ 305 ff. BGB standhalten. 1. Formularvertrag oder Verbrauchervertrag Ein Formularvertrag oder Verbrauchervertrag unterliegt den strengen Anforderungen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die Rechtsprechung und die Mehrheit in der Literatur qualifizieren Arbeitsverträge als Verbraucherverträge im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB.24 Eine vollständige Aufhebung des Arbeitnehmerprivilegs ist nicht vereinbar mit dem wesentlichen Grundgedanken dieser Rechtsprechung, d.h. mit dem Schutz des Arbeitnehmers vor Fremdbestimmung und vor einer Belastung mit unverhältnismäßigen Haftungsrisiken. Eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag benachteiligt den Arbeitnehmer in unangemessener Weise und ist daher unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB.25 Sieht der Arbeitsvertrag dagegen eine partielle Haftungsverschärfung, etwa im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit, und im Gegenzug eine Kompensation vor, ist dies in engen Grenzen möglich.26 Um beurteilen zu können, wann die Parteien zulässigerweise eine Haftungsverschärfung im Gegenzug gegen eine Kompensation vereinbaren können, differenziert Fischinger zwischen Einzelund Gruppenvergleichen.27 Bei Einzelvergleichen stehen sich inhaltlich korrespondierende Aspekte gegenüber. Eine zusätzliche finanzielle Leistung des Arbeitgebers soll die partielle Haftungsverschärfung ausgleichen. Beispielsweise verpflichtet sich der Arbeitnehmer dazu, unabhängig von einer Interessenabwägung im Einzelfall für einen mit grober oder mittlerer Fahrlässigkeit verursachten Schaden stets mit einem Betrag von bis zu drei Monatsgehältern einzustehen. Im Gegenzug zahlt ihm der Arbeitgeber einen Zuschlag zur regulären Vergütung.28 Der Arbeitnehmer erhält damit eine Zusatzvergütung, während das Verlustrisiko überschaubar ist. Nach Krause muss sich das Verlustrisiko auf die Risikozulage beschränken.29 In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Mankohaftung können die Arbeitsvertragsparteien eine solche partielle Haftungsverschär-

24

BVerfG, Beschluss vom 23. November 2006 – 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85 (86); BAG, Urteil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 (1115 f.); statt vieler: Fischinger, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 9 Rn. 3 f.; a.A.: Jacobs, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 310 BGB Rn. 6 ff. 25 Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 92; ders., Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 706; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 465. 26 Näher dazu: Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 706 ff.; ebenfalls für einen Ausgleich durch Zahlung eines Risikozuschlags: Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 37; Krause, NZA 2003, 577 (585). 27 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 706 ff. 28 Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 706 f. 29 Krause, NZA 2003, 577 (585).

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg

133

fung vereinbaren, weil der Arbeitgeber diese durch eine inhaltlich korrespondierende (Geld-)Leistung kompensiert. Vom Einzelfall abhängig und schwierig zu bemessen ist, wie hoch ein Risikozuschlag ausfallen muss, um die Risikoübernahme durch den Arbeitnehmer angemessen auszugleichen.30 Dagegen finden bei Gruppenvergleichen auch arbeitsvertragliche Leistungen ohne unmittelbaren sachlichen Zusammenhang Berücksichtigung. Bei einem Gruppenvergleich wären etwa zusätzliche Urlaubstage31 oder die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung32 einzubeziehen bei der Beurteilung, ob eine Haftungsvereinbarung zulässig ist. In einem solchen Fall fehlt es aber an einem geeigneten Vergleichsmaßstab. Leistungen ohne unmittelbaren sachlichen Zusammenhang können eine Haftungsverschärfung daher nicht ausgleichen.33 2. Individualvertrag Haben die Arbeitsvertragsparteien den Vertrag (ausnahmsweise) individuell ausgehandelt, erfolgt keine Überprüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB und es bleibt bei der Grenze des § 138 BGB.34 Setzt der Arbeitgeber in den Verhandlungen eine Vertragsklausel durch, welche die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze vollständig oder in weiten Teilen aufhebt, dürfte das regelmäßig das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzen.35 Trotz der Diskussion um die dogmatische Herleitung der Haftungsbeschränkung besteht Einigkeit dahingehend, dass eine unbeschränkte Haftung des Arbeitnehmers unangemessen ist. Gerade diese gemeinsame „Gerechtigkeitsvorstellung“ hat dazu geführt, dass Rechtsprechung und Literatur unterschiedlichste Wege beschritten haben mit dem Ziel, eine Haftungsbeschränkung überzeugend zu begründen.36 Bei der Prüfung, ob die Haftungsvereinbarung im Einzelfall die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschreitet, ist zu berücksichtigen, dass sich bei einem indi30

Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 20 Rn. 20. Vgl. Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 708; Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 20 Rn. 20. 32 BAG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649 (650). 33 Fischinger, in: Staudinger, § 619a Rn. 92; ders., Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 706 ff., wobei Gruppenvergleiche in Ausnahmefällen zulässig sein sollen, wenn ein Arbeitnehmer ausnahmsweise eine ungewöhnlich starke Verhandlungsposition hat; für eine Gesamtbetrachtung bzw. einen Sachgruppenvergleich: Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 20 Rn. 20; ähnlich: Krause, NZA 2003, 577 (585). 34 Zu den (begrenzten) Gestaltungsmöglichkeiten in einem Individualvertrag: Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 709 f. 35 Zum Einfluss von Richterrecht auf die allgemeine Rechtsmoral: Fischinger, in: Staudinger, § 138 BGB Rn. 108 ff.; zurückhaltend dagegen: Wendtland, in: BeckOK BGB, § 138 BGB Rn. 16.1. 36 Zurückhaltender in Bezug auf die Frage, wann die Vereinbarung die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschreitet: Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 222. 31

134

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

viduell ausgehandelten Vertrag eher gleichberechtigte Verhandlungspartner gegenüberstehen dürften als im Falle einseitig vorgegebener Vertragsbedingungen. Dagegen weist Fischinger auch im Zusammenhang mit Individualarbeitsverträgen hin auf die „typischerweise (deutlich) schwächer[e] Verhandlungsposition des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber“.37

III. Abweichung durch kollektivrechtliche Regelung Auf kollektivrechtlicher Ebene kommen Haftungsbestimmungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in Betracht. 1. Tarifvertrag In Tarifverhandlungen stehen sich grundsätzlich ebenbürtige Verhandlungspartner gegenüber. Das Aushandeln von Tarifverträgen und das Regeln von Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen gehören zum Kernbereich koalitionsgemäßer Tätigkeit und unterfallen daher dem Schutz durch Art. 9 Abs. 3 GG.38 Die Tarifparteien haben bei der Regelung von Arbeitsbedingungen eine weitergehende Gestaltungsfreiheit als Arbeitsvertragsparteien, bei denen häufig kein Verhandlungsgleichgewicht besteht. Tarifverträge genießen die Vermutung, bei einer Gesamtbetrachtung ausgewogen zu sein und auch die Arbeitnehmerinteressen hinreichend zu berücksichtigen.39 Vor dem Hintergrund ihrer Richtigkeitsgewähr unterliegen sie keiner so intensiven Inhaltskontrolle wie Arbeitsverträge. §§ 305 ff. BGB finden auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).40 Wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann Richterrecht nicht generell tariffest sein.41 Dieser Grundsatz kann ebenso gebieten, dass Gesetzesrecht tarifdispositiv sein muss.42 So hat die Rechtsprechung beispielsweise in Bezug auf Rückzahlungsklauseln für Gratifikationen festgestellt, dass die richterrechtlichen Vorgaben dazu grundsätzlich tarifdispositiv seien43, wobei im Hinblick auf 37

Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 709. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 – 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268 (282 f.); Beschluss vom 18. Dezember 1974 – 1 BvR 430/65, 259/66, BVerfGE 38, 281 (305 f.); Urteil vom 6. Mai 1964 – 1 BvR 79/62, BVerfGE 18, 18 (25 f.). 39 Kritisch dazu: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, Grundlagen Rn. 232 ff.; ausführlich zur Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen: Krämer, Die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrags, S. 73 ff. 40 Zur Kontrollausnahme für Richtlinien nach § 28 SprAuG und Regelungsabreden: Fornasier, in: MüKoBGB, § 310 BGB Rn. 132. 41 Klumpp, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 237 Rn. 117; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, Grundlagen Rn. 202. 42 Vgl. dazu Linsenmaier, in: ErfK, Art. 9 GG Rn. 88; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, Grundlagen Rn. 200. 43 BAG, Urteil vom 31. März 1966 – 5 AZR 516/65, NJW 1966, 1625 (1625 f.); näher dazu: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 TVG Rn. 2359. 38

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg

135

Art. 12 Abs. 1 GG ein tariffester Kern besteht.44 Auch wenn die Arbeitsvertragsparteien die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abbedingen können, haben die Tarifparteien einen weitergehenden, wenn auch nicht unbegrenzten Regelungsspielraum.45 Dagegen sieht Schwarze die tariflichen Regelungsmöglichkeiten enger begrenzt im Vergleich zu den Möglichkeiten in einem Individualvertrag, weil ein Tarifvertrag eben nicht im selben Maße Ausdruck der Selbstbestimmung des Arbeitnehmers sei wie eine individuell ausgehandelte Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien.46 Andere Literaturstimmen verneinen generell die Tarifdispositivität des Arbeitnehmerprivilegs.47 Die Ablehnung abweichender Tarifregelungen berücksichtigt aber nicht hinreichend die grundrechtlich gewährleistete Tarifautonomie und die Möglichkeit der Tarifparteien, die Haftung auf betriebs- und branchenspezifische Besonderheiten abzustimmen.48 Daneben kann die Haftung relevant sein für die Festlegung der Tariflöhne.49 2. Betriebsvereinbarung Kollektivverträge sind nicht nur Tarifverträge, sondern auch Betriebsvereinbarungen. Diese sind allerdings kaum einmal Gegenstand der Diskussion um die Zulässigkeit kollektivrechtlicher Vereinbarungen zur Arbeitnehmerhaftung, die sich regelmäßig auf tarifliche Haftungsregelungen beschränkt. Als Erklärungsansätze hierfür kommen die Regelungsbefugnis der Betriebspartner und der Tarifvorbehalt nach § 77 Abs. 3 BetrVG in Betracht. Nach der Rechtsprechung haben die Betriebsparteien eine grundsätzlich umfassende Kompetenz zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen. Gemäß § 28 Abs. 1 SprAuG können Arbeitgeber und Sprecherausschuss „Richtlinien über den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der leitenden Angestellten“ vereinbaren. Diesem Wortlaut zufolge haben Arbeitgeber und Sprecherausschuss eine unbeschränkte Regelungsbefugnis. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Betriebsparteien demgegenüber einen eingeschränkteren Regelungsspielraum haben sollten.50 44

Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 TVG Rn. 1087. Vgl. Jacklofsky, NZA 2001, 644 (647); Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 36; zurückhaltend, aber im Ergebnis ähnlich: Krause, NZA 2003, 577 (586); in diese Richtung auch Henssler, in: MüKoBGB, § 619a BGB Rn. 13. 46 Schwarze, RdA 2001, 174 (179 f.), Anmerkung zu BAG, Urteil vom 27. Januar 2000 – 8 AZR 876/98. 47 Brose, RdA 2011, 205 (216); Waltermann, RdA 2005, 98 (109). 48 Jacklofsky, NZA 2001, 644 (646); Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 TVG Rn. 1084; zustimmend: Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 223, 231; unter Betonung situationsgerechter Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifparteien auch Ahrens, DB 1996, 934 (938). 49 Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 TVG Rn. 1084. 50 Arnold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 315 Rn. 55; in diese Richtung auch Fitting, BetrVG, § 77 BetrVG Rn. 46. 45

136

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

Neben diesem Vergleich mit der unbeschränkten Regelungsbefugnis von Sprecherausschuss und Arbeitgeber sprechen für die umfassende Regelungskompetenz der Betriebsparteien ein Umkehrschluss zu § 77 Abs. 3 BetrVG und die Vorschrift des § 88 BetrVG, wonach „insbesondere“ bestimmte Angelegenheiten Gegenstand freiwilliger Betriebsvereinbarungen sein können und die demnach nicht abschließend ist.51 Der betreffende Regelungsgegenstand muss lediglich einen Bezug zum Betrieb und zu den Interessen der von ihm vertretenen Arbeitnehmer haben.52 Haftungsvereinbarungen betreffen den Inhalt der Arbeitsverhältnisse von in dem jeweiligen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern und können grundsätzlich Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein. Dass sich wenige Stimmen zur Zulässigkeit von Betriebsvereinbarungen zur Haftung von Arbeitnehmern äußern, ist möglicherweise zurückzuführen auf den Tarifvorbehalt nach § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach die Betriebspartner keine Regelungsbefugnis für Arbeitsbedingungen haben, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden.53 Soweit nicht ein Tarifvorbehalt die Regelung ausschließt, ist eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitnehmerhaftung grundsätzlich denkbar. Dies unterstellt auch das BAG in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1959: Die infrage stehende Betriebsvereinbarung regelte einen Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit des Arbeitgebers. Das Gericht erklärte diese Regelung für unwirksam.54 Dabei stellte es aber nicht darauf ab, dass den Betriebsparteien generell die Kompetenz zur Regelung der Haftung im Arbeitsverhältnis fehle. Neben der Frage nach dem ordnungsgemäßen Zustandekommen war der Umstand entscheidend, dass die Vereinbarung einseitig den Arbeitgeber begünstigte, ohne die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren und ohne den Nachteil durch eine sonstige Regelung zu Gunsten der Belegschaft auszugleichen.55 Die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs zu vertreten sei aber die Kernaufgabe des Betriebsrats, so dass er seine wesensmäßige Handlungsfähigkeit überschritten habe. Für die inhaltlichen Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung zur Haftung gelten die Ausführungen zu tariflichen Haftungsvereinbarungen daher entsprechend.56 Anders als bei den Arbeitsvertragsparteien besteht zwischen den 51

BAG GS, Beschluss vom 7. November 1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816 (818); BAG, Urteil vom 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453 (454); Fitting, BetrVG, § 77 BetrVG Rn. 46; hingegen für eine beschränkte Betriebsautonomie: E. Picker, NZA 2002, 761 (769 f.); Richardi/C. Picker, in: Richardi, BetrVG, § 77 BetrVG Rn. 54, 71. 52 BAG, Urteil vom 19. Oktober 2005 – 7 AZR 32/05, NZA 2006, 393 (395). 53 Näher dazu: Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 77 BetrVG Rn. 48 ff.; Richardi/C. Picker, in: Richardi, BetrVG, § 77 BetrVG Rn. 255 ff. 54 BAG, Urteil vom 5. März 1959 – 2 AZR 268/56, NJW 1959, 1555 (1557). 55 BAG, Urteil vom 5. März 1959 – 2 AZR 268/56, NJW 1959, 1555 (1557 f.). 56 So auch Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 36; zur Frage ob Betriebsvereinbarungen einer intensiveren gerichtlichen Überprüfung unterliegen, indem nicht nur eine Rechts-, sondern auch eine Billigkeitskontrolle erfolgt: A. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 724 m.w.N.

B. Abweichung vom Arbeitnehmerprivileg

137

Betriebspartnern kein strukturelles Ungleichgewicht in den Verhandlungen. Die Betriebsverfassung verpflichtet sie zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG, konkretisiert in § 74 Abs. 1, 2 BetrVG). Ein solches Verhältnis erfordert, dass kein Betriebspartner dem anderen vollkommen untergeordnet ist. 3. Zwischenergebnis Die Einordnung der richterrechtlichen Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung als einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht überzeugt nicht. Die Schranken gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 138 BGB gewährleisten einen hinreichenden Schutz und lassen Abweichungen zu Lasten des Arbeitnehmers nur in engen Grenzen zu.57 Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer verfassungswidrigen Fremdbestimmung bei den Vertragsverhandlungen erfordert daher nicht die Unabdingbarkeit des Arbeitnehmerprivilegs. Soweit die Rechtsprechung die Haftungsbeschränkung für einseitig zwingend erklärt, ist dies mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG unverhältnismäßig und bedeutet einen ungerechtfertigten Eingriff in die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien. Eine Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung als einseitig zwingendes Recht ist allenfalls dem Gesetzgeber möglich. Die Judikative muss die richterrechtliche Korrektur auf das beschränken, was zum Schutz der Privatautonomie des Arbeitnehmers in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot unerlässlich ist. Schumacher spricht relativierend von einer „Scheindebatte“, da der Streit letztlich allein die Frage betreffe, ob das Recht den Arbeitnehmer durch einen zwingenden Charakter der Haftungsbeschränkung oder durch eine Inhaltskontrolle schütze.58 Der Ausgleich durch Zahlung eines Risikozuschlags ist bei arbeitsvertraglichen Haftungsverschärfungen besonders bedeutsam, da die Arbeitsvertragsparteien – vorbehaltlich einer individuell ausgehandelten Vereinbarung – einen eingeschränkteren Spielraum haben im Vergleich zu den Tarifparteien und Betriebspartnern. Damit für alle Beteiligten die Rechtsfolgen erkennbar sind, muss die Vereinbarung einer Haftungsverschärfung ausdrücklich erfolgen. Die Annahme einer stillschweigenden Haftungsverschärfung angesichts einer besonders hohen Vergütung ohne Ausweisung oder nähere Erläuterung eines Risikozuschlags läuft in vielen Fällen auf eine Fiktion hinaus, wenn sich die Parteien, insbesondere ein Arbeitnehmer, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Möglichkeit einer Haftung bzw. über die Übernahme eines erweiterten Haftungsrisikos keine Gedanken gemacht haben.59 57

Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 92; ders., Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 739; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 464; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 68.; Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 214. 58 Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 180 f. 59 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 38.

138

§ 5 Vertragliche Gestaltung der Haftung

IV. Beurteilung in Bezug auf leitende Angestellte Einige Stimmen in der Literatur diskutieren die Frage, ob das Arbeitnehmerprivileg speziell für leitende Angestellte abdingbar ist.60 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung einseitig zwingend sein soll und dass sich diese Einordnung insbesondere auf den verfassungsrechtlichen Ansatz des BAG zur Begründung des Haftungsprivilegs stützt.61 Die vorangegangene Analyse hat ergeben, dass die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze in den Grenzen der §§ 307 ff., 138 BGB dispositiv sind. Dies gilt auch für Vereinbarungen zur Haftung leitender Angestellter, insoweit ergeben sich keine grundsätzlichen Abweichungen. Allerdings sind Haftungsmodifikationen durch Betriebsvereinbarungen nicht möglich in Bezug auf leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, weil diese nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsrechts unterfallen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Sofern vorhanden, können aber der Arbeitgeber und der Sprecherausschuss Regelungen über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses und damit auch über die Haftung der leitenden Angestellten treffen (§ 28 SprAuG).62 Die Vereinbarung entfaltet grundsätzlich nur dann unmittelbare und zwingende Wirkung für das einzelne Arbeitsverhältnis, wenn Arbeitgeber und Sprecherausschuss dies vereinbaren (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG). Eine solche Sprecherausschussvereinbarung steht einer abweichenden Regelung zu Gunsten leitender Angestellter nicht entgegen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 SprAuG). Auch tarifvertragliche Haftungsregelungen sind möglich. Allerdings haben leitende Angestellte häufig einen Aufgaben- und Verantwortungsbereich mit höheren Anforderungen, als dass sie der Beschreibung der höchsten Tarifgruppe entsprechen. Ist ein leitender Angestellter als außertariflicher Angestellter einzuordnen, unterfällt er nicht dem persönlichen Geltungsbereich eines „an sich“ einschlägigen Tarifvertrags, so dass auch darin enthaltene Haftungsregelungen keine Anwendung finden.

60

Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 560; zustimmend: Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (113). 61 Vgl. Peifer, ZfA 1996, 69 (74). 62 Annuß, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 28 SprAuG Rn. 3; Francke, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 312 Rn. 11; U. Koch, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 252 Rn. 2.

C. Zwischenergebnis

139

C. Zwischenergebnis Eine vertragliche Gestaltung der Haftung leitender Angestellter ist in beschränktem Umfang möglich. Die Arbeitsvertragsparteien können Modifikationen der Business Judgment Rule zu Gunsten eines Arbeitnehmers vereinbaren. Eine Gestaltung zu dessen Lasten verbietet dagegen bereits der Zweck des unternehmerischen Entscheidungsspielraums. Abweichungen von den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen zu Lasten eines Arbeitnehmers sind innerhalb der Grenzen von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 138 BGB möglich. Dank der grundrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie haben Tarifparteien grundsätzlich einen größeren Gestaltungsspielraum als die Arbeitsvertragsparteien. Allerdings ist dies in Bezug auf leitende Angestellte eher theoretischer Natur, weil diese häufig außertarifliche Angestellte sind und keinem Tarifvertrag unterfallen. Haftungsmodifikationen durch Betriebsvereinbarungen sind mangels einer Geltung des Betriebsverfassungsrechts für leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht möglich. Allerdings können Arbeitgeber und Sprecherausschuss abweichende Haftungsbestimmungen vereinbaren. Damit für alle Beteiligten die Rechtsfolgen erkennbar sind, muss eine etwaige Haftungsverschärfung zum Schutz des Arbeitnehmers ausdrücklich erfolgen.

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung Die zunehmende Verbreitung von D&O-Versicherungen unter Einschluss von als leitende Angestellte bezeichneten Personen wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls wie eine solche Versicherung die Haftung eines leitenden Angestellten beeinflusst. Um dies beurteilen zu können, bedarf es einer Analyse der Besonderheiten dieser Versicherung (§ 6) und, ausgehend davon, der Untersuchung einer etwaigen Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit (§ 7). Die D&O-Versicherung (directors’ and officers’ liability insurance) ist eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Versicherungsnehmer ist üblicherweise eine juristische Person des Privatrechts. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für Vermögensschäden, die dem Versicherungsnehmer infolge einer fahrlässigen Pflichtverletzung durch die versicherte Person entstanden sind. Die versicherte Person kann vom Versicherer verlangen, dass er sie von begründeten Schadensersatzforderungen des Versicherungsnehmers freistellt und unbegründete Forderungen abwehrt. Diese Deckung im Innenverhältnis wird auch als „Managerschutz“ oder „Side A (cover)“ bezeichnet.1 Da sich die vorliegende Arbeit der Haftung leitender Angestellter im Verhältnis zum Arbeitgeber widmet, ist die Deckung im Innenverhältnis als „versicherungsrechtliches Korrelat zur Innenhaftung“2 relevant. Daneben kann eine D&O-Versicherung zwei weitere Komponenten umfassen. Diese schützen das Gesellschaftsvermögen vor einer Inanspruchnahme durch Dritte (Außenhaftung), etwa durch einen Aktionär, Kunden oder Sozialversicherungsträger. Das betrifft einerseits die Fälle, in denen ein Dritter die versicherte Person in Anspruch nimmt und die Gesellschaft diese freistellt, sog. company reimbursement oder „Side B (cover)“. Auf der anderen Seite steht die direkte Inanspruchnahme der Gesellschaft durch einen Dritten, sog. entity coverage oder „Side C (cover)“. Hinsichtlich der Außenhaftung schützt die Versicherung primär das Vermögen der versicherten Person und als Reflex auch das Vermögen des geschädigten Dritten. Soweit sie Innenhaftungsansprüche deckt, dient die D&O-Versicherung einerseits der Absicherung der versicherten Person. Andererseits schützt sie durch die Entschädigungsleistungen des Versicherers auch die Vermögensin teressen des Versicherungsnehmers. Letzteres ist ebenfalls ein bloßer Reflex des

1 2

Überblick bei W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1012). Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 6.

142

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

versicherten Haftpflichtinteresses der versicherten Person und nicht der eigentliche Gegenstand der Versicherung.3 Abweichendes kann für einzelne Bausteine der Versicherung, etwa für das company reimbursement, gelten.4 Die folgenden Unterkapitel widmen sich dem rechtlichen Rahmen (A), dem persönlichen (B) sowie sachlichen Anwendungsbereich der D&O-Versicherung (C) und der Gewährung von Versicherungsschutz (D).

A. Rechtlicher Rahmen Das deutsche Recht enthält keine speziellen Regelungen zur D&O-Versicherung. Einzig die Vorschrift des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bestimmt Folgendes: „Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.“

Die Formulierung der „Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft“ bezieht sich auf die D&O-Versicherung. Mit Einführung des zwingenden Selbstbehalts hat der Gesetzgeber zugleich diese Versicherungsart gebilligt, nachdem es zuvor wegen der zwingenden Haftung von Vorstandsmitgliedern vereinzelt Zweifel an ihrer Zulässigkeit gegeben hatte.5 Die Rechtsgrundlagen für die D&O-Versicherung finden sich im Übrigen vorwiegend im VVG und im BGB: Das VVG enthält die allgemeinen Vorschriften zur (freiwilligen) Haftpflichtversicherung, §§ 100 bis 112 VVG, die Vorschriften für alle Versicherungszweige, §§ 1 bis 73 VVG (einschließlich der Vorschriften zur Versicherung für fremde Rechnung, §§ 43 bis 48 VVG), und die allgemeinen Vorschriften zur Schadensversicherung, §§ 74 bis 87 VVG; im Übrigen können die Schlussvorschriften des VVG relevant sein. Aus dem BGB sind insbesondere die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB und der §§ 328 ff. BGB relevant. Der Versicherungsvertrag besteht aus der Versicherungspolice, den allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie besonderen Bedingungen und Nachträgen.

3 BGH, Urteil vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19, NJW 2021, 231 (233); Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Einführung Rn. 13; R. Koch, GmbHR 2004, 18 (23); Mitterlechner/Wax/Witsch, D&O-Versicherung, § 2 Rn. 22; Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 34 f.; a.A.: Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (309 ff.); Lange, DStR 2002, 1626 (1628 f.). 4 Mitterlechner/Wax/Witsch, D&O-Versicherung, § 2 Rn. 23; Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht § 17 Rn. 36. 5 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Einführung Rn. 28; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 1 Rn. 128.

B. Persönlicher Anwendungsbereich

143

Es gilt der Grundsatz, wonach eine speziellere Regelung die allgemeine verdrängt.6 Den Inhalt des D&O-Versicherungsvertrags vereinbaren die Parteien. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) stellt der Versicherungswirtschaft Musterbedingungen zur Verfügung.7 Diese Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB D&O) sind aber weder zwingend noch ein allgemein üblicher Standard.8 Vielmehr ändern sich die Vertragsbedingungen der einzelnen Versicherungsunternehmen in kurzen, teils jährlichen Abständen und weichen erheblich voneinander ab. Wegen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Versicherungsnehmer sind branchenübergreifende einheitliche Versicherungsbedingungen nicht interessengerecht.9 Um eine Analyse zu ermöglichen, orientiert sich diese Arbeit trotz zahlreicher Abweichungen in der Praxis an den AVB D&O.

B. Persönlicher Anwendungsbereich Kennzeichnend für die D&O-Versicherung ist das Dreiecksverhältnis zwischen dem Versicherer, dem Unternehmen als Versicherungsnehmer (I) und der versicherten Person (II). Das Deckungsverhältnis bezeichnet die Rechtsbeziehung zwischen Versicherer und versicherter Person. Das Haftungsverhältnis meint dagegen die Rechtsbeziehung zwischen dem (geschädigten) Unternehmen und der versicherten Person.10 Diese beiden Rechtsverhältnisse sind nach dem versicherungsrechtlichen Trennungsprinzip (siehe dazu § 6D.III) getrennt zu betrachten.11

6 Schneider, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 24 Rn. 11a. 7 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB D&O), abrufbar unter http s://www.gdv.de/resource/blob/6044/9d0c760f8106f1a81a8a20d4cc6ee12a/05-allgemeine-vers icherungsbedingungen-fuer-die-vermoegensschaden-haftpflichtversicherung-von-aufsichtsr aeten--vorstaenden-und-geschaeftsfuehrern--avb-d-o--data.pdf (Stand: Mai 2020, zuletzt abgerufen am 17. November 2022). 8 Vgl. Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 15. 9 Thomas, VersR 2010, 281 (285). 10 Von Schenck, NZG 2015, 494 (495). 11 Zum Begriff des Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherung: BGH, Urteil vom 18. Mai 2011 – IV ZR 168/09, NJW 2011, 3303 (3304).

144

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

I. Versicherungsnehmer Versicherungsnehmer ist üblicherweise eine juristische Person des Privatrechts.12 Auch wenn prinzipiell Unternehmen jeder Rechtsform in Betracht kommen13, sind Versicherungsnehmer häufig Kapitalgesellschaften.14 Wenn ein Versicherungsvertrag mit einer Personengesellschaft zustande kommt oder sie – als Tochtergesellschaft einer juristischen Person – als versicherte Person erfasst15, ist hinsichtlich des Versicherungsschutzes die Struktur der Personengesellschaft zu berücksichtigen. Anders als eine Kapitalgesellschaft, hat eine Personengesellschaft weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch Gesellschaftsorgane. Nach der gesetzlichen Konzeption sind die Gesellschafter selbst zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, § 114 HGB.16 Bei einer Kapitalgesellschaft bestehen dagegen grundsätzlich keine personellen Überschneidungen zwischen juristischer Person, Gesellschaftern und Geschäftsführung.17 Ist eine Personengesellschaft Versicherungsnehmerin oder als versicherte Person vom Vertrag erfasst, erstreckt sich der Versicherungsschutz ausschließlich auf das Haftungsrisiko, das sich aus der Geschäftsführungstätigkeit ergibt, und nicht auf die Gesellschafterhaftung.18

II. Versicherte Personen Nach den AVB D&O gewährt der Versicherer Versicherungsschutz für Vermögensschäden infolge der Pflichtverletzung eines gegenwärtigen oder ehemaligen Mitglieds des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Tochtergesellschaft (Ziffer A-1 AVB D&O). Eine D&O-Versicherung ist keine Berufs-, sondern eine Organhaft-

12

Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 28 Rn. 49 f.; Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 71. 13 Zweifelnd im Hinblick auf die Besonderheiten des öffentlichen Rechts: Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 71; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 105; zweifelnd in Bezug auf Personengesellschaften: a.a.O. Rn. 72; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 99 ff.; Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 67; zu den Bedenken auch Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 1 Rn. 7 ff. 14 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 5 Rn. 6. 15 Die AVB D&O nehmen Personengesellschaften als Tochtergesellschaften ausdrücklich vom versicherten Personenkreis aus, Ziffer A-4 AVB D&O. 16 Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; dazu auch Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 100 f. 17 Ihlas, D&O, S. 330 f. 18 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 102 und Rn. 158; ders., D&O, S. 330 f.; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 5 Rn. 7; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 200 f.

B. Persönlicher Anwendungsbereich

145

pflichtversicherung.19 Dennoch zählen in der Praxis regelmäßig auch als „leitende Angestellte“ bezeichnete Personen und Mitarbeiter mit speziellen Funktionen, etwa Compliance Officer oder Datenschutzbeauftragte, zu den versicherten Personen.20 1. Gruppenversicherung Die D&O-Versicherung ist eine (echte) Gruppenversicherung.21 Anders als bei einer Individualversicherung stellt der Versicherer den Versicherungsschutz den versicherten Personen einheitlich zur Verfügung.22 Versichert sind also nicht einzelne, namentlich bezeichnete Individuen, sondern sämtliche Personen, die Mitglied eines Gesellschaftsorgans sind oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums waren bzw. eine sonstige im Versicherungsvertrag genannte Position innehaben. Eine Einzelpolice oder D&O-Individualversicherung ist zwar grundsätzlich möglich, birgt aber erhebliche Nachteile. Dies betrifft etwa Schwierigkeiten bei der Risikobewertung und Prämienkalkulation, die fehlende Verhandlungsmacht einer einzelnen versicherten Person bei der Festlegung der Versicherungsbedingungen oder das Risiko, dass die Beteiligung zahlreicher Personen mit jeweils separaten Versicherungsverträgen einen Konflikt eher ausweitet und eine gütliche Einigung erschwert.23 Insbesondere wegen der hohen Kosten sind D&OIndividualversicherungen selten.24 Haben mehrere Organmitglieder ihre Pflichten verletzt und ist der Gesellschaft hieraus ein Schaden entstanden, sind sie als Gesamtschuldner gemäß §§ 421 ff. BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, gegebenenfalls i.V.m. § 116 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG). Ein Organmitglied braucht sich nicht die Pflichtverletzung eines anderen zurechnen zu lassen, sondern muss selbst eine Pflicht verletzt haben. Dies kann

19

Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 4; abweichend: Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 6 Rn. 2, der die „Side A (cover)“ als „Berufshaftpflichtversicherung für Manager“ bezeichnet. 20 Vgl. etwa Leistungsüberblick für die D&O-Versicherung der Allianz, abrufbar unter htt ps://www.allianz.de/business/d-o-versicherung/ (zuletzt abgerufen am 17. November 2022); kritisch zur Mitversicherung leitender Angestellter: Lattwein, NVersZ 1999, 49 (50 f.); Plück/ Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 192 f.; Steinkühler, VW 2009, 94. 21 Näher zur Einordnung der D&O-Versicherung als Gruppenversicherung: Dreher/D. Fritz, VersR 2021, 220 (223 f.). 22 Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 7. 23 Näher zur Möglichkeit von D&O-Einzelpolicen: Dreher, in: FS Bergmann (2018), S. 145 (147 ff.); ders., in: FS Baums (2017), S. 325 (326 ff.); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 3 Rn. 70 ff.; zu den Gründen für das fehlende Angebot individuellen Versicherungsschutzes für Einzelpersonen: Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 161 f. 24 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31 (32); Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 54.

146

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

ein gemeinsames pflichtwidriges Verhalten oder eine Verletzung der (ressortübergreifenden) Überwachungspflicht sein.25 In vielen Fällen haftet neben einem leitenden Angestellten auch ein Organmitglied, insbesondere weil es seine Überwachungspflicht verletzt hat. Um die Frage nach einer privilegierten Haftung leitender Angestellter zu umgehen, verfolgt die Gesellschaft häufig in erster Linie die Ansprüche gegen das Organmitglied, das unbeschränkt haftet.26 Allerdings könnte das Haftungsprivileg des leitenden Angestellten dazu führen, dass sich der Anspruch der Gesellschaft gegen das Organmitglied nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld vermindert. Selbst wenn die Konstellation nicht zu Lasten der Gesellschaft aufzulösen ist, stellt sich im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern die Frage nach der Haftungsverteilung (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mangels eines entsprechenden gesetzlichen Anhaltspunkts besteht kein Vorrang der organschaftlichen Verantwortlichkeit.27 Insbesondere gilt das Haftungsprivileg im Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien und nicht im Verhältnis zwischen leitendem Angestellten und Organmitglied. Die Verteilung der Haftungsanteile richtet sich, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 BGB, nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen.28 Beruht die Organhaftung auf einer bloßen Überwachungspflichtverletzung, tritt diese zurück im Verhältnis zu der unmittelbar schadensverursachenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.29 Damit der leitende Angestellte nicht über die interne Haftungsverteilung nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB letztlich den gesamten Schaden ersetzen muss und somit das Haftungsprivileg leerläuft, sind zwei Lösungen denkbar: Entweder muss das Organmitglied im Innenverhältnis zum leitenden Angestellten den Schaden tragen oder der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft reduziert sich nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld um denjenigen Anteil, der auf den privilegierten Arbeitnehmer entfallen wäre.30 Damit das Arbeitnehmerprivileg nicht im Innenausgleich dem Organmitglied zugutekommt und die Steuerungswirkung der Organhaftung leerlaufen lässt, könnte die Konstellation zu Lasten der (für eine ordnungsgemäße Überwachung

25

Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rn. 37. Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 171. 27 So auch Groh, Einstandspflichten und gestörte Gesamtschuld in der Vorstandshaftung, S. 175. 28 Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 202, der je nach Verschuldensgrad standardisierte Haftungsquoten vorschlägt; stärker differenzierend: Groh, Einstandspflichten und gestörte Gesamtschuld in der Vorstandshaftung, S. 181 ff., 184; C. Schäfer/Groh, in: FS Ebke (2021), S. 855 (862 f.). 29 Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619 (623 ff.); vgl. Heinemeyer, in: MüKoBGB, § 426 BGB Rn. 23. 30 OLG Hamm, Urteil vom 5. Juni 2000 – 13 U 222/99, BeckRS 2007, 2808; C. Schäfer/ Groh, in: FS Ebke (2021), S. 855 (863); J. Koch, Aktiengesetz, § 93 AktG Rn. 117; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 51; vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 426 BGB Rn. 27. 26

B. Persönlicher Anwendungsbereich

147

verantwortlichen) Organmitglieder aufzulösen sein.31 Aus Sicht des Organmitglieds ist es ein zufälliger Umstand, ob auch ein Arbeitnehmer an der Schädigung beteiligt und damit der Schadensersatzanspruch zu Lasten der Gesellschaft zu kürzen ist.32 Auch die strenge aktienrechtliche Haftung nach § 93 AktG und die parallele Lösung in Bezug auf § 1664 BGB sprechen für eine Lösung zu Lasten des Organmitglieds.33 Diesem Ansatz könnte entgegenstehen, dass der Symmetriegedanke, wonach sich wirtschaftlicher Nutzen und Risiken aus der Beschäftigung eines Arbeitnehmers gegenüberstehen, nur in Bezug auf die Gesellschaft, nicht aber in Bezug auf deren Organmitglieder greift. Aus der Sicht von letzteren hätte der Arbeitsvertrag die Wirkung eines Vertrags zu Lasten Dritter bzw. zu Lasten der Organmitglieder.34 Das Arbeitnehmerhaftungsprivileg beruht aber nicht auf einer privatrechtlichen Haftungsvereinbarung, sondern ist das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung und wurde vom Gesetzgeber gebilligt.35 Zudem ist es einem Organmitglied möglich, auf die Einstellung der Arbeitnehmer einen gewissen Einfluss zu nehmen. Der Einwand überzeugt daher nicht, so dass eine Lösung zu Lasten des Organmitglieds aus den genannten Gründen vorzugswürdig ist. Der Anspruch der Gesellschaft gegen das Organmitglied reduziert sich also nicht nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld. 2. Organmitglieder Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für gegenwärtige oder ehemalige Mitglieder des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung des Versicherungsnehmers oder einer Tochtergesellschaft (Ziffer A-1 AVB D&O). Organschaftliche Stellvertreter sind „echte“ Organmitglieder, d.h. ihre Organstellung ist nicht auf den Vertretungsfall beschränkt (§ 94 AktG, § 44 GmbHG, § 35 GenG).36 Dementsprechend gilt der Versicherungsschutz auch für diese Personengruppe, auch wenn nicht alle Policen sie ausdrücklich als versicherte Personen benennen.37

31

Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619 (625 ff.); so wohl auch Spindler, in: Goette/Habersack/ Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 93 AktG Rn. 165. 32 Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619 (629). 33 Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619 (621 ff.); zustimmend: Schnorbus, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 95. 34 C. Schäfer/Groh, in: FS Ebke (2021), S. 855 (863). 35 Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619 (627). 36 Zu Stellvertretern von Vorstandsmitgliedern als echten Organmitglieder: Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 94 AktG Rn. 1; dagegen sind für Aufsichtsratsmitglieder keine Stellvertreter, sondern nur Ersatzmitglieder möglich, die erst bei dauerhaftem Wegfall der zu vertretenden Person an deren Stelle treten und Aufsichtsratsmitglieder werden, § 101 Abs. 3 AktG. 37 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 1 Rn. 17; so wohl auch Ihlas, D&O, S. 339.

148

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

Probleme bereitet die Beurteilung, ob Versicherungsschutz für fehlerhaft bestellte Organmitglieder besteht.38 Insbesondere für die Prämienkalkulation muss der Versicherer eindeutig bestimmen können, wie viele Personen versichert sind. Entscheidend ist daher die förmliche Bestellung. Für faktische Organmitglieder besteht damit kein Versicherungsschutz.39 Jemand ist ein faktisches Organmitglied, wenn er die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand nimmt, wobei nach der Rechtsprechung „ein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln gegeben sein“ muss.40 Da sie unternehmerische Teilfunktionen wahrnehmen, kann dies insbesondere auf leitende Angestellte zutreffen. Abhelfen kann hier die vertragliche Klarstellung, dass nur „ordnungsgemäß bestellte“ Organmitglieder versichert sind.41 Der Versicherungsschutz für ehemalige Geschäftsleiter erklärt sich aus dem sog. „claims made“-Prinzip (Ziffer A-2 AVB D&O), und der Möglichkeit der Rückwärtsdeckung für vorvertragliche Pflichtverletzungen (Ziffer A-5.2 AVB D&O).42 Diese Umstände führen dazu, dass ein Schadensfall infolge des Verhaltens eines Geschäftsleiters zu einem Zeitpunkt eintreten kann, zu dem der Geschäftsleiter schon nicht mehr in der für die Versicherung maßgeblichen Funktion für das Unternehmen bzw. den Versicherungsnehmer tätig ist. 3. Einbeziehung leitender Angestellter a) Hintergrund des Einschlusses leitender Angestellter Ursprünglich waren nur die Organe einer juristischen Person, also Aufsichtsrat und Vorstand bzw. Geschäftsführer, versichert. Die AVB D&O erfassen keine Personen unterhalb der Organebene.43 Der GDV hatte sich in Bezug auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern 38

Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 108 ff., die eine Einbeziehung fehlerhaft bestellter Organmitglieder befürwortet, einen Versicherungsschutz für faktische Organmitglieder ohne Bestellung aber ablehnt; differenzierend auch Ihlas, D&O, S. 339 f.; kritisch: Steinkühler, VW 2009, 94, der die faktischen Organmitglieder unter Bezugnahme auf die Haftung von verdeckt handelnden Hintermännern in anderen Rechtsordnungen auch als „shadow directors“ bezeichnet; ablehnend: Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 77. 39 Ihlas, D&O, S. 340; ebenso Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 28 Rn. 55; a.A.: Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 109 f.; differenzierend: Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 1 Rn. 23. 40 BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 196/00, NJW 2002, 1803 (1805); kritisch zu diesem Erfordernis: Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 229 f. 41 Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 28 Rn. 55; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 108 f. 42 Nähere Ausführungen zu diesen Besonderheiten der D&O-Versicherung: § 6C.II. 43 Diesen Umstand kritisierte Lange bereits in Bezug auf die Musterbedingungen des GDV aus dem Jahr 2005 als marktunüblich, VW 2005, 1026.

B. Persönlicher Anwendungsbereich

149

(AVB-AVG)44 im Jahr 2008 gegen eine solche Erweiterung des versicherten Personenkreises ausgesprochen, um das Haftungsprivileg der Arbeitnehmer nicht zu unterlaufen.45 Nach dem US-amerikanischen Konzept erfasst der D&O-Versicherungsschutz sowohl Mitglieder des board of directors als auch angestellte officers.46 Zu den angestellten officers zählen etwa auch vice presidents. Nach deutschem Recht wären diese Personen in der Regel als leitende Angestellte zu qualifizieren.47 b) Bestimmung der leitenden Angestellten Auch wenn das US-amerikanische Verständnis das Versicherungsprodukt prägt, waren leitende Angestellte im deutschen Recht ursprünglich nicht mitversichert. Grund hierfür war die unterschiedliche Haftung von Arbeitnehmern und Organmitgliedern. Mit der zunehmenden Verbreitung der D&O-Versicherung in Deutschland haben die Versicherungsunternehmen ihre Policen hinsichtlich des versicherten Personenkreises zunehmend erweitert, so dass diese über die AVB D&O hinausgehen und regelmäßig auch leitende Angestellte erfassen.48 Deren Einbeziehung erfordert eine entsprechende Vereinbarung. Probleme bereitet die Abgrenzung, welche Personen leitende Angestellte sind und damit dem persönlichen Anwendungsbereich der D&O-Versicherung unterfallen. Wie bereits festgestellt, gibt es keinen einheitlichen und allgemein gültigen Begriff des leitenden Angestellten (siehe § 2A). aa) Maßstab der Auslegung im Dreiecksverhältnis Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, „wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Damit kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an.“49

44

Die Abkürzung „AVB D&O“ hat die Bezeichnung „AVB-AVG“ abgelöst. Ihlas, D&O, S. 343; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 191. 46 Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 76; dazu auch Ihlas, in: MüKoVVG, Rn. 176; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 191. 47 Steinkühler, VW 2009, 94; näher zum Begriff des officers nach US-amerikanischem Verständnis: Heppe, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 11 Rn. 71 f. 48 Kritisch zur Einbeziehung leitender Angestellter: Lattwein, NVersZ 1999, 49 (50 f.); dazu auch § 6B.II.3.c). 49 BGH, Urteil vom 11. September 2013 – IV ZR 303/12, NJW 2014, 377 (377), im Zusammenhang mit einer Ratenschutz-Arbeitsunfähigkeitsversicherung; vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2016 – IV ZR 44/15, NJW 2017, 388 (389), zu einer Klausel einer Krankentagegeld45

150

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

Die D&O-Versicherung ist eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von §§ 43 ff. VVG. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin ist verpflichtet, die Versicherungsprämien zu zahlen; die begünstigten Personen sind die versicherten Organmitglieder und leitenden Angestellten. Bei einem solchen Dreiecksverhältnis kommt es nicht nur auf das Verständnis des Versicherungsnehmers, sondern auch auf das Verständnis und die Interessen einer durchschnittlichen versicherten Person an.50 Dabei sind an das Verständnis eines „geschäftserfahrenen und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten, dennoch nicht juristisch oder versicherungsrechtlich vorgebildeten Versicherungsnehmer/Versicherten einer D&O-Versicherung“ keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Komplexe juristische Beurteilungen sind ihm nicht zumutbar.51 bb) Auslegung angesichts uneinheitlicher gesetzlicher Begriffe Der Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der jeweiligen Klausel. Soweit sie für den Versicherungsnehmer und die versicherte Person erkennbar sind, finden auch der Zweck des Versicherungsvertrags und der Kontext der einzelnen Bestimmung Berücksichtigung.52 Verwenden Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Allgemeinen Versicherungsbedingungen Rechtsbegriffe, und nehmen sie dadurch erkennbar auf gesetzliche Regelungen Bezug, so richtet sich die Auslegung nach der juristischen Fachbedeutung.53 Eine abweichende Auslegung kommt in Betracht, wenn das allgemeine Sprachverständnis deutlich von der Rechtssprache abweicht oder wenn der Kontext der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt.54 Wenn der rechtliche Begriff allerdings uneinheitlich ist und von dem jeweiligen Regelungskontext abhängt, können einzelne Kriterien der jeweiligen Definitionen nicht ohne Weiteres übertragen werden. Verschiedene gesetzliche Regelungen verwenden den Begriff des leitenden Angestellten mit unterschiedlichen Voraussetzungen, so dass die Anforderungen nicht übereinstimmen. Es stellt sich versicherung; speziell zur D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung: OLG München, Urteil vom 13. September 2017 – 7 U 4126/13, r + s 2017, 589 (591); Begründung dieser Einordnung in Bezug auf die Innenhaftung: Schlierenkämper, Versicherbarkeit von Managerhaftung, S. 69 ff. 50 BGH, Urteil vom 11. September 2013 – IV ZR 303/12, NJW 2014, 377 (377). 51 BGH, Urteil vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19, NJW 2021, 231 (233); deutlich strenger hatten dies zuvor noch die Instanzgerichte beurteilt, etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2020 – 4 U 134/18, VersR 2020, 1307 (1311 f.). 52 BGH, Urteil vom 6. Juli 2016 – IV ZR 44/15, NJW 2017, 388 (389), zu einer Klausel einer Krankentagegeldversicherung. 53 Vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2014 – II ZR 395/12, NZG 2014, 661 (663), zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Form von Genussscheinbedingungen; Urteil vom 19. März 2003 – VIII ZR 135/02, NJW 2003, 2607 (2608), zu einer Rückkaufvereinbarung über Leasinggegenstände. 54 BGH, Urteil vom 6. März 2019 – IV ZR 72/18, NJW 2019, 1286 (1287); Urteil vom 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, NJW-RR 2017, 992 (993).

B. Persönlicher Anwendungsbereich

151

daher die Frage, welche Kriterien die Police einer D&O-Versicherung zugrunde legen darf und welche bei Fehlen einer Definition anzulegen sind.55 Im Versicherungsvertrag können Parteien grundsätzlich frei bestimmen, wer unter den versicherten Personenkreis fällt. Stellt der Versicherer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, ist die Klausel nur Vertragsbestandteil, wenn sie nicht ungewöhnlich und für den Versicherungsnehmer sowie die versicherte Person nicht überraschend ist (§ 305c Abs. 1 BGB). Bestimmen die Versicherungsbedingungen den Begriff des leitenden Angestellten nicht näher, plädieren das OLG München und ein Teil der Literatur dafür, die Kriterien von § 5 BetrVG anzuwenden.56 Der betriebsverfassungsrechtliche Begriff des leitenden Angestellten steht aber in einem völlig anderen Regelungszusammenhang als die Festlegung des versicherten Personenkreises durch die Bedingungen des D&O-Versicherungsvertrags. Angesichts der unterschiedlichen Motive der Begriffsbestimmungen im Betriebsverfassungsrecht und in den Bedingungen einer D&O-Versicherung überzeugt ein solcher Rückgriff nicht. Mangels eines eigenen haftungsrechtlichen Begriffs des leitenden Angestellten sind die Anforderungen eines einzelnen gesetzlichen Begriffs nicht übertragbar, weil kein Regelungskontext für den versicherungsvertraglichen Begriff passt. Thomas befürwortet eine Auslegung nach dem jeweiligen rechtlichen Zusammenhang. Im versicherungsrechtlichen Kontext sei maßgeblich, „ob die Person arbeitnehmertypische Funktionen mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahrnimmt“.57 Ein solches Verständnis entspricht zwar dem Zweck, den Begriff des leitenden Angestellten eigens für den Versicherungsvertrag zu definieren. Allerdings enthält diese Auslegung wiederum auslegungsbedürftige Unschärfen („arbeitnehmertypische Funktionen“, „erheblicher Entscheidungsspielraum“) und ermöglicht keine eindeutige Abgrenzung. Vielmehr erweitert sie die ohnehin vorhandene Palette an Auslegungsmöglichkeiten um einen weiteren Begriff, bei dem unklar ist, ob ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zum betriebsverfassungsrechtlichen, kündigungsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Begriff möglich ist. Letztlich führt die Annahme eines autonomen haftungsrechtlichen Begriffs zu weiterer Unsicherheit bei der Rechtsanwendung.58 Die üblichen Auslegungsmethoden führen nicht weiter. Vielmehr bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, welche Anforderungen ein leitender Angestell-

55 So auch Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 77, wenn auch ohne konkreten Lösungsvorschlag. 56 OLG München, Urteil vom 13. September 2017 – 7 U 4126/13, r + s 2017, 589 (591); zustimmend: R. Koch, ZIP 2018, 301 (306); Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 28 Rn. 60; ablehnend, wenn auch ohne Begründung: Müller, NZA-Beilage 2014, 30 (31). 57 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 347. 58 Kritisch zu einer eigenen Definition im Versicherungsvertrag daher auch Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 6 Rn. 25.

152

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

ter im Sinne des Versicherungsvertrags erfüllen soll. Es liegt im Interesse des Versicherers, den Kreis der versicherten Personen und damit die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme von Versicherungsschutz möglichst klein zu halten. Zudem erleichtert ein überschaubarer und eindeutig bestimmbarer Personenkreis die Prämienkalkulation. Der Versicherungsnehmer wird ein entgegengesetztes Interesse haben, um die D&O-Versicherung als Instrument der Personalgewinnung einsetzen und möglichst viele potentielle Führungskräfte damit ansprechen zu können. Aus Sicht der versicherten Person ist dies ambivalent. Zwar ist es für sie selbst von Vorteil, wenn sie versichert ist. Allerdings steigt für sie mit einer zunehmenden Zahl versicherter Personen die Gefahr, dass die Deckungssumme innerhalb einer Versicherungsperiode bei einer Inanspruchnahme für sie selbst nicht mehr ausreicht.59 Das primäre Interesse der versicherten Person wird sich jedoch darauf richten, selbst überhaupt versichert zu sein. Zweifel bei der Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders bzw. des Versicherers (§ 305c Abs. 2 BGB). Aus den genannten Gründen ist der Kreis der versicherten Personen im Interesse des Versicherungsnehmers und der versicherten Person selbst möglichst weit auszulegen. Bestimmt der Versicherungsvertrag den Begriff des leitenden Angestellten nicht näher, erfasst dieser jede Person, die einem der gesetzlichen Begriffe unterfällt.60 Erfüllt ein Arbeitnehmer etwa die Kriterien des betriebsverfassungsrechtlichen Begriffs, mangels Personalkompetenz aber nicht diejenigen des kündigungsrechtlichen Begriffs, genügt ersteres für die Einordnung als leitender Angestellter im Sinne des Versicherungsvertrags. Diesen Ansatz verfolgt auch die Praxis, indem einige Versicherer schlicht auf die leitenden Angestellten „nach dem weitestgehenden Verständnis“ oder auf die günstigste Auslegung61 abstellen. cc) Autonome versicherungsvertragliche Definition? Die Parteien können festlegen, wann ein Arbeitnehmer ein leitender Angestellter im Sinne des Versicherungsvertrags ist und zum Kreis der versicherten Personen zählt. Hier stellen sich jedoch die gleichen Probleme, die auch einer autonom haftungsrechtlichen Auslegung des Begriffs des leitenden Angestellten entgegenstehen. Auch wenn es sachgerecht wäre, diejenigen haftungsrechtlich relevanten Aspekte zu berücksichtigen, die wesentlich sind für die Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer und gleichzeitig leitende Angestellte von anderen Arbeitnehmern unterscheiden, empfiehlt sich eine autonome versicherungsvertragliche Definition nicht. Der Versicherungsvertrag sollte entweder eindeutige Kriterien festlegen, die eine präzise Abgrenzung ermöglichen, oder bestimmen, auf welchen gesetzlichen Begriff abzustellen ist. 59

Lattwein, NVersZ 1999, 49 (50 f.). Ebenso Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 112 f. 61 Vgl. Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (295); Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 112 m.w.N. 60

B. Persönlicher Anwendungsbereich

153

Denkbar ist eine Formulierung, welche auf bestimmte Hierarchie- oder Führungsebenen, also beispielsweise auf die erste Ebene unterhalb der Organebene abstellt.62 Allerdings verlagert dieses Vorgehen das Definitionsproblem vom Begriff des leitenden Angestellten auf die Festlegung der Hierarchie-/Führungsebene. Die hiermit verbundenen Probleme wurden bereits im Zusammenhang mit dem FüPoG angesprochen (siehe § 2B.II.4). Ferner besteht die Möglichkeit, den Versicherungsschutz von der Stellung als Prokurist abhängig zu machen.63 Dies schließt zwar einen Teil der leitenden Angestellten vom D&O-Versicherungsschutz aus, ermöglicht aber eine eindeutige Festlegung der versicherten Personen. Alternativ können die Versicherungsvertragsparteien den Versicherungsschutz ausschließlich auf diejenigen leitenden Angestellten ausdehnen, mit denen der Arbeitgeber bzw. Versicherungsnehmer eine entsprechende Vereinbarung unter Beteiligung des Versicherers getroffen hat. c) Schwierigkeiten bei einer Einbeziehung leitender Angestellter Die Einbeziehung leitender Angestellter erschwert eine Abgrenzung des versicherten Personenkreises. Anders als bei Organmitgliedern gibt es keinen – mit einer organschaftlichen Bestellung vergleichbaren – förmlichen Akt, welcher einen „normalen“ Arbeitnehmer zu einem leitenden Angestellten macht. Die Grenzen für diese Einordnung sind fließend, was die Prämienkalkulation und eine Festlegung des versicherten Personenkreises schwieriger macht. Mit einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der D&O-Versicherung rückt deren Bestehen zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dies kann zu einer häufigeren Inanspruchnahme von Deckungsschutz führen. Haftpflichtversicherungen sehen sich generell dem Verdacht ausgesetzt, dass Deckung Haftung erzeuge.64 Bestehe eine Versicherung und gewähre Deckungsschutz, mache der Geschädigte eher Ansprüche geltend, als wenn der Schädiger nicht versichert wäre. Mit der höheren Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme wandelt sich der Charakter der Versicherung (weg von einer „Tresorpolice“), was sich wiederum auf die Prämienhöhe auswirkt.65 Insgesamt verhärtet sich der D&OVersicherungsmarkt. Für Versicherungsnehmer ist es zunehmend schwieriger, Versicherungsbedingungen durchzusetzen, welche den Versicherungsschutz zu ihren Gunsten im Vergleich zu den AVB D&O erweitern. Nachdem seit Einführung der D&O-Versicherung in Deutschland die Marktbedingungen tendenziell günstig für die Versicherungsnehmer waren und die Versicherer seit vielen Jahren Verluste in diesem Bereich hinnehmen mussten, sind

62

Ihlas, D&O, S. 344; ders., in: MüKoVVG, Rn. 174. Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; in diese Richtung auch Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 191; siehe dazu auch Ihlas, in: MüKoVVG, Rn. 175. 64 So Bachmann, NJW-Beilage 2014, 43 (43); ablehnend dazu: Ihlas, D&O, S. 343. 65 Lattwein, NVersZ 1999, 49 (50 f.). 63

154

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

die Versicherungsprämien zuletzt, insbesondere zum Jahreswechsel 2020/2021, erheblich gestiegen.66 Die zunehmende Praxis, Schadensersatzansprüche gegen Organe durchzusetzen, senkt die Rentabilität der D&O-Versicherung für die Versicherer. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid19-Pandemie ist zu erwarten, dass viele Gesellschaften bzw. deren Insolvenzverwalter etwaige Schadensersatzansprüche gegen Führungskräfte geltend machen werden und dies zu weiteren Verlusten und Preiserhöhungen führen wird.67 Je größer der Kreis der versicherten Personen ist, desto schneller ist zudem die Versicherungssumme aufgezehrt.68 Diese steht grundsätzlich nur einmal innerhalb einer Versicherungsperiode zur Verfügung. Ist sie aufgebraucht, können die anderen versicherten Personen vom Versicherer keine Deckung mehr verlangen. Dieses Risiko eines vorzeitigen Verbrauchs der Versicherungssumme führt dazu, dass der Versicherungsschutz aus Sicht der versicherten Personen lückenhaft ist und sie sich nicht auf die Deckung etwaiger Schäden verlassen können. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf drohende Interessenkonflikte diskutiert das Schrifttum die Option eines sog. „Two Tower“-Modells (auch als „Twin Tower“-Modell bezeichnet) anstelle der einheitlichen Gruppenversicherung.69 Nach diesem alternativen Konzept schließt eine Gesellschaft getrennte Versicherungsverträge für Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte einerseits und Aufsichtsratsmitglieder andererseits.70 Die getrennten Versicherungsverträge führen dazu, dass die bisherige einheitliche Versicherungssumme aufgeteilt wird und für die separaten Verträge niedriger ausfällt.71 An den einzelnen Versicherer zahlt der Versicherungsnehmer eine

66

Vgl. etwa Armon, VW 2021, Heft 7, 66 (66); Hendricks, VW 2021, Heft 5, 46 (46); Kremer/Prochazka, VW 2021, Heft 9, 32 (32); den Preisanstieg für D&O-Versicherung betraf auch eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion vom 13. November 2020, BT-Drs. 19/24272. 67 In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des BGH zu beachten, wonach die D&O-Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche gegen Geschäftsführer wegen Zahlungen nach Insolvenzreife abdeckt, Urteil vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19, NJW 2021, 231. 68 Hierauf weist auch Lattwein hin, der einer Mitversicherung leitender Angestellter generell kritisch gegenübersteht, NVersZ 1999, 49 (50 f.). 69 Armbrüster, NJW 2016, 897 (898 ff.); W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1016 ff.); von Schenck, NZG 2015, 494 (500 f.); kritisch zum „Two Tower“-Modell: Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (325 ff.); Gegenstand der Diskussion ist auch die sog. „Two Tier Trigger“-Policy; näher dazu: Armbrüster, NJW 2016, 897 (899); W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1017 f.); Fassbach, Der Aufsichtsrat 2013, 26 (26 ff.); Reichert/Suchy, NZG 2017, 88 (88 ff.). Hier besteht neben der Globalversicherung für sämtliche Geschäftsleiter ein gesonderter Vertrag mit einem anderen Versicherer, der bei Eintritt bestimmter Umstände („trigger“), etwa wenn ein Vorstandsmitglied einem Aufsichtsratsmitglied den Streit verkündet, subsidiär speziellen Versicherungsschutz oder eine Anschlussdeckung für Aufsichtsratsmitglieder bietet. 70 Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (325). 71 Zu den Schwierigkeiten, die Versicherungssumme angemessen zwischen den beiden Verträgen aufzuteilen: Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (326 ff.).

C. Sachlicher Anwendungsbereich

155

geringere Prämie und schmälert damit seine Position bei Vertrags- und etwaigen Vergleichsverhandlungen.72 Die Beteiligung mehrerer Versicherer bedeutet eine „Vervielfachung der Streitverhältnisse und -verkündigung“73 und damit einen hohen Regulierungsaufwand, zumal die Bedingungen der einzelnen Versicherungsverträge voneinander abweichen können.74 Der Abschluss getrennter Versicherungsverträge ist eine unternehmerische Entscheidung.75 Bei der Abwägung im Vorfeld dieser Entscheidung muss der Umstand Berücksichtigung finden, dass ein Konzept mit mehreren Versicherungsverträgen strukturell erhebliche Nachteile birgt. Im Einzelfall kann der Abschluss eines gesonderten Versicherungsvertrags für die Aufsichtsratsmitglieder dennoch vorzugswürdig sein.

C. Sachlicher Anwendungsbereich Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass ein gegenwärtiges oder ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung des Versicherungsnehmers oder einer Tochtergesellschaft (versicherte Personen) wegen einer bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (Ziffer A-1 AVB D&O). Ein Versicherungsfall tritt – anders als in der üblichen Berufshaftpflichtversicherung – nicht im Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern in demjenigen Zeitpunkt ein, in welchem erstmals ein Haftpflichtanspruch gegen eine versicherte Person geltend gemacht wird. Um zu verstehen, wann D&O-Versicherungsschutz besteht, analysiert der folgende Abschnitt das versicherte Risiko (I), den versicherten Zeitraum (II) und grenzt den Anwendungsbereich der D&O-Versicherung zu anderen Versicherungsarten ab (III).

I. Versichertes Risiko Eine Haftpflichtversicherung betrifft die Deckung gesetzlicher Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts.76 Es gilt der Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr. Der Versicherungsschutz beschränkt sich danach auf das im Versicherungsvertrag bezeichnete Risiko und erfasst nicht das gesamte Haft-

72

Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (328 f.). Armbrüster, NJW 2016, 897 (899). 74 Armbrüster, NJW 2016, 897 (899 f.); Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (329 f.); Reichert/Suchy, NZG 2017, 88 (92). 75 W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1017). 76 Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 35. 73

156

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

pflichtrisiko des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person.77 Individuelle Vereinbarungen, die Risikobeschreibungen sowie die besonderen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen definieren also das Rechtsverhältnis, aus dem sich eine Haftpflichtverbindlichkeit ergeben muss, damit sie der Deckung durch den Versicherungsvertrag unterfällt.78 1. Versicherte Tätigkeit Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person „wegen einer bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird“ (Ziffer A-1 AVB D&O). Enthält der Versicherungsvertrag eine Beschreibung der Tätigkeiten oder Funktionen der versicherten Personen, regeln die Parteien damit zugleich die versicherte Tätigkeit. Haben die Parteien die konkrete Tätigkeit nicht ausdrücklich festgelegt, kommt es auf das typische Berufsbild der jeweils versicherten Funktion an.79 Versichert sind vor allem diejenigen Tätigkeiten, zu denen ein Organmitglied gesetzlich verpflichtet ist.80 Teilweise beschränken die Versicherer ihre Haftung auf organschaftliche Tätigkeiten der versicherten Personen. Ein leitender Angestellter handelt als Arbeitnehmer und kann (vorbehaltlich einer faktischen Organstellung) nicht als Gesellschaftsorgan handeln. Bezieht sich die Einbeziehung leitender Angestellter nur auf eine Inanspruchnahme nach organhaftungsrechtlichen Grundsätzen, können allenfalls faktische Organmitglieder als Anwendungsfälle verbleiben.81 Die Tätigkeit als leitender Angestellter ist in einem solchen Fall also gerade nicht versichert.82 Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf organschaftliche Tätigkeiten bedeutet zugleich, dass sog. operative Tätigkeiten der Organmitglieder nicht erfasst und der Versicherungsschutz für diese Personen möglicherweise unzureichend ist. Organschaftliche Tätigkeiten sind nach dem Gesetz oder dem unternehmensinternen Recht ausschließlich dem jeweiligen Organmitglied aufgrund

77

BGH, Urteil vom 7. Oktober 1987 – IV a ZR 140/86, NJW-RR 1988, 148 (148); Schneider, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 24 Rn. 34. 78 Schneider, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 24 Rn. 34. 79 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 5. 80 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 215. 81 Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 78; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 4. 82 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 173.

C. Sachlicher Anwendungsbereich

157

seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung vorbehalten.83 Im Gegensatz dazu kann ein Organmitglied operative Tätigkeiten an Arbeitnehmer delegieren.84 Zählen die operativen Tätigkeiten zum Berufsbild, ist eine solche einschränkende Klausel überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB und damit nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags.85 Zudem führt eine Differenzierung zwischen organschaftlichen und operativen Tätigkeiten zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, weil dies keine feststehenden rechtlichen Begriffe sind, und kann daher zur Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz führen. Abgrenzungsprobleme ergeben sich auch, wenn der Versicherungsvertrag die versicherte Tätigkeit leitender Angestellter auf (typisch) leitende Tätigkeiten beschränkt. Mangels einer exakten Definition ist es nicht immer möglich, leitende von nicht leitenden Tätigkeiten abzugrenzen.86 Strittig ist, ob die Versicherungsvertragsparteien festlegen können, ob sich die (den Versicherungsfall auslösende) Haftpflicht des leitenden Angestellten nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung bestimmt.87 2. Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und schadensverursachender Handlung Damit ein Versicherer Deckung gewährt, muss die versicherte Person die schadensverursachende Pflichtverletzung „bei Ausübung dieser Tätigkeit“, d.h. bei Ausübung der versicherten Tätigkeit begangen haben (Ziffer A-1 AVB D&O). Umstritten ist, welche Anforderungen an den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Pflichtverletzung zu stellen sind. Möglicherweise lässt sich der Beurteilungsmaßstab aus der Betriebshaftpflichtversicherung übertragen. Für deren sachlichen Anwendungsbereich fordert der BGH, dass die schadensverursachende Handlung dazu „bestimmt [ist], dem Interesse des Betriebs zu dienen“.88 Entscheidend ist also die subjektive Zweckrichtung. Ist der Betriebsangehörige in dieser Weise betriebsbezogen tätig geworden und hat dabei einen Schaden verursacht,

83

Lange, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, § 21 Rn. 26 unter Fn. 56, der als Beispiele für organschaftliche Tätigkeiten die Information von Aufsichtsratsgremien oder die Strategieplanung, für operative Tätigkeiten dagegen Verhandlungen mit Geschäftspartnern im Tagesgeschäft des Unternehmens nennt. 84 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 26. 85 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 29. 86 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 4. 87 So wohl Klinkhammer, VP 2011, 157 (160). 88 BGH, Urteil vom 17. Januar 1973 – IV ZR 146/71, NJW 1973, 515 (516); Urteil vom 4. Dezember 1958 – II ZR 177/57, NJW 1959, 243 (244).

158

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

„so ist es unerheblich, ob er seine dienstlichen Verrichtungen gut oder schlecht ausgeführt hat, ob er seine Befugnisse irrig oder eigenmächtig überschritten hat, ob sein Handeln im objektiven Interesse des Betriebes gelegen und dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprochen hat.“89

Dieses Verständnis stützt der BGH insbesondere auf den Zweck der Betriebshaftpflichtversicherung als Fremdversicherung. Aus Sicht des Versicherungsnehmers sei die schadensverursachende Handlung der versicherten Person regelmäßig eine Fehlhandlung und liege nicht im objektiven betrieblichen Interesse. Müsste sich das schadensstiftende Verhalten im Rahmen der (mutmaßlichen) Vorgaben des Versicherungsnehmers halten, führte das zu einem faktischen Leerlauf der Versicherung.90 Zudem verweist das Gericht auf die parallele Auslegung von § 831 BGB und § 637 RVO.91 Auch der allgemeine Sprachgebrauch lege angesichts der Formulierung „in Ausführung dienstlicher Verrichtungen“ einen inneren Zusammenhang zwischen schadensverursachendem Verhalten und Betrieb nahe. Ein deutlich strengerer Maßstab bestünde in der Anforderung, dass die schadensverursachende Tätigkeit der versicherten Person konkret zugewiesen sein müsse. So bestimmt sich der sachliche Anwendungsbereich der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten unter Berücksichtigung des Versicherungsvertrags und der konkret vom Rechtsanwalt übernommenen Aufgaben.92 Gegen eine Übertragung dieses strengen Beurteilungsmaßstabs spricht der Umstand, dass die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte ihrem Wesen nach auf die spezifischen Risiken einer anwaltlichen Tätigkeit angepasst ist. Für ein Eingreifen einer D&O-Versicherung entscheidend ist die Funktion als Vertreter oder zumindest Führungskraft einer juristischen Person. Der Anwendungsbereich dieser Versicherungsart ist deutlich weiter gefasst als eine Berufshaftpflichtversicherung, die an die Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit anknüpft. Dagegen lassen sich die Erwägungen in Bezug auf den Anwendungsbereich der Betriebshaftpflichtversicherung auch auf die D&O-Versicherung übertragen.93 Für eine Übertragung spricht die Systematik in Gestalt eines Gleichlaufs mit der Auslegung ähnlich formulierter gesetzlicher Vorschriften. Aufgrund ihres funktionsbezogenen Anwendungsbereichs ist die Betriebshaftpflichtversiche-

89

BGH, Urteil vom 17. Januar 1973 – IV ZR 146/71, NJW 1973, 515 (516). BGH, Urteil vom 4. Dezember 1958 – II ZR 177/57, NJW 1959, 243 (243 ff.). 91 BGH, Urteil vom 17. Januar 1973 – IV ZR 146/71, NJW 1973, 515 (516). 92 BGH, Beschluss vom 18. März 2020 – IV ZR 52/19, VersR 2020, 1037 (1039); Beschluss vom 23. September 2015 – IV ZR 484/14, juris; Knöfel, VersR 2019, 1249 (1252). 93 Knöfel, VersR 2019, 1249 (1253); skeptisch dagegen: Fiedler, VersR 2020, 968 (977), Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. November 2019 – 4 U 182/17. 90

C. Sachlicher Anwendungsbereich

159

rung der D&O-Versicherung näher als der Anwendungsbereich einer – insoweit deutlich spezifischeren – Berufshaftpflichtversicherung.94 Diese Formulierung „bei Ausübung dieser Tätigkeit“ in Ziffer A-1 AVB D&O erinnert an die Kriterien „in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG und „in Ausführung der Verrichtung“ im Sinne von § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese legen Rechtsprechung und Literatur dahingehend aus, dass zwischen der versicherten Tätigkeit und der pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlung ein unmittelbarer innerer Zusammenhang bestehen muss.95 Der BGH hat dabei hervorgehoben, dass dieser Zusammenhang Ausdruck des „Gedanken[s] des Einstehenmüssens für ein Betriebsrisiko“ sei.96 Einer Auslegung in Anlehnung an Art. 34 Abs. 1 GG und § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB könnte entgegenstehen, dass die Bezugnahme auf diese Kriterien für eine durchschnittliche versicherte Person nicht ohne Weiteres erkennbar ist.97 Selbst wenn sie nicht die Ähnlichkeit zur Formulierung bestimmter gesetzlicher Regelungen sieht, dürfte sie aber die zweckmäßige Einschränkung der versicherten Tätigkeit erkennen.98 Letztlich kommt auch die Ansicht, die sich darauf beruft, dass die Bezugnahme nicht erkennbar sei, zu dem Ergebnis, dass eine Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit „jede Tätigkeit erfasst, die in der Stellung als Organmitglied oder leitender Angestellter wurzelt und deshalb geeignet ist, Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder gem. § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 34 Abs. 2 GenG sowie gegen leitende Angestellte gem. §§ 280, 241 Abs. 2 BGB auszulösen“.99

Angesichts der erkennbaren sprachlichen Bezugnahme und der vergleichbaren Zwecke der Kriterien ist die Auslegung der Kriterien in Art. 34 Abs. 1 GG und § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragbar auf die Abgrenzung des versicherten Risikos in der D&O-Versicherung.100 Der BGH hat sich nach der Entscheidung des OLG München nicht zu dessen Auslegung geäußert und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.101

94 Mit dieser Parallele zur Betriebshaftpflichtversicherung argumentiert auch Knöfel, VersR 2019, 1249 (1256). 95 BGH, Urteil vom 6. Oktober 1970 – IV ZR 56/69, NJW 2971, 31 (32); Urteil vom 24. Juni 1958 – IV ZR 153/57, NJW 1958, 1774 (1775); Förster, in: BeckOK BGB, § 831 BGB Rn. 29; Wagner, in: MüKoBGB, § 831 BGB Rn. 30. 96 BGH, Urteil vom 24. Juni 1958 – IV ZR 153/57, NJW 1958, 1774 (1775). 97 R. Koch, ZIP 2018, 301 (303 ff.). 98 Knöfel, VersR 2019, 1249 (1253). 99 R. Koch, ZIP 2018, 301 (306, 308). 100 OLG München, Urteil vom 13. September 2017 – 7 U 4126/13, r + s 2017, 589 (592); kritisch hierzu: Schimikowski, r + s 2017, 593 (593), Anmerkung zu eben dieser Entscheidung; eine solche Auslegung ablehnend: R. Koch, ZIP 2018, 301 (304 f.). 101 BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 – IV ZR 249/17, zitiert nach juris.

160

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

Die Pflichtverletzung muss der versicherten Person also bei Ausübung und nicht nur bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit unterlaufen, damit die D&O-Versicherung Deckung gewährt. Es bedarf eines sachlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem schadensverursachenden Verhalten.102 Insbesondere die subjektive Zweckrichtung begründet den erforderlichen Sachzusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und schadensverursachendem Verhalten. Die versicherte Tätigkeit bestimmt sich nach dem Versicherungsvertrag. Überschreitet die versicherte Person ihre Befugnisse, führt dies nicht zwingend dazu, dass der erforderliche Sachzusammenhang entfällt.103 Die Versicherung soll gerade die Folgen pflichtwidrigen Verhaltens der versicherten Person und damit auch solche Handlungen decken, die im Einzelfall über die Grenzen des erlaubten Aufgabenkreises hinausgehen.104 Die versicherte Person unterbricht aber den Sachzusammenhang, wenn sie sich vollständig von ihrem Aufgabenbereich löst.105 Entscheidend ist, ob sie sich mit ihrem Verhalten so weit von dem ihr zugewiesenen Aufgabenbereich entfernt, dass ein Zusammenhang zwischen der Verfehlung und dem Aufgabenkreis aus Sicht eines Außenstehenden nicht mehr zu erkennen ist.106 Bei einem leitenden Angestellten stellt sich die Frage, ob für die versicherte Tätigkeit jede beliebige Tätigkeit aus dessen Aufgabenbereich genügt oder ob eine typisch leitende Tätigkeit vorliegen muss. Dies hängt davon ab, wie der Versicherungsvertrag die versicherte Tätigkeit definiert. Umfasst der Versicherungsschutz nur typische leitende Tätigkeiten, ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen leitenden und nicht leitenden Tätigkeiten. Stellt der Versicherungsvertrag auf organschaftliches Handeln ab, sind leitende Angestellte aufgrund ihrer Arbeitnehmereigenschaft faktisch nicht erfasst. Einige Verträge erstrecken den Versicherungsschutz ausdrücklich auf Tätigkeiten, welche die versicherte Person als Organmitglied außerhalb der Gesellschaft, die Versicherungsnehmerin ist, und außerhalb von deren mitversicherten Tochtergesellschaften auf Geheiß einer versicherten Gesellschaft wahrnimmt (outside directorship liability, kurz ODL, oder Fremdmandatsdeckung). Dies kann etwa Positionen in Aufsichtsräten, Beiräten oder Verwaltungsräten gemeinnütziger Unternehmen oder von solchen Unternehmen betreffen, an denen eine

102

OLG München, Urteil vom 13. September 2017 – 7 U 4126/13, r + s 2017, 589 (592); Ihlas, D&O, S. 359; ausdrücklich offen gelassen: OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. November 2019 – I-4 U 182/17, juris. 103 Vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1966 – VI ZR 258/64, BeckRS 1966, 30403623, zum Kriterium „in Ausführung“ der übertragenen Verrichtung im Sinne von § 831 BGB. 104 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 3. 105 OLG München, Urteil vom 13. September 2017 – 7 U 4126/13, r + s 2017, 589 (592). 106 So in Bezug auf das Kriterium „in Ausübung der Verrichtung“ im Sinne von § 831 Abs. 1 BGB: OLG München, Urteil vom 10. September 2015 – 8 U 1555/15, NJW-RR 2016, 472 (473); Förster, in: BeckOK BGB, § 831 BGB Rn. 31.

C. Sachlicher Anwendungsbereich

161

versicherte Gesellschaft als Gesellschafterin oder Aktionärin beteiligt ist.107 Teilweise schließen die Versicherungsvertragsparteien eine Deckung für Fremdmandate ausdrücklich aus. Ein solcher Ausschluss hat lediglich aber deklaratorische Wirkung, da es hier bereits an einer „wegen einer bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung“ fehlt.108 3. Versicherte Ansprüche Die Schadensersatzansprüche gegen die versicherte Person müssen sich auf einen Vermögensschaden beziehen und auf gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen beruhen (Ziffer A-1 AVB D&O). Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen, die unabhängig vom Willen der Parteien Rechtsfolgen knüpfen an die Verwirklichung eines Ereignisses, das unter die Versicherungsbedingungen fällt.109 Ob die Regelungen dem Privatrecht (z.B. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG oder §§ 823 ff. BGB) oder dem öffentlichen Recht (z.B. § 69 AO) zuzuordnen sind, ist unerheblich.110 Rein vertragliche Haftpflichtansprüche sind nicht versichert.111 Ein (echter) Vermögensschaden ist ein Schaden, der weder ein Personen- noch ein Sachschaden ist und sich auch nicht aus einem solchen Schaden herleitet (Ziffer A-1 AVB D&O). Mittelbare Vermögensschäden oder Vermögensfolgeschäden erfasst die D&O-Versicherung dagegen nicht. Sie können aber dem Versicherungsschutz einer allgemeinen Haftpflichtversicherung oder einer Betriebshaftpflichtversicherung unterfallen. Unklar ist die Rechtslage, wenn sich der Schadensersatzanspruch gegen die versicherte Person daraus ergibt, dass gegen den Versicherungsnehmer oder sie selbst ein Straf- oder Bußgeld verhängt wird, der Versicherungsnehmer dieses bezahlt und dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet. Um diese Frage beurteilen zu können, ist nach dem Adressaten zu unterscheiden. Richtet sich das Strafoder Bußgeld gegen den Versicherungsnehmer, erleidet dieser einen Vermögensschaden. Der Versicherungsschutz greift folglich ein, es sei denn, die Versicherungsbedingungen enthalten einen Ausschluss (so Ziffer A-7.10 AVB

107 Ihlas, D&O, S. 342; Lange, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, § 21 Rn. 26; zur Übernahme von Ämtern in Aufsichtsräten, Beiräten etc. durch wirtschaftsberatende Anwälte: Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, Einleitung Rn. 125. 108 Ihlas, D&O, S. 342; ders., in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 162 f.; dazu auch Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 83; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 7 Rn. 42. 109 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 20. November 1970 – VI ZR 1188/68, NJW 1971, 429 (430); vgl. Urteil vom 11. Dezember 2002 – VI ZR 226/01, NJW 2003, 826 (827). 110 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 200; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 8 Rn. 54 f. 111 Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 83.

162

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

D&O).112 Richtet sich das Straf- oder Bußgeld gegen die versicherte Person, fehlt es nach der Literatur bereits an einem Vermögensschaden.113 Die Sanktion beruht nicht auf einer Haftpflichtbestimmung.114 Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht verfolgen mit deren Verhängung einen bestimmten Sanktionszweck, insbesondere eine individuelle Abschreckung. Hat sich die Versicherung im Voraus dazu verpflichtet, Straf- oder Bußgelder zu übernehmen, läuft dieser Sanktionszweck leer. Im Falle einer Geldstrafe kann eine vorherige Übernahmezusage sogar eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung in Form der Vollstreckungsvereitelung nach § 258 Abs. 2 StGB begründen.115 Vor diesem Hintergrund ist es unzulässig, gegen Einzelpersonen verhängte Geldbußen oder Geldstrafen zu versichern.116 Die Frage einer nachträglichen Übernahme bleibt hiervon unberührt, vielmehr ist eine nachträgliche Erstattung durch einen Dritten nach der Rechtsprechung zulässig.117 Eine nachträgliche Übernahme erfolgt aber ohne eine Rechtspflicht. Ein Vermögensschaden erfordert eine unfreiwillige Vermögenseinbuße. Im Falle einer freiwilligen nachträglichen Übernahme der Geldbuße oder -strafe fehlt es daher an einem Vermögensschaden des Arbeitgebers bzw. Versicherungsnehmers.118

II. Versicherungsfall und versicherter Zeitraum Während im deutschen Versicherungsrecht für den Eintritt eines Versicherungsfalls häufig der Zeitpunkt der Pflichtverletzung maßgeblich ist, orientiert sich die D&O-Versicherung am US-amerikanischen System und stellt ab auf den Zeitpunkt, in welchem ein Haftpflichtanspruch gegen eine versicherte Person erstmals (schriftlich) erhoben wird, sog. „claims made“-Prinzip oder Anspruchserhebungsprinzip (Ziffer A-2 AVB D&O).119

112

Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 8 Rn. 24 f.; a.A.: Thomas, VersR 2010, 281 (285) unter Fn. 42. 113 Hendricks, in: Melot de Beauregard/Lieder/Liersch, Managerhaftung, § 14 Rn. 68; Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 213, 796; Voit, in: Prölss/Martin, VVG, AVB D&O A-7.10 Rn. 1. 114 Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 84; Voit, in: Prölss/ Martin, VVG, AVB D&O A-1 Rn. 17 und AVB D&O A-7.10 Rn. 1. 115 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 213; der BGH verneint eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung, wenn ein Dritter eine Geldstrafe bezahlt, Urteil vom 7. November 1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990 (992). 116 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 213. 117 Vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990 (992); Urteil vom 6. April 1964 – II ZR 11/62, NJW 1964, 1270 (1271 f.). 118 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 796. 119 Näher zur Bestimmung des Versicherungsfalls in der D&O-Versicherung: Lange, r + s 2006, 177 (178 ff.).

C. Sachlicher Anwendungsbereich

163

Der Eintritt des Versicherungsfalls erfordert regelmäßig eine schriftliche Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs gegen die versicherte Person. Diese Regelung ermöglicht es, eindeutig den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem der Versicherungsfall eingetreten ist, und erleichtert es, die Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalls und damit auch die Versicherungsprämien zu kalkulieren.120 Angesichts der unterschiedlichen Ausprägungen des Versicherungsfalls in der Haftpflichtversicherung definiert das Gesetz den Versicherungsfall nicht. Nach § 100 VVG kommt es für die Leistungspflicht des Versicherers an auf eine „während der Versicherungszeit eintretende Tatsache“. Der Gesetzgeber überließ es den Parteien des Versicherungsvertrags, diese zu bestimmen, und wollte damit ausdrücklich auch Regelungen wie das „claims made“-Prinzip für die D&OVersicherung ermöglichen.121 Entgegen den Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit hat der Gesetzgeber damit das Anspruchserhebungsprinzip dem Grunde nach gebilligt.122 Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung muss die Anspruchserhebung im Zeitraum zwischen Abschluss des Versicherungsvertrags und dem Ende der Vertragslaufzeit erfolgen. Häufig vereinbaren die Parteien aber eine Rückwärtsdeckung oder eine Nachhaftung. So definiert etwa Ziffer A-2 AVB D&O den Versicherungsfall als „die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages oder einer sich ggf. hieran anschließenden Nachmeldefrist“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). Die Rückwärtsdeckung erweitert den Versicherungsschutz auf diejenigen Fälle, in denen der Versicherungsfall – die Anspruchserhebung im Sinne des Versicherungsvertrags – erst während der Vertragslaufzeit eintritt, die versicherte Person aber die maßgebliche Pflichtverletzung schon vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangen hat.123 Ziffer A-5.2 AVB D&O regelt eine solche Rückwärtsdeckung für vorvertragliche Pflichtverletzungen. Die Rückwärtsdeckung ist zu unterscheiden von der Rückwärtsversicherung. Bei letzterer vereinbaren die Parteien, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (§ 2 VVG). Vereinbaren die Parteien des Versicherungsvertrags eine Nachhaftung, so muss der Versicherer auch Deckung gewähren, wenn ein Haftpflichtanspruch zwar erst nach dem Ende der Vertragslaufzeit geltend gemacht wird, die zugrundeliegende Pflichtverletzung aber schon währenddessen erfolgt ist.124 Ziffer A-5.3 AVB D&O regelt eine entsprechende Nachmeldefrist, innerhalb derer

120 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 2 Rn. 1; zur Vereinbarkeit des Claims-made-Prinzips mit den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB: OLG München, Urteil vom 8. Mai 2009 – 25 U 5136/08, NGZ 2009, 714 (714 ff.). 121 BT-Drs. 16/3945, S. 85. 122 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 9 Rn. 53. 123 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 10 Rn. 5, 27 ff. 124 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 10 Rn. 6, 58 ff.

164

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

die Anspruchserhebung und die Meldung an den Versicherer erfolgen müssen, damit der Versicherungsschutz greift. Je nach Zeitabschnitt gelten teilweise unterschiedliche Versicherungsbedingungen.125 Auch wenn die Parteien eine Fortsetzung des Versicherungsvertrags nach dem ursprünglichen Ende der Vertragslaufzeit vereinbaren, modifizieren sie in der Regel die Versicherungsbedingungen (renewal). Die relative kurzen, häufig nur einjährigen Versicherungsperioden und die Renewal-Verhandlungen führen dazu, dass die Versicherungsbedingungen von Jahr zu Jahr erheblich variieren können. Hat sich der Versicherungsnehmer gegenüber den versicherten Personen dazu verpflichtet, ihnen D&O-Versicherungsschutz nach bestimmten Maßgaben zu verschaffen, bergen die Renewal-Verhandlungen und die damit einhergehenden Anpassungen der Versicherungsbedingungen für ihn das Risiko, sich gegenüber seinen Vertragspartnern auf dienst- bzw. arbeitsrechtlicher Ebene Schadensersatzansprüchen auszusetzen.126

III. Abgrenzung der D&O-Versicherung zu anderen Versicherungsarten Die D&O-Versicherung zählt zu den sog. Financial Lines, die Vermögensschadenund Kostenversicherungen umfassen. Die Versicherer bieten zunehmend Kombinationen dieser unterschiedlichen Versicherungsarten mit dem Versprechen einer umfassenden Abdeckung im Bereich der Vermögensschäden. Für ein besseres Verständnis gilt es, den Anwendungsbereich der D&O-Versicherung von ähnlichen Versicherungsarten abzugrenzen. 1. Privathaftpflichtversicherung Die Privathaftpflichtversicherung erfasst Schäden, die dem Versicherungsnehmer als Privatperson aus Gefahren des täglichen Lebens, d.h. nicht aus den Gefahren eines Betriebs, Berufs, Dienstes oder Amtes entstehen (Ziffer A1-1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung, AVB PHV).127 Der sachliche Anwendungsbereich der Privathaftpflichtversicherung und der D&O-Versicherung schließen einander aus.

125 Zu den Regulierungsmodalitäten im Falle der Nachhaftung: Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 10 Rn. 68 ff. 126 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 10 Rn. 14. 127 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (AVB PHV), abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6242/7eafbb431499ac246bfdfd5fea dc2aaa/09-avb-fuer-dieprivathaftpflichtversicherung-avb-phv-gdv-2020-data.pdf (Stand: Mai 2020, zuletzt abgerufen am 17. November 2022).

C. Sachlicher Anwendungsbereich

165

2. Betriebshaftpflichtversicherung Die Betriebshaftpflichtversicherung erfasst neben Personen- und Sachschäden grundsätzlich nur mittelbare Vermögensschäden und bezieht sich auf das Haftpflichtrisiko, das sich aus dem im Versicherungsvertrag angegebenen Betrieb oder aus der Ausübung der im Versicherungsvertrag beschriebenen beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers ergibt (Ziffer A1-1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung, AVB BHV).128 Eine Erweiterung des Versicherungsschutzes auf reine Vermögensschäden ist aber möglich129 (Ziffer 2.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, AVB AHB).130 In persönlicher Hinsicht erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Personen, die zur Vertretung des Unternehmens befugt sind oder die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VVG).131 Erfasst sind also insbesondere die Arbeitnehmer einschließlich der leitenden Angestellten. Ob „bei wertender Betrachtungsweise der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Beschäftigung im Vordergrund steht“, entscheidet über die Deckung.132 Das haftungsauslösende Verhalten muss also in einem inneren Zusammenhang mit dem versichertengeschäftlichen Betrieb stehen.133 Im Gegensatz zur D&OVersicherung deckt eine Betriebshaftpflichtversicherung die Haftpflicht der versicherten Personen nur gegenüber Dritten, nicht aber gegenüber dem Versicherungsnehmer.134 3. Berufshaftpflichtversicherung Während die Betriebshaftpflichtversicherung Risiken in Industrie, Handel und Gewerbe abdeckt, erfasst der Schutz der Berufshaftpflichtversicherung die Haftpflicht der freien Berufe.135 Sie dient – im Gegensatz zur Betriebshaftpflichtver128

Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV), abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6240/51b568b00e5a1 cfde4b342c48a1fb256/02-avb-betriebs-und-berufshaftpflichtversicherung-2020-data.pdf (Stand: September 2021, zuletzt abgerufen am 17. November 2022). 129 R. Koch, GmbHR 2004, 18 (20); Trümner/Kocher, in: Blanke, Handbuch Außertarifliche Angestellte, Rn. 382. 130 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AVB AHB), abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/6132/6a2283f21432edcdf9291a53e9967f d0/01-allgemeine-versicherungsbedingungen-fuer-die-haftpflichtversicherung--ahb--data.pd f (Stand: Februar 2016, zuletzt abgerufen am 17. November 2022). 131 Näher dazu: Littbarski, in: MüKoVVG, § 102 VVG Rn. 86 ff.; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, § 102 VVG Rn. 13, 15. 132 BGH, Urteil vom 2. Juni 1976 – IV ZR 163/75, NJW 1976, 2134 (1234 f.); OLG Hamm, Urteil vom 7. November 2018 – 20 U 107/17, NJOZ 2019, 1491 (1493). 133 Von Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 26 Rn. 2. 134 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Einführung Rn. 47. 135 Schünemann, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 14 Rn. 10.

166

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

sicherung – der Deckung reiner Vermögensschäden und nur einschränkt der Deckung von Personen- und Sachschäden.136 Anknüpfungspunkt ist nicht die Funktion als Vertreter einer juristischen Person, sondern die Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit.137 Berufshaftpflichtversicherungen schließen üblicherweise die Deckung von Schäden infolge unternehmerischer Fehlentscheidungen aus und stellen im Vergleich zu D&O-Versicherungen deutlich niedrigere Versicherungssummen bereit.138 Angesichts der vielen und unterschiedlichen berufstypischen Risiken weichen die Versicherungsbedingungen der einzelnen Berufshaftpflichtversicherungen teils erheblich voneinander ab. Anders als in der D&O-Versicherung besteht Versicherungsschutz nur für den Fall, dass ein Dritter Schadensersatzansprüche geltend macht (Ziffer A1-3.1 AVB BHV). Innenhaftungsansprüche sind nicht erfasst. Der D&O-Versicherungsschutz beschränkt sich grundsätzlich auf die Organtätigkeit bzw. die Tätigkeit als leitender Angestellter139, wohingegen die Berufshaftpflichtversicherung an die Ausübung eines bestimmten Berufes anknüpft. Überschneidungen können sich ergeben, soweit es um die Versicherung leitender Angestellter geht, weil diese dem Anwendungsbereich sowohl der D&O- als auch der Berufshaftpflichtversicherung unterfallen können.140 Für einige Berufe, deren Ausübung im Arbeitnehmerstatus möglich ist, hat der Gesetzgeber die Pflicht zum Abschluss und Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben, namentlich für Rechtsanwälte141, Steuerberater142 und Wirtschaftsprüfer143. Die Berufshaftpflicht dient vorrangig dem Schutz der Mandanten, aber auch dem Vermögens- und Existenzschutz des Berufsträgers.144

136 Littbarski, in: MüKoVVG, § 102 VVG Rn. 22; zum Begriff des Vermögensschadens in Abgrenzung zum Personen- und Sachschaden: ders., in: MüKoVVG, § 102 VVG Rn. 166 ff. 137 Vgl. Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 227. 138 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 203. 139 Vgl. Ziffer A-1 AVB D&O: „Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass ein gegenwärtiges oder ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung des Versicherungsnehmers oder einer Tochtergesellschaft (versicherte Personen) wegen einer bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 140 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 204. 141 § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). 142 § 67 Steuerberatungsgesetz (StBerG), konkretisiert durch §§ 51–56 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB). 143 § 54 Wirtschaftsprüferordnung (WPO). 144 Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, Einleitung Rn. 7 f.; in Bezug auf die Versicherungspflicht für Rechtsanwälte: BT-Drs. 12/4993, S. 31; BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 – IV ZR 42/10, NJW 2011, 3718 (3721).

C. Sachlicher Anwendungsbereich

167

4. Vertrauensschadenversicherung Eine Vertrauensschadenversicherung, auch als Personengarantieversicherung bezeichnet, gewährt dem Versicherungsnehmer Deckung für primäre Vermögensschäden, die ihm durch das Verhalten von Vertrauenspersonen entstanden sind. Vertrauenspersonen können insbesondere leitende Angestellte sein. Organmitglieder sind in ihrer Vertretungsfunktion in Bezug auf die versicherte Gesellschaft nicht erfasst.145 Grundsätzlich bezieht sich der Versicherungsschutz auf vorsätzliche unerlaubte Handlungen, auch wenn eine Einbeziehung fahrlässigen Verhaltens möglich ist.146 Die D&O-Versicherung schließt wissentliche Pflichtverletzungen dagegen aus.147 Da der Versicherer regelmäßig Regress nimmt bei der Vertrauensperson, bezeichnet Baumann die Vertrauensschadenversicherung als eine Form der Kreditversicherung und nicht als eine Haftpflichtversicherung.148 5. E&O-Versicherung Ebenfalls aus dem angelsächsischen Raum stammt die sog. E&O-Versicherung (errors and omissions insurance). Diese Versicherung erfasst Fälle, in denen ein Dritter den Versicherungsnehmer in Anspruch nimmt wegen Vermögensschäden, die ihm infolge einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dessen jeweiligen Geschäftsbetrieb, also bei der Erbringung der jeweiligen Dienstleistung entstanden sind. Versicherungsnehmer sind insbesondere Finanzdienstleister. Diese Art der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kombinieren Versicherer häufig mit einer D&O-Deckung Die E&O-Versicherung schützt die versicherten Gesellschaften gegen eine Inanspruchnahme im Außenverhältnis und bietet grundsätzlich keine Deckung für Innenhaftungsansprüche.149

145

Zum Begriff der Vertrauensperson im Sinne der Vertrauensschadenversicherung: Koch/ Sommer, in: van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, § 19 Rn. 63 ff.; Looschelders, VersR 2013, 1069 (1071 ff.). 146 Looschelders, VersR 2013, 1069 (1074); Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 51. 147 Zur Abgrenzung von D&O- und Vertrauensschadenversicherung und zur Möglichkeit einer qualifizierten Subsidiaritätsklausel im Versicherungsvertrag: Grote, in: MüKoVVG, Nr. 550 Rn. 169 ff. 148 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Einführung Rn. 49. 149 Dißars, VersR 2009, 1340 (1340 f.); Hahn, VersR 2012, 393 (297); Sieg, in: Krieger/ Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 18 Rn. 15; zur teilweise schwierigen Abgrenzung der D&O-Versicherung von der E&O-Versicherung: Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 223 ff.

168

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

D. Gewährung von Versicherungsschutz I. Abwehr- und Schadensausgleichsfunktion Mit Abschluss des Versicherungsvertrags verpflichtet sich der Versicherer dazu, der versicherten Person Rechtsschutz zu gewähren und ihn von berechtigten Ansprüchen freizustellen (§ 100 VVG, Ziffer A-6.1 AVB D&O). Sind die Deckungsvoraussetzungen erfüllt, hat der Versicherer ein „Regulierungsermessen“ bzw. „Erfüllungswahlrecht“, ob er seine Leistung in Form der Anspruchsabwehr oder durch Freistellung erbringt.150 Der Versicherer leistet regelmäßig in Form der Gewährung von Abwehrdeckung. Dies lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass sowohl die Ermittlung des jeweiligen Sachverhalts als auch die Beurteilung der Rechtslage anspruchsvoll sind.151 Die Abwehrdeckung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist (§ 101 Abs. 1 Satz 1 VVG). Dies kann auch sog. PublicRelations-Kosten einschließen, welche die versicherte Person zur Abwendung oder Minderung eines karrierebeeinträchtigenden Reputationsschadens aufwendet.152 Der Versicherer kann unter dem Vorbehalt leisten, dass nicht später bekannt werdende Tatsachen eine abweichende deckungsrechtliche Beurteilung rechtfertigen.153 Eine Freistellung der versicherten Person von Schadensersatzansprüchen gewährt der Versicherer dagegen erst dann, wenn ein Gericht das Bestehen dieser Ansprüche in einem Haftpflichtprozess rechtskräftig festgestellt hat.154 Macht der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche erst im Wege der Aufrechnung im Rahmen eines Aktivprozesses der versicherten Person geltend (etwa Leistungsklage einer ausgeschiedenen versicherten Person auf Zahlung von Abfindung oder Vergütung), so ist auch die Abwehr dieser Haftpflichtansprüche vom Versicherungsschutz gedeckt.155

II. Grenzen des Versicherungsschutzes Um das Risiko des Versicherers einzugrenzen, ist der Versicherungsschutz in mehrfacher Hinsicht sachlich begrenzt. Für etwaige Auswirkungen einer Versicherung auf die Haftung ist entscheidend, in welchem Umfang Versicherungs-

150 Baumann, in: Bruck/Möller, VVG, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 4 Rn. 3; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 14 Rn. 6. 151 Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 134. 152 OLG Frankfurt, Urteil vom 5. November 2021 – 7 U 96/21, NZG 2022, 178 (180 ff.). 153 Sieg, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 18 Rn. 45. 154 Sieg, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 18 Rn. 49. 155 Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 138.

D. Gewährung von Versicherungsschutz

169

schutz besteht. Hierfür sind insbesondere die Haftungshöchstsumme und bestimmte (Risiko-)Ausschlüsse relevant. 1. Haftungshöchstsumme Die Versicherungsvertragsparteien können den Leistungsumfang des Versicherers auf eine bestimmte Versicherungssumme innerhalb eines gewissen Zeitraums beschränken (Ziffer A-6.4 AVB D&O). Die vereinbarte Versicherungssumme steht in diesem Fall nur einmal innerhalb einer Versicherungsperiode zur Verfügung. Sie muss für sämtliche Schäden ausreichen, für welche innerhalb der Versicherungsperiode, einer vereinbarten Nachmeldefrist (Ziffer A.5.3 AVB D&O), oder im Rahmen einer ordnungsgemäß erstatteten Umstandsmeldung (notice of circumstance, Ziffer A-5.4 AVB D&O), Ansprüche geltend gemacht werden.156 Der Versicherungsvertrag kann eine Kostenanrechnungsklausel enthalten und damit von der dispositiven Regelung des § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG abweichen.157 Nach dieser Vereinbarung sind die – insbesondere wegen der Rechtsanwaltskosten häufig hohen – (externen) Abwehrkosten auf die Versicherungssumme anzurechnen. Interne Kosten des Versicherers, insbesondere Kosten der Schadenermittlung oder sonstige Kosten im Zusammenhang mit der Deckungsprüfung, sind insoweit nicht berücksichtigungsfähig.158 Teilweise enthalten die Versicherungsbedingungen hierzu klarstellende Klauseln.159 Sind die Abwehrkosten auf die Versicherungssumme anzurechnen, birgt dies aus Sicht der versicherten Person das Risiko, dass bereits die Anspruchsabwehr einen Großteil der Deckungssumme verbraucht, noch bevor die Haftung überhaupt rechtskräftig feststeht.160 Aus Sicht des Versicherungsnehmers ist diese Situation doppelt unbefriedigend, indem die Anspruchsabwehr die Durchsetzung

156

Von Schenck, NZG 2015, 494 (496). Die Wirksamkeit einer Kostenanrechnungsklausel verneinend: OLG Frankfurt am Main, 9. Juni 2011 – 7 U 127/09, r + s 2011, 509 (512); Terno, r + s 2013, 577 (passim); Thiele/ Stübinger, BB 2022, 1027 (1030), die sich für einen Einsatz von Sublimits aussprechen; offengelassen von OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2019 – 4 U 23/18, r + s 2020, 271 (273); OLG München, Urteil vom 15. März 2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); die Wirksamkeit einer solchen Klausel bejahend: Armbrüster, NJW 2016, 897 (898); Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&OVersicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 128; Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 514 ff.; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 15 Rn. 24 ff.; Lenz, in: van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, § 25 Rn. 129 ff.; zur Frage, ob sich der Versicherer gegenüber dem Haftpflichtgläubiger auf einen Verbrauch der Versicherungssumme berufen kann: Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 15 Rn. 49 ff. 158 Ihlas, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 19 Rn. 72. 159 Lange, D&O-Versicherung, § 15 Rn. 52. 160 Thiele/Stübinger, BB 2022, 1027 (1028). 157

170

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

ihrer Ansprüche erschwert und zusätzlich die verfügbare Versicherungssumme schmälert.161 Ist die Deckungssumme aufgebraucht, ist der Versicherer nicht zu weitergehenden Leistungen verpflichtet.162 Im Falle von Versicherungskonsortien greift möglicherweise eine weitere Deckungsschicht. Bestehen Haftpflichtansprüche, welche der Versicherer nicht (vollständig) gedeckt hat, müssen die versicherten Personen diese Forderungen selbst erfüllen. Obwohl die Gesellschaft eine D&O-Versicherung für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten hat, besteht für diese daher weiterhin das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme.163 Je mehr Personen versichert sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Verbrauchs der Versicherungssumme. Diese Gesichtspunkte führen dazu, dass die D&O-Versicherung den versicherten Personen keinen umfassenden Schutz bietet. Wenn die Versicherung das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme im Einzelfall nicht beseitigt, sondern lediglich reduziert, lässt sich eine Versicherungspflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern und leitenden Angestellten nicht rechtfertigen.164 2. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei wissentlicher Pflichtverletzung Zu den Risikoausschlüssen einer D&O-Versicherung zählen der Wissentlichkeitsund/oder Schadensvorsatzausschluss.165 Letzterer dient angesichts der Regelung des § 103 VVG nur der Klarstellung.166 Es besteht kein Versicherungsschutz für Haftpflichtansprüche wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung (Ziffer A-7.1 AVB D&O). Eine wissentliche Pflichtverletzung erfordert Pflichtbewusstsein sowie Pflichtverletzungsbewusstsein, aber keinen Schädigungsvorsatz der versicherten Person.167 Sie muss also, anders als bei der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung, den Schadenserfolg nicht in ihren Willen aufnehmen. 161

Peltzer, NZG 2009, 970 (971); Thiele/Stübinger, BB 2022, 1027 (1028). Ausnahmsweise kann der Versicherer zu weitergehenden Leistungen verpflichtet sein, wenn in einem Versicherungsfall mehrere Haftpflichtgläubiger vorhanden sind und einer dieser Gläubiger bei der Verteilung der Versicherungssumme übergangen wurde; hierzu im Hinblick auf die Regelung des § 109 Satz 2 VVG: Grooterhorst/Looman, r + s 2014, 157 (159 ff.); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 15 Rn. 63 ff. 163 Vgl. Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 15 Rn. 23. 164 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 22 Rn. 13. 165 Zu Reichweite und Zulässigkeit verschiedener Klauselformulierungen: Mitterlechner/ Wax/Witsch, D&O-Versicherung, § 7 Rn. 55 ff.; die Wirksamkeit eines Risikoausschlusses in den AVB einer D&O-Versicherung ablehnend: Dilling, VersR 2018, 332 (333 ff.). 166 Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 137. 167 Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 28 Rn. 118; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 11 Rn. 13 ff. 162

D. Gewährung von Versicherungsschutz

171

Wissentlichkeit oder Vorsatz führen zu einem Ausschluss des Versicherungsschutzes für die einzelne versicherte Person. Eine Zurechnung im Verhältnis der versicherten Personen untereinander erfolgt nicht. Insbesondere enthält § 47 VVG insoweit keine Regelung, sondern betrifft nur das Verhältnis zwischen versicherter Person und Versicherungsnehmer.168 Für eine Zurechnung zu Lasten anderer versicherter Personen bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung.169 Eine solche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sie sich mangels einer Verantwortungsverlagerung nicht aus den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung.170 Vor diesem Hintergrund sind sog. Severability- oder Trennbarkeitsklauseln, welche eine Zurechnung ausdrücklich ausschließen171, lediglich deklaratorisch. Der Versicherer muss vorläufig Versicherungsschutz gewähren, bis eine gerichtliche Entscheidung (oder ein Geständnis der versicherten Person) vorliegt, aus der sich Tatsachen ergeben, die eine wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung belegen.172 Steht in diesem Sinne fest, dass eine wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung vorliegt, so entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend und der Versicherer kann die vorläufig erbrachten Leistungen zurückverlangen.173 3. Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Kenntnis von Umständen und Pflichtverletzungen vor Versicherungsbeginn Der Kenntnisausschluss ist besonders insoweit relevant, als er die Rückwärtsversicherung begrenzt.174 Für den Versicherungsnehmer und die versicherten Personen bestehen vor Abschluss des Versicherungsvertrags und während der Vertragslaufzeit Anzeigepflichten in Bezug auf Gefahrerhöhungen und Umstände, die zu einer Inanspruchnahme von Versicherungsschutz führen könnten. Verletzen der Versicherungsnehmer oder eine versicherte Person Anzeigepflichten oder Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, kann dies eine Anspruchskürzung bis hin zum Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben:175 Eine Verletzung dieser Anzeigepflichten kann den Versicherer dazu berechtigten, vom Vertrag zurückzutreten, den Vertrag zu kündigen oder die Versicherungsbedingungen anzupassen (§ 19 VVG). Ein Verstoß gegen vorvertrag-

168

Looschelders, VersR 2018, 1413 (1415). Klimke, in: Prölss/Martin, VVG, § 47 VVG Rn. 17. 170 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 11 Rn. 129 f. 171 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 893 ff.; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 11 Rn. 130; Langheid, VersR 2017, 1365 (1367 f.); zu Severability-Klauseln auch: Hemeling, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 491 (500 f.). 172 OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juli 2021 – 7 U 19/21, NJW-RR 2021, 1190 (1191 ff.). 173 Ihlas, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 19 Rn. 77. 174 Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 728 f. 175 Sieg, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 18 Rn. 53. 169

172

§ 6 Merkmale der D&O-Versicherung

liche Anzeigepflichten kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung begründen (§ 22 VVG i.V.m. § 123 BGB).

III. Inanspruchnahme der Deckung Vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen hat die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin keinen direkten Zahlungsanspruch gegen den Versicherer. Zwar ist sie als Versicherungsnehmerin berechtigt, den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen (§ 45 Abs. 1 VVG). Allerdings richtet sich dieser nur darauf, dass das Versicherungsunternehmen die versicherte Person von Ansprüchen freistellt. Diese Arbeit beschränkt sich auf Ansprüche im Innenverhältnis zwischen leitendem Angestellten und Arbeitgeber. Bei solchen Ansprüchen der Innenhaftung fallen die Person des geschädigten Dritten (= Gesellschaft als Arbeitgeber) und die Person, die über den Anspruch gegen den Versicherer verfügen darf (= Gesellschaft als Versicherungsnehmerin), zusammen. Gemäß dem versicherungsrechtlichen Trennungsprinzip ist zwischen dem Haftungs- und dem Deckungsverhältnis zu unterscheiden. Das Haftungsverhältnis betrifft die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die versicherte Person gegenüber dem Geschädigten haftet. Ob das Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet ist, der versicherten Person hierfür Versicherungsschutz zu gewähren, ist dagegen im Deckungsverhältnis zu klären.176 Diese Trennung entspricht der Struktur der Haftpflichtversicherung177 und soll sicherstellen, dass der Versicherer den vereinbarten Versicherungsschutz ungekürzt erbringt.178 Die tatsächlichen Feststellungen eines Haftpflichtprozesses entfalten Bindungswirkung für einen nachfolgenden Deckungsprozess, wenn die festgestellten Tatsachen für beide Verfahren entscheidungserheblich sind, sog. Voraussetzungsidentität.179 Dies verhindert eine erneute Überprüfung dieser Feststellungen im Rahmen der Frage nach der Eintrittspflicht des Versicherers.180 Die Bindungswirkung ergibt sich mangels Beteiligung des Versicherers nicht aus der Rechtskraft der Entscheidung im Haftpflichtprozess, sondern aus dem Versicherungsvertrag zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer.181 Nur die versicherte Person kann vom Versicherer die Freistellung von Ansprüchen verlangen. Dies setzt voraus, dass der entsprechende Haftpflichtan-

176 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 255/04, NJW 2006, 289 (290 f.); Urteil vom 18. März 1992 – IV ZR 51/91, NJW 1992, 1509 (1510). 177 Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (296). 178 BGH, Urteil vom 18. März 1992 – IV ZR 51/91, NJW 1992, 1509 (1510). 179 Näher dazu: BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 – IV ZR 126/02, NJW-RR 2004, 676 (676). 180 BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 – IV ZR 126/02, NJW-RR 2004, 676 (676). 181 BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 255/04, NJW 2006, 289 (291).

D. Gewährung von Versicherungsschutz

173

spruch dem Grunde und der Höhe nach feststeht.182 Es besteht die Möglichkeit, dass die versicherte Person den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer an den Versicherungsnehmer abtritt und sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Diese Möglichkeit kann der Versicherer nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen abbedingen (§ 108 Abs. 2 VVG).183 Das Verbot des § 108 Abs. 2 VVG lässt die Möglichkeit individueller Vereinbarungen unberührt.184 Selbst wenn das Abtretungsverbot eingreift, ist eine Abtretung nach der Rechtsprechung des BGH möglich, weil der Versicherungsnehmer bzw. eine mitversicherte Tochtergesellschaft in einem Innenhaftungsfall geschädigter Dritter im Sinne von § 108 Abs. 2 VVG sei.185 Zudem kann der Versicherungsnehmer eine Klage erheben auf Feststellung, dass der Versicherer der versicherten Person wegen einer bestimmten Haftpflichtforderung Deckungsschutz gewähren muss, sofern der Kläger hieran ein eigenes, aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung folgendes rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO hat.186

182

Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 184. Zu den prozessualen Folgeproblemen: Brinkmann, ZIP 2017, 301 (304 ff.). 184 Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, § 108 VVG Rn. 24. 185 BGH, Urteil vom 13. April 2016 – IV ZR 304/13, NJW 2016, 2184 (2185 f.); kritisch dazu wegen einer gesteigerten Missbrauchsgefahr: Armbrüster, ZVersWiss 2015, 73 (75 f.). 186 BGH, Urteil vom 15. November 2000 – IV ZR 223/99, VersR 2001, 90; bestätigt durch Beschluss vom 22. Juli 2009 – IV ZR 265/06, BeckRS 2009, 22726. 183

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit Um einen etwaigen Einfluss einer D&O-Versicherung auf die Haftung leitender Angestellter beurteilen zu können, ist zu untersuchen, ob eine Pflicht (A) oder, falls nicht, eine Obliegenheit zum Abschluss einer solchen Versicherung (B) besteht. Dabei kommt jeweils ein Abschluss der Versicherung durch den Arbeitgeber oder durch den leitenden Angestellten selbst in Betracht.

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung Eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung kann sowohl den Arbeitgeber (I) als auch den leitenden Angestellten (II) treffen. Zudem können die Arbeitsvertragsparteien eine Versicherungspflicht vereinbaren (III). Besteht eine Versicherungspflicht, gilt es, die Rechtsfolgen zu untersuchen (IV).

I. Gesetzliche Versicherungspflicht der Gesellschaft oder der Organmitglieder Eine Pflicht der Gesellschaft bzw. ihrer Organmitglieder zum Abschluss einer D&O-Versicherung für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten könnte sich einerseits aus dem Gesellschaftsrecht im Rahmen der Risikovorsorge (1) und andererseits aus dem Dienst- bzw. Arbeitsrecht im Hinblick auf die Fürsorgepflicht der Gesellschaft (2) ergeben. 1. Gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Risikovorsorge In der Literatur wird diskutiert, ob sich eine Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung daraus ergibt, dass der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 91 Abs. 3 AktG ein Risikomanagementsystem gewährleisten muss.1 Diese Pflicht würde nicht die Gesellschaft selbst, sondern ihre Organmitglieder treffen. 1 Voit, in: Prölss/Martin, VVG, AVB D&O A-1 Rn. 2; zurückhaltend zu dieser Annahme: Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903); ablehnend: M. Arnold, in: Frank A. Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 23 Rn. 127, wenn auch ohne nähere Begründung; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 243; für die Annahme einer Prüfpflicht und im Regelfall sogar einer Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung: Vetter, AG 2000, 453 (455; 458); gegen eine Versicherungspflicht im Falle einer GmbH: Thüsing, in: von West-

176

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

Indem § 91 AktG dem Vorstand die Verantwortung für die Buchführung, die Bestandssicherung und – im Falle einer Börsennotierung – für die Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems ausdrücklich zuweist, konkretisiert die Vorschrift die Leitungsverantwortung nach § 76 AktG. Die Regelung gilt entsprechend für die Unternehmensleitung in anderen Gesellschaftsformen2, bzw. eine Pflicht zum Risikomanagement lässt sich aus der Leitungsverantwortung gemäß §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 GenG ableiten.3 a) Umfang der Pflicht zur Risikovorsorge Ursprünglich hatte § 91 AktG den Vorstand nur dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Diese Maßnahmen beinhalten insbesondere die Einrichtung eines Überwachungssystems. Neben diese Vorgabe gemäß § 91 Abs. 2 AktG ist mit Wirkung zum 1. Juli 2021 die Regelung des § 91 Abs. 3 AktG getreten, wonach der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem einzurichten hat. Der Begriff des Risikomanagementsystems stammt aus der Betriebswirtschaftslehre und bezeichnet die „Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Identifikation von Risiken, deren Bewertung und Steuerung sowie die Kommunikation von Risiken und die Überwachung des Systems“.4

Wirksam ist ein solches System, „wenn es zur Aufdeckung, Steuerung und Bewältigung aller wesentlichen Risiken geeignet ist“.5

phalen/Pamp/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Geschäftsführerverträge (Stand Mai 2017), Rn. 176. 2 BT-Drs. 13/9712, S. 15, wonach „für Gesellschaften mit beschränkter Haftung […] nichts anderes gilt und die Neuregelung [des § 91 Abs. 2 AktG] Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer auch anderer Gesellschaftsformen hat“; dazu auch Altmeppen, ZGR 1999, 291 (301 f.). 3 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 31, mit Verweis auf die nunmehr ausdrückliche Bestimmung in § 1 Abs. 1 StaRUG; R. Koch, ZGR 2006, 184 (192 f.); differenzierend nach der Unternehmensgröße: Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 GmbHG Rn. 71 m.w.N. 4 K. Lange, in: MüKoHGB, § 289 HGB Rn. 136; näher zum Begriff des Risikomanagements und des Risikos: Fischer, Ausstrahlungswirkungen im Recht, S. 30 f. 5 BT-Drs. 19/26966, S. 115.

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

177

Soweit Literaturvertreter eine Pflicht aus § 91 AktG a.F. abgelehnt hatten mit der Begründung, dass die Regelung nicht dazu verpflichte, ein allgemeines Risikomanagement zu etablieren6, ist dieses Argument durch die Einführung von § 91 Abs. 3 AktG7 in Bezug auf börsennotierte Aktiengesellschaften hinfällig. Für andere Gesellschaften begründet § 91 AktG im Umkehrschluss gerade keine Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems8, sondern nur zur Gewährleistung einer Früherkennung von Risiken und verlangt folglich auch nicht den Abschluss einer D&O-Versicherung. Allerdings kann sich für diese Unternehmen die Pflicht zur Einrichtung entsprechender Systeme aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergeben.9 b) Gesetzgeberische Entscheidung gegen eine generelle Versicherungspflicht Aus den gesetzlichen Regelungen zur Innenhaftung von Organmitgliedern ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Gesellschaft deren Versicherungsschutz gewährleisten muss.10 Entscheidet sich der Vorstand11 für den Abschluss einer D&O-Versicherung zur Absicherung der Gesellschaft und des einzelnen Vorstandsmitglieds als versicherter Person, so muss sie mit diesem zwingend einen Selbstbehalt vereinbaren (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). Bei Einführung dieser Bestimmung hätte der Gesetzgeber ohne Weiteres eine Versicherungspflicht festlegen können, hat dies aber bewusst unterlassen. In Kenntnis der D&O-Versicherung hat er sich ausdrücklich gegen eine generelle Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung entschieden, wenn auch ohne dies näher zu begründen.12 Gegen eine gesetzliche D&O-Versicherungspflicht hatte sich auch schon die Regierungskommission „Corporate Governance“ im Jahr 2001 ausgesprochen.13 Die Frage nach einer Absicherung des Haftungsrisiko müssten Gesellschaft und Organmitglieder selbst entscheiden.

6

Kort, DStR 2006, 799 (801); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&OVersicherung, S. 215 ff.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 73; zurückhaltend auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 258 ff., der diese Frage letztlich offen lässt. 7 Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (BGBl. 2021 I S. 1534 ff., 1557). 8 BT-Drs. 19/26966, S. 115; J. Koch, Aktiengesetz, § 91 AktG Rn. 11. 9 BT-Drs. 19/26966, S. 115. 10 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 22 Rn. 11; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 162 f. 11 Nach überwiegender Ansicht in der Literatur liegt die Zuständigkeit für den Abschluss der D&O-Versicherung beim Vorstand und nicht beim Aufsichtsrat, eingehend dazu: Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 290 ff. m.w.N. 12 BT-Drs. 16/13433, S. 11. 13 Baums, Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, BT-Drs. 14/7515, S. 54.

178

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

c) Bedeutung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit Eine allgemeine Versicherungspflicht ist unvereinbar mit dem weiten Ermessensspielraum des Vorstands hinsichtlich der Ausgestaltung der Risikovorsorge.14 Mit dem Abschluss einer D&O-Versicherung überträgt die Gesellschaft das versicherte Risiko auf den Versicherer und versucht so, ihre finanziellen Verluste abzumildern. Die D&O-Versicherung ist daher eine Maßnahme der Risikoüberwälzung bzw. des Risikomanagements.15 Der Gesetzgeber hat den Unternehmensleitern einen weiten Ermessensspielraum in Bezug auf die unternehmerische Risikovorsorge eingeräumt.16 Die Ausgestaltung des Risikomanagementsystems einer Gesellschaft hängt insbesondere ab von der Risikoneigung der konkreten unternehmerischen Tätigkeit und von der Höhe der Versicherungsprämien im Einzelfall.17 Eine D&O-Versicherung ist eine von mehreren Möglichkeiten der Risikovorsorge. Es besteht kein Anhaltspunkt, weshalb gerade eine D&O-Versicherung generell vorzugswürdig sein soll gegenüber anderen Maßnahmen18, zumal auch diese Versicherungsart keinen vollumfänglichen Schutz garantiert. Sie reduziert lediglich das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme der versicherten Person.19 Insbesondere die Begrenzung der Versicherungsleistungen auf eine bestimmte Höchstsumme, die innerhalb der Versicherungsperiode für die Gruppe der versicherten Personen insgesamt zur Verfügung steht, führt zu erheblichen Schutzlücken.20 Darüber hinaus gibt es für D&O-Versicherungen keinen allgemeingültigen Standard, um den Inhalt einer Pflicht zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz zu konkretisieren. Vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung ist eine Gesellschaft daher nicht verpflichtet, für ihre Organmitglieder oder leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abzuschließen.21 Zu diesem Ergebnis gelangt auch der BGH in Bezug auf die Frage, ob eine Aktiengesellschaft gegenüber ihren

14

So auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 260. Bartscherer, VP 2001, 183 (183); R. Koch, ZGR 2006, 184 (193); erfasst der versicherte Personenkreis auch Arbeitnehmer, insbesondere leitende Angestellte, ist die Versicherung möglicherweise sogar als Instrument der Haftungsersetzung zu bewerten, wenn die Gesellschaft bei Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze keinen Ersatzanspruch hat, vgl. R. Koch, ZGR 2006, 184 (202). 16 Vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 115. 17 Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 294; zum weiten unternehmerischen Spielraum bei der Ausgestaltung der Corporate Governance generell: Fischer/Schuck, NZG 2021, 534 (535). 18 So auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 260. 19 Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 17 f. 20 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 22 Rn. 13; dazu auch Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 17 f. 21 Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (372); vgl. Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 28 ff.; Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 28 und Rn. 32; Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (108). 15

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

179

Aufsichtsratsmitgliedern zum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet ist, wenn auch ohne nähere Begründung.22 d) Versicherungspflicht für besonders risikogeneigte Unternehmen Umstritten ist, ob sich die Pflicht zur Risikovorsorge ausnahmsweise zu einer konkreten Pflicht verdichten kann, im Einzelfall eine D&O-Versicherung abzuschließen.23 Denkbar erscheint ein solcher Ausnahmefall auf den ersten Blick bei besonders risikogeneigten Unternehmen. Sind bestimmte unternehmerische Tätigkeiten – etwa in der Finanzbranche – überdurchschnittlich risikoanfällig, könnte sich für die betreffenden Unternehmen das unternehmerische Ermessen auf den Abschluss einer D&O-Versicherung reduzieren24 und sich damit eine Versicherungspflicht aus §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 3 AktG oder aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergeben. In diesem Fall erforderte die Nichtversicherung eine besondere Begründung. Eine Versicherungspflicht im Einzelfall hat der Gesetzgeber zumindest nicht ausgeschlossen.25 Allerdings fehlen präzise Kriterien, wann eine hinreichende Risikoanfälligkeit gegeben ist und damit eine Versicherungspflicht besteht. Ohne einen hinreichend bestimmten Tatbestand kann keine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung bestehen. Auch der Schluss von einer bestimmten Branche auf eine pflichtbegründende Risikoneigung ohne Berücksichtigung weiterer Umstände des Einzelfalls überzeugt nicht. e) Prüfpflicht in Bezug auf den Abschluss einer D&O-Versicherung Auch wenn sie nicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet ist, trifft die Unternehmensleitung die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung, ob der Abschluss einer D&O-Versicherung geboten ist.26 Dies ergibt sich aus der Pflicht zur 22

BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454 (2456). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313); Lange, DStR 2002, 1626 (1630); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 217 ff.; vgl. dazu auch R. Koch, ZGR 2006, 184 (198). 24 Lange, DStR 2002, 1626 (1630), der eine Versicherungspflicht etwa für etwa Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Unternehmen der „New Economy“ befürwortet; in diese Richtung auch Kiethe, GmbHR 2007, 393 (397). 25 Vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11, wonach der Gesetzgeber lediglich eine generelle Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung verneint hat. 26 Lange, DStR 2002, 1626 (1630 f.); Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 243; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 218 f.; Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903); Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 261 ff.; in diese Richtung auch Henssler, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 131 (150 f.); so auch die Empfehlung der Expertenkommission Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex in Bezug auf öffentliche Unternehmen, Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex (D-PCGM), S. 23 unter Ziffer 4.7 der Fassung vom 14. März 2022, abrufbar unter https://pcg-musterkodex.de/musterkodex/ (zuletzt abgerufen am 17. November 2022); für eine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Versicherungsbedingungen: Dreher, in: FS Baums (2017), S. 325 (332). 23

180

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

sorgfältigen Unternehmensleitung (§§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG).27 Die Unternehmensleitung muss regelmäßig ihre Beurteilung aktualisieren, ob der Abschluss der Versicherung als eine mögliche Maßnahme des Risikomanagements geeignet, erforderlich und zumutbar ist.28 Die Prüfung muss die konkreten Umstände des Einzelfalls einbeziehen und darf sich nicht darauf beschränken, etwa nur von der unternehmerischen Tätigkeit in einer bestimmten Branche auf eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zu schließen, dass ein Versicherungsfall eintritt.29 Vielmehr kann die Branchenzugehörigkeit nur neben weiteren Aspekten wie Art, Größe, Organisation und Risikoexposition des Unternehmens oder auch dessen Kapitalmarktorientierung Berücksichtigung finden.30 Ausschlaggebend für die Entscheidung sind die im jeweiligen Fall erhältlichen Versicherungsbedingungen. Daneben ist auch die Frage nach anderen Formen der Risikobewältigung, etwa finanzielle Absicherungen über den Kapitalmarkt, relevant.31 In die Abwägung einfließen können auch die Auswirkungen des Bestehens einer Versicherung auf die Kreditvergabe an den Versicherungsnehmer durch Banken.32 Allerdings prägt die Zugehörigkeit zu einer Branche in besonderem Maße die Risikoneigung der unternehmerischen Tätigkeit und ist daher ein gewichtiges Kriterium für die Beurteilung, ob eine Absicherung in Form der D&O-Versicherung geboten ist. Zu bedenken ist auch das Verhältnis von Unternehmensgröße und Anzahl der zu versichernden Personen zur Höhe der geschuldeten Prämien. Bei unverhältnismäßig hohen Prämien und gleichzeitiger Lückenhaftigkeit des Versicherungsschutzes wäre der Abschluss einer Versicherung unwirtschaftlich. Selbst in diesem Fall kann aber bei existenziellen Risiken für das Unternehmen eine Versicherung im Einzelfall geboten sein.33 Wesentlich für die Entscheidung über die Absicherung ist zudem, ob es den Geschäftsleitern überhaupt möglich ist, sich selbst zu versichern, und ob eine Versicherung durch die Gesellschaft, aber auf Kosten der versicherten Person in Betracht kommt.34 Ist eine Individual-D&O-Versicherung nicht verfügbar, so kann die Absicherung der Führungskräfte durch die Gesellschaft ein überzeugendes Argument sein, um Führungspersonal für das Unternehmen zu gewinnen 27

Vgl. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 261 f. Vgl. Fischer/Schuck, NZG 2021, 534 (535). 29 Seibt/Saame, AG 2006, 201 (203 f.); Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 265; ausführlich zu den Kriterien, welche die Prüfung und die Ermessensausübung bestimmen: Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 265 ff. 30 Vgl. Fischer/Schuck, NZG 2021, 534 (535); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 217 ff. 31 R. Koch, ZGR 2006, 184 (199 f.). 32 Lange, DStR 2002, 1626 (1631 f.). 33 R. Koch, ZGR 2006, 184 (201). 34 Fleischer, WM 2005, 909 (919). 28

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

181

und dieses trotz der strengen Haftung zu einer offensiven Unternehmensführung zu motivieren, die mitunter auch risikobehaftete Entscheidungen beinhaltet.35 Ist der Versicherer zu einer deutlichen Absenkung von Versicherungsprämien im Gegenzug zu einer erhöhten Selbstbeteiligung bereit, kann dies die Abwägung zu Gunsten der Gebotenheit einer Versicherung beeinflussen.36 f) Einfluss der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung Die Befürworter einer Versicherungspflicht stützen sich auch darauf, dass die Aufsichtsratsmitglieder nach der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH37 etwaige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder grundsätzlich verfolgen müssen.38 Aufsichtsratsmitglieder müssen das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern prüfen und analysieren, ob und in welchem Umfang eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche einen Ausgleich des entstandenen Schadens erwarten lässt.39 Angesichts der begrenzten finanziellen Leistungsfähigkeit der betroffenen Einzelpersonen stärkt die Absicherung über eine D&O-Versicherung die Durchsetzbarkeit von Forderungen der Gesellschaft gegenüber Organmitgliedern oder versicherten Mitarbeitern.40 Allerdings besteht keine Pflicht der Organmitglieder, dafür zu sorgen, dass etwaige Schadensersatzansprüche durchsetzbar sein werden. Sie sind zur Rechtsverfolgung verpflichtet. Eine Pflicht zur präventiven Absicherung möglicher Forderungen ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung.41 Vielmehr hat der BGH in dieser Entscheidung den weiten Handlungsspielraum der Unternehmensleitung anerkannt.42 Dieses unternehmerische Ermessen umfasst auch die Einschätzung, ob eine Versicherung auch im Hinblick auf die zu zahlenden Prämien im Einzelfall geboten ist.43

35

Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310); Henssler, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 131 (136). 36 Vgl. R. Koch, ZGR 2006, 184 (200), mit Verweis auf LAG Köln, Urteil vom 7. Mai 1992 – 5 Sa 448/91, NZA 1992, 1032 (1033). 37 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 38 Vetter, AG 2000, 453 (455); wohl in diese Richtung tendierend: Bartscherer, VP 2001, 183 (183). 39 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927 f.). 40 Bartscherer, VP 2001, 183 (183); Vetter, AG 2000, 453 (455). 41 Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 218 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 73; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 261. 42 BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927). 43 Henssler, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 131 (151).

182

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

g) Zwischenfazit Eine Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung aus §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 3 AktG bzw. im Falle einer nicht börsennotierten Gesellschaft aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG erfordert, dass es zwingend eines umfassenden Risikomanagementsystems für die jeweilige Gesellschaft bedarf, dass die D&O-Versicherung ein Instrument des Risikomanagement ist und dass dieses Instrument erforderlich ist im Rahmen des zu gewährleistenden Risikomanagementsystems. Grundsätzlich muss nur der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft ein umfassendes Risikomanagementsystem etablieren. Selbst wenn in diesen Fällen oder ausnahmsweise nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG eine entsprechende gesetzliche Pflicht besteht, steht die konkrete Ausgestaltung des Risikomanagements im Ermessen des Leitungsorgans.44 Der Abschluss einer D&O-Versicherung ist eine mögliche Maßnahme zur Risikosteuerung und -bewältigung, aber nicht generell zwingend erforderlich. Das Leitungsorgan ist nicht verpflichtet, die Gesellschaft generell gegen die Folgen eines Eintritts der Risiken zu versichern und eine wirtschaftliche Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen umfassend zu gewährleisten. Aus §§ 76 Abs. 1, 91 Abs. 3 AktG oder aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt sich keine Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine gesellschaftsrechtliche Versicherungspflicht nicht die Gesellschaft, sondern ihre Organmitglieder verpflichten würde. Selbst bei einer abweichenden Beurteilung der Frage nach der Versicherungspflicht erforderte ein Anspruch des leitenden Angestellten, dass er als begünstigter Dritter überhaupt einen (Erfüllungs-)Anspruch auf Abschluss der Versicherung unmittelbar gegen die Organmitglieder geltend machen kann. 2. Dienst- oder arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht a) Pflicht zum Abschluss einer Versicherung Den Parteien steht es frei, im Anstellungs- bzw. Arbeitsvertrag eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung zu vereinbaren. Zudem verpflichtet die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht den Arbeitgeber, ausreichenden Versicherungsschutz für den Arbeitnehmer gegen die Inanspruchnahme durch Dritte zu gewährleisten, wenn das (öffentliche) Recht die Versicherung zwingend vorschreibt und diese Versicherungspflicht zumindest auch dem Schutz des Arbeitnehmers dient.45 In diesem Fall muss der Arbeitgeber für eine Versicherung sorgen, welche die gesetzlichen Mindestanforderungen wahrt.46 Besteht eine gesetzliche Versicherungspflicht, darf der Vertragspartner auf eine entsprechende Vorsorge ver44

BT-Drs. 19/26966, S. 115. Vgl. BAG, Urteil vom 9. August 1966 – 1 AZR 473/65, NJW 1966, 2233 (2234). 46 BAG, Urteil vom 9. August 1966 – 1 AZR 473/65, NJW 1966, 2233 (2234). 45

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

183

trauen. Geht es dagegen um Schäden des Arbeitgebers, so muss dieser den Arbeitnehmer nicht gegen eine Inanspruchnahme versichern.47 Insoweit schützt das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg den Arbeitnehmer vor einer unangemessenen Haftung. Besteht keine gesetzliche Versicherungspflicht, enthält auch das Arbeitsrecht keine ausdrückliche Bestimmung zur Frage einer Versicherungspflicht. § 618 BGB verpflichtet den Arbeitgeber zur Vornahme von Schutzmaßnahmen. Die Vorschrift integriert die öffentlich-rechtlichen Vorgaben in das privatrechtliche Verhältnis zwischen den Dienst- bzw. Arbeitsvertragsparteien und verschafft dem Dienstverpflichteten/Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch auf Einhaltung der Vorgaben. Die Regelung ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten bzw. Arbeitgebers48, sichert aber nur einen Mindeststandard an gesundheitlichem Arbeitsschutz. Die D&O-Versicherung schützt nicht vor Gefahren für Leben und Gesundheit, sondern betrifft wirtschaftliche Risiken der Tätigkeit für das Unternehmen. Auch aus § 618 Abs. 1 BGB ergibt sich kein Anspruch des leitenden Angestellten bzw. des Dienstverpflichteten gegen die Gesellschaft auf Abschluss einer D&O-Versicherung.49 Lediglich die allgemeine Fürsorgepflicht könnte eine Pflicht des Arbeitgebers zum Abschluss einer D&O-Versicherung begründen. Gegen die Annahme einer Pflicht sprechen aber die fehlenden Vorgaben zur Ausgestaltung der Versicherung und die Schutzlücken, die auch bei Abschluss der Versicherung bestehen. Es gibt keinen allgemeinverbindlichen Standard für die Bedingungen einer D&O-Versicherung, sondern die Policen weichen je nach Vertragspartnern, Branche und Zeitraum erheblich voneinander ab. Die D&O-Versicherung ist eine Gruppenversicherung. Dieser Umstand birgt das Risiko, dass bereits andere versicherte Personen den Versicherungsschutz in Anspruch genommen haben und dass daher die Versicherungssumme für den Rest der jeweiligen Versicherungsperiode nicht mehr oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht. Dieses Problem verstärkt das „claims made“-Prinzip, indem es dazu führt, dass ein weit zurückliegendes Schadensereignis die Versicherungssumme im aktuellen Versicherungszeitraum aufbraucht. Diese kann zudem aufgrund geänderter Versicherungsbedingungen deutlich geringer sein als zum Zeitpunkt der Schadensverursachung. Auch ein vertraglicher Ausschluss oder eine Verletzung von Anzeigeobliegenheiten können dazu führen, dass der Versicherer keine Deckung gewährt. Auch eine D&O-Versicherung vermag nicht das Risiko vollstän47

BAG, Urteil vom 22. März 1968 – 1 AZR 392/67, NJW 1968, 1846 (1847). A.A.: Oetker, in: Staudinger, § 618 BGB Rn. 11; nach dessen Ansicht ist § 618 BGB Ausdruck einer gesteigerten Interessenwahrungspflicht, die sich aus dem Umstand ergibt, dass der Dienstverpflichtete/Arbeitnehmer seine Leistung in der Herrschafts- und Einflusssphäre des Dienstberechtigten erbringt. 49 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 258. 48

184

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

dig auszuschließen, dass die versicherte Person mit ihrem Privatvermögen einstehen muss.50 Eine dienstliche bzw. arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht dahingehend, dass die Gesellschaft für ihre Organmitglieder bzw. leitenden Angestellten eine D&OVersicherung abschließen müsse, besteht nach alldem nicht. Mangels konkreter Vorgaben zum Versicherungsschutz bietet die allgemeine Fürsorgepflicht keine hinreichende Rechtsgrundlage, um den Arbeitgeber oder Dienstherrn zum Abschluss einer freiwilligen Versicherung zu verpflichten. Eine Annahme einer solchen generellen Pflicht würde die allgemeine Treue- und Fürsorgepflicht der Gesellschaft überstrapazieren.51 Zu berücksichtigen ist auch, dass zumindest den leitenden Angestellten als Arbeitnehmer das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg schützt.52 Selbst wenn sich der Geschäftsleiter nicht selbst versichern kann, aber die Prämien einer von der Gesellschaft abgeschlossenen Versicherung tragen würde, ist die Gesellschaft mangels konkreter Anforderungen an die Ausgestaltung des Versicherungsschutzes nicht zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet.53 b) Beurteilung in Bezug auf kleine und mittlere Betriebe In der Literatur wird diskutiert, ob der Arbeitgeber in bestimmten Konstellationen wegen seiner Fürsorgepflicht ausnahmsweise eine freiwillige Versicherung für seine Mitarbeiter abschließen muss. So soll etwa ein Arbeitgeber in kleinen und mittleren Betrieben dazu verpflichtet sein, seine Arbeitnehmer durch den Abschluss einer Kaskoversicherung für Dienstfahrzeuge zu schützen.54 Für den 50

Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 17 f. Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 32; ders., in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (108); so auch Fleischer, in: BeckOGK, § 84 AktG Rn. 78; § 93 AktG Rn. 291; im Ergebnis auch M. Arnold, in: Frank A. Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 23 Rn. 127; Kort, DStR 2006, 799 (802); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 3 Rn. 36 (unter Fußnote 66); die Möglichkeit einer Versicherungspflicht in Bezug auf Arbeitnehmer nicht ausschließend dagegen: Mitterlechner/Wax/Witsch, D&O-Versicherung, § 5 Rn. 38; Spindler, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKoAktG, Band 2, § 84 Rn. 104, § 94 AktG Rn. 225. 52 Hierauf verweist das BAG im Rahmen der Argumentation, weshalb ein Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, eine Versicherung abzuschließen, die den angestellten Fahrer gegen eine Inanspruchnahme wegen Schäden am Fahrzeug des Arbeitgebers selbst schützt, BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 66/82, NZA 1988, 584 (585) – „Der Arbeitnehmer ist vielmehr durch die Haftungserleichterungen, die ihm nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zugute kommen, angemessen geschützt“; ausführlicher: Urteil vom 22. März 1968 – 1 AZR 392/67, NJW 1968, 1846 (1847). 53 Lange, VersR 2010, 162 (164 f.); a.A.: Henssler, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 131 (151); ohne nähere Begründung zur Annahme einer Versicherungspflicht in dieser Konstellation tendierend: Fleischer, in: BeckOGK, § 84 AktG Rn. 78; ders., WM 2005, 909 (919); Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit vermischend: R. Koch, GmbHR 2004, 160 (167). 54 Becker-Schaffner, VersR 1970, 893 (894 f.). 51

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

185

Arbeitgeber sei es unerheblich, ob er das Risiko selbst trage oder dafür eine Haftpflichtversicherung abschließe, während der Arbeitnehmer davor bewahrt werden müsse, dass er – im Falle der Leistungsunfähigkeit seines Arbeitgebers – letztlich den Schaden trägt. Diese Argumentation ließe sich grundsätzlich auf die Frage nach dem Abschluss einer D&O-Versicherung übertragen. Gegen die Annahme einer solchen Versicherungspflicht spricht aber bereits die Schwierigkeit festzulegen, wann ein Betrieb als „klein“ oder „mittel“ einzustufen ist.55 Zudem kann sie zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führen, wenn ein Unternehmen mehrere kleine und mittlere Betriebe hat, insgesamt aber wirtschaftlich hinreichend leistungsfähig ist. Daneben besteht auch hier die Schwierigkeit, dass es an konkreten Anforderungen an die Gestaltung der Versicherungsbedingungen fehlt und auch der Abschluss einer D&O-Versicherung den versicherten Personen keinen umfassenden Schutz bietet. c) Pflicht zum Angebot des Abschlusses einer Versicherung Sandmann sieht die Gesellschaft gegenüber ihren Arbeitnehmern56 und ihren Geschäftsführern57 aufgrund ihrer Schadensvorsorgepflicht dazu verpflichtet, diesem den Abschluss einer Versicherung unter Kostenbeteiligung anzubieten, insbesondere bei entsprechender Nachfrage. Eine solche Schadensvorsorgepflicht des Arbeitgebers lasse sich aus § 611a i.V.m. § 242 BGB58 und „aus den weiterreichenden finanziellen und tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers herleiten“.59 Die Pflicht der Gesellschaft, dem Arbeitnehmer oder Geschäftsführer den Abschluss einer Versicherung anzubieten, geht zwar deutlich weniger weit als eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung. Allerdings fehlt es auch hierfür an einer hinreichenden konkreten Rechtsgrundlage, welche eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers zu begründen vermag. Die Annahme einer Schadensvorsorgepflicht vermischt in Ermangelung einer tauglichen Rechtsgrundlage das Interesse des Arbeitgebers, im eigenen Interesse den Schaden möglichst gering zu halten und damit dem Mitverschuldensvorwurf

55

Vgl. dazu auch Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, S. 155 f., der auf entsprechende Abgrenzungsschwierigkeiten hinweist, wenn die Pflicht zum Abschluss einer Versicherung von der Wirtschaftskraft des Arbeitgebers abhängt. 56 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 138 ff., 561. 57 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 347 ff., 373. 58 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 141 ff. 59 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 138.

186

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB zu vermeiden, mit einem Anspruch des Arbeitnehmers auf das Angebot einer Versicherungsmöglichkeit. Ob der Arbeitgeber mehr finanzielle Mittel und Gestaltungsmöglichkeiten hat, ist ein tatsächlicher Umstand und keine Rechtsgrundlage.

II. Gesetzliche Versicherungspflicht der Führungskraft Möglicherweise besteht eine Pflicht der Führungskraft, sich selbst zu versichern. Allerdings fehlt es hierfür bereits an einer mit den Vorschriften zu zwingenden Berufshaftpflichtversicherungen60 vergleichbaren gesetzlichen Anordnung. Zudem ist eine D&O-Individualversicherung nicht allgemein verfügbar. Eine Verpflichtung kann jedoch nicht über das hinausgehen, was die tatsächlichen Umstände überhaupt erlauben. Mangels einer Rechtsgrundlage ist ein leitender Angestellter nicht zum Abschluss einer D&O-Individualversicherung verpflichtet.61

III. Vertragliche Versicherungspflicht Auch wenn keine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung besteht, bleibt es den (Arbeitsvertrags-)Parteien unbenommen, eine solche Pflicht zu vereinbaren. Der Inhalt einer sog. (Versicherungs-)Verschaffungsklausel hat keine Auswirkungen auf das Versicherungsverhältnis, sondern betrifft nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und leitendem Angestellten bzw. zwischen Gesellschaft und Organmitglied. Denkbar ist auch eine Regelung in der Satzung der Gesellschaft.62 Wegen der Vorteile einer Gruppenversicherung sowohl aus Sicht des Versicherungsnehmers als auch der versicherten Person wird eine vertragliche Versicherungspflicht nur den Abschluss einer Versicherung durch die Gesellschaft regeln. Eine eigene Versicherung der Führungskraft bleibt dieser selbst überlassen und bedarf keiner Vereinbarung zwischen den (Arbeitsvertrags-)Parteien. Eine Verschaffungsklausel verschafft der zu versichernden Person einen Anspruch auf Abschluss einer entsprechenden Versicherung (ausführlich hierzu: § 7A.IV. 1). Ob der Anspruch tatsächlich wirksam und durchsetzbar ist, hängt vor allem davon ab, ob der Inhalt der Versicherungspflicht hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ist. Verletzt die Gesellschaft ihre wirksam vereinbarte Verpflichtung, kann die zu versichernde Person Schadensersatz verlangen bzw. mit

60

§ 51 BRAO, § 67 StBerG i.V.m. §§ 51–56 DVStB, § 54 WPO, § 19a Bundesnotarordnung (BNotO), ergänzt durch die Gruppenanschlussversicherung und die Vertrauensschadenversicherung im Notarbereich nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO. 61 Zur Frage der Erstattungsfähigkeit der Prämien einer freiwilligen Individualversicherung: Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 272 ff. 62 BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454 (2456); zu den Nachteilen einer satzungsmäßigen Bestimmung der Versicherungspflicht: Happ/Möhrle, in: FS Seibert (2019), S. 273 (279).

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

187

ihrer Schadensersatzforderung aufrechnen, wenn die Gesellschaft sie im Falle einer Schädigung in Anspruch nimmt. Auch wenn es daher aus ihrer Sicht sinnvoll ist, eine solche Klausel zu vereinbaren, bereitet deren Formulierung erhebliche kautelarjuristische Schwierigkeiten.63 1. Inhaltliche Herausforderung Diese Schwierigkeiten ergeben sich vor allem aus dem Umstand, dass es keinen allgemeinen Standard für die Bedingungen einer D&O-Versicherung gibt, auf welchen sich eine Verschaffungsklausel beziehen könnte.64 Die Vereinbarung soll die wesentlichen Inhalte des Versicherungsschutzes regeln.65 Generell möchte die zu versichernde Person verhindern, dass der Versicherungsschutz nicht greift oder sich zu ihren Lasten verschlechtert.66 Dagegen ist die Gesellschaft daran interessiert, die Beschaffenheit des Versicherungsschutzes nicht näher festzulegen, um einen möglichst weiten Umsetzungsspielraum zu haben und auf geänderte Marktbedingungen reagieren zu können.67 Zudem gilt es aus ihrer Sicht zu vermeiden, dass die Anforderungen mit Zusagen gegenüber anderen (ehemaligen) Führungskräften kollidieren68 oder dass die Individualisierung zu einer abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung der Versicherungsprämien führt.69

63 Cyrus, NZG 2018, 7 (13 f.); W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1034 f.); Fassbach/Fleck, Die D&O-Verschaffungsklausel in Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern, S. 7; Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737 (740); Müller, NZA-Beilage 2014, 30 (36 f.); Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321 (2324); von Schenck, NZG 2015, 494 (499). 64 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 163 f. 65 Beispiele für Verschaffungsklauseln finden sich etwa bei Lange, ZIP 2004, 2221, der differenziert zwischen unechter und echter sowie einfacher und qualifizierter (vertraglicher) Versicherungspflicht; Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321 (2324); Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 31; ders., D&O, S. 314 f.; Jula, GmbHR 2001, 806 (810); Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142; Thüsing, in: Graf von Westphalen/Pamp/Thüsing, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Geschäftsführerverträge (Stand Mai 2017), Rn. 174 f.; Beispiel für eine Klausel, welche die versicherte Person umfassend schützen soll, in praktischer Hinsicht aber kaum durchsetzbar oder auch nur handhabbar ist: Fassbach/Fleck, Die D&O-Verschaffungsklausel in Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern, S. 7; zur Kritik an diesem Vorschlag: Cyrus, NZG 2018, 7 (13 f.); W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1035). 66 Cyrus, NZG 2018, 7 (13). 67 Happ/Möhrle, in: FS Seibert (2019), S. 273 (280); vgl. dazu auch W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1035). 68 Lange, ZIP 2004, 2221 (2225). 69 Vgl. Hemeling, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 491 (507).

188

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

2. Vereinbarung eines Selbstbehalts Bei Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung müssen die Gesellschaft und ein Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG zwingend einen Selbstbehalt vereinbaren, der mindestens zehn Prozent des Schadens (quotale Mindestanforderung) bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung (betragsmäßige Mindestanforderung) des Vorstandsmitglieds beträgt. Dieses Erfordernis gilt nur für Vorstandsmitglieder und soll die verhaltenssteuernde Wirkung der strengen aktienrechtlichen Haftung auch bei Abschluss einer D&O-Versicherung aufrecht erhalten. Dass die Regelung keine entsprechende Anwendung auf Aufsichtsratsmitglieder findet, stellt § 116 Satz 1 AktG ausdrücklich klar. Auch für die Organmitglieder anderer Gesellschaftsformen gilt keine Pflicht zur Vereinbarung eines Selbstbehalts.70 Erst recht bedarf es bei einer Versicherung leitender Angestellter keines zwingenden Selbstbehalts. Dieser Umstand hindert die Parteien aber nicht daran, freiwillig – kraft ihrer Privatautonomie – einen Selbstbehalt oder eine Zahlungsverpflichtung im Innenverhältnis zu vereinbaren. Sind die Parteien der Auffassung, dass das Bestehen einer Versicherung die Steuerungswirkung der Haftung zu stark einschränkt, können sie versuchen, die Präventionswirkung durch eine Zahlungsverpflichtung zu stärken. Die Vereinbarung eines Selbstbehalts kann die Höhe der Versicherungsprämien reduzieren und ermöglicht eine einheitliche Handhabe des Selbstbehalts gegenüber sämtlichen Führungskräften, unabhängig davon, ob sie Vorstandsmitglied sind. Allerdings erhöht ein Selbstbehalt das Risiko, dass die Gesellschaft im Haftungsfall keinen (vollständigen) Ausgleich des Schadens von den Führungskräften erlangt, und entspricht nicht internationalen Standards.71 3. Vorsorge für Versicherungsfälle nach dem Ausscheiden der Führungskraft Für die zu versichernde Person ist es sinnvoll, schon in der Verschaffungsklausel Vorsorge zu treffen für die Weiterführung der D&O-Versicherung nach dem eigenen Ausscheiden aus dem Unternehmen. Ist ihre Tätigkeit bereits beendet, ist ihre Verhandlungsposition deutlich schwächer als vor Aufnahme der Tätigkeit.72 Nach dem „claims made“-Prinzip tritt der Versicherungsfall ein, wenn ein Haftpflichtanspruch erstmalig geltend gemacht wird. Wird eine Pflichtverletzung erst Jahre später erkannt und dann ein entsprechender Anspruch geltend gemacht, liegt erst zu diesem Zeitpunkt ein Versicherungsfall vor, auch wenn die haftende Person dann bereits nicht mehr Organmitglied bzw. leitender Angestellter für die Gesellschaft ist.

70

Melot de Beauregard/Gleich, NJW 2013, 824 (828). Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2321, 2325); Fleischer, WM 2005, 909 (920). 72 W. Doralt, ZGR 2019, 996 (1034).

71

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

189

Hat das Unternehmen die D&O-Versicherung bis zu diesem Zeitpunkt weitergeführt oder fällt dieser Zeitpunkt in die vereinbarte Nachhaftungszeit, schützt sie den Versicherten grundsätzlich. Allerdings können sich die Versicherungsbedingungen in der Zwischenzeit verändert haben. Zum Schutz vor einer wesentlichen Verschlechterung oder sogar einem Entfall des Versicherungsschutzes können der Arbeitgeber und die versicherte Person gewisse Mindestanforderungen in der Verschaffungsklausel vereinbaren. Bleibt der tatsächliche Versicherungsschutz hinter diesen Bedingungen zurück, kann die versicherte Person vom Arbeitgeber gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. Relevant ist zudem die Vereinbarung von Einsichts- und Auskunftsrechten sowie eines Herausgabeanspruchs in Bezug auf Unterlagen, die für den Versicherungsschutz zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung relevant sind. Eine versicherte Person hat gegen den Versicherer grundsätzlich keinen Anspruch auf Übermittlung des Versicherungsscheins oder einer entsprechenden Kopie. Bei ihrem Ausscheiden muss sie zudem sämtliche Unterlagen zurückgeben. Ohne ausdrückliche Regelung besteht allenfalls ein Anspruch auf Auskunft über das Bestehen und den Inhalt des Versicherungsschutzes73 bzw. ein entsprechendes Einsichtsrecht, etwa nach § 810 BGB. Der BGH hat ein Einsichtsrecht eines ausgeschiedenen Geschäftsführers in die Unterlagen der Gesellschaft zum Zwecke der Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche ohne nähere Begründung angenommen.74 Vorzugswürdig ist eine Parteivereinbarung dazu bereits im Vorfeld.

IV. Rechtsfolgen bei Bejahung einer Versicherungspflicht Haben die Arbeitsvertragsparteien eine hinreichend konkrete Versicherungspflicht vereinbart, hat der leitende Angestellte einen Anspruch auf Abschluss eines Versicherungsvertrags nach Maßgabe der Vereinbarung (1). Bei fehlendem oder unzureichendem Versicherungsschutz kann er von der Gesellschaft Schadensersatz verlangen (2), gegebenenfalls deren Haftpflichtansprüche mit diesem Anspruch aufrechnen (3) und die Arbeitsleistung verweigern (4). Einen Verzicht auf die Anwendung des Haftungsprivileg können die Arbeitsvertragsparteien nicht konkludent durch die Klausel zur Versicherungspflicht vereinbaren (5). 1. Anspruch des leitenden Angestellten auf Abschluss einer D&O-Versicherung Besteht eine Versicherungspflicht, schuldet der Arbeitgeber den Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrags zu Gunsten des leitenden Angestellten nach Maßgabe der Vereinbarung. Diese Pflicht prägt das Schuldverhältnis nicht, sondern hat untergeordnete Bedeutung und beeinflusst nicht die Einordnung als Arbeits73 So Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 33; dazu auch Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 69. 74 BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358 (359).

190

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

verhältnis. Die vom Arbeitgeber abzuschließende Versicherung schützt das Vermögen der Führungskraft vor einer Belastung durch Haftpflichtansprüche und damit das Integritätsinteresse des Arbeitnehmers. Die Versicherungspflicht hat zwar wegen der Prämienzahlung durch den Arbeitgeber einen sachlichen Bezug zur Vergütung im Sinne von § 611a Abs. 2 BGB, dient aber nicht dazu, die Zahlung des Arbeitslohns herbeizuführen oder zu sichern. Sie richtet sich nicht unmittelbar auf die Hauptleistungspflicht, sondern auf den Erhalt des Vermögens des Arbeitnehmers. Die Verschaffung der D&O-Versicherung ist daher eine bloße Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB.75 a) Materieller Erfüllungsanspruch Möglicherweise steht der Schutzpflichtcharakter der Annahme eines materiellen Erfüllungsanspruchs entgegen. Eine Schutzpflicht verliert ihre Funktion aber nicht dadurch, dass der Gläubiger ihre Erfüllung verlangen kann, sondern dient auch vor einer Beeinträchtigung des jeweiligen Rechtsguts bereits dem Schutz des Gläubigers bzw. dem Erhalt des status quo.76 Die Vereinbarung einer Versicherungspflicht kann zudem dazu dienen, Führungskräfte anzuwerben. Scheut ein Kandidat die Führungsposition wegen des Risikos einer persönlichen Haftung, kann der Arbeitgeber diese Sorge möglicherweise mindern, indem er den Abschluss einer Versicherung zusichert. Die Funktion als Instrument zur Personalgewinnung liefe teilweise leer, wenn die zu versichernde Person keinen Anspruch auf Abschluss der Versicherung hätte. Auch wenn die Versicherungspflicht eine Nebenpflicht in Gestalt einer Schutzpflicht ist, vermittelt sie der zu versichernden Person angesichts der ausdrücklichen Vereinbarung einen materiellen Erfüllungsanspruch.77 Selbst bei Annahme, dass ein einklagbarer Anspruch ein schutzwürdiges Interesse erfordere78, wäre ein solches angesichts der drohenden existenzgefährdenden Schadensersatzansprüche im Bereich unternehmerischen Handelns regelmäßig zu bejahen. Trotz seiner Ausgleichsfunktion vermag ein Schadensersatzanspruch den Erfüllungsanspruch wirtschaftlich nicht zu ersetzen.79 Die Führungskraft wäre so 75 Nach a.A. ist die (vertragliche) Versicherungspflicht als Nebenleistungspflicht einzuordnen: Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 66; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 247; im Ergebnis auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 165. 76 Vgl. in Bezug auf allgemeine, d.h. nicht ausdrücklich vereinbarte Schutzpflichten: Bachmann, in: MüKoBGB, § 241 BGB Rn. 181; Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten, S. 127. 77 Bachmann/Schirmer, in: FS Canaris (2017), S. 371 (373); Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten, S. 126 f. 78 So Sutschet, in: BeckOK BGB, § 241 BGB Rn. 43; in diese Richtung auch Martens, in: Erman BGB, § 241 BGB Rn. 21, nach dem das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig den Nachweis einer drohenden Pflichtverletzung voraussetzt. 79 A.A.: Scholz/W. Doralt, ZHR 185 (2021), 637 (657).

A. Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung

191

zu stellen, wie sie stünde, wenn der Arbeitgeber den Abschluss der Versicherung nicht unterlassen bzw. wenn er eine vereinbarungsgemäße D&O-Versicherung abgeschlossen hätte (§ 249 Abs. 1 BGB). Diese Prüfung ist angesichts der Eigenart als Gruppenversicherung und der Leistungsausschlüsse unterschiedlicher Policen komplex und ein Schaden damit schwierig zu beziffern, insbesondere in Bezug auf Frage nach einem hypothetischen vorzeitigen Verbrauch der Deckungssumme bei der Inanspruchnahme mehrerer versicherter Personen.80 Die vertragliche Versicherungspflicht verschafft der Führungskraft einen materiellen Erfüllungsanspruch auf Abschluss einer Versicherung nach Maßgabe der Vereinbarung. b) Beschaffenheit des Versicherungsschutzes Hat sich der Arbeitgeber wirksam zum Abschluss der D&O-Versicherung verpflichtet, so kann der leitende Angestellte den Abschluss einer Versicherung nach Maßgabe der Vereinbarung verlangen. Enthält die Vereinbarung nicht sämtliche Anforderungen, wie die D&O-Versicherung ausgestaltet sein muss, kann die Führungskraft nach einer Ansicht in der Literatur ihren Anspruch über eine gerichtliche Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) klageweise durchsetzen.81 Die Vereinbarung der Versicherungspflicht könnte eine stillschweigende Einigung der Parteien darüber enthalten, dass die Gesellschaft die konkreten Bedingungen des zu gewährenden Versicherungsschutzes bestimmen kann. Im Zweifel muss sie die Bestimmung nach billigem Ermessen treffen (§ 315 Abs. 1 BGB). Diese Leistungsbestimmung unterliegt einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung, wobei dem Gericht erforderlichenfalls ein Recht zur eigenen Sachentscheidung zusteht (§ 315 Abs. 3 BGB). Allerdings fehlt es angesichts der sehr unterschiedlichen Policen an einem üblichen Standard für D&O-Versicherungsbedingungen. Insbesondere finden die AVB D&O des GDV keine regelmäßige Verwendung und bieten daher keinen ausreichenden Orientierungsrahmen für eine interessensgerechte Leistungsbestimmung. Mangels eines geeigneten Kontrollmaßstabs scheidet eine gerichtliche Überprüfung und Bestimmung der geschuldeten Versicherungsbedingungen aus.82 Nur wenn die Parteien in der Vereinbarung zur Versicherungspflicht alle (wesentlichen) Kriterien zur Begrenzung des Entscheidungsspielraums festgelegt

80 Vgl. Thomas, VersR 2010, 281 (284 f.), der die Schadensersatzpflicht einer Gesellschaft wegen der Verletzung etwaiger Informationspflichten bei Fehlen einer vertraglichen Versicherungsverschaffungspflicht prüft und nach dem „[…] der hypothetische Bedingungsinhalt unternehmensspezifisch zu konstruieren“ ist. 81 Vgl. Scholz/W. Doralt, ZHR 185 (2021), 637 (663). 82 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 164.

192

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

oder die Versicherung ausdrücklich in das freie Ermessen der Gesellschaft gestellt haben, besteht mithin eine wirksame und durchsetzbare Versicherungspflicht. 2. Schadensersatz neben der Leistung wegen Nichtabschlusses einer Versicherung Unabhängig von der Frage, ob die vertragliche Versicherungspflicht dem leitenden Angestellten einen Erfüllungsanspruch vermittelt, kann er jedenfalls Schadensersatz verlangen, wenn die Gesellschaft entgegen einer Vereinbarung keine oder nur eine unzureichende D&O-Versicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen hat und damit ihre vertragliche Schutzpflicht verletzt. Bei der Verletzung einer Nebenpflicht gilt es, die Anspruchsgrundlagen des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB und der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB voneinander abzugrenzen. Auch wenn der Arbeitgeber seine vertragliche Versicherungspflicht nicht erfüllt hat, schützen den leitenden Angestellten das Arbeitnehmerprivileg und, soweit eine Pflichtverletzung in Form einer unternehmerischen Entscheidung im Raum steht, der Haftungsfreiraum der Business Judgment Rule. Es ist diesem daher in der Regel zumutbar, weiterhin die Zahlung der vereinbarten Vergütung als Hauptleistung des Arbeitgebers anzunehmen. Eine Verletzung der Versicherungspflicht erfüllt daher nicht die hohen Anforderungen, die das Kriterium der Unzumutbarkeit im Sinne von § 282 BGB stellt, sondern beschränkt sich auf das Integritätsinteresse und begründet daher nur einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.83 Dieser tritt neben den Anspruch auf Erfüllung der Vergütungspflicht (§ 611a Abs. 2 BGB). Nur im Einzelfall ist es denkbar, dass der Nichtabschluss der Versicherung das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien derart tiefgehend erschüttert, dass die Erfüllung der Leistungspflicht unzumutbar im Sinne von § 282 BGB ist und einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB auslösen kann. Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass Parteien die Versicherungspflicht hinreichend konkret bestimmt haben.84 Der Schaden besteht in der Vermögenseinbuße, die ihm durch den fehlenden oder unzureichenden Versicherungsschutz entstanden ist.

83 Im Ergebnis so auch Ihlas, in: MüKoVVG, Nr. 320 Rn. 31; Lange, VersR 2010 162 (164), und Wansleben, in: Behme/Fries/Stark, Versicherungsmechanismen im Recht (2016), S. 183 (219 f.), wenn auch jeweils ohne nähere Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen; nach a.A. hingegen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281, 283, 311a Abs. 2 Satz 1 BGB, Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 66; ebenfalls für einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB, wenn auch ohne Begründung: Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 165. 84 Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 22 Rn. 14.

B. Versicherungsobliegenheit

193

3. Möglichkeit der Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch (§ 389 BGB) Im Falle einer Pflichtverletzung und eines hieraus resultierenden Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers kann der leitende Angestellte mit seinem Schadensersatzanspruch wegen des fehlenden Abschlusses eines Versicherungsvertrags grundsätzlich aufrechnen.85 Allerdings stellt sich die praktische Schwierigkeit, den Schaden zu beziffern, da auch der Abschluss einer Versicherung keinen umfassenden Versicherungsschutz bedeutet. 4. Möglichkeit der Leistungsverweigerung (§ 273 Abs. 1 BGB) Hat die Gesellschaft keinen Versicherungsvertrag geschlossen, hat der Arbeitnehmer nach § 273 Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf seine Arbeitsleistung. 5. Konkludenter Verzicht auf die Anwendung des Haftungsprivilegs Mit der Vereinbarung einer Versicherungspflicht (einschließlich der Prämienzahlung durch den Arbeitgeber) könnten sich die Arbeitsvertragsparteien zugleich konkludent darauf geeinigt haben, auf eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs zu verzichten.86 Auch im Falle eines leitenden Angestellten bedarf eine Haftungsverschärfung aber einer ausdrücklichen Vereinbarung (siehe § 5). Er muss zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennen können, „worauf er sich einlässt“. Ein konkludenter Verzicht auf die Anwendung des Haftungsprivilegs ist daher abzulehnen. Von der Frage nach einem konkludenten Verzicht zu trennen ist der Aspekt, dass das Bestehen einer freiwilligen Versicherung möglicherweise ipso iure, also unabhängig von einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitnehmerprivileg entfallen lässt (siehe dazu § 7B.III.2.a)).

B. Versicherungsobliegenheit Haben die Arbeitsvertragsparteien keine Versicherungspflicht vereinbart, begründet das Fehlen von Versicherungsschutz keine Pflichtverletzung und damit keinen Anspruch auf Schadensersatz. Möglicherweise findet das Nichtbestehen einer Versicherung aber dennoch Berücksichtigung. Dass sich das Nichtbestehen einer Versicherung zum Nachteil einer Seite auswirkt, setzt voraus, dass die Partei eine Obliegenheit zum Abschluss der Versicherung hat.

85 Zur Zulässigkeit einer Aufrechnung bei Haftung eines Vorstandsmitglieds im Hinblick auf § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG: Wansleben, in: Behme/Fries/Stark, Versicherungsmechanismen im Recht (2016), S. 183 (220). 86 Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (112 f., 118 f.); vgl. dazu auch Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (336).

194

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

Eine Obliegenheit unterscheidet sich dadurch von einer Pflicht, dass der Schuldner das Verhaltensgebot im eigenen Interesse beachten soll, ohne dass der Gläubiger ihn dazu zwingen oder bei Nichtbefolgung Schadensersatz verlangen kann.87 Erfüllt der Schuldner die Obliegenheit nicht, nimmt er (anspruchsmindernde) Nachteile in Kauf und verschlechtert seine eigene Rechtsposition, handelt aber nicht rechtswidrig. Hat der Arbeitgeber eine Obliegenheit zum Abschluss einer D&O-Versicherung und verletzt er diese, macht er sich nicht schadensersatzpflichtig gegenüber der Führungskraft. Durch die Obliegenheitsverletzung könnte er aber seine eigene Schadensersatzforderung gegen den leitenden Angestellten schmälern, wenn er diesen wegen einer (anderweitigen) Pflichtverletzung in Anspruch nehmen möchte. Der leitende Angestellte bräuchte also – anders bei Annahme einer Versicherungspflicht – nicht mit einem eigenen Schadensersatzanspruch wegen fehlenden oder unzureichenden Versicherungsschutzes aufzurechnen. Allerdings dürfte er seine Arbeitsleistung nicht wegen fehlenden bzw. unzureichenden Versicherungsschutzes verweigern. Das BAG hat eine Obliegenheit des Arbeitgebers zum Abschluss einer Kaskoversicherung für betrieblich genutzte Fahrzeuge angenommen.88 Beim Umfang der Schadensersatzforderung berücksichtigte es, dass der Arbeitgeber sein Eigentum an dem Kfz nicht durch den Abschluss einer Kaskoversicherung geschützt hatte. Der Arbeitnehmer sollte den Schaden daher nur in Höhe einer hypothetischen Selbstbeteiligung tragen.89 Anders als bei der Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 1 PflVG) besteht zum Abschluss einer Kaskoversicherung keine gesetzliche Pflicht. Allerdings hat das Gericht keine Kriterien festgelegt für die Beurteilung, wann eine Versicherungsobliegenheit besteht.90 In einem späteren Urteil hat das BAG die Frage einer Obliegenheit zum Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung (ebenso wie die Frage nach einer entsprechenden Versicherungspflicht) offen gelassen.91 Um die Obliegenheit zum Abschluss einer D&O-Versicherung beurteilen zu können, bedarf es einer Untersuchung der Rechtsgrundlage (I), der Voraussetzungen einer etwaigen Obliegenheit (II) und der Rechtsfolgen, die das (Nicht-)Bestehen der Versicherung für die Haftung eines leitenden Angestellten hat (III).

87

Wieling, AcP 176 (1976), 334 (347). BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 66/82, NZA 1988, 584 (585). 89 BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 66/82, NZA 1988, 584 (585). 90 Kritisch dazu auch Schwerdtner, DB 1988, 1799 (1801); mit Verweis darauf, dass die Rechtsprechung im Zweifel eine Obliegenheit zum Abschluss einer Kaskoversicherung annehmen wird: Walker, NZA 1988, 753 (758). 91 BAG, Urteil vom 1. Dezember 1988 – 8 AZR 65/84, AP BGB § 840 Nr. 2 (B.I.1.c der Entscheidungsgründe). 88

B. Versicherungsobliegenheit

195

I. Rechtsgrundlage Eine Obliegenheit kann sich aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben. So regelt etwa § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Obliegenheit zur Schadensabwehr bzw. -minderung. Vertragliche Obliegenheiten sind insbesondere im Versicherungsvertragsrecht relevant. Dem Versicherungsnehmer obliegt es beispielsweise, einen Versicherungsfall unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen (Ziffer B3-3.2 lit. b AVB D&O). Kommt der Versicherungsnehmer der Anzeigeobliegenheit nicht nach, kann dies den Versicherer zur Leistungskürzung bis hin zur vollständigen Befreiung von der Leistungspflicht berechtigen (Ziffer B3-3.3 AVB D&O). Zudem können sich Obliegenheiten im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung oder nach Maßgabe des Grundsatzes von Treu und Glauben aus dem Inhalt des jeweiligen Schulverhältnisses ergeben.92 Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB hat der Geschädigte im eigenen Interesse einen Schaden abzuwehren bzw. bei einem bereits eingetretenen Schaden dessen Umfang und die Kosten einer Beseitigung zu mindern, um sich nicht dem Mitverschuldensvorwurf auszusetzen und Schadensersatz in vollem Umfang erlangen zu können. Welche Obliegenheiten sich hieraus konkret ergeben, ist durch eine Abwägung der Interessen von Schädiger und Geschädigtem zu ermitteln.93 Dem Interesse an einer sachgemäßen Begrenzung des Haftungsrisikos steht das Interesse gegenüber, die (unternehmerische) Handlungsfreiheit nicht allzu sehr durch das Aufstellen von Obliegenheiten einzuschränken. Entscheidend ist die Frage, ob „der Geschädigte […] diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern“.94 Der Grundsatz von Treu und Glauben und die gesetzgeberischen Wertungen, die in anderen Regelungen zum Ausdruck kommen, bilden den Maßstab für diese Beurteilung.95 Unterlässt der Arbeitgeber eine Risikobegrenzung durch eine Versicherung, so vernachlässigt er seine eigenen Sicherungsinteressen96 und verletzt dadurch 92

Looschelders, Schuldrecht. Allgemeiner Teil, § 1 Rn. 26. Looschelders, Schuldrecht. Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 13. 94 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 25. Januar 2018 – VII ZR 74/15, NJW 2018, 944 (946); Urteil vom 26. Mai 1988 – III ZR 42/87, NJW 1989, 290 (291). 95 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 91/19, NJW 2021, 3656 (3657); Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 115/19, NJW 2020, 1795 (1797). 96 Schlachter, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 (unter Ziffer II der Anmerkung), Anmerkung zu BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A); durch den Nichtabschluss einer Versicherung bringe der Arbeitgeber seine Bereitschaft zur Risikoübernahme zum Ausdruck; vgl. dazu auch dies., in: FS OLG Jena (1994), S. 253 (267); diese Ausführungen beziehen sich zwar auf die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber einem Dritten, treffen aber auch auf die Konstellation zu, dass der Arbeitgeber betriebliche Risiken versichern kann, a.a.O., S. 265. 93

196

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

seine Obliegenheit zur Schadensabwehr. Entscheidet er sich entgegen der Verkehrssitte bewusst gegen den Abschluss einer Versicherung und für das Risiko einer Schädigung, soll sich dies nicht zu Lasten des Schädigers auswirken. Erlangte der Geschädigte trotz unzureichender Maßnahmen zur Sicherung der eigenen Rechtsgüter Schadensersatz von seinen Führungskräften in vollem Umfang, so könnte dies mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens kollidieren. Setzt sich jemand durch die Ausübung eines Rechts in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, verstößt dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist als rechtsmissbräuchliche Rechtsausübung unzulässig („venire contra factum propium“, § 242 BGB).97 Nach anderer Ansicht erhöht das Unterlassen üblicher Versicherung das Betriebsrisiko und ist im Rahmen einer analogen Anwendung von § 254 BGB zu berücksichtigen.98 Für eine Versicherungsobliegenheit des leitenden Angestellten fehlt es dagegen bereits an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Anders als beim Arbeitgeber greift die Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB nicht, weil der leitende Angestellter nicht Geschädigter, sondern Schädiger ist. Allenfalls die Gesamtabwägung analog § 254 BGB lässt Raum für die Frage, ob ein leitender Angestellter womöglich im eigenen Interesse hätte vorsorgen sollen, indem er für sich selbst eine Versicherung abschließt.

II. Voraussetzungen 1. Weite Verbreitung Nach der Begründung der Gesetzesentwürfe der SPD-Fraktion zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung soll die weite Verbreitung einer Versicherung eine Obliegenheit des Arbeitgebers zum Abschluss der betreffenden Versicherung begründen.99 Bei Nichtabschluss der Versicherung müsse er sich einen Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB entgegenhalten lassen. Auch nach dem Beschluss der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung des Deutschen Juristentages im Jahr 1986 besteht eine Obliegenheit zum Abschluss weit verbreiteter Versicherungen. Danach soll der Nichtabschluss zu einem Haftungsausschluss insoweit führen, als die Versicherung den Schaden decken würde.100

97

R. Schmidt, Die Obliegenheiten, S. 109 f., nach dem die Wertung des § 242 BGB insoweit ihren Ausdruck in den Obliegenheiten gemäß § 254 BGB gefunden hat; in diese Richtung auch Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (337). 98 Hübsch, BB 1998, 690 (691). 99 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung vom 22. August 1995, BT-Drs. 13/2195, S. 6, vom 11. August 1993, BT-Drs. 12/5551, S. 6, und vom 21. August 1989, BT-Drs. 11/5086, S. 5. 100 Beschluss A 14 der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung des 56. Deutschen Juristentages, abgedruckt in NZA 1986, 669 (669); in diese Richtung auch Otto, Gutachten E für den 56. DJT, E 70 f.

B. Versicherungsobliegenheit

197

Auch nach Teilen der Literatur besteht eine Obliegenheit zum Abschluss einer Versicherung, wenn diese in der betreffenden Branche oder Berufsgruppe weit verbreitet ist und die Prämien der Gesellschaft wirtschaftlich zumutbar sind.101 Unklar ist, ab welchem Verbreitungsgrad eine Versicherung „weit verbreitet“ ist. Der Abschluss einer D&O-Versicherung gilt heutzutage als üblich, insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften.102 Die D&O-Versicherung ist in diesem Bereich „allgemeiner Standard“103 und „nahezu flächendeckend anzutreffen“104. Nach von Schenck wird das Bestehen einer D&O-Versicherung bei börsennotierten Gesellschaften erwartet.105 Eine konkrete Versicherungsquote ist schwierig zu ermitteln. Kommt es in einem Prozess auf diese Frage an, ist eine kurzfristige, aktuelle und präzise Angabe zum Grad der Verbreitung der D&O-Versicherung nicht möglich. Es besteht keine Meldepflicht für den Abschluss der Versicherung. Der Deutsche Corporate Governance Kodex106 enthält keine Empfehlung zu deren Abschluss, so dass sich Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften nicht öffentlich dazu erklären müssen, wenn sie keine D&O-Versicherung abschließen (vgl. § 161 AktG). Mangels Entsprechenserklärungen lassen sich keine Rückschlüsse zum Verbreitungsgrad der Versicherung ziehen. Stattdessen kann es im Einzelfall sogar im Interesse eines (kleineren) Unternehmen liegen, das Bestehen und den Umfang von D&O-Versicherungsschutz nicht publik zu machen, um die Aufmerksamkeit von Gläubigern nicht auf diese Haftungsmasse zu lenken. Vor allem aber variieren die Versicherungsbedingungen von Vertrag zu Vertrag. Unklar ist auch, wie verbreitet die Einbeziehung leitender Angestellter in den Kreis der versicherten Personen ist. Üblicherweise schließen die Gesellschaften zu Gunsten ihres Führungspersonals D&O-Versicherungen ab. D&O-Individualpolicen sind dagegen selten, sofern sie überhaupt angeboten werden. Mangels einer weiten Verbreitung und angesichts der teils unverhältnismäßig hohen Kosten kommt eine Versicherungsobliegenheit der Führungskraft selbst nicht in Betracht. 101 Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (372); vgl. Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 32; ders., in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (118); Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 54; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 113 f.; in diese Richtung auch Ahrens, DB 1996, 934 (936). 102 Zum D&O-Versicherungsmarkt in Deutschland zwischen 1997 und 2009: Ihlas, D&O, S. 124 ff.; zum aktuellen Prämienvolumen im deutschen D&O-Versicherungsmarkt: Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 1 Rn. 89 f. 103 Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737 (737); so auch Hemeling, in: FS HoffmannBecking (2013), S. 491 (491). 104 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31 (32); Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 282; vgl. auch Seibt/Saame, AG 2006, 901 (901). 105 Von Schenck, NZG 2015, 494 (495). 106 Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 28. April 2022, aktuelle Fassung abrufbar unter https://www.dcgk.de/de/kodex.html (zuletzt abgerufen am 17. November 2022).

198

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

2. Typisches Risiko und günstigere Versicherungsmöglichkeit Als weitere Voraussetzungen diskutiert Fuchs die Verwirklichung eines typischen Risikos und die Möglichkeit des Geschädigten, sich einfacher und billiger zu versichern.107 Nimmt die Gesellschaft ihr Führungspersonal auf der Grundlage einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung in Anspruch, weil dieses bei der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit eine Pflicht verletzt hat, verwirklicht sich darin eine typische Gefahr, die mit der Tätigkeit als Geschäftsleiter einer Gesellschaft einhergeht. Angesichts der Möglichkeit der Gesellschaft, Risiken zu kalkulieren und beim Abschluss der Versicherung Skaleneffekte zu nutzen, kann sie einen Versicherungsvertrag zu günstigeren Konditionen abschließen als eine einzelne Führungskraft, soweit dieser überhaupt die Option einer Individualversicherung offensteht. Für dieses Kriterium spricht die effiziente Verwendung der finanziellen Mittel. 3. Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis Nach Looschelders muss die Risikoverteilung des jeweiligen Vertrags die Annahme einer Obliegenheit rechtfertigen.108 Der Abschluss einer Versicherung begünstigt die Führungskraft als versicherte Person, liegt gleichzeitig aber gerade auch im Interesse der Gesellschaft. Bereits im Vorfeld kann die Versicherung ein Instrument sein, um überhaupt Führungspersonal zu gewinnen und um dieses zu einer aktiven, nicht durch übermäßige Vorsicht gebremsten Unternehmensführung zu motivieren.109 Gewährt der Versicherer Deckungsschutz, kommt dies auch der Gesellschaft zugute, weil sie auf diese Weise einen solventen Schuldner hat. Otto bezeichnet die D&O-Versicherung daher „sogar vorrangig als ein Instrument unternehmerischer Schadensvorsorge“.110 Mit dem Abschluss der Versicherung erhöht die Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit, etwaige Schadensersatzforderungen wirtschaftlich durchsetzen zu können. Der Abschluss einer D&O-Versicherung liegt im Interesse sowohl der Führungskraft als auch – und vor allem – der Gesellschaft. Gerade die strenge aktienrechtliche Haftung stößt wegen ihrer mitunter als unverhältnismäßig empfundenen wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmensleiter zunehmend auf Kritik111, so dass die D&O-Versicherung auch einer sachgerechten Verteilung der 107

Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (340). Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, S. 483. 109 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310); Henssler, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 131 (136). 110 Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (116). 111 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, S. 35 ff., 227 ff.; Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 11 ff.; für einen Überblick über die Reformbestrebungen: Fleischer, in: BeckOGK, § 93 AktG Rn. 12 ff. 108

B. Versicherungsobliegenheit

199

Risiken dient, die mit der Tätigkeit als Geschäftsleiter verbunden sind. Das Haftungsprivileg für Arbeitnehmer stützt sich insbesondere auf die Risikoveranlassung und Risikobeherrschung des Arbeitgebers. Eine Möglichkeit zur Begrenzung seiner Risiken besteht darin, dass der Arbeitgeber sie versichert. 4. Einzelfallbezogene Beurteilung Nach anderer Ansicht soll allein entscheidend sein, ob angesichts der konkreten Umstände im Einzelfall eine Versicherung geboten ist. Die Beurteilung richte sich nach dem Risiko, das für den einzelnen Mitarbeiter im Hinblick auf die Höhe und/oder Häufigkeit des Eintritts eines Schadens bestehe.112 Eine solche Beurteilung kann zwar im Einzelfall zu sachgerechten Ergebnissen führen, birgt jedoch erhebliche Unsicherheit. Für die Parteien wäre es nicht eindeutig, wann eine Versicherungsobliegenheit des Arbeitgebers besteht. Aus diesem Grund ist dieser Ansatz abzulehnen.

III. Rechtsfolgen des (Nicht-)Bestehens einer Versicherung für die Haftung Auch wenn einige überzeugende Argumente dafür sprechen, dass der Arbeitgeber die Obliegenheit hat, zu Gunsten seiner leitenden Angestellten eine D&OVersicherung abzuschließen113, stehen dieser Annahme wesentliche Einwände entgegen. Die Voraussetzungen einer solchen Obliegenheit sind nicht eindeutig festgelegt. Das Kriterium, wonach eine Versicherung weit verbreitet sein müsse, ist zwar inhaltlich plausibel. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass die Führungskraft eine nachvollziehbare Erwartung in Bezug auf eine verkehrsübliche Versicherung hegt.114 Allerdings ist unklar, ab welchem Verbreitungsgrad eine Versicherungsobliegenheit eingreifen soll. Eine konkrete Versicherungsquote ist zudem schwierig zu ermitteln. Im Hinblick auf diese vagen Kriterien erscheint die Annahme einer Versicherungsobliegenheit des Arbeitgebers fragwürdig. Die Risikovorsorge steht nach dem gesetzgeberischen Willen im unternehmerischen Ermessen. Auch wenn eine Versicherungsobliegenheit weniger stark in diesen unternehmerischen Gestaltungsspielraum eingreift als eine Versicherungspflicht, beschränkt sie die Dispositionsfreiheit der Unternehmensleitung. Ungeklärt ist zudem, welche Mindestanforderungen eine Versicherung erfüllen muss, damit der Arbeitgeber seiner Obliegenheit genügt. Ein Abstellen auf die marktüblichen Konditionen ist angesichts der mitunter erheblich voneinander abwei-

112

Hübsch, BB 1998, 690 (693). Der Annahme einer solchen Obliegenheit zustimmend: Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (118). 114 Vgl. Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (339). 113

200

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

chenden Versicherungsbedingungen nicht eindeutig und damit nicht zielführend.115 Um die Frage nach einer Versicherungsobliegenheit des Arbeitgebers endgültig beantworten zu können, ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie sich der (Nicht-)Abschluss einer D&O-Versicherung auf die Haftung auswirkt und ob diese Rechtsfolge die Annahme einer Obliegenheit rechtfertigt. Die Business Judgment Rule ist bereits relevant für die Tatbestandsebene bzw. für die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Hier gibt es keinen Wertungsspielraum, welcher die Verletzung einer Versicherungsobliegenheit einbeziehen könnte. Möglicherweise beeinflusst das (Nicht-)Bestehen einer D&O-Versicherung aber die Anwendung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs. Zu unterscheiden ist zwischen der Frage, ob das Bestehen einer D&O-Versicherung die Anwendung der Haftungsprivilegierung ausschließt, und der ggf. nachgelagerten Frage, ob der (nicht) vorhandene Versicherungsschutz im Rahmen der Schadensverteilung nach Maßgabe der Abwägung analog § 254 BGB Berücksichtigung findet. 1. (Nicht-)Abschluss durch den leitenden Angestellten Schließt der Arbeitnehmer freiwillig auf eigene Kosten eine Versicherung für sich ab, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Umstand wirtschaftlich dem Arbeitgeber zugutekommen soll. Andernfalls entlastete der leitende Angestellte den Arbeitgeber, obwohl diesem die betrieblichen Risiken zuzurechnen sind.116 Nur wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart hatten, dass sich der Mitarbeiter versichern muss, findet eine gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebene Versicherung des Arbeitnehmers Berücksichtigung.117 Eine wirtschaftliche Überforderung des Arbeitnehmers ist bei Bestehen einer freiwilligen Versicherung nicht ausgeschlossen. Häufig ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Haftungsquote noch unsicher, ob die Versicherung wirklich den Schaden deckt und damit den Arbeitnehmer schützt.118 115

So aber Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (109). Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (110); ders., in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 7; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 51; im Ergebnis ebenso, wenn auch ohne nähere Begründung: BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (348). 117 BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (348 f.); so bereits BAG, Urteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993, 30916228; in diesem Fall hatte der Arbeitgeber die Einstellung eines Praktikanten vom Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung abhängig gemacht, so dass „bei der internen Betriebsrisikoverteilung nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden [durfte], daß das gezahlte Entgelt im Verhältnis zu dem von ihm zu tragenden Risiko unangemessen gering“ war. 118 Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 39, verweist auf eine „Verkomplizierung der richterlichen Billigkeitsentscheidung durch vorgreifliche Berücksichtigung des (oft zweifelhaften) Versicherungsschutzes“ ohne Rationalisierungs- oder Gerechtigkeitsgewinn. 116

B. Versicherungsobliegenheit

201

Gegen eine Berücksichtigung spricht auch die grundsätzliche Trennung von Haftungs- und Deckungsverhältnis. Das Bestehen von Versicherungsschutz kann für sich genommen nicht die Haftung auslösen.119 Hat der Arbeitnehmer eine Versicherung abgeschlossen oder hätte er die Möglichkeit hierzu gehabt, so hat dies keinen Einfluss auf seine Haftung.120 2. (Nicht-)Abschluss durch den Arbeitgeber Denkbar sind Auswirkungen einer vom Arbeitgeber unterlassenen Versicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers oder einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Versicherung zu Lasten des Mitarbeiters.121 a) Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs Eine Ansicht in der Literatur spricht sich gegen eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bei Bestehen einer D&O-Versicherung aus:122 Die Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze käme bei Bestehen einer Versicherung letztlich nicht dem Arbeitnehmer, sondern dem Versicherer zugute. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, den Versicherer zu entlasten.123 Dies gelte insbesondere angesichts des Umstands, dass der versicherte Mitarbeiter seinen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer aus § 100 VVG an den Arbeitgeber abtreten124 und dieser gegen den Versicherer einen „faktischen Direktanspruch“ geltend machen könne.125 Die versicherte Person sei nicht zwingend einer Inanspruchnahme und vor allem keiner Rückgriffmöglichkeit des Versicherers ausgesetzt, so dass eine Abweichung vom „normalen“ Haftungsregime des BGB nicht gerechtfertigt sei. Um sicherzustellen, dass die volle Haftung nur 119

Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (110). Hübsch, BB 1998, 690 (691); Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rn. 51. 121 Vgl. Schwarze, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 9 Rn. 31. 122 Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (112 f., 116 ff.); ders., in: Otto/Schwarze/ Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 27; in diese Richtung auch Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (373). 123 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 27. 124 Zur Zulässigkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs an den Geschädigten: BGH, Urteil vom 20. April 2016 – IV ZR 531/14, NJW 2016, 3453 (3454); Urteil vom 13. April 2016 – IV ZR 304/13, NJW 2016, 2184 (2185 ff.); zur Prozessführungsbefugnis eines Versicherungsnehmers für eine Klage auf Feststellung, dass der Versicherer den versicherten Personen gegenüber zur Leistung verpflichtet sei: BGH, Urteil vom 5. April 2017 – IV ZR 360/15, NJW 2017, 2466 (2466 ff.); zu (angeblichen) Auswirkungen dieser Entscheidungen auf die Arbeitnehmerhaftung: Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (372 f.). 125 Otto, in: Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 27; kritisch dazu Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 1257, der im Hinblick auf die Wertungen von § 404 BGB und § 105 VVG bezweifelt, dass die Abtretung des Anspruchs durch die versicherte Person das Haftungsrisiko zu Lasten des Versicherers erhöhen kann; zu den Einzelheiten einer direkten Inanspruchnahme: Ulrich, r + s 2022, 608 (609 ff.). 120

202

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

den Versicherer und nicht den Mitarbeiter trifft, soll der Urteilstenor oder eine Vollstreckungsvereinbarung eine entsprechende Beschränkung zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten.126 aa) Versicherung im Interesse und auf Kosten des Arbeitgebers Nach Otto entwertet die Beibehaltung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs die D&O-Versicherung als Instrument der unternehmerischen Schadensvorsorge.127 Zwar läuft das Schadensvorsorgeinteresse des Arbeitgebers (zum Teil) leer, wenn den leitenden Angestellten der Vorwurf leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit trifft und die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung daher einen Schadensersatzanspruch teilweise ausschließen. In diesen Konstellationen zahlt der Arbeitgeber die vollen Versicherungsprämien, ohne dass der Schaden durch einen Schadensersatzanspruch gegen die versicherte Person bzw. durch eine Leistung des Versicherers (vollständig) kompensiert würde. Jedoch rechtfertigen allein diese wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers und die grundsätzliche Einbeziehung der Führungskraft in den Versicherungsschutz keine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die Versicherung der Haftung folgt.128 Der Versicherer hat das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg in Form einer Risikoverringerung in die Kalkulation der Versicherungsprämien miteinbezogen.129 Die D&O-Versicherung dient dem Arbeitgeber. Sie sichert dessen Schadensersatzanspruch gegen die Führungskraft ab und schützt damit die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.130 Dass der Arbeitgeber die Versicherungsprämien zahlt, beeinflusst diese Zielsetzung nicht. Einem einzelnen Arbeitnehmer ist der Abschluss einer entsprechenden Versicherung – wenn überhaupt – nur unter erheblichem finanziellem Aufwand möglich.131 Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Arbeitgeber über seinen wirtschaftlichen Schutz hinaus dem leitenden Angestellten durch den Abschluss der Versicherung einseitig die Anwendung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs entziehen können

126

Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (119 f.). Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (116 f.); zustimmend: Krause, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 619 a BGB Rn. 39. 128 Waltermann, RdA 2005, 98 (108), unter Hinweis auf eine mögliche Gestaltung des Versicherungsvertrags dahingehend, dass in diesen Konstellationen für den Versicherungsfall eine Haftung des leitenden Angestellten dem Grunde nach ausreichend sein soll; Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 619a BGB Rn. 14. 129 Koch, in: FS Langheid (2022), S. 295 (306); Waltermann, RdA 2005, 98 (108); Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 619a BGB Rn. 14; im Ergebnis auch Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (296); kritisch insoweit: Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (373). 130 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (315); Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (290); Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (116); Waltermann, RdA 2005, 98 (108); Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 619a BGB Rn. 14. 131 Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (294). 127

B. Versicherungsobliegenheit

203

sollte, ohne dass feststeht, dass der Versicherer der Führungskraft im konkreten Fall tatsächlich Deckungsschutz gewährt. bb) Zufälliges Bestehen Gegen einen Einfluss der D&O-Versicherung auf die Haftung spricht zudem, dass es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung handelt. Aus Sicht des leitenden Angestellten hängt ihr Bestehen vom Zufall ab. Zwar kann er im Rahmen der Vertragsverhandlungen grundsätzlich darauf Einfluss nehmen, ob eine Verschaffungsklausel vereinbart wird. In diesem Fall besteht aber bereits eine vertragliche Pflicht des Arbeitgebers zum Abschluss der Versicherung (siehe dazu § 7A.IV). Haben die Parteien insoweit nichts vereinbart und hat sich auch die Führungskraft demnach nicht für ihren Versicherungsschutz eingesetzt, ist das Bestehen einer D&O-Versicherung aus ihrer Sicht Zufall. Die Haftungsmodalitäten nach einem zufälligen Umstand zu richten, erscheint willkürlich und ist nicht sachgerecht. Nach Hanau ist die Versicherungsleistung vielmehr als ein Vermögenswert des Arbeitnehmers zu betrachten und damit irrelevant, da die generelle Vermögenslage bzw. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers außer Betracht bleibt bei der Abwägung analog § 254 BGB.132 cc) Freiwillige Versicherung Entscheidend ist der Umstand, dass die D&O-Versicherung eine freiwillige Versicherung ist. Hinsichtlich der Auswirkung auf die Haftung ist zwischen gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtversicherungen und freiwilligen Versicherungen zu unterscheiden: Ein sozialer Schutz in Form der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze ist nicht erforderlich, wenn ein Pflichtversicherer133, unabhängig vom Maß der Fahrlässigkeit, für den vom Arbeitnehmer verursachten Schaden eintreten muss. Das Haftungsprivileg findet also keine Anwendung bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht.134 Im Falle einer Versicherungspflicht bestehen Risiken, welche der Gesetzgeber wegen ihrer drittschädigenden Wirkung für besonders gefährlich hält. Ein solches risikobehaftetes Verhalten duldet er nur, wenn entsprechender Versicherungsschutz besteht. Diese Wertungen, die der Versicherungspflicht zugrunde

132

Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (300); zur Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bei der Abwägung: BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 66/82, NZA 1988, 584 (586); BGH, Urteil vom 10. Januar 1955 – III ZR 153/53, NJW 1955, 458 (459). 133 Ausführlich zu den Auswirkungen bestehenden Versicherungsschutzes: Otto, in: Otto/ Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, § 11 Rn. 6 ff. 134 BGH, Urteil vom 8. Dezember 1971 – VI ZR 102/70, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 68.

204

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

liegen, überlagern die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze.135 Im Falle einer Versicherungspflicht besteht kein Raum für eine Rechtsfortbildung in Form der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung bzw. für eine vom Gesetz abweichende Risikoverteilung, die sich insbesondere aus Gesichtspunkten des Sozialschutzes rechtfertigt.136 Eine freiwillig abgeschlossene private Haftpflichtversicherung vermag die Anwendung des Arbeitnehmerprivilegs dagegen grundsätzlich nicht zu beeinflussen. Das Bestehen der freiwilligen Versicherung bleibt unberücksichtigt, und die Haftung des Versicherers beschränkt sich auf den Umfang, in welchem der Arbeitnehmer selbst haftet.137 Mit anderen Worten: Die Versicherung folgt der Haftung. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Wertung ist das Bestehen einer D&O-Versicherung ebenso unerheblich für die Haftung, wie eine freiwillige Berufshaftpflichtversicherung die Anwendung des Haftungsprivilegs nicht beeinflusst.138 dd) Zwischenergebnis Hat eine Partei eine D&O-Versicherung abgeschlossen, hat dies keine Auswirkung auf die grundsätzliche Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs. Es stellt sich die Folgefrage, ob das (Nicht-)Bestehen der Versicherung die Schadensverteilung nach Maßgabe der Gesamtabwägung analog § 254 BGB beeinflusst. b) Berücksichtigung des (Nicht-)Abschlusses bei der Schadensaufteilung Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich ein Arbeitnehmer an den von ihm verursachten Schadensfolgen beteiligen muss, ist nach den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen anhand einer Abwägung der Gesamtumstände nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu beurteilen.139

135

BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (348) –Privathaftpflichtversicherung; Urteil vom 25. September 1997 – 8 AZR 288/96, NZA 1998, 310 (311 f.) – Berufshaftpflichtversicherung; Urteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993, 30916228; Waltermann, RdA 2005, 98 (108); Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 619a BGB Rn. 15; kritisch dagegen zur Unterscheidung von freiwilligen und Pflichtversicherungen: von Bar, AcP 181 (1981), 289 (326 f.). 136 BGH, Urteil vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 278/09, NJW 1992, 900 (902); Peifer, ZfA 1996, 69 (77). 137 BAG, Urteil vom 25. September 1997 – 8 AZR 288/96, NZA 1998, 310 (311); Urteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993, 30916228; Waltermann, RdA 2005, 98 (107). 138 Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, Anhang C – D&O-Versicherung und Persönliche Selbstbehaltsversicherung Rn. 78; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 58; in diese Richtung auch Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 17 Rn. 76. 139 BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086).

B. Versicherungsobliegenheit

205

Zu diesen Kriterien zählt unter anderem die Frage, ob ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko besteht.140 Nach der Rechtsprechung des BAG ist „ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust umso mehr dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen […], als dieser einkalkuliert oder durch Versicherungen – ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer – deckbar ist“.141

Fehlender Versicherungsschutz soll also bei der Haftungsquotelung zu Lasten des Arbeitgebers Berücksichtigung finden können, sofern die Versicherung keine Regressmöglichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer hat. Zudem könnte das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung dazu führen, dass sich ein etwaiges Missverhältnis zwischen Entgelt und Risikoneigung der Tätigkeit beim Haftungsumfang nicht zu Gunsten des Angestellten auswirkt.142 Zwar ist eine versicherte Person keinem Regress des D&O-Versicherers ausgesetzt. Dennoch sprechen erhebliche Gesichtspunkte gegen eine Berücksichtigung des (Nicht-)Abschlusses einer D&O-Versicherung bei der Schadensteilung: aa) Systematik Ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung führt zu einer Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Vorschrift findet unmittelbare Anwendung. Verletzt der Arbeitgeber seine Obliegenheit zur Schadensminderung, reduziert dies von vornherein den Umfang des Schadensersatzanspruchs, von dem er wegen des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs regelmäßig eine gewisse Quote selbst tragen muss. Das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg stützt sich dagegen auf eine analoge Anwendung von § 254 BGB und entfaltet daher seine Wirkung erst in einem weiteren Schritt, also nachgelagert zu der Prüfung einer Mitverantwortlichkeit des geschädigten Arbeitgebers. Fände § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unmittelbare Anwendung, käme dem (fehlenden) Abschluss der D&O-Versicherung ein erhebliches Gewicht zu bei der Frage nach dem Umfang der Schadensersatzforderung. Dies überbewertet die Frage der Versicherung im Verhältnis zu den anderen berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkten, etwa der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit oder der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb. Vorzugswürdig erscheint es auf den ersten Blick, die etwaige Verletzung einer Versicherungsobliegenheit in die Gesamtabwägung analog § 254 BGB einzustellen und unter Berücksichtigung der anderen Umstände des Einzelfalls zu gewichten.143 140

BAG GS, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 (1086). BAG, Urteil vom 18. Januar.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1235). 142 BAG, Urteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993, 30916228. 143 Auf diese Weise hat auch das LAG Köln in die Gesamtabwägung zu Lasten eines Arbeitgebers dessen Möglichkeit einbezogen, zum Schutz des Arbeitnehmers gegen Drittschäden eine umfassende Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen, wobei das Gericht gleichzeitig eine entsprechende Versicherungsobliegenheit ablehnte, LAG Köln, Urteil vom 7. Mai 1992 – 5 Sa 448/91, NZA 1992, 1032 (1033). 141

206

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

Allerdings widerspricht dies der Systematik. Eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit begründet bereits eine unmittelbare Anwendung von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Eine Berücksichtigung erst im Rahmen einer analogen Anwendung überzeugt daher nicht. Zudem erlaubt die Gesamtabwägung analog § 254 BGB keine präzise Bewertung, sondern führt zu einer Billigkeitsentscheidung und ist schwierig vorherzusehen. Um spezifische Umstände des Einzelfalls berücksichtigen zu können, ist dies zwar an sich gerechtfertigt. Allerdings gilt es, im Sinne der Rechtssicherheit den Kreis der berücksichtigungsfähigen Kriterien eng zu fassen.144 Aspekte, die bereits eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift umfasst, sind daher nicht erst bei einer analogen Anwendung zu berücksichtigen. Das BAG berücksichtigt die Verletzung einer Versicherungsobliegenheit erst im Rahmen einer nachgelagerten Ergebniskontrolle. Erscheint nach einer Abwägung sämtlicher Umstände eine quotale Beteiligung des Arbeitnehmers an dem Schaden dennoch unangemessen hoch, ist die Schadensersatzforderung auf denjenigen Betrag zu beschränken, der bei Abschluss einer Versicherung als Selbstbeteiligung zu vereinbaren gewesen wäre.145 Die Entscheidung betraf den Nichtabschluss einer Kaskoversicherung für das Fahrzeug des Arbeitgebers. Nach einer unmittelbaren Anwendung von § 254 BGB in einem ersten Schritt und einer anschließenden analogen Anwendung wendet die Rechtsprechung die Vorschrift in einem dritten Prüfungsschritt nochmals unmittelbar an. Dieses Vorgehen ist unsystematisch und daher abzulehnen. Aber auch eine Berücksichtigung im ersten Prüfungsschritt bzw. bei unmittelbarer Anwendung von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB führt zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten. Ob und gegebenenfalls wie ein hypothetischer Versicherungsschutz zu Gunsten eines leitenden Angestellten im Einzelfall eingreifen würde, ist wegen der uneinheitlichen Versicherungsbedingungen und einer möglichen vorrangigen Inanspruchnahme anderer versicherter Personen kaum zu ermitteln. bb) Tatsächlicher Schutz Relevanz für die Haftung entfaltet eine Versicherung oder Versicherungsmöglichkeit nur dann, wenn sie den leitenden Angestellten tatsächlich schützt. Ein Vermögensverlust ist nach der Rechtsprechung des BAG umso mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen, als der Schaden einkalkuliert oder durch Versicherungen gedeckt werden kann.146 Erfasst eine Versicherung das Haftungsrisiko nicht oder sieht sie eine Regressmöglichkeit in Bezug auf den Mitarbeiter vor, soll sie dagegen außer Betracht bleiben bei der Frage nach dem Haftungsumfang.147 144

In diese Richtung auch Annuß, NZA 1998, 1089 (1094 f.), der für eine Beschränkung auf solche Aspekte plädiert, die adäquat kausal für die Entstehung des Schadens waren. 145 BAG, Urteil vom 24. November 1987 – 8 AZR 66/82, NZA 1988, 584 (585 f.). 146 BAG, Urteil vom 18. Januar 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1235). 147 BAG, Urteil vom 18. Januar 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1235); Hübsch, BB 1998, 690 (691).

B. Versicherungsobliegenheit

207

Auch wenn Haftpflichtansprüche des Arbeitgebers gegen einen leitenden Angestellten typischerweise in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der D&O-Versicherung fallen, bedeutet das nicht, dass der leitende Angestellte bei Eintritt eines Versicherungsfalls tatsächlich geschützt ist. Ob und in welchem Umfang ihn der Versicherer von den Schadensersatzansprüchen freistellt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Maßgeblich sind die Höhe der Deckungssumme und die Frage, ob bzw. zu welchem Anteil bereits andere Versicherungsfälle in demselben Zeitraum, die Kosten der Anspruchsabwehr für andere versicherte Personen oder auch die eigenen Verteidigungskosten der versicherten Person die Deckungssumme aufgezehrt haben. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der haftenden Personen, die nicht höchstrichterlich geklärte Frage nach der beschränkten Haftung leitender Angestellter und die Wirkung einer Inanspruchnahme von Organ- und Arbeitnehmerführungskräften nach außen sowie im Hinblick auf den Betriebsfrieden148 wird eine Gesellschaft primär ihre (ehemaligen) Organmitglieder in Anspruch nehmen. Macht sie ausnahmsweise Forderungen gegen ihre Arbeitnehmer geltend, weil andere Schuldner wirtschaftlich ausfallen, wird die Deckungssumme der Versicherung bereits (größtenteils) aufgebraucht sein. Im Ergebnis ist der Versicherungsschutz für leitende Angestellte lückenhaft und schützt die Arbeitnehmer nicht zuverlässig.149 Der Versicherungsvertrag hätte damit faktisch die Wirkung eines Vertrags zu Lasten Dritter bzw. des leitenden Angestellten. Entsprechend der Wertung der Rechtsprechung sollte die D&O-Versicherung daher bei der Beurteilung der Haftung außer Betracht bleiben. cc) Mehrfache Berücksichtigung der Versicherbarkeit Die Versicherbarkeit eines betrieblichen Risikos ist ein Gesichtspunkt der Risikobeherrschung durch den Arbeitgeber. Gerade die Möglichkeiten des Unternehmers, betriebliche Risiken zu beherrschen (siehe dazu § 3B.II.1) und entsprechende Vorsorge zu treffen (siehe dazu § 3B.IV. 1), sind entscheidende Faktoren, welche die Rechtfertigung des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs stützen. Findet die Versicherbarkeit zusätzliche Berücksichtigung in der Gesamtabwägung analog § 254 BGB, führt dies zu einer mehrfachen und damit übermäßig starken Gewichtung dieses Aspekts. dd) Rechtssicherheit Die Haftung von Arbeitnehmern generell und von leitenden Angestellten im Speziellen sind Rechtsfragen, deren wesentlichen Grundzüge der Gesetzgeber festlegen sollte. Hätten das Bestehen und die Ausgestaltung einer einzelnen frei-

148 149

Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 1233. So auch Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 1255.

208

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

willigen Versicherung Auswirkungen auf die Haftung, bestimmte der Versicherungsmarkt durch seine Produkte die Haftung und hätte damit erheblichen Einfluss auf die Rechtslage, ohne hierfür legitimiert zu sein. Eine Berücksichtigung der Versicherbarkeit führt in mehrfacher Hinsicht zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Aufgrund der einzelfallabhängigen Ergebnisse ist die Haftung nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs bereits an sich mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet. Hinzu tritt die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Frage, ob das Haftungsprivileg auch für leitende Angestellte gilt. Neben diese Unsicherheitsfaktoren tritt eine weitere Unwägbarkeit, wenn auch das (Nicht-)Bestehen einer D&O-Versicherung und deren etwaigen Leistungen Berücksichtigung fänden bei der Gesamtabwägung analog § 254 BGB. Eine Vorhersage zu oder gar eine konkrete Kalkulation mit dem Ergebnis einer gerichtlichen Klärung der Haftungsfrage im Einzelfall ist praktisch nicht möglich. Dies ist für die Parteien unbefriedigend. Fände das Bestehen einer D&O-Versicherung Berücksichtigung beim Umfang der Haftung, führte dies zu einer Änderung des Risikos und damit zu Schwierigkeiten bei der Prämienkalkulation aus Sicht des Versicherers.150 Aufgrund der zahlreichen Faktoren, die beeinflussen, ob der Versicherer Deckungsschutz gewährt, bestehen zudem erhebliche praktische Schwierigkeiten, einen hypothetischen Versicherungsschutz im Einzelfall zu ermitteln. So müssen die Überlegungen etwa Höhe der Prämien, Höhe und Üblichkeit etwaiger Selbstbehalte oder einen vorzeitigen Verbrauch der Versicherungssumme für andere Versicherungsfälle im jeweiligen Bezugszeitraum bzw. für Organmitglieder miteinbeziehen. Diese Unwägbarkeiten lassen sich umgehen, indem die Versicherbarkeit des betrieblichen Risikos keine zusätzliche Berücksichtigung bei der Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze findet. ee) Trennungsprinzip Einer Berücksichtigung der Versicherung im Rahmen der Gesamtabwägung steht auch das Trennungsprinzip entgegen. Ebenso wenig, wie eine etwaige D&O-Versicherung die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs beeinflusst, wirkt sie sich auf die Schadensteilung analog § 254 BGB aus.151 Nach dem versicherungsrechtlichen Trennungsprinzip sind Haftungs- und Deckungsfrage getrennt voneinander zu beurteilen. Ob und in welcher Höhe die versicherte Person haftet, ist im Haftungsverhältnis zu klären. Ob der Versicherer hierfür eintrittspflichtig ist, ist eine Frage des Deckungsverhältnisses.152 150 Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (296); Wullenkord, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 619a BGB Rn. 14. 151 Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (288); Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 2 Rn. 1253 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 58; kritisch dagegen: Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (373). 152 Ständige Rechtsprechung des BGH, etwa Urteil vom 18. Mai 2011 – IV ZR 168/09, NJW 2011, 3303 (3304).

C. Zwischenergebnis

209

Diese Trennung von Haftungs- und Deckungsverhältnis verbietet, dass die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, mithin ein Aspekt des Haftungsverhältnisses, auf das Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und versicherter Person durchschlägt.153 Die Trennung soll sicherstellen, dass der Versicherer den Versicherungsschutz ungekürzt erbringt.154 Findet das Bestehen einer freiwilligen Versicherung dennoch Berücksichtigung bei der Haftung, ist diese Denkweise möglicherweise auf den „deep pocket“-Ansatz zurückzuführen.155 Dieser bezeichnet die Erwägung, die Schadenskosten demjenigen Subjekt zuzuweisen, das wirtschaftlich leistungsfähig(er) ist. Diese Überlegung soll einer effizienten Risikoverteilung dienen, ist aber rechtsdogmatisch kaum zu rechtfertigen.156 c) Zwischenergebnis Insgesamt überzeugt es nicht, dass der (Nicht-)Abschluss einer D&O-Versicherung die Haftung beeinflussen soll. Hat der Arbeitgeber freiwillig eine solche Versicherung abgeschlossen, bleibt dieser Umstand bei der Haftungsfrage außer Betracht. Diese Beurteilung steht der Annahme einer Versicherungsobliegenheit entgegen. Haben die Parteien keine Vereinbarung zu einer etwaigen Versicherung getroffen, gilt es, dieses Unterlassen zu respektieren.

C. Zwischenergebnis Der Arbeitgeber ist nur zum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet, wenn die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbart haben. Die Formulierung einer hinreichend konkreten und damit wirksamen Versicherungspflicht bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Hat der Arbeitgeber oder der leitende Angestellte freiwillig eine D&OVersicherung abgeschlossen, hat dieses einseitige Handeln keine Auswirkung auf die Haftung. Mangels hinreichend konkreter Kriterien besteht keine Versicherungsobliegenheit. Es bleibt dabei, dass die D&O-Versicherung nur in jenem Umfang haftet, in dem der leitende Angestellte als versicherte Person selbst haf-

153 Hanau, in: FS E. Lorenz (2004), S. 283 (288 ff., 303 f.); a.A.: Otto, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 97 (110), der sich zwar an dieser Stelle zu einer freiwilligen Versicherung des Arbeitnehmers äußert, diese Argumentation jedoch auch auf eine arbeitgeberfinanzierte Versicherung des Arbeitnehmers und letztlich auch auf die D&O-Versicherung mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer überträgt; zweifelnd auch Erne/Buksch, GWR 2017, 371 (372). 154 BGH, Urteil vom 18. März 1992 – IV ZR 51/91, NJW 1992, 1509 (1510). 155 Vgl. Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (326). 156 Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (326); Wagner, in: MüKoBGB, Vorbemerkung vor § 823 BGB Rn. 63, weist darauf hin, dass eine solche deep pocket liability Sorgfaltsanreize zu verzerren droht.

210

§ 7 Versicherungspflicht und Versicherungsobliegenheit

tet. Das Bestehen der Versicherung hat keine Auswirkung auf die Haftung. Soweit der Versicherungsvertrag hinsichtlich des Deckungsumfang die „Side A (cover)“ bzw. den Managerschutz und in persönlicher Hinsicht leitende Angestellte als versicherte Personen umfasst, vermag eine D&O-Versicherung keinen lückenlosen Schutz zu gewährleisten. Abweichend hiervon findet eine freiwillige Versicherung dann Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtabwägung analog § 254 BGB, wenn die Parteien ausdrücklich den Abschluss einer Versicherung vereinbart hatten.157

157 BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (348 f.); hierzu Anmerkung Schwarze, JA 2011, 785 (787); BAG, Urteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 242/92, BeckRS 1993, 30916228.

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber rechtfertigt eine Beschränkung seiner Haftung. Diese Abhängigkeit hat unterschiedliche Ausprägungen. Maßgeblich für das Haftungsprivileg sind die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit und die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. Das Arbeitnehmerprivileg ist auch in rechtsökonomischer Hinsicht interessengerecht: Der Arbeitgeber kann betriebliche Risiken besser kalkulieren und absorbieren. Bei leichtester oder normaler Fahrlässigkeit ist eine Haftungsbeschränkung wirtschaftlich effizient. 2. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebieten zwar nicht das Arbeitnehmerprivileg in seiner derzeitigen Form. Sie verlangen aber, dass der Staat überhaupt zum Schutz des Arbeitnehmers tätig wird, und tragen daher zur Rechtfertigung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze bei. Die analoge Anwendung von § 254 BGB ermöglicht es, die Haftung des Arbeitnehmers in verfassungskonformer Weise zu modifizieren. a) Die Privatautonomie des Arbeitnehmers und das Sozialstaatsprinzip erfordern ein Eingreifen des Staates zum Schutz des Arbeitnehmers. Andernfalls verletzte der Staat das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, weil der Arbeitnehmer hinsichtlich der Haftungsmodalitäten typischerweise einer Fremdbestimmung durch den Arbeitgeber ausgesetzt ist und ihn im Einzelfall schwerwiegenden Konsequenzen treffen. b) Unabhängig vom Haftungsprivileg ist keine Verletzung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu befürchten. Der zivilprozessuale Vollstreckungsschutz und die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung schließen einen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 12 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG aus. 3. Das arbeitsrechtliche Haftungsprivileg findet auf leitende Angestellte Anwendung. Trotz der geringeren Fremdbestimmtheit seiner Tätigkeit und seiner stärkeren Verhandlungsposition im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern ist auch ein leitender Angestellter persönlich abhängig von seinem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber veranlasst und beherrscht die betriebliche Tätigkeit, während der leitende Angestellte an seine Weisungen gebunden ist. Aus Sicht des leitenden Angestellten besteht bei einer unbeschränkten Haftung kein Gleichlauf von Chancen und Risiken. Auch ihm droht im Falle einer unbeschränkten Haftung eine wirtschaftliche Überforderung. Zugleich verbleibt die Möglichkeit, Risiken zu streuen und in ihrer Gesamtheit besser zu kalkulieren und zu absorbieren, beim Arbeitgeber. Die Unterschiede zwischen leitenden Angestellten und anderen Ar-

212

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

beitnehmern sind nicht hinreichend gravierend, um generell eine unterschiedliche Haftung zu begründen. 4. Dass leitende Angestellte häufig eine höhere Vergütung erhalten als andere Arbeitnehmer, rechtfertigt es nicht, sie in Haftungsfragen als nicht schutzbedürftig anzusehen und pauschal von der Anwendung des Haftungsprivilegs auszunehmen. Stattdessen findet die Höhe der Vergütung Beachtung bei der quotalen Aufteilung der Schadensfolgen zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Zum Zwecke dieser Aufteilung erfolgt eine Abwägung der Gesamtumstände analog § 254 BGB nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten, die eine Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls zulässt. 5. Ein eigener haftungsrechtlicher Begriff des leitenden Angestellten ist nicht erforderlich. Die Besonderheiten dieser Arbeitnehmergruppe finden bei der Frage des Verschuldens und im Rahmen der Abwägung analog § 254 BGB hinreichende Berücksichtigung. Sowohl der Sorgfaltsmaßstab als auch die einzelfallbezogene Gesamtabwägung erlauben es, die besondere Stellung des leitenden Angestellten einzubeziehen und dessen größere Handlungsautonomie angemessen zu gewichten. 6. Trifft ein leitender Angestellter unternehmerische Entscheidungen, hat er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Das Arbeitsrecht bietet insoweit keinen separaten Sorgfaltsmaßstab. Die Wahrnehmung unternehmerischer Teilfunktionen verpflichtet den Arbeitnehmer zur Förderung des Unternehmensinteresses, so dass das Leitbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eine sachgerechte Beurteilung ermöglicht. 7. Nimmt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen einer unternehmerischen Entscheidung auf Schadensersatz in Anspruch, greift der allgemeine Rechtsgedanke der Business Judgment Rule und bestimmt die Auslegung des Merkmals der Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ob der Arbeitnehmer als leitender Angestellter einzuordnen ist, hat hierfür keine Relevanz. 8. Genügt eine unternehmerische Entscheidung den Anforderungen der Business Judgment Rule, besteht eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass die handelnde Person keine Pflichtverletzung begangen hat. Eine gerichtliche Überprüfung des Entscheidungsinhalts erfolgt nicht. Erfüllt das Verhalten hingegen nicht die Voraussetzungen des Geschäftsleiterermessens, prüft ein Gericht im Einzelnen, ob eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt. 9. Trifft ein Arbeitnehmer eine unternehmerische Entscheidung, finden die Business Judgment Rule und das Arbeitnehmerprivileg kumulativ Anwendung. a) Die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze berücksichtigen nicht die Besonderheiten unternehmerischen Handelns. Das Arbeitnehmerprivileg erlaubt keinen abgestuften Prüfungsumfang, bei dem zunächst nur die Entscheidungsfindung und ausschließlich bei Überschreiten eines gewissen Handlungsspielraums eine umfassende Prüfung der Entscheidung stattfindet.

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

213

b) Allein eine Anwendung der Business Judgment Rule wird der Stellung eines leitenden Angestellten als Arbeitnehmer nicht gerecht. Auch wenn ein leitender Angestellter in bestimmten, vertraglich zugewiesenen Bereichen zu unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt ist, bleibt er an etwaige Weisungen des Arbeitgebers gebunden und trägt, anders als ein Organmitglied, nur partielle Verantwortung. c) Eine kumulative Anwendung ist ohne Widersprüche möglich, weil die beiden Instrumente zur Haftungsbeschränkung unterschiedliche Ansatzpunkte haben. Während die Business Judgment Rule auf Tatbestandsebene eingreift und bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen die Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen lässt, betreffen die arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze den Haftungsumfang. 10. Macht ein Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch wegen einer unternehmerischen Entscheidung geltend, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Die Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG findet weder direkt noch analog Anwendung. Angesichts der speziellen arbeitsrechtlichen Wertung des § 619a BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke und an einer vergleichbaren Interessenlage. Das Geschäftsleiterermessen beschränkt sich auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung und lässt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unberührt. 11. Die Einordnung der richterrechtlichen Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung als einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht überzeugt nicht. Die Schranken gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 138 BGB gewährleisten einen hinreichenden Schutz und lassen Abweichungen zu Lasten des Arbeitnehmers nur in engen Grenzen zu. Mit Ausnahme einer individuell ausgehandelten Vereinbarung haben die Arbeitsvertragsparteien daher einen sehr eingeschränkten Spielraum, während Tarifparteien und Betriebspartner weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten haben. Vereinbaren die Parteien eine Haftungsverschärfung, muss dies ausdrücklich erfolgen, damit für alle Beteiligten die Rechtsfolgen erkennbar sind. 12. Bezieht ein D&O-Versicherungsvertrag leitende Angestellte mit ein, stellt sich die Frage, welche Personen leitende Angestellte im Sinne des Versicherungsvertrags sind und damit dem persönlichen Anwendungsbereich der Versicherung unterfallen. Enthalten die Versicherungsbedingungen insoweit keine Definition, erfasst der Versicherungsvertrag jede Person, die einem der gesetzlichen Begriffe des leitenden Angestellten unterfällt. Zweifel bei der Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders bzw. des Versicherers. Der Kreis der versicherten Personen ist im Interesse des Versicherungsnehmers und der versicherten Person selbst möglichst weit auszulegen. Ein Rückgriff ausschließlich auf den betriebsverfassungsrechtlichen, den kündigungsschutzrechtlichen oder den verfahrensrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten ist nicht sachgerecht, weil der jeweilige Normzweck nicht relevant ist für die Festlegung des versicherten Personenkreises.

214

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

13. Gilt eine gesetzliche Versicherungspflicht, verbleibt kein Raum für Rechtsfortbildung in Form der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze. Hat der Gesetzgeber eine Versicherung gesetzlich vorgeschrieben, bestehen Risiken, die er wegen ihrer drittschädigenden Wirkung für besonders gefährlich hält. Ein solches risikobehaftetes Verhalten duldet er nur, wenn entsprechender Versicherungsschutz vorhanden ist. Die Wertungen, welche der Versicherungspflicht zugrunde liegen, überlagern das Arbeitnehmerprivileg. Ist die Versicherung dagegen freiwillig, hat der Gesetzgeber keine vergleichbare Aussage getroffen, so dass eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsbeschränkung nicht ausgeschlossen ist. 14. Der Arbeitgeber ist nicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet. Eine solche Maßnahme der Risikovorsorge steht im Ermessen der Unternehmensleitung; diese muss lediglich sorgfältig prüfen, ob der Abschluss einer D&O-Versicherung geboten ist. Eine dienstliche bzw. arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht dahingehend, dass die Gesellschaft für ihre Organmitglieder oder leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abschließen müsse, besteht nicht. Es gibt keinen zwingenden oder allgemein üblichen Standard für die Ausgestaltung der Versicherung. Die Vertragsbedingungen weichen teils deutlich voneinander ab, unter anderem wegen unterschiedlicher Risikostrukturen der Versicherungsnehmer. Mangels konkreter Vorgaben zur Beschaffenheit des Versicherungsschutzes bietet die allgemeine Fürsorgepflicht keine hinreichende Rechtsgrundlage, um den Dienstherrn oder Arbeitgeber zum Abschluss einer freiwilligen Versicherung zu verpflichten. 15. Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitgeber eine D&O-Versicherung zu Gunsten des leitenden Angestellten abschließen muss. Die Formulierung einer hinreichend konkreten und damit wirksamen Versicherungspflicht bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Angesichts der unterschiedlichen Policen fehlt es an einem Standard für D&O-Versicherungsbedingungen. Nur wenn die Parteien alle wesentlichen Kriterien festgelegt oder die Ausgestaltung der Versicherung ausdrücklich in das freie Ermessen der Gesellschaft gestellt haben, begründet die Vereinbarung eine wirksame und durchsetzbare Versicherungspflicht. Diese vermittelt dem Arbeitnehmer einen materiellen Erfüllungsanspruch auf Abschluss einer Versicherung nach Maßgabe der Vereinbarung. 16. Den Arbeitgeber trifft keine Obliegenheit zum Abschluss einer D&OVersicherung. Hierfür fehlen eindeutig festgelegte Voraussetzungen, deren Vorliegen sich präzise feststellen lässt. Mangels zwingender Vorgaben oder eines marktüblichen Standards für die Vertragsbedingungen ist unklar, welche Mindestanforderung eine Versicherung erfüllen muss, damit der Arbeitgeber seiner Obliegenheit genügt. Zudem kann eine D&O-Versicherung keinen lückenlosen Schutz der versicherten Person vor einer persönlichen Inanspruchnahme gewährleisten. 17. Hat der Arbeitgeber freiwillig eine D&O-Versicherung abgeschlossen, beeinflusst dieses einseitige Handeln die Haftung nicht. Anders als bei einer Pflichtversicherung fehlt es an einer gesetzgeberischen Wertung, welche eine Anwen-

§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

215

dung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze verdrängt. Die Parteien des Versicherungsvertrags würden sich zum Nachteil des Arbeitnehmers einigen, wenn die Versicherung einerseits die versicherte Person nicht zuverlässig vor einer persönlichen Inanspruchnahme schützt, gleichzeitig aber die Einbeziehung des leitenden Angestellten in den Versicherungsschutz das Arbeitnehmerprivileg entfallen ließe. Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist aber unzulässig. Die Versicherer bestimmten zudem durch ihre Produkte die Rechtslage, ohne hierfür legitimiert zu sein. Das versicherungsrechtliche Trennungsprinzip gebietet eine separate Beurteilung von Haftungs- und Deckungsfrage. Die D&O-Versicherung haftet nur in dem Umfang, in welchem der leitende Angestellte als versicherte Person selbst zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist. 18. Haben die Arbeitsvertragsparteien keine Versicherungspflicht der Führungskraft vereinbart, trifft den leitenden Angestellten weder eine Versicherungspflicht noch eine Versicherungsobliegenheit. Hierfür existiert keine Rechtsgrundlage. D&O-Individualversicherungen sind nicht für jede Führungskraft verfügbar; eine Verpflichtung kann nicht über die tatsächlichen Möglichkeiten hinausgehen. Hat sich der leitende Angestellte freiwillig versichert, wirkt sich dieser Umstand nicht auf die Haftung aus, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Versicherung wirtschaftlich dem Arbeitgeber zugutekommen soll. Das Bestehen einer Versicherung schließt eine wirtschaftliche Überforderung des leitenden Angestellten nicht aus, weil Haftungs- und Deckungsverhältnis getrennt zu betrachten sind. Zudem ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Haftungsquote häufig noch unsicher, ob die Versicherung wirklich den Schaden deckt und damit den Arbeitnehmer schützt.

Literaturverzeichnis Ahrens, Martin, Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit, DB 1996, 934–938. Aktiengesetz. Großkommentar, Hirte, Heribert/Mülbert, Peter O./Roth, Markus (Hrsg.), Vierter Band. Teilband 2, §§ 92–94, 5. Auflage, Berlin/München/Boston 2015 [zitiert als Bearbeiter, in: AktG Großkommentar]. Aldenhoff, Hans-Hermann, Abschaffung des Kündigungsschutzes für Spitzenverdiener, NZA 2010, 800–802. Altmeppen, Holger, Die Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH, ZGR 1999, 291–313. ders., Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Kommentar, 10. Auflage, München 2021. Annuß, Georg, Die Haftung des Arbeitnehmers unter besonderer Berücksichtigung der Haftung des angestellten Arztes, Heidelberg 1998. ders., (Nichts) Neues zur Arbeitnehmerhaftung?, NZA 1998, 1089–1095. Apathy, Peter/Bollenberger, Raimund/Bydlinski, Peter/Iro, Gert/Karner, Ernst/Karollus, Martin (Hrsg.), Festschrift für Helmut Koziol zum 70. Geburtstag, Wien 2010. Arbeitsrecht-Blattei. Systematische Darstellungen, Dieterich, Thomas/Neef, Klaus/ Schwab, Brent (Hrsg.), 174. Aktualisierung, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2007 [zitiert als Bearbeiter, in: AR-Blattei SD]. Armbrüster, Christian, Auswirkungen von Versicherungsschutz auf die Haftung, NJW 2009, 187–193. ders., Rezension von Lange, Oliver: D&O-Versicherung und Managerhaftung (2014), ZVersWiss 2015, 73–77. ders., Interessenkonflikte in der D&O-Versicherung, NJW 2016, 897–901. Armon, Marcel, Verhindern D&O-Versicherer die Rettung von Unternehmen?, VW 2021, Heft 7, 66–67. Auer, Marietta/Grigoleit, Hans Christoph/Hager, Johannes/Herresthal, Carsten/Hey, Felix/ Koller, Ingo/Langenbucher, Katja/Neuner, Jörg/Petersen, Jens/Riehm, Thomas/Singer, Reinhard (Hrsg.), Privatrechtsdogmatik im 21. Jahrhundert. Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 80. Geburtstag, Berlin/Boston 2017. Augschill, Steffen, „Safe harbor“-Regelungen. Methodische Grundzüge eines neuartigen Regelungsmusters im deutschen und europäischen Wirtschafts- und Unternehmensrecht, Berlin 2016. Bachmann, Gregor, Die Haftung des Geschäftsleiters für die Verschwendung von Gesellschaftsvermögen, NZG 2013, 1121–1128. ders., Editorial. Reformbedarf bei der Business Judgement Rule?, ZHR 177 (2013), 1–12. ders., Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, NJW-Beilage 2014, 43–46. ders., Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag,

218

Literaturverzeichnis

in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (Hannover 2014), München 2014. ders., Die Beschränkung der Organhaftung nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts, ZIP 2017, 841–851. Bachmann, Gregor/Schirmer, Jan-Erik, Leistungs- und Schutzpflichten in der Zivilrechtsdogmatik. Zum Erfüllungsanspruch aus Schutzpflichten, in: Auer, Marietta/Grigoleit, Hans Christoph/Hager, Johannes/Herresthal, Carsten/Hey, Felix/Koller, Ingo/Langenbucher, Katja/Neuner, Jörg/Petersen, Jens/Riehm, Thomas/Singer, Reinhard (Hrsg.), Privatrechtsdogmatik im 21. Jahrhundert. Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 80. Geburtstag, Berlin/Boston 2017, S. 371–401. Baeck, Ulrich/Winzer, Thomas/Abend, Tobias, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht. Brexit versus Kündigungsschutz: Wie der Gesetzgeber Deutschland als Standort für Banken attraktiver machen will, NZG 2019, 462–463. von Bar, Christian, Das „Trennungsprinzip“ und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, AcP 181 (1981), 289–327. Bartenbach, Kurt/Volz, Franz-Eugen, Arbeitnehmererfindungsgesetz. Kommentar zum Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, 6. Auflage, Köln 2019. Bartscherer, Franz, Aktuelle Fragen der D+O-Versicherung, VP 2001, 183–186. Bauer, Jobst-Hubertus/von Medem, Andreas, „One size fits all“ – im Arbeitsrecht nicht angemessen, NZA 2013, 1233–1238. Bauer, Hans Joachim/Werner, Olaf (Hrsg.), Festschrift zur Wiedererrichtung des Oberlandesgerichts in Jena, München 1994. Baumgärtel, Gottfried/Becker, Hans-Jürgen/Klingmüller, Ernst/Wacke, Andreas (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag am 7. November 1984, Berlin/New York 1984. Bayer, Walter/Scholz, Philipp, Haftungsbegrenzung und D&O-Versicherung im Recht der aktienrechtlichen Organhaftung. Grundsatzüberlegungen zum 70. DJT 2014, NZG 2014, 926–934. dies., Zweifelsfragen der gesamtschuldnerischen Organhaftung im Aktienrecht. Zur Bewährung der bürgerlich-rechtlichen Institute der „gestörten Gesamtschuld“ und „beschränkten Gesamtwirkung“ vor der aktienrechtlichen Dogmatik, ZGR 2016, 619–643. Bayreuther, Frank, Braucht es rechtliche Sonderregelungen für den unternehmerähnlichen Arbeitnehmer?, NZA 2013, 1238–1245. Becker-Schaffner, Reinhard, Ist der Arbeitgeber auf Grund seiner Fürsorgepflicht zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung verpflichtet?, VersR 1970, 893–895. Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Meßling, Miriam/Udsching, Peter (Hrsg.), 65. Edition (Stand: 1. September 2022), München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: BeckOK Arbeitsrecht]. Beck’scher Online-Kommentar BGB, Hau, Wolfgang/Poseck, Roman (Hrsg.), 63. Edition (Stand: 1. August 2022), München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: BeckOK BGB]. Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Meßling, Miriam/Udsching, Peter (Hrsg.), 66. Edition (Stand: 1. September 2022), München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: BeckOK Sozialrecht]. Beckmann, Roland Michael/Matusche-Beckmann, Annemarie (Hrsg.), Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage, München 2015 [zitiert als Bearbeiter, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch]. Beck-online.Großkommentar für das Handels- und Gesellschaftsrecht, Henssler, Martin (Gesamthrsg.), Stand: 1. Juli 2022, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: BeckOGK].

Literaturverzeichnis

219

Beck-online.Großkommentar zum Zivilrecht, Gsell, Beate/Krüger, Wolfgang/Lorenz, Stephan/Reymann, Christoph (Gesamthrsg.), Stand: 1. August 2022, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: BeckOGK]. Behme, Caspar/Fries, Martin/Stark, Johanna (Hrsg.), Versicherungsmechanismen im Recht, Tübingen 2016. Behrens, Peter, Die Bedeutung der ökonomischen Analyse des Rechts für das Arbeitsrecht, ZfA 1989, 209–238. Bengelsdorf, Peter, Arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag und gestörte Vertragsparität. Konsequenzen aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993, BB 1995, 978–984. Bepler, Klaus, Profifußball und Arbeitsrecht, in: Fütterer, Johannes/Pötters, Stephan/Stiebert, Tom/Traut, Johannes (Hrsg.), Arbeitsrecht – für wen und wofür? Dokumentation der 4. Assistententagung im Arbeitsrecht, Baden-Baden 2015, S. 11–35. Bergmann, Alfred/Hoffmann-Becking, Michael/Noack, Ulrich (Hrsg.), Recht und Gesetz. Festschrift für Ulrich Seibert zum 65. Geburtstag, Köln 2019. Besgen, Nicolai (Hrsg.), Handbuch Führungskräfte. Arbeits-, Gesellschafts- und Steuerrecht für Geschäftsführer, Vorstände und leitende Angestellte, Köln 2012 [zitiert als Bearbeiter, in: Besgen, Handbuch Führungskräfte]. Beuthien, Volker, Stellung und Schutz der freien Mitarbeiter im Arbeitsrecht, RdA 1978, 2–10. Bieback, Karl-Jürgen, Verfassungs- und sozialrechtliche Probleme einer Änderung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV, Düsseldorf 2014. Bieder, Marcus, Einschränkungen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung für leitende Angestellte, DB 2008, 638–640. Binder, Sabrina, Grenzen der Vorstandshaftung. Eine Untersuchung der vorhandenen Beschränkungen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung von Haftungserleichterungen de lege lata und de lege ferenda, Berlin 2016. Blanke, Thomas (Hrsg.), Handbuch Außertarifliche Angestellte, 3. Auflage, Baden-Baden 2003 [zitiert als Bearbeiter, in: Blanke, Handbuch Außertarifliche Angestellte]. Blomeyer, Wolfgang, Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei nicht gefahrgeneigter Arbeit – BAG GS, NJW 1993, 1732, JuS 1993, 903–907. Boemke, Burkhard/Kursawe, Stefan (Hrsg.), Gesetz über Arbeitnehmererfindungen. Kommentar, München 2015 [zitiert als Bearbeiter, in: Boemke/Kursawe, ArbEG]. Boergen, Rüdiger, Der personale Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Haftungsgrenze, MDR 1971, 178–182. Böglmüller, Matthias, Persönlichkeitsrechte im Sportarbeitsverhältnis. Branchengerechte Erfassung durch das Arbeitsrecht, Baden-Baden 2016. Bokelmann, Erika, Die Haftung des Arbeitnehmers – Schadensausgleich oder (notwendige) Erziehungsmaßnahme?, ZRP 1972, 283–290. Brand, Oliver, Schadensersatzrecht, 3. Auflage, München 2021. Brinkmann, Moritz, Die prozessualen Konsequenzen der Abtretung des Freistellungsanspruchs aus einer D&O-Versicherung, ZIP 2017, 301–309. Bröckner, Sebastian, Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, Baden-Baden 2012. Brors, Christiane, Die Abschaffung der Fürsorgepflicht. Versuch einer vertragstheoretischen Neubegründung der Nebenpflichten des Arbeitgebers, Tübingen 2002. dies., Die individualarbeitsrechtliche Zulässigkeit von Zielvereinbarungen, RdA 2004, 273–281.

220

Literaturverzeichnis

Brose, Wiebke, Haftung und Risiken nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen und dem SGB VII, RdA 2011, 205–221. Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich, Die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung gegenüber dem Arbeitgeber, DB 1985, 1469–1478. Bruck, Ernst/Möller, Hans (Begr.), Baumann, Horst/Beckmann, Roland Michael/Johannsen, Katharina/Johannsen, Ralf/Koch, Robert (Hrsg.), Versicherungsvertragsgesetz. Großkommentar, Vierter Band. Haftpflichtversicherung, 9. Auflage, Berlin/Boston 2013 [zitiert als Bearbeiter, in: Bruck/Möller, VVG]. Buchner, Herbert, Berufshaftpflichtversicherung oder gesetzliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung? Zu den Möglichkeiten einer versicherungsmäßigen Lösung und zum Entwurf des 2. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes, RdA 1972, 153–171. ders., Tendenzförderung als arbeitsrechtliche Pflicht. Zur Bindung des Arbeitnehmers an die Unternehmenszielsetzung, ZfA 1979, 335–356. Buck-Heeb, Petra, Die Haftung von Mitgliedern des Leitungsorgans bei unklarer Rechtslage. Notwendigkeit einer Legal Judgment Rule?, BB 2013, 2247–2257. van Bühren, Hubert W. (Hrsg.), Handbuch Versicherungsrecht, 7. Auflage, Bonn 2017 [zitiert als Bearbeiter, in: van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht]. Bürkle, Jürgen/Fecker, Jörg, Business Judgment Rule: Unternehmerischer Haftungsfreiraum für leitende Angestellte, NZA 2007, 589–596. Bürkle, Jürgen/Hauschka, Christoph E. (Hrsg.), Der Compliance Officer. Ein Handbuch in eigener Sache, München 2015 [zitiert als Bearbeiter, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer]. Canaris, Claus-Wilhelm, Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit in fremdem Interesse, RdA 1966, 41–51. ders., Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201–246. Clauß, Karl, Haftungsbeschränkung zwischen Gemeinschaftsangehörigen im Arbeits-, Dienst- und Familienrecht, NJW 1959, 1408–1410. Cobe, Matondo/Kling, Michael, Die business judgment rule im Genossenschaftsrecht, NZG 2015, 48–54. Coester-Waltjen, Dagmar, Die Inhaltskontrolle von Verträgen außerhalb des AGBG, AcP 190 (1990), 1–33. Cyrus, Rolf, Neue Entwicklungen in der D&O-Versicherung, NZG 2018, 7–14. Däubler, Wolfgang, Die Haftung des Arbeitnehmers – Grundlagen und Grenzen, NJW 1986, 867–874. Deutsch, Erwin, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Auflage, Köln/Berlin/Bonn/München 1996. Dieterich, Thomas/Gamillscheg, Franz/Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Festschrift für Marie Luise Hilger und Hermann Stumpf, München 1983. Dietlein, Johannes, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 2. Auflage, Berlin 2005. Diller, Martin, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte. Kommentar zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 2. Auflage, München 2017. Dilling, Johannes, Zur Unwirksamkeit des Risikoausschlusses für wissentliche Pflichtverletzungen in der D&O-Versicherung, VersR 2018, 332–337. Diringer, Arnd, Der Chefarzt als leitender Angestellter, NZA 2003, 890–896. Dißars, Björn-Axel, Die E&O-Versicherung. Grundzüge einer Versicherung im Schattendasein, VersR 2009, 1340–1342. Doralt, Peter/Doralt, Walter, Rechtsvergleichung und Rezeption in der Managerhaftung. Ein Streifzug zwischen directors’ duties, business judgement rule und D&O Versi-

Literaturverzeichnis

221

cherung, in: Apathy, Peter/Bollenberger, Raimund/Bydlinski, Peter/Iro, Gert/Karner, Ernst/Karollus, Martin (Hrsg.), Festschrift für Helmut Koziol zum 70. Geburtstag, Wien 2010, S. 565–589. Doralt, Walter, Organhaftung und D&O-Versicherung. Jüngere Entwicklungen und aktuelle Gestaltungsfragen, ZGR 2019, 996–1049. Döring, Helmut, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, Berlin 1977. Dreher, Meinrad, Der Abschluss von D&O-Versicherungen und die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung, ZHR 165 (2001), 293–323. ders., Das Two-Tower-Modell in der D&O-Versicherung, in: Siekmann, Helmut (Hrsg.), Festschrift für Theodor Baums zum siebzigsten Geburtstag, Band I, Tübingen 2017, S. 325–338. ders., Die D&O-Individualversicherung, in: Dreher, Meinrad/Drescher, Ingo/Mülbert, Peter O./Verse, Dirk A. (Hrsg.), Festschrift für Alfred Bergmann zum 65. Geburtstag am 13. Juli 2018, Berlin/Boston 2018, S. 145–168. Dreher, Meinrad/Drescher, Ingo/Mülbert, Peter O./Verse, Dirk A. (Hrsg.), Festschrift für Alfred Bergmann zum 65. Geburtstag am 13. Juli 2018, Berlin/Boston 2018. Dreher, Meinrad/Fritz, Dennis, Die D&O-Versicherung als Gruppenversicherung, VersR 2021, 220–227. Dreher, Meinrad/Görner, Andre´, Der angemessene Selbstbehalt in der D&O-Versicherung, ZIP 2003, 2321–2329. Dreher, Meinrad/Thomas, Stefan, Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008, ZGR 2009, 31–73. Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I. Präambel, Artikel 1–19, 3. Auflage, Tübingen 2013 [zitiert als Bearbeiter, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar]. Eich, Rolf-Achim, Der Wandel der BAG-Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrgeneigter Arbeit, NZA 1984, 65–72. Entzeroth, Katja, Der leitende Angestellte im Individualarbeitsrecht, Hamburg 2010. Epping, Volker, Grundrechte, 9. Auflage, Berlin 2021. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.), 23. Auflage, München 2023 [zitiert als Bearbeiter, in: ErfK]. Erman. Bürgerliches Gesetzbuch, Westermann, Harm Peter/Grunewald, Barbara/MaierReimer, Georg (Hrsg.), Band I, 16. Auflage, Köln 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: Erman BGB]. Erne, Roland/Buksch, Wolfgang, D&O-Versicherung – unbeschränkte Arbeitnehmerhaftung aufgrund der jüngsten BGH-Rechtsprechung zur Direktinanspruchnahme des Versicherers?, GWR 2017, 371–373. Eufinger, Alexander, Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung und Compliance-Verstöße, CCZ 2017, 130–137. Fahrenhorst, Irene, Die Haftung des leitenden Krankenhausarztes gegenüber dem Krankenhausträger, NZA 1991, 544–549. Fassbach, Burkhard, Deckungskonzepte für eine Aufsichtsrats-D&O-Versicherung. Der Aufsichtsrat 2013, 26–28. Fassbach, Burkhard/Fleck, Thilo, Die D&O-Verschaffungsklausel in Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern (2018), abrufbar unter https://howdengroup.de/wp-c ontent/uploads/2016/01/do-verschaffungsklausel-hendricks-und-co.pdf (zuletzt abgerufen am 27. November 2022). Fest, Timo, Der Umgang mit Legal Transplants am Beispiel des Aktienrechts, Kreutz, Peter/Renftle, Norbert/Faber, Erasmus/Arndt, Dominik/Huber, Nikolaus/Schellhase, Hans-Martin/Steuer, Markus (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2011.

222

Literaturverzeichnis

Realitäten des Zivilrechts. Grenzen des Zivilrechts, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2012, S. 119–161. Fischer, Jan-Benedikt, Ausstrahlungswirkungen im Recht. Anforderungen an Compliance und Risikomanagement im Bankaufsichts- und Aktienrecht, Berlin 2018. Fischer, Jan-Benedikt/Schuck, Jonas, Die Einrichtung von Corporate Governance-Systemen nach dem FISG, NZG 2021, 534–541. Fischinger, Philipp Sergius, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, Tübingen 2015. Fitting, Karl (Begr.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung. Handkommentar, 31. Auflage, München 2022. Flaßhoff, Fabian Eike, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung. Zur Reichweite der Beweislastregel § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG und der Business Judgment Rule als „presumption“ deutscher Bauart, Tübingen 2022. Flatow, Georg/Kahn-Freund, Otto, Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 nebst Wahlordnung, Ausführungsverordnungen und Ergänzungsgesetzen (Betriebsbilanzgesetz, Aufsichtsratsgesetz und Wahlordnung), 13. Auflage, Berlin/Heidelberg 1931. Fleischer, Holger, Die „Business Judgment Rule“ im Spiegel von Rechtsvergleichung und Rechtsökonomie, in: Wank, Rolf/Hirte, Heribert/Frey, Kaspar/Fleischer, Holger/Thüsing, Gregor (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 827–849. ders., Gesetz und Vertrag als alternative Problemlösungsmodelle im Gesellschaftsrecht. Prolegomena zu einer Theorie gesellschaftsrechtlicher Regelsetzung, ZHR 168 (2004), 673–707. ders., Die „Business Judgment Rule“: Vom Richterrecht zur Kodifizierung, ZIP 2004, 685–692. ders., Haftungsfreistellung, Prozesskostenersatz und Versicherung für Vorstandsmitglieder – eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme zur Enthaftung des Managements, WM 2005, 909–920. ders. (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, München 2006 [zitiert als Bearbeiter, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts]. Franzen, Martin/Gallner, Inken/Oetker, Hartmut (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Franzen/Gallner/ Oetker, EUArbRK]. Fritz, Hans-Joachim, Haftungsbegrenzung bei Führungskräften, NZA 2017, 673–679. Fuchs, Maximilian, Versicherungsschutz und Versicherbarkeit als Argumente bei der Schadensverteilung, AcP 191 (1991), 318–345. Fütterer, Johannes/Pötters, Stephan/Stiebert, Tom/Traut, Johannes (Hrsg.), Arbeitsrecht – für wen und wofür? Dokumentation der 4. Assistententagung im Arbeitsrecht, Baden-Baden 2015. Gamillscheg, Franz/Hanau, Peter, Die Haftung des Arbeitnehmers, 2. Auflage, Karlsruhe 1974. Geiß, Karlmann/Nehm, Kay/Brandner, Hans Erich/Hagen, Horst (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof. Festschrift aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, Köln/Berlin/Bonn/München 2000. Germelmann, Claas-Hinrich/Matthes, Hans-Christoph/Prütting, Hanns, Arbeitsgerichtsgesetz. Kommentar, 10. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Germelmann/ Matthes/Prütting, ArbGG].

Literaturverzeichnis

223

Goette, Wulf, Leitung, Aufsicht, Haftung – zur Rolle der Rechtsprechung bei der Sicherung einer modernen Unternehmensführung, in: Geiß, Karlmann/Nehm, Kay/Brandner, Hans Erich/Hagen, Horst (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof. Festschrift aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, Köln/Berlin/Bonn/München 2000, S. 123–142. ders., Gesellschaftsrechtliche Grundfragen im Spiegel der Rechtsprechung, ZGR 2008, 436–453. Gotthardt, Michael, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform. Neue Rechtslage für bestehende Arbeitsverträge ab 1.1.2003, 2. Auflage, München 2003. Graumann, Matthias, Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen. Versuch einer Konkretisierung unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, CCZ 2010, 222–228. Groh, Jakob, Einstandspflichten und gestörte Gesamtschuld in der Vorstandshaftung. Mitverschuldenseinwand und Haftungsverhältnis zwischen Vorstands-, Aufsichtsratsmitgliedern und Dritten, Baden-Baden 2020. Grooterhorst, Johannes/Looman, Jörg, Kostentragung des Versicherers bei (teilweiser) Erschöpfung der VersSumme in der D&O-Versicherung, r + s 2014, 157–163. Groß, Nadja Fee Viola, Chief Compliance Officer. Compliance-Funktionsträger im Spannungsverhältnis zwischen wirksamer Compliance und arbeitsrechtlicher/gesellschaftsrechtlicher Kompetenzordnung, Baden-Baden 2012. Grote, Joachim/Rixecker, Roland/Wandt, Manfred (Hrsg.), Versicherungsrecht in Wissenschaft und Praxis. Festschrift für Theo Langheid zum 70. Geburtstag, München 2022. Grüneberg. Bürgerliches Gesetzbuch mit Nebengesetzen, 81. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Grüneberg, BGB]. Habersack, Mathias/Hüffer, Uwe/Hommelhoff, Peter/Schmidt, Karten (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003. Hahn, Volker, Die Versicherbarkeit von Prospekthaftungsansprüchen bei der Emission von geschlossenen Fonds, VersR 2012, 393–399. Hammen, Horst, Die Gattungshandlungsschulden. Inhalt der Schuld, Haftung und Haftungsbeschränkung bei fehlerhafter Leistung, dargestellt am Beispiel der Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers und der Pflichten eines Vermögensverwalters, Frankfurt am Main 1995. Hanau, Peter, Der Kommissionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, ZRP 1978, 215–221. ders., Die Entscheidungsfreiheit des Richters im Recht der Arbeitnehmerhaftung, in: Baumgärtel, Gottfried/Becker, Hans-Jürgen/Klingmüller, Ernst/Wacke, Andreas (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag am 7. November 1984, Berlin/New York 1984, S. 467–485. ders., Rückwirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung? Das Beispiel der Innenhaftung leitender Angestellter unter D&O-Versicherung, in: Wandt, Manfred/Reiff, Peter/Looschelders, Dirk/Bayer, Walter (Hrsg.), Kontinuität und Wandel des Versicherungsrechts. Festschrift für Egon Lorenz zum 70. Geburtstag, Karlsruhe 2004, S. 283–304. ders., Die Europäische Grundrechtecharta – Schein und Wirklichkeit im Arbeitsrecht, NZA 2010, 1–6. Handbuch des Schuldrechts in Einzeldarstellungen, Gernhuber, Joachim (Hrsg.), Band 1. Schadensersatz, 3. Auflage, Tübingen 2003 [zitiert als Bearbeiter, in: Handbuch des Schuldrechts. Schadensersatz].

224

Literaturverzeichnis

Hansen, Jessica/Kelber, Markus Friedrich/Zeißig, Rolf/Breezmann, Andreas/Confurius, Manfred, Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen. Begründung – Inhalt – Beendigung, München 2006 [zitiert als: Bearbeiter, in: Hansen/Kelber/Zeißig u.a., Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen]. Happ, Wilhelm/Möhrle, Frauke, D&O-Versicherung und Aktienrecht. Viele Fragen offen, in: Bergmann, Alfred/Hoffmann-Becking, Michael/Noack, Ulrich (Hrsg.), Recht und Gesetz. Festschrift für Ulrich Seibert zum 65. Geburtstag, Köln 2019, S. 273–289. Heinze, Meinhard, Zur Verteilung des Schadensrisikos bei unselbständiger Arbeit, NZA 1986, 545–554. Hemeling, Peter, Neuere Entwicklungen in der D&O-Versicherung, Krieger, Gerd/Lutter, Marcus/Schmidt, Karsten (Hrsg.), Festschrift für Michael Hoffmann-Becking zum 70. Geburtstag, München 2013, S. 491–510. Hendricks, Michael, Ungesunder Wettbewerb. Eine kritische Marktanalyse zur D&OVersicherung, VW 2021, Heft 5, 46–47. Henssler, Martin, D&O-Versicherung in Deutschland, in: Henze, Hartwig/HoffmannBecking, Michael (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001. Tagungsband zum RWS-Forum am 8. und 9. März 2001 in Berlin, Köln 2001, S. 131–158. ders., Arbeitsrecht und Schuldrechtsreform, RdA 2002, 129–140. ders., 1. Deutscher Arbeitsrechtstag – Generalbericht, NZA-Beilage 2014, 95–104. Henssler, Martin/Lunk, Stefan, Leitende Angestellte und das Arbeitszeitrecht – Betrachtungen de lege lata und de lege ferenda, NZA 2016, 1425–1430. Henssler, Martin/Preis, Ulrich, Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG). Stand: November 2007, NZA-Beilage 2007, 6–32. Henssler, Martin/Strohn, Lutz (Hrsg.), Gesellschaftsrecht. BGB · PartGG · HGB · GmbHG · AktG · DCGK · GenG · UmwG · InsO · AnfG · IntGesR, 5. Auflage, München 2021 [zitiert als Bearbeiter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht]. Henssler, Martin/Willemsen, Heinz Josef/Kalb, Heinz-Jürgen (Hrsg.), Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage, Köln 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar]. Henze, Hartwig/Hoffmann-Becking, Michael (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001. Tagungsband zum RWS-Forum am 8. und 9. März 2001 in Berlin, Köln 2001. Herzog, Roman/Scholz, Rupert/Herdegen, Matthias/Klein, Hans H. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 98. Ergänzungslieferung, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Dürig/ Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar]. Hitzer, Martin/Meyer, Joscha, Quantitative Prozessrisikoanalyse in der Organhaftung – prozessuale Erfolgsaussichten und Barwert der Schadensersatzansprüche, ZHR 186 (2022), 702–728. Hoffmann-Becking, Michael, Sinn und Unsinn der D&O-Versicherung, ZHR 181 (2017), 737–745. Hohenstatt, Klaus-Stefan/Naber, Sebastian, Die D&O-Versicherung im Vorstandsvertrag, DB 2010, 2321–2324. Hohmann, Roger, Zugangsbarrieren für leitende Angestellte zum ehrenamtlichen Richteramt in der Arbeitsgerichtsbarkeit, NZA 2007, 958–961. Holle, Philipp Maximilian, Die Binnenhaftung des Vorstands bei unklarer Rechtslage, AG 2016, 270–280. Hölters, Wolfgang/Weber, Markus (Hrsg.), Aktiengesetz. Kommentar, 4. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: W. Hölters/Weber, Aktiengesetz].

Literaturverzeichnis

225

Hopt, Klaus Jürgen, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793–1806. Horn, Michael A., Abfindungsschutz statt Kündigungsschutz? Die strengen Anforderungen an den Begriff des „ähnlichen leitenden Angestellten“ i.S. des § 14 II 1 KSchG, NZA 2012, 186–190. Hromadka, Wolfgang, Das Recht der leitenden Angestellten im historisch-gesellschaftlichen Zusammenhang, München 1979. ders., Der Begriff des leitenden Angestellten. Zur Auslegung des § 5 Abs. 3, 4 BetrVG i.d.F. vom 23. Dezember 1988, BB 1990, 57–64. ders., Arbeitnehmer, Arbeitnehmergruppen und Arbeitnehmerähnliche im Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, NZA 2007, 838–842. Hübsch, Michael, Arbeitnehmerhaftung bei Versicherbarkeit des Schadensrisikos und bei grober Fahrlässigkeit, BB 1998, 690–695. Ihlas, Horst, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, Berlin 1997. ders., D & O. Directors & Officers Liability, 2. Auflage, Berlin 2009. Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 7, 3. Auflage, Heidelberg 2009 [zitiert als Bearbeiter, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts]. Jacklofsky, Swantje, Tarifdispositivität der richterrechtlichen Grundsätze des BAG zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Zugleich eine Anmerkung zu BAG (27.1.2000), NZA 2000, 727, NZA 2001, 644–648. Jena, Jan-Ole, Die Business Judgment Rule im Prozess. Eine prozessrechtliche Betrachtung der Business Judgment Rule und Beweislastverteilung im Organhaftungsrecht, Baden-Baden 2020. Jensen, Jens, Der Kündigungsschutz bröckelt – neues Sonderarbeitsrecht für Banken, BB 2019, I. Joussen, Jacob, Der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG, GmbHR 2005, 441–447. ders., Der persönliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerhaftung, RdA 2006, 129–137. Jula, Rocco, Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG: Minimierung der Risiken durch Regelungen im Anstellungsvertrag?, GmbHR 2001, 806–811. Junker, Abbo, Grundkurs Arbeitsrecht, 21. Auflage, München 2022. Junker, Claudia/Schmidt-Pfitzner, Jan, Quoten und Zielgrößen für Frauen (und Männer) in Führungspositionen. Die neue Gesetzeslage und Handlungsempfehlungen, NZG 2015, 929–938. juris Praxiskommentar BGB, Herberger, Maximilian/Martinek, Michael/Rüßmann, Helmut/Weth, Stephan/Würdinger, Markus (Gesamthrsg.), Band 2 – Schuldrecht, 9. Auflage, Saarbrücken 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: jurisPK-BGB]. juris Praxiskommentar Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGBV). Gesetzliche Krankenversicherung, Schlegel, Rainer/Voelzke, Thomas, 4. Auflage, Saarbrücken 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: jurisPK-SGB V]. juris Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht. StVG, StVO, Zivilrecht, Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht, StVZO, FeV, FZV, Freymann, Hans-Peter/Wellner, Wolfgang (Hrsg.), 2. Auflage, Saarbrücken 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht]. Kallenberg, Christian, Der Status des leitenden Angestellten im Rahmen des gesetzlichen Kündigungsschutzes, Münster 2018.

226

Literaturverzeichnis

Kelber, Markus Friedrich/Zeißig, Rolf/Birkefeld, Jan, Rechtshandbuch Führungskräfte. Arbeits-, Gesellschafts-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, München 2016 [zitiert als Bearbeiter, in: Kelber/Zeißig/Birkefeld, Rechtshandbuch Führungskräfte]. Kiethe, Kurt, Vermeidung der Haftung von geschäftsführenden Organen durch Corporate Compliance, GmbHR 2007, 393–400. Klamert, Patrick/Mosch, Ulrich, Versetzung von Spitzenverdienern und Abfindung von Führungskräften, NJW-Spezial 2014, 242–243. Klein, Oliver, Das Untermaßverbot. Über die Justiziabilität grundrechtlicher Schutzpflichterfüllung, JuS 2006, 960–964. Klein, Rüdiger, Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis unter besonderer Berücksichtigung des Betriebsunfalls, Heidelberg 1964. Klinkhammer, Georg, Bedingungswettlauf in der D&O-Versicherung (Teil I), VP 2011, 157–163. Knöfel, Oliver Ludwig, Die „versicherte Tätigkeit“ von Organmitgliedern bei der D&OVersicherung, VersR 2019, 1249–1259. Koch, Jens, Beschränkung der Regressfolgen im Kapitalgesellschaftsrecht, AG 2012, 429–440. ders., Aktiengesetz, 16. Auflage, München 2022. Koch, Robert, Die Rechtsstellung der Gesellschaft und das Organmitglieds in der D&O-Versicherung (I), Teil 1: Rechtsstellung der Gesellschaft gegenüber dem D&OVersicherer, GmbHR 2004, 18–28. ders., Die Rechtsstellung der Gesellschaft und des Organmitglieds in der D&O-Versicherung (II), Teil 2: Rechtsstellung des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft, GmbHR 2004, 160–170. ders., Geschäftsleiterpflicht zur Sicherstellung risikoadäquaten Versicherungsschutzes, ZGR 2006, 184–212. ders., Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ im Rahmen der D&O-Versicherung. Zugleich Besprechung OLG München v. 13.9.2017 – 7 U 4126/13, ZIP 2018, 27, ZIP 2018, 301–308. ders., Rückwirkung der Einbeziehung von (leitenden) Angestellten in den D&O-Versicherungsschutz auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, in: Grote, Joachim/Rixecker, Roland/Wandt, Manfred (Hrsg.), Versicherungsrecht in Wissenschaft und Praxis. Festschrift für Theo Langheid zum 70. Geburtstag, München 2022, S. 295–307. Kocher, Dirk, Zur Reichweite der Business Judgment Rule, CCZ 2009, 215–221. Kock, Martin/Dinkel, Renate, Die zivilrechtliche Haftung von Vorständen für unternehmerische Entscheidungen. Die geplante Kodifizierung der Business Judgment Rule im Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, NZG 2004, 441–448. Koller, Ingo, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen. Eine Untersuchung zur Rechtsfortbildung auf dem Gebiet der materiellen Leistungserschwerung, Zweckstörung sowie Schadensersatzhaftung bei Sach- und Dienstleistungen, München 1979. Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich (Hrsg.), Band 2/1. §§ 76–94 AktG, 3. Auflage Köln 2010 [zitiert als Bearbeiter, in: Kölner Kommentar AktG]. Korch, Stefan, Haftung und Verhalten. Eine ökonomische Untersuchung des Haftungsrechts unter Berücksichtigung begrenzter Rationalität und komplexer Präferenzen, Tübingen 2015.

Literaturverzeichnis

227

Kort, Michael, Voraussetzungen der Zulässigkeit einer D&O-Versicherung von Organmitgliedern, DStR 2006, 799–804. Kötz, Hein/Wagner, Gerhard, Deliktsrecht, 13. Auflage, München 2016. KR. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, Rachor, Stephanie (Gesamtredaktion), 13. Auflage, Hürth 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: KR Gemeinschaftskommentar]. Krause, Rüdiger, Geklärte und ungeklärte Probleme der Arbeitnehmerhaftung, NZA 2003, 577–586. Krauskopf. Soziale Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Kommentar, Wagner, Regine/Knittel, Stefan (Hrsg.), Band 3: SGB V Vor 275 bis § 416; RVO; SGB XI; Anhang, Stand: Juni 2022, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung. Pflegeversicherung]. Kremer, Ulrich/Prochazka, Boris, Fehler passieren jedem, VW 2021, Heft 9, 32–34. Kreutz, Peter/Renftle, Norbert/Faber, Erasmus/Arndt, Dominik/Huber, Nikolaus/Schellhase, Hans-Martin/Steuer, Markus (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2011. Realitäten des Zivilrechts. Grenzen des Zivilrechts, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2012. Krieger, Gerd/Lutter, Marcus/Schmidt, Karsten (Hrsg.), Festschrift für Michael Hoffmann-Becking zum 70. Geburtstag, München 2013. Krieger, Gerd/Schneider, Uwe (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung. Vorstand Geschäftsführer Aufsichtsrat. Pflichten und Haftungsfolge. Typische Risikobereiche, 3. Auflage, Köln 2017 [zitiert als Bearbeiter, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung]. Küchenhoff, Günther, Modernisierung des Schuldbegriffs aus arbeitsrechtlichen Einsichten, AuR 1969, 193–204. Kuhlmann, Kai, Leistungspflichten und Schutzpflichten. Ein kritischer Vergleich des Leistungsstörungsrechts des BGB mit den Vorschlägen der Schuldrechtskommission, Berlin 2001. Küttner, Wolfdieter (Begr.), Röller, Jürgen (Hrsg.), Personalbuch 2022. Arbeitsrecht. Lohnsteuerrecht. Sozialversicherungsrecht, 29. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Küttner, Personalbuch 2022]. Lange, Oliver, Praxisfragen der D&O-Versicherung (Teil I), DStR 2002, 1626–1631. ders., Die D&O-Versicherungsverschaffungsklausel im Manageranstellungsvertrag, ZIP 2004, 2221–2225. ders., Am D&O-Markt könnte sich das Prämienvolumen in drei Jahren verdoppeln. Dabei konkurrieren die neuen restriktiven Deckungskonzepte des GDV mit solchen aus der Praxis, VW 2005, 1026–1027. ders., Der Versicherungsfall der D&O-Versicherung, r + s 2006, 177–182. ders., Die Haftung des (versicherungsnehmenden) Unternehmens anstelle des D&OVersicherers, VersR 2010, 162–177. ders., D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2. Auflage, München 2022. Langenbucher, Katja, Risikohaftung und Schutzpflichten im innerbetrieblichen Schadensausgleich, ZfA 1997, 523–556. dies., Vorstandshandeln und Kontrolle. Zu einigen Neuerungen durch das UMAG, DStR 2005, 2083–2090. Langheid, Theo, Wissentliche und fahrlässige Pflichtverletzungen in der D&O-Versicherung, VersR 2017, 1365–1370. Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm, Lehrbuch des Schuldrechts, Zweiter Band. Besonderer Teil, 2. Halbband, 13. Auflage München 1994.

228

Literaturverzeichnis

Lattwein, Alois, Quo vadis D&O? – Status der Diskussionen über die D&O-Bedingungen, NVersZ 1999, 49–53. Lattwein, Alois/Krüger, Burkhard, D&O: Von der Ablehnung wegen Unmoral bis zum Verbandskonzept. Die Entwicklung der Haftpflicht-Versicherung für Manager am deutschen Markt, VW 1997, 1366–1373. Leese, Sascha, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten. Lösungsansätze für die betriebliche Praxis, Frankfurt am Main 2000. Lichtenberg, Hagen, Berufliches Haftpflichtrisiko und Versicherungsschutz des Arbeitnehmers, München 1976. Lieb, Manfred, Beschäftigung auf Produktionsdauer – selbständige oder unselbständige Tätigkeit?, RdA 1977, 210–219. Lieb, Manfred/Jacobs, Matthias, Arbeitsrecht, 9. Auflage, Heidelberg 2006. Linck, Rüdiger/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.), Kündigungsrecht. Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 6. Auflage, München 2021 [zitiert als Bearbeiter, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht]. Linck, Rüdiger/Krause, Rüdiger/Bayreuther, Frank, Kündigungsschutzgesetz. Kommentar, 16. Auflage, München 2019 [zitiert als Bearbeiter, in: Linck/Krause/Bayreuther, KSchG]. Looschelders, Dirk, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, Tübingen 1999. ders., Aktuelle Probleme der Vertrauensschadenversicherung. Deckungsumfang, Risikoausschlüsse und zeitliche Grenzen des Versicherungsschutzes, VersR 2013, 1069–1078. ders., Der Risikoausschluss bei vorsätzlicher oder wissentlicher Pflichtverletzung – Auswirkungen auf die Rechtsstellung der VN und anderer Versicherer, VersR 2018, 1413–1420. ders., Schuldrecht. Allgemeiner Teil, 20. Auflage, München 2022. Looschelders, Dirk/Pohlmann, Petra (Hrsg.), VVG Versicherungsvertragsgesetz, 3. Auflage, Köln 2017 [zitiert als Bearbeiter, in: Looschelders/Pohlmann, VVG]. Löwisch, Manfred, Zweifelhafte Folgen des geplanten Leistungsstörungsrechts für das Arbeitsvertragsrecht, NZA 2001, 465–467. Löwisch, Manfred/Rieble, Manfred, Tarifvertragsgesetz. Kommentar, 4. Auflage, München 2017. Lunk, Stefan, Die (aktuellen) Grenzen der Arbeitszeit. Ein Thema nicht nur, aber auch für die Anwaltschaft, AnwBl 2020, 216–223. Lutter/Hommelhoff. GmbH-Gesetz. Kommentar, Bayer, Walter/Hommelhoff, Peter/ Kleindiek, Detlef, 20. Auflage, Köln 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: Lutter/Hommelhoff. GmbHG]. von Mangoldt, Hermann (Begr.), Huber, Peter Michael/Voßkuhle, Andreas (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Auflage, München 2018 – Band 1. Präambel, Artikel 1–19 – Band 2. Artikel 20–82 [zitiert als Bearbeiter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar]. Martens, Klaus-Peter, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, Wiesbaden/Stuttgart 1982. Mayer-Maly, Theo, Plädoyer für einen Abschied von der Gefahrgeneigtheit, in: Dieterich, Thomas/Gamillscheg, Franz/Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Festschrift für Marie Luise Hilger und Hermann Stumpf, München 1983, S. 467–475. Mayr, Daniela, Arbeitsrechtlicher Schutz Soloselbständiger am Beispiel der Plattformarbeit, Berlin 2021.

Literaturverzeichnis

229

Melot de Beauregard, Paul/Baur, Maximilian, Die Haftung des leitenden Angestellten, DB 2016, 1754–1760. Melot de Beauregard, Paul/Gleich, Christian, Aktuelle Problemfelder bei der D&OVersicherung, NJW 2013, 824–829. Melot de Beauregard, Paul/Lieder, Jan/Liersch, Jan (Hrsg.), Managerhaftung, München 2022. Merkt, Hanno, Rechtliche Grundlagen der Business Judgment Rule im internationalen Vergleich zwischen Divergenz und Konvergenz, ZGR 2017, 129–148. Michael, Lothar/Morlok, Martin, Grundrechte, 8. Auflage, Baden-Baden 2023. Mitterlechner, Hermann/Wax, Thomas/Witsch, Hendrick, D&O-Versicherung mit internationalen Bezügen, 2. Auflage, München 2019. Möhrle, Frauke, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, Köln/München 2007. Möller, Berenice, Führungskräfte: Abgrenzung, kündigungsrechtliche Sonderstellung und Haftung?, NZA 2017, 1567–1571. Monjau, Herbert, Haftung leitender Angestellter, insbesondere bei Fehlentscheidungen, DB 1969, 84–88. Motzer, Stefan, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung von Inhalt und Rechtsnatur der Arbeitnehmerpflichten, Köln/Berlin/ Bonn/München 1982. Müller, Knut, Führungskräfte: Haftung und Enthaftung, NZA-Beilage 2014, 30–37. Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, Höra, Knut/Schubach, Arno (Hrsg.), 5. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht]. Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Kiel, Heinrich/Lunk, Stefan/Oetker, Hartmut (Hrsg.), 5. Auflage, München – Band 1. Individualarbeitsrecht I, 2021 – Band 3. Kollektives Arbeitsrecht I, 2022 – Band 4. Kollektives Arbeitsrecht II, Arbeitsgerichtsverfahren, 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht]. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina (Hrsg.), München – Band 2, Schuldrecht – Allgemeiner Teil I, 9. Auflage, 2022 – Band 3, Schuldrecht – Allgemeiner Teil II, 9. Auflage, 2022 – Band 5, Schuldrecht – Besonderer Teil II, §§ 535–630h, BetrKV, HeizkostenV, WärmeLV, EFZG, TzBfG, KSchG, MiLoG, 8. Auflage, 2020 – Band 6. Schuldrecht – Besonderer Teil III, §§ 631–704, 8. Auflage, 2020 – Band 7, Schuldrecht – Besonderer Teil IV, §§ 705–853, Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, Produkthaftungsgesetz, 8. Auflage, 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: MüKoBGB]. Münchener Kommentar zum GmbHG, Fleischer, Holger/Goette, Wulf (Hrsg.), Band 2. §§ 35–52, 3. Auflage, München 2019 [zitiert als Bearbeiter, in: MüKoGmbHG]. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Drescher, Ingo/Fleischer, Holger/ Schmidt, Karsten (Hrsg.), Band 1, Erstes Buch. Handelsstand, §§ 1–104a, 5. Auflage, München 2021 [zitiert als Bearbeiter, in: MüKoHGB]. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Schmidt, Karsten/Ebke, Werner F. (Hrsg.), Band 4, Drittes Buch. Handelsbücher, §§ 238–342e HGB, Nachtrag zum Gesetz zur erweiterten Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick

230

Literaturverzeichnis

auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte – ESEF-UG, 4. Auflage, München 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: MüKoHGB]. Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Langheid, Theo/Wandt, Manfred (Hrsg.), 2. Auflage, München 2017 – Band 2. §§ 100–216 – Band 3. Nebengesetze. Systematische Darstellungen [zitiert als Bearbeiter, in: MüKoVVG]. Neumann-Duesberg, Horst, Das Haftungsbeschränkungsprinzip bei schadensgeneigter Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses, JZ 1964, 433–441. Oetker, Hartmut, Grundprobleme bei der Anwendung des Sprecherausschußgesetzes, ZfA 1990, 43–86. Oetker, Hartmut/Preis, Ulrich/Rieble, Volker (Hrsg.), 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, München 2004. Ohr, Günter, Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer. Kritik an dem Vorschlag von Steindorff, AuR 1960, 242–244. Olbrich, Carola, Die D&O-Versicherung, 2. Auflage, Karlsruhe 2007. Ott, Nicolas, Anwendungsbereich der Business Judgment Rule aus Sicht der Praxis – Unternehmerische Entscheidungen und Organisationsermessen des Vorstands, ZGR 2017, 149–173. Otto, Hansjörg, Ist es erforderlich, die Verteilung des Schadensrisikos bei unselbständiger Arbeit neu zu ordnen? – Gutachten E für den 56. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des sechsundfünfzigsten Deutschen Juristentages (Berlin 1986), München 1986. ders., Neujustierung der Risikoverteilung bei der Arbeitnehmerhaftung. Insbesondere Arbeitnehmerverschulden und Versicherung, in: Oetker, Hartmut/Preis, Ulrich/Rieble, Volker (Hrsg.), 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, München 2004, S. 97–121. Otto, Hansjörg/Schwarze, Roland/Krause, Rüdiger, Die Haftung des Arbeitnehmers, 4. Auflage, Berlin 2014. Paal, Boris P./Poelzig, Dörte/Fehrenbacher, Oliver (Hrsg.), Deutsches, europäisches und vergleichendes Wirtschaftsrecht. Festschrift für Werner F. Ebke zum 70. Geburtstag, München 2021. Pacˇic´, Jasmin, Die Haftung des Arbeitnehmers im Europäischen Rechtsvergleich. Teil I: Schädigung des Arbeitgebers, EuZA 2009, 47–68. Paefgen, Walter G., Dogmatische Grundlagen, Anwendungsbereich und Formulierung einer Business Judgment Rule im künftigen UMAG, AG 2004, 245–261. Pallasch, Ulrich, Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung für betriebliche Tätigkeiten, RdA 2013, 338–350. Peifer, Karl Heinz, Neueste Entwicklungen zu Fragen der Arbeitnehmerhaftung im Betrieb, ZfA 1996, 69–83. Peltzer, Martin, Konstruktions- und Handhabungsschwierigkeiten bei der D&O-Versicherung, NZG 2009, 970–975. Picker, Eduard, Tarifautonomie – Betriebsautonomie – Privatautonomie, NZA 2002, 761–770. Plück, Ralf/Lattwein, Alois, Haftungsrisiken für Manager. Deckungskonzepte und Praxisbeispiele für Geschäftsführer und Vorstände, 2. Auflage, Wiesbaden 2004. Preis, Ulrich, Die Arbeitnehmerhaftung nach dem 56. Deutschen Juristentag, AuR 1986, 360–370. ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, Neuwied/Kriftel/Berlin 1993.

Literaturverzeichnis

231

ders., Das erneuerte BGB und das Bundesarbeitsgericht, in: Oetker, Hartmut/Preis, Ulrich/Rieble, Volker (Hrsg.), 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, München 2004, S. 123–152. ders. (Hrsg.), Der Arbeitsvertrag, Arbeitsrecht · Sozialrecht · Steuerrecht Gestaltung · Vertragsmuster · Klauseln, 6. Auflage, Köln 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: Preis, Der Arbeitsvertrag]. Prölss, Erich R. (Begr.), Versicherungsvertragsgesetz mit Nebengesetzen, Vertriebsrecht und Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 31. Auflage, München 2021 [zitiert als Bearbeiter, in: Prölss/Martin, VVG]. Raiser, Thomas, Unternehmensziele und Unternehmensbegriff, ZHR 144 (1980), 206–231. Redeke, Julian, Zur gerichtlichen Kontrolle der Angemessenheit der Informationsgrundlage im Rahmen der Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, ZIP 2011, 59–64. Reichert, Maximilian/Suchy, Oliver, Die Two-Tier Trigger Policy – Marketinginstrument oder zukunftsweisendes D&O-Versicherungskonzept?, NZG 2017, 88–92. Reinhardt, Uwe, Die dogmatische Begründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers. Zugleich ein Beitrag zum zivilrechtlichen Verschuldensbegriff, Göttingen 1977. Richardi, Reinhard, Abschied von der gefahrgeneigten Arbeit als Voraussetzung für die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung, NZA 1994, 241–244. ders. (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung. Kommentar, 17. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Richardi, BetrVG]. Röder, Gerhard/Arnold, Christian, Zielvorgaben zur Förderung des Frauenanteils in Führungspositionen, NZA 2015, 1281–1288. Rother, Werner, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, München/Berlin 1965. Rowedder, Heinz (Begr.), Pentz, Andreas (Hrsg.), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Kommentar, 7. Auflage, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Rowedder/Pentz, GmbHG]. Sandmann, Bernd, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten. Zugleich ein Beitrag zu den Grundprinzipien der Haftung und Haftungsprivilegierung, Tübingen 2001. Schäfer, Carsten, Die Binnenhaftung von Vorstand und Aufsichtsrat nach der Renovierung durch das UMAG, ZIP 2005, 1253–1259. Schäfer, Carsten/Groh, Jakob, Gesamtschuld und Mitverschulden in der aktienrechtlichen Organhaftung: Vier Thesen gegen die herkömmliche Betrachtung, in: Paal, Boris P./ Poelzig, Dörte/Fehrenbacher, Oliver (Hrsg.), Deutsches, europäisches und vergleichendes Wirtschaftsrecht. Festschrift für Werner F. Ebke zum 70. Geburtstag, München 2021, S. 855–864. Schäfer, Frank A. (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG. Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Auflage, Köln 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Frank A. Schäfer, Handbuch börsennotierte AG]. Schäfer, Hans-Bernd/Ott, Claus, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Auflage, Berlin 2020. Schaub, Günter (Begr.), Arbeitsrechts-Handbuch, Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 19. Auflage, München 2021 [zitiert als Bearbeiter, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch]. Scheel, Jochen, Versicherbarkeit und Prävention. Ökonomische Analyse eines Zielkonflikts, Heidelberg 1999. von Schenck, Kersten, Handlungsbedarf bei der D&O-Versicherung, NZG 2015, 494–501.

232

Literaturverzeichnis

Scheuerle, Wilhelm, Der arbeitsrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff und das Problem des innerbetrieblichen Schadensausgleiches, RdA 1958, 247–253. Schlachter, Monika, Das Recht der Arbeitnehmerhaftung bei Verzicht auf die „Gefahrgeneigtheit“ der Beschäftigung, in: Bauer, Hans Joachim/Werner, Olaf (Hrsg.), Festschrift zur Wiedererrichtung des Oberlandesgerichts in Jena, München 1994, S. 253–269. Schlierenkämper, Nina, Versicherbarkeit von Managerhaftung, Baden-Baden 2011. Schlimm, Katrin, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Die Kodifikation einer „Business Judgment Rule“ deutscher Prägung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, Baden-Baden 2009. Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus (Hrsg.), Aktiengesetz. Kommentar, 4. Auflage, Köln 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz]. Schmidt, Reimer, Die Obliegenheiten. Studien auf dem Gebiet des Rechtszwanges im Zivilrecht unter besonderer Berücksichtigung des Privatversicherungsrechts, Karlsruhe 1953. Schnorr von Carolfsfeld, Ludwig, Arbeitsrecht, 2. Auflage, Göttingen 1954. Scholl, Bernd, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen. Rechtliche und ökonomische Grundlagen, ihre Anwendung in der Finanzkrise sowie der Selbstbehalt bei der D&O-Versicherung, Baden-Baden/München 2015. Scholz, Philipp, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft. Eine Untersuchung der Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Beschränkung der Vorstandshaftung im geltenden und künftigen Recht, Jena 2014. ders., Die Haftung bei Verstößen gegen die Business Judgement Rule, AG 2015, 222–231. ders., Haftungsprivileg, safe harbor oder verbindliche Konkretisierung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs? Zur zivilrechtlichen Erfassung der deutschen Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), AG 2018, 173–185. Scholz, Philipp/Doralt, Walter, D&O-Verschaffungszusagen im System und als Gestaltungsmittel der aktienrechtlichen Corporate Governance, ZHR 185 (2021), 637–668. Schubert, Claudia, Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen. Zugleich ein Beitrag zum Zusammenwirken von Arbeits- und Wirtschaftsrecht mit den zivilrechtlichen Generalklauseln, München 2004. dies., Das Unternehmensinteresse – Maßstab für die Organwalter der Aktiengesellschaft. Unter besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung von Unternehmen, Baden-Baden 2020. Schumacher, Carsten, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers. Ausgestaltung – dogmatische Grundlage – Abdingbarkeit, Berlin 2012. Schuster, Doris-Maria, Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf. Die klassischen Strukturen der Arbeitswelt verändern sich – zum Umgang mit dem Neuen, AnwBl 2016, 641–647. Schwerdtner, Peter, Gefahrgeneigte Arbeit und Kaskoversicherung. Obliegenheit zur vorbeugenden Risikobegrenzung – Anmerkungen zu den Entscheidungen des BAG vom 24. November 1987 – 8 AZR 524 und 66/82, DB 1988 S. 1603, 1606, DB 1988, 1799–1802. Seibt, Christoph Heiner/Saame, Carola, Geschäftsleiterpflichten bei der Entscheidung über D&O-Versicherungsschutz, AG 2006, 901–913. Semler, Johannes, Entscheidungen und Ermessen im Aktienrecht, in: Habersack, Mathias/ Hüffer, Uwe/Hommelhoff, Peter/Schmidt, Karten (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, Berlin 2003, S. 627–642.

Literaturverzeichnis

233

Seyfarth, Georg, Vorstandsrecht, Köln 2016. Siekmann, Helmut (Hrsg.), Festschrift für Theodor Baums zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2017. Spindler, Gerald, Die Herabsetzung von Vorstandsvergütungen in der Insolvenz. Zugleich Besprechung von OLG Stuttgart, Urteil vom 1. Oktober 2014 – 20 U 3/13, DB 2014, 2820, DB 2015, 908–912. ders., Die Einführung der Geschlechterquote auf Vorstandsebene – das FüPoG II, WM 2021, 817–826. Splinter, Christopher, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung. Ökonomische Hintergründe – Materiellrechtliche Wechselwirkungen – Anspruchsverfolgung, München 2021. Staudinger, J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 1. Allgemeiner Teil, §§ 134–138; ProstG (Gesetzliches Verbot, Verfügungsverbot, Sittenwidrigkeit), Berlin 2021 – Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse, §§ 249–254 (Schadensersatzrecht), Berlin 2021 – Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse, §§ 611–613 (Dienstvertrag und Arbeitsvertrag), Berlin 2022 – Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse, §§ 613a–619a (Betriebsübergang, Zahlung der Vergütung, Arbeitsschutz, Arbeitnehmerhaftung), Berlin 2022 – Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse, §§ 823 A–D (Unerlaubte Handlungen 1 – Rechtsgüter und Rechte, Persönlichkeitsrecht, Gewerbebetrieb), Berlin 2017 [zitiert als Bearbeiter, in: Staudinger]. Steindorff, Ernst, Fahrlässigkeit der Arbeitnehmer, JZ 1959, 1–9. Steinkühler, Stefan, D&O: Ein Mehr an Deckungsschutz kann auch nachteilig sein. Sollen faktische Organmitglieder und leitende Angestellte explizit versichert sein?, VW 2009, 94–97. Steinkühler, Stefan/Wilhelm, Mark, Gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Problembeziehungen zur D&O-Versicherung (Teil II), VP 2005, 142–148. Terno, Wilfried, Strukturen und Probleme der D&O-Versicherung, SpV 2014, 2–14. The American Law Institute, Principles of Corporate Governance. Analysis and Recommendations, Volume 1. Parts I–VI. Thiele, Dominic/Stübinger, Malte, D&O-Versicherungen: Anrechnung von Schadenabwehrkosten auf die Deckungssumme und Wirksamkeit von Serienschadenklauseln, BB 2022, 1027–2032. Thomas, Stefan, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern. Bürgerlichrechtliche, gesellschaftsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken im Kapitalgesellschaftsrecht, Tübingen 2010. ders., Unternehmensinterne Informationspflichten bei Verlust der D&O-Deckung, VersR 2010, 281–290. Thümmel, Roderich Christian, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten. Haftungsrisiken bei Managementfehlern, Risikobegrenzung und D&O-Versicherung, 5. Auflage, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2016. Thüsing, Gregor/Fütterer, Johannes, Führungsebene im Sinne des § 76 IV AktG, NZG 2015, 778–782. Tomandl, Theodor (Hrsg.), Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, Wien/Stuttgart 1975 [zitiert als Bearbeiter, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht].

234

Literaturverzeichnis

Tzemos, Vaileios, Das Untermaßverbot, Frankfurt am Main 2004. Ulmer, Peter, Die Aktionärsklage als Instrument zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns. Vor dem Hintergrund der US-Erfahrungen mit der shareholders’ derivative action, ZHR 163 (1999), 290–342. Ulrich, David, Die direkte Inanspruchnahme des D&O-Versicherers – eine interessengerechte Alternative?, r + s 2022, 608–613. Veith, Jürgen/Gräfe, Jürgen/Gebert, Yvonne (Hrsg.), Der Versicherungsprozess. Ansprüche und Verfahren. Praxishandbuch, 4. Auflage, Baden-Baden 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess]. Verse, Dirk Axel, Organhaftung bei unklarer Rechtslage – Raum für eine Legal Judgment Rule?, ZGR 2017, 174–195. Vetter, Eberhard, Aktienrechtliche Probleme der D&O Versicherung, AG 2000, 453–458. Vogel, Jörg, Kündigungsschutz leitender Angestellter, NZA 2003, 313–318. Voß, Michael, Gesamtschuldnerische Organhaftung. Die gesamtschuldnerische Haftung von Geschäftsleitern und Aufsichtsratsmitgliedern für Pflichtverletzungen und deren interne Haftungsanteile, Köln/München 2008. Wachter, Thomas (Hrsg.) AktG. Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, Köln 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: Wachter, AktG]. Wagner, Alexander, Die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts auf Spitzenverdiener. Eine Untersuchung zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Kriterien bei der Anwendung des Arbeitsrechts am Beispiel des Lizenzfußballers und unter Beachtung des Unionsrechts, Berlin 2019. Wagner, Gerhard, Organhaftung im Interesse der Verhaltenssteuerung – Skizze eines Haftungsregimes, ZHR 178 (2014), 227–281. Walker, Wolf-Dietrich, Die Verteilung des Schadensrisikos bei unselbständiger Arbeit – Rechtslage nach den Urteilen des 8. Senats des BAG vom 24. November 1987, NZA 1988, 753–759. Waltermann, Raimund, Risikozuweisung nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, RdA 2005, 98–109. Wandt, Manfred, Versicherungsrecht, 6. Auflage, München 2016. Wandt, Manfred/Reiff, Peter/Looschelders, Dirk/Bayer, Walter (Hrsg.), Kontinuität und Wandel des Versicherungsrechts. Festschrift für Egon Lorenz zum 70. Geburtstag, Karlsruhe 2004. Wank, Rolf, Arbeitnehmer und Selbständige, München 1988. Wank, Rolf/Hirte, Heribert/Frey, Kaspar/Fleischer, Holger/Thüsing, Gregor (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, München 2002. Wansleben, Till, Vermeidung und Überlagerung zwingenden Rechts durch Versicherungen: Vorstandsbinnenhaftung und D&O-Versicherung, in: Behme, Caspar/Fries, Martin/ Stark, Johanna (Hrsg.), Versicherungsmechanismen im Recht, Tübingen 2016, S. 183–238. Graf von Westphalen, Friedrich/Pamp, Rüdiger/Thüsing, Gregor (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 48. Ergänzungslieferung, München 2022 [zitiert als Bearbeiter, in: von Westphalen/Pamp/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke]. Weth, Stephan/Thomae, Heike/Reichold, Hermann, Arbeitsrecht im Krankenhaus, 2. Auflage, Köln 2011 [zitiert als Bearbeiter, in: Weth/Thomae/Reichold, Arbeitsrecht im Krankenhaus]. Wiedemann, Herbert, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, Karlsruhe 1966.

Literaturverzeichnis

235

Wieling, Hans Josef, Venire contra factum proprium und Verschulden gegen sich selbst, AcP 176 (1976), 334–355. Wilhelmi, Rüdiger, Beschränkung der Organhaftung und innerbetrieblicher Schadensausgleich, NZG 2017, 681–690. Willemsen, Heinz Josef/Müntefering, Michael, Begriff und Rechtsstellung arbeitnehmerähnlicher Personen: Versuch einer Präzisierung, NZA 2008, 193–201. Winnen, Armin, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG. Eine Untersuchung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und der Durchsetzungsmöglichkeiten von Innenhaftungsansprüchen, Baden-Baden 2009. Wlotzke, Otfried, Die Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes und das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (I), DB 1989, 111–126. Zöllner, Wolfgang, Privatautonomie und Arbeitsverhältnis. Bemerkungen zu Parität und Richtigkeitsgewähr beim Arbeitsvertrag, AcP 176 (1976), 221–246. ders., Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht. Bemerkungen zur Grundrechtsanwendung im Privatrecht und zu den sogenannten Ungleichgewichtslagen, AcP 196 (1996), 1–36.

Sachregister Abfindungsschutz 16, 22 Abgrenzung 20–24, 117–119 Abhängigkeit, persönliche 45, 60 f., 72 Abwehrdeckung 168 Abwehrfunktion, grundrechtliche 39 f. Angestellte, außertarifliche 21 Angestellte, leitende 3, 5–14, 16 f., 21, 25, 74–76, 78, 87–90, 117, 149–153 – Abfindungsschutz 16, 22 – Abgrenzung 20–24, 117–119 – Arbeitnehmerprivileg 73–79, 87–90, 119 f. – betriebsverfassungsrechtlicher Begriff siehe Begriff, betriebsverfassungsrechtlicher – Business Judgment Rule 111–120 – Doppelrolle 8, 17, 25 – haftungsrechtlicher Begriff siehe Begriff, haftungsrechtlicher – historische Entwicklung 3, 5–8, 12– 14 – Interessenskonflikt 8, 17 – kündigungsschutzrechtlicher Begriff siehe Begriff, kündigungsschutzrechtlicher – Personalführungsbefugnis 9, 16 f. – Prokura 10, 21 – Sonderkenntnisse 88 f. – Stabsfunktion 11 – verfahrensrechtlicher Begriff siehe Begriff, verfahrensrechtlicher – Weisungsrecht 12, 74–76, 78, 87, 89 f., 117 Anspruchserhebungsprinzip siehe claims made-Prinzip ARAG-Garmenbeck-Entscheidung 95 f., 181 Arbeitnehmerhaftung siehe Arbeitnehmerprivileg

Arbeitnehmerprivileg 27–30, 33–90, 119 f., 124, 126, 128 f., 134, 196, 201, 204–209 – Arbeitsentgelt siehe Vergütung – betriebliche Veranlassung 28, 58 – Betriebsrisiko 51–53, 76, 78, 86 f., 124, 206 – dogmatische Umsetzung 35 f., 51, 55 – Einkommen siehe Vergütung – fehlende Ausweichmöglichkeit 56 – Fremdnützigkeit 57 f. – gefahrgeneigte Tätigkeit 36, 54 – Gesamtabwägung 28 f., 37, 75, 84, 90, 126, 196, 204 f., 207 – gesetzgeberische Billigung 54 f. – Kodifikation 27, 43 – leitende Angestellte 73–79, 87–90, 119 f. – persönliche Abhängigkeit 45, 60 f., 72 – Rechtfertigung 38–72 – richterrechtliche Rechtsfortbildung 39, 134 – schadensgeneigte Tätigkeit siehe gefahrgeneigte Tätigkeit – Schadensteilung 28 f., 33 f., 37, 201, 204, 208 f. – Schutzbedürftigkeit 58–62, 72, 79–86 – Symmetriegedanke 56 f., 79 – Unabdingbarkeit 128–139 – Verdienst siehe Vergütung – verfassungsrechtliche Aspekte 29 f., 38–51, 128 f. – Vergütung 61 f., 75, 79–86, 88 – Voraussetzungen 28 f. Aspekte, rechtsökonomische 63–66, 87, 198 Aspekte, verfassungsrechtliche 29 f., 38–51, 128 f.

238

Sachregister

Auflösungsantrag 15 Ausgleichsfunktion 66 f. Ausweichmöglichkeit, fehlende 56 Begriff, betriebsverfassungsrechtlicher 5–12, 17 f. – historische Entwicklung 5–8 – Regelungszweck 8 – Voraussetzungen 8–12 Begriff, haftungsrechtlicher 149–153 Begriff, kündigungsschutzrechtlicher 12–18 – Regelungszweck 14 f. – Voraussetzungen 15–17 Begriff, verfahrensrechtlicher 18 f. Berufsausübungsfreiheit siehe Berufsfreiheit Berufsfreiheit 29 f., 41, 47, 51 Berufswahlfreiheit siehe Berufsfreiheit Betriebsleiter 16 f. Betriebsrat 8, 135–137 Betriebsrisiko 51–53, 56, 76, 78, 86 f., 124, 206 Beweislast 27, 121–126 Billigung, gesetzgeberische 54 f. Business Judgment Rule 92 – ARAG-Garmenbeck-Entscheidung 95 f., 181 – angemessene Informationsgrundlage 103–106 – entire fairness test 94 – historische Entwicklung 92 – Kodifikation 96, 99, 127 – leitende Angestellte 111–120 – Rechtsfolgen 107–111 – Regelungszweck 97 – Risikoaversion 97, 112 – sachfremde Einflüsse siehe Sonderinteressen – safe harbor 94, 107 – Sonderinteressen 99, 102 f. – unternehmerische Entscheidung 97, 99, 100, 112, 113, 116, 120, 126 – Voraussetzungen 99 Business judgment siehe unternehmerische Entscheidung claims made-Prinzip 162 f., 183, 188

D&O-Versicherung 95 – Abwehrdeckung 168 – claims made-Prinzip 162 f., 183, 188 – Gruppenversicherung 145, 154, 183 – Kodifikation 142 – Rückwärtsdeckung 163 – Selbstbehalt 188 – Versicherungsbedingungen 143, 148–150, 155–157, 161–164, 169 f., 191 – Versicherungsobliegenheit 193–210 – Versicherungspflicht 175–179, 182– 184, 203 – Versicherungsvertrag 142 f. Doppelrolle 8, 17, 25 Einkommen siehe Arbeitnehmerprivileg, Vergütung Entire fairness test 94 Entscheidung, unternehmerische 64, 97, 99 f., 112 f., 116, 120, 126 Entscheidungsspielraum, unternehmerischer 92, 112, 120, 122, 178 f., 199 Entwicklung, historische 3, 5–8, 12–14, 92–96 Existenzminimum 48–50, siehe auch Sozialstaatsgebot Fahrlässigkeit 28 f. Fremdbestimmung 45 f., 50 f. 70–72, 86 f., 90 Fremdnützigkeit 57 f. Führungsebene 23 f. Führungskraft 19, 20 f. Fürsorgepflicht 51 f., 58 f., 74, 183 f. Gesamtabwägung 28 f., 37, 75, 84, 90, 126, 196, 204 f., 207 Gesamtschuld, gestörte 146 f. Geschäftsführer 16 f. Geschäftsleiterermessen siehe Business Judgment Rule Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung siehe Arbeitnehmerprivileg Gruppenversicherung 145, 154, 183 Gutgläubigkeit 101, 106, 107

Sachregister Haftung – Ausgleichsfunktion 66 f. – Beweislast 27, 121–126 – gestörte Gesamtschuld 146 f. – Präventionsfunktion 67, 97, 188 – rechtsökonomische Aspekte 63–66, 87, 198 – Sorgfaltsmaßstab 87–90, 98, 105 f., 114, 126 Haftungsfreiraum, unternehmerischer siehe Business Judgment Rule Haftungsgrundsätze, arbeitsrechtliche siehe Arbeitnehmerprivileg Haftungsprivileg, arbeitsrechtliches siehe Arbeitnehmerprivileg Haftungsrechtlicher Begriff 25 Haftungsverschärfung 89, 132 f., 137, 139 Hierarchieebene siehe Führungsebene Hindsight bias 97, 105, 112 Informationsgrundlage, angemessene 103–106 Interessenskonflikt 8, 17 Kalkulierbarkeit 63 Kodifikation 27, 43, 96, 99, 127, 142 Legalitätspflicht 100 Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters 97, 114, 126 Mitverantwortung 33, 195 Mitverschulden siehe Mitverantwortung Nachhaftung siehe Rückwärtsdeckung Organisationshoheit siehe Betriebsrisiko Outcome bias 98, 112 Person, arbeitnehmerähnliche 60, 71 f., 83 Personalführungsbefugnis 9, 16–18 Personalführungskompetenz siehe Personalführungsbefugnis Personalkompetenz siehe Personalführungsbefugnis

239

Personalverantwortung siehe Personalführungsbefugnis Präventionsaufwand siehe Schadensvermeidungskosten Präventionsfunktion 67, 97, 188 Principal agent 92 Privatautonomie 30, 44–46 Prokura 10, 21 Rechtfertigung 38–72 Rechtsfolgen 107–111 Rechtsfortbildung, richterrechtliche 39, 134 Regelungszweck 8, 14 f., 19, 83, 97 Risiko, unternehmerisches 70 f., 77 Risikoaversion 97, 112 Risikobeherrschung siehe Betriebsrisiko Risikoträger 22 Risikoveranlassung siehe Betriebsrisiko Risikovorsorge 64, 175–179, 198 f. Rückschaufehler siehe hindsight bias Rückwärtsdeckung 163 Safe harbor 94, 107, siehe auch Business Judgment Rule Schadensausgleich, innerbetrieblicher siehe Arbeitnehmerprivileg Schadensminderung 195 f., 205 f. Schadensteilung 28 f., 33 f., 37, 201, 204, 208 f. Schadensvermeidungskosten 64–66, 87 Schadensvorsorgepflicht 185–187 Schutzbedürftigkeit 58–62, 72, 79–86 Schutzgebotsfunktion, grundrechtliche 39, 42 Selbstbehalt 188 Sicherer Hafen siehe safe habor Sonderinteressen 99, 102 f. Sonderkenntnisse 88 f. Sorgfaltsmaßstab 87–90, 98, 105 f., 114, 126 Sozialstaatsgebot 30 f., 48–51 Sozialstaatsprinzip siehe Sozialstaatsgebot Sprecherausschuss 8, 135, 138 Stabsfunktion 11 Symmetriegedanke 56, 57, 79

240

Sachregister

Tätigkeit, gefahrgeneigte 36, 54 Tätigkeit, schadensgeneigte siehe Arbeitnehmerprivileg, gefahrgeneigte Tätigkeit Trennungsprinzip, versicherungsrechtliches 143, 172, 208 f. Umsetzung, dogmatische 35 f., 51, 55 Unabdingbarkeit 128–139 Untermaßverbot, verfassungsrechtliches 45, 50 Unternehmensinteresse 101 f., 115 Unternehmerfreiheit siehe Berufsfreiheit Veranlassung, betriebliche 28, 58 Verdienst siehe Arbeitnehmerprivileg, Vergütung Vergütung 61 f., 75, 79–86, 88 Verhandlungsungleichgewicht 44–46, 60 f., 63, 84, 90

Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung siehe D&O-Versicherung Verschaffungsklausel 186–193, siehe auch Versicherungspflicht Verschuldensprinzip 31, 68 f. Versicherungsbedingungen 143, 148– 150, 155–157, 161–164, 169 f., 191 Versicherungsobliegenheit 193–210 Versicherungspflicht 175–179, 182–184, 186–193, 203 Versicherungsvertrag 142 f. Voraussetzungen 8–12, 15–17, 28 f., 99 Weisungsrecht 12, 74–76, 78, 87, 89 f., 117 Zurechnung 31, 33, 37, 52–58, 145 f.