Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer [1 ed.] 9783428554089, 9783428154081

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 9783428554089, 9783428154081

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 117

Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer Von

Carl-Tessen Taube

Duncker & Humblot · Berlin

CARL-TESSEN TAUBE

Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 117

Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer Von

Carl-Tessen Taube

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15408-1 (Print) ISBN 978-3-428-55408-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85408-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation vorgelegen und befindet sich hinsichtlich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur auf dem Stand von Dezember 2016. An erster Stelle danke ich ganz besonders herzlich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Johann Kindl, der meine Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht Abt. II ganz hervorragend unterstützt hat und mir stets mit wertvollen Hinweisen zur Seite stand. Für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Ingo Saenger. Allen Herausgebern danke ich für die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in ihre Schriftenreihe. Dank gilt auch dem gesamten Lehrstuhl-Team am Institut von Herrn Prof. Dr. Johann Kindl. Die tolle Arbeitsatmosphäre in persönlicher und fachlicher Hinsicht hat diese Arbeit nicht unwesentlich gefördert und zu einer sehr schönen Doktorandenzeit in Münster, dieser wunderbaren Stadt, beigetragen. Mein größter Dank aber gilt meinen Eltern, die mir stets ein sicherer Rückhalt sind. Erst durch ihre Unterstützung auf all meinen bisherigen Wegen konnte ich meine Ziele erreichen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im Januar 2018

Carl-Tessen Taube

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Hintergrund und Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1. Teil Grundlagen zur Business Judgment Rule

30

§ 2 Historische Entwicklung des unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Entwicklung bis zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Kodifizierung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. BGH Rechtsprechung nach dem UMAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 Stellung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Gesellschaftsrecht . . . . . 35 A. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 § 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Sachliche Begründung der Anwendung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Anwendungsbereich der BJR im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Rechtsnatur der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 E. Rechtstatsächliche Bedeutung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

8

Inhaltsübersicht 2. Teil Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

114

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. Eigenständige Leitungsbefugnisse von Vorstand und Geschäftsführer . . . . . . . . 114 B. Dispositionsbefugnisse von GmbH-Gesellschaftern und AG-Aktionären . . . . . . 119 C. Die Finanzierungsstruktur der Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 § 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und der Vergleich zur AG . . . . . . . . . . . . . 124 A. Tatbestand der Geschäftsleiterhaftung aus § 43 II GmbHG und § 93 II 1 AktG . 125 B. Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C. Enthaftungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 7 Das Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien . . . . . . . . 174 A. Abstrakte gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 175 B. Spezielle gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C. Shareholder-Interessen als Verhaltensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

3. Teil Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

198

§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 A. Risikodiversifikation der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 B. Ökonomische Vorteilhaftigkeit von Ermessensfreiräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 C. Entscheidungen unter Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 D. Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 E. Weitere Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Inhaltsübersicht

9

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 9 Dogmatische Grundlage der BJR im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 A. Grundlage des Geschäftsleiterermessens in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 B. Grundlage der BJR im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 § 10 Die Tatbestandsmerkmale der BJR und ihre GmbH-spezifischen Besonderheiten . . 226 A. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. Zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 C. Ohne Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D. Angemessene Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 E. Im guten Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 § 11 Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 A. Treuepflichtgerechtes Handeln und Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 B. Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

4. Teil Schlussbetrachtungen

309

§ 12 Praxisempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 A. Einführung und Erweiterung des Anwendungsbereichs der BJR . . . . . . . . . . . . 309 B. Ausschluss und Einschränkung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 C. Empfehlungen für den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 § 13 Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Hintergrund und Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1. Teil Grundlagen zur Business Judgment Rule

30

§ 2 Historische Entwicklung des unternehmerischen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Entwicklung bis zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Kodifizierung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. BGH Rechtsprechung nach dem UMAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 Stellung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Gesellschaftsrecht . . . . . 35 A. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 § 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Sachliche Begründung der Anwendung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Ermutigung zu risikoreichen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Entscheidungen unter Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Gefahr von Rückschaufehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Unverhältnismäßige Haftungsrisiken und weitere Argumente . . . . . . . . . . . . 40 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Anwendungsbereich der BJR im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Abgrenzung zur Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Legalitätspflicht als Ausschluss unternehmerischen Ermessens . . . . . . 43 aa) Nützliche Gesetzesverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Rechtsirrtum bei klarer Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Unklare Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) BJR vollumfänglich anwendbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

12

Inhaltsverzeichnis bb) Legal Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 cc) Unternehmerisches Ermessen eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 dd) Rechtsirrtum auf Verschuldensebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (1) Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Gerichtliche Kontrollintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Beurteilungsspielräume im Rahmen gebundener Entscheidungen . . . . 51 d) Bewusstes Abweichen von aktueller Rechts- oder Verwaltungspraxis 52 e) Unternehmerische Entscheidung bei rechtmäßigen Entscheidungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Abgrenzung zur Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Keine unternehmerische Entscheidung im Bereich der Treuepflichten

53

b) Prüfungsstandpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Handeln ohne Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Zwischenergebnis und Definition zur unternehmerischen Entscheidung 57 II. Zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Inhalt des Gesellschaftswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Ermessensfreiraum bei der Bestimmung des Gesellschaftswohls . . . . . . . 61 3. Ermessensfreiraum bezüglich der Gesellschaftswohlzuträglichkeit . . . . . 62 a) Abgrenzung zu den Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Unverantwortliche Risiken und die Grenze der Existenzbedrohung 64 bb) Offensichtlich fehlender Unternehmensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Abstrakte Kriterien zur Feststellung eines Interessenkonflikts . . . . . . . . . 67 a) Konflikt mit dem Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Relevante Interessenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Näheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 d) Beherrschungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 e) Die Interessenträger-spezifisch erforderliche Intensität . . . . . . . . . . . . . 72 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Unternehmerisches Ermessen eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Vergleich zu konkreten Entscheidungsalternativen . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Drittvergleich ohne konkrete Entscheidungsalternative . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

13

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 IV. Angemessene Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Verfahrenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Verfahren zur Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Formelle Verfahrensvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Unternehmenskäufe und -Fusionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Materielle Verfahrensmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Zwischenergebnis zu den Informationsgewinnungsverfahren . . . . 88 b) Kontrolle der Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Rein objektiver Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Rein subjektiver Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Gemischt objektiv subjektiver Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (1) Der äußere Rahmen der objektiven Anforderungen . . . . . . . . . 91 (2) Die inhaltliche Bestimmung der objektiven Anforderungen . . 93 2. Kollektiventscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 V. Guter Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 C. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Beweislast bei der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Bewertung der Auswirkungen der Beweislast auf die BJR . . . . . . . . . . . . . . 104 D. Rechtsnatur der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 E. Rechtstatsächliche Bedeutung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Haftungsmaßstab innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR 107 1. Unternehmerisches Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Materiellrechtliche Standards gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Angemessene Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Unternehmerisches Ermessen außerhalb der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

14

Inhaltsverzeichnis 2. Teil Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

114

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. Eigenständige Leitungsbefugnisse von Vorstand und Geschäftsführer . . . . . . . . . 114 I. Leitungsfreiheit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Gesellschafterbindung der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Dispositionsbefugnisse von GmbH-Gesellschaftern und AG-Aktionären . . . . . . 119 C. Die Finanzierungsstruktur der Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Gesetzlich implizierte Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Personalistisch ausgestaltete AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Kapitalistisch ausgestaltete GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 § 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und der Vergleich zur AG . . . . . . . . . . . . . 124 A. Tatbestand der Geschäftsleiterhaftung aus § 43 II GmbHG und § 93 II 1 AktG

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I. Grundlagen der Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Geschäftsleiterposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Das Wohl der Gesellschaft – die organschaftlichen Treuepflichten . . . 128 aa) Ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Ursachen abweichender Regelungsintensität . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 dd) Kreditgewährung an Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 ee) Management Buy-Out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 ff) Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Treuepflichten der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Überwachung der Einhaltung von Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Gesetzlich nicht konkretisierte Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Soft Law und andere Einflüsse auf den Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . 142 bb) Die rechtspraktische Verwendung der Unternehmensformen . . . . . 143

Inhaltsverzeichnis

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b) Gesetzlich konkretisierte Sorgfaltspflichten – insbesondere die Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Interne Pflichtenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Gesellschaftszweck, Unternehmensgegenstand und Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Organspezifische Einzelpflichten in AktG und GmbHG . . . . . 146 bb) Externe Pflichtenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Überwachungspflicht und Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Horizontale Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Vertikale Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Einrichtung eines Compliance Management Systems . . . . . . . . . . 152 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IV. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 V. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VI. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Anspruchsdurchsetzung durch Minderheitsgesellschafter und Aktionäre . . . 161 II. Anspruchsdurchsetzung durch die Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Enthaftungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Haftungsbeschränkung in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Vertragliche Haftungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 93 IV 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Nachträglicher Verzicht oder Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4. Anwendung der Grundsätze zu betrieblich veranlasster Tätigkeit . . . . . . . 165 5. Vertrauen auf fachkundigen Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6. D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Haftungsbeschränkung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Vertragliche Haftungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Handeln auf Beschluss der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Nachträgliche Haftungsfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5. Vertrauen auf fachkundigen Rechtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6. D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Gegenüberstellung der Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung . . . . . . . . 172 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 7 Das Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien . . . . . . . . 174 A. Abstrakte gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

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Inhaltsverzeichnis B. Spezielle gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Gläubigerschützende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Auslegung nach Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen (MitbestG) . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Allgemeinheit (Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 II GG) . . . . . . . . . 184 IV. Unternehmensinteresse im GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 C. Shareholder-Interessen als Verhaltensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Konkretisierung des Unternehmensinteresses nach dem Shareholder-Ansatz 187 II. Einfluss des Gesellschafterwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Geäußerter Gesellschafterwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Mutmaßlicher Gesellschafterwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Haftungsbefreiende Wirkung des mutmaßlichen Willens . . . . . . . . . . . 193 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

3. Teil Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

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§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 A. Risikodiversifikation der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Sonderfall der kapitalistisch strukturierten GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Risikoaverse Stakeholder in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Gesamtbetrachtung der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 B. Ökonomische Vorteilhaftigkeit von Ermessensfreiräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Risikogeschäfte und unternehmerische Ermessensfreiräume . . . . . . . . . . . . . 204 II. Bürokratiehindernisse für wirtschaftliche Opportunität . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Ergebnis zu den ökonomischen Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Entscheidungen unter Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 D. Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 E. Weitere Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Risiken der Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. BJR als Ausgleich für quasi-Arbeitnehmerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 III. BJR als Äquivalent zum durch die Gesellschafter ausgesprochenen Vertrauen 210

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IV. Die asymmetrische Verteilung von Ertragschancen und Verlustrisiken . . . . . 212 V. BJR zur Vermeidung einer D&O-Regress-Spirale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 VI. Intensive alternative Sanktionsmöglichkeiten anstelle einer Haftung . . . . . . 214 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 9 Dogmatische Grundlage der BJR im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 A. Grundlage des Geschäftsleiterermessens in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 B. Grundlage der BJR im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I. Eigenständiger Rechtsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Entsprechende Anwendung des § 93 I 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 IV. Begründungsmuster des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. BGH Urteil zur GmbH vom 18. 06. 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. BGH Urteile zur AG aus 2013 und 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. BGH Beschluss zur GmbH vom 14. 07. 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4. BGH Urteil zur GmbH vom 04. 11. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vom 21. 04. 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 V. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 § 10 Die Tatbestandsmerkmale der BJR und ihre GmbH-spezifischen Besonderheiten 226 A. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Definition der unternehmerischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Abgrenzung zur Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Kompetenzen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Unternehmensgegenstand und Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . 230 bb) Außergewöhnliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Der mutmaßliche Wille der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Gesellschafterweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 aa) Anwendung der BJR trotz Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 bb) Anfechtbare Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Nichtige Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. GmbH-spezifische Beschränkungen aus der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . 237 3. Entbindung von der Legalitätspflicht durch Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4. Zwischenergebnis zur Abgrenzung von BJR und Legalitätspflicht . . . . . . 241 III. Abgrenzung zur Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Treuepflichten aus der Geschäftsführerstellung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

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Inhaltsverzeichnis 2. Treuepflichten der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Einfluss von Treuepflichten auf die Geschäftsführungstätigkeit . . . . . . 243 b) Mitgliedschaftliche Treuepflichten unabhängig von der konkreten Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Mitgliedschaftliche Treuepflichten aus Einwirkungsmöglichkeit auf Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Auswirkungen der Realstruktur der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Auswirkungen der Verteilung der Anteilsverhältnisse . . . . . . . . . . 248 (1) Treuepflichten bei der Ausübung von Minderheitsrechten . . . . 248 (a) Korrelation von Geschäftsführerstellung und Einberufungsrecht nach § 50 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (b) Korrelation von Geschäftsführerstellung und Sperrminorität 249 (c) Entscheidungsgegenstände mit Kompetenzüberschneidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (d) Einwirkungsintensität bei Minderheitsgesellschaftern . . . . . 250 (2) Treuepflichten bei der Ausübung von Mehrheitsrechten . . . . . 251 cc) Gerichtliche Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (1) Überprüfungsmaßstab bezüglich des sorgfaltspflichtgerechten Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (2) Überprüfungsmaßstab bezüglich des treuepflichtgerechten Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (a) Treuepflichten aus Gesellschafterstellung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (b) Treuepflichten aus Gesellschafterstellung gegenüber den Mitgesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Zwischenergebnis zum Einfluss der Treuepflichten auf die BJR . . . . . . . 261 IV. Ergebnis zu der GmbH-spezifischen unternehmerischen Entscheidung . . . . 263 B. Zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 I. Inhalt und Bestimmung des Wohls der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Ermessen bezüglich der Gesellschaftswohlzuträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Verhältnis zur Verpflichtung auf die Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . 266 2. Verbleibender Anwendungsbereich einer gerichtlichen Kontrolle . . . . . . . 267 III. Ergebnis zum Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Ohne Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Potentiell konfliktträchtige Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Privatinteressen des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Gesellschafter-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 4. Drittanstellung und Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Einordnung von Interessenkonflikten in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Inhaltsverzeichnis

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III. Rechtsfolgen eines Interessenkonflikts in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Legitimierung von Fremdinteressen durch die Gesellschafter . . . . . . . . . . 283 a) Allgemeine Befreiung von der Interessenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Legitimierung des Interessenkonflikts in der konkreten Entscheidungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Nachträgliche Legitimierung von Fremdinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Unternehmerisches Ermessen eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Ergebnis zum Handeln ohne Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D. Angemessene Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 I. Kontrollmaßstab für die Entscheidungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. BGH Beschluss vom 14. 07. 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. BGH Urteil vom 18. 06. 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II. Modifikation der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR durch die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Materielle Grenzen der Dispositionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Formelle Voraussetzungen der Disposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Ergebnis zur angemessenen Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 E. Im guten Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 § 11 Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 A. Treuepflichtgerechtes Handeln und Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 B. Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

4. Teil Schlussbetrachtungen

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§ 12 Praxisempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 A. Einführung und Erweiterung des Anwendungsbereichs der BJR . . . . . . . . . . . . . 309 B. Ausschluss und Einschränkung der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 C. Empfehlungen für den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 § 13 Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AcP a.E. a.F. AG AktG Alt. Art. BB BC Bd. BeckHdB GmbH Beck OK BeckRS Begr. RegE BFH BGB BGBl. BJR BKR BR-Dr BT-Dr Bus.Law BVerfG bzw. CCZ DB DBW DCGK Del. Del.Ch. Del. Supr. ders. DK DNotZ DR DrittelbG DStR DZWIR

anderer Ansicht Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative Artikel Der Betriebs-Berater Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Beck’sches Handbuch der GmbH Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Begründung Regierungsentwurf Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Business Judgment Rule Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Drucksachen des Deutschen Bundesrates Drucksachen des Deutschen Bundestages The Business Lawyer Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware (zitierweise für Entscheidungen des Supreme Court of Delaware) Delaware Court of Chancery Supreme Court of Delaware derselbe Der Konzern Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Recht Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

Abkürzungsverzeichnis ErfK e.V. f. (ff.) Fn. FS GbR GG GmbH GmbHG GmbHR Großkomm AktG GWR HGB h.M. Hrsg. InsO i.S.d. i.S.v. i.V.m. JW JZ Kap. KG KGaA KK AktG KK OWiG KSzW KWG LG LS. M&A MHdB GesR Mio. MitbestG MoMiG Mrd. MüKo m.w.N. m. W.v. NJW NZG OHG OLG OWiG RdA RG RGZ

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Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht eingetragener Verein folgende (Plural) Fußnote Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Aktiengesetz Großkommentar der Praxis Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Insolvenzordnung im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Karlsruher Kommentar zum OWiG Kölner Schriften zum Wirtschaftsrecht Gesetz über das Kreditwesen Landgericht Leitsatz Mergers and Acquisitions Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Million Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarde Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Recht der Arbeit Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

22 Rn. RNotZ Rspr. S. StGB ThürOLG u. a. UMAG UmwG UWG v. VersR vgl. Vol. WM WPg WpHG ZBB ZGR ZHR ZIP ZRP ZSR ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Rechtsprechung Satz, Seite Strafgesetzbuch Thüringer Oberlandesgericht unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versus Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Volume Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Teil IV Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

§ 1 Einleitung A. Hintergrund und Zielsetzung der Arbeit Unternehmerische Fehlentscheidungen können existenzielle Folgen haben, doch den Verantwortlichen für das wirtschaftliche Scheitern eines Unternehmens zu finden und zur Haftung zu ziehen, gestaltet sich unter juristischen, wirtschaftlichen und moralischen Gesichtspunkten häufig schwierig. Dies gilt besonders für Kapitalgesellschaften, da hier die verantwortlichen Leitungsorgane, die nur beschränkt persönlich haftenden Eigentümer und die die wirtschaftlichen Folgen eines umfassenden Fehlschlags tragenden Gläubiger und Arbeitnehmer regelmäßig nicht in Personalunion auftreten. Es liegt nahe, stets die Entscheidungsträger selbst, also die Leitungsorgane der Gesellschaft, in die Verantwortung für ein wirtschaftliches Scheitern zu nehmen. Doch darf deren Nähe zu der Verursachung eines wirtschaftlichen Fehlschlags nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Träger des Unternehmens die Gesellschaft ist. Deren Gesellschafter als Eigentümer der Gesellschaft profitieren von gewinnbringenden Entscheidungen und haben dementsprechend auch die Verluste von Fehlentscheidungen zu tragen. Zudem darf ein Haftungssystem, das den einzelnen Interessenträgern in ausgeglichener Weise Rechnung tragen soll, nicht den wirtschaftlich erforderlichen unternehmerischen Wagemut der Entscheidungsträger unterdrücken. So herrscht eine kontroverse Diskussion zwischen dem Ruf nach Haftungsverschärfung und objektivierten Verfahrensstandards auf der einen Seite1 und nach Haftungsbegrenzungen für Manager und die Förderung von Unternehmertum und Risikobereitschaft auf der anderen Seite.2 Letztere Stimmen berufen sich auf die Erkenntnis, dass unternehmerisches Handeln ohne einen weiten Handlungsspielraum schlechterdings nicht denkbar sei.3 Erstere Stimmen sind getrieben durch große Wirtschaftsskandale und das Verlangen in der Bevölkerung, die Entscheidungsträger

1 Siehe Lutter, ZIP 2009, 197, 201; Wagner, ZHR 2014, 227, 230 f.; einem „grundlegenden Stimmungswandel“ folgend, eine bessere Durchsetzung von Haftungsansprüchen anstrebend: Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 20. 2 Siehe Fleischer, NJW 2009, 2337,2337; Goette, DStR 2009, 51, 56 f.; Freund, NZG 2015, 1419, 1422 f.; mit Hinweis auf die Verschärfung der Vorstandshaftung: Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 3; ebenso Reichert, ZHR 2013, 756, 757; Hemeling, ZHR 2014, 221, 223. 3 So die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH vom 21. 04. 1997, BGH NJW 1997, 1926, 1927.

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§ 1 Einleitung

zur Verantwortung zu ziehen.4 In diesem Spannungsfeld, dem sich auch Politik und Rechtsprechung nicht entziehen können, müssen die Unternehmensleiter riskante Entscheidungen treffen und dabei stets fürchten, dass das Pendel bei der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle zu ihrem Nachteil ausschlägt. Schutz verspricht hier ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener unternehmerischer Ermessensfreiraum, der den Geschäftsführer in einem vorhersehbaren Rahmen vor einer nachträglichen, abweichenden unternehmerischen Beurteilung der Entscheidung bewahrt. Die Diskussion um einen unternehmerischen Ermessensfreiraum der Geschäftsleiter wird in Deutschland seit nunmehr zwei Jahrzehnten intensiv geführt und tendiert aktuell zu einer Formalisierung der Verhaltensanforderungen an die Geschäftsleiter und damit zu einer Eingrenzung des eigenständigen Geschäftsleiterermessens. Ebenso wie einst die Grundlage für das unternehmerische Ermessen, die Business Judgment Rule (BJR), finden viele formalisierte Verhaltensanforderungen ihren Ursprung im US-amerikanischen Rechtskreis, so beispielsweise die stets wachsenden Anforderungen an eine Compliance-Organisation und die Grundsätze zur Corporate Governance.5 Diese Entwicklung ist nicht notwendigerweise eine Belastung für die betroffenen Unternehmensleiter, soweit sich entsprechende Formalisierungsbestrebungen in einem konkretisierbaren Rahmen bewegen und hinreichend Raum für freie unternehmerische Entscheidungen verbleibt. Bei einer ausgewogenen Fortentwicklung des deutschen Haftungsrechts muss dem Entscheidungsträger in der konkreten Entscheidungssituation die Grenze zwischen haftungsfreiem und haftungsbegründendem Verhalten möglichst deutlich aufgezeigt werden können. Diese Zielsetzung verfolgt auch die vorliegende Arbeit. So kann ein unternehmerischer Ermessensfreiraum nur einen echten Mehrwert entfalten, wenn dem Entscheidungsträger in der konkreten Entscheidungssituation die Grenzen seines Ermessens erkennbar sind. Der großen Relevanz des Themas entsprechend, haben sich schon zahlreiche Autoren in Monographien6 und Aufsätzen7 mit dem Anwen4

Siehe nur die Stellungnahme des Bundesrates zum RegE KonTraG vom 28. 01. 1998, BTDr 13/9712, S. 32: „Zahlreiche spektakuläre Unternehmenskrisen“ sollen die Notwendigkeit für eine „Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Aufsichtsräte“ begründen. 5 Siehe Hauschka/Moosmayer/Lösler, Hdb. Compliance, § 1 Rn. 2. 6 Siehe M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG; Lohse, Unternehmerisches Ermessen; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen; Scholl, Vorstandshaftung und Vorstandsermessen. 7 Insbesondere im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum § 93 I 2 AktG n.F. überschlugen sich förmlich die Literaturstimmen, siehe nur: Fleischer, FS Wiedemann, S. 825 – 849; ders., ZIP 2004, 685 – 692; Paefgen, AG 2004, 245 – 261; Hauschka, ZRP 2004, 65 – 67; M. Roth, BB 2004, 1066 – 1069; Ihrig, WM 2004, 2098 – 2107; Thümmel, DB 2004, 471 – 474; Spindler, NZG 2005, 865 – 872; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 – 2070; Koch, ZGR 2006,

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dungsbereich des unternehmerischen Ermessens auseinandergesetzt. Die vorliegende Arbeit will sich jedoch nicht lediglich in die umfassend geführte Diskussion zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen eines unternehmerischen Ermessens einreihen. Die bisherige Diskussion und auch die gesetzgeberische Tätigkeit legen den Fokus deutlich auf die Aktiengesellschaft. Hier kann spätestens seit der Normierung des unternehmerischen Ermessens in § 93 I 2 AktG ganz selbstverständlich von einem Entscheidungsfreiraum des Vorstands, der mit dessen umfangreichen Leitungsbefugnissen korrespondiert, ausgegangen werden. Der Fokus auf den Vorstand der AG hat jedoch zur Folge, dass zwischen dem unternehmerischen Ermessen einerseits und anderen Ermessensfreiräumen und Beurteilungsspielräumen andererseits nicht hinreichend differenziert wird.8 Letztere kommen dem Vorstand regelmäßig aufgrund seiner umfassenden Leitungskompetenzen zu und sind insofern nicht ohne weiteres auf andere Gesellschaftsformen übertragbar. Für eine Übertragung auf andere Leitungsorgane ist der für den Vorstand gemeinhin als unternehmerischer Ermessensfreiraum bezeichnete Entscheidungsfreiraum daher auf seinen unternehmerischen Kernbereich zu reduzieren. Mithilfe einer entsprechend strikten Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 I 2 AktG ist ein klar konturierter Ermessensfreiraum zu definieren, der tatsächlich von der gerichtlichen Kontrolle im Wesentlichen befreit ist und sich als Business Judgment Rule deutscher Prägung bezeichnen lässt. Die BJR ist folglich nur eine Teilkodifizierung eines weit verstandenen unternehmerischen Ermessens. Auf dieser Erkenntnis aufbauend ist ein spezialisierter Anwendungsbereich für die BJR abzugrenzen und in diesem die Wirkung der BJR umfangreich auszugestalten. Dementsprechend findet die BJR für Entscheidungen, bei denen ein weites, kaum beschränktes unternehmerisches Ermessen nicht gewährleistet werden kann, keine Anwendung. Stattdessen wird für solche Entscheidungen ein unternehmerisches Ermessen eigener Art zu entwickeln sein, welches in Umfang und Wirkung von der BJR zu unterscheiden sein wird. Eine solche Reduktion auf den Kernbereich hat in der Literatur bisher bei der Darstellung der Tatbestandsmerkmale wenig Berücksichtigung gefunden. Sie ist jedoch essentiell, um der BJR eine eigenständige Bedeutung neben dem ohnehin auch im Rahmen des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs des § 93 I 1 AktG bestehenden Grundsatz des unternehmerischen Ermessens zu erhalten. Auch für die im Rahmen dieser Arbeit im Fokus stehende Übertragung eines weiten unternehmerischen Ermessensfreiraumes auf die GmbH ist die Abgrenzung einer eigenständigen BJR immanent wichtig. Ein Entscheidungsermessen kann sich für den Vorstand in ver769 – 804; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 – 2286; Semler, FS Ulmer, S. 627 – 642; Bachmann, FS Stilz, S. 25 – 44. 8 Siehe auch Paefgen, S. 180, der die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen der allgemeinen Leitungsmacht des Vorstands und der Kompetenz zur Konkretisierung des Unternehmensinteresses auf den unternehmerischen Willen der Gesellschaft hervorhebt.

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schiedenen Entscheidungssituationen aus seiner Position als oberstes Willensbildungsorgan der Gesellschaft ergeben. Demgegenüber kommt ein solches für den GmbH-Geschäftsführer nur in Frage, soweit ihm eigenständige Entscheidungskompetenzen zustehen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt, auf dessen Grundlage sich die BJR auf die GmbH transferieren lassen muss, ist daher die eigenständige Entscheidungskompetenz bezüglich einer unternehmerischen Entscheidung. Auf diesen Anknüpfungspunkt muss sich auch die BJR als Kernbereich des unternehmerischen Ermessens stützen können. Die Anwendung der BJR auf die GmbH wurde insgesamt in untragbarer Weise in der bisherigen Diskussion vernachlässigt.9 Dies steht in einem erheblichen Missverhältnis zu der Bedeutung der Problematik. Zunächst wird der Fokus auf die AG dem tatsächlich größeren wirtschaftlichen Stellenwert der GmbH nicht gerecht.10 Weiterhin haben auch Haftungsfragen im Rahmen der Unternehmensführung bei der GmbH erhebliche Relevanz. Hierfür spricht die Fülle an Fallmaterial aus der Rechtsprechung zu dem Thema und die hohe Zahl an Insolvenzen, welche regelmäßig Haftungsfragen gegenüber den Unternehmensleitern aufwerfen werden.11 Schließlich und vorrangig trägt die bloße Wiedergabe des im Aktienrecht entwickelten Meinungsstands den GmbH-spezifischen Besonderheiten bei weitem nicht hinreichend Rechnung. Gerade die abweichenden Entscheidungskompetenzen, die verschiedenen Interessengefüge und die unterschiedliche Behandlung durch den Gesetzgeber dürfen für den Anwendungsbereich des Entscheidungsfreiraumes der BJR nicht unberücksichtigt bleiben. So wird es das Ziel dieser Arbeit sein, die für die BJR relevanten Unterschiede der Unternehmensformen herauszuarbeiten. Die so identifizierten GmbH-Spezifika werden sodann bei der Präzisierung des Anwendungsbereichs der BJR angemessen zu adressieren sein. Im Ergebnis wird das unternehmerische Ermessen des GmbH-Geschäftsführers präzise einzugrenzen sein, zugleich werden sowohl Geschäftsführern als auch Gesellschaftern die Möglichkeiten einer effektiven Anwendung der BJR aufzuzeigen sein.

9 Ausschnittsweise behandeln die Aufsätze von Hauschka, GmbHR 2007, 11 – 16; Kuntz, GmbHR 2008, 121 – 128; Jungmann, FS Schmidt, S. 831 – 855 und Fleischer, NZG 2011, 521 – 527 die GmbH-spezifischen Anforderungen an die BJR, wobei letzterer selbst hervorhebt, dass eine eingehende Problemaufbereitung noch ausstehe, siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 72. 10 So existierten im Jahr 2013 in Deutschland 535 969 umsatzsteuerpflichtige GmbH mit einem Gesamtumsatz von 2215,9 Mrd. E gegenüber nur 8040 umsatzsteuerpflichtigen AG mit einem Gesamtumsatz von 1019,17 Mrd. E, siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2015, S. 275. 11 Im Jahr 2014 gab es 11 542 Insolvenzen unter den GmbH und nur 199 Insolvenzen unter den AG, siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2015, S. 517.

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B. Gegenstand und Gang der Untersuchung Gegenstand der Arbeit ist die Anwendung der BJR als Kernbereich des unternehmerischen Ermessens auf den Geschäftsführer der GmbH. Dabei werden auch das Regelungssystem in der AG sowie das haftungsrechtliche Umfeld des GmbHGeschäftsführers in den Blick der Untersuchung genommen. Insgesamt steht der Geschäftsführer der nicht konzernierten, wirtschaftlich stabilen, also außerhalb der Insolvenz stehenden, GmbH im Zentrum der Betrachtung. Konzernstrukturen sollen nur am Rande Berücksichtigung finden, da die speziellen Interessengeflechte zwar als Referenz für die Interessenausrichtung der GmbH insgesamt herangezogen werden können, die Konzernstrukturen jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen auf das unternehmerische Ermessen haben. Mit dem Eintritt der Insolvenzreife verändern sich sowohl das Unternehmensziel als auch die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung derart gravierend, dass die BJR keine unmittelbare Anwendung mehr finden kann. Ausgenommen von der Untersuchung ist daher ebenfalls, inwieweit dem Insolvenzverwalter ein unternehmerisches Ermessen zusteht.12 Schließlich folgt aus der Fokussierung auf den Geschäftsführer, dass die unternehmerische Verantwortung der Gesellschafter13 sowie eine mögliche BJR für leitende Angestellte14 nicht untersucht werden. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Zunächst sollen in einem ersten Teil die Grundlagen zur Fortentwicklung der BJR auf die GmbH gelegt werden, indem die Entwicklung und der aktuelle Bestand des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht dargestellt werden (§§ 2, 3). Der Schwerpunkt des ersten Teils liegt dabei auf der Darstellung des unternehmerischen Ermessens im Aktienrecht als Ausgangspunkt der BJR deutscher Prägung (§ 4). Die Übertragung des Rechtsgrundsatzes auf die GmbH wird in diesem Abschnitt in mehrfacher Hinsicht vorbereitet. Zunächst legt die sachliche Begründung der Anwendung der BJR im Aktienrecht den Maßstab, an welchem sich die sachliche Grundlage einer BJR im GmbH-Recht messen lassen muss. Sodann werden die im Aktienrecht zur Eingrenzung des Anwendungsbereichs des unternehmerischen Ermessens vertretenen Ansichten dargestellt und auf einen Kernbereich des unternehmerischen Ermessens als BJR reduziert. Dieser Kernbereich kann als Grundgerüst für die Ausführungen zur GmbH übernommen werden. Darüber hinaus werden gesellschaftsformübergreifende Problemfelder bereits ausführlich aufgearbeitet. Der Abschnitt schließt mit Ausführungen zu Rechtsnatur und Bedeutung der BJR, welche jeweils auch für die GmbH uneingeschränkt Geltung beanspruchen können. Im zweiten Teil der Arbeit werden die BJR beeinflussende Rahmenbedingungen identifiziert und in einem Vergleich von AG und GmbH auf ihren jeweiligen ge12

Siehe zu der Problematik Kebekus/Zenker, FS Maier-Reimer, S. 319, 335 ff. Siehe hierzu aktuell Haese, Unternehmensleitung und Überwachung in der GmbH. 14 Für die Anwendbarkeit der BJR auf leitende Angestellte: Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 – 596; Pallasch, RdA 2013, 338 – 350. 13

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sellschaftsformspezifischen Einfluss hin untersucht. Im Vordergrund steht hierbei zunächst die Darstellung des Haftungssystems, in welches sich die BJR einfügen muss (§ 5). In diesem Rahmen werden die Haftungsvoraussetzungen und -risiken von GmbH-Geschäftsführern und AG-Vorständen erläutert und gegenübergestellt. So kann einerseits untersucht werden, in welchem Umfang aus dem Blickwinkel der Haftungsrisiken auch für den GmbH-Geschäftsführer die Notwendigkeit eines haftungsfreien Ermessensspielraums besteht. Andererseits wird der Anwendungsbereich der BJR maßgeblich durch die übrigen Haftungsvoraussetzungen definiert. Der Abschnitt leistet daher auch einen wesentlichen Beitrag zur Konkretisierung des Anwendungsbereichs der BJR. Als übergeordneter Untersuchungsgegenstand des zweiten Teils der Arbeit verstehen sich das Herausstellen gesellschaftsformspezifischer Unterschiede und auch gesellschaftsformübergreifender Gemeinsamkeiten. So sollen Hindernisse und tragende Stützen einer Übertragung der BJR auf die GmbH identifiziert werden. Unter diesem Aspekt werden die maßgeblichen Kontrastpunkte zwischen GmbH und AG dargestellt (§ 6). Ebenfalls im Dienste dieses übergeordneten Untersuchungsgegenstands steht die Aufarbeitung des in der GmbH maßgeblichen Unternehmensinteresses15 als Handlungsziel der Geschäftsführertätigkeit (§ 7). Während der Meinungsstand zum Unternehmensinteresse in der AG schon im ersten Teil dargestellt worden ist, leitet die Darstellung zum Unternehmensinteresse in der GmbH bereits in den dritten Teil der Arbeit über. Der weite Ermessensfreiraum der BJR muss stets auf das Unternehmensinteresse als maßgeblichen Anknüpfungspunkt zurückgreifen und sich daran orientieren. Als zentrales Element der BJR kann das GmbH-spezifische Unternehmensinteresse daher auch schon als Teil der eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen der GmbH-spezifischen BJR angesehen werden. Der dritte Teil, der das Herzstück der Arbeit bildet, entwickelt nun die eigenständige Anwendung der BJR auf die GmbH. Nachdem bereits Grundgerüst und Rahmenbedingungen der BJR aufgestellt sind, führt dieser dritte Abschnitt die Erkenntnisse aus dem ersten und zweiten Teil zusammen und füllt diese mit der GmbHspezifischen Substanz. Als Vorarbeit gilt es hier zunächst für den GmbH-Geschäftsführer eine tragende sachliche Grundlage der BJR zu schaffen und damit vereinzelten, der Anwendung der BJR auf die GmbH kritisch gegenüberstehenden Stimmen16 deutlich entgegenzutreten (§ 8). Sodann wird die in Literatur und Rechtsprechung wenig beachtete dogmatische Grundlage der BJR aufgearbeitet, um 15 Der Begriff „Unternehmensinteresse“ hat sich in der Literatur zur Definition des formalen Unternehmensziels und damit als maßgebliches Verhaltensziel im Rahmen der Sorgfaltspflichten des Geschäftsleiters durchgesetzt und soll im Folgenden in diesem Sinne verwendet werden. Der Begriff des „Gesellschaftsinteresses“ wird im Folgenden im Rahmen der Treuepflichten als Gegenbegriff zu allen außerhalb des Unternehmensinteresses liegenden Interessenträgern verwendet. Im Ergebnis werden beide Begriffe also synonym verwendet, die Differenzierung stellt lediglich die Verwendung in unterschiedlichen Kontexten heraus. 16 So insbesondere Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851.

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auch auf dogmatischer Ebene die Voraussetzungen für die Entwicklung selbständiger Tatbestandsvoraussetzungen zu schaffen (§ 9). Als Schwerpunkt sind die aus der AG bekannten Tatbestandsvoraussetzungen so zu modifizieren, dass den gesellschaftsformspezifischen Unterschieden hinreichend Rechnung getragen und ein auf die GmbH zugeschnittenes Regelungskonzept geschaffen wird (§ 10). Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Auswirkungen der Kompetenzordnung in der GmbH, auf die intensiven Treuepflichten der GmbH-Gesellschafter untereinander und auf die besonderen Interessenverflechtungen in und um die GmbH gelegt. Neben der inhaltlichen Weiterentwicklung der Anwendungsvoraussetzungen der BJR in der GmbH werden die Tatbestandsmerkmale zudem ihrem konkreten Prüfungsgegenstand nach voneinander abgegrenzt, um dem Rechtsanwender deren Anwendung im konkreten Einzelfall zu erleichtern. Schließlich ist auf die Verteilung der Beweislast im Haftungsprozess einzugehen (§ 11). Die praktisch bedeutende Frage der Beweislast hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wirkungskraft der BJR als Haftungsentlastung zugunsten der Geschäftsführer. Die Arbeit schließt mit einem vierten Teil, in welchem die gewonnenen Erkenntnisse in Praxisempfehlungen übersetzt werden (§ 12) und in einer Schlussbetrachtung die Ergebnisse zusammengefasst werden. Ein Ausblick zur zukünftigen Rechtsentwicklung beendet das Kapitel (§ 13).

1. Teil

Grundlagen zur Business Judgment Rule § 2 Historische Entwicklung des unternehmerischen Ermessens Der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens kann als die historische deutsche Grundlage der BJR betrachtet werden. Um die Einführung einer BJR deutscher Prägung in das GmbH-Recht zu vollziehen, ist ein Blick auf die historischen Entwicklungsschritte des unternehmerischen Ermessens und die Erfahrungen der Vergangenheit durchaus lehrreich. Diese historische Entwicklung wurde bereits in anderen Werken ausführlich aufgearbeitet,1 daher soll sich die Darstellung hier darauf beschränken darzulegen, welche essentiellen Elemente das unternehmerische Ermessen auf seinem Weg aufgenommen hat und welche Entwicklungsbestrebungen verworfen werden mussten. In diesem Rahmen wird zudem aufzuzeigen sein, dass der Gedanke einer BJR tatsächlich auch im deutschen Recht tief verwurzelt ist.

A. Entwicklung bis zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung Ausgangspunkt für ein unternehmerisches Ermessen ist die Erkenntnis, dass die Geschäftsleiter in organschaftlicher Vertretung der Gesellschaft nicht für jedweden wirtschaftlichen Misserfolg einzustehen haben, welcher sich in ihrem Verantwortungsbereich ereignet. Als Gegenstück zu einer solchen Erfolgshaftung wurde bereits im AktG von 1884 eine verschuldensbasierte Haftung eingeführt, welche neben dem Eintritt eines Schadens zusätzlich ein schuldhaftes Handeln des Schädigers voraussetzt.2 Dieser Grundgedanke wurde vom Gesetzgeber im § 84 II 2 AktG in der Fassung vom 30. Januar 19373 und schließlich im heute noch so geltenden § 93 II 2 AktG in der Fassung vom 01. Januar 19664 aufrechterhalten.5 1

Siehe nur Schlimm, S. 107 ff.; Winnen, S. 73 ff.; Bunz, S. 49 ff. So war bereits in Art. 241 II des Gesetzes betreffend die KGaA und AG vom 18. 07. 1884 geregelt, dass „die Mitglieder des Vorstands die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ haben, siehe Schubert/Hommelhoff, S. 600; siehe auch Lutter, ZIP 2007, 841, 841. 3 Gesetz betreffend die KGaA und AG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Januar 1937 (RGBl. I 107 (588); siehe zur Argumentation gegen eine Erfolgshaftung, die im Ge2

§ 2 Historische Entwicklung des unternehmerischen Ermessens

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Den nächsten Schritt bildete die Erkenntnis, dass die Durchsetzung des den Geschäftsleitern auferlegten Sorgfaltsmaßstabs bei der Beurteilung unternehmerischen Handelns an seine Grenzen stößt. Schon das RG erkennt in einem Urteil vom 28. 04. 18856 ein Auseinanderfallen von gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen und dem im geschäftlichen Verkehr tatsächlich Zumutbaren. Dementsprechend spricht das RG in einem Urteil vom 28. 12. 19107 und in einem Urteil vom 28. 06. 19308 dem Geschäftsleiter ein gewisses Prognoseermessen zu.9 Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts mehren sich die Stimmen für ein „pflichtgemäßes Ermessen“,10 unterstellen dieses jedoch weiterhin einer weitgehenden gerichtlichen Kontrolle.11 Frühe Bestrebungen, der mangelnden Durchsetzbarkeit der hohen Sorgfaltsanforderungen an die Geschäftsleiter durch eine Herabsetzung des Verschuldensmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit zu begegnen,12 wurden allerdings aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem aktienrechtlichen Regelungssystem verworfen.13 Ebenso wenig konnte sich eine Begrenzung der Haftung durch die Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zu „gefahrgeneigter Tätigkeit“ etablieren.14 Vielmehr setzte sich zum Ende des 20. Jahrhunderts hin der Gedanke des unternehmerischen Ermessens

setzgebungsverfahren teilweise gefordert wurde: Amtl. Begr. zu § 84, abgedruckt in: Klausing, AktG 1937, S. 71 (nicht „jeden Mut zur Tat“ nehmen). 4 Aktiengesetz vom 06. 09. 1965 (BGBl. I S. 1089), in Kraft getreten am 01. 01. 1966. 5 Der Geschäftsleiter kann sich durch den Nachweis entlasten, dass er die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ an den Tag gelegt hat, § 93 II 2 AktG. 6 RGZ 13, 43, 46 – III 3/85: Erkennt, „dass es den Vorstandsmitgliedern bei Erledigung der laufenden, fast immer eine schnelle Entscheidung fordernden Geschäfte, tatsächlich nicht immer möglich ist, mit der an sich gebotenen Sorgfalt und Umsicht zu verfahren, dass daher die Forderung einer solchen Sorgfalt nicht selten als Härte erscheinen, auch auf die Tätigkeit eines vorsichtigen Vorstands lähmend zum Nachteil der Genossenschaft wirken kann“. 7 Siehe RG JW 1911, 208, 224: „Dagegen liegt der Regel nach in der unrichtigen Beurteilung der wahrscheinlichen Folgen einer geschäftlichen Maßnahme noch keine Fahrlässigkeit. Mit Sicherheit lassen sich diese Folgen überhaupt nicht vorhersehen, und im geschäftlichen Leben muß manches sogar mit dem Bewusstsein unternommen werden, daß es vielleicht auch nachteilig ausschlagen könne.“. 8 Siehe RGZ 129, 272 – 276 – IX 4/30: Es soll keine Pflichtverletzung vorliegen, soweit ex ante „die Möglichkeit oder die naheliegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Geschäft sich als für die Gesellschaft vorteilhaft erweist“. 9 Siehe zur Einordnung als Prognoseermessen: M. Roth, S. 42. 10 Siehe Schilling, in: Großkomm. AktG, 3. Auflage 1973, § 93 Anm. 10; Kust, WM 1980, 758, 760. 11 Siehe M. Roth, S. 42. 12 So der Ansatz des AktG von 1937, allerdings nur für die Haftung gegenüber den Gläubigern, siehe die Amtl. Begr. zu § 84, abgedruckt in: Klausing, AktG 1937, S. 71. 13 Siehe Weipert, in: Großkomm. AktG, 1. Auflage 1939, § 84, Anm. 14; Kust, WM 1980, 758, 762; Paefgen, AG 2004, 245, 254, m.w.N. zur Haftung für omnis culpa, die der Regelung des § 93 I, II AktG zugrunde liegt. 14 Siehe BGH WM 1975, 467, 469; siehe zu Nachweisen entsprechender Bestrebungen: M. Roth, S. 35 f.; Schlimm, S. 108 f.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

durch und verdichtete sich zu einer steten Annäherung an die US-amerikanische BJR.15

B. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH Maßgeblich in der weiteren Entwicklung war die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung16 im Jahr 1997, in welcher der BGH den im Aktiengesetz etablierten Sorgfaltsanforderungen neue Konturen verlieh. In dieser Entscheidung sprach der II. Zivilsenat des BGH dem Vorstand einer AG „einen weiten Handlungsspielraum zu, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist“17. Eine Haftung solle erst in Betracht kommen, wenn „die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“.18 Es wurde dem Vorstand also erstmals ein echter unternehmerischer Ermessenspielraum zugesprochen, welcher der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein sollte. Als Voraussetzung einer entsprechenden Privilegierung lassen sich explizit die sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlage, das unternehmerische Handeln, das Verbot, unverantwortliche Risiken einzugehen, das Fehlen sonstiger Pflichtwidrigkeitsgründe und die ausschließliche Orientierung am Unternehmenswohl herausarbeiten.19

C. Kodifizierung der BJR Nach diesen deutlichen Bestrebungen in Literatur und Rechtsprechung, trat am 01. 11. 2005 das UMAG20 in Kraft, welches den § 93 AktG um den heutigen Absatz 1 Satz 2 ergänzte. Dieser besagt, dass „eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, 15 Siehe Mertens, in: KK AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 10, der dem Vorstand ein unternehmerisches Ermessen zuspricht; Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 107 f.; Mutter, S. 264, der eine Übertragung der BJR in das deutsche Recht zwar kritisch beurteilt, jedoch einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum befürwortet; Hopt, ZGR 1993, 534, 538 f., der das Leitungsermessen des Vorstands herausstellt; siehe auch BGH NJW 1979, 1823, 1827 („Herstatt“): „pflichtgemäßes Ermessen“. 16 BGH NJW 1997, 1926 – 1928. 17 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1927. 18 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928. 19 Siehe auch Winnen, S. 82 ff., mit ausführlicher, leicht abweichender Darstellung der Tatbestandsmerkmale. 20 Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. 9. 2005, BGBl I Nr. 60 v. 27. 9. 2005, S. 2802.

§ 2 Historische Entwicklung des unternehmerischen Ermessens

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wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Diese, an das US-amerikanische Vorbild der BJR angelehnte Formulierung,21 übernahm den schon in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung22 formulierten Rechtsgedanken und gab dem gerichtlich nicht überprüfbaren unternehmerischen Ermessensfreiraum einen gesetzlichen Rahmen. Die genaue Ausgestaltung dieses gesetzlichen Rahmens ist jedoch aufgrund der Unbestimmtheit der verwendeten Rechtsbegriffe äußerst schwammig.23 So hat es der Gesetzgeber der Praxis überlassen, die tatsächlichen Grenzen der gerichtlichen Kontrolle zu definieren, was bis heute noch nicht einheitlich gelungen ist. Ebenfalls äußerst interpretationsoffen ist die für die GmbH relevante Formulierung in der Gesetzesbegründung, dass der Grundgedanke des Geschäftsleiterermessens in allen Formen unternehmerischer Betätigung Anwendung finden solle.24 Ein Aspekt, der hingegen endgültig im Gesetzgebungsverfahren aufgegeben worden ist, ist eine Eingrenzung der Sorgfaltspflichten auf der Verschuldensebene. Ein entsprechender Entwurf, der noch die Formulierung „ohne grobe Fahrlässigkeit“ anstelle von „vernünftigerweise“ vorsah, wurde nach deutlicher Kritik aus der Wissenschaft verworfen.25

D. BGH Rechtsprechung nach dem UMAG In den der Gesetzesänderung folgenden Urteilen bestätigte der BGH die ARAG/ Garmenbeck-Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft.26 Hierbei nahm er auf den § 93 I 2 AktG ausdrücklich als „Business Judgment Rule“ Bezug, verwies jedoch auch auf die vor der Gesetzesänderung entwickelte Rechtsprechung als fortwährende Grundlage der aktuellen Entscheidungen.27 Die Rechtsprechung zur Anwendung der BJR auf den GmbH-Geschäftsführer verlief weniger gradlinig. Die Anwendung des „grundsätzlich weiten unternehmerischen Ermessensspielraums“ sollte nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2002 mit konkreter Bezugnahme auf die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung auch auf den

21 Siehe die im US-amerikanischen Recht maßgebliche Definition des American Law Institute, Principles of Corporate Governance, Tentative Draft No. 4, Apr. 12, 1985, § 4.01 (c), S. 61. 22 BGH NJW 1997, 1926 – 1928. 23 So auch Koch, ZGR 2006, 769, 783; Spindler, NZG 2005, 865, 871 f.; Schlimm, S. 29 f. 24 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 25 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; wortführend in der Kritik waren Fleischer, ZIP 2004, 685, 689 und Ulmer, DB 2004, 859, 859 ff. 26 Siehe BGH NJW 2006, 522 – 531; BGH NJW 2008, 1583 – 1585; BGH NZG 2011, 549 – 551. 27 Siehe BGH NZG 2011, 549, 550.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

Geschäftsführer einer GmbH Anwendung finden.28 Nähere Ausführungen zu der entsprechenden Anwendung des Rechtsgrundsatzes sucht man in dem Urteil jedoch vergebens. Nach Einführung des § 93 I 2 AktG sorgte ein Beschluss vom 14. 07. 2008 für Aufsehen, in welchem der BGH für den GmbH-Geschäftsführer vermeintlich wesentlich strengere Anforderungen an die angemessene Informationsgrundlage etablierte, als sie nach § 93 I 2 AktG an den AG-Vorstand gestellt wurden.29 In der aktuellsten Entscheidung vom 18. 06. 201330 zu dem Thema wiederholt der BGH die Formulierung aus dem Beschluss vom 14. 07. 2008, zitiert jedoch gleichzeitig den Wortlaut des § 93 I 2 AktG. Beide Entscheidungen werden im Rahmen der Darstellung des Tatbestandsmerkmals der angemessenen Informationsgrundlage näher zu beleuchten sein.31 Festzuhalten bleibt, dass der BGH, ebenso wie die absolut überwiegende Meinung in der Literatur, grundsätzlich von einer Anwendung der BJR auf die GmbH ausgeht.32

E. Zwischenergebnis Das unternehmerische Ermessen ist im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung keine neuartige Erscheinung im deutschen Gesellschaftsrecht, vielmehr ist der Rechtsgrundsatz in langer Tradition gewachsen. Von der Anerkennung einer verschuldensbasierten Haftung und der Erkenntnis, eine Erfolgshaftung aus wirtschaftlichen Gründen vermeiden zu müssen, zu der Einführung eines unternehmerischen Ermessensfreiraumes und schließlich zu der Konkretisierung dieses Ermessensfreiraumes durch bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen durch Rechtsprechung und final durch den Gesetzgeber, lässt sich die historische Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Diskussion um die Haftungsregel der BJR ist dementsprechend, wie auch andere auf der Übertragung US-amerikanischer Rechtsbegriffe beruhende aktuelle Rechtsthemen, nicht als die Neuerfindung des 28

Siehe BGH NJW 2003, 358, 359. Siehe BGH NJW 2008, 3361, 3362: „… in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen“; zu den kritischen Reaktionen in der Literatur siehe: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 75; ders., NJW 2009, 2337, 2339; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Klindt/Pelz/Theusinger, NJW 2010, 2385, 2388 f.; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845, 851; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2282. 30 BGH NZG 2013, 1021 – 1025. 31 Siehe unten: § 10 D. I., sowie § 4 B. IV. 1. b) aa). 32 Siehe BGH NJW 2003, 358, 359; BGH NJW 2008, 3361 – 3363; BGH NZG 2013, 1021 – 1025; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 71; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 10; a.A. Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851. 29

§ 3 Stellung des unternehmerischen Ermessens im dt. Gesellschaftsrecht

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Rads anzusehen, sondern als die Konkretisierung und die damit angestrebte Effektivierung von im deutschen Recht seit langem bekannten Rechtsinstituten.33

§ 3 Stellung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Gesellschaftsrecht Betrachtet man das unternehmerische Ermessen unternehmensformübergreifend, eröffnet sich nach aktuellem Meinungsstand ein weiter Anwendungsbereich im deutschen Gesellschaftsrecht. Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, soll die BJR auf „alle Formen unternehmerischer Betätigung“34 angewandt werden.

A. Kapitalgesellschaften Für Kapitalgesellschaften besteht weniger die Frage, ob die BJR Anwendung findet, als vielmehr wie die Tatbestandsmerkmale der BJR auszugestalten sind35 und ob § 93 I 2 AktG für alle Kapitalgesellschaften (analog) Anwendung findet36 oder ob der Rechtsgedanke der BJR jeweils neu und eigenständig einzuflechten ist.37 Für die Aktiengesellschaft ist der Rechtsgrundsatz seit dem 01. 11. 2005 gesetzlich normiert. Über den Verweis in § 278 III AktG und § 283 Nr. 3 AktG sind die Regelungen des § 93 I AktG sinngemäß auch auf die KGaA anzuwenden.38 Die weit überwiegende Meinung bejaht auch eine Anwendung auf die GmbH,39 gerade hier ist bisher bezüglich der konkreten Voraussetzungen jedoch noch vieles unklar.40 33 Siehe zu den in dieser Beziehung vergleichbaren Themen „Compliance“ und „Corporate Governance“: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Hdb. Compliance, § 1 Rn. 2. 34 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 35 A.A. Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 846. 36 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Beck OK GmbHG, § 43 Rn. 105; dies., in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 71; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 10. 37 So Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12. 38 Siehe Perlitt, in: MüKo AktG, § 278 Rn. 62; Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 13; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 46. 39 Siehe BGH NJW 2003, 358, 359; BGH NJW 2008, 3361 – 3363; BGH NZG 2013, 1021 – 1025; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 71; ders., NZG 2011, 521, 521 ff.; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 10; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 121; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1122; Haese, S. 89; a.A. Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851. 40 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 72.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

B. Personengesellschaften Die Anwendung eines für die AG explizit geregelten Rechtsgrundsatzes auf die übrigen Kapitalgesellschaften erscheint aufgrund der gesellschaftsformtypischen Gemeinsamkeiten naheliegend. Einer Übertragung auf die Personengesellschaften stehen hingegen zunächst zahlreiche erhebliche Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen entgegen. Für die BJR als Haftungsregel für den Geschäftsführer einer Gesellschaft sind hier besonders relevant, dass Personengesellschaften keine juristischen Personen sind, dass die Gesellschafter grundsätzlich persönlich, unmittelbar und unbeschränkt haften und dass das Prinzip der Selbstorganschaft gilt. All dies sind Argumente dafür, dass die Gesellschafter von Personengesellschaften äußerst eng an das Wohl und Wehe der Gesellschaft gebunden sind. Entsprechend haben sie ein erhebliches Interesse daran, die Geschäftsführung steuern zu können und dieser keinen weiten eigenständigen Ermessensfreiraum einzuräumen. Hinzu kommt, dass die Haftung der Geschäftsführer von Personengesellschaften anderen Maßstäben unterliegt als jene von Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft. Geschäftsführer von GbR, OHG und KG unterliegen der milden Sorgfaltsanforderung des § 708 BGB, nur die eigenübliche Sorgfalt an den Tag legen zu müssen.41 Dementsprechend erscheint es fraglich, ob zudem eine Einschränkung der Haftung auf Pflichtwidrigkeitsebene angemessen ist. Diese Argumente im Wesentlichen ignorierend, befürwortet die herrschende Meinung in der Literatur eine Anwendung der BJR auch auf Personengesellschaften.42 Der BGH geht zumindest bei der eingetragenen Genossenschaft, als Körperschaft mit stark personalistischen Zügen, von einem weiten Handlungsspielraum nach den Maßstäben des ARAG/Garmenbeck-Urteils aus.43 Der Annahme folgend, dass jedenfalls der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens auch auf Personengesellschaften anwendbar ist, stellt sich die Frage, welchen Inhalt der Rechtsgrundsatz noch haben kann. Die BJR hat schon bei der Übertragung aus dem US-amerikanischen Recht in das Aktienrecht erheblich an Substanz eingebüßt. So wurde insbesondere die Beweislastumkehr zugunsten des Geschäftsleiters nicht in das deutsche Recht übernommen.44 Soweit man nun die BJR 41 Siehe zur rechtspolitischen Kritik an der Vorschrift: Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 III 2. a) (S. 1743 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band 2, § 4 II 4 c) bb) (S. 345 f.); siehe zur eingeschränkten Anwendbarkeit bei Publikumsgesellschaften: BGH NJW 1980, 589, 591; BGH NJW 1977, 2311, 2311. 42 So Rawert, in: MüKo HGB, § 114 Rn. 56; Schäfer, in: Staub, HGB, § 114 Rn. 40, 55; Drescher, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 114 Rn. 32; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band 2, § 4 II 4 b) aa) (S. 342); grundsätzlich für eine Anwendung jedoch mit Hinweis auf die gesellschaftsformspezifischen Besonderheiten Kebekus/Zenker, FS MaierReimer, S. 319, 327; a.A. Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851. 43 Siehe BGH WM 2002, 220, 221. 44 Siehe zur Beweislast zulasten der Gesellschaft im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht: Cede Co. v. Technicolor, Inc, 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993); Aronson v. Lewis, 473 A.2d

§ 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht

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mit dem allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens gleichsetzt und insbesondere auch auf Personengesellschaften anwendet, steht zu befürchten, dass dieser Substanzverlust weiter voran schreitet. Dementsprechend erscheint es vorzugswürdig, zwar den allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens auf Personengesellschaften anzuwenden, die BJR jedoch als weitergehenden Spezialfall des unternehmerischen Ermessens den Kapitalgesellschaften vorzubehalten.

§ 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht Die BJR fand ihren Ursprung im US-amerikanischen Recht, wurde von der Literatur und der Rechtsprechung zur Konkretisierung des ohnehin im deutschen Recht bekannten Grundsatzes des unternehmerischen Ermessens aufgegriffen und nahm Einzug in das deutsche Recht der Aktiengesellschaften. Um den Weg des Rechtsgrundsatzes in das deutsche GmbH-Recht nachzuvollziehen, ist zunächst die schon weiter gereifte Rechtslage im Aktienrecht zu analysieren. Ziel der Arbeit ist dabei nicht die umfassende Darstellung der BJR im Aktienrecht. Vielmehr sollen gezielt die Grundlagen zur BJR aufgearbeitet werden und die gesellschaftsformübergreifenden Problemfelder schon hier aufgezeigt und, soweit für die GmbH relevant, Lösungsvorschläge entwickelt werden. Einleitend ist die sachliche Begründung eines weiten unternehmerischen Ermessens im Aktienrecht nachzuvollziehen.

A. Sachliche Begründung der Anwendung im Aktienrecht Die Anwendung der BJR im GmbH-Recht wird weithin mit der entsprechenden Anwendung des § 93 I 2 AktG45 beziehungsweise mit der entsprechenden Anwendung des allgemeinen im Aktienrecht etablierten Grundsatzes des unternehmerischen Ermessens46 begründet. Jedenfalls kann das Aktienrecht als maßgebliche Erkenntnisquelle für eine Anwendung auf die GmbH betrachtet werden.47 Um eine solche Übertragung des Rechtsgrundsatzes aus dem Aktienrecht zu rechtfertigen, wird es erforderlich sein, eine vergleichbare Interessenlage im GmbH-Recht dar-

805, 812 (Del. 1984); Brehm v. Eisner 746 A.2d 244, 264 (Del. 2000); Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Druey, FS Goette, S. 57, 67. 45 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Beck OK GmbHG, § 43 Rn. 105; dies., in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 71; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 10. 46 So Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12. 47 Siehe zu einer differenzierten Betrachtung der dogmatischen Grundlage der Anwendung der BJR auf die GmbH noch unten: § 9 B.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

zulegen. Die Grundlage hierzu stellt die sachliche Rechtfertigung der BJR im Aktienrecht dar. I. Ermutigung zu risikoreichen Entscheidungen Zunächst ist zur sachlichen Begründung eines weiten unternehmerischen Ermessensfreiraumes des Entscheidungsträgers die Ermutigung zu risikoreichen, dafür aber möglichst profitablen Entscheidungen zu nennen. Die Geschäftsleitung soll ermutigt werden, die Entscheidung mit den höheren Gewinnerwartungen und dafür dem höheren Risiko der Entscheidung mit weniger Gewinn und weniger Risiko vorzuziehen.48 Dies ergibt sich aus der ökonomischen Erkenntnis, dass diese Art des Wirtschaftens für die Mehrheit der Aktionäre die Profitabelste darstellt.49 Es gilt jedoch zu beachten, dass die Risikodiversifikation der Anleger einen wesentlichen Faktor in diesem Rechenmodell darstellt.50 Gerade die Möglichkeit, das eigene Vermögen auf zahlreiche unterschiedliche Anlagemöglichkeiten zu verteilen, führt dazu, dass die Realisierung des eingegangenen Risikos in schwerwiegenden Verlusten sich auf den einzelnen Anleger nur wenig auswirkt. Demgegenüber liegt es gerade im Aktionärsinteresse, dass die möglichen Gewinnchancen möglichst weit ausgeschöpft werden.51 Führt man diese Gedanken zu Ende, kann nur ein vernünftigerweise eingegangenes Risiko im Interesse der Aktionäre liegen, denn die oben aufgeführten Überlegungen greifen nicht, wenn sämtliche Unternehmen, an denen der Anleger beteiligt ist, völlig unverhältnismäßige Risiken eingehen.52 Folglich sollen die Geschäftsleiter zwar dazu motiviert werden, Risiken einzugehen, dies soll jedoch nicht ohne vorherige sorgfältige Überprüfung und Abwägung der möglichen Handlungsalternativen geschehen. II. Entscheidungen unter Unsicherheit Unternehmerische Entscheidungen sind typischerweise zukunftsbezogen, wobei die entscheidungserheblichen Entwicklungen in der Regel nicht sicher vorhersehbar

48

Siehe Fleischer, FS Wiedemann, 827, 830. Siehe Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 839 f. 50 Siehe Eisenberg, DK 2004, 386, 394. 51 Siehe Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 842. 52 Eine überwiegende Aussicht auf Gewinn besteht, sobald der Erwartungswert (der Mittelwert aller zu erwartender Ergebnisse in Relation zur Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts) höher ist als das ursprünglich investierte Kapital. Dies ist nicht der Fall, wenn die Verlust- oder Totalausfallrisiken relativ hoch sind, der bei positivem Ausgang des Geschäfts zu erzielende Gewinn jedoch relativ niedrig ist. Eine klare Grenze lässt sich hier kaum beziffern, insbesondere, da es ex ante kaum möglich sein wird, prozentual exakte Risiken und mögliche Gewinne oder Verluste zu beziffern. Sobald allerdings der Erwartungswert eklatant unter der Investitionssumme liegt, ist von einen unverhältnismäßigen Risiko auszugehen. 49

§ 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht

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sind.53 Folglich handelt es sich um Prognoseentscheidungen unter Unsicherheit, welche zudem erheblichem Zeitdruck unterliegen können.54 Diese Entscheidungssituation erfordert ein auf unternehmerischem Gespür beruhendes Handeln, wobei auch völlig antizyklische Entscheidungen sinnvoll sein können.55 Es handelt sich also um eine hoch komplexe Entscheidungssituation, welche zurückblickend kaum rekonstruierbar ist.56 Dementsprechend soll es gerechtfertigt sein, diese ohnehin nicht an feststehenden „Regeln der Kunst“ beurteilbaren Entscheidungen der richterlichen Bewertung zumindest teilweise zu entziehen.57 III. Gefahr von Rückschaufehlern Der Richter ist berufen, die Entscheidung des Geschäftsleiters anhand anerkannter Maßstäbe zu beurteilen. Hierbei hat er sich in die Entscheidungssituation zu versetzen und die Handlung aus der ex-ante Perspektive zu bewerten.58 Der Richter kennt jedoch schon den negativen Ausgang der Entscheidung, weiß mithin, dass die Entscheidung ex-post betrachtet nicht die optimale war. Von diesem Wissen müsste er sich isolieren und eine völlig unabhängige Entscheidung treffen. Es ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass gerade dies häufig nicht gelingt.59 Ausgehend von dem Schadenseintritt, wird der vermeintliche Fehler in der Entscheidungsfindung oder der Entscheidung selbst schnell als vermeidbar identifiziert und dem Geschäftsleiter eine Pflichtverletzung angelastet. Dieses Phänomen der sogenannten „hindsight bias“ birgt die Gefahr, die Geschäftsleiterhaftung praktisch zu einer Erfolgshaftung zu modifizieren.60 Das Vermeiden von Rückschaufehlern und in der Folge der Ausschluss einer rechtspolitisch nicht erwünschten Erfolgshaftung61 stellen wesentliche Argumente für die Anwendung der BJR dar. Im Zusammenspiel mit diesem und dem oben zuvor genannten Argument steht die Problematik, dass der Richter sich in die Position eines Geschäftsleiters versetzen und aus dieser Perspektive die Qualität der getroffenen Entscheidung beurteilen muss. Die Komplexität der Entscheidung und die Gefahr von Rückschaufehlern werden hier negativ durch die mangelnde Qualifikation des Richters ergänzt. Richter sind in der Regel nicht die besseren Manager.62

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Siehe Fleischer, FS Wiedemann, 827, 831. Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. So die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. S. 12. Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 8. Siehe Fleischer, NZG 2011, 521, 522. Siehe Fleischer, FS Wiedemann, 827, 832. Siehe Arkes/Schipani, 73 Or. L. Rev. 587 f.; Eisenberg, DK 2004, 386, 393. Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 60. Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 61. Siehe Jungmann, FS Schmidt, S. 826, 834.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

IV. Unverhältnismäßige Haftungsrisiken und weitere Argumente Die dem Geschäftsleiter drohende Haftung für aus seinen Entscheidungen erwachsende Schäden kann das zu erwartende Gehalt um ein Vielfaches übersteigen. Dieses unverhältnismäßige Risiko trifft den Geschäftsleiter in vollem Umfang. Eine Herabsetzung der Haftungssumme auf einen die Verhältnismäßigkeit wahrenden Betrag durch das entscheidende Gericht ist nicht möglich.63 Auch die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich, welche zumindest eine gewisse Haftungsmilderung bewirken würden, sind grundsätzlich nicht anwendbar.64 Damit droht dem Manager eines Unternehmens eine existenzvernichtende Haftung, welche auch durch eine entsprechende Versicherung nicht vollständig abwendbar ist.65 Diese Rechtsfolge ist nicht nur unter dem Aspekt einer angemessenen Verteilung des wirtschaftlichen Risikos zwischen Gesellschaft, Geschäftsleitern und Teilhabern kritisch zu hinterfragen. Vielmehr ergibt sich hieraus die Gefahr, qualifizierte Führungskräfte von der Übernahme entsprechender Positionen abzuschrecken. Insgesamt kann dies zu einem Mangel an geeigneten Führungskräften führen.66 Als weiteres Argument ist zu nennen, dass der Kapitalmarkt eigene Kontrollmechanismen und Regulationsinstrumente hat, sodass eine strenge Haftung zu diesen Zwecken möglicherweise nicht zusätzlich erforderlich ist. So muss ein erfolgloser Geschäftsführer fürchten, dass sein Beschäftigungsverhältnis nicht fortgeführt wird, soweit seine wirtschaftliche Erfolglosigkeit anhält. Gleichermaßen riskiert ein nicht profitabel wirtschaftendes Unternehmen seine Existenz am Markt.67 Schließlich sind Aufsichtsrats- und Vorstandsentscheidungen in der Regel Gruppenentscheidungen und profitieren daher von einer besonderen internen gegenseitigen Kontrolle, was zu besonders ausgewogenen und sachgerechten Ergebnissen führen soll.68 Aufgrund dieser besonderen Qualifikation der Entscheidungen soll es angemessen sein, die nachträgliche richterliche Kontrolle auf ein Minimum zu reduzieren. V. Zwischenergebnis Eine für das Aktienrecht spezifische Begründung für ein weites unternehmerisches Ermessen ergibt sich in erster Linie aus der möglichen Risikodiversifikation

63

Siehe Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307. Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 177; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 206; siehe noch ausführlich unten: § 6 C. I. 4. 65 Siehe Eisenberg, DK 2004, 386, 400. 66 Siehe Kuntz, GmbHR 2008, 121, 122; Fleischer, ZIP 2004, 685, 685. 67 Siehe zum Ganzen: Jungmann, FS Schmidt, S. 826, 835. 68 Siehe Jungmann, FS Schmidt, S. 826, 835. 64

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der Anleger und dem daraus resultierenden Interesse an möglichst profitablen und damit häufig risikoreichen Entscheidungen. Demgegenüber weniger gesellschaftsformspezifisch stellen sich die Argumente zur Gefahr von Rückschaufehlern, der besonderen Situation bei unternehmerischen Entscheidungen und die Grundlage dieser Argumente, nämlich das Ziel, eine Erfolgshaftung zu vermeiden, dar. Zu Recht kann kritisiert werden, dass für sich betrachtet hohe Haftungsrisiken, Sanktionsmechanismen des Marktes bei wirtschaftlich erfolgloser Tätigkeit sowie die besondere Qualifikation von Gruppenentscheidungen keine ausschließlich gesellschaftsrechtlichen Argumente darstellen. Vielmehr können diese Argumente auch auf andere Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte, Anwälte und Steuerberater übertragen werden.69 Insoweit sind die letztgenannten Argumente weniger tragend, haben aber dennoch eine eigenständige Bedeutung, da die mögliche Kumulation der drei genannten Argumente und ihre Intensität durchaus ein Spezifikum des Gesellschaftsrechts darstellen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die BJR im Aktienrecht im Rahmen der sachlichen Legitimation auf einer soliden Grundlage steht.

B. Anwendungsbereich der BJR im Aktienrecht Die Konkretisierung der im Aktienrecht etablierten Tatbestandsvoraussetzungen ist durch die gesetzliche Regelung und deren intensive Diskussion bereits weit vorangeschritten. Der Prämisse folgend, dass die aktienrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich nicht spezifisch auf das Aktienrecht beschränkt sind,70 sind gesellschaftsformübergreifende Erkenntnisse insbesondere auch für die GmbH relevant. Die (gesellschaftsformunabhängige) Konkretisierung des Anwendungsbereichs der BJR spielt eine wesentliche Rolle bei deren effektiven Umsetzung. Ein Haftungsfreiraum innerhalb eines weiten unternehmerischen Ermessens kann nur dann ökonomisch sinnvoll umgesetzt werden, wenn bestimmbare Tatbestandsvoraussetzungen gewährleisten, dass einerseits ein Mindestmaß an Sorgfalt eingehalten wird und andererseits der Pflichtenträger seinen Handlungsrahmen kennt. I. Unternehmerische Entscheidung Als erste Tatbestandsvoraussetzung ist das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung zu nennen. Sie bildet die Grundlage der BJR. Die Entscheidung, ob zum Handeln oder zum Unterlassen, stellt den haftungsrechtlichen Anknüpfungspunkt dar und der Tatbestand des unternehmerischen Handelns bietet ein Abgrenzungskriterium gegenüber einer Vielzahl von nicht-unternehmerischen Entschei69 70

So die Kritik bei Jungmann, FS Schmidt, S. 826, 835. So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 80.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

dungen, womit dem Tatbestandsmerkmal insgesamt eine hervorgehobene Bedeutung zukommt.71 Die unternehmerische Entscheidung ist als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsbedürftig. Die durch den normativen Charakter des Tatbestandsmerkmals aufgeworfenen Fragen betreffen im groben Überblick, wann überhaupt eine Entscheidung vorliegt, wie die Abgrenzung zum Legalitätsprinzip, zur Treuepflicht und zu Organisations-, Planungs- und Überwachungsaufgaben stattzufinden hat und ob es auch im Rahmen von gebundenen Entscheidungen Ermessensspielräume geben kann. Diese Fragen werden im Wesentlichen schon diskutiert, seit es den Begriff der unternehmerischen Entscheidung als Voraussetzung des unternehmerischen Ermessens gibt72 und entsprechend facettenreich ist noch heute das Meinungsspektrum. Definitionsversuche gehen dahin, dass eine unternehmerische Entscheidung dann vorliege, wenn das Organ der Gesellschaft eine bewusste Auswahl aus mehreren möglichen und rechtlich zulässigen Verhaltensalternativen trifft73 oder, einfacher gesagt, es frei ist, sich so oder anders zu entscheiden.74 An anderer Stelle wird positiv eine Entscheidung mit Risikocharakter beziehungsweise unter Unsicherheit verlangt.75 Eine Prognoseentscheidung soll in diesen Fällen in der Regel nötig sein, es seien jedoch auch Fälle wie das Ausüben von bilanziellen Wahlrechten denkbar, denen nur ein sehr geringer Prognoseanteil innewohnt.76 Der Vorstand muss also bei seiner Entscheidung sein unternehmerisches Ermessen ausüben, um in den Genuss der Haftungsprivilegierung zu kommen.77 Für die Anwendung auf den Einzelfall sind diese Formulierungen zur positiven Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals aufgrund ihrer Abstraktheit jedoch nur bedingt hilfreich. Die Regierungsbegründung zum UMAG grenzt die Entscheidung als eine Entscheidung mit Zukunftsbezogenheit ab, die bewusst innerhalb eines bestehenden Beurteilungsspielraums getroffen werde, somit nicht durch gesetzliche, statutarische oder anstellungsvertragliche Pflichten vorgegeben sei, wobei die allgemeine Pflichtenbindung in diesem Sinne Informationspflichten und die Treuepflicht mit 71

So auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 20; Fleischer, Vorstandsrecht, § 7 Rn. 53; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1255; Holle, AG 2011, 778, 778; a.A. M. Roth, S. 77 ff.; ders., BB 2004, 1066, 1068, der zur Begründung allerdings allein auf die ARAG/GarmenbeckEntscheidung abstellt. Nach Einführung des § 93 I 2 AktG so nicht mehr haltbar, so heute auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 80 ff. 72 Siehe nur Lutter, 50 Jahre BGH, Band 2, S. 321, 335; Fleischer, FS Wiedemann, S. 825, 830, 843 f.; Paefgen, AG 2004, 245, 251 f.; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; Oltmanns, S. 288 ff.; Mutter, S. 4 ff., 116 ff., 178 ff.; M. Roth, S. 57 ff.; Winnen, S. 106 ff. 73 Siehe S. H. Schneider, DB 2005, 707, 711. 74 Siehe Lutter, ZIP 2007, 841, 843. 75 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 41. 76 Siehe Spindler, NZG 2005, 865, 871; ders., in: MüKo AktG, § 93 Rn. 42; Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 77 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 18; Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11.

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einschließt.78 Diese Ausführungen in der Regierungsbegründung und die Normierung der unternehmerischen Entscheidung als Tatbestandsmerkmal im § 93 I 2 AktG haben die Diskussion um die Daseinsberechtigung und den Inhalt des Tatbestandsmerkmals zwar gedämmt, im Einzelnen ist dessen konkreter Inhalt jedoch weiterhin eingrenzungsbedürftig. 1. Entscheidung Zunächst ist man sich einig, dass überhaupt eine Entscheidung, ob zum Tun oder Unterlassen, gefällt werden muss.79 Das schlichte Verpassen einer Geschäftschance kann nicht in den Ermessensspielraum fallen, das bewusste Verzichten auf das Einfordern einer fälligen Forderung im Sinne einer stillschweigenden Stundung hingegen sehr wohl.80 2. Abgrenzung zur Legalitätspflicht Weiterhin ist nach nunmehr herrschender Meinung anerkannt, dass im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des unternehmerischen Ermessens eine Abgrenzung zu Entscheidungen stattfinden muss, welche durch die Legalitätspflicht in irgendeiner Form vorgegeben sind.81 Die Legalitätspflicht in diesem Sinne umfasst sowohl die interne als auch die externe Pflichtenbindung, mithin Pflichten aus dem Aktiengesetz, der Satzung und der Geschäftsordnung, ebenso wie Rechtsvorschriften außerhalb des Aktiengesetzes, welche die Gesellschaft und damit mittelbar den Geschäftsleiter binden.82 Wie konsequent diese Abgrenzung zu handhaben ist, lässt sich nur im Rahmen einer differenzierten Betrachtung darstellen. a) Legalitätspflicht als Ausschluss unternehmerischen Ermessens Eine Entscheidung kann in unterschiedlicher Weise von der Legalitätspflicht beeinflusst werden. Zunächst sind Geschäftsleiter in ihrem Handeln an gesetzliche Vorgaben gebunden, daher muss ein widerrechtliches Verhalten grundsätzlich auch

78

Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 11; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 82; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 69; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 41; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 32; Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 80 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 69. 81 Siehe Winnen, S. 131; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 67; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 45; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 16; „auch“ dem Tatbestandsmerkmal des Handelns zum Wohle der Gesellschaft zuordnend Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 82. 82 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 14. 79

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

sorgfaltswidrig sein.83 Als wesentlicher Bestandteil der Sorgfaltspflicht kann die Legalitätspflicht daher grundsätzlich nicht durch einen unternehmerischen Ermessensfreiraum im Rahmen der Sorgfaltspflichterfüllung eingeschränkt werden. So kann jedenfalls keine unternehmerische Entscheidung vorliegen, soweit die Handlung gegen die Legalitätspflicht verstößt und dieser Verstoß ex ante vorhersehbar war. Dies bedeutet, dass bei eindeutiger Rechtslage und einer schlichten Falschbeurteilung der Rechtmäßigkeit der Handlung durch den Entscheidungsträger eine unternehmerische Entscheidung und damit ein unternehmerischer Ermessensfreiraum ausscheiden.84 Entsprechendes gilt erst recht für vorsätzliche Gesetzesverstöße. aa) Nützliche Gesetzesverstöße Unter diesen Ausschluss fallen auch nützliche Gesetzesverstöße, also Handlungen, welche für die Gesellschaft trotz des Gesetzesverstoßes im Ergebnis vorteilhaft sind, beispielsweise weil die Einsparungen die zu erwartenden Bußgelder übersteigen.85 Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kann ein rechtswidriges Verhalten nicht durch Gesetz von der Haftung freigestellt werden.86 bb) Rechtsirrtum bei klarer Rechtslage Rechtsfolge eines Verstoßes des Geschäftsleiters gegen die ihm obliegende Legalitätspflicht trotz objektiv klarer Rechtslage ist also die Pflichtwidrigkeit der Handlung. Dementsprechend kann er sich nur noch auf der Ebene des Verschuldens von der Haftung befreien.87 Hier sind jedoch die strengen Voraussetzungen zu verschuldensausschließenden Rechtsirrtümern zu überwinden, nach welchen der Schuldner grundsätzlich das Risiko trägt, die Rechtslage zu verkennen.88 Nach der Rechtsprechung des BGH zum Expertenrat kann sich der Geschäftsleiter bei aus seiner Sicht unsicherer Rechtslage, welche seine eigene Sachkunde übersteigt, nur entlasten, wenn er sich „unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle un83 Siehe BGH NJW 2011, 88, 92; LG München I NZG 2014, 345, 345; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 23; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 14; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 22; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 58. 84 So auch Thole, ZHR 2009, 504, 522. 85 OLG Karlsruhe GWR 2013, 404, 404; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 58; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 20; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 32; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 91; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149. 86 So auch Winnen, S. 162. 87 Siehe auch Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249. 88 Siehe BGH NZG 2015, 792, 794.

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terzieht“.89 Soweit diese Voraussetzungen gegeben sind, soll ein schuldbefreiender Rechtsirrtum vorliegen und damit keine schuldhafte Pflichtverletzung. Soweit der Geschäftsleiter eigene Sachkunde in Anspruch nimmt, kann auf die ständige Rechtsprechung des BGH zum Rechtsirrtum zurückgegriffen werden. Demnach handelt fahrlässig, wer sich im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und mit einer von der eigenen Auffassung abweichenden Beurteilung rechnen muss.90 Jedenfalls, wenn das Risiko des rechtswidrigen Verhaltens für den Fachmann offenkundig sein muss.91 b) Unklare Rechtslage Schwieriger gestaltet sich die Abgrenzung von Legalitätspflicht und unternehmerischer Entscheidung in Fällen, in denen ex ante aufgrund einer unklaren Rechtslage oder der Auslegungsbedürftigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe die gesetzlich vorgegeben Handlung nicht ermittelt werden kann. Der Entscheidungsträger muss insofern eine Entscheidung unter Unsicherheit fällen und die Einhaltung der Legalitätspflicht wäre von der Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts abhängig. Da eine Entscheidung zwischen mehreren Entscheidungsalternativen unter Unsicherheit vorliegt, erscheint eine Einordnung als unternehmerische Entscheidung naheliegend.92 Soweit die vom Gesetz vorgeschriebene „richtige“ Handlung nicht zu ermitteln ist, muss es dem Geschäftsleiter nach der herrschenden Meinung bei unterschiedlicher Nuancierung freistehen, die für die Gesellschaft vorteilhaftere Rechtsansicht zu vertreten und nach dieser zu handeln, es muss ihm somit ein Ermessensfreiraum eingeräumt werden.93 Dieser endet dort, wo der eingenommene Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist.94 Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, werden allerdings unterschiedliche Auffassungen vertreten. 89

794. 90

Siehe BGH NJW 2007, 2118, 2118; BGH NZG 2011, 1271, 1273; BGH NZG 2015, 792,

Siehe BGH NJW 1998, 2144, 2145; BGH NJW 1996, 994, 997; BGH NJW 1995, 3177, 3181; BGH NJW-RR 1990, 1187, 1189. 91 Siehe BGH NJW 1998, 2144, 2145. 92 So auch Thole, ZHR 2009, 504, 523; M. Roth, S. 132. 93 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 30; ders., Vorstandsrecht, § 7 Rn. 19; ders., ZIP 2005, 141, 149 f.; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 76; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 83; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 30; Thole, ZHR 2009, 504, 523 f.; BuckHeeb, BB 2013, 2247, 2250; Hopt, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 93 Rn. 99; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 23; Bachmann, ZHR 2013, 1, 8; M. Roth, S. 132; a.A. U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100, der sich für eine gerichtliche inhaltliche Prüfung auch auf die Zweckmäßigkeit der Entscheidung hin ausspricht. 94 Siehe Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2250; Hopt, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 93 Rn. 99; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149 f.; Zimmermann, WM 2008, 433, 435; Fleischer, Vorstandsrecht, § 7 Rn. 19; Koch, AG 2009, 93, 101; Harnos, S. 297; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22, die allerdings nur die „am besten vertretbare Rechtsmeinung“ gelten lassen will.

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aa) BJR vollumfänglich anwendbar Zunächst kann aufgrund des Charakters der Entscheidung als Entscheidung zwischen mehreren Handlungsalternativen unter Unsicherheit mit Prognosecharakter auf eine direkte Anwendung der BJR geschlossen werden.95 Der allgemein geforderte Ermessensfreiraum bei unklarer Gesetzeslage fügt sich auf den ersten Blick gut in die von der BJR etablierten Rechtsfolgen ein. In beiden Fällen soll vom Gericht lediglich eine Kontrolle der getroffenen Entscheidung dahingehend stattfinden dürfen, ob die Entscheidung noch vertretbar war.96 Die Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung entsprechen nach dieser Ansicht den Voraussetzungen der BJR bei üblichen unternehmerischen Entscheidungen abseits rechtlicher Unsicherheit, folglich ist eine sorgfältige Aufklärung der Rechtslage erforderlich und mögliche Risiken dürfen nicht in völlig unverantwortlicher Weise eingegangen werden.97 bb) Legal Judgment Rule Die klare Ausgrenzung der Legalitätspflicht aus unternehmerischen Entscheidungen schließt für einige Autoren die direkte Anwendung der BJR aus, da auch ein nachträglich festgestellter Rechtsverstoß einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht darstelle. Aufgrund der Notwendigkeit eines unternehmerischen Ermessens bei unklarer Rechtslage soll jedoch § 93 I 2 AktG analog angewandt werden, wozu teilweise der Begriff „Legal Judgment Rule“ verwendet wird.98 Die Voraussetzungen einer „Legal Judgment Rule“ sollen sich maßgeblich an jenen der BJR orientieren, allerdings soll bei der Schaffung der Informationsgrundlage die Rechtsprechung des BGH zum Expertenrat99 zu berücksichtigen sein.100 cc) Unternehmerisches Ermessen eigener Art Die teilweise als herrschend101 bezeichnete Meinung spricht sich für einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum außerhalb der BJR aus. So wird eine Anwendung des § 93 I 2 AktG mangels unternehmerischer Entscheidung im Rahmen der Legalitätspflicht zwar abgelehnt, der Ausschluss der Haftung soll aber dennoch 95 So Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 16; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 75, 140; Winnen, S. 157 f.; Schlimm, S. 187 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 217; v. Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121, 122; wohl auch Bachmann, ZHR 2013, 1, 8; die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung anwendend: M. Roth, S. 132. 96 Siehe zur Rechtsfolge der „Vertretbarkeit“ bei der BJR Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 56. 97 Im Einzelnen sind die unterschiedlichen Bewertungen dieser Tatbestandsmerkmale noch näher zu erörtern, siehe hierzu unten: § 4 II. – V.; zusätzlich nach dem Grad der Unsicherheit differenzierend: Bachmann, ZHR 2013, 1, 8. 98 So Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553 „legal judgment rule“; Paefgen, AG 2014, 554, 560; Bürkle, VersR 2013, 792, 793 f. 99 BGH NJW 2007, 2118, 2118; BGH NZG 2011, 1271, 1273; BGH NZG 2015, 792, 794. 100 Siehe Bürkle, VersR 2013, 792, 799 f. 101 So Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249.

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auf Pflichtwidrigkeitsebene stattfinden.102 Die Literaturstimmen argumentieren für diese Ansicht damit, dass nicht konkret ausgestaltete Pflichten keinen Pflichtverstoß begründen könnten und dass die möglichen Folgen der Pflichtwidrigkeit einer Handlung in solchen Fällen ausgeschlossen werden müssten.103 Da dieser Ansatz keinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt aufweisen kann, sind die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen nicht einheitlich festzulegen.104 Vorwiegend wird angenommen, dass in Anlehnung an die BJR die eingenommene Rechtsansicht nach sorgfältiger Entscheidungsvorbereitung nicht geradezu unvertretbar sein darf und kein unverhältnismäßiges Risiko eingegangen werden darf, bezüglich der Vertretbarkeit der Rechtsansicht jedoch nach dem Grad der Unsicherheit der Rechtslage differenziert werden muss.105 dd) Rechtsirrtum auf Verschuldensebene Schließlich wird vertreten, ein Haftungsausschluss könne nur auf der Ebene eines Rechtsirrtums begründet werden, welcher im Bereich des Verschuldens anzusiedeln sei.106 Dies wird mit der Regierungsbegründung zum UMAG107 und mit dogmatischen Gesichtspunkten begründet, da bei einem Verstoß gegen Legalitätspflichten stets pflichtwidriges Handeln gegeben sei, daher nur ein Rechtsirrtum vorliegen könne und die Prüfung eines solchen auf der Verschuldensebene vorzunehmen sei.108 Zur Ermittlung der Rechtslage sei auch hier eine hinreichende Informationsgrundlage zu schaffen, wozu in der Regel ein Expertenrat erforderlich sei.109 Die Entscheidung selbst habe unter Abwägung von Nutzen für die Gesellschaft und Risiko 102 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 76; ders., FS Canaris, S. 423, 427 f.; ders., AG 2013, 889, 893, der zwar dogmatisch zu einem Rechtsirrtum tendiert, inhaltlich jedoch die Kriterien der BJR anwenden will; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Thole, ZHR 2009, 504, 521, 524; Zimmermann, WM 2008, 433, 435; Habersack, FS Schneider, S. 429, 436 f.; Holle, AG 2011, 778, 785; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 30; Cahn/Müchler, BKR 2013, 45, 52, die die BJR „tragenden Rechtsgedanken“ sollen entsprechend angewendet werden. 103 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 75; Thole, ZHR 2009, 504, 522; auf die Gefahr der Abberufung aufgrund einer Pflichtverletzung verweisend: Habersack, FS Schneider, S. 429, 437; auf den „Makel der Pflichtwidrigkeit“ verweisend: Thümmel, DB 1997, 1117, 1119; Koch, AG 2009, 93, 100. 104 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 31. 105 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 31; Thole, ZHR 2009, 504, 524; Holle, AG 2011, 778, 785; Zimmermann, WM 2008, 433, 435. 106 So Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 19; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2257; J. Wagner, BB 2012, 651, 653; Binder, AG 2012, 885, 888; Harnos, S. 149 ff. 107 Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11: „Für illegales Verhalten gibt es keinen „sicheren Hafen […], es kann hier im Einzelfall aber am Verschulden fehlen.“. 108 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 19; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2257; J. Wagner, BB 2012, 651, 653; Binder, AG 2012, 885, 888; Harnos, S. 149 ff. 109 Siehe Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255, vgl. zum Sonderfall des Befolgens eines falschen Expertenrats BGH NJW 2007, 2118, 2120, der insoweit ebenfalls von einem fehlenden Verschulden ausgeht.

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und Kosten einer abweichenden Entscheidung eines Gerichts zu erfolgen, wobei auch die Eilbedürftigkeit der Entscheidung zu berücksichtigen sei.110 Insgesamt unterliegt die Entscheidung nach dieser Ansicht der vollen gerichtlichen Kontrolle, ein Ermessensfreiraum wird allerdings auch hier durch die Formulierung impliziert, dass die rechtliche Beurteilung nur vertretbar sein muss und die Entscheidung kein unverhältnismäßiges Risiko beinhalten darf.111 ee) Stellungnahme Zunächst ist festzuhalten, dass, ungeachtet der unterschiedlichen Auffassung zu der richtigen dogmatischen Grundlage, einer Haftungsfreistellung trotz nachträglich festgestellten Gesetzesverstoßes im Wesentlichen vergleichbare Voraussetzungen zugrunde gelegt werden. Die Entscheidung muss auf einer hinreichenden Informationsgrundlage getroffen werden, wobei unter Berücksichtigung von Informationskosten und -nutzen, Risikoausmaß, Zeitdruck und anderen relevanten Faktoren der konkreten Situation die Rechtslage und die Handlungsmöglichkeiten ermittelt werden müssen und regelmäßig zur Klärung einer komplexen Rechtsfrage die Beratung durch einen Experten erforderlich ist. Die eingenommene Rechtsauffassung muss schließlich vertretbar sein, wobei dies nach dem Grad der rechtlichen Unsicherheit zu beurteilen ist und die Risiken einer möglichen abweichenden gerichtlichen Entscheidung nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Die Entscheidung für die vorzugswürdige Ansicht wird sich aufgrund der vergleichbaren Formulierungen zu den Voraussetzungen insgesamt danach beurteilen müssen, inwieweit eine haltbare dogmatische Grundlage besteht und welcher gerichtliche Beurteilungsmaßstab bei Entscheidungen unter rechtlicher Unsicherheit angemessen erscheint. (1) Dogmatische Grundlage Einer direkten Anwendung des § 93 I 2 AktG scheint entgegenzustehen, dass die Begründung zum Gesetzesentwurf die Verletzung von „sonstigen Pflichten“ klar aus dem Anwendungsbereich des § 93 I 2 AktG ausnimmt.112 Allerdings soll der unternehmerische Handlungsspielraum explizit nur von rechtlich gebundenen Entscheidungen abgegrenzt werden, welche keinen tatbestandlichen Beurteilungsspielraum beinhalten.113 Dementsprechend kann bei Entscheidungen unter unklarer Rechtslage angenommen werden, dass im Zeitpunkt der Entscheidung keine erkennbare rechtliche Verhaltensvorgabe existiert, damit keine rechtlich gebundene Entscheidung vorliegt und folglich der Anwendungsbereich eines unternehmeri110

Siehe Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255 f. Siehe Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256; Harnos, S. 297; Dreher, FS Konzen, S. 85, 93, der jedoch von einer Abstufung der Vertretbarkeitsprüfung ausgeht, abhängig von dem Grad der Unsicherheit der Rechtslage. 112 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 113 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 111

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schen Handlungsspielraums eröffnet ist. Insofern wäre eine unmittelbare Anwendung aus dogmatischer Sicht nicht ausgeschlossen. Für eine analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG ist hingegen aus dogmatischer Sicht kein Raum. Soweit man den Willen des Gesetzgebers dahingehend interpretiert, dass alle Entscheidungen, die die Legalitätspflicht berühren, vom Anwendungsbereich des § 93 I 2 AktG ausgeschlossen sein sollen, so lässt sich die Begründung zum Regierungsentwurf nur so verstehen, dass diese Fälle im Rahmen des Verschuldens zu prüfen sind. Jedenfalls hat der Gesetzgeber die Problematik erkannt, womit es an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. Für einen Ermessensfreiraum eigener Art außerhalb der BJR wird kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt genannt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, § 93 I 2 AktG enthalte nur eine Teilkodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume,114 womit dogmatisch auf einen allgemeingültigen Grundsatz eines unternehmerischen Ermessens abgestellt wird und insofern gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung betrieben wird.115 Schließlich gilt Entsprechendes für den unvermeidbaren Rechtsirrtum, welcher im Zivilrecht ebenfalls keine konkrete Rechtsgrundlage findet.116 Dieser Schuldausschlussgrund beruht lediglich auf der ständigen Rechtsprechung des BGH, welcher jedoch selbst eine dogmatische Herleitung vermissen lässt. Eine gesetzliche Grundlage findet sich somit lediglich für die BJR im § 93 I 2 AktG. Dementsprechend sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen in den Fällen eines Ermessensfreiraumes eigener Art und eines unvermeidbaren Rechtsirrtums im Rahmen der besonderen Entscheidungssituation von Geschäftsleitern bei unklarer Rechtslage im Ergebnis ohne Bezug zu einer konkreten Rechtsgrundlage entstanden. Allerdings kann für die Voraussetzungen eines unternehmerischen Ermessens eigener Art aufgrund der sachlichen Nähe durchaus auf die Erkenntnisse aus § 93 I 2 AktG zurückgegriffen werden. Zur Anwendung des unvermeidbaren Rechtsirrtums legt jedenfalls eine lange Rechtstradition die Grundlage. Eine analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Im Ergebnis ist somit lediglich die analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG dogmatisch nicht haltbar, die übrigen Ansichten sind aus dogmatischer Sicht jedenfalls vertretbar. (2) Gerichtliche Kontrollintensität Die vorzugswürdige Lösung ist letztendlich im Wege einer Rechtsfolgenbetrachtung zu finden. Bei präziser Handhabung der BJR müssten sich bezüglich der 114 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF Rn. 50; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Holle, AG 2011, 778, 785. 115 Siehe zu den Voraussetzungen Larenz/Canaris, S. 245 f., deren Einhaltung insbesondere bezüglich des Vorliegens einer unvollständigen Rechtslage äußerst fraglich erscheint. 116 So auch Harnos, S. 233.

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gerichtlichen Kontrollintensität erhebliche Unterschiede ergeben. Inwieweit der Handlungsspielraum des Entscheidungsträgers im Rahmen eines von der BJR unabhängigen unternehmerischen Ermessens von der gerichtlichen Kontrolle befreit sein soll, wird von den Vertretern dieser Meinung nicht näher dargelegt. Bei der vollumfänglichen Anwendung der BJR auf Entscheidungen bei unsicherer Rechtslage dürfte die nachträgliche gerichtliche Kontrolle jedenfalls bezüglich der Vertretbarkeit der Entscheidung nur eine Evidenzkontrolle darstellen.117 Dies erscheint bei der Beurteilung von Rechtsfragen jedoch zu weitgehend. Die entscheidenden Unterschiede zwischen klassischen unternehmerischen Entscheidungen und der Beurteilung einer unklaren Rechtslage bestehen darin, dass letzteres im Fachgebiet des Richters und nicht des Geschäftsleiters anzusiedeln ist und dass bei der Entscheidung nicht das Unternehmenswohl an erster Stelle stehen kann, sondern vielmehr die Wahrung der Rechtsordnung oberstes Ziel sein muss. Insofern kann die gerichtliche Kontrolle nicht darauf beschränkt sein, ob evident eine nicht vertretbare Rechtsansicht eingenommen wurde. Eine intensivere gerichtliche Kontrolle im Rahmen der BJR kommt ebenfalls nicht in Betracht, da dem unternehmerischen Ermessensfreiraum damit sein Sinngehalt genommen würde.118 Eine Anwendung des § 93 I 2 AktG scheidet damit bei der Beurteilung einer unsicheren Rechtslage aus. Für einen Ermessensfreiraum eigener Art bei unsicherer Rechtslage bedeutet dies, dass die gerichtliche Kontrollintensität des § 93 I 1 AktG anzuwenden ist. Das unternehmerische Ermessen schützt insofern nur den Kern der Entscheidung, der Richter darf somit keine inhaltliche Prüfung der unternehmerischen Zweckmäßigkeit der Entscheidung durchführen. Im Übrigen unterliegen die Vertretbarkeit der Entscheidung und die Risikoabwägung jedoch der vollen gerichtlichen Kontrolle.119 Für die Prüfung der Vermeidbarkeit eines Rechtsirrtums kann insofern nichts anderes gelten. Da hier allein die rechtliche Bewertung entscheidend sein muss, ist die unternehmerische Zweckmäßigkeit ohnehin von der Überprüfung auszunehmen. Folglich ist die Entscheidung nach dem Verschuldensmaßstab des § 93 I 1 AktG zu beurteilen, wobei auch hier die Vertretbarkeit der Entscheidung und die Risikoabwägung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

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Siehe hierzu unten § 4 E. I. 2. a). So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 75, mit dem richtigen Hinweis, dass sich der Standard gerichtlicher Kontrolle des § 93 I 2 AktG von jenem des § 93 I 1 AktG unterscheiden muss, da ansonsten § 93 I 2 AktG seine Berechtigung verlieren würde. Eine Einschränkung des Ermessensfreiraumes des § 93 I 2 AktG hätte jedoch genau diese Folge, womit das Ergebnis bei Hopt/Roth, dass § 93 I 2 AktG auf Pflichtaufgaben als eingeschränktes Ermessen Anwendung finden soll, nicht konsequent erscheint. 119 So auch Holle, AG 2011, 778, 785. 118

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(3) Zwischenergebnis Offen ist somit lediglich, ob die Problematik im Rahmen des unvermeidbaren Verbotsirrtums oder eines unternehmerischen Ermessensfreiraumes eigener Art behandelt werden sollte. Beide Ansichten stehen auf vergleichbar wenig gesicherter dogmatischer Grundlage und beide Ansichten verlangen die Erfüllung vergleichbarer Voraussetzungen.120 Im Ergebnis erscheint es vorzugswürdig, die Haftung bereits auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit auszuschließen, um mögliche an die Pflichtwidrigkeit anknüpfende Sanktionen zu vermeiden.121 Handelt ein Geschäftsleiter somit unter unsicherer Rechtslage, kann er sich auf ein unternehmerisches Ermessen eigener Art berufen. c) Beurteilungsspielräume im Rahmen gebundener Entscheidungen Insbesondere bezüglich Organisations-, Planungs- und Überwachungspflichten kann die Geschäftsleitung durch entsprechende gesetzliche Vorgaben in der Entschließungsfreiheit gebunden sein und das unternehmerische Ermessen somit wiederum durch die Legalitätspflicht eingeschränkt sein. Dieser Aspekt entwickelt größere Bedeutung für die AG, da der Vorstand durchaus umfangreichere Pflichten im Compliance-Bereich hat als der GmbH-Geschäftsführer.122 In diesem Aufgabenbereich kann häufig von gebundenen Entscheidungen gesprochen werden, welche dem Geschäftsleiter bezüglich der Frage, ob er tätig werden soll, keinen Freiraum lassen. Die Entscheidung bezüglich der Art und Weise der Umsetzung kann jedoch beispielsweise durch ausfüllungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten offen lassen.123 Bei der Ausfüllung dieses ausdrücklich oder implizit vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsspielraumes kommt dem Geschäftsleiter nach herrschender Meinung ein unternehmerischer Ermessensfreiraum zugute, wobei der Meinungsstand zur richtigen dogmatischen Grundlage jenem zu Entscheidungen unter rechtlicher Unsicherheit sehr nahe steht.124 120

So auch Binder, AG 2012, 885, 890. Auf die Gefahr der Abberufung aufgrund einer Pflichtverletzung verweisend: Habersack, FS Schneider, S. 429, 437; auf den „Makel der Pflichtwidrigkeit“ verweisend: Thümmel, DB 1997, 1117, 1119; Koch, AG 2009, 93, 100. 122 Hierzu zählen insbesondere die gesetzlich normierte Pflicht aus § 91 II AktG zur Risikoüberwachung und für die börsennotierte AG die enge Bindung an den DCGK aus § 161 AktG. 123 So beispielsweise bei § 90 AktG bezüglich des Umfangs der Berichterstattung; siehe zur Pflicht zur Errichtung eines Compliance-Systems aus § 91 II AktG noch ausführlich unten: § 6 A. III. 2. c) cc); bei der Selbstbefreiung von Ad-Hoc-Veröffentlichungspflichten nach § 15 III 1 WpHG; schon bezüglich der Frage, ob ein Tätigwerden erforderlich ist, bei § 92 I AktG; für den Aufsichtsrat in § 87 I 1 AktG bei der Festlegung der Vorstandsbezüge. 124 Für eine Anwendung des § 93 I 2 AktG: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 19; Nietsch, ZGR 2015, 631, 648; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 33; Winnen, S. 159; Schlimm, S. 188 ff.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 13; für einen Ermessensspielraum außerhalb 121

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Im Ergebnis lässt sich auch die zu Entscheidungen bei unklarer Gesetzeslage gefundene Lösung übertragen. Eine direkte Anwendung der BJR scheidet aus, da eine Berücksichtigung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Einschränkungen des Entscheidungsspielraumes nötig ist. Ein explizit oder im Wege unbestimmter Rechtsbegriffe eröffneter Entscheidungsspielraum steht immer im Kontext der speziellen Regelung, aus welcher er hervorgeht.125 Die sich hieraus ergebenden Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit müssen der gerichtlichen Kontrolle zugängig sein.126 Zudem steht wiederum nicht das Unternehmenswohl an erster Stelle der Zielvorgaben der Entscheidung, sondern die Wahrung des gesetzlich vorgegeben Regelungszwecks. Die BJR nur unter diesen Einschränkungen zur Anwendung kommen zu lassen, würde den Gehalt der Regelung wiederum aushöhlen und ist damit abzulehnen. Dementsprechend liegt auch hier ein eigenständiger unternehmerischer Entscheidungsspielraum vor, welcher einer gerichtliche Kontrolle nach den Maßstäben des § 93 I 1 AktG unterliegt. Eine Entscheidung ist allerdings bereits dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung stattgefunden hat und die Entscheidung im Rahmen der nicht gebundenen Entscheidungsdimensionen gemäß des gewährten Entscheidungsspielraums vertretbar ist, allerdings unter Berücksichtigung der Wertungen der konkreten, den Entscheidungsfreiraum einschränkenden gesetzlichen Regelung. d) Bewusstes Abweichen von aktueller Rechts- oder Verwaltungspraxis Der Geschäftsleiter kann sich in einer Situation wiederfinden, in welcher zu einer Rechtsfrage eine aktuelle Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis besteht, er jedoch berechtigterweise annehmen kann, dass die Möglichkeit besteht, dass sich die geltende Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis zugunsten der Gesellschaft ändert. Hierfür wird es jedoch regelmäßig erforderlich sein, zunächst entsprechend der für die Gesellschaft günstigeren Auslegung der Rechtsfrage und damit zuwider der geltenden Rechts- oder Verwaltungspraxis zu handeln. Im Folgenden kann dann gegebenenfalls in einem Rechtsprozess der eigene Standpunkt verteidigt und die aktuelle Rechtsprechungs- oder Verwaltungspraxis geändert werden. Soweit dieses Verfahren jedoch nicht zugunsten der Gesellschaft ausgeht und die Handlung für rechtswidrig erklärt wird, kann der Gesellschaft daraus ein Schaden entstehen, für welchen sie ihren Geschäftsleiter wegen eines Verstoßes gegen die Legalitätspflicht in Anspruch nehmen könnte. Dieses Ergebnis wird von der überwiegenden Ansicht des § 93 I 2 AktG: Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11, 16; Holle, AG 2011, 778, 784; Harnos, S. 141 ff; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; für eine Einordnung auf Verschuldensebene: Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249, 2257, die keine Unterscheidung von gesetzlich implizierten Ermessensfreiräumen und unklarer Rechtslage vornimmt. 125 So auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11. 126 So auch Holle, AG 2011, 778, 784.

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dahingehend korrigiert, dass bei sorgfältiger Entscheidungsvorbereitung und der Verfolgung eines vertretbaren Rechtsstandpunktes – darin liegt der Unterschied zum nützlichen Gesetzesverstoß – kein haftungsbegründendes Verhalten vorliegen kann.127 Richtigerweise ist dieses Ergebnis ebenfalls durch den Ausschluss der Pflichtwidrigkeit bei Einhaltung eines unternehmerischen Ermessens eigener Art nach oben genannten Voraussetzungen128 zu erreichen, wobei eine bereits bestehende Rechtsprechung entsprechend stark bei der Vertretbarkeitskontrolle zu berücksichtigen ist.129 e) Unternehmerische Entscheidung bei rechtmäßigen Entscheidungsalternativen Schließlich kann die Bindung an die Legalitätspflicht auch einige Entscheidungsmöglichkeiten ausschließen, während weiterhin eine Entscheidung zwischen verschiedenen rechtmäßigen Handlungsoptionen getroffen werden kann. So lange der Geschäftsleiter in diesen Fällen noch die Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen hat, welche nicht gegen die Legalitätspflicht verstoßen, liegt ohne weiteres eine unternehmerische Entscheidung vor.130 3. Abgrenzung zur Treuepflicht Die Abgrenzung der unternehmerischen Entscheidung gegenüber Entscheidungen, die gegen die Treuepflicht verstoßen, ist vergleichbar streng zu treffen, wie die Abgrenzung zur Legalitätspflicht. Zum Inhalt der Treuepflicht und damit zu deren konkreten Abgrenzungsmerkmalen sei an dieser Stelle auf spätere Ausführungen verwiesen, in welchen der konkrete Bezug zur GmbH dargestellt werden wird.131 Gegenstand der folgenden Ausführungen wird es vorrangig sein, das Verhältnis von Treuepflichtverletzungen zu den der Treuepflicht nahestehenden Tatbestandsmerkmalen der BJR klarzustellen. a) Keine unternehmerische Entscheidung im Bereich der Treuepflichten Es besteht Einvernehmen darüber, dass gegen die Treuepflicht verstoßende Handlungen nicht von dem Privileg der BJR erfasst sein können, insoweit ist auch der Wille des Gesetzgebers klar artikuliert.132 Die BJR schränkt die gerichtliche Über127 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 30; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 85; Dreher, FS Konzen, S. 85, 93; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256; Rieger, S. 149 f. 128 Siehe oben § 4 B. I. 2. b) cc). 129 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 31. 130 So auch Winnen, S. 167 f. 131 Siehe unten § 6 A. III. 1. 132 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11, die die Verletzung sonstiger Pflichten aus dem Anwendungsbereich des § 93 I 2 AktG ausnimmt und diesbezüglich explizit auch die Treuepflichten nennt.

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prüfung hinsichtlich der Erfüllung von Sorgfaltspflichten ein, die Erfüllung von Treuepflichten ist hiervon strikt zu trennen und muss der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.133 Eine klare Ausgrenzung der Treuepflichten vom Anwendungsbereich der BJR ist aufgrund der Trennung von Sorgfalts- und Treuepflichten angemessen. Weiterhin dafür spricht, dass die nachträgliche Überprüfung von Treuepflichtverstößen regelmäßig nicht denselben Bewertungsschwierigkeiten unterliegt wie jene der Sorgfaltspflichtverstöße.134 Schließlich finden die strikte Trennung und die unterschiedliche rechtliche Behandlung auch rechtsvergleichend Unterstützung: Die Trennung des „standard of care“ und des „standard of loyalty“ und die abweichende Behandlung im Rahmen der BJR sind im US-amerikanischen Recht fest verankert.135 b) Prüfungsstandpunkt Die Treuepflicht ist im deutschen Gesellschaftsrecht nicht explizit normiert und dementsprechend fallen die Formulierungen bezüglich ihres Inhalts nicht einheitlich aus.136 Dem Grunde nach besteht jedoch Einvernehmen über die aus der Treuepflicht hervorgehenden Verhaltensanforderungen. Diese beinhalten vorrangig die ausschließliche Verpflichtung auf die Interessen der Gesellschaft, was zum einen die Vornahme interessenkonfliktbelasteter Geschäfte verbietet, soweit dem unternehmensfremden Interesse der Vorrang eingeräumt wird, und zum anderen die Ausrichtung der eigenen Tätigkeit allein auf das Wohl der Gesellschaft vorschreibt.137 Ein Handeln ohne Interessenkonflikte sowie das Handeln zum Wohle der Gesellschaft sollen nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch auch eigenständige Tatbestandsmerkmale der BJR darstellen.138 So erfolgt in der Literatur teilweise die Prüfung als eigenständige separate Tatbestandsmerkmale,139 teilweise mit dem interessenkonfliktfreien Handeln als Unterpunkt des Handelns zum Wohle der Ge133

So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 67; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 16; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 45; Lutter, ZIP 2007, 841, 843. 134 Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; Schlimm, S. 183 f. 135 Siehe Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 25. 136 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 114; der BGH formuliert sie als die „selbständige treuhänderischen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“, siehe BGH DStR 1995, 1033, 1033, zur GmbH; BGH NJW 2006, 522, 524, zur AG; siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 224; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 108: Geschäftsleiter als „treuhänderischem Verwalter fremden Vermögens“; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 41 „treuhänderische Funktion“. 137 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 108; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 114; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 227; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 95. 138 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 139 Ohne Berücksichtigung der Problematik: Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 20 f.; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 60 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 67 ff.; Lutter, ZIP 2007, 841, 843 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12 f.

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sellschaft140 und teilweise werden beide Merkmale im Rahmen einer separaten Loyalitätsprüfung behandelt.141 Die Abgrenzung der beiden Tatbestandsmerkmale als solche der BJR von ihren im Rahmen der Treuepflicht zu überprüfenden Pendants wird also weder einheitlich vorgenommen noch inhaltlich konsequent durchgeführt. Relevanz entfaltet die Frage insofern, als das Handeln zum Wohle der Gesellschaft dem Geschäftsleiter Ermessensfreiräume eröffnet und bei unzureichender Abgrenzung der Eindruck entsteht, dass diese sich auch auf die Erfüllung der Treuepflichten auswirken könnten. aa) Handeln zum Wohle der Gesellschaft Das Handeln zum Wohle der Gesellschaft lässt sich als Abgrenzungsmerkmal in zwei Richtungen verstehen, womit eine Prüfung sowohl im Rahmen der Treuepflichten als auch als eigenständiges Tatbestandsmerkmal gerechtfertigt ist. Einerseits liegt ein Treuepflichtverstoß vor, soweit nicht ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft gehandelt wurde, also außerhalb des Gesellschaftsinteresses liegende Erwägungen Berücksichtigung gefunden haben. In diesem Fall wird eine negative Abgrenzung nach den Treuepflichten vorgenommen. Das Gesellschaftswohl wird also nicht positiv definiert, sondern es werden Abgrenzungskriterien entwickelt, die einzelne außerhalb des Gesellschaftswohls liegende Handlungen definieren. Andererseits kann das Handeln zum Wohle der Gesellschaft als eigenständiges Merkmal im Sinne einer positiven Zielbestimmung verstanden werden, wobei dem Geschäftsleiter bei der Bestimmung des Gesellschaftswohls im Sinne des Unternehmensinteresses ein weiter Ermessensfreiraum zustehen kann und daher eine Prüfung nach dem strikten Maßstab der Treuepflichten nicht passend ist. Insofern ist die Prüfung als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die richtige Lösung. bb) Handeln ohne Interessenkonflikte Zur Einordnung des Tatbestandsmerkmals der Interessenkonflikte muss zunächst vorangestellt werden, dass der Tatbestand des Interessenkonflikts weder seinem Inhalt noch seinen Rechtsfolgen nach im deutschen Gesellschaftsrecht einheitlich behandelt wird.142 Entsprechend erklärt sich, dass ein Handeln ohne Interessenkonflikte sowohl als Tatbestandsmerkmal treuepflichtgerechten Handelns als auch als eigenständiges Tatbestandsmerkmal der BJR eine eigenständige Bedeutung erlangen kann. Bei der Prüfung treuepflichtgerechten Handelns muss bei einer interessenkonfliktbelasteten Entscheidung zusätzlich festgestellt werden, ob sich das konfligierende Interesse tatsächlich in negativer Weise auf die Gesellschaftsinter140 So kann die Regierungsbegründung verstanden werden, vgl. die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11 f.; Koch, ZGR 2006, 769, 790 f. 141 So Paefgen, AG 2004, 245, 252 f. 142 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; ausführlich Koch, ZGR 2014, 697, 700 ff.; Kumpan, S. 11 ff.; zu unterschiedlichen Anwendungsfällen von Interessenkonflikten Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 330 f.

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essen ausgewirkt hat, ob der Geschäftsleiter also anderen als den Gesellschaftsinteressen den Vorrang eingeräumt hat.143 Verstößt eine Entscheidung in dieser Weise gegen die Treuepflichten, scheidet schon aufgrund des Treuepflichtverstoßes die Anwendung der BJR aus.144 Der Interessenkonflikt in diesem Sinne ist durch das Erfordernis einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Gesellschaftsinteresses stark eingegrenzt. Demgegenüber hat der Gesetzgeber im Zuge der Einführung der BJR einen neuen Tatbestand des Interessenkonflikts geschaffen, dessen Voraussetzungen äußerst abstrakt gehalten sind und damit einen sehr weiten Anwendungsbereich schaffen.145 So schließt hier bereits das Vorliegen eines Interessenkonflikts die Anwendung der BJR aus, ohne dass es auf eine tatsächliche Beeinflussung der Gesellschaftsinteressen ankäme.146 Entsprechend bedarf es allerdings anderer Kriterien, um den Ausschlussgrund des Interessenkonflikts einzugrenzen und damit einen Anwendungsbereich der BJR zu erhalten. c) Zwischenergebnis Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der BJR von treupflichtwidrigen Handlungen lässt sich festhalten, dass jeder Verstoß gegen die Treuepflichten die Anwendbarkeit der BJR ausschließt. In diesen Fällen kommt es daher nicht mehr auf den unternehmerischen Charakter der Entscheidung an. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht liegt vor, wenn der Geschäftsleiter in dem Sinne nicht ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft handelt, dass er nicht ausschließlich den Gesellschaftsinteressen den Vorrang einräumt. Darüber hinaus gilt es als separate Tatbestandsmerkmale der BJR zu prüfen, ob der Geschäftsführer in dem Sinne zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hat, dass sich seine Entscheidung in vertretbarer Weise mit der aktiven Förderung des Unternehmensinteresse vereinbaren lässt,147 und ob er ohne die Beeinflussung eines Interessenkonflikts (im Sinne der BJR) gehandelt hat.148 143

Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 229; Fleischer, WM 2003, 1045, 1050. So auch Winnen, S. 251. 145 Insoweit von einem „entgrenzten Konfliktbegriff“ sprechend: Koch, ZGR 2014, 697, 718; dennoch soll sich für die BJR an die im Rahmen der Treuepflichten von Organen der Aktiengesellschaft entwickelten Erkenntnisse anknüpfen lassen, siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 230. 146 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 92 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 61; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 24; Lutter, FS Canaris, S. 245, 247; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2067; Winnen, S. 254; für eine eingeschränkte Anwendung der BJR Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 338; a.A. Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff., der erst bei einer Verletzung der Treuepflicht die Grenze der Anwendbarkeit der BJR bei Interessenkonflikten erreicht sieht. 147 Siehe dazu unten: § 4 B. II. 148 Siehe dazu unten: § 4 B. III. 144

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Auf den Inhalt der Treuepflichten und damit die konkreten Abgrenzungskriterien zur BJR wird erst im Rahmen einer ausführlichen Darstellung der Treuepflichten von GmbH-Geschäftsführern und AG-Vorständen im Vergleich einzugehen sein.149 4. Zwischenergebnis und Definition zur unternehmerischen Entscheidung Die unternehmerische Entscheidung ist das entscheidende Tatbestandsmerkmal zur Eingrenzung und Konturierung des unternehmerischen Ermessens. Schon hier ist der Bereich möglicher Entscheidungsalternativen auf den Kern des unternehmerischen Handelns einzugrenzen. Dementsprechend streng ist die Abgrenzung zu Sorgfalts- und Treuepflichten vorzunehmen.150 Schon die Einschränkung des Ermessensfreiraumes durch konkrete Pflichtenbindungen führt zu einem Ausschluss der BJR, auch wenn ein unternehmerisches Ermessen eigener Art verbleibt. Dies begründet sich zunächst darin, dass die BJR als eigenständige Kodifizierung nur einen konkretisierten Teilbereich des unternehmerischen Ermessens insgesamt ausmacht.151 Dabei liegt der maßgebliche Vorteil dieser Konkretisierung gerade darin, dass innerhalb von für Gerichte und Entscheidungsträger bestimmbaren Grenzen ein sehr weiter Ermessensfreiraum gewährleistet werden kann. Greift man nun in diesen weiten, der richterlichen Kontrolle im Wesentlichen entzogenen Ermessensfreiraum ein, nimmt man ihm seine eigenständige Bedeutung gegenüber dem ohnehin bestehenden unternehmerischen Ermessen, welches der Richter auch im Rahmen einer Überprüfung nach dem Sorgfaltsmaßstab des § 93 I 1 AktG zu berücksichtigen hat. Dementsprechend kann eine BJR unter Einschränkungen nicht existieren, vielmehr ist strikt zwischen den unterschiedlichen Überprüfungsstandards des § 93 I 1 AktG und des § 93 I 2 AktG zu differenzieren. Weiterhin ist gerade die Unsicherheit, unter der eine unternehmerische Entscheidung zu treffen ist, ein maßgebliches Rechtfertigungskriterium der BJR. Soweit eine Entscheidung jedoch durch eine konkrete Pflicht zumindest in einer Dimension vorgegeben ist, entfällt ein maßgeblicher Teil an Unsicherheit und damit ein Teil einer wichtigen Voraussetzung des weiten unternehmerischen Ermessens.152

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Siehe unten: § 6 A. III. 1. Für eine strikte Abgrenzung zu pflichtgebundenen Entscheidungen auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11, 41: „Die unternehmerische Entscheidung steht im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung.“. 151 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 118, die von einer „Teilkodifikation des unternehmerischen Ermessens“ sprechen; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Holle, AG 2011, 778, 785. 152 Ebenfalls eine Unsicherheit bei einer Entscheidung als Voraussetzung für eine unternehmerische Entscheidung einordnend: Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11, 41 („durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“); Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 41; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 18; Fleischer, NZG 2011, 521, 522; Baums, ZGR 2011, 218, 223; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106. 150

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Eine unternehmerische Entscheidung ist demnach als eine Entscheidung zu definieren, die nicht in mindestens einer Dimension für den Einzelfall konkretisierbar positiv vorbestimmt oder in ihrer konkreten Form verboten ist. Keine unternehmerische Entscheidung im Sinne der BJR liegt also vor, wenn der Entscheidungsträger in seinem Entschließungsermessen beschränkt ist oder die Art und Weise der Entscheidung durch gesetzliche Pflichten zumindest in Teilen positiv vorgegeben ist. Dies gilt auch dann, wenn trotz der Beschränkung ein eigenständiger Beurteilungsspielraum verbleibt. II. Zum Wohle der Gesellschaft Das Handeln zum Wohle der Gesellschaft muss als eigenständiges Tatbestandsmerkmal als Verhaltensziel des Geschäftsleiters positiv definiert werden und unterscheidet sich darin von dem gleichnamigen Tatbestand der Treuepflichten.153 Nur bei der positiven Definition des Gesellschaftswohls und bei der Frage, ob die Handlung diesem zuträglich ist, kann dem Geschäftsleiter ein eigenständiger Ermessensfreiraum zustehen; bezüglich der im Rahmen der Treuepflicht bestehenden negativen Abgrenzungsmerkmale des Handelns außerhalb des Gesellschaftswohls gerade nicht.154 Für eine solche Unterscheidung spricht auch der Gesetzeswortlaut des § 93 I 2 AktG, der speziell bezüglich des Handelns zum Wohle der Gesellschaft einen Ermessensfreiraum einräumt und damit eine unabhängig von den Treuepflichten zu verfolgende Zielvorgabe beschreibt.155 1. Inhalt des Gesellschaftswohls Die durch den Geschäftsleiter zu verfolgende Zielvorgabe ist positiv festzulegen, da sich hieran die ordnungsgemäße Erfüllung der Sorgfaltspflichten bemisst. Insofern ist auf den zur Leitungsaufgabe des Vorstands nach § 76 I AktG entwickelten Begriff des Unternehmensinteresses abzustellen.156 Mit der abweichenden Formulierung als Gesellschaftswohl wollte der Gesetzgeber lediglich den Minimalkonsens der zum Unternehmensinteresse entwickelten Meinungen erfassen.157 Der Begriff und damit der Inhalt des Tatbestandsmerkmals des Gesellschaftswohls sind folglich 153 Vergleichbar zwischen dem Unternehmensinteresse als „äußere Grenze“ der BJR und dem Unternehmensinteresse zur Bestimmung der ermessensleitenden Interessen unterscheidend: Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 66. 154 Siehe zur Abgrenzung oben: § 4 B. I. 3. b) aa). 155 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11: Die Formulierung „vernünftigerweise annehmen durfte“ definiert die Grenzen des Ermessensfreiraumes und bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut unmittelbar auf das Handeln zum Wohle der Gesellschaft. 156 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 21 ff.; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 60 ff.; Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 18 ff. 157 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 46; ders., NZG 2005, 865, 872.

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mit dem Begriff des Unternehmensinteresses gleichzusetzen,158 also mit der Gesamtheit der Interessen, welche der Geschäftsleiter berücksichtigen und bei der Entscheidung in Einklang bringen muss und an welchen er sein Handeln auszurichten hat.159 Welche Interessen das Unternehmensinteresse in welcher Gewichtung umfasst ist im Aktienrecht umstritten. Diesbezüglich bestehen zwei maßgebliche Strömungen. Der wohl vorherrschende interessenpluralistische Ansatz stellt auf die Interessen aller maßgeblich am Wohlergehen des Unternehmens Beteiligten ab, die auch als Stakeholder160 bezeichnet werden. Die nach der Kommentarliteratur zum Aktienrecht maßgeblichen Interessen sollen insbesondere die der Aktionäre, die der Arbeitnehmer und die Interessen der Allgemeinheit sein.161 Der BGH bezieht auch die Gläubigerinteressen mit ein.162 Aufgabe des Vorstands ist es, diese Interessen im Wege der praktischen Konkordanz in Einklang zu bringen,163 wobei unter den Stakeholdern keinem der Interessenträger Vorrang eingeräumt werden soll.164 Eine leicht abweichende Ansicht räumt den Aktionärsinteressen innerhalb des interessenpluralistischen Ansatzes einen gewissen Gewichtungsvorsprung ein.165 158 So die herrschende Meinung: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 97 f.; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 23; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 24; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 47; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 16, 27; Winnen, S. 240; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257; Fleischer, ZIP 2004, 685, 690; Hüffer, FS Raiser, 163, 167; differenzierend noch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF Rn. 26 ff.; ebenfalls differenzierend, aber im Ergebnis zu einer Übereinstimmung von Gesellschaftswohl und Unternehmensinteresse kommend: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2006, 2189, 2191. 159 Siehe Goette, FS BGH, S. 123, 127. 160 Der Begriff entspringt der Führungstechnik nach dem „Stakeholder Value“, siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 1 Rn. 26, und umfasst in seiner betriebswirtschaftswissenschaftlichen Auslegung die Interessen von Eigen- und Fremdkapitalgebern, Arbeitnehmern, Management, Kunden, Lieferanten und der Öffentlichkeit, siehe Wöhe, S. 50 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29. 161 Ziff. 4.1.1 DCGK, Version vom 05. 05. 2015; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 19; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 30 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 76 Rn. 10; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1. a) (S. 804 f.); so auch OLG Hamm, AG 1995, 512, 514. 162 Siehe Henze, BB 2000, 209, 212, der als ehemaliger BGH-Richter einen Einblick in die Auslegungskriterien des BGH gibt. 163 Siehe Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 19. 164 So die wohl h.M.: Ziff. 4.1.1 DCGK, Version vom 05. 05. 2015; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 19; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 30 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 76 Rn. 10; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1. a) (S. 804 f.); so wohl auch der BGH: Henze, BB 2000, 209, 212; deutlich OLG Frankfurt, AG 2011, 918, 918 f. 165 Zu einem Gewichtungsvorsprung der Aktionärsinteressen tendierend: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 34; ders., GmbHR 2010, 1307, 1308; Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 23; Klöhn, ZGR 2008, 110, 155; Winnen, S. 237; Scholl, S. 264 f.

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Die Gegenansicht spricht sich für ein interessenmonistisches Modell allein zugunsten der Shareholder,166 also der Anteilseigner aus.167 Zentrales Ziel der Unternehmensführung soll es demnach sein, den Unternehmenswert zu steigern und damit den Wert der von den Aktionären gehaltenen Anteile.168 Der Vorzug dieses Modells besteht darin, dass sich ein rechtlich überprüfbares Verhaltensziel ermitteln lässt, wohingegen bei einem interessenpluralistischen Ansatz die Gefahr besteht, dass sich für jedwede Entscheidung ein Interesse finden ließe, welches die Entscheidung rechtfertigt.169 Im Ergebnis finden sich jedoch nicht hinreichend überzeugende Anhaltspunkte im Gesetz für eine rein Shareholder-orientierte Ausrichtung des Unternehmensinteresses.170 Vielmehr lässt sich eine größere Flexibilität des Vorstands zugunsten des interessenpluralistischen Modells anführen.171 Weiterhin spricht gerade die nach der gesetzlichen Konzeption des Aktienrechts kaum vorhandene Bindung der Geschäftsleitung an den Aktionärswillen für eine Berücksichtigung auch anderer Interessen. Im Ergebnis ist es jedoch eine rechtspolitische Entscheidung, welche Interessen Berücksichtigung finden sollen. Diesbezüglich hat sich der Gesetzgeber durch die Einführung des § 70 AktG 1937172 gegen die bis dahin bestehende auftragsähnliche Bindung des Vorstands an die Aktionärsinteressen und für eine eigenständige Wahrnehmung von Aktionärs- Arbeitnehmer- und Gemeinwohlsinteressen durch den Vorstand entschieden.173 Diese Grundkonzeption des eigenständig handelnden Vorstands wurde auch durch den heutigen § 76 I AktG174 übernommen. Wenngleich die Arbeitnehmerinteressen und der nationalsozialistisch vorbelastete Begriff des Gemeinwohls keine ausdrückliche Erwähnung mehr finden, wurde die Fortgeltung der eigenständigen Interessengewichtung durch den Vorstand als

166 Der Begriff entspringt der Führungstechnik nach dem „Shareholder Value“, entwickelt von Rappaport in dem Werk „Creating Shareholder Value“, siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29; zu den betriebswirtschaftlichen Grundlagen Wöhe, S. 50 ff.; Bea/Haas, S. 85 ff. 167 So Arnold, S. 50; Pape, BB 2000, 711, 711 ff.; Groh, DB 2000, 2153, 2157 f.; Paefgen, S. 58 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 156. 168 Siehe Pape, BB 2000, 711, 711; für eine differenzierte Betrachtung der Aktionärsinteressen Arnold, S. 50. 169 So die maßgebliche Kritik am interessenpluralistischen Ansatz: Kübler, FS Zöllner, S. 231, 334; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; dagegen Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 17; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 71; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 191 f., die dem Shareholder-Value-Ansatz ebenfalls eine unzureichende Bestimmbarkeit nachweisen. 170 Überzeugend die mögliche Anknüpfung an § 71 I Nr. 8 AktG und § 192 II Nr. 3 AktG wiederlegend: Winnen, S. 230 f. 171 So Winnen, S. 233 f. 172 51. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. 01. 1937 (RGBl. I S. 107). 173 Siehe Hüffer, FS Raiser, S. 163, 167 f. 174 Aktiengesetz vom 06. 09. 1965 (BGBl. I S. 1089).

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selbstverständlich angesehen.175 Insofern ist dem Willen des Gesetzgebers zu folgen und auch de lege lata der interessenpluralistische Ansatz anzuwenden. 2. Ermessensfreiraum bei der Bestimmung des Gesellschaftswohls Soweit man mit der hier vertretenen Ansicht annimmt, dass sich das Unternehmensinteresse in der AG aus einer Vielzahl verschiedener Interessen zusammensetzt, welche in Einklang zu bringen sind, ergibt sich aus dieser Erkenntnis, dass dem in eigener Verantwortung handelnden Geschäftsleiter ein eigenständiger Ermessensfreiraum bei der Gewichtung der verschiedenen Interessen zu gewähren ist.176 Dieser Ermessensfreiraum entspringt der Leitungsmacht des Vorstands177 und ist von dem im Rahmen der BJR gewährleisteten Ermessen zu unterscheiden. Während dem Vorstand im Rahmen seiner Leitungsaufgabe gewisse Freiheiten bei der Ermittlung des Unternehmensinteresses selbst zustehen, gewährt die BJR dem Geschäftsleiter ein Ermessen bezüglich der Frage, ob eine Handlung dem bereits identifizierten Unternehmensinteresse zuträglich sein wird oder nicht. Eine BJR kann dem Geschäftsleiter bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses nicht zugutekommen, da die BJR nicht zur Bestimmung ihrer eigenen Grenzen und Zielvorgaben herangezogen werden kann. Das Ermessen bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses findet seine Grenzen in den hierzu entwickelten Mindestanforderungen, insbesondere muss die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens gewährleistet werden.178 So führt auch die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum UMAG aus, dass das Handeln der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ dienen soll.179 Im Ergebnis ist nach heutigem Meinungsstand hierin die einzige einheitlich vertretene und damit praktikable rechtliche Grenze des Ermessensfreiraumes zur Bestimmung des Unternehmensinteresses zu erkennen. Weder die Vertreter des interessenpluralistischen Ansatzes noch die Vertreter des Shareholder-Value-Ansatzes können weitergehende Eingrenzungskriterien der Leitungszielvorgaben liefern. Vielmehr zeigt sich, dass im Ergebnis nach beiden Ansichten doch alle betroffenen Interessenträger mittelbar 175 Siehe die Begr. RegE AktG und EGAktG vom 03. 02. 1962, BT-Dr IV/171, S. 121: „Diese Regelung entspricht dem geltenden Recht (§ 70 Abs. 1 AktG). Daß der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre und der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat, versteht sich von selbst und braucht deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt zu werden. Gleiches gilt für die Belange der Allgemeinheit.“. 176 Siehe BGH NJW 1994, 1410, 1411; so auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 28; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 193; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 20; a.A. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 46. 177 Siehe hierzu noch ausführlich unten: § 5 A. I. 178 Siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53 ff; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 34 f.; Goette, FS BGH, S. 123, 127; Hüffer, FS Raiser, S. 163, 168 ff.; Heinz, in: Schüppen/Schaub, § 22 Rn. 29; Schilling, BB 1997, 373, 379. 179 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11.

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oder unmittelbar Berücksichtigung finden, hieraus jedoch keine klaren Ermessensgrenzen abzuleiten sind.180 3. Ermessensfreiraum bezüglich der Gesellschaftswohlzuträglichkeit Erst jetzt, bei der Frage, ob eine Maßnahme dem bereits identifizierten Unternehmensinteresse zuträglich ist oder nicht, beginnt der Anwendungsbereich der BJR. Bei seiner Entscheidung muss der Geschäftsleiter gemäß § 93 I 2 AktG nur „vernünftigerweise annehmen dürfen, […] zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Dies bedeutet, dass aus einer ex ante Perspektive zu beurteilen ist, ob der Geschäftsleiter in dem guten Glauben sein durfte, im Unternehmensinteresse zu handeln.181 Aus der Formulierung lässt sich weiterhin auf einen gemischt subjektivobjektiven Prüfungsmaßstab schließen, womit der Entscheidungsträger einen weiten Entscheidungsspielraum bezüglich der antizipierten Auswirkungen auf das Wohl der Gesellschaft hat. Dieser ist von den Gerichten nur dahingehend überprüfbar, ob zumindest eine vernünftige Entscheidung vorlag. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn in völlig unverantwortlicher Weise Risiken eingegangen werden, welche den Bestand der Gesellschaft gefährden.182 Für die gerichtliche Kontrolldichte ist die Konsequenz, dass nach absolut vorherrschender Meinung lediglich eine Evidenzkontrolle stattzufinden hat.183 Eine solche, nur auf evidente Verstöße gerichtete Kontrolle, findet auch in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung Widerhall, in welcher der BGH erst bei „deutlichem Überschreiten“ der durch das „Unternehmenswohl“ gesetzten Grenzen eine Haftung in Betracht zieht.184 Im Ergebnis muss sich der Richter also in die Sichtweise des Entscheidungsträgers in der Entscheidungssituation begeben und prüfen, ob die Entscheidung offensichtlich nicht dem Wohl der Gesellschaft diente. Dies kommt per Definition185 einer Prüfung des 180 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 43 f.; Scholl, S. 263, die betonen, dass auch bei dem Shareholder-Value Ansatz die Interessen der übrigen Interessenträger mittelbar Berücksichtigung finden; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 66; Scholl, S. 259, die darlegen, dass auch die Shareholder-Interessen nicht eindeutig auszulegen sind und insofern auch hier kein eindeutiges Handlungsziel geschaffen wird. 181 Siehe Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 23; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 47; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 24. 182 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 23; Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn. 482; ders., ZIP 2007, 841, 844. 183 Siehe Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 23; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 67; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 56; Winnen, S. 241. 184 BGH NJW 1997, 1926, 1928. 185 Siehe zur Definition der groben Fahrlässigkeit: BGH NJW 2010, 3292, 3295: „[…]die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat“; Grundmann, in: MüKo BGB, § 276 Rn. 94.

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Verhaltens auf grobe Fahrlässigkeit sehr nahe,186 eine Prüfung auf der Ebene des Verschuldens ist jedoch dogmatisch nicht zu rechtfertigen,187 womit dieser vermeintliche Kunstgriff auf den gerichtlichen Überprüfungsmaßstab sachgerecht ist. So ist auch die Formulierung „vernünftigerweise“ als Objektivierung des Tatbestandes zu verstehen und als Abgrenzung zu einem Ausschluss der Haftung auf Verschuldensebene.188 a) Abgrenzung zu den Treuepflichten Wie bereits dargestellt, weist das Tatbestandsmerkmal des Handelns zum Wohle der Gesellschaft eine enge Verbindung zu den Treuepflichten auf. Dementsprechend ist bei der Frage, wann eine Handlung offensichtlich nicht mehr vom Unternehmensinteresse gedeckt ist und damit bei der Bestimmung der Grenzen des unternehmerischen Ermessens, zunächst der Unterschied herauszuarbeiten, wann eine Verletzung der Treuepflicht, also ein anfänglicher Ausschluss des Ermessens, und wann eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, also eine Überschreitung des Ermessensspielraumes selbst, vorliegt. Die Treuepflichten der Geschäftsleiter zielen auf ein loyales Verhalten desselben ab189 und damit insbesondere auf Fälle, in denen Interessenkonflikte vorliegen oder der Geschäftsleiter Sondervorteile für sich in Anspruch nimmt.190 Treuepflichten sollen somit widerstreitende Interessen in Ausgleich bringen.191 Der für die Abgrenzung relevante Bereich der Sorgfaltspflichten betrifft hingegen die Pflicht, die aktive Verfolgung des Unternehmensinteresses mit der nötigen Sorgfalt vorzunehmen.192 Um die Grenzen einer sorgfaltsgerechten Ermessensausübung zu ermitteln, sind dementsprechend Fälle, in denen das Unternehmensinteresse schon deswegen verfehlt wurde, weil Interessen außerhalb desselben Berücksichtigung gefunden haben, auszuklammern. Sodann ist zu ermitteln, ob sich im Übrigen Fallgruppen ermitteln lassen, welche das Unternehmensinteresse ohne äußere Interesseneinflüsse derart grob verfehlen, dass von einem offensichtlichen Ermessensfehler gesprochen werden kann.

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So auch Bachmann, FS Stilz, S. 25, 28. So auch Ulmer, DB 2004, 859, 862; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Fleischer, ZIP 2004, 685, 689: Die darauf verweisen, dass eine Vermischung von Pflichtmaßstäben und Sorgfaltsmaßstäben stattfinden würde und dass auch sachlich eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit nicht gerechtfertigt sei. 188 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 59. 189 Siehe Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 115; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 96. 190 Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1049. 191 Siehe Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 179. 192 Diesen Teilbereich der Sorgfaltspflichten als „Sorgfaltspflichten im engeren Sinne“ bezeichnend: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 12. 187

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b) Einzelfälle Außerhalb der Treuepflichten liegende klare Grenzen des unternehmerischen Ermessens finden sich in erster Linie in den Mindestanforderungen des Unternehmensinteresses, wonach jedenfalls die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft zu sichern ist.193 aa) Unverantwortliche Risiken und die Grenze der Existenzbedrohung In dieser Kategorie lässt sich zunächst der vom BGH entwickelte Maßstab aufführen, wonach jedenfalls, wenn „die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist“,194 eine Überschreitung des Ermessens vorliegt.195 Dementsprechend erfüllt das Eingehen von Risiken, die völlig außer Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen, nicht die Anforderungen einer sorgfaltspflichtgerechten Handlung. Dieses Maß soll dann erreicht sein, wenn „das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen.“196 Hierunter fällt beispielsweise die Lieferung auf Kredit ohne die branchenüblichen Sicherheiten.197 Eine besondere Brisanz entwickeln die Risikogeschäfte, sobald die Existenz des Unternehmens durch das Geschäft gefährdet wird. Diesbezüglich wird teilweise angenommen, dass einzelne existenzgefährdende Maßnahmen nie den Schutz der BJR genießen.198 Dies wird mit dem in diesen Situationen besonders benötigten Gläubigerschutz und mit den fehlenden Möglichkeiten zur nachträglichen Einwirkung durch die Aktionäre begründet.199 Die Gegenansicht stellt zu Recht auf den Einzelfall ab und erkennt, dass besonders in der Gründungsphase und bei bestimmten Geschäftsmodellen dauerhaft die Gefahr der Existenzvernichtung bei vielen Entscheidungen unumgänglich ist.200 Demensprechend ist die BJR anwendbar, die 193 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53 ff; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 34 f.; Goette, FS BGH, S. 123, 127; Hüffer, FS Raiser, S. 163, 168 ff.; Heinz, in: Schüppen/Schaub, § 22 Rn. 29; Schilling, BB 1997, 373, 379. 194 BGH NJW 1997, 1926, 1928. 195 So auch die Meinung in der Literatur: Lutter, ZIP 2007, 841, 845, Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 93 Rn. 75; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 54. 196 BGH NZG 2002, 195, 196; BGH NZG 2005, 562, 563. 197 Siehe ThürOLG Jena, NZG 2001, 86, 87. 198 So Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 54; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 87; Lutter, ZIP 2007, 841, 845; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100; Winnen, S. 242 f.; in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, CCZ 2010, 117, 119; siehe auch Semler, FS Ulmer, S. 627, 635, der allerdings in besonderen Fällen Ausnahmen zulassen will, so bei Start-Ups, wenn die Anteilseigner und die Kreditgeber zugestimmt haben. 199 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 54. 200 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 27; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 590; Drygala, FS Hopt, S. 541, 543 f., 550, 557 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 99; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 18; Baums, ZGR 2011, 218, 237 ff.

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Möglichkeit der Existenzvernichtung muss jedoch bei der Risikogewichtung entsprechend berücksichtigt werden. bb) Offensichtlich fehlender Unternehmensbezug Weiterhin außerhalb des zulässigen Ermessens liegen Maßnahmen, die das Gesellschaftsvermögen schädigen und bei denen offensichtlich kein Interesse auf Unternehmensseite ersichtlich ist, welches die Maßnahme rechtfertigen würde. Folglich Ausgaben ohne erkennbaren, dem Unternehmensinteresse in irgendeiner Weise zuträglichen Gegenwert. Hierunter sind Fälle wie die versäumte Anmeldung von Kurzarbeit, obwohl diese sich aufdrängte,201 und Lieferungen an eine bereits zahlungsunfähige Gesellschaft202 zu fassen. Weiterhin in diese Kategorie gehören evident wirtschaftlich nachteilige Geschäfte, die sich auch nicht aus anderen rationalen Gründen im Unternehmensinteresse rechtfertigen lassen.203 Hierunter fallen völlig nutzlose Beraterverträge,204 Geschäfte weit abseits der marktüblichen Konditionen205 und Nichtgeltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft,206 jeweils ohne anderweitige besondere Umstände, welche ein Handeln im Unternehmensinteresse rechtfertigen könnten. Als besonderer Fall sind Spenden aus dem Gesellschaftsvermögen zu betrachten. Diese sind zunächst unmittelbar wirtschaftlich nachteilig und könnten daher offensichtlich dem Unternehmensinteresse an einem dauerhaft rentablen Wirtschaften widersprechen. Im Sinne des interessenpluralistischen Ansatzes ist die Zulässigkeit von Spenden in einem angemessenen Rahmen mit hinreichender Berücksichtigung aller relevanten Interessen jedoch anerkannt, da dies dem Interesse der Allgemeinheit dient und die Reputation der Gesellschaft als „good corporate citizen“ stärkt.207 4. Zwischenergebnis Das weite Ermessen bei der Beurteilung der Gesellschaftswohl-Dienlichkeit von unternehmerischen Entscheidungen stellt den Kern der BJR dar und ist damit im Sinne der Effektivität der BJR uneingeschränkt zu gewährleisten.208 Die notwen201

Siehe BGH NJW 2003, 358, 259. Siehe BGH NJW-RR 1986, 1293, 1293 f. 203 Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 7 Rn. 71; M. Roth, S. 131; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1121 f. 204 Siehe BGH NJW 1997, 741, 742. 205 Siehe BGH NZG 1998, 726, 727 (Leasing zum Preis von 800.000,– DM bei einem Kaufpreis von 260.000,– DM); aktuell zur GmbH & Co. KG BGH NZG 2013, 1021, 1023 (unangemessene Vergütung, grundlose Preisgabe von Verwertungsrechten). 206 Siehe KG GmbHR 1959, 257 (zur GmbH); BGH WM 1982, 532 (zur Genossenschaft). 207 Siehe BGH NJW 2002, 1585, 1586 f.; Westermann, ZIP 1990, 771, 774; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 106 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 210; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 33; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 45 ff. 208 So auch Bachmann, ZHR 2013, 1, 9 f. 202

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digen Voraussetzungen des Ermessensfreiraumes zur Gewährleistung einer qualitativ angemessenen Entscheidung werden vorrangig durch die übrigen Tatbestandsmerkmale der BJR geschaffen, dementsprechend ist ein Überschreiten der Ermessensgrenzen erst bei absolut evidenten Fällen anzunehmen. Die Ermessensgrenze bestimmt sich nach dem Unternehmensinteresse und damit im Ergebnis nach der Maßgabe, die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft zu gewährleisten. Diese Schwelle ist insbesondere bei der Eingehung völlig unverhältnismäßiger Risiken und der Verschwendung von Unternehmensmitteln überschritten. Insgesamt Ist die Entscheidung des Geschäftsleiters am Maßstab einer Evidenzkontrolle zu überprüfen, so dass erst offensichtlich unvernünftige Entscheidungen den Sorgfaltsanforderungen nicht mehr genügen. III. Ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse Der Geschäftsleiter soll sich nur auf sein eigenständiges unternehmerisches Ermessen berufen können, wenn er keine anderen Interessen abseits des Unternehmensinteresses im Blick hat. Insofern soll das Handeln „frei von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz“ eine notwendige Voraussetzung eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft sein.209 Wie schon im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen Entscheidung dargestellt,210 ist hier eine besondere Eingrenzung der Interessenkonflikte angezeigt. Soweit sich ein Interessenkonflikt verwirklicht hat, den Gesellschaftsinteressen also tatsächlich nicht die absolute Priorität eingeräumt worden ist, liegt ein Verstoß gegen die Treuepflicht vor und der Anwendungsbereich der BJR ist nicht eröffnet. Folglich ist für das eigenständige Tatbestandsmerkmal des Interessenkonflikts ein Anwendungsbereich unterhalb der Grenze der interessenwidrigen Auflösung des Interessenkonflikts zu identifizieren, der dennoch hinreichend eingegrenzt ist, um den Anwendungsbereich der BJR nicht zu stark zu beschränken.211

209 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; so auch die absolut herrschende Meinung, siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 90 f.; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 25 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 24; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 60 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Lutter, FS Canaris, S. 245, 247; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2067; Winnen, S. 254; Schlimm, S. 293 f.; Koch, ZGR 2014, 697, 701 ff.; a.A. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 19, die allein auf den guten Glauben, zum Wohle der Gesellschaft handeln zu wollen, abstellen und einen bestehenden Interessenkonflikt nicht notwendig als diesem guten Willen abträglich ansehen; Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff., der erst bei einer Verletzung der Treuepflicht die Grenze der Anwendbarkeit der BJR bei Interessenkonflikten erreicht sieht. 210 Siehe oben § 4 B. I. 3. b) bb). 211 Ebenfalls die Abgrenzung von Treuepflichten und Interessenkonflikten i.S.d. BJR herausstellend: Koch, ZGR 2014, 697, 703; Winnen, S. 250 f.

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1. Abstrakte Kriterien zur Feststellung eines Interessenkonflikts Eine einheitlich anerkannte Definition eines Interessenkonflikts sucht man in der Literatur vergebens.212 Die Gesetzesbegründung stellt insoweit auf „Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses“ ab, welche jedenfalls bei einem „Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden müssen“, wobei dieser Nutzen dann legitim sein soll, wenn er sich „nur mittelbar aus dem Wohl der Gesellschaft ableitet“.213 Aus dieser Darstellung lässt sich folgern, dass richtigerweise eine Abgrenzung zum Unternehmensinteresse stattfinden muss und dass neben dem Geschäftsleiter auch andere potentielle Interessenträger identifiziert werden müssen. Wenig hilfreich ist hingegen das Merkmal des Nutzens, da jeder tatsächlich gewährte Vorteil schon einen Treuepflichtverstoß begründen würde.214 Die Art und Weise des Interessenkonflikts kann also nicht durch einen tatsächlichen Nutzen beschrieben werden, sondern erfordert eine differenziertere Betrachtung. Als Anknüpfungspunkt können weiterhin die Erkenntnisse zu Interessenkonflikten im Bereich der Treuepflichten herangezogen werden. Anschauungsmaterial bieten hier insbesondere die vielgestaltigen Interessenverflechtungen von Aufsichtsratsmitgliedern. Dieses ist jedoch nur bedingt übertragbar, da die Treuepflicht von Mitgliedern des Aufsichtsrats einen anderen, tendenziell weniger strengen Inhalt hat als die des Vorstands.215 Insofern können die dortigen Erkenntnisse allenfalls als äußere Grenze herangezogen werden. Läge also bei einer Entscheidung für ein Aufsichtsratsmitglied ein Interessenkonflikt vor, so müsste dies in jedem Fall auch für ein Vorstandsmitglied in entsprechender Entscheidungssituation gelten. Wesentlich größere Bedeutung haben die Erkenntnisse zur Offenlegungspflicht des Vorstands bei Interessenkonflikten, wie sie auch im DCGK festgeschrieben ist.216 Diese knüpft bereits vor der Auflösung eines Interessenkonflikts zulasten der Gesellschaft an und damit in einem vergleichbaren Stadium der Interessenkonfliktentwicklung wie das hier behandelte Tatbestandsmerkmal der BJR.217 Ein Hinweis zum Gleichlauf der Tatbestände findet sich auch in der Regierungsbegründung zum UMAG, nach welcher ein die BJR ausschließender Interessenkonflikt nicht vorlie212 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; am ehesten verbreitet jedoch die Definition von Lutter, FS Priester, S. 417, 423. 213 Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 214 So auch Hauschka, GmbHR 2007, 11, 14. 215 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 228; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148. 216 Ziff. 4.3.3 DCGK, Version vom 05. 05. 2015. 217 Für die Offenlegung von potentiellen Interessenkonflikten: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 110; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 275; für eine Offenlegung von konkreten Interessenkonflikten: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 130a; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1100; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148; Koch, ZGR 2014, 697, 725.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

gen soll, soweit der Offenlegungspflicht genügt wird.218 Insgesamt wird bei der Berücksichtigung der vorgenannten Erkenntnisquellen jedoch Vorsicht geboten sein, da Interessenkonflikte im Aktienrecht nicht einheitlich behandelt werden und jedenfalls im Detail inhaltliche Unterschiede bestehen.219 a) Konflikt mit dem Unternehmensinteresse Zur Ermittlung des maßgeblichen Unternehmensinteresses, auf welches sich der Interessenkonflikt beziehen soll, kann auf die obigen Ausführungen zum Unternehmensinteresse verwiesen werden.220 Weiterhin ist bezüglich der Berücksichtigung der Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern und der Allgemeinheit allein der ebenfalls bereits erwähnte Ermessensspielraum des Vorstands bei der Gewichtung dieser Interessen relevant und nicht die Frage eines Interessenkonflikts.221 Schließlich ist ein Handeln im Unternehmensinteresse trotz bestehender Eigeninteressen möglich, solange sich der eigene Vorteil nur mittelbar aus dem Unternehmensinteresse ergibt.222 b) Relevante Interessenträger Als möglicher Interessenträger außerhalb des Unternehmensinteresses kommt zunächst der Entscheidungsträger selbst in Betracht. Dieser kann selbst Vertragspartei gegenüber der Gesellschaft werden, in diesen Fällen wird in der AG ein unmittelbarer Interessenkonflikt durch § 112 AktG umgangen, da stets der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand vertritt. Der Vorstand kann jedoch auch ein eigenes Interesse an einem Geschäft haben, ohne selbst Vertragspartei zu sein, und in dieser Konstellation ohne weiteres einem Interessenkonflikt unterliegen. Weiterhin können dem Entscheidungsträger nahestehende Personen und Gesellschaften Interessenträger sein. Auch hier kann unterschieden werden, ob diese selbst Vertragspartei sind oder nur ein mittelbares Interesse an dem Geschäft haben. Der Begriff nahestehend ist dabei selbst ausfüllungsbedürftig und stellt ein eigenständiges Merkmal zur Konkretisierung eines möglichen Interessenkonflikts dar.

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Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. Ausführlich Koch, ZGR 2014, 697, 700 ff.; zu unterschiedlichen Anwendungsfällen von Interessenkonflikten Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 330 f., ebenfalls die Voraussetzung der Offenlegungspflicht und die der BJR unterschiedlich beurteilend Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 61 und 62. 220 Siehe oben § 4 B. II. 1. 221 Siehe oben § 4 B. II. 2.; siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 232. 222 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 24; krit. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068, der eine Anwendung bei Entscheidungen „auch“ im Unternehmensinteresse ablehnt. 219

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Schließlich können auch die Interessen einer Partei, die einen beherrschenden Einfluss auf den Geschäftsleiter ausüben kann, dem Unternehmensinteresse widersprechen und damit eine unabhängige Entscheidung des Geschäftsleiters gefährden. c) Näheverhältnis Bezüglich des Erfordernisses eines Näheverhältnisses bei der Zurechnung von Drittinteressen ist zunächst die Bedeutung desselben als Tatbestandsmerkmal herauszustellen. Soweit es als allgemeine Voraussetzung für die Zurechnung von Drittinteressen verstanden wird, ist der Begriff weit zu fassen und eine Eingrenzung im Rahmen der Intensität des Interesseneinflusses vorzunehmen. Insofern ist jedes Verhältnis erfasst, das für den Entscheidungsträger geeignet ist, sich selbst Interessen einer dritten Person zu eigen zu machen.223 Soweit das Verhältnis im Sinne eines qualifizierten Näheverhältnisses224 als Indiz für einen Interessenkonflikt dienen soll und in der Folge die Anforderungen an den Nachweis eines tatsächlichen Interessenkonflikts herabgesetzt sein sollen, ist ein engeres Begriffsverständnis angebracht. In diesem Sinne ist die Formulierung des Gesetzgebers zu verstehen, dass eine Beeinflussung „offensichtlich“ bei Geschäften mit „nahestehenden Personen oder Gesellschaften“ vorliegt, wobei selbst hier zusätzlich der Nachweis eines „Nutzens“ zugunsten dieser unternehmensfremden Parteien verlangt wird.225 Wie bereits eingangs dargestellt, ist ein tatsächlicher Nutzen kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal. Vielmehr sind nahestehende Personen oder Gesellschaften, deren Eigeninteressen bereits einen konfliktauslösenden Interesseneinfluss vermuten lassen sollen, nach differenzierteren Kriterien zu bestimmen. Für eine entsprechende Eingrenzung kann zunächst auf die Verwendung des Begriffs der nahestehenden Personen im Gesetz abgestellt werden. Eine einheitliche Verwendung sucht man allerdings vergeblich und im Rahmen des § 93 I 2 AktG wird der Begriff ohne Erläuterung vorausgesetzt.226 Teilweise wird die Aufzählung interessenkonfliktbelasteter Parteien in § 89 III AktG herangezogen, womit Ehegatten, Lebenspartner, minderjährige Kinder des Vorstandsmitglieds, dessen Vertreter und

223 So ist das weite Verständnis bei Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 113 f. zu verstehen, der zunächst auch Respektpersonen und Freunde mit einschließt, anschließend jedoch Interessenkonflikte nach ihrer tatsächlichen Auswirkung im Einzelfall beurteilt. 224 Ein qualifiziertes Näheverhältnis liegt nach hier vertretener Auffassung dann vor, wenn die Interessen der nahestehenden Person einem Eigeninteresse nahezu gleichzustellen sind. Siehe dazu noch ausführlich die Ausführungen auf den folgenden Seiten. 225 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 226 Siehe Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 330 f., der auf die unterschiedliche Verwendung des Begriffs unter anderem in § 83 III 1 AktG, § 15a I 1, III WpHG (a.F.) und § 138 I InsO hinweist.

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sonstige Mittelspersonen erfasst sein sollen.227 Andere wollen den Personenkreis auf Verwandte gerader Linie228 oder „enge Verwandte“229 beschränken. In den Kreis nahestehender Gesellschaften sollen neben solchen, in denen der Entscheidungsträger eine Organstellung innehat, auch jene, in denen dieser eine nicht unerhebliche Beteiligung hat, aufzunehmen sein.230 Schließlich könnten Regelungen zur Offenlegungspflicht des Aufsichtsratsmitglieds herangezogen werden und im Sinne eines beruflichen Näheverhältnisses entsprechend Ziff. 5.5.2 DCGK Verbindungen aus der Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Dritten einzubeziehen sein.231 Weitere Vorschriften, die den Begriff der nahestehenden Person verwenden, finden sich in § 15 I 1, Nr. 5 KWG, § 15a I 2, III WpHG a.F.,232 § 1795 I BGB, § 138 I InsO. All diese Ansätze liefern jedoch noch keinen einheitlichen Tatbestand, welcher sich auf die BJR unmittelbar übertragen ließe.233 Wenig erfolgsversprechend ist schließlich ein Rückgriff auf die Begriffsverwendung im Rahmen der Offenlegungspflichten. Aus dem Vorliegen eines Näheverhältnisses wird zwar überwiegend auf eine Offenlegungsverpflichtung geschlossen, diese Pflicht wird jedoch aus den Treuepflichten hergeleitet und steht damit auf einer äußerst deutungsoffenen dogmatischen Grundlage.234 Dementsprechend werden Umfang und Inhalt einer Offenlegungspflicht nicht einheitlich definiert, womit es an einem einheitlichen Anknüpfungspunkt fehlt.235 Als einzig zielführender Ansatz erscheint es, die dargestellten Eingrenzungsmöglichkeiten auf einen gemeinsamen Nenner hin zu untersuchen, welcher die 227 So Fleischer, WM 2003, 1045, 1057; ebenfalls § 89 III AktG zum allgemeinen Problem der Drittzurechnung bei Interessenkonflikten heranziehend: Hopt, ZGR 2004, 1, 23 f. 228 So Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25. 229 So Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 332, der dies später auf die Ehefrau, die Kinder und Verwandte in gerader Linie präzisiert. 230 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 93; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 89 Rn. 10, die betonen, dass gerade die Beteiligung an einer Gesellschaft ein erhebliches Interesse zu deren Gunsten begründen kann; siehe auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 20, der insofern den Wortlaut von § 89 IV 1 AktG und § 115 III 1 AktG als unzutreffend ansieht, da entgegen der hier genannten Formulierung einerseits auch Kleinstbeteiligungen erfasst würden und andererseits der den Fremdgeschäftsführer anweisende Alleingesellschafter nicht erfasst wird. 231 Für eine Anwendung von Ziff. 5.5.2 DCGK auf den Vorstand zur Konkretisierung der Offenlegungspflicht auch Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1102. 232 § 15a WpHG ist m. W.v. 02. 07. 2016 durch Gesetz v. 30. 06. 2016 (BGBl. I S. 1514) aufgehoben worden. 233 So auch Koch, ZGR 2014, 697, 705; Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 330 ff. 234 Für eine aus den Treuepflichten folgende Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 130a; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 61; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 275; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1097; Koch, ZGR 2014, 697, 709; Hopt, ZGR 2004, 1, 25; nur eine Soll-Vorschrift enthält der DCGK in Ziff. 4.3.3, Version vom 05. 05. 2015. 235 Siehe allein zur unterschiedlichen Behandlung einer Offenlegungspflicht und einer Offenlegungsempfehlung: Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1097.

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Vermutung einer tatsächlichen Entscheidungsbeeinflussung rechtfertigt.236 Eine solche Vermutung ist dann berechtigt, wenn der zu vermutende Interesseneinfluss jenem eines Eigengeschäfts nahekommt.237 Die Voraussetzungen einer solchen qualifizierten Verbindung sind schließlich im Wege einer Gesamtanalogie zu den bereits genannten Vorschriften zur Definition einer nahestehenden Person zu finden.238 Zieht man die gesetzlichen Regelungen zu nahestehenden Personen in einer Gesamtschau zusammen, so ist der Einfluss der folgenden Interessenträger als qualifiziert einzuordnen: In einem persönlichen Sinne die Ehepartner, Lebenspartner und minderjährigen Kinder des Entscheidungsträgers;239 im Sinne eines beherrschenden Einflusses durch den Entscheidungsträger: Unternehmen in welchen der Entscheidungsträger Mitglied eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans ist;240 und im Sinne eines finanziellen Eigeninteresses: Unternehmen, an welchen der Entscheidungsträger zu mindestens 25 % beteiligt ist.241 Ein qualifiziertes Näheverhältnis führt dazu, dass Interessen, die originär bei der nahestehenden Person begründet liegen, dem Interessenträger wie seine eigenen zugerechnet werden, unabhängig von einem tatsächlichen Eigeninteresse. Liegt ein solches qualifiziertes Näheverhältnis nicht vor, so ist in einer kombinierten Betrachtung der Intensität des Interesses und des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Entscheidungsträger und Interessenträger darzulegen, dass der Interesseneinfluss ein Eigeninteresse des Entscheidungsträgers von entscheidungssteuerndem Potential begründet.242 Die abschließende Bewertung findet daher regelmäßig bei der Prüfung der Intensität des Interessenkonflikts statt. Außerdem begründen die oben dargelegten Verhältnisse lediglich eine widerlegliche Vermutung eines qualifizierten Näheverhältnisses. Dem Entscheidungsträger steht somit der Beweis frei, dass eine tatsächliche Näheverbindung im Sinne einer Beeinflussungseignung nicht besteht.

236 So auch der Vorschlag von Koch, ZGR 2014, 697, 705 f., den dieser allerdings selbst nicht in die Tat umsetzt. 237 So auch Schlimm, S. 296. 238 Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, da der Versuch der Eingrenzung von Näheverhältnissen durch das Tatbestandsmerkmal eines Nutzens (Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11) fehlgeschlagen ist. Die vergleichbare Interessenlage ergibt sich bei den genannten Vorschriften aus dem gemeinsamen Regelungsziel, von einem Näheverhältnis ausgehend auf einen Interessenkonflikt schließen zu können. 239 Vgl. § 89 III 1 AktG, § 15 I 1, Nr. 5 KWG, § 15a III 1 WpHG a.F., § 1795 I Nr. 1 BGB, § 138 I Nr. 1 – 2 InsO. 240 Vgl. § 89 IV 1 AktG, § 15 I 1, Nr. 7 KWG, § 15a III 2 WpHG a.F., § 138 I Nr. 4 InsO. 241 Vgl. § 89 IV 1 AktG, § 15 I 1, Nr. 9 KWG, § 15a III 3 WpHG a.F., § 138 I Nr. 4 InsO; dies gilt entsprechend dem allgemeinen Umgehungsverbot auch, wenn eine Mittelsperson die Unternehmensanteile für den Entscheidungsträger hält, siehe zum Umgehungsverbot Mansel, in: Jauernig BGB, § 138 Rn. 18. 242 Vgl. auch Koch, ZGR 2014, 697, 705, der dem Richter insoweit einen Entscheidungsspielraum zuspricht und ein konfliktbegründendes Näheverhältnis auch bei einem engen Freund für möglich erachtet.

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

d) Beherrschungsverhältnis Als eine dem Näheverhältnis vergleichbare Kategorie ist ein beherrschender Einfluss auf den Entscheidungsträger durch einen Dritten zu behandeln. Bei der Frage der Unabhängigkeit243 ist nicht auf Interessen abzustellen, die sich der Geschäftsleiter zu eigen macht, sondern die ihm kraft eines Beherrschungsverhältnisses diktiert werden können. In diesen Fällen wird der Nachweis des Näheverhältnisses durch den Nachweis einer tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit ersetzt.244 Als Anhaltspunkt kann in diesen Fällen auch die Regelung in Ziff. 5.4.2 DCGK zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern dienen, wonach jedenfalls ein wesentlicher, nicht nur vorübergehender Interessenkonflikt, der durch einen kontrollierenden Aktionär verursacht wird, schädlich sein soll. Auch im US-amerikanischen Recht stellt der Einfluss von Mehrheitsaktionären den Hauptanwendungsfall von fehlender Unabhängigkeit dar.245 Insgesamt ist jedoch auch hier die sachgerechte Lösung für den Einzelfall nur durch eine Betrachtung der konkreten Intensität der Einwirkung und der Relevanz des Interesses für den Entscheidungsprozess zu finden. e) Die Interessenträger-spezifisch erforderliche Intensität Nicht jeder noch so marginale Interessenkonflikt kann zum Ausschluss der BJR führen, da sich Entscheidungsträger regelmäßig in derart engen Interessengeflechten bewegen, dass sich stets ein konfliktauslösendes Interesse finden ließe und damit kein Anwendungsbereich der BJR verbliebe.246 Folglich kann nicht jeder potentielle oder abstrakte Konflikt schädlich sein,247 vielmehr ist nach der Intensität der Beeinflussung durch das in Frage stehende unternehmensfremde Interesse zu differenzieren.248

243 Im US-amerikanischen Recht unter dem Stichwort „independence“ ebenfalls als eigenständige Kategorie behandelt, siehe Oltmanns, S. 52, 60 ff. 244 So auch Schlimm, S. 298 f. 245 Siehe die Fälle Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984); Ivanhoe Partners v. Newmont Mining Corp., 535 A.2d 1334, 1344 (Del. 1987); Kahn v. Lynch Communication System, 638 A.2d 1110, 1114 (Del. 1994). 246 So auch Schlimm, S. 296 f.; Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 333; Buchner/Weiss, WM 2005, 162, 164; Koch ZGR 2014, 697, 706. 247 Siehe zu der Differenzierung zwischen abstrakten Interessenkonflikten, konkreten Interessenkonflikten und Treuepflichtverletzungen: Kumpan, S. 151. 248 So auch Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 62; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1100; Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 333; Schlimm, S. 296; insofern „Interessenkonflikte“ und „Interessengegensätze“ unterscheidend: Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 143; zur Offenlegungspflicht des Aufsichtsrats OLG München, ZIP 2009, 1667, 1669; a.A. Winnen, S. 254, der ohne Differenzierung nach Intensität des Interessenkonflikts pauschal auf „latente Interessenkonflikte“ abstellt; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 93, die auch einen „nur möglichen“ Interessenkonflikt ausreichen lassen, diesen jedoch dann auf hinreichende Relevanz für die Entscheidung hin prüfen wollen.

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Greifbare Maßstäbe zur Definition einer solchen Intensitätsschwelle sind in den deutschen Gesetzestexten und der deutschen Literatur kaum zu finden.249 Ein Anhaltspunkt zur Gewichtung des Interesses findet sich jedoch im US-amerikanischen Recht, wo in § 1.23 der Principles of Corporate Governance ein Interessenkonflikt definiert wird.250 Hier wird für die Fälle, in denen weder der Entscheidungsträger noch eine ihm nahestehende Person Vertragspartei ist, auf ein „material pecuniary interest“ abgestellt, also ein wesentliches oder bedeutendes finanzielles Interesse verlangt.251 Demgegenüber soll bei einem bestehenden Näheverhältnis zu einer Vertragspartei bereits die vernünftigerweise berechtigte Annahme einer Beeinflussung ausreichen.252 Schließlich wird stets ein Interessenkonflikt angenommen, wenn der Entscheidungsträger selbst Vertragspartei ist, was im Aktienrecht durch die strikte Trennung von Aufsichtsrat und Vorstand entschärft wird, im GmbH-Recht dafür eine umso größere Rolle spielt.253 Diese im US-amerikanischen Rechtskreis etablierten Grundsätze können als Anhaltspunkte herangezogen werden, da die Problematik der Interessenkonflikte bei der Anwendung der BJR im US-amerikanischen und im deutschen Recht vergleichbar ist.254 Abgeleitet vom US-amerikanischen Ansatz kann die Prüfung der hinreichenden Intensität im deutschen Recht in einem Stufenverhältnis aufgebaut werden. Auf der ersten Stufe und damit mit den geringsten Anforderungen an den Nachweis eines tatsächlichen Interessenkonflikts, steht der Entscheidungsträger, der 249

So auch Koch, ZGR 2014, 697, 706; vielversprechende Ansätze bei Schlimm, S. 295 f. Ebenfalls auf § 1.23 der Principles of Corporate Governance abstellend: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Schlimm, S. 72 f., 296 f. 251 So in American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis Recommendations (1994), § 1.23 (a) (3) The director or officer, an associate of the director or officer, or a person with whom the director or officer has a business, financial, or familial relationship, has a material pecuniary interest in the transaction or conduct (other than usual and customary directors’ fees and benefits) and that interest and (if present) that relationship would reasonably be expected to affect the director’s or officer’s judgment in a manner adverse to the corporation. (4) The director or officer is subject to a controlling influence by a party to the transaction or conduct or a person who has a material pecuniary interest in the transaction or conduct, and that controlling influence could reasonably be expected to affect the director’s or officer’s judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation. 252 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis Recommendations (1994), § 1.23 (a) (2) The director or officer has a business, financial, or familial relationship with a party to the transaction or conduct, and that relationship would reasonably be expected to affect the director’s or officer’s judgment with respect to the transaction or conduct in a manner adverse to the corporation. 253 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis Recommendations (1994), § 1.23 (a) (1) The director or officer, or an associate [§ 1.03] of the director or officer, is a party to the transaction or conduct. 254 Siehe Schlimm, S. 295 f., die zum Aktienrecht einen ähnlichen Ansatz aufbauend auf den Principles of Corporate Governance entwickelt und sich dabei auf die Vorarbeit bei Paefgen, S. 214 f. bezieht. 250

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1. Teil: Grundlagen zur Business Judgment Rule

selbst Vertragspartei ist. Bei einem solchen Selbstkontrahieren wäre stets ein Interessenkonflikt anzunehmen, ohne dass eine weitere Prüfung der Intensität nötig wäre.255 Auf der zweiten Stufe stehen Entscheidungsinhalte, an denen dem Entscheidungsträger nahestehende oder diesen beherrschende Personen oder Gesellschaften unmittelbar beteiligt sind, also insbesondere Verträge mit ebendiesen. Hier ist nach dem tatsächlich im konkreten Fall bestehenden Grad des Näheverhältnisses zu differenzieren. Im Falle eines qualifizierten Näheverhältnisses liegt stets ein Interessenkonflikt vor, da die Interessen der dem Entscheidungsträger gegenübertretenden Person diesem unmittelbar zugerechnet werden und somit die Konfliktlage eines Eigengeschäfts vorliegt. Liegt hingegen ein nicht-qualifiziertes Näheverhältnis vor, muss zunächst die Möglichkeit eines tatsächlichen, relevanten Einflusses des Näheverhältnisses dargelegt werden. Für diesen Nachweis ist auf den konkreten Entscheidungsträger und dessen individuelle Beeinflussbarkeit abzustellen.256 So muss dieser jedenfalls Kenntnis von der Konfliktlage haben,257 auf das subjektive Empfinden einer Beeinflussung kommt es hingegen nicht an.258 Soweit die Möglichkeit einer Beeinflussung besteht, gilt weiterhin für die Intensität des Interesses, je entfernter die Beziehung ist, desto höher sind die Anforderungen an die Relevanz des beeinflussenden Interesses zu stellen.259 Entsprechendes gilt für die Bewertung eines Beherrschungsverhältnisses. Auf dritter Stufe sind Entscheidungsinhalte zu verorten, an denen der Entscheidungsträger ein eigenes Interesse hat, jedoch nicht selbst Partei des Geschäfts ist. Diese Interessen können derart vielgestaltig sein und von so unterschiedlicher Intensität, dass eine genaue Betrachtung des Einzelfalls erforderlich ist. Es muss also ein tatsächlicher Einfluss des Interesses auf die konkrete Entscheidung nachgewiesen werden. Eine Differenzierung ist hier nach finanziellen und ideellen Inter255

So auch Schlimm, S. 297. So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 23, 25; ders., ZGR 2014, 697, 703 f.; Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 329; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72b; Schlimm, S. 296; wohl auch Winnen, S. 271 f.; aus dem US-amerikanischen Recht für eine subjektive Betrachtung der konkreten Person: Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1156, 1167 – 1168 (Del. Supr. 1995); a.A., auf einen rein objektiven Prüfungsmaßstab abstellend: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 93; Lutter, FS Priester, S. 417, 422 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 63. 257 So auch Koch, ZGR 2014, 697, 704; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 27, mit dem richtigen Hinweis, dass die Beweislast für die Gutgläubigkeit ohnehin bei dem Vorstandsmitglied liegt. 258 So die h.M., siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 93; Lutter, FS Priester, S. 417, 422; Koch, ZGR 2014, 697, 704; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 27; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1100; Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 329 f.; a.A. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114; ders., AG 2014, 554, 563; ders., AG 2004, 245, 252. 259 So auch Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148, nach denen Nähe und Bedeutung der Interessenbeziehung einen Interessenkonflikt besonders wahrscheinlich erscheinen lassen müssen. 256

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essen möglich.260 Für finanzielle Interessen bietet das US-amerikanische Recht den Lösungsansatz, ein bedeutendes („material“) Interesse vorauszusetzen261 und ein solches anzunehmen, wenn es vernünftigerweise geeignet erscheint, eine objektive Entscheidungsfindung zu beeinträchtigen.262 Aus dieser weiten Definition lassen sich zwar keine konkreten Maßstäbe ableiten, es lässt sich aber jedenfalls festhalten und als Grundgedanke sinnvollerweise auch auf das deutsche Recht übertragen, dass eine dem Unternehmensinteresse abträgliche Beeinflussung der Entscheidung erst ab einer besonderen Relevanz des Interesses angenommen werden kann. Diesbezüglich kann bei finanziellen Interessen der in Frage stehende Betrag berücksichtigt und in Verhältnis zu der sonstigen wirtschaftlichen Situation der beteiligten Interessenträger gesetzt werden.263 Ideelle Interessen sind von dieser Definition nicht umfasst. Für sie kann jedoch im Grundsatz nichts anderes gelten, auch hier ist also eine Einzelfallbetrachtung erforderlich und die konkrete Relevanz der in Frage stehenden Interessen zu ermitteln.264 Die vierte Stufe stellt schließlich eine Kombination der zweiten und der dritten Stufe dar. Hier sind Fälle erfasst, in denen eine Partei, die in einem Beherrschungsoder Näheverhältnis zum Entscheidungsträger steht, ein Interesse bezüglich der Entscheidungsinhalte hat, jedoch nicht selbst Vertragspartei ist. Hier sind sowohl das konkrete Verhältnis als auch die Intensität des Interesses zu berücksichtigen und die Anforderung an den Nachweis einer tatsächlichen Beeinflussung im konkreten Fall entsprechend hoch anzusetzen. So wird für die Nähebeziehung stets ein qualifiziertes Näheverhältnis erforderlich sein. 2. Rechtsfolgen Soweit entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen ein Interessenkonflikt festgestellt worden ist, ist die Anwendung der BJR ausgeschlossen.265 Es ist jedoch 260

So auch Paefgen, S. 215; Schlimm, S. 297. Vgl. American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis Recommendations (1994), § 1.23 (a) (3); vgl. auch § 8.60 M.B.C.A. (1) (ii) (Stand 2010) “[…] the director had knowledge and a material financial interest known to the director […]”. 262 Vgl. § 8.60 M.B.C.A. (4) (Stand 2010) ”Material financial interest” means a financial interest in a transaction that would reasonably be expected to impair the objectivity of the director’s judgment when participating in action on the authorization of the transaction. 263 So auch Schlimm, S. 297. 264 So auch Paefgen, S. 215; Schlimm, S. 297 f. 265 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; so auch die absolut herrschende Meinung, siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 90 f.; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 25 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG, § 93 Rn. 24; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 60 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Lutter, FS Canaris, S. 245, 247; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2067; Winnen, S. 254; Schlimm, S. 293 f.; Koch, ZGR 2014, 697, 701 ff.; a.A. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 19, die allein auf den guten Glauben, zum Wohle der Gesellschaft handeln zu wollen, abstellen und einen bestehenden Interessenkonflikt nicht notwendig als diesem guten 261

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wiederum die getrennte Behandlung von BJR und Treuepflichtverletzungen zu beachten. Allein das Vorliegen eines Interessenkonflikts im Sinne der BJR stellt noch keinen Pflichtverstoß dar, solange einem unternehmensfremden Interesse noch nicht tatsächlich in einer Entscheidung der Vorzug eingeräumt worden ist.266 In dieser Phase vor der Konfliktverwirklichung kommt als Rechtsfolge allenfalls ein Treuepflichtverstoß wegen der Nichteinhaltung von Offenlegungspflichten in Betracht.267 Neben den Rechtsfolgen eines konkreten Interessenkonflikts ist allerdings auch die Behandlung der betroffenen unternehmerischen Entscheidung näher darzustellen. Hier sind insbesondere die Rechtsfolge der Offenlegung des Interessenkonflikts, die Auswirkungen auf Gremienentscheidungen und die Anwendung eines unternehmerischen Ermessens eigener Art von Interesse. a) Offenlegung Aus der Regierungsbegründung zum UMAG geht hervor, dass die Offenlegung eines Interessenkonflikts dazu führen können soll, dass der Anwendungsbereich der BJR wieder auflebt.268 Diese Sichtweise stieß jedoch schon unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung auf Kritik und wird heute weit überwiegend abgelehnt.269 Der geäußerten Kritik ist zuzustimmen. Es ist nicht ersichtlich, wie bei einem alleine entscheidenden Geschäftsleiter allein die Offenlegung seines Interessenkonflikts die Gewähr für eine unbefangene Entscheidung im Unternehmensinteresse bieten soll. Entsprechende Auswirkungen kann eine Offenlegung nur bei Kollegialentscheidungen haben, bei denen die Befangenheit der Stimme des interessenkonfliktbelasteten Vorstandsmitglieds selbst allerdings niemals geheilt werden kann. b) Gremienentscheidungen Besonders kontrovers werden die Auswirkungen von Interessenkonflikten bei Entscheidungsträgern in Gremienentscheidungen diskutiert. Unübersichtlich wird das Meinungsspektrum durch die vielgestaltigen Lösungsmöglichkeiten, die in allen Willen abträglich ansehen; Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff., der erst bei einer Verletzung der Treuepflicht die Grenze der Anwendbarkeit der BJR bei Interessenkonflikten erreicht sieht. 266 Siehe auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25. 267 Für eine Offenlegungspflicht bei Interessenkonflikten die wohl h.M.: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 130a; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 61; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 275; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1097; Koch, ZGR 2014, 697, 709; Hopt, ZGR 2004, 1, 25; nur eine Soll-Vorschrift enthält der DCGK in Ziff. 4.1.1, Version vom 05. 05. 2015. 268 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 269 Siehe Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257; Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Ihrig/Schäfer, S. 506; Winnen, S. 256; Schlimm, S. 314; für eine Fortgeltung der BJR bei Offenlegung, soweit die Entscheidung mit ausreichender Mehrheit von unbefangenen Vorstandsmitgliedern oder Aufsichtsratsmitgliedern getragen wird Paefgen, AG 2004, 245, 261; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 94.

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Facetten vertreten werden. So kann die Offenlegung des Interessenkonflikts für die übrigen Entscheidungsträger die BJR aufrechterhalten270 oder gerade nicht.271 Weiterhin kann die Teilnahme an der Abstimmung trotz eines Interessenkonfliktes folgenlos für die übrigen Gremienmitglieder sein272 oder nur die Teilnahme an der Vorbereitung zugelassen werden273 oder aber die BJR bleibt für die übrigen Gremienmitglieder nur anwendbar, soweit das befangene Mitglied dem Entscheidungsprozess vollständig fernbleibt.274 Des Weiteren kann für die Anwendbarkeit der BJR für die Gremienentscheidung darauf abgestellt werden, ob die erforderliche Mehrheit unbefangen ist,275 dann soll die BJR sogar das befangene Gremienmitglied selbst schützen können.276 Schließlich stellt sich die Frage der Beschlussfähigkeit bei überwiegender Befangenheit der Gremienmitglieder. Letztere Frage baut darauf auf, ob ein Interessenkonflikt im Sinne der BJR zum Stimmrechtsausschluss führt,277 oder die Entscheidung getroffen werden kann, jedoch ohne die BJR für sich beanspruchen zu können.278 Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Weite der offenen Problemfelder, würde eine umfassende, gesellschaftsformübergreifende Bearbeitung der Problematik den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zumal insbesondere in Bezug auf den Stimmrechtsausschluss auch die sensible Beziehung eines weiten Begriffs der Interessenkonflikte zu den entsprechenden Regelungen in §§ 28, 34 BGB und deren analoge Anwendung zum Stimmrechtsausschluss in der AG279 Berücksichtigung finden 270 So Scholl, S. 288; Blasche, AG 2010, 692, 699; allein auf die Entscheidungserheblichkeit abstellend: Schlimm, 322 f. 271 So Koch, FS Säcker, S. 403, 414, der gerade den verdeckten Interessenkonflikt als unschädlich ansieht; Lutter, FS Canaris, S. 245, 249 f.; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 150, die dafür aber bei fehlender Offenlegung die BJR als anwendbar ansehen; Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147. 272 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 275 (bezogen auf die BJR für nicht befangenen Gremienmitglieder); Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 29; Krieger/SailerCoceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 19; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 726 ff. 273 So Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 423, 435 (für Stimmrechtsverbote i.S.v. § 34 BGB); Krebs, S. 166 (zum Aufsichtsrat). 274 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 94 (bezogen auf die BJR für das befangene Mitglied selbst); Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 64 (bei Anwesenheit beim Entscheidungsprozess müssen die übrigen Gremienmitglieder tatsächlich beeinflusst worden sein); Bunz, NZG 2011, 1294 ff.; Lutter, FS Canaris, S. 245, 248 f. 275 So Schlimm, S. 322 f.; Scholl, S. 288; Bunz, NZG 2011, 1294, 1294 ff.; Paefgen, AG 2004, 245, 253. 276 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 94. 277 Dagegen die h.M.: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 26: Spindler, in: MüKo AktG, § 77 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 77 Rn. 38; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 423, 434 f.; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 726; Paefgen, AG 2004, 245, 253. 278 So Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 30; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 65; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444 (für eine Zustimmungsbedürftigkeit durch den Aufsichtsrat). 279 Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 77 Rn. 38.

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müsste.280 Weiterhin spielt die Problematik der Gremienentscheidungen im GmbHRecht eine geringere Rolle aufgrund der häufig auftretenden Einzelgeschäftsführung und der regelmäßig ausreichenden Einholung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Auf die Behandlung von Gremienentscheidungen in der GmbH und die Möglichkeiten der Freistellung von Interessenkonflikten durch die Gesellschafterversammlung wird an entsprechender Stelle einzugehen sein.281 Hier soll es bei dem Hinweis bleiben, dass Gremienmitglieder gut daran tun, soweit sie glauben einem Interessenkonflikt zu unterliegen, diesen offenzulegen und Beratung und Beschlussfassung fern zu bleiben und andersherum als unbefangenes Mitglied darauf hinzuwirken, dass das befangene Mitglied ebendies tut.282 c) Unternehmerisches Ermessen eigener Art Das Vorliegen eines Interessenkonflikts schließt die unmittelbare Anwendung der BJR aus. Als Rechtsfolge wird häufig darauf hingewiesen, dass ein Interessenkonflikt allein noch nicht auf eine Pflichtverletzung schließen ließe, sondern dass vielmehr die volle gerichtliche Überprüfung nach dem Sorgfaltsmaßstab des § 93 I 1 AktG vorzunehmen sei.283 Ein vollständiger Ausschluss des unternehmerischen Ermessens allein aufgrund der Möglichkeit, dass unternehmensfremde Interessen Berücksichtigung gefunden haben könnten, erscheint jedoch zu weitgehend. Dies gilt insbesondere für kleinere Unternehmen, in denen besondere Beziehungen des Vorstands zu potentiellen Geschäftspartnern und Geschäfte mit den Anteilseignern für das Unternehmen durchaus vorteilhaft oder sogar unverzichtbar sein können.284 Weiterhin schränkt ein Interessenkonflikt nicht die Unsicherheit bei einer unternehmerischen Entscheidung ein, er mindert nicht die Gefahr eines richterlichen Rückschaufehlers und er nimmt dem Entscheidungsträger auch nicht eine in unerwünschtem Ausmaß bestehende Risikoscheu. Die maßgeblichen Gründe für ein unternehmerisches Ermessen bestehen also fort, lediglich die Gewähr eines optimal gestalteten Entscheidungsfindungsprozesses ist eingeschränkt. Dementsprechend wird dafür plädiert, die BJR in eingeschränkter Form anzuwenden285 oder ein fortbestehendes unternehmerisches Ermessen anzunehmen.286 Diesen Stimmen ist im Grundsatz beizupflichten. Der unternehmerische Ermessensfreiraum ist grundsätz280

Ausführlich hierzu Koch, ZGR 2014, 697, 710. Siehe unten: § 10 C. III. 1. 282 Zu einer ausführlichen Darstellung der Problematik und möglicher Lösungswege zur AG siehe Schlimm, S. 317 ff.; Winnen, S. 272 ff. 283 So Lutter, FS Canaris, S. 245, 250 f.; Scholl, S. 290. 284 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 132; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 241; Wiedemann, Organverantwortung, S. 16 („für das Unternehmen unersetzbar“). 285 So Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 338 ff.; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124. 286 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 95, 116 ff.; Heinz, in: Schüppen/Schaub, § 22 Rn. 62; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 19. 281

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lich zu erhalten, er unterliegt jedoch den erheblichen Einschränkungen, die zum Ausschluss einer Beeinträchtigung der Unternehmensinteressen durch Fremdinteressen erforderlich sind. Aus den bereits oben behandelten Gründen, liegt für Entscheidungen im Rahmen eines eingeschränkten unternehmerischen Ermessens die richtige Lösung in einem, den Einschränkungen entsprechend zu entwickelnden, unternehmerischen Ermessen eigener Art.287 Im Fall von interessenkonfliktbelasteten Entscheidungsträgern bietet sich als Korrektiv ein umfassender Drittvergleich der Entscheidung an.288 Da allerdings zwei identischen Geschäfte regelmäßig nicht existieren und damit kein unabhängiger Vergleich stattfinden kann, besteht bezüglich der richterlichen Kontrolle die Gefahr, ein Einfallstor für eine vollständige inhaltliche Überprüfung aufzustoßen. So gilt es, einen angemessenen Maßstab für die gerichtliche Kontrolle zu entwickeln. Hierzu kann zwischen Entscheidungen mit konkreten Entscheidungsalternativen und solchen ohne direkte Vergleichsmöglichkeiten unterschieden werden. aa) Vergleich zu konkreten Entscheidungsalternativen Soweit konkrete Entscheidungsalternativen bestehen, hat der Geschäftsleiter zunächst nachzuweisen, dass er hinreichende Anstrengungen unternommen hat, die in der konkreten Situation mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ex ante aus seiner Sicht bestmöglichen Entscheidungsalternativen zu ermitteln. Dabei sind für die anzustrengenden Informationsbeschaffungsmaßnahmen die Verhältnisse des konkreten Unternehmens und Kosten und Nutzen zu berücksichtigen. Die Sorgfaltsanforderungen im Rahmen dieser Entscheidungsvorbereitung sind allerdings nicht strenger als die ohnehin von der überwiegenden Meinung aufgestellten strengen Anforderungen an die Informationsbeschaffung bei der BJR.289 Gelingt dieser Nachweis, muss weiterhin vom Geschäftsleiter der Beweis erbracht werden, dass die getroffene Entscheidung ex ante vorzugswürdig war. Es müssen also konkrete Gründe dargelegt werden, nach welchen ex ante, objektiv die Gründe für die getroffene Entscheidung überwiegen.290 Soweit nach einer vollen gerichtlichen Überprüfung die Auswahl der Entscheidungsalternative objektiv vertretbar erscheint, darf ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft angenommen werden. Insgesamt verbleibt somit lediglich ein kleiner Teil an unternehmerischer Ermessensfreiheit beim Geschäftsleiter.

287

Siehe oben § 4 B. I. 2. b) ee). So auch Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124. 289 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 107, 114; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 93 Rn. 70 f. 290 Anhaltspunkte zu einer solchen Abwägung bei Harbarth, FS Hommelhoff, S. 323, 339 f. 288

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bb) Drittvergleich ohne konkrete Entscheidungsalternative Soweit trotz hinreichender Anstrengungen der Informationsbeschaffung und der Suche nach alternativen Angeboten ex ante keine konkreten Entscheidungsalternativen bestanden, welche zum Vergleich herangezogen werden könnten, wird teilweise auf Ziff. 4.3.3 S. 2 des DCGK verwiesen und damit auf die Einhaltung branchenüblicher Standards.291 Ein Drittvergleich muss demnach ergeben, dass das Geschäft auch mit jedem beliebigen Dritten zu denselben Konditionen geschlossen worden wäre wie mit der interessenkonfliktbelasteten Partei.292 Ein diesem Drittvergleich nicht standhaltendendes Geschäft würde allerdings auch unmittelbar einen Verstoß gegen Treuepflichten begründen und ist insofern ohnehin gerichtlich voll überprüfbar. Die delikate Aufgabe des Richters ist es folglich, bei der Untersuchung nach potentiell für das Unternehmen vorteilhafteren Entscheidungsalternativen in die Sichtweise des Entscheidungsträgers ex ante zur Entscheidung einzusteigen und bei der Beurteilung der Entscheidung einen Kern unternehmerischer Eigenständigkeit zu respektieren. Es zeigt sich, dass eine klare Trennung zwischen der Überprüfung der Loyalität zum Gesellschaftsinteresse einerseits und der Überprüfung der Einhaltung von Sorgfaltspflichten andererseits bei einem auf abstrakter Ebene vorzunehmenden Drittvergleich kaum möglich ist. Dementsprechend muss sich der Schutz des unternehmerischen Ermessens dem Schutz des Unternehmensinteresses vor Fremdeinflüssen unterordnen. Die Entscheidung unterliegt somit der vollen gerichtlichen Kontrolle293 und es bleibt nur der Appell an den Richter, der die potentiellen Entscheidungsalternativen beurteilt, bei der Prüfung der Entscheidungsmotive mögliche Fremdeinflüsse und unternehmerisches Gespür getrennt zu behandeln und für letzteres den Entscheidungsvorrang des Geschäftsleiters zu respektieren. 3. Zwischenergebnis Zur Eingrenzung von Interessenkonflikten als Tatbestandsmerkmal der BJR können zunächst jene Interessen, die mit dem Unternehmensinteresse gleichlaufen, als unschädlich eingeordnet werden. Dies umfasst neben den Interessen, die nur mittelbar aus dem Unternehmensinteresse profitieren, die vom Vorstand in eigenständiger Abwägung ohnehin zu berücksichtigenden Stakeholder-Interessen. Sodann sind die relevanten Interessenträger und ihr Verhältnis zum Entscheidungsträger zu identifizieren. Bei der Einordnung des konkreten Verhältnisses kann zwischen Beherrschungsverhältnissen und qualifizierten und nicht-qualifizierten 291

So Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124. Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 135; ders., WM 2003, 1045, 1052; ders., BB 2014, 2691, 2696; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 241; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1116. 293 Für eine gerichtliche Inhaltskontrolle auch: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 135; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 241; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 423, 432 f. 292

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Näheverhältnissen unterschieden werden. Unter Letzteren werden nur bei einem qualifizierten Näheverhältnis die Interessen eines Dritten dem Entscheidungsträger wie seine eigenen zugerechnet. In einem dritten und entscheidenden Schritt ist die Intensität des Interesseneinflusses zu untersuchen. Nicht jedwedes Interesse schließt die Anwendung der BJR aus, vielmehr muss eine objektive Eignung des Interesses zur Beeinflussung der Entscheidung nachgewiesen werden. Für eine differenzierte Betrachtung der erforderlichen Intensität lassen sich die Konfliktsituationen in Eigengeschäfte, Geschäfte mit nahestehenden Personen, Geschäfte an denen ein eigenes mittelbares Interesse besteht und Geschäfte, an welchen nahestehende Personen ein mittelbares Interesse haben, unterteilen. Auf diese Weise wird dem Richter bei der Beurteilung des Interessenkonflikts ein verallgemeinerungsfähiges Grundmuster an die Hand gegeben. Dennoch verbleibt ein für den deutschen Richter ungewöhnlich weiter eigenständiger Bewertungsspielraum zur Einordnung des konkreten Interesseneinflusses.294 Soweit ein Interessenkonflikt vorliegt, ist die Anwendung der BJR ausgeschlossen und es verbleibt nur ein marginales unternehmerisches Ermessen eigener Art. Die Auswirkungen des Interessenkonflikts eines Einzelnen bei einer Gremienentscheidung werden im Rahmen der GmbH-spezifischen Betrachtung näher zu erörtern sein. Im Übrigen ist der dargestellte Tatbestand des Interessenkonflikts gesellschaftsformunabhängig und legt so die Grundlage für die weitere Untersuchung. Der Grundsatz, dass das weite unternehmerische Ermessen der BJR nur gewährt werden kann, soweit ein unbeeinflusster Entscheidungsfindungsprozess gewährleistet ist, gilt gesellschaftsformübergreifend.295 IV. Angemessene Information Die Entscheidung muss gemäß § 93 I 2 AktG in der Weise getroffen werden, dass der Entscheidungsträger „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Das Tatbestandsmerkmal des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage stellt eines der bedeutendsten dar.296 Zunächst findet sich hier ein potentielles Einfallstor für eine weitreichende gerichtliche Kontrolle. Ein solches wäre eröffnet, soweit die Anforderungen an die Informationsgrundlage bis zur objektiven, umfassenden Sicherung der Entscheidung ausgedehnt würden, wenn also alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft werden müssten.297 Zum anderen lässt sich ein unternehmerischer Ermessensfreiraum nur legitimieren, soweit 294 Siehe zum Entscheidungsspielraum des Richters bei der Auslegung des Begriffs des Interessenkonflikts auch Koch, ZGR 2014, 697, 705. 295 Siehe auch Paefgen, S. 176; ders., in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114, der einem formal korrekten Entscheidungsfindungsprozess insofern eine „Richtigkeitsgewähr“ zuschreibt; siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86: Es entfällt die „natürliche Vermutung“ des Handelns zum Wohle der Gesellschaft. 296 So auch Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn. 482. 297 So BGH NJW 2008, 3361, 3362.

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die entsprechende Entscheidung verantwortungsbewusst getroffen wird und im Voraus sorgfältig vorbereitet wurde.298 In diesem Spannungsfeld gilt es, eine austarierte Lösung zu finden. 1. Verfahrenskontrolle Das Erstellen einer angemessenen Informationsgrundlage setzt einen entsprechenden Entscheidungsprozess auf Seiten des Geschäftsleiters voraus. Dieses Verfahren hat zum Ziel, das richtige Maß an Informationen im Sinne von Quantität und Qualität zu bestimmen, um eine Grundlage für die zu treffende unternehmerische Entscheidung zu schaffen. Welches Maß an Information als angemessen und damit in diesem Sinne als richtig anzusehen ist, erfordert in einem ersten Schritt einen hinreichend bestimmbaren Maßstab. In einem zweiten Schritt muss anhand der im ermittelten Maßstab aufgestellten Kriterien eine eigenständige Entscheidung getroffen werden, welche der eigentlichen unternehmerischen Entscheidung vorgelagert ist. Diesen Erkenntnissen folgend, ist zunächst zu ermitteln, inwieweit ein der Überprüfung zugänglicher Maßstab bezüglich der auf Informationsgewinnung gerichteten Entscheidungsverfahren anerkannt ist. Im zweiten Schritt ist festzustellen, wem die Interpretationshoheit über diesen Maßstab zuzuschreiben ist, dem Richter im Sinne einer weitgehenden inhaltlichen Kontrolle oder dem Geschäftsleiter in Form eines Ermessensfreiraumes. a) Verfahren zur Informationsgewinnung Der zunächst objektiv zu bestimmende Maßstab, nach welchem die Angemessenheit der Information zu beurteilen ist, bestimmt sich nach den Anforderungen, die die Rechtsordnung an das Entscheidungsverfahren zur Informationsgewinnung stellt. Hier können einerseits rein formelle Vorgaben gemacht werden, womit es auf den tatsächlichen Inhalt des Entscheidungsverfahrens nicht mehr ankäme. Andererseits könnten materielle Verfahrensgrundsätze aufgestellt werden, die Anhaltspunkte für die inhaltliche Überprüfung des Entscheidungsverfahrens liefern und damit der Frage nachgehen, ob tatsächlich alle maßgeblichen Informationen ermittelt worden sind.299 aa) Formelle Verfahrensvorgaben Eine Beurteilung nach rein formellen Vorgaben setzt abstrakte Verfahrensvorgaben voraus, die alle möglichen Einzelfälle derart umfassen, dass es für eine hinreichende Richtigkeitsgewähr keiner materiellen Prüfung mehr bedürfte. Diese Anforderungen an formelle Verfahrensvorgaben deuten schon an, dass eine abstrakte positive Formulierung nicht möglich sein wird. Insofern sind die denkbaren Fälle 298 299

So auch Lutter, ZIP 2007, 841, 844. Siehe auch Winnen, S. 202 f.; Kinzl, DB 2004, 1653, 1653.

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schlicht zu unterschiedlich, die wirtschaftlichen Bedingungen zu wandelbar und schließlich unterliegt auch der wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisstand einem stetigen Wandel.300 Einer Richtigkeitsgewähr gerecht werdende Verfahrensvorschriften könnten jedoch negativ formuliert werden, sodass jedenfalls bei Nichteinhaltung von Mindeststandards eine unangemessene Informationsgrundlage angenommen werden könnte. So hat der Delaware Supreme Court in dem berühmten Fall Smith v. Van Gorkom entschieden, dass für einen Unternehmensverkauf allein ein zwanzigminütiger mündlicher Vortrag und eine zweistündige Beratung ohne jegliche Prüfung von Dokumenten nicht den Anforderungen an eine solche Entscheidung genügten.301 Doch selbst eine solche nach formellen Maßstäben scheinbar offensichtlich unzureichende Entscheidungsvorbereitung kann in Einzelfällen ausreichend sein, beispielsweise bei ohnehin bestehenden Vorkenntnissen, großem Zeitdruck oder schlicht weniger bedeutenden Entscheidungen.302 Insofern lässt sich festhalten, dass eine generelle Formulierung von rein formellen Verfahrensvorgaben nicht zielführend ist und insbesondere keine hinreichende Richtigkeitsgewähr für die Entscheidungsvorbereitung bietet.303 Formelle Verfahrensvorgaben könnten schließlich für Einzelfälle, auf welche sie speziell zugeschnitten sind, praktikable Mindestvoraussetzungen etablieren. So werden insbesondere für bestimmte Standardentscheidungen konkrete Prozesse geschildert, welche zur Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage notwendig durchgeführt werden sollen. (1) Unternehmenskäufe und -Fusionen Hier sind zunächst Unternehmenskäufe und -fusionen zu nennen.304 Diese komplexen unternehmerischen Vorgänge sind ohne intensive Vorbereitung kaum in ihrem tatsächlichen Inhalt und ihren möglichen Auswirkungen einzuschätzen. Dementsprechend wurden bestimmte Prüfverfahren entwickelt, die Aufschluss über den tatsächlichen Wert des zu erwerbenden Unternehmens geben sollen. Dieses 300

Ebenfalls auf fehlende gesicherte Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre verweisend Scholl, S. 233. 301 Siehe Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 874 (Del 1985). 302 So gab es im Fall Smith v. Van Gorkom zwei von fünf Richtern, die eine angemessene Information bejahten, weiterhin war in einem fast identischen Fall die Angemessenheit der Information aufgrund von besonderen Vorkenntnissen bejaht worden, siehe Gimbel v. Signal Companies 316 A.2d 599 (Del.Ch. 1974), affirmed 316 A.2d 619 (Del. 1974); ebenfalls mit eben diesen Ausnahmen für eine beschränkte Informationsbeschaffungspflicht: Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, § 6 Rn. 61. 303 So auch die Kritik an dem Urteil Smith v. Van Gorkom: Herzel/Katz, 41 Bus.Law. 1986, 1187, 1190, die betonen, dass eine gute Entscheidung nicht formell vorgezeichnet werden kann; Fischel, 40 Bus.Law. 1985, 1437, 1437 ff., der herausarbeitet, dass eine Information nur einzuholen ist, wenn sich dies nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung empfiehlt. 304 Ebenfalls für ein Standardprozedere bezüglich der Informationsbeschaffung bei M&ATransaktionen: Fleischer, ZHR 2008, 538, 552; Schlimm, S. 233 f.; Scholl, S. 234 f.

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Verfahren wird gemeinhin als Due Diligence bezeichnet und gehört bei entsprechenden Geschäften derart zum Standardprozedere, dass es regelmäßig als Mindestanforderung für einen angemessenen Entscheidungsfindungsprozess bezeichnet werden kann.305 Allerdings sind zum einen auch Situationen denkbar, in denen eine Due Diligence nicht zwingend durchzuführen ist.306 Zum anderen existieren zwar standardisierte Checklisten, nach denen sich der Entscheidungsträger richten kann,307 im Ergebnis ist jedoch jeder Unternehmenskauf einzigartig und damit müssen für jede Due Diligence Umfang und Inhalt308 neu bestimmt werden.309 Als eine strikte formelle Mindestvoraussetzung für eine angemessene Informationsbasis kann die Due Diligence somit nicht angesehen werden, vielmehr ist eine weitere Einschränkung über materielle Maßstäbe nötig. (2) Kreditvergabe Als weitere Standardmaßnahme kann die Vergabe von (Groß-)Krediten genannt werden.310 Hier können insbesondere anhand des reichhaltigen Fallmaterials aus der Rechtsprechung Leitlinien entwickelt werden.311 Weiterhin kann § 18 KWG als Anhaltspunkt dienen, wenngleich eine verpflichtende Anwendung der dort aufgeführten Grundsätze nur für Kreditinstitute im Sinne des § 1 I KWG in Betracht kommt.312 Die in § 18 KWG formulierten Verfahrensvorgaben werden durch die Bestimmungen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (BaFin) näher konkretisiert, die auch Ausführungen zu Kreditgewährungsprozessen enthalten. Diese lassen jedoch wiederum einen Spielraum zur eigenständigen Gestaltung der Prozesse durch das Kreditinstitut 305

Siehe auch Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 102; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 212; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 11; Hörmann, FS P+P Pöllath+Partners, S. 135, 136, 139; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; Ulmer, DB 2004, 859, 860; Kiethe, NZG 1999, 976, 976 ff.; zur GmbH: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 100; OLG Oldenburg, NZG 2007, 434, 436; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Pomp, Due Diligence, S. 7: „Die Financial Due Diligence ist ein fester Bestandteil von M&A-Prozessen.“. 306 Siehe auch Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 102; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 212; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2338; Böttcher, NZG 2007, 481, 484; a.A.: Kiethe, NZG 1999, 976, 983. 307 Beispielhaft findet sich eine solche Checkliste bei Seibt, M&A, S. 1 – 16. 308 Ein Überblick über die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten bei Hörmann, FS P+P Pöllath+Partners, S. 135, 143 f.; eine detaillierte Darstellung bei Pomp, Due Diligence, S. 25 ff. 309 Die Entscheidung zur Due Diligence als eigenständige unternehmerische Entscheidung bezeichnend: Hörmann, FS P+P Pöllath+Partners, S. 135, 148; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 102; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 100a. 310 Siehe Schlimm, S. 239 f.; Scholl, S. 235 f. 311 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 198 m.w.N. 312 Siehe Schlimm, S. 239 f.; Blasche, WM 2011, 343 ff.; für eine Heranziehung des § 18 KWG zur Auslegung der Sorgfaltspflichten nach § 93 I 1 AktG: M. Schmidt, ZBB 2006, 31, 37 ff.

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offen.313 Dementsprechend sind die Verhaltensanforderungen in bestimmten Situationen durchaus vorgezeichnet, die genannten Anhaltspunkte lassen jedoch wiederum Raum für Interpretation im Einzelfall und sind somit noch nach materiellen Vorgaben ausfüllungsbedürftig. Als Grundessenz aus den Erkenntnissen aus der Rechtsprechung und im Rahmen des § 18 KWG ist zur Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage stets die hinreichende Prüfung der Kreditwürdigkeit314 und die hinreichende Sicherung der Kredite315 erforderlich.316 Die hinreichende Überprüfung der Kreditwürdigkeit umfasst dabei die Überprüfung der aktuellen wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers und der Erfolgsaussichten der mit dem Kredit angestrebten Investition317 sowie die Überwachung des Kreditrisikos nach Kreditgewährung.318 Es verbleibt auch bei dieser vermeintlichen Standardmaßnahme insgesamt ein weiter, ausfüllungsbedürftiger Interpretationsfreiraum, der sich insbesondere darauf bezieht, wann eine hinreichende Prüfung und Sicherung gegeben ist. So kann lediglich in völlig offensichtlichen Fällen von rein formellen Fehlern im Kreditvergabeverfahren unmittelbar auf eine fehlerhafte Informationsgrundlage geschlossen werden. Ein solcher Fall wäre die Kreditgewährung ohne jegliche Prüfung der Kreditwürdigkeit und ohne die Bestellung von Sicherheiten.319 (3) Zwischenergebnis Es lässt sich festhalten, dass eine positive Formulierung von formellen Verfahrensvorschriften nicht in hinreichendem Maße gelingen kann.320 Weiterhin kann auch eine abstrakte Formulierung von rein formellen negativen Abgrenzungskriterien nicht den vielfältigen Einzelfällen gerecht werden. Lediglich für konkrete Einzelmaßnahmen lassen sich negativ Mindestanforderungen formulieren, welche für eine praktikable Anwendung jedoch ebenfalls noch nach materiellen Standards ausfül313 Siehe Schlimm, S. 239 f.; Blasche, WM 2011, 343, 346; Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, vom 14. 12. 2012, BTO 1.2. 314 Siehe BGH WM 2009, 1930, 1933 (mit unmittelbarem Bezug zu § 18 KWG); BGH WM 1981, 440, 441 (zur GmbH & Co. KG); BGH, WM 2009, 26, 26 (zur Genossenschaft); OLG Dresden, Urteil vom 25. September 2007 – 2 U 318/07 –, Juris Rn. 33 ff. (zur Genossenschaftsbank mit Bezugnahme auf § 18 KWG). 315 Siehe BGH NZG 2002, 195, 196; BGH NZG 2005, 562, 563 (beide zur Genossenschaft); dies gilt auch für Warenlieferungskredite, siehe BGH WM 1968, 1929, 1929 f.; ThürOLG Jena NZG 2001, 86, 87 (beide zur GmbH). 316 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 198; siehe zu den Voraussetzungen aus § 18 KWG und den MaRisk: Schlimm S. 241 f. 317 Siehe M. Schmidt, ZBB 2006, 31, 37; Scholl, S. 236; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 198; vgl. auch § 18 S. 1 KWG. 318 Siehe BGH WM 2009, 78, 80. 319 So das ThürOLG Jena NZG 2001, 86 – 88, wenngleich in diesem Fall eine Überprüfung stattgefunden hat, welche jedoch als nicht hinreichend bewertet wurde. 320 So auch Binder, AG 2012, 885, 897 f.

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lungsbedürftig sind. Insgesamt sind formelle Verfahrensvorgaben gut geeignet, ein Grundgerüst eines Entscheidungsfindungsprozesses vorzugeben, sie müssen jedoch flexibel gehandhabt werden und können insofern lediglich unterstützend zu der maßgeblichen materiellen Überprüfung der Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.321 bb) Materielle Verfahrensmaßstäbe Die materiellen Verfahrensmaßstäbe haben das Ziel, zu bestimmen, ob eine Informationsgrundlage im konkreten Einzelfall den von der Rechtsordnung gestellten Anforderungen entspricht, also tatsächlich alle für eine sorgfältige Entscheidungsfindung benötigten Informationen eingeholt worden sind. In diesem Sinne gilt es abstrakte Anhaltspunkte zu ermitteln, die die Bestimmung der angemessenen Entscheidungsgrundlage ermöglichen. Zunächst könnte es im Sinne einer umfassenden Informationsbeschaffungspflicht allein als materiell angemessen gelten, „in der konkreten Entscheidungssituation alle Informationen tatsächlicher und rechtlicher Art“ zu ermitteln.322 Dies würde bedeuten, dass alle Informationen, die für die konkrete Entscheidung Relevanz haben, zwingend einzuholen wären. Dementsprechend würde jede für eine möglichst vorteilhafte Entscheidung fehlende Information dazu führen, dass auch eine angemessene Informationsgrundlage nicht vorliegen würde. Soweit Haftungsfragen im Raum stehen, wird jedoch regelmäßig gerade nicht die für das Unternehmen vorteilhafteste Entscheidung getroffen worden sein. Dementsprechend wird regelmäßig auch im Nachhinein irgendeine Information zu finden sein, welche den ungünstigen Ausgang der Entscheidung hätte abwenden können. Diese Information wird der Entscheidungsträger jedoch nicht berücksichtigt haben, sodass im Ergebnis fast immer die BJR über das Erfordernis einer umfassenden Informationsbeschaffungspflicht ausgehebelt würde.323 Schließlich ist eine Ermittlung aller verfügbaren Informationen schlicht nicht möglich und mit einer rentablen Unternehmensführung nicht zu vereinbaren. So wird diese Formulierung, die vom BGH noch immer so verwendet wird,324 auch in der Literatur nahezu einhellig abgelehnt.325

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So im Ergebnis auch Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12, der eine rein formale Absicherung explizit ablehnt; siehe auch Winnen, S. 202. 322 So BGH NJW 2008, 3361, 3362; BGH NZG 2013, 1021 – 1025; wobei ersterer Beschluss eine GmbH betraf und das zweitgenannte Urteil eine GmbH & Co KG. 323 So auch Arnold, S. 177; Fleischer, FS Wiedemann, S. 825, 841; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2285 f. 324 Siehe BGH NJW 2008, 3361, 3362; BGH NZG 2013, 1021 – 1025. 325 Siehe Redeke, NZG 2009, 496, 497; ders., ZIP 2011, 59, 60; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2339; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 70; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 105; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 20; Krieger/ Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17, die die Rechtsprechung als „contra legem“ bezeichnen; M. Roth, S. 81 f.

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Eine angemessene und praktikable Lösung kann vielmehr lediglich durch einen flexibel gestalteten Anforderungsrahmen gewährleistet werden. Maßgebliche Faktoren hierbei sind die Bedeutung der Entscheidung, insbesondere unter Berücksichtigung des Risikos, welches die Entscheidung birgt, der zeitliche Rahmen, der zur Informationsbeschaffung zur Verfügung steht, das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Informationsbeschaffung und die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Informationsbeschaffung.326 Die konkrete Gewichtung dieser Faktoren und ihre gegenseitige Beeinflussung lassen einen erheblichen Wertungsspielraum offen. Diese Wertung stellt jedoch den Kern wirtschaftswissenschaftlicher Entscheidungslehre dar327 und ihr ist mit juristischem Handwerkszeug allenfalls im Wege der Entwicklung einer umfassenden Kasuistik gerecht zu werden. Entsprechende gerichtliche Entscheidungen müssen jedoch ihrerseits auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Bei fehlendem eigenem Sachverstand muss das Gericht einen Sachverständigen hören.328 Doch auch ein Spezialist auf dem Gebiet der wirtschaftswissenschaftlichen Entscheidungslehre wird keine ex ante vorgegebene einzig richtige Entscheidung entwickeln können. Denn bei der Entwicklung von Wertungskriterien ist zu beachten, dass es im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Entscheidungslehre kaum allgemein anerkannte Erkenntnisse gibt, die nicht zudem auch dem ständigen Wandel des wissenschaftlichen Erkenntnisstands unterlägen.329 Da also keine allgemeingültigen Wertungsstandards existieren und der Versuch der Normierung ebensolcher dem wissenschaftlichen und dem innovativen wirtschaftlichen Wandel entgegenstünde, ist eine Verrechtlichung der Bewertung der Entscheidungsgrundlage in Form detaillierter materieller Wertungsstandards weder möglich noch erstrebenswert.330 So kann insgesamt nicht von einer rechtlich vorzuzeichnenden, materiellen Bewertbarkeit der Informationsgrundlage ausgegangen werden.331 Vielmehr können lediglich die grundlegenden Faktoren der Bewertung festgehalten werden und in 326

So auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 70; ders., Vorstandsrecht, § 7 Rn. 58; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, AktG § 93 Rn. 22; Koch, ZGR 2006, 769, 789; Peters, AG 2010, 811, 813; Freitag/ Korch, ZIP 2012, 2281, 2285; Winnen, S. 205 f. 327 So auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12, wo auf anerkannte betriebswirtschaftliche Verhaltensmaßstäbe verwiesen wird. 328 So hat das OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2009 – I-6 U 29/08, den eigenen Sachverstand in dieser Beziehung überstrapaziert. Das Urteil wurde richtigerweise unter anderem aus diesem Grund vom BGH aufgehoben, BGH NZG 2011, 549, 549 ff. 329 Siehe Arnold, S. 179; Binder, AG 2012, 885, 897; Schlimm, S. 211; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 833, die einen Detailbegründungsgrundsatz aufstellen, nach dem die zukünftigen Wirkungen einer Entscheidung schon ex ante argumentativ untermauert werden sollen, sie stellen jedoch gleichzeitig fest, dass der derzeitige Forschungsstand keine allgemein anerkannten Verfahren für eine solche ex ante Prognose bereithält. 330 So auch Binder, AG 2012, 885, 898; Haese, S. 110 f. 331 So auch Arnold, S. 179.

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diesem Rahmen die Entscheidung von einem Sachverständigen auf die Vereinbarkeit mit aktuellen, anerkannten ökonomischen Mindestanforderungen an eine Entscheidungsvorbereitung der konkreten Art überprüft werden. cc) Zwischenergebnis zu den Informationsgewinnungsverfahren Im Ergebnis ist festzuhalten, dass formelle Verfahrensvorgaben grobe Anhaltspunkte liefern können, für den konkreten Fall jedoch flexibel zu handhaben sind. Materielle Beurteilungsmaßstäbe lassen sich in ihren Grundsätzen zwar juristisch fassen, ihre Bewertung im konkreten Einzelfall ist jedoch nach wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen vorzunehmen, wobei den wirtschaftswissenschaftlichen Standards alleine keine Präjudizwirkung zukommen darf.332 Hier darf sich der Jurist nicht von seinem Verlangen nach normativ greifbaren Maßstäben leiten lassen, wo solche tatsächlich nicht in wissenschaftlich belastbarer Form vorliegen. Lediglich allgemein anerkannte, auf den konkreten Einzelfall anwendbare wirtschaftswissenschaftliche Mindestanforderungen an einen Entscheidungsfindungsprozess sind zwingend zu berücksichtigen. b) Kontrolle der Informationsgrundlage Wie soeben bei der Betrachtung der möglichen Verfahren zur Informationsgewinnung dargestellt, eröffnen sich bei deren Ausgestaltung erhebliche Wertungsspielräume. Diese Spielräume beruhen auf den Unsicherheiten bezüglich möglicher zukünftiger Entwicklungen, bezüglich anzuwendender erkenntnistheoretischer Prognoseverfahren und bezüglich des tatsächlichen Nutzens der einzuholenden Information.333 Wem der Entscheidungsvorrang über diese Wertungsentscheidung zusteht, ist die Frage eines objektiven oder eines subjektiven Bewertungsmaßstabs, ob also das Gericht unter Hinzuziehung hinreichenden Sachverstands objektiv die Angemessenheit bewertet oder ob dem Geschäftsleiter hier die subjektive Bewertung im Sinne eines eigenständigen Ermessensfreiraumes überlassen wird. aa) Rein objektiver Maßstab Nachwirkend zu einer vor der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vorgenommenen traditionell sehr strengen Bewertung der Entscheidungsgrundlage im Aktienrecht334 wurde ein Entscheidungsfreiraum bezüglich der Angemessenheit der Informationsbasis auch nach Einführung des § 93 I 2 AktG durch das UMAG teilweise abgelehnt.335 Für diese Sichtweise wurde eine restriktive Leseart des § 93 I 2 332

So auch Haese, S. 112. So auch Arnold, S. 179. 334 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, § 116, Rn. 80. 335 Nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung: Ulmer, DB 2004, 859, 861 ff.; Hauschka, ZRP 2004, 65, 67; Kindler, ZHR 1998, 101, 106 („Entscheidungsgrundlagen vollständig und richtig zusammenstellen und korrekt auswerten“); Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Thümmel, DB 333

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AktG angeführt, wonach sich die privilegierende Wirkung des „vernünftigerweise annehmen Dürfens“ lediglich auf das Handeln zum Wohle der Gesellschaft beziehen soll und damit gerade nicht auf die Ermittlung der Informationsgrundlage.336 Demnach unterläge die Angemessenheit der Informationsgrundlage der vollen gerichtlichen Kontrolle und das Gericht müsste die eigene Wertung der Kriterien zum Verfahren der Informationsbeschaffung über die getroffene Wertung des Entscheidungsträgers stellen. Dem stehen schon die oben gewonnen Erkenntnisse unmittelbar entgegen. Eine Wertung, die ex ante keine konkreten Verhaltensstandards bereithält, kann nicht im Nachhinein insgesamt neu überprüft und gegebenenfalls als falsch eingeordnet werden. So wird diese Ansicht heute weit überwiegend abgelehnt und ein eigenständiger Ermessensfreiraum zugunsten des Geschäftsleiters angenommen.337 Begründet wird dies mit den Merkmalen einer unternehmerischen Entscheidung, die auch der Entscheidung zur Informationsbeschaffung innewohnen,338 außerdem mit dem Verweis auf den Gesetzestext des § 93 I 2 AktG und die Gesetzesbegründung.339 bb) Rein subjektiver Maßstab Als Gegenmodell zu einer objektiven Beurteilung könnte nun die Beurteilung der Informationsgrundlage in das völlig freie Ermessen des Entscheidungsträgers gelegt werden. Dieser könnte dann nach seiner subjektiven Einschätzung entscheiden, ob er die Entscheidung intuitiv aus dem Bauch heraus treffen möchte oder ob er die Schaffung einer umfassenden Informationsgrundlage für angemessen hält. Inwieweit Intuition und Bauchgefühl ein guter Berater bei unternehmerischen Entscheidungen sind, ist umstritten. Teilweise werden Studien und Erfahrungsbe2004, 471, 472; Hoor, DStR 2004, 2104, 2107; nach Inkrafttreten des UMAG: Goette, ZGR 2008, 436, 448; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 9. 336 So Goette, ZGR 2008, 436, 448; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 9. 337 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 102; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 34; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 74; ders., Vorstandsrecht, § 7 Rn. 51; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2285; Redeke, ZIP 2011, 59, 63; Peters, AG 2010, 811, 812; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; Kock/ Dinkel, NZG 2004, 441, 444; Schlimm, S. 213 ff; Winnen, S. 212 f. 338 So Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2284 f.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444; Kinzl, DB 2004, 1653, 1654; Graumann, ZGR 2011, 293, 299 f., der betont, dass die Entscheidungsvorbereitung und die Entscheidung selbst bei der Überprüfung nicht getrennt werden können. 339 Trotz entsprechender im Gesetzgebungsverfahren geäußerter Kritik schließt der Gesetzestext des § 93 I 2 AktG die angemessene Information gerade in die Einschränkung des „vernünftigerweise annehmen Dürfens“ mit ein; siehe auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11: „Als Maßstab für die Überprüfung, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist, dient das Merkmal „vernünftigerweise“.[…] Es wird dem Vorstand also in den Grenzen seiner Sorgfaltspflichten ein erheblicher Spielraum eingeräumt, den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden.“.

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richte angeführt, nach denen intuitive Entscheidungen vorzugswürdig seien.340 Teilweise werden Studien angeführt, die genau das Gegenteil beweisen sollen.341 Schließlich ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch nicht der Beweis gelungen, dass eine fundierte Entscheidungsvorbereitung einer intuitiven Entscheidung wirtschaftlich überlegen ist, wenngleich dies die herrschende Meinung annimmt.342 Zur Begründung eines intuitiven Freiraums des Entscheidungsträgers wird teilweise die in der Regierungsbegründung enthaltene Formulierung, eine unternehmerische Entscheidung beruhe „häufig auch auf Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und einem Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten“,343 herangezogen.344 Dem kann jedoch nur zugestimmt werden, soweit der Entscheidung ein nachvollziehbarer Entscheidungsprozess zugrunde liegt. So ist zwar auf die subjektive Sichtweise des Entscheidungsträgers abzustellen, dieser kann jedoch nicht völlig freihändig aus dem Bauch heraus eine Entscheidung treffen. Vielmehr hat der Entscheidungsträger den Entscheidungsrahmen soweit auszuleuchten, dass er nachvollziehbar einschätzen kann, ob die eigene Erfahrung ausreicht oder zusätzlicher Rat hinzugezogen werden muss.345 Eine Entscheidung kann somit auf Intuition beruhen, dies kann jedoch nur von der BJR erfasst werden, soweit evident maßgebliche Entscheidungsfaktoren ermittelt worden sind und damit einer nachträglichen Kontrolle zugänglich sind.346 Dies entspricht dem objektivierten Maßstab des 340 Siehe Fleischer, ZHR 2008, 538, 552, m.w.N. und mit dem Verweis auf den Unternehmer Jack Welch, der das Unternehmen General Electric zum profitabelsten der Welt machte und sich bei seinen Entscheidungen häufig auf sein Bauchgefühl verließ; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 831, die auf die niedrigen Fundierungskosten bei intuitiven Entscheidungen hinweisen; Reckhenricht, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 475, verlangt, dass der CEO einer Bank Intuition als Kernkompetenz haben sollte; Graumann, CCZ 2010, 222, 226, der Intuition auf der Ebene der Entscheidungsalternativen-Vorauswahl für unerlässlich ansieht; M. Roth, S. 81, mit dem Hinweis auf Studien, die keinen signifikanten Zusammenhang von Information und Effizienz von Geschäftsleitungsentscheidungen nachweisen konnten; ebenso Mutter, S. 222 ff.; ein weiteres Beispiel für erfolgreiches Wirtschaften maßgeblich auf der Grundlage von Intuition stellt der größte Pay-TV-Sender der Welt dar: HBO vertraut bei unternehmerischen Entscheidungen im Kreativbereich nicht auf Datenbanken, sondern auf Instinkt und ist dabei extrem erfolgreich, siehe Baurmann, Die Zeit, 04. 05. 2016, Nr. 20, S. 21, 22. 341 Siehe v. Werder/Maly/Pohle/Wolff, DB 1998, 1193, 1196; Scholl, S. 18 f.; Hauschka, ZRP 2004, 65, 67. 342 Siehe Hamann, ZGR 2012, 817, 823, Intuition als „geronnene Erfahrung“ zugrunde legend; Redeke, NZG 2009, 496, 497; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 831; Kinzl, DB 2004, 1653, 1654; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 44; Scholl, S. 218; Schlimm, S. 205. 343 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 344 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 80. 345 Mit einem ähnlichen Verständnis von intuitiven Entscheidungen Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 80; ebenfalls klarstellend, dass Intuition nicht gleichbedeutend ist mit Spontanität oder unvorbereiteten Entscheidungen: Hamann, ZGR 2012, 817, 828. 346 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 71b; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 831; für einen völligen Ausschluss intuitiver Entscheidungen von der BJR Spindler, in:

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„vernünftigerweise annehmen Dürfens“ des § 93 I 2 AktG,347 den aktuellen Erkenntnissen der psychologischen Forschung348 und dem Erfordernis der objektiven Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen.349 Ein rein subjektiver Kontrollmaßstab ist somit abzulehnen. cc) Gemischt objektiv subjektiver Maßstab Es lässt sich zusammenfassen, dass dem Entscheidungsträger bei der Abwägung der im Verfahren zur Informationsgewichtung objektiv bestimmbaren Faktoren, wie Wichtigkeit der Entscheidung, Zeitdruck und Kosten und Nutzen der Information, ein eigenständiger Ermessensfreiraum einzuräumen ist. Dieser subjektive, auf die Sichtweise des Entscheidungsträgers abstellende Beurteilungsmaßstab findet jedoch seine Grenzen in dem Erfordernis der objektiven Nachvollziehbarkeit. Bezüglich dieser Punkte besteht weitestgehend Einigkeit.350 Die maßgebliche Abgrenzungsfrage ist somit, inwieweit die Entscheidung objektiv nachvollziehbar sein muss. Zur Einordnung der objektiven Nachvollziehbarkeit ist zunächst der äußere Rahmen nachzuzeichnen, in welchem der Geschäftsleiter zur Rechtfertigung seiner Entscheidung verpflichtet ist. Sodann sind die Sphären, in welchen der Richter beziehungsweise in welchen der Geschäftsleiter den Entscheidungsvorrang innehat, abstrakt abzugrenzen. (1) Der äußere Rahmen der objektiven Anforderungen Die Grenzen einer Objektivierung der Prüfung liegen zunächst in den bereits aufgezeigten begrenzten Möglichkeiten der Vorbestimmung von Entscheidungsprozessen.351 Für die Vorgabe einer optimalen Entscheidungsvorbereitung im konkreten Einzelfall mangelt es an Erkenntnissen zu einem optimalen Entscheidungsverfahren sowie am Nachweis der Vorteilhaftigkeit einer intensiven Entscheidungsvorbereitung gegenüber intuitiven Entscheidungen.352 Schließlich ist eine MüKo AktG, § 93 Rn. 44; Hamann, ZGR 2012, 817, 832; dementgegen gegen das Erfordernis der objektiven Nachvollziehbarkeit Winnen, S. 212, allerdings später mit Einschränkungen, siehe Winnen S. 214 ff. 347 So auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 22; Winnen, S. 214. 348 Siehe Hamann, ZGR 2012, 817, 826 ff. und Mutter, AG 2007, R223, R223, die auf die Erkenntnis verweisen, dass eine intuitive Entscheidung einer analytisch reflektierten Entscheidung überlegen sein kann, allerdings nur, soweit sie auf einer breiten Informationsbasis erfolgt. 349 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 71b; Hamann, ZGR 2012, 817, 832 f., der allerdings aus dem Erfordernis der objektiven Nachvollziehbarkeit den Ausschluss der BJR für intuitive Entscheidungen folgert. 350 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 71; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 20; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 22; Bachmann, ZHR 2013, 1, 9; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1253; Schlimm, S. 213 ff.; Winnen, S. 220 f. 351 Siehe oben § 4 B. IV. 1. a) bb). 352 Siehe auch oben § 4 B. IV. 1. b) bb).

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unternehmerische Entscheidung gerade durch die ihr innewohnende Unsicherheit charakterisiert, der Zusammenhang zwischen Maßnahme und erhoffter Wirkung kann nicht vorausgesagt werden. So kann eine „Detailbegründung“ nicht gefordert werden, wo keine anerkannten Entscheidungsfindungsmethoden existieren, insbesondere eine gesicherte Ursachen-Folgen-Prognose nicht möglich ist.353 Eine solche könnte sich nur auf Erwartungswerte stützen, für deren Berechnung einzelfallfallbezogen geprüft werden muss, inwieweit gesicherte Berechnungsmethoden existieren. Derartige, für den konkreten Einzelfall anerkannte Standards setzen die Grenze für die Begründungsmöglichkeit und damit auch für die Begründungsverpflichtung.354 Weiterhin darf die Objektivierung des Prüfungsmaßstabs nicht zu einer Verrechtlichung temporärer wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse führen. Eine solche ist aufgrund und zum Schutz des wissenschaftlichen Wandels und zur Vermeidung der Formalisierung von Entscheidungsprozessen zu vermeiden.355 Schließlich darf der Entscheidungsvorbereitungsprozess nicht völlig unabhängig von der unternehmerischen Entscheidung selbst, welcher der weite Ermessensspielraum der BJR zugutekommt, betrachtet werden.356 Zum einen sind Entscheidungsvorbereitung und Entscheidung schon rein tatsächlich kaum voneinander zu trennen.357 Zum anderen würde ein weites Auseinanderfallen der Kontrollmaßstäbe zu dem absurden Ergebnis führen, dass die Entscheidungsgrundlage zwar penibel vorbereitet werden müsste, die Entscheidung selbst jedoch, im Rahmen des weiten Ermessens, auf die vom Entscheidungsträger völlig frei ausgewählten Einzelinformationen gestützt werden könnte. Auf der anderen Seite ginge eine eigenständige BJR auf zweiter Ebene zu weit.358 Es ist zu berücksichtigen, dass ein Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle der Informationsgrundlage mit dem Wortlaut des § 93 I 2 AktG nicht vereinbar ist359 und die Frage einer BJR auf dritter, vierter, … Ebene aufgeworfen würde.360 Die Formulierung „vernünftigerweise“ stellt eine objektiv zu überprüfende Voraussetzung 353

So aber Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 833. So auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12: „unter Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhaltensmaßstäbe“; BGH NZG 2002, 195, 196: „So ist eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt.“. 355 So auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 21; ders., ZGR 2006, 769, 789; Binder, AG 2012, 885, 898; kritisch zu bewertende Tendenzen zu einer solchen Verrechtlichung aber bei Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 834 und Graumann, ZGR 2011, 293, 302 f. 356 Siehe hierzu bereits oben § 4 B. II. 3. 357 Insoweit zutreffend Graumann, ZGR 2011, 293, 301. 358 A.A. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 102 f.; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 35; Bachmann, ZHR 2013, 1, 9; Lutter, ZIP 2007, 841, 845; Winnen, S. 220 f. 359 So auch Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2285. 360 So auch Druey, FS Goette, S. 57, 66. 354

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dar, welche der gerichtlichen Kontrolle nicht grundsätzlich entzogen werden kann. Vielmehr gibt es Entscheidungsgegenstände, die soweit durch zuverlässige Prognoseverfahren erschlossen und im Rahmen eines standardisierten Ablaufs bekannt sind, dass zumindest insoweit eine Vergleichbarkeit der Unsicherheit bei der Entscheidungsvorbereitung und bei der Entscheidung selbst nicht gegeben ist und eine gerichtliche Kontrolle angebracht ist.361 (2) Die inhaltliche Bestimmung der objektiven Anforderungen Die objektive Nachvollziehbarkeit der Entscheidung kann und muss somit insgesamt nicht bis ins Detail erfolgen. Vielmehr ist im Einzelfall zu beurteilen, ob anerkannte Standards den Rahmen der Entscheidung vorgeben, ob also bei fachgerechtem Vorgehen die Unsicherheit der Entscheidung hätte eingegrenzt werden können. Sodann ist zu prüfen, ob auf der Grundlage der eingeholten Information ein rationaler Zusammenhang zwischen der Entscheidung und dem angestrebten Ziel hergestellt werden kann. Im betriebswirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum werden zur Konkretisierung dieses rationalen Zusammenhangs teilweise „First-best-Information“ und „Secondbest-Information“ unterschieden und darauf aufbauend konkrete Optimierungsvorgaben für die Informationsgrundlage gegeben.362 Einem solchen Optimierungsgedanken steht jedoch entgegen, dass unternehmerische Entscheidungen gerade solche unter Unsicherheit sind. Soweit zuverlässige Prognosemethoden existieren und hinreichend Zeit zur Verfügung steht, ist es selbstverständlich, dass im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Abwägung eine optimale Prognosemöglichkeit auch genutzt wird. Der maßgebliche Anwendungsbereich der BJR liegt jedoch in der Überwindung von Unsicherheiten, die sich aufgrund der Umstände der konkreten Entscheidungssituation nicht durch zuverlässige Prognosemethoden auflösen lassen. Einer allgemeingültigen Konkretisierung steht somit entgegen, dass stets die Bedingungen der konkreten Entscheidungssituation berücksichtigt werden müssen. Bei großem Zeitdruck und großer Unsicherheit ist der Entscheidungsfreiraum des Geschäftsleiters somit wesentlich weiter, bei großen Risiken und besonders bedeutenden Entscheidungen entsprechend enger. Als Eckpfeiler der nachträglichen Kontrolle hat sich der Richter daran zu orientieren, dass zunächst nicht auf die Ermittlung weiterer Informationen abzustellen ist. Vielmehr hat das Gericht die Informationsgrundlage als ausreichend zu erachten, wenn sich eine weitergehende Informationsbeschaffung nicht geradezu aufdrängte, wenn also die Informations-

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Siehe Redeke, ZIP 2011, 59, 62. So Graumann/Grundei, DBW 2011, 379, 385 ff., die beim Vorliegen von nach wissenschaftlichen Standards gesicherten Informationen von den angestrebten „First-best-Informationen“ sprechen. Bei nicht hinreichend zuverlässigen Informationen sollen nur „Secondbest-Informationen“ vorliegen, die im Wege weiterer Informationsbeschaffung optimierungsbedürftig seien. 362

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grundlage in irgendeiner Weise den Schluss auf die getroffene Maßnahme zulässt.363 Denn gerade in dem nachträglichen Wissen, dass weitere Informationen existiert hätten, die einen Schaden möglicherweise abgewendet hätten, liegt die maßgebliche Gefahr eines Rückschaufehlers. Die Anforderungen an die objektive Nachvollziehbarkeit sind somit zunächst niedrig anzusetzen, steigen allerdings mit der Bedeutung der Entscheidung. Diesen Maßstab der gerichtlichen Kontrolle einer angemessenen Informationsbasis begrifflich festzuhalten, gestaltet sich aufgrund von uneinheitlichen Begriffsverwendungen schwierig. Der hier gefundene Maßstab lässt sich in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut als „vernünftigerweise nachvollziehbar“ bezeichnen. Dasselbe wird durch Formulierungen wie „Plausibilitätskontrolle“,364 „Vertretbarkeit“365 oder „vernünftig“366 ausgedrückt. Einer BJR auf zweiter Ebene gleich kommende Formulierungen wie „schlechterdings unvertretbar“367 und „unverantwortlich“368 gehen dementsprechend zu weit und sind dem Ermessensspielraum des Handelns zum Wohle der Gesellschaft vorbehalten. 2. Kollektiventscheidungen Ähnlich wie im Falle der Interessenkonflikte stellt sich auch im Rahmen der angemessenen Information die Frage, wie sich bei Kollegialentscheidungen der mangelnde Kenntnisstand Einzelner auf die Beurteilung einer Entscheidung durch das Kollegialorgan auswirkt. Wiederum entfaltet die Problematik für die AG eine große Relevanz, da hier der Vorstand regelmäßig als Kollegialorgan ausgestaltet ist369 und insbesondere Leitungsaufgaben zwingend vom Gesamtvorstand wahrgenommen werden müssen.370 In der GmbH hingegen stellt die Einzelgeschäftsführung den

363 Ebenfalls für einen erweiterten Ermessensfreiraum bezüglich potentiell noch einzuholender Informationen: Bunz, S. 171 f.; ders., DK 2012, 444, 447 f.; siehe auch M. Roth, S. 86. 364 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 71a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 21; Redeke, ZIP 2011, 59, 64. 365 So Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 34; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 17. 366 So Schlimm, S. 214, im Sinne einer „mittleren Überprüfungsdichte“. 367 So Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 22; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2286, die allerdings trotz der Formulierung „Unvertretbarkeit“ eine unmittelbare Anwendbarkeit der BJR auf die Informationsbeschaffung ablehnen. 368 So Bachmann, ZHR 2013, 1, 9, der das Ermessen bei der Informationsbeschaffung mit jenem bei der Gewichtung des Gesellschaftswohls mit dieser Formulierung gleichsetzen möchte; ders., WM 2015, 105, 106: Haftung nur für „offensichtliche Fehler“. 369 Siehe Ziff. 4.2.1 DCGK, Version vom 05. 05. 2015; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 97; vgl. auch § 76 II 2 AktG. 370 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 62; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 22 f; Spindler, in: MüKo AktG, § 77 Rn. 61.

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Regelfall dar.371 Entsprechend begrenzt sollen auch die Ausführungen zu der Problematik ausfallen.372 Zunächst ist der Fall einer Entscheidung mit Einstimmigkeitserfordernis zu betrachten. Hier wird im Ergebnis jede einzelne Stimme relevant, sodass jedes Gremienmitglied hinreichend informiert sein muss, damit die Entscheidung insgesamt als eine hinreichend informierte Entscheidung angesehen werden kann. Zwar besteht hier, anders als bei den Interessenkonflikten, nur sehr eingeschränkt die Gefahr, dass einzelne Mitglieder die Übrigen gezielt beeinflussen, doch erwirbt eine Entscheidung mit Einstimmigkeitserfordernis ihre Legitimität nur durch das Zusammenwirken aller Entscheidungsträger. Da jeder einzelne die Entscheidung zu Fall bringen kann, führt auch jedes Informationsdefizit kausal zu einer insgesamt nicht angemessen informierten Entscheidung.373 Insofern infiziert schon ein einziges mangelhaft informiertes Mitglied die Abstimmung der übrigen Mitglieder. Bei Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip ist den Stimmen beizupflichten, die eine hinreichend informierte Entscheidung annehmen, soweit die erforderliche Mehrheit hinreichend informiert war und zwar in der Weise, dass die getroffene Entscheidung tatsächlich von hinreichend informierten Vorstandsmitgliedern getragen wird.374 Bezüglich des Umfangs der Informationsgrundlage ergeben sich keine Unterschiede zu dem oben bereits Dargestellten. Bezüglich der Art der Informationsbeschaffung ergibt sich bei Kollegialentscheidungen regelmäßig die Besonderheit, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entscheidungsgrundlage vorbereiten und die übrigen Entscheidungsträger von diesen Berichterstattern informiert werden.375 In diesen Fällen müssen die Berichterstatter entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen informiert sein, während sich die übrigen Vorstandsmitglieder der Art nach im Normalfall auf eine Plausibilitätskontrolle der empfangenen Informationen beschränken können,376 dem Umfang nach jedoch eine angemessene Grundlage für eine eigenständige Entscheidung sicherstellen müssen.377 3. Zwischenergebnis Das Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information lässt sich nur durch abstrakte materielle Bewertungsmaßstäbe fassen. Allerdings können formelle Ver371

Siehe zu empirischen Erkenntnissen Kornblum/Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240, 1250. Siehe zu einer umfangreichen Darstellung des Problems und der Lösungsmöglichkeiten: Schlimm, S. 279 ff. 373 So auch Scholl, S. 238. 374 So Schlimm, S. 281 f.; Scholl, S. 238. 375 Siehe Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 723; Schlimm, S. 231 f. 376 Ausführlich zu den Anforderungen der Informationsübermittlung durch den Berichterstatter Schlimm, S. 243 f. 377 So auch Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 723; siehe auch Schlimm, S. 232. 372

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fahrensvorgaben in Einzelfällen zur Konkretisierung herangezogen werden. Eine vollständige gerichtliche Kontrolle wird häufig schon an der fehlenden Bestimmbarkeit von ex ante erforderlichen konkreten Informationsbeschaffungsmaßnahmen scheitern, da hier hinreichende Standards fehlen. Doch auch in Fällen, in denen allgemein anerkannte Standards der Entscheidungsvorbereitung existieren, ist die gerichtliche Kontrolle beschränkt. Solche Standards können nur als Anhaltspunkt für eine angemessene Entscheidungsvorbereitung dienen und sind zur Vermeidung einer Formalisierung des Entscheidungsprozesses nicht als rechtlich verbindlich einzustufen.378 Vielmehr hat der Entscheidungsträger im Einzelfall Kosten, Nutzen, Bedeutung, Risiko, Zeitdruck und Möglichkeiten der Informationsbeschaffung bei der Entscheidung eigenständig abzuwägen. Diesen Abwägungsprozess hat der Richter einer Plausibilitätskontrolle am Maßstab einer vernünftigerweise nachvollziehbaren Entscheidung zu unterziehen. Hierbei darf er nachträglich bekannt gewordene Informationen, die den Schaden potentiell abgewendet hätten, nur als pflichtwidrig nicht eingeholt einstufen, wenn diese sich ex ante geradezu hätten aufdrängen müssen. Damit wird insgesamt keine BJR auf zweiter Ebene geschaffen, sondern ein eigenständiger Ermessensfreiraum, der in seinem Umfang hinter jenem der BJR zurückbleibt. V. Guter Glaube Schließlich wird, der Regierungsbegründung zum UMAG379 folgend, regelmäßig die Gutgläubigkeit des Entscheidungsträgers gefordert.380 Auch bei einer Entscheidung, die den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen entspricht, muss der Entscheidungsträger selbst an die Richtigkeit seines Handelns glauben.381 Es versteht sich von selbst, dass ein dolos handelnder Geschäftsführer nicht schutzwürdig ist. Allerdings werden diese Fälle regelmäßig schon von den übrigen Tatbestandsmerkmalen erfasst, insbesondere dem „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“.

C. Beweislastverteilung Die Beweislast hat maßgebliche Auswirkungen auf die Effektivität der BJR in ihrer Funktion der Entlastung der Vorstände.382 Abweichend vom US-amerikanischen Regelungsmodell obliegt der Beweis pflichtgemäßen Handels dem Organ378

Gegen eine Verrechtlichung auch die Vertreter eines betriebswirtschaftlich fundierten Ansatzes: Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 834; Binder, AG 2012, 885, 898. 379 Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 380 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 76; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 24; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 25. 381 Siehe Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 25. 382 So auch Bachmann, BB 2015, 771, 774.

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mitglied selbst.383 Diese Abweichung vom US-amerikanischen Konzept hat durchaus seine in den unterschiedlichen Grundkonzeptionen der nationalen Gesellschaftsrechtssysteme liegenden Gründe.384 Es stellt sich unabhängig von der US-amerikanischen Regelung jedoch die Frage, ob die Beweislastverteilung im Rahmen der BJR bei einer eigenständigen Betrachtung des deutschen Regelungssystems sinnvoll ist. I. Ausgangslage Die Grundregel, dass der Anspruchsteller die Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale trägt, der Anspruchsgegner für alle rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale, darf als heute allgemein anerkannt bezeichnet werden.385 Die Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen würde also grundsätzlich bei der Gesellschaft liegen, welche einen Anspruch gegen ihren Geschäftsleiter geltend machen will. In der aktienrechtlichen Haftungssystematik trägt das Leitungsorgan jedoch gemäß § 93 II 2 AktG die Beweislast dafür, die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt“ zu haben. Damit liegt die Beweislast für ein fehlendes Verschulden zweifelsfrei beim Geschäftsleiter. Weiterhin verlangt die herrschende Meinung, dass der Geschäftsleiter nicht nur zu beweisen hat, subjektiv sorgfaltsgemäß gehandelt zu haben, sondern auch nachweisen muss, objektiv seine Sorgfaltspflichten erfüllt zu haben.386 Von der klagenden Gesellschaft verlangt der BGH übereinstimmend mit der überwiegenden Literatur darzulegen, dass ein Schaden vorliegt und eine für diesen kausale Handlung vorgelegen hat, die möglicherweise pflichtwidrig war.387 Die genauen Anforderungen an den Nachweis eines mögli-

383 Siehe zum US-amerikanischen Regelungsmodell: Cede Co. v. Technicolor, Inc, 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244, 264 (Del. 2000); Paefgen, S. 169 f.; siehe zur Gegenüberstellung zum deutschen Modell: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 14; Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Druey, FS Goette, S. 57, 67. 384 Siehe Kuntz, GmbHR 2008, 121, 124 f.; M. Roth, S. 37 f.; Scholl, S. 156, mit Ausführungen zu den abweichenden Beweiserhebungsverfahren im gerichtlichen Prozess; dazu auch Oltmanns, S. 100 f. 385 Siehe Saenger, in Saenger ZPO, § 286 Rn. 58; Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 111 f.; ständige Rechtsprechung: BGH NJW 1999, 352, 353; NJW-RR 2005, 1328, 1329; NJW 2005, 2395, 2396; NJW-RR 2010, 1378, 1379. 386 Siehe BGH NZG 2011, 549, 550; BGH WM 2009, 851, 854; BGH NJW 2003, 358, 358; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 36; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 264; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 53; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 181; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 222; a.A.: Kindler, FS Goette, S. 231, 234; Fleck, GmbHR 1997, 237, 239. 387 Grundlegend Goette, ZGR 1995, 648, 674; siehe auch Fleck, GmbHR 1997, 237, 239; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 53; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 221; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 141, mit Ausführungen zur Substantiierungspflicht der Gesell-

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cherweise pflichtwidrigen Verhaltens sind jedoch in Rechtsprechung und Literatur nicht klar umrissen. Der BGH fordert von der klagenden Gesellschaft jedenfalls nicht nur den Nachweis irgendeiner schadenskausalen Handlung, sondern zumindest die Darlegung von Tatsachen, die eine Pflichtwidrigkeit der Handlung möglich erscheinen lassen.388 So lässt es auch das OLG Nürnberg nicht ausreichen, dass eine Handlung allein im Pflichtenkreis des Geschäftsleiters stattfand, soweit die Gesellschaft keine positiven Anhaltspunkte für den Anschein eines pflichtwidrigen Verhaltens darlegen kann.389 Bevor also überhaupt der Tatbestand der BJR in Frage steht, soll die Gesellschaft zunächst darlegen, dass eine Pflichtverletzung nicht auszuschließen ist. Wie weit die Anforderungen an den Beweis der möglichen Pflichtwidrigkeit einer Handlung gehen können, muss interessen- und erkenntnissphärengerecht austariert werden. Auf der einen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Kläger auf Gesellschaftsseite, regelmäßig der Aufsichtsrat,390 jedoch auch die Gläubiger und die Aktionäre,391 wesentlich schwereren Zugang zu den für die Beurteilung der Pflichtgemäßheit einer Handlung maßgeblichen Informationen haben als der Geschäftsleiter, der diese Handlung selbst vorgenommen hat.392 Um eine den Kenntnissphären entsprechende Beweislastverteilung zu gewährleisten, sind die Anforderungen an den Nachweis eines möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens des Geschäftsleiters durch die Gesellschaft entsprechend niedrig zu halten. Auf der anderen Seite soll der Geschäftsleiter keiner Erfolgshaftung unterworfen sein. Dies wäre jedoch bei einer Beweislast für das fehlende Vertretenmüssen bei jedwedem Schaden im Pflichtenkreis des Geschäftsleiters der Fall, da eine solche im

schaft; Paefgen, NZG 2009, 891, 893; BGH NZG 2011, 549, 550; BGH WM 2009, 851, 854; a.A. Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 181. 388 So soll es ausreichend sein, wenn die Gesellschaft nachweist, der Geschäftsleiter habe eine unzutreffende Ertragsprognose erstellt und hierauf beruhend verlustbringende Investitionen getätigt: BGH NZG 2011, 549, 550; oder der Geschäftsleiter habe es trotz offensichtlich fehlender Auslastung und Drängen des Betriebsrats unterlassen, Kurzarbeit zu beantragen und damit Kosten einzusparen: BGH NJW 2003, 358, 359. 389 Siehe OLG Nürnberg, NZG 2015, 555, 556; zustimmend Fortmann, BB 2015, 83, 84; ablehnend Bauer, NZG 2015, 549, 550. 390 Gemäß §§ 78, 111, 112 AktG sind grundsätzlich der Aufsichtsrat und der Vorstand gegenüber dem jeweils anderen Organ zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche berufen. Diese beiden Organe sollten bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben durchaus in der Lage sein, die Entscheidungen des jeweils anderen Organs zumindest in Grundzügen nachzuvollziehen. 391 Eine Anspruchsverfolgung durch die Gläubiger ist in den Fällen des § 93 V AktG möglich, eine Anspruchsverfolgung durch die Aktionäre in den Fällen des § 148 AktG. Bei letzteren ist allerdings zu beachten, dass gemäß § 148 I 2 Nr. 3 AktG die Beweislast im Klagezulassungsverfahren auf die Aktionäre zurückverlagert wird. 392 So auch BGH NJW 2003, 358, 358; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 220; Spindler, in: MüKo, AktG, § 93 Rn. 181; Goette, ZGR 1995, 648, 672.

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Ergebnis eine widerlegbare Erfolgshaftung darstellen würde.393 Weiterhin ist zu beachten, dass der klagenden Gesellschaft schon der Erkenntnisvorsprung der ex post-Perspektive zu Gute kommt. Zeigt sich im Nachhinein, dass eine Maßnahme des Geschäftsleiters einen Schaden verursacht hat, so wird es bei der Zurückverfolgung der Kausalkette in der Regel möglich sein, eine möglicherweise interessenwidrige oder fehlerhafte Entscheidung oder Entscheidungsgrundlage zu identifizieren. Die Darlegung der wenn auch nur geringen Möglichkeit einer Pflichtverletzung ist damit einerseits unerlässlich und zum anderen der klagenden Gesellschaft auch zumutbar.394 Die genaue Einordnung des geforderten Beweismaßes steht damit jedoch noch aus. Der Nachweis lediglich einer bloßen Möglichkeit findet im deutschen Beweisverfahren im Rahmen der klassischen Beweiswürdigung kein unmittelbares Vorbild. Die Anforderungen an einen ersten Anschein im Sinne eines Prima-facieBeweises gehen jedenfalls zu weit.395 Näherliegend ist ein Rückgriff auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Das diesen zugrundeliegende Ungleichgewicht der Erkenntnismöglichkeiten zulasten des Beweisführenden wird regelmäßig auf Seiten der Gesellschaft vorliegen, jedenfalls steht der Geschäftsleiter dem Beweiszugang näher. Aus dem unterlegenen Beweismittelzugang auf Seiten der Gesellschaft kann jedenfalls darauf geschlossen werden, dass ihre Mitwirkungspflichten im Rahmen der Darlegungslast besonders gering einzustufen sind.396 Unter Berücksichtigung dessen, dass die objektive Beweislast ohnehin beim Geschäftsleiter liegt, ist der Beweis durch die Gesellschaft einer möglicherweise begangenen Pflichtverletzung daher insgesamt schon durch eine pauschale Darlegung einer pflichtwidrigen Handlung erbracht.397 Diese ist allerdings so weit zu substantiieren, dass, soweit Schaden und kausale Handlung nicht auf konkreten Pflichtverstoß schließen lassen, für den Geschäftsleiter erkennbar ist, welche konkrete Pflichtverletzung zum Schaden geführt haben soll.398

393

OLG Nürnberg, NZG 2015, 555, 556; zustimmend Bachmann, BB 2015, 771, 775; ebenso Paefgen, AG 2004, 245, 257; ders., NZG 2009, 891, 893. 394 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 140; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 54. 395 Der Nachweis, dass Tatsachen vorliegen, von denen typischerweise nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden darf, ist der Gesellschaft nicht zuzumuten. Siehe zu den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises: Saenger, in Saenger ZPO, § 286 Rn. 38 ff.; Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 48 ff. 396 Siehe zum Zusammenhang von überlegenem Beweiszugang und Mitwirkungspflicht: Saenger, in Saenger ZPO, § 138 Rn. 4; Wagner, in: MüKo ZPO, § 138 Rn. 21 f. 397 Diesen Anforderungen genügt die klagende Gesellschaft, wenn sie einen aus unzureichenden Erträgen resultierenden Schaden darlegt und behauptet, dieser sei auf eine fehlerhaft erstellte Ertragsprognose zurückzuführen, BGH NZG 2011, 549, 550; siehe zu den geringen Behauptungsanforderungen zulasten der darlegungspflichtigen Partei, der die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zugutekommen, Jauernig/Hess, ZPO, § 50 Rn. 3 (S. 202). 398 So auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 142.

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II. Beweislast bei der BJR Das US-amerikanische Vorbild der in § 93 I 2 AktG normierten BJR beinhaltet als wesentliches Merkmal eine Regelung der Darlegungs- und Beweislast zu Ungunsten der klagenden Gesellschaft.399 Hiervon lassen sich einige Stimmen in der hiesigen Literatur entgegen der herrschenden Meinung400 inspirieren, eine vergleichbare Interpretation auch für § 93 I 2 AktG zu erwägen, also § 93 II 2 AktG nicht anzuwenden401 oder jedenfalls die Beweislast in sachgerechter Art und Weise zugunsten des Leitungsorgans zu erleichtern.402 Der herrschenden Meinung, die sich für die Anwendung des § 93 II 2 AktG auch auf § 93 I 2 AktG ausspricht, ist zugute zu halten, dass der Gesetzgeber sich mit dem systematischen Argument, § 93 I 2 AktG sei als Ausnahme und Einschränkung gegenüber § 93 I 1 AktG formuliert, ausdrücklich für diese Regelungsvariante entschieden hat.403 Zudem wird für eine Anwendung des § 93 II 2 AktG angeführt, dass die Beweisschwierigkeiten auf Klägerseite für eine pflichtwidrige Handlung des Geschäftsleiters auch bei einer unternehmerischen Entscheidung fortbestehen würden und damit keine von § 93 I 1 AktG abweichende Bewertung zulässig sei.404 Schließlich wird angeführt, dass eine Klage durch die Gesellschaft wenig Missbrauchsgefahr berge, während für das missbrauchsanfällige Instrument der Minderheitenhaftungsklage die Rückkehr zur üblichen Beweislast für den Schutz der Leitungsorgane ohnehin vorgesehen sei.405 Die Gegenansicht hält dem entgegen, dass die Beweislast hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR ebenso umzuverlagern sei wie die Beweislast hinsichtlich der Pflichtverletzung. Das Argument, dass die klagende Gesellschaft jedenfalls die Möglichkeit einer Pflichtverletzung nachweisen müsse, um einer Erfolgshaftung entgegenzutreten, greife gleichermaßen für die Beweislast bezüglich 399 Siehe Cede Co. v. Technicolor, Inc, 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); Brehm v. Eisner 746 A.2d 244, 264 (Del. 2000). 400 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12; BGH NJW 2003, 358, 359; BGH NZG 2011, 549, 550; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 141; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 77; Drescher, Rn. 329; Spindler, NZG 2005, 865, 872; Winnen, S. 281 f.; Bunz, S. 203 f. 401 So M. Roth, BB 2004, 1066, 1067. 402 Siehe Paefgen, AG 2014, 554, 565; ders., NZG 2009, 891, 893; ders., AG 2004, 245, 259; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 439, die sich im Fall von unternehmerischen Entscheidungen für eine sekundäre Darlegungslast des Geschäftsleiters aussprechen, welche erst zum Tragen kommt, wenn die klagende Gesellschaft die Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens hinreichend erschüttert; Fest, NZG 2011, 540, 541. 403 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12; siehe auch ausführlich Schlimm, S: 160 f. 404 So Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 182; siehe auch Seibert, FS Priester, S. 763, 772 mit Hinweis auf die fehlenden Beweismöglichkeiten des „pre-trial-discovery“ aus dem amerikanischen Recht; siehe auch Winnen, S. 282. 405 Siehe Seibert, FS Priester, S. 763, 773.

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der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR.406 In diesem Sinne wird eine abgestufte Beweislast in unterschiedlichen Varianten vertreten. Fest sieht die Behauptungslast für das Darlegen der Entscheidungsgrundlage und der Erwägungen, die zu der Entscheidung geführt haben, zwar beim Geschäftsleiter, verlagert dann jedoch die Beweislast auf die klagende Gesellschaft, die darzulegen habe, dass die Entscheidungsvorbereitung unangemessen oder die Entscheidung unvernünftig gewesen sei.407 Vergleichbare Schlüsse zieht Bachmann aus dem BGH Urteil vom 22. 02. 2011.408 Dem Geschäftsleiter soll es nach Bachmann lediglich obliegen, die Voraussetzungen der BJR einigermaßen plausibel darzulegen, insoweit soll auch ein unvollständiger Vortrag ausreichen können, woraufhin die klagende Gesellschaft die sekundäre Darlegungslast tragen soll.409 Ebenfalls eine abgestufte Beweislast, jedoch in umgekehrter Reihenfolge, vertreten Paefgen410 sowie Hopt und Roth.411 Im Rahmen der Behauptung eines möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens soll die klagende Gesellschaft zusätzlich darzulegen haben, dass die Informationsgrundlage möglicherweise pflichtwidrig war oder möglicherweise ein Interessenkonflikt vorlag.412 Anders gewendet soll zunächst eine Vermutung für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR angenommen werden, welche durch die klagende Gesellschaft erschüttert werden muss.413 Die sekundäre Darlegungslast soll dann den Geschäftsleiter treffen, der somit erst nachrangig den Beweis für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR tragen soll. Für eine eigene Stellungnahme ist zunächst festzuhalten, dass das Argument, zur Vermeidung einer Erfolgshaftung dürfe auch im Rahmen der BJR nicht die vollständige Beweislast für die Anwendbarkeit der BJR beim Geschäftsleiter liegen, nur teilweise überzeugt. Der Geschäftsleiter müsste zwar fürchten, für jedwede Entscheidung, die kausal mit einem Schaden in Verbindung gebracht werden kann, umfassend, gegebenenfalls noch fünf Jahre später,414 das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale der BJR positiv beweisen zu müssen. Jedoch ist die Folge des nicht erbrachten Beweises zunächst lediglich eine Überprüfung der Handlung an406 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 439; Paefgen, NZG 2009, 891, 893; Fest, NZG 2011, 540, 541. 407 Siehe Fest, NZG 2011, 540, 541 (Anm. zu BGH NZG 2011, 549 – 551). 408 BGH NZG 2011, 549 – 551. 409 Siehe Bachmann, ZHR 2013, 1, 7. 410 Paefgen, NZG 2009, 891, 893, der mit einem starken Bezug zum US-amerikanischen Recht argumentiert und die dort herrschende Vermutung des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale der BJR („presumption“) auf das deutsche Recht übertragen will. 411 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 439. 412 So Paefgen., NZG 2009, 891, 893. 413 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 439. 414 Siehe § 93 V AktG: Für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt sogar eine Verjährungsfrist von 10 Jahren.

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hand des Maßstabs des § 93 I 1 AktG. Auch nach dieser Vorschrift unterliegt der Vorstand keiner Erfolgshaftung. Allerdings kann die Beweislast auch bei vollumfänglicher Anwendung des § 93 I 2 AktG auf die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR hinreichend abgemildert werden. Die vom BGH etablierte Anforderung an die klagende Gesellschaft, ein möglicherweise pflichtwidriges Handeln darzulegen, legt dazu den Grundstein. Schließlich ist im Schutzbereich der BJR die Pflichtwidrigkeit ausgeschlossen, womit die Darlegung einer möglicherweise pflichtwidrigen Handlung voraussetzt, dass auch die Voraussetzungen der BJR möglicherweise nicht vorliegen. Hieraus eine Vermutung zugunsten des Eingreifens der BJR zu ziehen oder die Darlegungslast für das Nichteingreifen der BJR primär der Gesellschaft aufzuerlegen, ginge allerdings zu weit, da dies dem ausdrücklichen und bewussten Willen des Gesetzgebers zuwider laufen würde.415 Vielmehr entsprechen sich die Sorgfaltsanforderungen des § 93 I 1 AktG und des § 93 I 2 AktG so weit, dass die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht aus § 93 I 1 AktG jedenfalls die Möglichkeit eines Handelns entgegen der Voraussetzungen der BJR begründet. Eine weitergehende Darlegungslast ist der Gesellschaft nicht zuzumuten. Der Geschäftsleiter wird schon dadurch hinreichend vor einer willkürlichen Inanspruchnahme geschützt, dass die Gesellschaft darlegen muss, welche Pflicht möglicherweise verletzt worden sein könnte, die kausal mit dem Schaden in Verbindung gebracht werden kann. Wie weit die Beweislast des Geschäftsleiters zu seiner Entlastung nach der BJR geht, insbesondere welche Anforderungen an eine substantiierte Behauptung gestellt werden müssen, ist für jedes Tatbestandsmerkmal der BJR differenziert zu betrachten. Die Darlegung einer unternehmerischen Entscheidung erfordert den Nachweis, dass die Entscheidung nicht bereits zumindest in einer Dimension vorbestimmt war.416 Es ist also insbesondere darzulegen, dass weder gegen die Legalitätspflicht noch gegen Treuepflichten verstoßen wurde. Der Geschäftsleiter hat sich jedoch nicht bezüglich jeder die Entscheidung möglicherweise beeinflussenden Vorschrift zu entlasten. Vielmehr hat die klagende Gesellschaft bereits im Rahmen des Vorwurfs einer möglicherweise pflichtwidrigen Handlung darzulegen, welche konkrete Pflicht verletzt worden sein soll, sodass der Geschäftsleiter diesem konkreten Vorwurf substantiiert begegnen kann.417 Der Nachweis eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft obliegt vollumfänglich dem Geschäftsleiter. Entsprechend seinem weiten Ermessensfreiraum bezüglich 415 So auch Bunz, S. 203 f., m.w.N. zu der Debatte im Gesetzgebungsverfahren; a.A. Paefgen, NZG 2009, 891, 893, der an der gesetzlichen Regelung und deren Begründung ein fehlendes Bewusstsein für den aktuellen Stand der Beweislastverteilung nach der Rechtsprechung des BGH kritisiert. 416 Siehe ausführlich zu den Anforderungen an eine unternehmerische Entscheidung oben § 4 B. I., zur genannten Definition § 4 B. I. 4. 417 Siehe auch Bauer, NZG 2015, 549, 550

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der Bestimmung des Unternehmensinteresses und bezüglich dessen Konkretisierung für eine unternehmerische Entscheidung sind die an den Nachweis zu stellenden Anforderungen jedoch äußerst gering.418 Für ein Handeln ohne Interessenkonflikte obliegt es der klagenden Gesellschaft nach den Grundsätzen des negativen Beweises substantiiert darzulegen, dass unternehmensfremde Interessen mit der Eignung zur Entscheidungsbeeinflussung vorgelegen haben.419 An diesen Nachweis sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen, da sich die klagende Gesellschaft nur zu Umständen aus ihrer eigenen Wahrnehmung äußern kann, was die privaten Interessen des Geschäftsleiters selten einschließt.420 Dem Geschäftsführer obliegt jedenfalls erst nach der Bezeichnung eines konkreten unternehmensfremden Interesses durch die Gesellschaft der Beweis, dass dieses objektiv nicht geeignet war, seine Entscheidung zu beeinflussen.421 Schließlich und am schwerwiegendsten muss der Geschäftsleiter den Beweis einer angemessenen Entscheidungsvorbereitung erbringen. Wiederum obliegt dem Geschäftsleiter, entsprechend seinem insoweit bestehenden Ermessensspielraum und den Grundsätzen zum negativen Beweis, nicht die Darlegung, dass keine weiteren erheblichen Informationsquellen existiert hätten. Vielmehr hat er lediglich die seiner Entscheidung zugrunde gelegte Informationsbasis soweit substantiiert darzulegen, dass aus dieser vernünftigerweise nachvollziehbar auf die getroffene Entscheidung geschlossen werden kann.422 Die klagende Gesellschaft kann nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen den Gegenbeweis zu einer solchen substantiierten Darlegung dadurch erbringen, dass sie ihrerseits substantiiert darlegt, inwiefern Zweifel an der Angemessenheit der Informationsgrundlage bestehen.423 Da dieser Nachweis auch das Ermessen des Geschäftsleiters bis zum vernünftigerweise Nachvollziehbaren überwinden muss, sind entsprechend hohe Anforderungen an ein solches substantiiertes Bestreiten zu stellen. Das Ergebnis dieser konsequenten Anwendung prozessrechtlicher Grundsätze entspricht im Wesentlichen den von Fest und Bachmann vertretenen Auffassungen, dass die Geschäftsleiter die Entschei418 Siehe ausführlich oben: § 4 B. II. 3.; siehe auch Schlimm, S. 170: Die Anforderungen an die Rechtfertigung des Entscheidungsinhalts sind „nahezu zu vernachlässigen“. 419 So auch Paefgen, NZG 2009, 891, 893; Schlimm, S. 170; Bauer, NZG 2015, 549, 550; siehe auch BGH NJW-RR 2007, 1475, 1477; BGH NJW 2005, 2766, 2768; zu den Grundsätzen zum Negativbeweis Saenger, in Saenger ZPO, § 286 Rn. 92 f. 420 Siehe BGH NJW 2011, 2130, 2132, der zudem klarstellt, dass die Grundsätze zum Negativbeweis keine Beweislastumkehr zur Folge haben. 421 So auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 27, so kann sich der Geschäftsleiter beispielsweise durch den Nachweis seiner Unkenntnis über ein konfligierendes Interesse in der Entscheidungssituation entlasten; siehe zu der Bestimmung eines Interessenkonflikts oben: § 4 B. III. 1. 422 Siehe ausführlich zu den Anforderungen an eine angemessene Informationsgrundlage oben: § 4 B. IV. 1. 423 Siehe zu den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten Musielak/Voit, ZPO, Rn. 726.

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dungsgrundlage plausibel darzulegen haben, es der Gesellschaft jedoch sodann im Sinne einer sekundären Darlegungslast obliegt, diese Plausibilität zu erschüttern.424 Schließlich muss der Geschäftsführer nachweisen, in gutem Glauben darauf vertraut zu haben, die für die Gesellschaft richtige Entscheidung getroffen zu haben. Er muss also darlegen, dass er die Gesellschaft nicht vorsätzlich geschädigt hat. Unter Berücksichtigung der marginalen Bedeutung des Tatbestandsmerkmals, sind auch die Anforderungen an diesen Nachweis entsprechend gering. Soweit das Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen erwiesen ist, ist auch von der Gutgläubigkeit des Geschäftsführers auszugehen. III. Bewertung der Auswirkungen der Beweislast auf die BJR Soweit die klagende Gesellschaft nicht weitere Ausschlussgründe substantiiert darlegen kann, obliegt den Geschäftsleitern zum Erhalt der BJR im Ergebnis also lediglich der Beweis dafür, dass die Entscheidung nicht offensichtlich außerhalb des Unternehmensinteresses lag und die geschaffene Informationsgrundlage den plausiblen Schluss auf die getroffene Entscheidung zuließ. Als einzig ernsthaft belastende Darlegungsobliegenheit stellt sich somit der Nachweis an eine angemessene Informationsgrundlage dar. Die diesbezügliche Beweislast führt unumgänglich zu einem erheblichen Dokumentationsaufwand.425 Ob sich dieser durch eine erhöhte Bewusstseinsbildung und gesteigerte Richtigkeitsgewähr aufwiegen lässt,426 erscheint zweifelhaft. Näherliegend ist eine ökonomisch jedenfalls fragwürdige Formalisierung des Entscheidungsprozesses,427 welche durch den erheblichen Anstieg der Nachfrage nach externer Begutachtung belegt wird.428 Dennoch erscheint die Beweislastverteilung aufgrund der Beweisnähe des Vorstands gerechtfertigt. Zwar hat auch der Aufsichtsrat weitreichende Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung,429 doch gewähren diese keine vergleichbare Sicherheit bei der Aufklärung weit zurückliegender Entscheidungsprozesse.430 Insoweit erscheint die Darlegungslast auch nicht unzumutbar, soweit man berücksichtigt, dass der Geschäftsleiter primär nur eine plausible Entscheidungsgrundlage nachzuweisen hat. So kann de lege lata 424

Siehe Bachmann, ZHR 2013, 1, 7; Fest, NZG 2011, 540, 541. Siehe zu der weit propagierten Empfehlung an die Geschäftsleiter, den Entscheidungsfindungsprozess sorgfältig zu dokumentieren nur Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 77 m.w.N. 426 So Schlimm, S. 169; siehe auch Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2067. 427 Siehe zu der wenig gesicherten Grundlage der ökonomischen Vorteilhaftigkeit umfassender Entscheidungsvorbereitung bereits oben: § 4 B. IV. 1. b) bb). 428 Siehe Bachmann, ZHR 2013, 1, 6, der auf den sprunghaften Anstieg externer Gutachten seit der Einführung des § 93 I 2 AktG hinweist. 429 Siehe § 111 II AktG, sowie die Ausführungen zu weiteren Überwachungsinstrumenten bei Habersack, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 27. 430 So auch Bunz, S. 205, mit dem Hinweis, dass der Vorstand die Möglichkeit hat, sensible Informationen unbemerkt unter Verschluss zu halten. 425

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insgesamt nur den Stimmen beizupflichten sein, die sich bezüglich der Voraussetzungen der BJR für eine Beweislastverteilung zulasten des Geschäftsleiters aussprechen.431

D. Rechtsnatur der BJR Dogmatisch wird die BJR unterschiedlich eingeordnet. Teilweise wird bei Vorliegen der Voraussetzungen der BJR ein Tatbestandsausschlussgrund gegenüber dem Haftungstatbestand des § 93 II 1 AktG angenommen.432 Andere sehen in ihr eine unwiderlegliche Rechtsvermutung pflichtgemäßen Verhaltens.433 Schließlich lässt sie sich auch als Konkretisierung der dem Leitungsorgan abverlangten objektiven Pflichten interpretieren.434 Der Unterschied zwischen der letztgenannten und den beiden ersten Ansichten liegt darin, dass bei einem Tatbestandsausschlussgrund und einer unwiderleglichen Rechtsvermutung davon ausgegangen werden muss, dass ein Maßstab für die Erfüllung von Sorgfaltspflichten existiert, welcher von den Gerichten nicht in der ganzen Fülle seiner Anforderungen überprüft wird, mithin ein niedrigerer Prüfungsmaßstab durch die Gerichte angelegt wird. Ein vergleichbares System ist auch im US-amerikanischen Recht zu finden mit dem „standard of conduct“ und dem „standard of review“.435 Diese Ansicht wird durch die Vertreter einer BJR als Konkretisierung der Geschäftsleiterpflichten gerade abgelehnt, da hier der gerichtliche Überprüfungsmaßstab unmittelbar als Verhaltensanforderung auf die Geschäftsleiter übertragen wird. Richtigerweise ist auch bei einer Betrachtung allein aus Perspektive des deutschen Rechtssystems die Annahme eines Tatbestandsausschlussgrundes die vorzugswürdige Lösung. So würde es der deutschen Rechtstradition entgegenstehen, den strengen Sorgfaltspflichtenmaßstab des ordentlichen Geschäftsmannes herab-

431 Nach geltendem Recht ist ein anderes Ergebnis schlicht nicht zu vertreten. Allerdings hat sich der 70. Deutsche Juristentag 2014 mit großer Mehrheit für eine Streichung des § 93 I 2 AktG ausgesprochen, siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 449, insofern bestehen deutliche Tendenzen, die Beweislastverteilung insgesamt umzustrukturieren. 432 So wohl die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11 („Tatbestandseinschränkung“); ebenfalls für einen Tatbestandsausschlussgrund: Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 19; Fleischer, Vorstandsrecht, § 7 Rn. 51; ders., ZIP 2004, 685, 689; Winnen, S. 104 f. 433 So Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 14; Schneider, FS Hüffer, S. 905, 908; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 11; Schlimm, S. 151 f. 434 So Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 39; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 67; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069. 435 Siehe hierzu Eisenberg, 62 Fordham L. Rev. 437, 462 ff., hier wird zwischen dem gesetzlich festgelegten Sorgfaltsmaßstab und dem von den Gerichten angelegten Überprüfungsmaßstab unterschieden, welche insbesondere bei Anwendbarkeit der BJR auseinanderfallen.

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zusetzen.436 Zudem erscheint es schlüssiger, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen eines Tatbestandsausschlussgrundes, diesen schlicht entfallen zu lassen, als bei Verfehlen der Anforderungen eines niedrigen Sorgfaltsmaßstabs auf die Anforderungen eines strengeren Sorgfaltsmaßstabs zurückzufallen.437 Ausschlaggebend für diese Sichtweise ist schließlich, die mahnende und damit verhaltenssteuernde Wirkung des strengen Sorgfaltspflichtenstandards aufrecht zu halten und damit nur in Ausnahmefällen einen Tatbestandsausschluss anzunehmen.438 Im Ergebnis besteht allerdings Einigkeit, dass die unterschiedliche dogmatische Einordnung keine rechtspraktischen Konsequenzen hat. Der Geschäftsleiter kann bei Erfüllung der Voraussetzungen der BJR in keinem Fall für sein Handeln haftbar gemacht werden. Dieses Ergebnis ist auch auf andere mögliche Folgen einer pflichtwidrigen Handlung zu übertragen, der Geschäftsführer muss also beispielsweise auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten.439

E. Rechtstatsächliche Bedeutung der BJR Die BJR genießt nach wie vor eine insgesamt überwiegend positive Bewertung,440 wobei ihre rechtstatsächliche Wirkung recht unterschiedlich beurteilt wird. Einigkeit besteht weitestgehend darüber, dass sie jedenfalls eine Symbolfunktion erfüllt und damit ohnehin geltendem Recht in der Praxis zur Wirkung verhilft. So wird ihr eine Ordnungsfunktion für den Prozess der Entscheidungsfindung zugutegehalten441 und insbesondere wird in ihr eine wirksame Mahnung an die Gerichte gesehen, Rückschaufehler zu vermeiden und die behandelten Haftungsfälle aus der ex ante-Perspektive zu beurteilen.442 Auch von einer Steigerung der Rechtssicherheit und einer Beruhigung im Management ist die Rede.443 Weniger einheitlich verläuft die Bewertung des eigenständigen Regelungsgehalts des § 93 I 2 AktG. In der Literatur finden sich kritische Stimmen zur BJR, welche deren rechtstatsächliche Bedeutung anzweifeln und im Wesentlichen keine Unterschiede bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichten und des Haftungsmaßstabs in436 Siehe zum strengen Maßstab des § 93 I 1 AktG und zu dessen zwingender Eigenschaft Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 1 f. 437 So auch Schlimm, S. 129. 438 So auch Fleischer, Vorstandsrecht, § 7 Rn. 50. 439 Siehe zum Ganzen Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 15; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 39; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 65. 440 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 65a; Bachmann, ZHR 2013, 1, 1; Hemeling, ZHR 2011, 368, 377. 441 So Hemeling, ZHR 2011, 368, 377. 442 So v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 651; Kebekus/Zenker, FS Maier-Reimer, S. 319, 324. 443 So Lutter, ZIP 2007, 841, 842.

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nerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR sehen.444 Der Kern dieser Argumentation liegt darin, dass auch nach den Sorgfaltsanforderungen des § 93 I 1 AktG nicht mehr von dem Geschäftsführer verlangt werden könne, als dass dieser die Entscheidungsgrundlage sorgfältig ermittelt und aus ex ante-Perspektive im Interesse der Gesellschaft handelt. Dies soll wiederum nicht mehr bedeuten als das Verbot, unvertretbare Risiken einzugehen.445 I. Haftungsmaßstab innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR Zunächst ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen der BJR dafür Sorge tragen sollen, dass die zu treffende Entscheidung nach rechtlichen Maßstäben einen hohen Qualitätsstandard erfüllt. Auch die aus § 93 I 1 AktG hervorgehenden Sorgfaltsanforderungen verkörpern die von der Rechtsordnung etablierten Maßstäbe, an welchen der Entscheidungsträger die Rechtmäßigkeit seines Handelns messen lassen muss. Dass also die Anwendungsvoraussetzungen der BJR und die Anforderungen des § 93 I 1 AktG keine fundamentalen Unterschiede aufweisen werden, liegt auf der Hand. So kann man durchaus in manchen Tatbestandsmerkmalen der BJR Mindestvoraussetzungen für das Handeln als „ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“ sehen.446 Zu den durch die parallele Grundausrichtung bedingten Gemeinsamkeiten gehört auch, dass das Leitungsorgan auch außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR keiner Erfolgshaftung unterliegt.447 Allein der Fehlschlag einer Maßnahme und ein hieraus resultierender Schaden reichen noch nicht aus, um die Haftung des Entscheidungsträgers zu begründen. Vielmehr muss auch hier nachgewiesen werden, dass das Leitungsorgan schuldhaft seine Pflichten verletzt hat.448 Dennoch sind relevante Unterschiede bei der Haftung innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR festzustellen. Denn ein Geschäftsleiter handelt nicht schon immer dann unbestreitbar sorgfaltsgemäß, wenn er eine vernünftigerweise nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage ermittelt und keine völlig unver-

444

In diesem Sinne: Habersack, ZHR 2013, 782, 799; Cahn, WM 2013, 1293, 1295; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 651; Druey, FS Goette, S. 57, 70. 445 So Habersack, ZHR 2013, 782, 798; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649. 446 So insbesondere die Anforderung des Handelns im Interesse der Gesellschaft und das Gebot, keine völlig unverantwortlichen Risiken einzugehen, nicht zwingend hingegen die sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlage, die vielmehr eine Obliegenheit zur Erhaltung des unternehmerischen Ermessens darstellt, siehe M. Roth, S. 86; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Paefgen, S. 223 f. 447 Siehe nur Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 5. 448 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 26.

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antwortlichen Risiken bei der Entscheidung selbst eingeht.449 Um hier zu einer stimmigen Gesamtlösung zu kommen, ist das Zusammenspiel der BJR mit den unterschiedlichen Ausprägungen unternehmerischen Ermessens und den unterschiedlichen Standards der gerichtlichen Kontrolle pflichtgemäßen Verhaltens zu bestimmen und in Einklang zu bringen. 1. Unternehmerisches Ermessen Dass ein unternehmerischer Ermessensfreiraum des Geschäftsleiters nicht erst durch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung erfunden worden ist, wurde bereits im Rahmen der historischen Entwicklung dargelegt.450 Ebendieser historisch im deutschen Recht gewachsene Rechtsgedanke soll durch § 93 I 2 AktG kodifiziert worden sein.451 § 93 I 2 AktG lässt sich also als spezifisch aktienrechtliche Normierung des unternehmerischen Ermessens beschreiben, deren Tatbestandsvoraussetzungen zwar keine unmittelbare Anwendung auf andere Gesellschaftsformen haben, doch durch entsprechende Anwendung eine Ausstrahlungswirkung entfalten können.452 Andererseits wird § 93 I 2 AktG auch als ein „Transplantat“ aus dem US-amerikanischen Recht erachtet, eben der BJR.453 Diese in einem anderen Rechtskreis entwickelte Rechtsregel hat zunächst einen von dem historischen deutschen Rechtsgedanken des unternehmerischen Ermessens deutlich abweichenden rechtlichen Inhalt.454 Der entscheidende Gedanke, welcher aus dem US-amerikanischen Recht übernommen werden sollte, war jedoch der des Haftungsfreiraumes im Rahmen qualifizierter unternehmerischer Entscheidungen,455 also der eines von gerichtlicher Kontrolle befreiten Handlungsfreiraumes.456 Die Entwicklung eines solchen Haftungsfreiraumes findet sich auch in der ARAG/Garmenbeck-Entschei449 Die Unterscheidung zwischen unverantwortlichem Handeln und nicht mehr vertretbarem Handeln treffen Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 124, 125, ebenfalls mit einer Unterscheidung des Überprüfungsmaßstabes für § 93 I 1 AktG und § 93 I 2 AktG. 450 Siehe dazu oben: § 2 A. 451 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 36; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 59; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 8. 452 So die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 453 So nimmt auch der Gesetzgeber Bezug auf die BJR, siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 9, der jedoch betont, dass keine direkte Übernahme der BJR vorliegt; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 17. 454 Zu den wesentlichen Unterschieden gehören insbesondere die abweichende Beweislastverteilung (in den USA im Rahmen der BJR zulasten der klagenden Gesellschaft), die unterschiedliche Behandlung von Verhaltensanforderungen („standard of conduct“) und judiziellem Überprüfungsmaßstab („standard of review“) in den USA und die größere Gefahr willkürlicher Gesellschafterklagen in den USA, siehe ausführlich v. Hein, S. 921 ff. 455 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 456 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 36; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 64.

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dung457 und ist in dieser Deutlichkeit für den Regelungsgehalt des im deutschen Recht gewachsenen unternehmerischen Ermessens neu.458 Es wurden dem § 93 I 2 AktG also zwei unterschiedlich gewachsene Ideen des unternehmerischen Ermessens zugrunde gelegt. Die hierbei entwickelten und in der Folge weiterentwickelten Tatbestandsvoraussetzungen trugen zur Präzisierung der Haftungsvoraussetzungen bei, indem sie dem bis dahin nur als Grundgedanken existierenden unternehmerischen Ermessen klare Konturen verliehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen engen jedoch naturgemäß den Anwendungsbereich des ursprünglich allgemein anwendbaren unternehmerischen Ermessens ein und erweitern gleichzeitig seine Rechtswirkungen hin zu einem gesetzlich gewährleisteten Haftungsfreiraum. Das von § 93 I 2 AktG gewährleistete unternehmerische Ermessen kann also nicht ohne weiteres mit dem ursprünglichen Rechtsgedanken des unternehmerischen Ermessens gleichgesetzt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Grundgedanke des unternehmerischen Ermessens durch § 93 I 2 AktG abgelöst worden wäre und nun nicht weiter existieren würde. Vielmehr wurde ein gesetzlicher Rahmen geschaffen unter dessen Voraussetzungen ein weitreichender Ermessensfreiraum garantiert wird. Außerhalb der Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 I 2 AktG wird der Inhalt einer Entscheidung mit unternehmerischem Charakter weiterhin nicht vollständig auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft, sondern ein eingeschränktes unternehmerisches Ermessen besteht fort.459 Der Richter kann sich hier nicht auf die Position des Unternehmensleiters erheben und dem Urteil die nach seiner Ansicht beste Entscheidung für das Unternehmen zugrunde legen.460 Demnach ist der Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit weiterhin zu achten. Außerhalb dessen gilt es, nach einem objektiven Maßstab und den hohen Sorgfaltsanforderungen an einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter aus der ex ante-Perspektive zu überprüfen, ob die Entscheidung mit dem Unternehmensinteresse zu vereinen ist.461 Hierfür wird re457 BGH NJW 1997, 1926, 1928, wonach eine Haftung erst bei deutlichem Überschreiten der Grenzen eines verantwortungsvollen Handelns in Frage kommt. 458 Siehe auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11. 459 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 118, die von einer „Teilkodifikation des unternehmerischen Ermessens“ sprechen; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Holle, AG 2011, 778, 785. 460 So auch Drescher, Rn. 135; sehr weitgehend v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 650, der auch außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR nur einen vernünftigen Entscheidungsprozess und eine vertretbare Entscheidung fordert; ähnlich zum Aufsichtsrat Cahn, WM 2013, 1293, 1295; a.A. M. Roth, S. 87 („Das Gericht kann […] eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende eigene Ermessensentscheidung an die Stelle des unternehmerischen Ermessens des Vorstands setzen.“). 461 So auch Paefgen, AG 2004, 245, 249, der von einer richterlichen Inhaltskontrolle auf die Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse hin spricht und den Vergleich zu der US-amerikanischen Terminologie des „entire fairness tests“ zieht; siehe zu letzterem auch Oltmanns, S. 167 f. Für die AG besteht hier die Besonderheit, dass das Unternehmensinteresse aufgrund seiner interessenpluralistischen Zusammensetzung keine konkret bestimmbaren Handlungs-

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gelmäßig eine ebenfalls an diesen strengen Maßstäben zu prüfende, hinreichende Informationsgrundlage Voraussetzung sein. Je weiter man die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 I 2 AktG objektiviert, desto näher kommt man dem Sorgfaltsmaßstab des § 93 I 1 AktG. Dies ist jedoch nicht im Sinne des Gesetzgebers, der gerade einen außerhalb von § 93 I 1 AktG stehenden Haftungsfreiraum schaffen wollte.462 Weiterhin widerspricht dies dem Sinn und Zweck der deutschen BJR, insbesondere eine Erfolgshaftung zu verhindern. Daneben sprechen auch noch zahlreiche weitere sachliche Gründe463 für einen weiten Anwendungsbereich und damit einen gemischt subjektiv-objektiven Überprüfungsmaßstab, wie er von der herrschenden Meinung vertreten wird.464 Wenn nun Kritiker von einer einheitlichen Haftung innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereiches der BJR sprechen, so legen sie fälschlicherweise einen rein objektiven Überprüfungsmaßstab für den Tatbestand der BJR an.465 Geht man von einem gemischt subjektiv-objektiven Maßstab aus, so kann nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle stattfinden und ein echter Haftungsfreiraum wird gewährleistet. Bei richtiger Handhabung des § 93 I 2 AktG lässt sich folglich durchaus ein Unterschied bei der Haftung innerhalb und außerhalb der BJR feststellen. 2. Materiellrechtliche Standards gerichtlicher Kontrolle Zur Abgrenzung des Geltungsbereichs der BJR muss also zwischen verschiedenen gerichtlichen Überprüfungsstandards unterschieden werden. Diese verlaufen in ihrer Intensität von der reinen Evidenzkontrolle bezüglich des Handelns im Unternehmensinteresse, über die stärker objektivierte Evidenzkontrolle bezüglich der angemessenen Informationsgrundlage, über das unternehmerische Ermessen außerhalb der BJR und schließlich bis zur vollumfänglichen, rein objektiven Kontrolle im Sinne des § 93 I 1 AktG, für welche nur ein Kern unternehmerischen Ermessens respektiert werden muss.

vorgaben enthält und dem Vorstand wiederum ein weiter Ermessensspielraum bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses eingeräumt wird, siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63. Ein solcher weiter Ermessensspielraum steht dem Geschäftsführer der GmbH nicht zu, siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 19. 462 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11: „Die Vorschrift soll den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums ausgrenzen aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz 1.“. 463 Siehe oben: § 4 A. 464 Für das Handeln zum Wohle der Gesellschaft ganz überwiegende Meinung, siehe oben: § 4 B. II. 3.; für die Ermittlung der angemessenen Informationsbasis umstritten, siehe oben: § 4 B. IV. 465 Exemplarisch hier v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649, der aus dem Wort „vernünftigerweise“ im § 93 I 2 AktG unmittelbar auf eine Anwendung des Sorgfaltsmaßstabs des § 93 I 1 AktG schließt.

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a) Handeln zum Wohle der Gesellschaft In der Literatur findet sich zur begrifflichen Unterscheidung der Überprüfungsstandards eine breite Facette an Formulierungen. Inhaltlich besteht für den Ermessensfreiraum für das Handeln im Sinne des Gesellschaftswohls weitestgehend Einigkeit. Die Entscheidung darf nicht in „unverantwortlicher Weise“466 getroffen werden, sie darf nicht „verantwortungslos“467 getroffen werden, es darf kein „schlicht unvertretbares Handeln“468 vorliegen. Im Ergebnis laufen alle Ansichten auf eine Evidenzkontrolle hinaus, welche erst bei völlig unvernünftigem Handeln greift.469 In dieser weitgehenden Freistellung von richterlicher Kontrolle liegt eine maßgebliche Privilegierung der Entscheidung gegenüber Entscheidungen außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR.470 b) Angemessene Informationsgrundlage Für die Beurteilung des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage ist schon die Auslegung des Tatbestandsmerkmals hoch umstritten471 und dementsprechend auch die Bestimmung des gerichtlichen Überprüfungsstandards. Nach hier vertretener Ansicht ist eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen, welche insoweit objektiviert wird, als ein vernünftig handelnder Entscheidungsträger auf der vorliegenden Informationsgrundlage nachvollziehbar zu der getroffenen Entscheidung kommen konnte. Die Kontrolle der tatsächlich eingeholten Informationen geht also darüber hinaus, ob nicht nur offensichtlich unzureichende Informationen eingeholt worden sind. Auf der anderen Seite ist große Zurückhaltung geboten bei der Prüfung, ob noch andere Informationen hätten eingeholt werden können oder ob für andere Entscheidungsalternativen vertieft hätte recherchiert werden können. c) Unternehmerisches Ermessen außerhalb der BJR Außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR kann zunächst ein unternehmerisches Ermessen eigener Art bestehen, dessen Weite nicht abstrakt dargestellt werden kann, sondern vielmehr im Rahmen einer Gesamtschau der für den konkreten Entscheidungstyp relevanten Interessen und Normen bestimmt werden muss. Im Übrigen ist das Handeln des Entscheidungsträgers grundsätzlich voll überprüfbar. Es ist jedoch aus der ex ante-Perspektive zu entscheiden und eine Erfolgshaftung zu 466

1928. 467

So schon der BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, BGH NJW 1997, 1926,

So Paefgen, NZG 2009, 891, 892; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 23. So Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 56. 469 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 75. 470 So auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 23; Bachmann, ZHR 2013, 1, 9; ders., FS Stilz, S. 25, 44. 471 Siehe hierzu schon oben: § 4 B. IV. 468

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vermeiden. Daraus ergibt sich, dass eine Inhaltskontrolle nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten insoweit eingeschränkt ist, als nur die anderen Entscheidungsalternativen objektiv unterlegene Entscheidung pflichtwidrig ist. Soweit ex ante mehrere Entscheidungsalternativen gleichwertig erscheinen mussten, kann der Richter die Auswahl des Entscheidungsträgers nicht ex post als falsch gegenüber der Entscheidungsalternative bewerten. In diesem Rahmen ist auch das Handeln zum Wohle der Gesellschaft voll überprüfbar, soweit ein Unternehmensinteresse ex ante hinreichend bestimmbar ist. Für den Vorstand der AG ist hier allerdings zusätzlich der Ermessensfreiraum bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses zu beachten.472 Schließlich wird der Entscheidungsfindungsprozess ohne Einschränkung überprüft. II. Beweislast Neben den unterschiedlichen Haftungsmaßstäben, lässt sich auch durch eine entsprechende Nuancierung im Rahmen der Beweislast ein Unterschied zwischen der Haftung innerhalb und außerhalb der BJR feststellen. Nachdem die klagende Gesellschaft eine möglicherweise pflichtwidrige, schadenskausale Handlung dargelegt hat, trägt der Geschäftsleiter außerhalb der BJR die Beweislast für sein pflichtgemäßes, verschuldensfreies Handeln.473 Demgegenüber muss der Geschäftsleiter, um in den Haftungsfreiraum der BJR zu gelangen, nur darlegen, dass er deren Voraussetzungen erfüllt, wobei ihm die oben aufgezeigten niedrigeren gerichtlichen Überprüfungsstandards zu Gute kommen. Dies führt insbesondere bezüglich der angemessenen Informationsgrundlage dazu, dass der Geschäftsleiter die Entscheidungsfindung nur plausibel darlegen muss. Noch weiter geht die Entlastung bezüglich des Nachweises des Handelns im Unternehmensinteresse, welches nur nicht evident verfehlt worden sein darf.474 III. Zwischenergebnis Der große Verdienst und das noch immer vorhandene Potential der BJR liegen darin, die unbestimmten Grenzen des sorgfaltsgerechten Handelns im Sinne des § 93 I 1 AktG zu konkretisieren und damit den Akteuren klare Handlungsoptionen vorzugeben. Schließlich kann von den Entscheidungsträgern nicht verlangt werden, die rechtlichen Grenzen ihres Handelns besser vorherzusehen, als dies von Legislative und Judikative selbst vorgegeben werden kann. Diese Auslegung rechtlich nicht 472 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; zu der Unterscheidung des Ermessens bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses und des Ermessens der BJR bereits oben: § 4 B. II. 2.; zu den weit weniger weitreichenden Befugnissen des GmbH-Geschäftsführers siehe noch unten: § 7 C. 473 Siehe bereits oben: § 4 C. I. 474 Siehe zu der Beweislast bezüglich des Entscheidungsfindungsprozesses und des Handelns im Unternehmensinteresse bereits oben: § 4 C. II.

§ 4 Die BJR im deutschen Aktienrecht

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hinreichend konkretisierter Pflichten durch die Entscheidungsträger selbst kann jedoch wiederum nur in einem gesetzlich umgrenzten Rahmen stattfinden, welcher sicherstellt, dass die Handlung rechtlichen Mindeststandards genügt. Diesen rechtlichen Rahmen zu gewährleisten und damit die Vereinbarkeit von Rechtssicherheit und der Wahrung der Rechtsordnung zu fördern, ist Aufgabe der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR. Die BJR fördert somit die Konkretisierung der den Geschäftsleitern obliegenden Sorgfaltspflichten, nicht zuletzt durch die immer wieder neu aufgelegte, angeregte Diskussion über ihre Tatbestandsvoraussetzungen. Daneben erfüllt sie auch eine Symbolfunktion zur Mahnung der Gerichte, die ex antePerspektive zu wahren und eine Erfolgshaftung zu vermeiden. Insgesamt ist nicht zu leugnen, dass sich die Haftungsmaßstäbe innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der BJR stark angenähert haben. Innerhalb wie außerhalb gibt es keine Erfolgshaftung, Sachverhalte sind aus der ex ante-Perspektive zu überprüfen und unternehmerische Entscheidungen werden keiner vollständigen Inhaltskontrolle unterzogen.475 Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen für ein sorgfaltsgemäßes Handeln in Form einer angemessenen Informationsgrundlage und des Handelns im Interesse der Gesellschaft bei oberflächlicher Betrachtung mit den ohnehin geltenden Sorgfaltsanforderungen vergleichbar. Dies ist jedoch keinesfalls ein Argument gegen die BJR. Vielmehr bestehen bei differenzierter Betrachtung nach wie vor relevante Unterschiede zwischen den Haftungsvoraussetzungen. Die starke Annäherung der Haftungsvoraussetzungen spricht zudem für eine ausgewogene Anwendung der im Rahmen der Forschung zum unternehmerischen Ermessen gewonnenen Erkenntnisse innerhalb und außerhalb des Tatbestandes der BJR. Schließlich bestehen zahlreiche gute Gründe, den Geschäftsleitern einen weiten unternehmerischen Ermessensfreiraum einzuräumen.476 Die Voraussetzungen für einen hinreichend weiten Spielraum kann nur die BJR schaffen, da dieser ohne klare Umgrenzungen nicht realisiert werden kann. So sind die aufgezeigten Unterschiede im Rahmen der gerichtlichen Überprüfungsstandards und der Beweislast durchaus berechtigt.

475 476

Vgl. mit ähnlichem Resümee Bachmann, FS Stilz, S. 25, 28. Siehe für die AG bereits oben: § 4 A.

2. Teil

Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH Nachdem nun das Grundgerüst der BJR insbesondere in Form ihrer Tatbestandsvoraussetzungen aufgestellt ist, werden im Folgenden die Rahmenbedingungen aufzuzeigen sein, welche ihren Anwendungsbereich beeinflussen können. Den Schwerpunkt werden dabei der Vergleich der Haftungsvoraussetzungen von GmbHGeschäftsführern und AG-Vorständen sowie die Untersuchung weiterer gesellschaftsformspezifischer Besonderheiten mit Bezug zur BJR darstellen. Dieser Rahmen wird zugleich als Basis zur Darstellung der für die Anwendung der BJR relevanten Eigenschaften der GmbH dienen. Weiterhin soll insbesondere die Gegenüberstellung der Pflichtenstandards und der Haftungsrisiken die Grundlage für die Übertragung der im Aktienrecht entwickelten Grundsätze auf die GmbH bilden und an entsprechenden Stellen die Notwendigkeit ihrer Modifikation aufzeigen.

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG Zunächst sollen die für die weitere Untersuchung maßgeblichen Eigenschaften und Kontrastpunkte von GmbH und AG herausgearbeitet werden. Unverzichtbar für einen Überblick über die Verhaltensanforderungen an Geschäftsführer und für eine Gegenüberstellung von GmbH und AG ist ein Blick auf die Organisationsverfassungen, welche mit der unterschiedlichen Stellung von AG-Vorstand und Aktionären gegenüber GmbH-Geschäftsführern und -Gesellschaftern einen entscheidenden Unterschied im Kompetenzgefüge der Gesellschaftsorgane beinhalten. Weiterhin wird die unterschiedliche Interessenstruktur der Anteilseigner in GmbH und AG Gegenstand der Betrachtung sein, welche einen erheblichen Einfluss auf die Bildung des Unternehmensinteresses und damit auf die Verhaltensvorgabe der Geschäftsleiter hat.

A. Eigenständige Leitungsbefugnisse von Vorstand und Geschäftsführer Die eigenständige Leitungsmacht des Vorstands stellt einen maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die dogmatische Grundlage des unternehmerischen Ermessens

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG

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in der AG dar.1 Das Recht zur eigenständigen Unternehmensleitung setzt sich auch im Haftungsprozess fort. Der Richter hat insofern die eigenständige unternehmerische Entscheidung des Vorstands zu achten und kann sein persönliches unternehmerisches Urteil nicht an die Stelle der Vorstandsentscheidung setzen. Der eigenständige unternehmerische Ermessensfreiraum des Vorstands steht also in engem Zusammenhang mit dessen eigenständigen Entscheidungs- und Leitungsbefugnissen. Damit gewinnt auch für den GmbH-Geschäftsführer die Frage Relevanz, inwieweit ihm ein Recht zusteht, das Unternehmen eigenständig zu leiten. Soweit ein Kernbereich von eigenständigen Leitungskompetenzen besteht, könnte dies als Grundlage eines eigenständigen Ermessensfreiraumes dienen. I. Leitungsfreiheit des Vorstands Der Vorstand der AG leitet das Unternehmen gemäß § 76 I AktG in eigener Verantwortung. Die aktienrechtliche Regelung ordnet dem Vorstand damit nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht zur Leitung des Unternehmens zu.2 Entsprechend geht auch § 77 AktG davon aus, dass die Geschäftsführungsaufgaben originär dem Vorstand zugeordnet sind.3 Der Vorstand handelt folglich völlig unabhängig und ist nicht an Weisungen der Hauptversammlung, vom Aufsichtsrat oder einzelnen Aktionären gebunden.4 Diese weitreichenden Leitungsbefugnisse können gemäß § 23 V AktG auch nicht durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss eingeschränkt werden. Lediglich Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck verkörpern den Willen der Anteilseigner, sind für den Vorstand bindend und können damit grobe Leitlinien für die unternehmerische Betätigung des Unternehmens vorgeben.5 Im Rahmen der Unternehmensführung und der Geschäftsleitung verbleibt also ein weites Feld von Entscheidungsalternativen, zwischen denen der Vorstand eigenständig entscheiden muss und soll. Er hat sich im Wesentlichen am Unternehmensinteresse zu orientieren und muss im Rahmen der ihm obliegenden Legalitäts- und Treuepflichten handeln, im Übrigen ist ihm zur effektiven Wahrnehmung seiner Leitungsbefugnisse ein weiter Ermessensspielraum zuzusichern.6 1 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 59; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 28; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 32; Schlimm, S. 93 f.; M. Roth, S. 49; Nietsch, ZGR 2015, 631, 635; siehe zur dogmatischen Grundlage des unternehmerischen Ermessens in der GmbH noch ausführlich unten: § 9. 2 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 14. 3 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 4; ausführlich zur Eigenverantwortlichkeit des Vorstands auch in Geschäftsführungsangelegenheiten: Schlimm, S. 94 f. 4 Siehe Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 21. 5 Siehe Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 23; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 24; siehe zu Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck auch unten: § 7 C. II. 1. 6 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; Seibt, in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn. 21, 23; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 15 f., die mit der vorherrschenden Meinung einen interessenpluralistischen Ansatz vertreten und das Unternehmensinteresse in Aktionärsinteressen, Arbeitnehmerinteressen, Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit und Gläubigerinter-

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Diesen nach der aktiengesetzlichen Konzeption vorgesehenen Ermessensspielraum auch in der Praxis zu gewährleisten, ist Aufgabe der BJR. Insoweit kommt ihr eine Rolle als Kompetenzschutznorm zu.7 So wurde die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands im Rahmen der Unternehmensleitung und Geschäftsführung aus § 76 I AktG vor der Einführung des § 93 I 2 AktG schon als maßgeblicher dogmatischer Anknüpfungspunkt für einen unternehmerischen Ermessensfreiraum herangezogen.8 Es zeigt sich damit auch hier, dass die BJR ihre Berechtigung im Gesamtsystem der aktienrechtlichen Regelungen findet. Aus dem Gesagten ergibt sich jedoch nicht nur die Legitimation der BJR, sondern der weite Rahmen der Leitungsbefugnisse setzt auch Maßstäbe zur Anwendung der BJR. Der weite Ermessensspielraum des Vorstands ist das notwendige Pendant zu dessen gesetzlicher Führungsaufgabe und damit ebenso wie die Leitungsbefugnisse autonom und umfangreich ausgestaltet.9 II. Gesellschafterbindung der Geschäftsführer Der eigenständigen Leitungsmacht des AG-Vorstands gegenüber stellt in der GmbH die Gesellschafterversammlung das oberste Willensbildungsorgan dar.10 Allerdings können, aufgrund der im GmbH-Recht geltenden Satzungsautonomie, Rechte der Gesellschafterversammlung auf den Geschäftsführer übertragen werden oder aber diesem zugunsten der Gesellschafterversammlung oder anderer Organe entzogen werden. Nach herrschender Ansicht kann die Gesellschafterversammlung jedoch den Kernbereich ihrer Kompetenzen, welche ihre Stellung als oberstes Gesellschaftsorgan ausmachen, nicht übertragen. Hierzu zählen insbesondere die der Gesellschafterversammlung durch Gesetz zwingend zugeschriebenen Kompetenzen.11 Dies gilt auf der anderen Seite ebenso für den Geschäftsführer. So wird weithin vertreten, dass ihm jene Kompetenzen nicht entzogen werden können, welche den Kernbereich seiner Organstellung ausmachen, da er ansonsten zu einer „reinen Vertretungsmarionette“12 degradiert würde.13 essen unterteilen, welche im Wege der praktischen Konkordanz in Einklang zu bringen sind; das unternehmerische Ermessen aus einem Zusammenspiel des Freiraums aus der Leitungsmacht und dessen Begrenzung durch die Sorgfaltspflicht herleitend: M. Roth, S. 9, 57. 7 So auch Nietsch, ZGR 2015, 631, 638. 8 Siehe OLG Hamm, AG 1995, 512, 514; M. Roth, S. 9, 57; Henze, BB 2000, 209, 216; Ihrig, WM 2004, 2098, 2099; Schlimm, S. 93 f. 9 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928. 10 Siehe auch Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 37. 11 Wobei die Grenzen im Einzelnen streitig sind, siehe Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 45 Rn. 41; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rn. 11; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 7; jedenfalls Grundlagenentscheidungen sind zwingend den Gesellschaftern vorbehalten, siehe Kindl, § 26 Rn. 2 (S. 277). 12 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 18. 13 So die wohl h.M.: Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 89; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 12 ff. (jedenfalls für Einzelweisungen); Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 37 Rn. 13; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe,

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG

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Nach dem gesetzlichen Ausgangskonzept des GmbH-Organisationsstatuts hat der Geschäftsführer die Zuständigkeit für das laufende Tagesgeschäft inne und nimmt Führungsfunktionen im Bereich der Unternehmensplanung, -koordinierung und -kontrolle wahr.14 Die Ausgestaltung dieses Entscheidungsbereichs obliegt den Gesellschaftern. Ihnen ist hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum gegeben. Zusätzlich zu den Einschränkungen durch Satzung und Gesellschafterbeschlüsse, schränken auch der Unternehmensgegenstand, Gesellschaftszweck und die zwingenden in § 46 GmbHG vorgeschriebenen Gesellschafterzuständigkeiten den Handlungsfreiraum des Geschäftsführers ein.15 Weiterhin haben die Geschäftsführer keine unabhängige Entscheidungskompetenz bei Grundlagenentscheidungen und Entscheidungen, die die Unternehmenspolitik betreffen.16 Umstritten ist insoweit, ob die originäre Zuständigkeit zur Festlegung der Unternehmenspolitik bei den Geschäftsführern liegt und die Gesellschafter diese Kompetenz durch Weisung erst an sich ziehen müssen17 oder ob den Gesellschaftern schon die originäre Zuständigkeit zusteht.18 Richtigerweise hat der Geschäftsführer lediglich solange das Recht und die Pflicht die Unternehmenspolitik festzulegen, solange die Gesellschafter diesbezüglich keinen Willen geäußert haben. Sobald von einer etablierten Unternehmenspolitik abgewichen werden soll, steht diese Entscheidung stets primär den Gesellschaftern zu.19 Und schließlich kann auch bei außergewöhnlichen Geschäften und sonstigen Geschäften, bei denen ein mutmaßlicher Wille zur Zustimmungsbedürftigkeit der § 45 Rn. 21; Geißler, GmbHR 2009, 1071, 1074; OLG Nürnberg NZG 2000, 154, 155; a.A.: Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 45 Rn. 35; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 27 f.; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 46, die eine Herabstufung zum reinen Exekutivorgan als zulässig erachten. 14 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 4; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 2; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 37 Rn. 6; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 12. 15 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 8 f.; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 53, 59; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 37 Rn. 6. 16 Siehe BGH NJW 1991, 1681, 1682; BGH NJW-RR 1992, 993, 993; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 61 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 18; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 37 Rn. 9. 17 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 13 f.; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 8; Mertens, in: Hachenburg GmbHG, § 43 Rn. 3; Hechtel, S. 43 ff. 18 So die h.M.: BGH NJW 1991, 1681, 1682; BGH NJW-RR 1992, 993, 993; Stephan/ Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 62, 132; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22 f.; Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 37 Rn. 9; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 37 Rn. 18; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 10. 19 Soweit besteht weitestgehend Einigkeit: BGH NJW-RR 1992, 993, 994; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 15; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 8; Mertens, in: Hachenburg GmbHG, § 43 Rn. 8; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, GmbHG, § 37 Rn. 5; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 18; Schneider/ Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 10.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Gesellschafter besteht, der eigenständige Entscheidungsfreiraum des Geschäftsführers beschränkt sein.20 Im Kontrast zum weiten Entscheidungsfreiraum des AGVorstands hat der GmbH-Geschäftsführer somit schon nach der gesetzlichen Grundkonzeption im GmbH-Recht nur eingeschränkte, eng an den Willen der Gesellschafter gebundene Entscheidungsbefugnisse. Bei der Beurteilung des Einzelfalls muss letztendlich jedoch immer auf die konkrete Ausgestaltung der Satzung, der Zustimmungskataloge und der sonstigen Vereinbarungen innerhalb der in Frage stehenden Gesellschaft geblickt werden. Diese Faktoren und die Handhabung der Weisungsbefugnis durch die Gesellschafter definieren maßgeblich den tatsächlich bestehenden Entscheidungsfreiraum des Geschäftsführers. Es bleibt festzuhalten, dass der Geschäftsführer keine originären, eigenen Leitungsbefugnisse bezüglich der Änderung der Unternehmenspolitik und sonstigen grundlegenden Entscheidungen hat, sondern hier grundsätzlich nur als ausführendes Organ tätig werden kann. Es besteht ein originärer Entscheidungsfreiraum bezüglich der Unternehmensplanung, -koordinierung und -kontrolle, jedoch nur soweit dieser nicht durch die Gesellschafter eingeschränkt wird. Damit kann auch ein eigener Ermessensfreiraum nur in diesen Grenzen aus der eigenen Organstellung abgeleitet werden. Im Wesentlichen bestimmt sich der Ermessensfreiraum des Geschäftsführers nach dem Willen der Gesellschafter und nach den von ihnen geschaffenen Regelungen. Doch soweit dem Geschäftsführer eigenständige Leitungsbefugnisse übertragen sind, steht der Annahme eines weiten unternehmerischen Ermessens in diesem Bereich nichts entgegen.21 Am Rande ist schließlich noch zu bemerken, dass eine wichtige Aufgabe der Geschäftsführer im Kompetenzgefüge der GmbH die Vertretung der Gesellschaft nach außen ist. Die Vertretungsmacht ist nach §§ 35, 37 II GmbHG im Außenverhältnis unentziehbar und unbeschränkbar und damit der Disposition der Gesellschafter entzogen. Da sich die BJR als Regelung von Haftungsfragen auf das rechtliche Dürfen und damit das Innenverhältnis bezieht, ist die unbeschränkte Vertretungsmacht der Geschäftsführer als Regelung des Außenverhältnisses nur beschränkt als Argument für einen eigenständigen Ermessensfreiraum fruchtbar zu machen. Allerdings sprechen die weitgehenden Befugnisse im Außenverhältnis dafür, dass auch im Innenverhältnis eigenständige Entscheidungsfreiräume verbleiben müssen.

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Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 15 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 37 Rn. 19 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 10; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10; siehe hierzu ausführlich unten: § 7 C. II. 3. und § 10 A. II. 1. a). 21 Vgl. auch Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 18, der von einer Annäherung an die Stellung von AG-Vorständen spricht.

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG

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B. Dispositionsbefugnisse von GmbH-Gesellschaftern und AG-Aktionären Während in der AG der Vorstand das oberste Organ darstellt, welches mit der Unternehmensführung betraut ist, wird die oberste Stellung in der GmbH von der Gesellschafterversammlung eingenommen.22 Diese Verschiebung der Führungskompetenzen wirkt sich maßgeblich auf die gesellschaftsinterne Entscheidungsfindung und Willensbildung aus. Den entscheidenden Aspekt stellt hier die wesentlich engere Bindung der Geschäftsführer an den Gesellschafterwillen dar.23 Die für die GmbH konzeptionell angelegte Stellung der Gesellschafterversammlung als Willensbildungsorgan wird durch die Möglichkeit ergänzt, durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder Satzungsregelung Fragen der Unternehmensleitung an sich zu ziehen. In diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit, umfassende Zustimmungskataloge in die Satzung mit aufzunehmen, zu nennen.24 Die GmbH zeichnet sich dadurch aus, besonders flexibel in der Satzungsgestaltung zu sein, es gilt nach § 45 I GmbHG das Prinzip der Satzungsautonomie.25 Daraus folgt nicht nur die Kompetenz, die Gesellschafterrechte zu stärken, sondern auch die Möglichkeit, dem Geschäftsführer weitreichende Befugnisse zu übertragen.26 Das oberste Gesellschaftsorgan bleibt jedoch immer die Gesellschafterversammlung. Nach dem Grundsatz der Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung, kann diese durch Beschluss jede Entscheidung im Unternehmen an sich ziehen.27 Im Ergebnis leiten die Geschäftsführer die Gesellschaft nicht in eigener Verantwortung, sondern sind gemäß § 37 GmbHG stets an den Willen der Gesellschafter gebunden. Dem stehen die sehr beschränkten Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre der AG auf die Entscheidungen des Vorstands gegenüber. Der Vorstand leitet die Gesellschaft gemäß § 76 I AktG in eigener Verantwortung. Dementsprechend besteht, anders als in der GmbH, kein Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsleitung. Die begrenzte Einwirkungsmöglichkeit der Aktionäre auf die Leitung der Gesellschaft wird durch die aktienrechtliche Satzungsstrenge, welche aus § 23 V AktG folgt, untermauert. Diese nimmt den Aktionären die Befugnis, durch Hauptversammlungsbeschluss die Kompetenzen des Vorstands einzuschränken oder gar Geschäftsführungsfragen an sich zu ziehen. Hierin würde gerade ein

22 Siehe Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 78, wobei umstritten ist, ob bei der GmbH die Gesellschafterversammlung oder die Gesamtheit der Gesellschafter als oberstes Willensbildungsorgan zu bezeichnen ist. Dies ist jedoch eine rein terminologische Frage und soll daher hier nicht weiter vertieft werden. 23 Siehe insbesondere Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II. 4. a) (1079); Kindl, § 26 Rn. 16 (S. 284 f.). 24 Siehe hierzu ausführlich Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 10. 25 Siehe nur Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 1. 26 Siehe Grunewald, § 13 Rn. 55 (S. 359). 27 Siehe Koch, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Hdb. GmbH, Kap. 6 Rn. 67 (S. 317 f.).

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Verstoß gegen die durch § 76 I AktG gesicherten Freiheiten des Vorstands bei der Führung des Unternehmens liegen.28 Wie sich dieser starke Kontrast von Satzungsautonomie zur formellen Satzungsstrenge29 und der Führung in eigener Verantwortung zur Führung unter Weisung auf die Anwendung der BJR im Speziellen auswirkt, wird im dritten Teil der Arbeit noch ausführlich zu betrachten sein. Ein weiteres herausstechendes Merkmal der Abhängigkeit der Geschäftsführer von den Gesellschaftern ist die Möglichkeit der Abberufung. Die Gesellschafter können in der mitbestimmungsfreien GmbH gemäß § 38 GmbHG jederzeit ohne besonderen Grund durch Beschluss mit einfacher Mehrheit den Geschäftsführer abberufen.30 Demgegenüber kann die Bestellung zum Vorstand in der AG gemäß § 84 III AktG nur durch den Aufsichtsrat und nur aus wichtigem Grund widerrufen werden. Hieraus folgt zwar nicht unmittelbar ein weiteres Merkmal der gesetzlichen Weisungsbindung der GmbH-Geschäftsführer an den Willen der Gesellschafter, jedoch wird eine erhebliche tatsächliche Bindung der Geschäftsführer an das Wohlwollen der Gesellschafter etabliert.

C. Die Finanzierungsstruktur der Gesellschaften Die Geschäftsleiter haben sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stets am Interesse des Unternehmens zu orientieren.31 Das Unternehmensinteresse spielt dementsprechend bei der Bestimmung der Grenzen pflichtgemäßen Verhaltens und damit des äußeren Rahmens des Ermessensfreiraumes der Geschäftsleiter eine wichtige Rolle.32 Den wesentlichen Teil des Unternehmensinteresses, soweit besteht hinsichtlich der GmbH weitestgehend Einigkeit, stellen die Gesellschafterinteressen dar, die sogenannten Shareholder-Interessen.33 Für die AG wird vorwiegend ein interessenpluralistischer Ansatz vertreten, wobei unter den Stakeholdern keinem der Interessenträger Vorrang eingeräumt werden soll.34 In beiden Unternehmensformen 28

Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 22. Siehe zu dieser Gegenüberstellung auch Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 2. 30 Siehe Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 42 Rn. 42, 60. 31 Siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II. 1. a) (S. 805); Saenger, Gesellschaftsrecht, Rn. 574; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1308. 32 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 64. 33 Siehe Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 68; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a, die sich allerdings für eine parallele Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen aussprechen; ausführlich zum Unternehmensinteresse in der GmbH siehe unten § 7. 34 Siehe Ziff. 4.1.1 DCGK, Version vom 05. 05. 2015; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 27; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 76 Rn. 10; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1307; siehe hierzu schon oben ausführlich § 4 B. II. 1. 29

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG

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spielen jedoch ohne Frage die Interessen der Anteilseigener eine wichtige Rolle in Bezug auf die Definition des Unternehmensinteresses. Damit wirken sich die Zusammensetzung der Anteilseigner und daraus folgend ihre kumulierten Interessen maßgeblich auf die Handlungspflichten und entsprechend auf den Ermessensfreiraum der Geschäftsleitung aus. Die mehrheitlichen Interessen der Anteilseigner spiegeln sich schließlich in der von ihnen gewählten Investitionsform. Nun lassen sich auf der einen Seite die Aktionäre einer AG vorschnell als reine Kapitalgeber charakterisieren und die Gesellschafter der GmbH auf der anderen Seite als langfristig an das Unternehmenswohl gebundene Teilhaber. Dies wird in der Mehrzahl der Gesellschaften auch tatsächlich der Fall sein, allerdings gebietet sich eine differenziertere Betrachtung, denn die gesetzlichen Regelungen zur AG gelten auch für eine personalistisch strukturierte AG. Ebenso besteht die Möglichkeit, im Rahmen des GmbHG eine GmbH stark kapitalistisch auszugestalten. I. Gesetzlich implizierte Grundstruktur GmbH-Geschäftsanteile sind zwar grundsätzlich frei veräußerlich, sowohl das Verfügungs-, als auch das Verpflichtungsgeschäft bedürfen jedoch gemäß § 15 III, IV GmbHG der notariellen Form. Der mit der notariellen Beurkundung verbundene Zeit- und Kostenaufwand führt zu einer weitgehenden Unterbindung des freien Handels mit GmbH-Geschäftsanteilen, was auch dem Telos der Regelung entspricht.35 Zusätzlich zu den starren Formvorschriften besteht gemäß § 15 V GmbHG die Möglichkeit der Vinkulierung der Geschäftsanteile. Weiterhin ist ein ordentliches Kündigungsrecht der Gesellschafter nicht vorgesehen. Wenngleich die GmbH als Kapitalgesellschaft nicht auf eine Abhängigkeit von ihren Mitgliedern ausgelegt ist, besteht also typischerweise eine gewisse personalistische Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft.36 Auf der anderen Seite ist der Handel mit Geschäftsanteilen der AG grundsätzlich formfrei möglich und ein entsprechender freier Handel erwünscht.37 Der Schutz der Anleger, welche sich im Zweifel nicht ausführlich mit der Satzung der AG auseinandersetzen, in welche sie investieren wollen, wird durch zahlreiche Vorschriften 35

Siehe BGH NJW 1999, 2594, 2595. So auch Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 18; Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Einl. Rn. A 7, der der GmbH „von Anfang an den Typus der personalistischen […] Gesellschaft“ zuschreibt; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 I 2. c) (S. 263), die dem Innenverhältnis der GmbH im Normalfall ein „personalistisches“ Gepräge zusprechen; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 46, der die GmbH als „idealtypisch personalistisch strukturierte“ Kapitalgesellschaftsform ansieht; a.A. Michalski, in: Michalski, GmbHG, Systematische Darstellung 1, Rn. 2, der die GmbH in der Mitte zwischen kapital- und personengesellschaftsrechtlichen Strukturtypen ansiedelt und rechtspolitisch eine Tendenz zur kapitalgesellschaftsrechtlichen Verortung sieht. 37 Siehe Grunewald, § 10 Rn. 5 (S. 239). 36

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

aus dem Kapitalmarktrecht gewährleistet.38 Aus alledem ergibt sich eine große Unabhängigkeit der AG von den Aktionären und umgekehrt. Eine wesentliche Funktion der Aktionäre besteht darin, Kapital in die Gesellschaft einzubringen. Im Gegenzug erhoffen sich die Aktionäre vorrangig monetäre Vorzüge aus ihrer Mitgliedschaft. II. Personalistisch ausgestaltete AG Seit den 1990er Jahren besteht eine vermehrte Tendenz, die Rechtsform der AG für kleinere Unternehmen attraktiver zu gestalten.39 Die sogenannte „kleine AG“40 bezeichnet eine Ausgestaltungsmöglichkeit der AG, welche im Rahmen des AktG diversen Erleichterungen unterliegt. So gelten beispielsweise für Aktiengesellschaften, welche nicht im Sinne des § 3 II AktG börsennotiert sind, eine Erleichterung bei der Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 IVa 1 AktG), eine gelockerte Beurkundungspflicht (§ 130 I 3 AktG) und die Möglichkeit der Stimmrechtsbeschränkung (§ 134 I 2 AktG). Weiterhin wurde durch § 2 AktG die Einpersonen-AG ermöglicht und eine Mitbestimmung ist im Aufsichtsrat erst bei mehr als 500 Arbeitnehmern vorgeschrieben (§ 1 I Nr. 1 DrittelbG). Diese Regelungen sollen eine Ausgestaltung der AG fördern, welche auf einen kleinen Anlegerkreis ausgelegt ist oder deren Aktionäre sogar namentlich bekannt sind (§ 121 IV AktG). Es wird folglich durch den Gesetzgeber die Anwendung des AktG auf kleinere Unternehmen durchaus gefördert. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Satzung der AG sind aufgrund der im AktG herrschenden Satzungsstrenge begrenzt. Charakteristisch für eine personalistisch ausgelegte AG ist zunächst die Ausgabe von vinkulierten Namensaktien, welche die Bewahrung eines ausgewählten Gesellschafterkreises ermöglichen. Weiterhin können die Gesellschafter auf schuldrechtlicher Ebene ihren Einfluss durch Stimmbindungsverträge sichern.41 Schließlich besteht gemäß § 111 IV 2 AktG die Möglichkeit, weitreichende Zustimmungskataloge zugunsten des Aufsichtsrats aufzustellen, welche eine Intensivierung der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat bewirken. Die Reichweite der Befugnisse des Aufsichtsrats hat in personalistisch ausgestalteten AG eine besondere Relevanz, da der Aufsichtsrat hier in der Regel mitbestimmungsfrei ist und damit gemäß § 96 I AktG ausschließlich aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre zusammengesetzt ist. Es besteht somit insgesamt die Möglichkeit, Vorstand und Aufsichtsrat ausschließlich mit Aktionären zu besetzen und zudem die Gesellschafterzusammensetzung starr unter Kontrolle zu halten. Eine in dieser Form ausgestaltete AG hängt maßgeblich 38

Bspw. §§ 20a, 31 f., 37b, 37c WpHG; siehe auch Grunewald, § 10 Rn. 6 (S. 239). Siehe Böcker, RNotZ 2002, 130, 131. 40 Der Name wurde vom „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1961) geprägt. 41 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 25. 39

§ 5 Kontrastpunkte der GmbH zur AG

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von der Zusammensetzung ihrer Gesellschafter ab und ist damit stark der GmbH angenähert. Abgesehen von den oben genannten Erleichterungen sind die Vorschriften des AktG jedoch – unabhängig davon, ob die AG an der Börse notiert ist oder nicht – voll anwendbar, insbesondere die Regeln zur Vorstandshaftung und der Ermessensfreiraum des Vorstands gemäß § 93 I 2 AktG gelten uneingeschränkt.42 III. Kapitalistisch ausgestaltete GmbH Auf der anderen Seite gewährt der Gesetzgeber im Rahmen des GmbHG die Freiheit, die Bindung der GmbH an ihre Gesellschafter einzuschränken und die Gesellschaft für einen breiten Anlegerkreis zu öffnen. Charakteristisch für eine publikumsorientierte GmbH ist ein großer Gesellschafterkreis, welcher nur durch den Anteilsbesitz am Unternehmen miteinander verbunden ist.43 Die publikumsorientierteste Verwendungsform der Gesellschaftsform der GmbH und damit das anonymste Investitionskonzept ist die Publikums GmbH & Co. KG, bei welcher ein breiter Kommanditistenkreis lediglich renditeorientiert sein Vermögen in die Gesellschaft einbringt. In dieser Konstellation ist auf den Geschäftsführer der GmbH gegenüber der KG der Haftungsmaßstab des § 43 GmbHG anzuwenden.44 Dementsprechend sind die Verhaltensanforderungen einheitlich gestaltet, wenngleich die Unternehmensleitung jedenfalls gegenüber den Kommanditisten weitgehend unabhängig ist. Doch schon die GmbH als solche lässt sich vergleichbar anlegeroffen organisieren. Durch entsprechende Satzungsregelungen können den Geschäftsführern große Freiheiten eingeräumt und somit kann eine weitgehend unabhängige Unternehmensführung ermöglicht werden. Gleichzeitig kann durch die Ausgabe einer Vielzahl von Geschäftsanteilen und den Verzicht auf die Vinkulierung derselben eine breite Anlegeröffentlichkeit erreicht werden, zumal die Zahl der Gesellschafter nicht gesetzlich begrenzt ist.45 Auf diese Weise kann in der Praxis eine GmbH mit einer stark kapitalistischen Ausprägung geschaffen werden, deren Geschäftsführer weitestgehend unabhängig agieren und deren Gesellschafter vorrangig monetäre Interessen verfolgen. Daraus folgt, dass das ermessensleitende Unternehmensinteresse entsprechend gewinnorientiert zu interpretieren ist. Gleichzeitig führt die Freiheit bei der Unternehmensführung insgesamt zu einer Erweiterung des Handlungs- und damit Ermessensfreiraumes des Geschäftsführers.

42 Siehe Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123; hingegen für eine Ausschlussmöglichkeit der BJR für stark personalistisch geprägte Aktiengesellschaften de lege ferenda: Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 847. 43 Siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 33 III. 2. b) (993). 44 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 66; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV. 3. b) (1649); Grunewald, in: MüKo HGB, § 161 Rn. 83. 45 Siehe Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Einl. Rn. A 18.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

D. Zwischenergebnis Der Vergleich der Unternehmensformen AG und GmbH in ihrer gesetzlichen Grundkonzeption ergibt aus dem Blickwinkel der BJR als wichtigste Feststellung die erheblich abweichende Stellung des Geschäftsführers gegenüber dem Vorstand im Organisationsgefüge der Gesellschaften. Der Geschäftsführer führt lediglich den Willen der Gesellschafter aus und ist bezüglich eigener Leitungsbefugnisse von der Gewährung ebensolcher durch die Gesellschafter abhängig. Auf der anderen Seite führt der Vorstand der AG das Unternehmen in eigener Verantwortung, ihm können diese originären, gesetzlich zugesicherten Leitungsbefugnisse auch nicht durch die Gesellschafter oder den Aufsichtsrat aberkannt werden. Weiterhin ist zu beachten, dass die Anteilseigner der AG regelmäßig kurzfristige monetäre Interessen verfolgen, während die Gesellschafter der GmbH typischerweise am langfristigen Wohlergehen der Gesellschaft orientiert sind. Andererseits besteht auch die Möglichkeit der genau entgegengesetzten Ausrichtung der Gesellschaften, also einer AG mit personalistischer Beteiligungsstruktur und einer kapitalistisch ausgelegten GmbH. Für diese gelten im Wesentlichen dieselben Regelungen und Maßstäbe wie für die klassisch strukturierten Unternehmen derselben Gesellschaftsform. Insgesamt hängt die Interessenstruktur in beiden Gesellschaftsformen stark von der konkreten Ausgestaltung der Gesellschaft ab und auch innerhalb einer Gesellschaft ist eine homogene Interessenausrichtung selten gewährleistet. So sind die Anteilseignerinteressen sowohl für die abstrakte Bewertung der Anwendbarkeit der BJR als auch als Vergleichsmerkmal zwischen AG und GmbH nur bedingt geeignet.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und der Vergleich zur AG Die GmbH und die AG haben naturgemäß in ihrer Grundstruktur wesentliche Gemeinsamkeiten. Als Kapitalgesellschaften stellen sie selbständige juristische Personen dar, welche in ihrem Bestand von der konkreten Zusammensetzung ihrer Mitglieder unabhängig sind. Weiterhin verfolgen beide Gesellschaftsformen das Ziel, eine wirksame Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen herbeizuführen, um die persönliche Haftung der Gesellschafter auszuschließen. Zu diesem Zweck sind in vergleichbarer Weise Publizitätserfordernisse zu erfüllen und Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften einzuhalten. Den Gläubigern der Gesellschaft steht folglich grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung.46 Dieses Konzept setzt sich auch bezüglich der Haftung der Geschäftsleiter fort, welche grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis besteht. Des Weiteren gilt für beide Gesellschaftsformen 46

Siehe zum Ganzen Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Einl. Rn. A 48.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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die Möglichkeit der Fremdorganschaft.47 Die Geschäftsleitung kann also auch von unternehmensexternen Personen übernommen werden. Bedeutsam für die hier angestrebte Untersuchung sind jedoch die relevanten Unterschiede, welche sich bei der konkreten Ausgestaltung der oben angesprochenen Charakteristika der beiden Gesellschaftsformen ergeben. Nachdem bereits die grundlegenden Strukturunterschiede zwischen GmbH und AG aufgezeigt wurden, gebührt nun dem Vergleich der Haftungssysteme Beachtung, da sich die BJR als haftungserleichternde Regelung gerade in diese einfügen muss. Aus dem Vergleich können jedenfalls indirekte Schlüsse gezogen werden, inwieweit die unterschiedlichen Haftungssysteme eine Übertragung zulassen.

A. Tatbestand der Geschäftsleiterhaftung aus § 43 II GmbHG und § 93 II 1 AktG I. Grundlagen der Geschäftsführerhaftung Die Innenhaftung der Geschäftsleiter gegenüber der Gesellschaft ist sowohl in der GmbH als auch in der AG der gesetzlich vorgesehene Regelfall als Folge einer Verletzung von Geschäftsleiterpflichten. Dies ergibt sich aus den zentralen Haftungsvorschriften der beiden Regelungssysteme: § 43 II GmbHG und § 93 II 1 AktG. Das damit beiden Gesellschaftsformen innewohnende Prinzip der Haftungskonzentration48 begründet sich darauf, dass die Geschäftsleiter als treuhänderische Verwalter fremden Vermögens tätig werden49 und dieses Vermögen gleichmäßig allen Gläubigern der Gesellschaft zur Verfügung stehen soll.50 Die Funktion der Haftung besteht einerseits in der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens zugunsten des Gesellschaftsvermögens.51 Dies entfaltet mittelbar auch eine Schutzfunktion zugunsten der Gläubiger, deren Ansprüche gegen das Gesellschaftsvermögen nicht ausgehöhlt werden sollen.52 Andererseits soll auch eine präventive, verhaltenssteuernde Funktion erfüllt werden.53 Die Aussicht auf mög-

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Siehe Müller, in: BeckHdB AG, § 1 Rn. 79. Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 1; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 173. 49 Siehe Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 21 Rn. 1. 50 Siehe Schmidt, JZ 1985, 301, 303, der insofern von einer Koordination der Gläubigerbefriedigung spricht; siehe auch Kindl, § 26 Rn. 14 (S. 283), der treffend auf den nur mittelbaren Schutz der Gläubiger hinweist. 51 Siehe Wagner, ZHR 2014, 227, 251; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 2; Wiedemann, Organverantwortung, S. 10. 52 Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 4. 53 Siehe Wagner, ZHR 2014, 227, 251; Thole, ZHR 2009, 504, 527; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 2; Wiedemann, Organverantwortung, S. 10. 48

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

liche Schadensersatzverpflichtungen soll den Geschäftsleiter also zu dem vom Gesetzgeber erwünschten Verhalten anregen. II. Geschäftsleiterposition Erste Voraussetzung der Haftung von Geschäftsführern beziehungsweise Vorständen ist, dass diese als solche tätig geworden sind. Die Haftung beginnt mit der wirksamen organschaftlichen Bestellung und endet mit dem tatsächlichen Ausscheiden aus der Organstellung, wenn der Geschäftsleiter also aus dem Organverhältnis ausscheidet und seine Organtätigkeit beendet.54 Inwieweit die Figur des faktischen Geschäftsleiters existiert ist sowohl für die AG als auch für die GmbH umstritten.55 Der Begriff umschreibt die tatsächliche Wahrnehmung der Organtätigkeit ohne vorangegangenen förmlichen Bestellungsakt.56 Für die GmbH könnte die Frage größere Bedeutung entfalten, da Mehrheitsgesellschafter eine beherrschende Stellung einnehmen und so de facto die Geschäfte der Gesellschaft leiten können. Für die Anwendung der BJR ergeben sich hier jedoch keine Besonderheiten, da ein faktischer Geschäftsführer jedenfalls nicht schärfer haftet als ein organschaftlich bestellter Geschäftsführer57 und diesem somit die BJR im selben Rahmen zu Gute kommen würde. III. Pflichtverletzung Zweite Haftungsvoraussetzung ist die Verletzung einer dem Geschäftsleiter obliegenden Pflicht. Der Pflichtenkatalog, dem Manager heutiger Unternehmen gegenüberstehen, ist äußerst engmaschig und umfangreich.58 Sowohl im Recht der Aktiengesellschaften als auch im GmbH-Recht gibt es eine Vielzahl an Haftungsgrundlagen, die eine direkte Inanspruchnahme der Geschäftsleitung ermöglichen. Der zu beachtende Pflichtenkatalog ist in seiner Grundkonzeption für GmbH und AG vergleichbar. Zu unterscheiden sind Sorgfaltspflichten und Treuepflichten.59 Im Hinblick auf die BJR ist den Sorgfaltspflichten eine größere Relevanz zuzuordnen als den Treuepflichten, da gerade der unscharfe gesetzliche Sorgfaltsmaßstab zu den 54 Siehe Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG § 43 Rn. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 100; Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 13 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, AktG § 93 Rn. 28. 55 Vorsichtig befürwortend jedoch ohne klar Stellung zu beziehen: BGH NJW 1988, 1789, 1789; BGH NJW 2002, 1803, 1805; im Schrifttum wird die Rechtsfigur grundsätzlich anerkannt, die Voraussetzungen sind jedoch streitig, siehe zum Meinungsstand Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 101. 56 Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 17. 57 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 242. 58 Siehe Fleischer, NJW 2009, 2337, 2337; Lutter, in: Krieger/Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 1 Rn. 9 f. 59 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 7; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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Unsicherheiten bei unternehmerischen Entscheidungen führt, welche durch die BJR ausgeglichen werden sollen. Der Einfluss der Treuepflichten auf die BJR ist jedoch ebenfalls beachtlich. Zum einen müssen die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflichten als äußere tatbestandliche Grenze der BJR herangezogen werden,60 zum anderen ist im Falle von Gesellschafter-Geschäftsführern eine Einschränkung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes aufgrund von Treuepflichten gegenüber den übrigen Gesellschaftern denkbar.61 Weiterhin können sich auch individuell vereinbarte Pflichten aus dem Anstellungsvertrag ergeben, welche neben den organschaftlichen Pflichten stehen oder diese modifizieren können.62 Allerdings ist eine Haftungsverschärfung nicht zulässig, soweit diese zu einer Erfolgshaftung führen würde.63 Zudem allgemein nicht zulässig ist eine Pflichtverschärfung in qualitativer Hinsicht, also eine Intensivierung der Anforderungen an die sorgfaltsgemäße Pflichterfüllung.64 Schließlich ist der Einfluss der Geschäftsverteilung unter mehreren Geschäftsleitern auf den Pflichtenkanon des Einzelnen zu betrachten und damit das Spannungsverhältnis von Gesamtverantwortung und ressortbezogener haftungsrechtlicher Entlastung.65 Neben diesen Pflichten zur gegenseitigen Überwachung der Geschäftsleiter untereinander werden ebenso die Pflichten zur Überwachung nachgeordneter Mitarbeiter Gegenstand der Analyse sein. 1. Treuepflichten Sowohl in der AG als auch in der GmbH nehmen die Geschäftsleiter als treuhänderische Verwalter fremden Vermögens die Interessen der Gesellschaft wahr und sind daher – wenngleich sie keine ausdrückliche Erwähnung im Gesetz findet – durch die Treuepflicht gebunden.66 Die Treuepflichten der Geschäftsleiter, welche sowohl aus der Organstellung als auch aus dem Anstellungsverhältnis hergeleitet werden, bestehen ausschließlich gegenüber der Gesellschaft.67 Insofern hat die konkrete 60

Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1052. Siehe Kuntz, GmbHR 2008, 121, 126 f. 62 Siehe Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 29; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 144. 63 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 246; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 29. 64 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 321; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 28. 65 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 148; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG § 43 Rn. 20. 66 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 26; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 152, der zu Recht darauf hinweist, dass eine Kodifizierung der Treuepflicht überfällig ist. 67 Siehe BGH NJW 1967, 1462, 1462 f.; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 118; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 61

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Gesellschafterstruktur keine direkten Auswirkungen auf den Treuemaßstab. Zusätzliche Pflichten in Korrelation mit der Gesellschafterstruktur können sich nur für den Gesellschafter-Geschäftsführer ergeben, diese entspringen jedoch seiner Gesellschafterstellung und stehen neben den Treuepflichten aus seiner Geschäftsführerstellung.68 Es sind dementsprechend Treuepflichten aus Organstellung und aus Mitgliedschaft zu unterscheiden, wobei die mitgliedschaftlichen Treuepflichten eine besondere Steigerung erfahren können, soweit ein Gesellschafter das mehrheitliche Eigentum an Anteilen innehat.69 Zunächst ist auf die organschaftliche Treuebindung von Geschäftsführern und Vorständen einzugehen. Diese unterliegen in der Grundkonzeption einem ähnlichen Pflichtenkatalog, dessen Ausgangspunkt die Pflicht ist, ausschließlich das Wohl der Gesellschaft und nicht das eigene Interesse zu verfolgen.70 a) Das Wohl der Gesellschaft – die organschaftlichen Treuepflichten Das Wohl der Gesellschaft ist im Rahmen der Treuepflichten vorrangig nicht als eine Verpflichtung auf ein konkretes Unternehmensziel zu verstehen. Ob der Geschäftsleiter seiner Pflicht nachkommt, aktiv das Unternehmensinteresse zu fördern, ist vielmehr eine Frage der Sorgfaltspflichten.71 Nur ausnahmsweise können die Treuepflichten auch positive Handlungspflichten begründen. So sind die Geschäftsleiter im Sinne eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft verpflichtet, ihre volle berufliche Arbeitskraft und Qualifikation in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.72 Dementsprechend kann es erforderlich sein, auch über die anstellungsvertraglichen Verpflichtungen hinaus außergewöhnlichen Einsatz für die Gesellschaft zu zeigen.73 Für die Treuepflichten ist es insgesamt jedoch nicht entscheidend, eine positive Definition des Unternehmensinteresses zu entwickeln, sondern es ist in der Weise negativ abzugrenzen, dass die Geschäftsleiter alle Handlungen zu unterlassen haben, die außerhalb des Gesellschaftswohls liegende Ziele verfolgen. Er darf also seine Einwirkungsmöglichkeit auf fremdes Vermögen und fremde Interessen74 nicht missbrauchen. Darauf aufbauend lassen sich, insbesondere anhand der umfangreichen Kasuistik zu den Treuepflichten des GmbH-Geschäftsführers, EinRn. 38 f.; Winter, S. 79; für ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaftsorgan und Anteilseignern plädierend: Wiedemann, ZGR 2011, 183, 200 f. 68 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 226; Fleischer, WM 2003, 1045, 1047. 69 Siehe zur Unterteilung der Treuepflichten Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 950. 70 Siehe BGH NJW 1989, 2697, LS. 4; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 41. 71 So auch Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 151. 72 Siehe zur GmbH: BGH NJW-RR 1989, 1355, 1357; BGH WM 1983, 498, 499; BGH WM 1977, 361, 362; BGH WM 1967, 679, 679; zur AG: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 96; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 128. 73 Siehe Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 96 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 229; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 49. 74 Siehe zum Begriff der Einwirkungsmöglichkeit Zöllner, S. 341 f.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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zelpflichten ermitteln, welche den Geschäftsleitern greifbare Verhaltensanforderungen vorgeben. Einen Überblick zu den aus dem Gesellschaftswohl abzuleitenden Pflichten bietet der DCGK. Dieser etabliert mangels Gesetzescharakter selbst keine verbindlichen Pflichten, kann jedoch zur Auslegung der gesetzlichen Pflichten herangezogen werden. Die Ziff. 4.3.1 – 4.3.4 DCGK beinhalten vorrangig Regelungen zu Interessenkonflikten, treffen jedoch auch Aussagen zum Wettbewerbsverbot, zu Geschäftschancen, zur Vorteilsannahme und zu Doppelmandaten. Weiterhin findet sich auch die Verschwiegenheitspflicht in Ziff. 3.5 DCGK. Als Einzelpflichten des Handelns ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft lassen sich also insbesondere das Wettbewerbsverbot75 und die Verschwiegenheitspflicht76 nennen, ebenso wie die Plicht Interessenkonflikte nicht zulasten der Gesellschaft aufzulösen. Weiterhin von Bedeutung sind in Literatur und Rechtsprechung entwickelte Sonderregeln für die Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft und das Management Buy-Out sowie die gesetzlichen Beschränkungen bei der Kreditgewährung an Manager. Die genannten Fallgruppen sollen im Folgenden näher erörtert werden. aa) Ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse Ein wesentlicher Aspekt der Vorgabe zum Gesellschaftswohl zu handeln ist, dass Geschäftsleiter, die Eigen- oder Drittinteressen vorrangig zu Gesellschaftsinteressen verfolgen, gegen ihre Treuepflicht verstoßen.77 Diese negative Abgrenzung entfaltet bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der BJR eine besondere Relevanz. So soll für die Anwendung der BJR das Handeln frei von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein.78 Während im Rahmen der Darstellung von Interessenkonflikten als negatives Tatbestandsmerkmal der BJR bereits ausführlich auf potentiell-interessenkonfliktbelastete Entscheidungssituationen eingegangen wurde, ist bezüglich der Treuepflichten als zusätzliche Voraussetzung die Auflösung des Interessenkonflikts zulasten der Gesellschaft erforderlich. So stellt allein das Vorliegen eines Interessenkonflikts noch keinen Pflichtverstoß dar. Zwar greift die Privilegierung der BJR nicht mehr ein, es muss jedoch eine pflichtwidrige Handlung separat festgestellt werden.79 (1) Regelung von Interessenkonflikten Die Frage, wann die Pflicht, das Gesellschaftsinteresse vorrangig zu allen anderen Interesseneinflüssen wahrzunehmen, verletzt worden ist, ist für GmbH und AG im Grundsatz gleich zu beantworten. Maßgebliches Kriterium ist hier, ob das vollzogene 75

Gesetzlich normiert in § 88 AktG; siehe auch BGH GmbHR 1965, 194, LS. 2. Gesetzlich normiert in § 93 I 3 AktG; siehe auch BGH NJW 1975, 1412, 1412. 77 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 229; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 152; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 70; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049. 78 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. 79 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25. 76

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Geschäft, welches nach den oben dargelegten Grundsätzen einem Interessenkonflikt unterliegt,80 einem Drittvergleich standhält.81 Kommt die konkrete Prüfung des Geschäfts zu dem Ergebnis, dass der Interesseneinfluss sich zulasten der Gesellschaft ausgewirkt hat, liegt sowohl in der GmbH als auch in der AG ein Treuepflichtverstoß vor. Unterschiedlich ausgestaltet ist hingegen die vorbeugende Unterbindung von interessenkonfliktgefährdeten Geschäften. Für die AG gilt zunächst schon vorbeugend ein Verbot des unmittelbaren Selbstkontrahierens des Vorstands mit der Gesellschaft. Bei Geschäften der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied muss die Gesellschaft gemäß § 112 AktG stets vom Aufsichtsrat vertreten werden. Demgegenüber gilt im GmbH-Recht nur der allgemeine Grundsatz des Selbstkontrahierungsverbots aus § 181 BGB, welches jedoch, anders als § 112 AktG, ohne weiteres abbedungen werden kann und regelmäßig auch durch Satzungsregelung abbedungen wird.82 Weiterhin unterliegen in der AG besonders interessenkonfliktanfällige Geschäfte speziellen gesetzlich normierten Verboten oder Kontrollmechanismen. Hierzu zählen insbesondere das Wettbewerbsverbot aus § 88 AktG und die besondere Kontrolle von Krediten an Vorstandsmitglieder aus § 89 AktG. Das Wettbewerbsverbot wird in abgemilderter Form auch auf die GmbH angewandt,83 während Kredite an Geschäftsführer in der GmbH nur die Grenze des § 43a GmbHG zu wahren haben.84 (2) Ursachen abweichender Regelungsintensität Die unterschiedliche Regelungsintensität in AktG und GmbHG ist zunächst nichts Besonderes, da das GmbHG zum Zwecke der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit traditionell weniger detailliert ausgestaltete Regelungen enthält als das AktG.85 Die genannten Beispiele zeigen jedoch auch eine tatsächliche Ungleichbehandlung der beiden Gesellschaftsformen auf. Die erkennbare weniger strenge Handhabung von Interessenkonflikten der Geschäftsleiter in der GmbH erklärt sich bei einer näheren Betrachtung der maßgeblichen Quelle von Interessenkonflikten. Leitungsorganbezogene Interessenkonflikte entstehen aus den nicht einheitlich verlaufenden Interessen von Leitungsorganen und Gesellschaftseigentümern, auch als Prinzipal-Agenten-Verhältnis86 bezeichnet. Dieses Auseinanderfallen von Lei80

Siehe oben § 4 B. III. 1. Siehe zur GmbH: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 73; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 174; zur AG: Ziff. 4.3.3 DCGK; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 21; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 135. 82 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 173; ders., WM 2003, 1045, 1052; zu empirischen Erkenntnissen Kornblum/Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240, 1251. 83 Siehe dazu unten § 6 A. III. 1. a) bb). 84 Siehe dazu unten § 6 A. III. 1. a) dd). 85 Siehe zur unterschiedlichen Gestaltung von GmbHG und AktG noch ausführlich unten: § 9 B. II. 86 Die Problematik 1962 schon ausführlich darstellend: Berle/Means, S. 119 f. 81

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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tungsmacht und Eigentümerstellung ist jedoch in AG und GmbH unterschiedlich stark ausgeprägt.87 In der AG entsteht durch die unabhängige Leitungsmacht des Vorstands und die geringen Einwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre ein erhebliches Spannungsverhältnis.88 Demgegenüber behalten die Gesellschafter in der GmbH stets das Letztentscheidungsrecht, können die Geschäftsführung jederzeit an sich ziehen und verwalten die GmbH ohnehin regelmäßig in Selbstorganschaft. Aus diesem wesentlich abgemilderten Spannungsverhältnis der Interessen in der GmbH im Vergleich zur AG erklärt sich die geringere Regelungsintensität im Rahmen dieser Problematik im GmbH-Recht. (3) Offenlegungspflicht Eine Offenlegungspflicht bei Interessenkonflikten unabhängig von der tatsächlichen Realisierung des Interessenkonflikts zulasten der Gesellschaft wird für die AG mehrheitlich befürwortet.89 Ein vergleichbares Meinungsbild ergibt sich für die GmbH.90 Dass eine solche Offenlegung die Anwendbarkeit der BJR nicht wieder aufleben lassen kann, geschweige denn einen begangenen Treuepflichtverstoß heilen kann, wurde bereits dargestellt.91 bb) Wettbewerbsverbot Ein gesetzlich geregelter Fall zur Treuepflicht findet sich im Aktienrecht zum Wettbewerbsverbot in § 88 AktG. Für die GmbH folgt das Wettbewerbsverbot unmittelbar aus den Treuepflichten und wird teilweise zusätzlich aus einer analogen Anwendung des § 88 I AktG hergeleitet.92 Entsprechend der abweichenden dogmatischen Grundlage wird der Inhalt des Wettbewerbsverbots des GmbH-Geschäftsführers auch teilweise abweichend von dem weitreichenden Tatbestand des § 88 I AktG bewertet. Zunächst wird auch für die GmbH einheitlich ein Verbot von Geschäften innerhalb des Geschäftszweigs der Gesellschaft entsprechend § 88 I 1, 2.

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Siehe auch Arnold, S. 53 f.; Scholl, S. 61, 104. Siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III. 1. a) (770). 89 Für eine Offenlegungspflicht bei Interessenkonflikten die wohl h.M.: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 130a; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 61; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 275; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1097; Koch, ZGR 2014, 697, 709; Hopt, ZGR 2004, 1, 25; nur eine Soll-Vorschrift enthält der DCGK in Ziff. 4.1.1, Version vom 05. 05. 2015. 90 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 39; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 28; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 109; Haas/ Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 90; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 163. 91 Siehe oben: § 4 B. III. 2. a). 92 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 153 f.; Jaeger, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 360; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 32; mit Verweis auf eine entsprechende Anwendung des § 88 I AktG: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 82; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 41, 49. 88

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Alt. AktG vertreten.93 Weniger deutlich sind allerdings die Stimmen zum Verbot des Betriebs eines Handelsgewerbes entsprechend § 88 I 1, 1. Alt. AktG oder der Stellung als Geschäftsleiter oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft entsprechend § 88 I 2 AktG, jeweils ohne Bezug zum Geschäftszweig der Gesellschaft.94 Zudem kann abweichend zu der aktienrechtlichen Regelung des § 88 I 3 AktG der GmbH-Geschäftsführer jedenfalls durch Satzungsbestimmung auch allgemein vom Wettbewerbsverbot befreit werden95 und auch eine nachträgliche Befreiung ist möglich.96 Die Ursache der liberaleren Handhabung liegt zum einen auch hier in dem geringeren Interessenkonfliktpotential aus der Organstellung als Geschäftsführer und zum anderen in der weitgehenden Dispositionsfreiheit der Gesellschafter über die Rechte- und Pflichtenverteilung und das Vermögen in ihrer Gesellschaft. Soweit dem Geschäftsleiter der Betrieb von Geschäften gestattet ist und somit nicht schon ein Treuepflichtverstoß vorliegt, ist hinsichtlich des Anwendungsbereichs der BJR zu beachten, dass Geschäfte der Gesellschaft mit dem Geschäftsleiter oder mit von ihm betriebenen oder ihm anderweitig nahestehenden Unternehmen regelmäßig einem Interessenkonflikt unterliegen.97 Inwieweit die BJR dennoch Anwendung finden kann, wird in einer gesonderten Darstellung zu Interessenkonflikten in der GmbH zu klären sein.98 cc) Geschäftschancenlehre Eine weitere Ausprägung der Treuepflicht ist das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft für sich selbst wahrzunehmen. Für die AG findet dieser eigenständig neben dem Wettbewerbsverbot stehende Grundsatz beredeten Ausdruck in Ziff. 4.3.1 DCGK. Für die GmbH ist er ebenfalls allgemein anerkannt.99 In vergleichbarem Maße unklar ist jedoch für beide Gesellschaftsformen, wo die Grenze zwischen 93 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 41; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 100 f.; Jaeger, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 361. 94 Nur für ein Wettbewerbsverbot im engeren Sinn: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 155; Tillmann, GmbHR 1991, 26, 27 f.; für ein Verbot i.S.d. § 88 I AktG Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 49; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 82, 89 f. 95 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 103; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 185; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 36; siehe zum Meinungsstand noch ausführlich unten: § 10 C. III. 2. a). 96 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 185, wobei es sich genaugenommen bei einer nachträglichen Genehmigung des Geschäfts um einen Verzicht auf die aus dem Verstoß folgenden Ansprüche handelt; anders im Aktienrecht aufgrund von § 93 IV 2 AktG, siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 88 Rn. 27. 97 Siehe dazu bereits oben: § 4 B. III. 1. e). 98 Siehe unten: § 10 C. III. 2. a). 99 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 98; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 175; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 41; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 30.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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Geschäftschancen der Gesellschaft und dem Geschäftsleiter frei zugänglichen Geschäftschancen zu ziehen ist.100 Jedenfalls Geschäftschancen, an denen die Gesellschaft bereits nach außen erkennbar ihr Interesse signalisiert hat, sind dem Geschäftsleiter nicht mehr ohne Zustimmung des zuständigen Organs zugänglich.101 Schwieriger ist die Abgrenzung bei abstrakten Geschäftsaussichten,102 also solchen, die zwar noch nicht von der Gesellschaft wahrgenommen worden sind, jedoch ihrem Tätigkeitsfeld zuzuordnen sind. Umstritten ist hier insbesondere, ob allein das satzungsmäßige Tätigkeitsfeld der Gesellschaft maßgeblich ist oder das tatsächliche Tätigkeitsfeld, wobei bei letzterem zwischen dem aktuellen, dem vergangenen und dem potentiell zukünftigen unterschieden werden kann.103 Weiterhin fraglich ist, ob die Geschäftschance vom Geschäftsleiter im dienstlichen Rahmen entdeckt worden sein muss und ob die Gesellschaft tatsächlich zur Wahrnehmung in der Lage gewesen sein muss.104 Diese Fragen stellen sich jedoch für GmbH und AG gleichermaßen. Insgesamt sind bei einem Vergleich der Gesellschaftsformen bezüglich der Geschäftschancenlehre grundsätzlich keine abweichenden Wertungen vorzunehmen. Lediglich in Fragen der Freistellung der Geschäftsführer von der Geschäftschancenbindung ergibt sich für die GmbH eine abweichende Behandlung. Den GmbHGeschäftsführern stehen entsprechend den Regelungen zur Freistellung vom Wettbewerbsverbot weitaus großzügigere Freistellungsmöglichkeiten offen als dem AGVorstand.105 Auch hier stellt sich die Frage, soweit ein Treuepflichtverstoß nicht vorliegt, inwieweit die BJR Anwendung finden kann. Näher zu betrachten ist die Entscheidung des Geschäftsleiters, ein Geschäft nicht für die Gesellschaft wahrzunehmen, welches er später selbst wahrnimmt. In diesem Fall erscheint es naheliegend, aufgrund des durch die Wahrnehmung des Geschäfts deutlich offenbarten Eigeninteresses an der Entscheidung, einen die BJR ausschließenden Interessenkonflikt anzunehmen. Auch die Behandlung solcher konfligierender Interessen wird in einer gesonderten Darstellung zu Interessenkonflikten in der GmbH zu klären sein.106

100

Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 177; ders., NZG 2003, 985, 985 ff. Siehe zur GmbH: BGH WM 1967, 679, 780; BGH GmbHR 1977, 129, 130; insofern von „subjektiven Geschäftschancen durch Konkretisierung“ sprechend: Buck-Heeb, in: Gehrlein/ Ekkenga/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 40; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 203; von „konkreten Geschäftsaussichten“ sprechend: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 179 f.; zur AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 140; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 62; zur GbR: BGH NZG 2013, 216, 218 „der Gesellschaft […] aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind“. 102 So die Formulierung bei Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 181. 103 Siehe zum Meinungsstand Fleischer, NZG 2003, 985, 986 ff. 104 Siehe zum Meinungsstand Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 40 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 205 ff. 105 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 210. 106 Siehe unten: § 10 C. III. 2. a). 101

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

dd) Kreditgewährung an Geschäftsleiter Für die Gewährung von Krediten an die Geschäftsleiter existieren sowohl für die AG als auch für die GmbH gesetzliche Sonderregelungen. Gemäß § 89 AktG muss jede107 Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder oder diesen nahestehende Personen108 vom Aufsichtsrat durch Beschluss nach §§ 107, 108 AktG unter inhaltlicher Bestimmung des konkreten Kredits bewilligt werden.109 Demgegenüber ist die Kreditgewährung an GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich ohne weiteres möglich. Hier ist nur die Grenze des § 43a GmbHG zu wahren, wonach das Stammkapital durch die Kreditvergabe nicht betroffen sein darf. Die Vorschrift ist jedoch nicht im Bereich der Interessenkonflikte anzusiedeln, sondern dient vielmehr der Kapitalerhaltung und damit dem Gläubigerschutz.110 Die Treuepflicht gebietet es lediglich, dass das Geschäft im Interesse der Gesellschaft ist, also insbesondere einem Drittvergleich standhält.111 Die strenge Regelung des § 89 AktG findet folglich keine Anwendung auf die GmbH,112 allerdings kann der über den eigenen Kredit entscheidende Geschäftsführer aufgrund seines erheblichen Eigeninteresses auch nicht die BJR für sich in Anspruch nehmen.113 ee) Management Buy-Out Ein besonderer Fall eines Eigengeschäfts ergibt sich bei der Übernahme der Geschäftsanteile der Gesellschaft durch die Geschäftsleiter, dem sogenannten Management Buy-Out.114 In jedem Fall wird hier eine Pflicht zur Offenlegung der für die Kaufverhandlungen relevanten Informationen gegenüber den Gesellschaftern angenommen.115 Diese entstammt jedoch nicht den organschaftlichen Treuepflichten, da solche gegenüber den Gesellschaftern nicht existieren, sondern einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht aufgrund überlegenen Wissens.116 107

Mit Ausnahme von Kleinkrediten nach § 89 I 5 AktG. Hier ist ein engeres Verständnis von nahestehenden Personen als bei sonstigen Interessenkonflikten zugrunde zu legen. § 89 III und IV AktG grenzen den Kreis der einbezogenen Personen klar ab. 109 Siehe Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 89 Rn. 9. 110 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43a Rn. 3. 111 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43a Rn. 3. 112 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43a Rn. 8; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 15; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43a Rn. 54; str. aber in der mitbestimmten GmbH, siehe Schneider, in: Scholz, § 43a Rn. 27. 113 Siehe zu Interessenkonflikten bei Eigengeschäften oben: § 4 B. III. 1. e). 114 Siehe im Einzelnen zum Buy-Out Verfahren in der GmbH: Koppensteiner, ZHR 1991, 97 ff.; Kerber, WM 1989, 473 – 480 und 513 – 517; zur AG: Fleischer, AG 2000, 309 ff. 115 Siehe Fleischer, AG 2000, 309, 310 ff.; Koppensteiner, ZHR 1991, 97, 102 f. 116 So Fleischer, AG 2000, 309, 320 f.; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 118 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 112; Koppensteiner, ZHR 1991, 97, 102 f., der dies aus einem eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Ausnutzung von Insiderwissen herleitet. 108

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Da die Geschäftsleiter bei dieser Art von Geschäften die eigenen Interessen als Käufer gegenüber den Gesellschaftern als Verkäufer vertreten, ist zunächst ein Eigeninteresse kaum bestreitbar. Allerdings handelt es sich in erster Linie um ein Geschäft zwischen den Gesellschaftern und den Personen, die die Geschäftsleitung innehaben. Die Geschäftsleiter sind jedoch nicht in ihrer organschaftlichen Funktion tätig, diese ist lediglich ein Motiv das Geschäft durchzuführen. Demzufolge wäre eine besondere rechtliche Begründung nötig, um Pflichten aus der Organstellung in das Kaufvertragsverhältnis hineinzutragen. Nicht möglich ist es insofern, das Interesse der Gesellschafter an einem für sie günstigen Vertragsinhalt in die organschaftliche Verpflichtung des Geschäftsleiters einzubeziehen und ihn in der Folge in den Vertragsverhandlungen an das Gesellschafterinteresse zu binden.117 Dem steht schon entgegen, dass der Geschäftsführer bei dem Kauf nicht in organschaftlicher Funktion tätig wird und demnach auch nicht auf die Förderung des Unternehmensinteresses verpflichtet ist. Wie oben schon dargestellt, besteht auch keine Treuepflichtenbindung des Geschäftsleiters gegenüber den Gesellschaftern. Eine solche würde dem deutschen System der Haftungs- und Pflichtenkonzentration des Geschäftsleiters auf die Gesellschaft widersprechen.118 Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich auch, dass Management Buy-Out Situationen nicht in den Anwendungsbereich der BJR fallen.119 Die Entscheidung, Unternehmensanteile zu kaufen, trifft der Geschäftsleiter gerade nicht für das Unternehmen und in Vertretung desselben, sondern für sich selbst. Demzufolge stellt sich die Frage einer Haftung aus organschaftlichen Sorgfaltspflichten für ebendiese Entscheidung grundsätzlich nicht. Ein für die BJR relevanter Interessenkonflikt kann daher nur auftreten, soweit der Geschäftsleiter in seiner organschaftlichen Funktion in die Entscheidung zur Anteilsübertragung auf Seiten der Gesellschaft eingebunden ist. Daneben können im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers dessen mitgliedschaftlichen Treuepflichten gegenüber seinen Mitgesellschaftern relevant werden.120 ff) Verschwiegenheitspflicht Schließlich ist für GmbH und AG gleichermaßen anerkannt, dass Unternehmensgeheimnisse und im Zusammenhang mit dem Unternehmen stehende vertrauliche Informationen Gegenstand einer Verschwiegenheitspflicht sind. Für die AG ist diese in § 93 I 3 AktG normiert, für die GmbH folgt sie aus der Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse.121 Umstritten ist jedoch, ob die Verschwiegenheitspflicht 117

So aber Koppensteiner, ZHR 1991, 97, 103. Siehe auch Fleischer, AG 2000, 309, 318 f.; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 43 Rn. 45; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 48. 119 Eine Anwendung der BJR für möglich haltend hingegen: Winnen, S. 258 f.; Gehb/ Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147. 120 Siehe auch Kern, ZVglRWiss 2013, 70, 82. 121 Siehe BGH NJW 1975, 1412, 1413. 118

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

den Treuepflichten122 oder zumindest auch den Sorgfaltspflichten123 zuzuordnen ist. Vorzugswürdig erscheint es hier darauf abzustellen, dass der Geschäftsleiter auch die ihm anvertrauten Informationen als Treugut erhält und diese dementsprechend treuhänderisch zu verwalten hat.124 So liegt der Grund für ein Verbot der Offenlegung von Informationen maßgeblich darin, dass eine solche dem Wohl der Gesellschaft schaden könnte. Nur ausnahmsweise kann auch die Sorgfaltspflicht es gebieten, zur Förderung eines erfolgreichen Wirtschaftens, Informationen offenzulegen. Hier wirkt sich die Sorgfaltspflicht jedoch als Offenlegungsbefugnis aus, welche der Verschwiegenheitspflicht aus den Treuepflichten gegenübersteht.125 Dementsprechend ist die Verschwiegenheitspflicht den Treuepflichten zuzuordnen. Das Geheimhaltungsinteresse, also ob eine Information im Unternehmensinteresse geheim zu halten ist oder nicht, kann sowohl nach rein objektiven126 als auch zusätzlich nach subjektiven Kriterien127 bestimmt werden. In der AG wird, von einer objektiven Bestimmung des Geheimhaltungsinteresses ausgehend, dem Vorstand bei der Konkretisierung des Geheimhaltungsinteresses ein eigenständiger Ermessensspielraum eingeräumt.128 Dieser resultiert aus der Leitungsmacht des Vorstands aus § 76 AktG und dem der Leitungsmacht innewohnenden Ermessen zur Bestimmung des Unternehmensinteresses, ist also gerade nicht mit der BJR gleichzusetzen.129 Für die GmbH wird neben der Beurteilung, ob die Information für einen außenstehenden Beobachter aufgrund objektiver Merkmale des konkreten Geschäfts als geheim122 So die h.M.: Zur AG: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 279; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 29; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 160; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 113; zur GmbH: Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 43 Rn. 21; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 40; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 199; OLG Hamm, GmbHR 1985, 157, 158; OLG Koblenz, WM 1987, 480, 481; Armbrüster, GmbHR 1997, 56, 57. 123 So Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 149; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 113; für eine ausschließliche Grundlage in den Sorgfaltspflichten Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 144. 124 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 199. 125 So auch Rozijn, NZG 2001, 494, 496 f., der sogar von einer Offenlegungspflicht spricht. 126 So für die AG die h.M.: OLG Stuttgart, AG 2007, 218, 219; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 169; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 119; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 30; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 13; für die GmbH: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 130; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 146. 127 So für die GmbH die h.M.: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 149; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 40; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 207 (Einflussnahmemöglichkeit durch die Gesellschafter); für die AG vorrangig auf einen mutmaßlichen Willen der Gesellschaft abstellend: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 283; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 23. 128 Siehe BGH NJW 1975, 1412, 1413: Der Gesamtvorstand ist insofern „Herr des Gesellschaftsgeheimnisses.“; so auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 169. 129 Siehe Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 115; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 119; siehe zum Ermessen des Vorstands bezüglich der Konkretisierung des Unternehmensinteresses oben: § 4 B. II. 2., sowie § 5 A. I.

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haltungsbedürftig anzusehen ist, zudem auf den subjektiven Willen der Gesellschaft abgestellt. Unklar ist jedoch, ob zur Bestimmung des Geheimhaltungsinteresses auf den Willen der Geschäftsführer130 oder den Willen der Gesellschafter abzustellen ist.131 Grundsätzlich muss der Gesellschafterversammlung als oberstes Willensbildungsorgan auch die Kompetenz zur Verfügung über das Geheimhaltungsinteresse zustehen. Soweit dieser Wille jedoch weder mutmaßlich, noch konkludent oder ausdrücklich erkennbar ist, steht den Geschäftsführern schon aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich eine eigenständige Entscheidungsbefugnis zu. Diese endet, wenn ein entgegenstehender Gesellschafterwille angenommen werden muss, also insbesondere bei Weisungen und in Fällen des § 49 II GmbHG.132 Bezüglich der Entscheidung der Veröffentlichung bestimmter Informationen kann sich der Geschäftsleiter weder in der AG noch in der GmbH auf die BJR berufen. Zwar ist ein gewisser Ermessensfreiraum anzuerkennen,133 da es sich jedoch maßgeblich um eine Entscheidung unter Abwägung der Treuepflichten handelt, ist ein mögliches Ermessen unmittelbar von diesen beeinflusst und eingeschränkt. Dementsprechend kann hier nicht von dem weiten unternehmerischen Ermessensfreiraum der BJR gesprochen werden,134 sondern es liegt ein Ermessensfreiraum eigener Art vor.135 Dies gilt insbesondere für die GmbH, da die Verschwiegenheitspflicht hier in besonderem Maße durch den Willen der Gesellschafter konkretisiert werden kann. b) Treuepflichten der Gesellschafter untereinander Treuepflichten gegenüber den Anteilseignern können zum Tragen kommen, wenn der Geschäftsleiter selbst Anteile an der Gesellschaft hält. In diesen Fällen sind die Treuepflichten aus dem Geschäftsführerverhältnis und jene aus der Gesellschafterstellung getrennt voneinander zu betrachten und können jeweils selbständige

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So Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 155, 157; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 207; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 25; Diekmann/ Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 45 Rn. 3. 131 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 40; auf eine ausdrückliche Weisung der Gesellschafter abstellend: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 130 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 146. 132 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 207; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 155; siehe zur Kompetenz des Geschäftsführers zur Konkretisierung des Unternehmensinteresses auch unten: § 7 C. II. 133 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 310. 134 So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 149 für den Einfluss von Interessenkonflikten; a.A. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 310. 135 Zu der Notwendigkeit, zugunsten einer klaren Abgrenzung des weiten unternehmerischen Ermessens der BJR alle Ermessensfreiräume, die besonderen Beschränkungen unterliegen, eigenständigen Kategorien von Ermessensfreiräumen eigener Art zuzuordnen, bereits oben: § 4 B. I. 2. b) ee).

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Pflichtverletzungen begründen.136 Sowohl in der AG als auch in der GmbH können Anteilseigner sich an der organschaftlichen Leitung der Gesellschaft beteiligen, die praktische Relevanz dieser Konstellation ist in der GmbH jedoch wesentlich größer. So ist es in der GmbH der Regelfall, dass das Unternehmen zumindest auch von den Anteilseignern geleitet wird.137 In der AG besteht die Funktion der Aktionäre hingegen maßgeblich in der Kapitalzuführung und die Unternehmensleitung wird regelmäßig in Fremdorganschaft wahrgenommen.138 Ein weiterer in diesem Zusammenhang relevanter Unterschied zwischen GmbH und AG ist die Intensität der Treupflicht der Gesellschafter. Für die AG spielt sie nur eine begrenzte Rolle, da es in dem typischen Fall der AG als Publikumsgesellschaft nur wenige Berührungspunkte zwischen den Aktionären gibt.139 Auf der anderen Seite ist die Treuepflicht der Gesellschafter in der GmbH seit langem anerkannt und entfaltet hier aufgrund des typischerweise personalistisch ausgestalteten Innenverhältnisses eine besondere Relevanz.140 Die Haftung für Treuepflichtverstöße aus der Gesellschafterstellung ist nicht relevant für die Haftung nach § 43 II GmbHG, da diese sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer beschränkt.141 Die Treuepflichten der Gesellschafter können jedoch Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des unternehmerischen Ermessens des Gesellschafter-Geschäftsführers haben. Da dies der praktischen Relevanz nach eine GmbH-spezifische Problematik darstellt, werden die konkreten Auswirkungen ausführlich im dritten Teil der Arbeit zu behandeln sein.142 136 Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; zur GmbH: BGH NJW 1967, 1462, 1462 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 38 f.; Drescher, Rn. 118; Mertens, in: Hachenburg GmbHG, § 43 Rn. 3, 35, der betont, dass gleichwohl eine Handlung gleichzeitig Treuepflichten aus der Gesellschafterstellung und aus der Geschäftsführerstellung verletzen kann; zur AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 118; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 226. 137 Siehe Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Einl. Rn. A 7, A 111 mit empirischen Belegen. 138 Siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III. 1. a) (770). 139 So war das Bestehen einer entsprechenden Treuepflicht lange umstritten und der Hauptanwendungsfall ist heute der Missbrauch von großem, insbesondere mehrheitlichem Aktieneigentum, siehe BGH NJW 1988, 1579 – 1583; vgl. auch § 117 AktG und § 243 II AktG; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I. 4. (799 ff.); Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 II 3. c) (S. 195 f.); Bungeroth, in: MüKo AktG, Vorbemerkung § 53 Rn. 18; Lange, in: Henssler/ Strohn, AktG § 53a Rn. 7 f. mit Hinweis auf die abgeschwächte Bindung in Publikumsgesellschaften. 140 Siehe zur typischen Gesellschafterstruktur in der GmbH oben: § 5 C. I.; siehe zur Treuepflicht der GmbH-Gesellschafter Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I. 2. d) (1035 f.); Kindl, § 25 Rn. 8 (S. 268); ausdrücklicher Hinweis auf die stärkere Pflichtenbindung in der GmbH gegenüber der AG bei Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98. 141 Siehe Drescher, Rn. 119. 142 Siehe unten: § 10 A. III. 2.

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c) Überwachung der Einhaltung von Treuepflichten Unterschiede zwischen AG und GmbH ergeben sich schließlich auch bei der Überwachung der Einhaltung von Treuepflichten. Für die AG existiert ein obligatorisches Überwachungsorgan, der Aufsichtsrat, § 111 I AktG. Dieser hat umfangreiche Möglichkeiten zur Einflussnahme bei Geschäften mit dem Vorstand, da der Aufsichtsrat in diesen Fällen gemäß § 112 AktG die Gesellschaft vertritt. Weiterhin ist auch bei sonstigen Treuepflichtverletzungen eine intensive Kontrolle zu erwarten, da der Aufsichtsrat sich selbst Haftungsansprüchen aussetzt, soweit er Pflichtverletzungen des Vorstands nicht hinreichend verfolgt.143 Eine Kontrolle von treuwidrigem, selbstbegünstigendem Verhalten von GmbH-Geschäftsführern findet hingegen nur sehr eingeschränkt statt, insbesondere, da das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB in der Regel durch die Satzung aufgehoben wird und dementsprechend Eigengeschäfte ohne objektive Kontrolle vorgenommen werden können.144 Weiterhin existieren in der GmbH weitgehende Möglichkeiten zur Befreiung von der Bindung aus Treuepflichten. Insbesondere kann die GmbH-Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer weitreichenden Verfügungsmacht über das Gesellschaftsvermögen und als maßgebliche Trägerin des Gesellschaftsinteresses den GmbH-Geschäftsführern die Verfolgung von Eigeninteressen gestatten,145 Wettbewerb und die Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft erlauben und die Gesellschafter von der Verschwiegenheitspflicht entbinden. d) Zwischenergebnis Die einschneidenden Beschränkungen des Anwendungsbereichs der BJR durch die Treuepflichten verleihen diesen eine besondere Relevanz bei einem Vergleich der Haftungsvoraussetzungen in GmbH und AG. Zwar kommt in einigen Fällen auch im Anwendungsbereich der Treuepflichten ein Ermessensfreiraum der Entscheidungsträger in Betracht, dieser ist jedoch dem weiten unternehmerischen Ermessen der BJR nicht gleichzusetzen. Dementsprechend ist streng zwischen Treuepflichten und dem Anwendungsbereich der BJR zu trennen. Weiterhin zeigen sich bei einem Vergleich der abweichenden Pflichtenbindung in GmbH und AG bereits über die Treuepflichten hinausgehende Unterschiede der beiden Gesellschaftsformen. Zunächst konnte festgestellt werden, dass die Befreiung vom Wettbewerbsverbot, von der Geschäftschancenbindung und von der Verschwiegenheitspflicht in der GmbH maßgeblich vom Gesellschafterwillen abhängt

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Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1927; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 3; Reichert, ZHR 2013, 756, 757; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2337. 144 Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1052; zu empirischen Erkenntnissen Kornblum/ Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240, 1251. 145 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 73.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

und wesentlich einfacher möglich ist als in der AG.146 Hier zeigt sich das abweichende Kompetenzgefüge in GmbH und AG. Der GmbH-Geschäftsführer kann durch die Gesellschafterversammlung als oberstes Willensbildungsorgan von der Bindung an die Treuepflicht freigestellt werden. Demgegenüber kann der AGVorstand, der eigenständig die Unternehmensleitung wahrnimmt, dafür jedoch auch die alleinige Verantwortung trägt, sich nicht selbst von seiner Treuepflichtenbindung entbinden. Zudem ist die organschaftliche Treuepflicht in der AG um einige Pegelstriche strenger einzustufen als in der GmbH. Das weite Auseinanderfallen von Eigentum und Vermögensverwaltung birgt besonderes Interessenkonfliktpotential und verlangt nach einer strengeren Bindungswirkung und Überwachung der Treuepflichten. Demgegenüber zeigt sich schon bei einem Überblick über die mitgliedschaftlichen Treuepflichten der Gesellschafter untereinander, dass diese Bindung in der GmbH wesentlich enger ausgestaltet ist als in der AG. Insofern deutet sich schon hier bei der GmbH sowohl aufgrund der rechtstatsächlichen Zusammensetzung der Gesellschafterkreise als auch aufgrund der gesetzlichen Grundkonzeption der Gesellschafterstruktur in der GmbH eine wesentlich engere Bindung unter den Anteilseignern an als bei der AG.147 2. Sorgfaltspflichten Die Leitungsorgane sowohl in der AG als auch in der GmbH haben „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“148 beziehungsweise „die eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“149 an den Tag zu legen, was jedoch inhaltlich dasselbe umfasst.150 Hieraus ergibt sich ein Verschuldensmaßstab, welcher zwar von Art, Größe und der aktuellen Situation des konkreten Unternehmens abhängig ist, insgesamt jedoch den eines gewöhnlichen Geschäftsmannes übersteigt151 und stets schon leichte Fahrlässigkeit als Untergrenze setzt.152 Diese generalklauselartige Formulierung von Verhaltensvorgaben stellt einen wesentlichen Teil der Existenzberechtigung der BJR dar.153 Die Konkretisierungsbedürftigkeit der abstrakten 146

Siehe zur Abdingbarkeit von Treuepflichten in der GmbH im Überblick: Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 109. 147 So auch Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98. 148 So der Wortlaut des § 43 I GmbHG. 149 So der Wortlaut des § 93 I 1 AktG. 150 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 10; zur vergleichbaren Pflichtenbindung in GmbH und AG bereits Mertens, in: Hachenburg GmbHG, § 43 Rn. 16. 151 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 25. 152 Siehe Habersack, ZHR 2013, 782, 794. 153 Ergänzt werden diese Unsicherheiten durch den notwendigen Rückgriff auf ihrerseits nicht allgemeinverbindliche wirtschaftswissenschaftliche Standards und die ökonomische Notwendigkeit, trotz entsprechender Unsicherheiten risikobehaftete Entscheidungen zu treffen.

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Verhaltensvorgaben schafft die Unsicherheit, die einen eigenständigen Ermessensfreiraum bei unternehmerischen Entscheidungen erforderlich macht.154 Der Hauptanwendungsbereich dieses abstrakten Maßstabs liegt in der gesetzlich nicht konkret reglementierten Geschäftsführung des Geschäftsleiters, unter anderem als „eigentliche Geschäftsführungsaufgabe“,155 „Sorgfaltspflicht im engeren Sinne“156 oder „Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung im engeren Sinne“157 bezeichnet.158 Gleichzeitig sind neben der beschriebenen Generalklausel auch Sorgfaltspflichten derart normiert, dass eine Entscheidung in mindestens einer Dimension gesetzlich fest vorbestimmt ist. Solche zwingenden Verhaltensvorgaben werden unter dem Stichwort der Legalitätspflicht erfasst, welche schlicht gesetzeswidriges Verhalten als sorgfaltswidrig versteht.159 Diese Kategorie der Sorgfaltspflichten begrenzt den Anwendungsbereich der BJR vergleichbar mit den Treuepflichten. Eine Anwendung der BJR im Rahmen der Legalitätspflicht ist nicht möglich.160 Dies gilt auch dann, wenn neben der gesetzlichen Vorgabe noch ein eigenständiger Ermessensfreiraum verbleibt.161 Zur Einordnung der umfangreichen unterschiedlichen Pflichten der Geschäftsleiter lassen sich verschiedene Modelle entwerfen, insbesondere, um den Pflichtenkanon noch wesentlich feingliedriger zu kategorisieren. Aus dem Blickwinkel der BJR sollen die Sorgfaltspflichten jedoch nur danach untergliedert werden, ob eine unternehmerische Entscheidung im Rahmen der Pflichtenstellung möglich ist oder nicht. Letzterer Kategorie sind Entscheidungen zuzuordnen, die in mindestens einer Dimension für den Einzelfall konkretisierbar positiv vorbestimmt oder in ihrer konkreten Form verboten sind. Alle übrigen Sorgfaltspflichten, die dem Geschäftsleiter also den Ermessensfreiraum der BJR bei der Beurteilung pflichtgemäßen Verhaltens einräumen, sind ersterer Kategorie zuzuordnen. Die besagten Kategorien können begrifflich auch als gesetzlich konkretisierte Sorgfaltspflichten gegenüber gesetzlich nicht konkretisierten Sorgfaltspflichten festgehalten werden.

154 155 156 157 158

S. 7. 159

So auch Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 64; Schlimm, S. 106. So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 48 ff. So Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 43. Siehe zum Überblick Bosse/Kindl/Taube, Rechtsmanagement im Unternehmen, 5 – 20,

Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 21 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 6; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. 160 Siehe bereits oben: § 4 B. I. 2. a). 161 Siehe bereits oben: § 4 B. I. 2. c): In diesen Fällen kommt allenfalls ein unternehmerisches Ermessen eigener Art in Betracht.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

a) Gesetzlich nicht konkretisierte Sorgfaltspflichten Zunächst sollen die gesetzlich nicht konkretisierten Sorgfaltspflichten betrachtet werden. Diese etablieren abstrakt Maßstäbe zur Bewertung unternehmerischer Entscheidungen. Entsprechende Richtlinien zur Ermessensausübung bei unternehmerischen Entscheidungen lassen sich nur begrenzt in ein einheitliches Muster gießen, da die ordnungsgemäße Führung des Unternehmens und die Anforderungen, die dementsprechend an den Geschäftsleiter zu stellen sind, je nach Art, Größe und aktueller Situation des Unternehmens stark variieren können.162 Als gesellschaftsformübergreifende abstrakte Grundregel lässt sich festhalten, dass dem Geschäftsleiter die Verantwortung obliegt, das Unternehmen so zu organisieren und zu steuern, dass die bestmöglichen Ergebnisse erzielt werden können und erkennbare Risiken abgewendet werden.163 Doch auch diese Aussage ist noch äußerst vage. Der verbleibende ausfüllungsbedürftige Raum lässt viel Platz für eine Interpretation der Sorgfaltspflichten. Überließe man diese Beurteilung allein ex post den Gerichten, wären die Geschäftsleiter in der konkreten Entscheidungssituation mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert. Dem soll die BJR in möglichst klar umrissenem Rahmen abhelfen.164 aa) Soft Law und andere Einflüsse auf den Sorgfaltsmaßstab Einen Anhaltspunkt bei der Konkretisierung der Pflichten können zunächst die Versuche darstellen, einzelne Aspekte der Sorgfaltsanforderungen in Form von festen Maßstäben abzubilden. Die Entscheidungs- und Handlungssituationen von Geschäftsleitern sind jedoch derart unterschiedlich, dass eine effektive abstrakte Regelung nicht möglich ist. Entsprechende Regelungsversuche finden sich in freiwilligen Verhaltensregeln,165 Kodizes wie dem Deutsche Corporate Governance Codex (DCGK) oder in betriebswirtschaftlichen Regeln wie den Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung166 und anderen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsregeln.167 Diese Regelwerke sind jedoch nicht verbindlich und dürfen daher als sogenannte Soft Law nur in Grenzen zur Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs herangezogen werden.168 Einen besonderen Geltungsanspruch nimmt der 162

Siehe nur Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 48. Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 65a f. 164 Ausführlich bereits zu der mangelnden Konkretisierbarkeit der Geschäftsleiterpflichten bei unternehmerischen Entscheidungen oben: § 4 B. IV. 1. a) bb). 165 Zum Beispiel der „German Code of Corporate Governance“ des Berliner Initiativkreises, abgedruckt in AG 2001, 6 – 15. 166 Zu finden bei v. Werder, ZfbF Sonderheft 36/1996, 27 ff.; speziell gesellschaftsrechtlich sind zudem die zur „Corporate Governance“ entwickelten Grundsätze zu beachten, Ausführungen hierzu bei Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 22 Rn. 40. 167 Als weiteres Beispiel lassen sich die „Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensplanung“ nennen, Groß/Amen, WPg 2003, 1161, 1176 ff. 168 Siehe zum DCGK Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 80 f.; zur GmbH: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 77. 163

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DCGK für den Vorstand der börsennotierten AG gemäß § 161 AktG in Anspruch, wonach jährlich eine Entsprechenserklärung von diesem abzugeben ist.169 Neben diesen Ansätzen zur näheren Darstellung der Sorgfaltsanforderungen auf abstrakter Ebene kann weiterhin in beiden Gesellschaftsformen schon im Anstellungsvertrag die organschaftliche Pflichtenbindung konkretisiert werden,170 wobei insbesondere bei der Erleichterung der Pflichtenbindung in der GmbH ein wesentlich größerer Spielraum besteht als in der AG.171 Zudem wird in der AG der abstrakte Pflichtenmaßstab noch durch die Ausstrahlungswirkung des Aufsichtsrechts ergänzt.172 Auch hierin ist ein verschärfter Haftungsmaßstab gegenüber jenem der GmbH-Geschäftsführer zu sehen. bb) Die rechtspraktische Verwendung der Unternehmensformen Der wesentliche Unterschied zwischen AG und GmbH im Rahmen des abstrakten Sorgfaltsmaßstabs ergibt sich bei einer Betrachtung der rechtspraktischen Verwendung der Unternehmensformen. Der Erkenntnis folgend, dass bei steigender Unternehmensgröße die Sorgfaltspflichten entsprechend strenger zu bewerten sind, gewinnt die gesetzlich angestrebte und die rechtstatsächliche Verwendung der Unternehmensformen eine besondere Bedeutung.173 Nach der gesetzlichen Grundkonzeption sind Aktiengesellschaften auf das Versammeln großer Kapitalmengen ausgelegt und dementsprechend vorzugsweise für Großunternehmen geeignet. Demgegenüber ist die GmbH tendenziell für kleinere Gesellschafterkreise konzipiert, wenngleich die große Flexibilität bei der Ausgestaltung der Organisationsstruktur die GmbH auch für eine kapitalorientierte Auslegung öffnet.174 Diese gesetzlichen Grundtendenzen bewahrheiten sich auch in der Rechtswirklichkeit, wie eine Betrachtung der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen aus dem Jahr 2013 zeigt.175 Orientiert an den Jahresumsätzen lagen bei der GmbH im Jahr 2013 95,6 % der Unternehmen im Bereich zwischen 17.500 E und 10 Mio. E und damit im Bereich 169

Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 161 Rn. 3; zu den Rechtswirkungen bei Nichtbefolgung der Kodex-Empfehlungen: Ulmer, ZHR 2002, 150, 165 ff. 170 Siehe zur GmbH: Der Anstellungsvertrag kann die Pflichten „präzisieren und ergänzen“: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 50; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 11. 171 Siehe ausführlich im Vergleich unten: § 6 C. I. 1. und II. 1. 172 Insbesondere die Vorschriften des KWG, des VAG und des WpHG, siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 50a; Dreher, ZGR 2010, 496; Weber-Rey, ZGR 2010, 543. 173 Dies gilt neben der Relevanz für den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab beispielsweise auch für die Pflichtenlage bezüglich der Rechnungslegung gemäß §§ 264 ff. HGB und §§ 316 ff. HGB, siehe Langseder, in BeckHdB GmbH § 9 Rn. 63. 174 Siehe zur gesetzlichen Grundkonzeption der beiden Gesellschaftsformen schon oben: § 5 C. 175 Die folgenden aufgeführten Werte entstammen den Umsatzsteuerangaben aus dem Jahr 2013, dabei ist zu beachten, dass die Statistik nur Unternehmen mit einem Umsatz über 17.500,00 E erfasst, siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2015, S. 275; bereits zu einem sehr ähnlichen Ergebnis für das Jahr 2006 kommt Michalski, in: Michalski, GmbHG, Systematische Darstellung 1, Rn. 187 f.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

kleiner Unternehmen, insgesamt sogar 81,9 % unter 2 Mio. E und damit im Bereich von Kleinstunternehmen.176 Der Schwerpunkt der Verwendung der GmbH liegt somit beim Betrieb kleiner und Kleinst-Unternehmen. Allerdings lagen auch 5.188 GmbH bei einem Jahresumsatz von über 50 Mio. E und waren damit als große Unternehmen einzuordnen. Das waren einerseits 45,5 % aller Unternehmen gesellschaftsformübergreifend dieser Größenkategorie, womit die GmbH auch in diesen Größenordnungen eine wesentliche Rolle spielt. Andererseits repräsentierten diese 5.188 Unternehmen auch nur 1 % aller GmbH, womit ihre Bedeutung für die Rechtsform wiederum verschwindend gering ist. Demgegenüber waren einem Jahresumsatz über 50 Mio. E 880 AG zuzuordnen, die damit nur 7,7 % aller Unternehmen gesellschaftsformübergreifend dieser Größenkategorie ausmachten. Dies erklärt sich allerdings schon daraus, dass absolut wesentlich weniger AG (8.040) als GmbH (535.969) betrieben wurden. Innerhalb der Rechtsform der AG zeigt sich ein anderes Bild. 11 % aller AG lagen bei einem Jahresumsatz über 50 Mio. E und waren damit große Unternehmen. Diese 11 % erwirtschafteten 96,7 % des Jahresumsatzes aller AG und haben damit im Rahmen der Gesellschaftsform eine überragende Bedeutung. Beachtlich ist allerdings auch, dass 76,6 % aller AG weniger als 10 Mio. E Jahresumsatz erwirtschafteten und damit den kleinen Unternehmen zuzuordnen sind. Schon die 23,4 % der AG, die den mittleren und großen Unternehmen zuzuordnen waren, gegenüber den nur 4,4 % unter den GmbH, die dieser Größenordnung angehörten, rechtfertigen jedoch die Aussage, dass AG-Vorstände in der Praxis wesentlich häufiger ganz besonders qualifizierten Sorgfaltspflichten gegenüberstehen, als dies bei GmbH-Geschäftsführern der Fall ist. Zumal den 81,9 % der Kleinstunternehmen unter den GmbH nur 54,9 % an Kleinstunternehmen unter den AG gegenüberstanden und dementsprechend ein tendenziell niedriger anzusetzender Sorgfaltsmaßstab wesentlich häufiger in der GmbH einschlägig ist. Zudem werden Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 17.500,00 E von der Umsatzsteuerstatistik gar nicht erfasst,177 weshalb von einer tatsächlich noch höheren Zahl an Kleinstunternehmen-GmbH auszugehen ist. b) Gesetzlich konkretisierte Sorgfaltspflichten – insbesondere die Legalitätspflicht Die Einzelregelungen, welche den äußeren gesetzlichen Rahmen des Geschäftsleiterhandelns umschreiben, insbesondere die Legalitätspflicht, haben für die

176 Den Größenklassen der von der EU-Kommission angenommenen Empfehlung 2003/ 361/EG vom 06. 05. 2003, gültig seit dem 01. 01. 2005, folgend (Anhang, Titel I, Artikel 2): Kleinstunternehmen < 2 Mio. E Umsatz; kleine Unternehmen < 10 Mio. E Umsatz; mittlere Unternehmen < 50 Mio. E Umsatz; große Unternehmen > 50 Mio. E Umsatz. 177 Siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2015, S. 275.

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BJR besondere Relevanz, da sie, wie oben dargestellt,178 eine strikte Grenze ihres Anwendungsbereiches etablieren. Bei der Unterteilung der Pflichtenquellen kann im Rahmen der gesetzlich konkretisierten Pflichten zwischen der internen und der externen Pflichtenbindung unterschieden werden. Die maßgeblichen internen Pflichtenbindungen entspringen im Aktienrecht den Regelungen aus AktG, Satzung und Geschäftsordnung und im GmbH-Recht aus GmbHG, Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung. Die externen Pflichten finden ihren Ursprung in den verschiedenen Regelungen zur Pflichtenstellung der Gesellschaft und ihrer Organe außerhalb des Aktienrechts beziehungsweise GmbH-Rechts.179 Bei einer Gegenüberstellung der Einzelregelungen kommt man auf den ersten Blick zu einer vergleichbaren Pflichtenbindung in GmbH und AG. Allerdings führen die zahlreichen Einzelregelungen im AktG aufgrund der eingeschränkten Disponibilität der internen Pflichtenbindung zu einem sehr umfassenden und starren Pflichtenkatalog zulasten des Vorstandes.180 Diese Differenzen spielen insofern eine große Rolle für die BJR, als alle im Folgenden aufzuführenden Pflichten den Anwendungsbereich der BJR strikt begrenzen. aa) Interne Pflichtenquellen (1) Gesellschaftszweck, Unternehmensgegenstand und Kompetenzordnung AG-Vorstand und GmbH-Geschäftsführer sind zunächst gleichermaßen an den zwingend im Gesellschaftsvertrag festzulegenden Unternehmensgegenstand und den daraus hervorgehenden, übergeordneten Gesellschaftszweck gebunden.181 Weiterhin gilt für AG und GmbH gleichermaßen, dass die Geschäftsleiter an die innerhalb der Gesellschaft geltende Kompetenzordnung gebunden sind. Dies beinhaltet sowohl die Pflicht, übergeordnete Organe und Organe mit Mitentscheidungsrechten entsprechend in die Entscheidung einzubinden, als auch die Pflicht, die in der Geschäftsverteilung angeordnete Ressortaufteilung unter den Geschäftsleitern zu achten.182 Diese im Grundsatz vergleichbare Pflichtenbindung wirkt sich in AG und GmbH sehr unterschiedlich aus, da die zu wahrende Kompetenzordnung in der GmbH stark von jener in der AG abweicht.183 Der Vorstand leitet die AG gemäß § 76 I 178

Siehe oben § 4 B. I. 2. Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 14. 180 Siehe auch Michalski, in: Michalski, GmbHG, Systematische Darstellung 1, Rn. 95 f. 181 Siehe zur AG: BGH NJW 1993, 57, 63; BGH NJW 2013, 1958, 1960; OLG Köln, AG 2009, 416, 416; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 78; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 21; zur GmbH: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 62; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 83; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 28 f. 182 Siehe zur AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 20; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 73; für die GmbH: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 52 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. 183 Siehe zur Stellung von GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstand im Kompetenzgefüge der Gesellschaft schon ausführlich oben: § 5 A. 179

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

AktG in eigener Verantwortung und ist dementsprechend wenig von den Kompetenzen anderer Organe beeinflusst. Die Unternehmensleitung in der GmbH obliegt hingegen in letzter Instanz den GmbH-Gesellschaftern, wodurch sich der Pflichtenkatalog der Geschäftsführer um einen weiteren Aspekt erweitert: Die Berücksichtigung des Gesellschafterwillens, insbesondere in Form von besonderen Pflichtenkatalogen in Anstellungsvertrag, Geschäftsordnung und Satzung und durch konkrete Weisungen.184 (2) Organspezifische Einzelpflichten in AktG und GmbHG Zunächst obliegt sowohl Vorständen als auch Geschäftsführern die Pflicht, die Gesellschafterversammlung beziehungsweise Hauptversammlung einzuberufen, soweit deren Entscheidung erforderlich ist, § 121 AktG, § 49 GmbHG. Da die Gesellschafterversammlung in der GmbH dem Geschäftsleiter übergeordnet ist und dieser deren Willen zu berücksichtigen hat, entfaltet die Einberufungspflicht in der GmbH allerdings eine ungleich größere Relevanz als in der AG. Weiterhin treffen die Geschäftsleiter umfangreiche Berichts-, Informations- und Rechenschaftspflichten. Diese bestehen in der GmbH in erster Linie gegenüber den Gesellschaftern,185 in der AG hingegen vorrangig gegenüber dem Aufsichtsrat.186 Eine besondere Brisanz können in der AG zudem die Publizitätspflichten aus §§ 15 und 37w WpHG entfalten. In der AG und der GmbH besteht für die Geschäftsleiter gleichermaßen die Pflicht zur Buchführung nach § 41 GmbHG beziehungsweise § 91 I AktG, die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 15a I InsO sowie die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses nach § 325 HGB. Vergleichbar sind weiterhin die Pflichten zu Angaben auf Geschäftsbriefen sowie zur Vornahme von Handelsregistereintragungen.187 Eine strengere Beschränkung besteht in der AG für die Kreditvergabe an Geschäftsleiter gemäß § 89 AktG, doch auch in der GmbH unterbindet § 43a GmbHG eine solche Kreditvergabe zulasten der Gläubiger.188

184 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 73; Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 43 Rn. 62. 185 Vgl. das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter aus § 51a GmbHG sowie die Pflicht zur Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts aus § 42a GmbHG. Streitig ist, ob darüber hinaus eine ständige Berichtspflicht gegenüber der Gesellschafterversammlung besteht, dafür: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 53a; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 143; für eine Berichtspflicht nur in Ausnahmefällen, insbesondere der Unternehmenskrise: Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 51a Rn. 10; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 59. 186 Vgl. die ständige Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat gemäß § 90 AktG, demgegenüber das auf die Hauptversammlung beschränkte Auskunftsrecht der Aktionäre aus § 131 AktG. 187 Siehe nur §§ 80, 81 AktG, §§ 39, 40 GmbHG. 188 Siehe bereits oben § 6 A. III. 1. a) dd).

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Schließlich existieren sowohl im GmbH-Recht als auch im Aktienrecht umfangreiche Vorschriften zur Kapitalerhaltung. Als Spezialtatbestand gegenüber § 43 II GmbHG normiert der § 43 III GmbHG die Haftung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft im Falle eines Verstoßes gegen § 30 oder § 33 GmbHG.189 Auf diese Ansprüche, die dem Schutz des Bestands des Stammkapitals dienen, kann die Gesellschaft nicht verzichten, soweit sie zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sind, § 43 III 2, 3 GmbHG. Als weitere Innenhaftungsgrundlage zum Zwecke der Kapitalerhaltung ist für die GmbH der § 64 GmbHG zu nennen. Dieser unterteilt sich in zwei Tatbestände, die Masseerhaltungshaftung im Falle der Insolvenzreife in § 64 S. 1 GmbHG und das Verbot von insolvenzverursachenden Zahlungen an die Gesellschafter unter der Umgehung der Vorrangstellung der Gläubiger in § 64 S. 3 GmbHG. Im AktG findet sich eine vergleichbare Regelung in § 93 III AktG. Dieser normiert als selbständiger Spezialtatbestand zu § 93 I 1 AktG eine Reihe von Sondertatbeständen, welche den Regelungsgehalt von § 43 III und § 64 GmbHG umfassen,190 allerdings auch darüber hinausgehen.191 So hat der Vorstand eine Vielzahl weiterer spezifisch aktienrechtlicher Vorschriften zu beachten, welche mit den § 93 III Nr. 1, 2, 4, 7 – 9 AktG in Verbindung stehen. Diese Vorschriften haben zwar teilweise ihre Pendants im GmbH-Recht oder werden dort entsprechend angewendet,192 jedoch folgt aus dem starren, umfangreichen Regelungssystem im Aktienrecht ein wesentlich anspruchsvollerer Pflichtenkatalog als im GmbH-Recht. Im Rahmen der Vorschriften zur Kapitalerhaltung können für den GmbH-Geschäftsführer schließlich im Falle falscher Angaben Ansprüche aus Gründerhaftung, § 9a I GmbHG, relevant werden. Hinzu kommt eine entsprechende Haftung bei der Erhöhung des Stammkapitals, § 57 IV GmbHG. Auf beide Ansprüche kann die Gesellschaft gemäß § 9b GmbHG nicht verzichten, soweit sie zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sind. Eine vergleichbare Regelung zur Gründerhaftung findet sich für den Vorstand der AG in § 48 AktG. Auch im AktG sind die Vorschriften zur 189 Zur Einordnung des § 43 III GmbHG nach der h.M. als Sonderfall des § 43 II GmbHG: BGH NJW 2009, 68, 70; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 216; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 285; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 255. 190 § 43 III GmbHG wird insbesondere als Parallelvorschrift zu § 93 III AktG eingeordnet, siehe Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 273; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 39; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 68; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 5, 284; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 216a. 191 Ein mit § 43 III 1 i.V.m. § 33 GmbHG vergleichbares Verbot des Erwerbs eigener Gesellschaftsanteile findet sich in § 93 III Nr. 3, wobei dieser noch engere Voraussetzungen etabliert. Aus § 43 III 1 i.V.m. § 30 GmbHG folgt das Verbot von stammkapitalbeeinträchtigenden Zahlungen an Gesellschafter. Im Aktienrecht sind Zahlungen an Aktionäre ohnehin nur unter äußerst strengen Voraussetzungen möglich, ein entsprechend weitreichendes Verbot findet sich in § 93 III Nr. 5. Schließlich stimmt § 93 III Nr. 6 AktG mit § 64 GmbHG überein, siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 92 Rn. 1 (§ 92 II AktG als Parallelvorschrift zu § 64 GmbHG); Drukarczyk, ZGR 1979, 553, 553 f. 192 So verstößt auch ein GmbH-Geschäftsführer gegen seine Sorgfaltspflicht aus § 43 I GmbHG, soweit er einem Aufsichtsratsmitglied eine unangemessene Vergütung entgegen § 52 I GmbHG i.V.m. §§ 113, 114 AktG zahlt.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

Gründungshaftung bei Kapitalerhöhungen entsprechend anwendbar, § 183 ff. AktG. Ein Verzicht auf Ansprüche ist in der AG ohnehin nur eingeschränkt möglich, hierbei gilt es insbesondere § 93 VI und V AktG zu beachten. Im Rahmen der aufgeführten internen Pflichtenbindung ist die Legalitätspflicht stets vorrangig zu beachten. Dementsprechend verbleibt kein Raum für das weite unternehmerische Ermessen der BJR zugunsten der Geschäftsleiter. Das gilt auch, wenn im Rahmen einer von gebundenen Entscheidungen Beurteilungsspielräume verbleiben. So beispielsweise bei § 90 AktG bezüglich des Umfangs der Berichterstattung sowie bei § 131 III Nr. 1 AktG bei der Auskunftsverweigerung,193 bei der Errichtung eines Überwachungssystems gemäß § 91 II AktG bezüglich dessen konkreter Ausgestaltung194 und auch bezüglich der Vornahme von Sanierungsmaßnahmen innerhalb der von § 15a InsO vorgegebenen Drei-Wochen-Frist.195 In all diesen Fällen von gebundenen Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum findet die BJR keine Anwendung, es verbleibt jedoch ein unternehmerisches Ermessen eigener Art.196 bb) Externe Pflichtenquellen Zu dem Pflichtenkatalog des Geschäftsleiters im Innenverhältnis gehören gesellschaftsformübergreifend nach anerkannter Ansicht auch jene gesetzlichen Pflichten, die das Unternehmen als solches im Außenverhältnis treffen.197 Hierzu zählen beispielsweise das Bilanz-, Kartell- und Wettbewerbsrecht, das Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht, ebenso wie verwaltungsrechtliche Regelungen und das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.198 Ebenfalls in den Kreis pflichtwidriger Handlungen sind Verstöße gegen ausländisches Recht einzuordnen, wobei hier insbesondere Schmiergeldzahlungen im Ausland von großer praktischer Relevanz

193 Demgegenüber hier kein eigenes Ermessen des Geschäftsleiters der GmbH, vielmehr kann die Auskunft nur auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses verweigert werden, § 51a II 2 GmbHG. 194 Zum Ermessen bezüglich der Eignung der gewählten Maßnahmen: Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 7; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 28. 195 Siehe BGH NJW 1994, 2220, 2224 („gewisser Beurteilungsspielraum“); BGH NJW 1979, 1823, 1827; Klöhn, in: MüKo InsO, § 15a Rn. 117. 196 Siehe bereits ausführlich oben: § 4 B. I. 2. c); siehe auch Wiedemann, ZGR 2011, 183, 198, der bei Unternehmensleitungsangelegenheiten ein breites unternehmerisches Handlungsermessen und bei innerverbandlichen Angelegenheiten „nur einen Beurteilungsspielraum“ sieht. 197 Siehe BGH NJW 2012, 3439, 3441; BGH NZG, 2010, 2010. 1190, 1192; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 199; für die AG: BGH NJW 2011, 88, 92; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 23 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 6; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 74; Zimmermann, WM 2008, 433, 435; für die GmbH: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 30 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 46. 198 Die Aufzählung findet sich bei Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 30.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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sind.199 Sowohl für den GmbH-Geschäftsführer als auch für den AG-Vorstand gilt hier, dass ein Verstoß gegen entsprechende Vorschriften nicht von der BJR gedeckt ist, dass die BJR aber für Entscheidungen zwischen mehreren rechtmäßigen Handlungsalternativen stets Anwendung findet.200 Weniger einheitlich wird die Verbindlichkeit von anerkannten Grundsätzen der Geschäftsmoral behandelt.201 Richtigerweise ist der allgemeinen Geschäftsmoral mangels hinreichend konkreter Bestimmbarkeit jedoch weder eine strikte Pflichtenbindung noch eine Beschränkung des unternehmerischen Ermessens zu entnehmen. Entsprechende Grenzen können sich lediglich aus §§ 138, 242 BGB und aus der Bindung an das Unternehmensinteresse ergeben.202 Insoweit können sich für den AGVorstand besondere Bindungen ergeben, soweit die interessenpluralistischen Auslegung des Unternehmensinteresses ergibt, dass Belange der Allgemeinheit oder der Arbeitnehmer durch die Grundsätze der Geschäftsmoral geschützt werden müssen. Demgegenüber können solche Erwägungen nur in besonders gravierenden Fällen eine Vorlagepflicht der GmbH-Geschäftsführer bei der Gesellschafterversammlung begründen.203 Schließlich wird im Rahmen der Legalitätspflicht teilweise eine Bindung der Geschäftsleiter an vertragliche Pflichten befürwortet.204 Dem ist jedoch mit der vorherrschenden Meinung entgegenzutreten.205 Aus dem Blickwinkel der BJR setzt 199

Insoweit besteht seit der Einführung von § 334 StGB i.V.m. Art. 2 § 1 IntBesG und § 299 III StGB, die auch im Ausland begangene Bestechungen unter Strafe stellen, weitestgehend Einigkeit, siehe zur GmbH: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 34; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 23; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 48 f.; zur AG: LG München I, NZG 2014, 345, 346; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 27; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 74. 200 So auch Winnen, S. 149; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256. 201 Für eine pflichtbegründende Wirkung zulasten des Geschäftsleiters: Zur AG: Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 141; zur GmbH: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 46; Mertens, in: Hachenburg GmbHG, § 43 Rn. 20; demgegenüber für eine eigenständige Abwägung bezüglich der Befolgung solcher Grundsätze durch den Geschäftsleiter: Zur AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 25; Thole, ZHR 2009, 504, 520; Winnen, S. 149; zur GmbH: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 32; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 77; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 21; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 51. 202 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 32; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 77; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 21; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 51; Winnen, S. 149. 203 Siehe zum Unternehmensinteresse in der GmbH, dem Vorrang der Gesellschafterinteressen und der nur mittelbaren Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern und der Allgemeinheit noch unten: § 7 B. V. und § 7 C. 204 So für die AG: Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 17; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 199; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104 f.; Winnen, S. 153 f.; für die GmbH: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 23a. 205 Ebenso gegen eine im Innenverhältnis bindende Wirkung für die AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 33; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 148; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 88; Bicker, AG 2014, 8, 9 f.; Thole, ZHR 2009, 504, 518 f.; Lutter, ZIP

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

das Verhalten in vertraglichen Beziehungen stets Entscheidungen mit unternehmerischem Charakter voraus. Die unmittelbaren Konsequenzen einer Vertragsverletzung sind zwar absehbar,206 die langfristigen Konsequenzen sind jedoch unsicher und müssen zudem auf Vereinbarkeit mit dem Unternehmensinteresse hin abgewogen werden. Als Entscheidung unter Unsicherheit im unternehmerischen Kompetenzbereich des Geschäftsleiters sind Vertragsverletzungen daher grundsätzlich der BJR zuzuordnen. Dem steht auch nicht das Legalitätsprinzip entgegen, da Verträge keine Rechtsquellen im technischen Sinne darstellen.207 Häufig wird das bewusste Verletzen von Vertragspflichten jedoch den unternehmerischen Ermessensspielraum überschreiten, da das Risiko eines Schadenseintritts auch bei langfristiger Bewertung regelmäßig unverhältnismäßig hoch sein wird.208 Dementsprechend ergibt sich in der GmbH in diesen Fällen grundsätzlich die Pflicht zur Vorlage bei der Gesellschafterversammlung, soweit ein nicht unwesentlicher Betrag in Frage steht oder wenn wichtige Geschäftspartner betroffen sind. c) Überwachungspflicht und Compliance Die Geschäftsleiter sind grundsätzlich nur im Rahmen eigener pflichtwidriger Handlungen der Gesellschaft gegenüber verantwortlich, eine Zurechnung von Pflichtverletzungen oder des Verschuldens anderer Geschäftsleiter oder untergeordneter Mitarbeiter gemäß § 278 BGB kommt insofern nicht in Betracht, ebenso wenig wie eine Verantwortlichkeit nach § 831 I BGB.209 Eine Haftung der Geschäftsleiter kann jedoch aus nicht pflichtgemäßer vertikaler oder horizontaler Überwachung oder der fehlenden Einrichtung eines angemessenen Compliance Systems erwachsen. Das Verhältnis von Überwachungspflichten und BJR ist nicht so eindeutig abgrenzbar wie in den beiden zuvor behandelten Kategorien der Sorgfaltspflichten. Vielmehr ist bezüglich der gesetzlichen Konkretisierung der Überwachungspflichten eine differenzierte Betrachtung erforderlich. aa) Horizontale Überwachungspflichten Zur effektiven Gestaltung der Geschäftsleitung ist die qualifizierte Aufteilung der Zuständigkeitsbereiche bei mehrgliedriger Geschäftsleitung möglich. Eine solche Geschäftsverteilung kann insbesondere durch Gesellschaftsvertrag beziehungsweise 2007, 841, 843; für die GmbH: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 51a; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 79a; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 67. 206 So das Argument gegen eine Anwendung der BJR bei Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256. 207 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 33; Bicker, AG 2014, 8, 9; Thole, ZHR 2009, 504, 518. 208 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 40; Bicker, AG 2014, 8, 10. 209 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 98, mit dem Hinweis, dass die anderen Geschäftsleiter und untergeordneten Mitarbeiter ausschließlich im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig werden und auch nur die Gesellschaft als Geschäftsherr einzuordnen ist; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 28.

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Satzung oder durch einstimmigen Beschluss aller Geschäftsleiter wirksam festgelegt werden,210 soweit sie nicht gegen zwingende Zuständigkeitsvorschriften verstößt.211 Die Rechtsfolge ist jedoch keine vollständige Enthaftung eines Geschäftsleiters für Handlungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs. Vielmehr verbleibt nach dem sowohl für die AG als auch für die GmbH geltenden Grundsatz der Gesamtverantwortung eine horizontale Überwachungspflicht für die übrigen Geschäftsbereiche bestehen.212 Der Umfang der Überwachungspflicht kann nach Art und wirtschaftlicher Situation des Unternehmens variieren und ist insbesondere in der Krise sehr weit zu fassen.213 Die Überwachung der übrigen Geschäftsleiter stellt eine Pflichtaufgabe dar, in deren Rahmen die Gesamtverantwortung keinen Raum für Ermessensentscheidungen lässt.214 Bezüglich einer unzureichenden horizontalen Überwachung kann sich der Geschäftsleiter daher nicht auf ein unternehmerisches Ermessen berufen. bb) Vertikale Überwachungspflichten Sowohl in der GmbH als auch in der AG können die Geschäftsleiter Leitungsaufgaben, die nicht zwingend der Gesamtzuständigkeit des Geschäftsführergremiums zugeordnet sind, an untergeordnete Mitarbeiter übertragen.215 Soweit sie dies tun, verbleibt jedoch nach anerkannter Ansicht eine vertikale Überwachungspflicht bei den Geschäftsleitern.216 Diese verlangt insbesondere die sorgfältige Auswahl, Einweisung und Überwachung der mit der Aufgabe betrauten Personen.217 Inwieweit die Geschäftsleiter Aufgaben delegieren, liegt in ihrem unternehmerischen Ermessen, die sorgfaltsgerechte Auswahl und Einweisung unterliegen hingegen der vollen

210 Von der überwiegenden Meinung wird zumindest eine rein faktische, formlose Geschäftsverteilung nicht für ausreichend erachtet, siehe BFH GmbHR 1985, 30, 31; OLG Koblenz NZG 1998, 953, 954; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 159; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 44; Fleischer, NZG 2003, 449, 451; Dreher, ZGR 1992, 22, 59. 211 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 154a; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 90; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 148; Müller, in: BeckHdB AG, § 1 Rn. 138. 212 BGH NJW 1997, 130, 132; Bunnemann, in: Bunnemann/Zirngibl, § 3 Rn. 60; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 149. 213 Siehe BGH WM 2008, 1403, 1404. 214 Die Gesamtverantwortung entspringt der Allzuständigkeit im Rahmen der Geschäftsleitung, welche nicht im Ermessen der Geschäftsleiter steht: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 44; ders., in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 112. 215 Siehe zu den nicht delegierbaren Geschäftsleiteraufgaben in der GmbH: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 116; und in der AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 20. 216 Siehe für die AG: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 162; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 84; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 179; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 80; für die GmbH: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 170 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 41; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 30. 217 Siehe BGH NJW 1995, 326, 329; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 116.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

gerichtlichen Kontrolle.218 Für die sorgfaltsgerechte Überwachung auch der untergeordneten Mitarbeiter auf rechtskonformes Verhalten hin, hat sich der Begriff Compliance etabliert.219 Unter diesem Stichwort hat sich, wie im Folgenden darzustellen sein wird, noch keine klare Meinung bezüglich der Anwendbarkeit der BJR herausgebildet. cc) Einrichtung eines Compliance Management Systems Die Einordnung der Pflichtenstellung bezüglich der Einrichtung eines speziellen Management-Systems zur Gewährleistung des rechtmäßigen Verhaltens des Unternehmens, der Organe und der Mitarbeiter, eines sogenannten Compliance Management Systems, ist nicht unproblematisch.220 Einerseits soll ein solches System die Einhaltung der Legalitätspflicht gewährleisten und steht dieser als Legalitätsdurchsetzungs-221 oder auch Legalitätskontrollpflicht222 sehr nahe.223 Andererseits obliegt dem Geschäftsleiter auch aufgrund seiner Leitungsverantwortung die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation, welche der allgemeinen Sorgfaltspflicht zuzuordnen ist.224 Insofern müssen die Compliance-Pflichten nicht unbedingt der Legalitätspflicht untergeordnet werden.225 Entscheidend für diese keinesfalls rein begriffliche Einordnung ist, ob für die Geschäftsleiter eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems besteht oder ob diese Entscheidung in ihrem Ermessen steht. Soweit die Entscheidung in mindestens einer Dimension positiv verbindlich vorbestimmt ist, also insbesondere soweit das „ob“ der Entscheidung eine von der Legalitätspflicht geprägte Pflichtentscheidung darstellt, scheidet eine Anwendung der BJR aus. Entscheidend ist also, ob bezüglich einer konkreten Compliance-Maßnahme eine konkrete oder abstrakte Pflicht zur Einrichtung eines speziellen Überwachungssystems besteht. Entsprechende konkrete Verpflichtungen können sich aus bran218 Siehe zum unternehmerischen Ermessen bezüglich der Entscheidung zur Delegation Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 41; siehe zur vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der sorgfaltsgerechten Delegation als solche: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 163, mit dem richtigen Hinweis, dass die Kontrolle rechtmäßiger Aufgabendelegation dem Zivilrichter aus verschiedenen Zusammenhängen bekannt ist. 219 Siehe zum Ursprung in der angelsächsischen Rechtsterminologie Hauschka/Moosmayer/Lösler, Hdb. Compliance, § 1 Rn. 2. 220 Siehe auch Harbarth, ZHR 2015, 136, 138; zum Begriff siehe Hauschka/Moosmayer/ Lösler, Hdb. Compliance, Anhang, Ziff. 2.1. 221 Siehe Harbarth, ZHR 2015, 136, 138. 222 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; M. Arnold, ZGR 2014, 76, 79; Verse, ZHR 2011, 401, 404. 223 Eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems aus der Legalitätspflicht ableitend: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 75d. 224 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 59; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. 225 So auch Hüffer, FS Roth, S. 299, 302; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 17; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707; Verse, ZHR 2011, 401, 404.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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chenspezifischen Organisationspflichten ergeben, wie sie beispielsweise für Kreditinstitute226 oder Versicherungsunternehmen227 bestehen.228 Im Anwendungsbereich dieser Pflichten können sich die Geschäftsleiter jedenfalls nicht auf die BJR berufen, sondern allenfalls auf ein unternehmerisches Ermessen eigener Art.229 Eine abstrakte, also nicht an eine konkrete Branchenzugehörigkeit anknüpfende Verpflichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems lässt sich zunächst mittelbar aus § 130 OWiG herleiten. § 130 OWiG ist zwingend zu beachten und stellt das Unterlassen von erforderlichen und zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von betriebs- und unternehmensbezogenen Pflichtverstößen unter Strafe.230 Ein Verstoß gegen § 130 OWiG knüpft zwar gemäß § 9 I Nr. 1 OWiG unmittelbar an das vertretungsberechtigte Organ an, kann jedoch gemäß § 30 I Nr. 1 OWiG auch eine Haftung des Unternehmens nach sich ziehen, womit auch eine Ersatzpflicht des Geschäftsleiters im Innenverhältnis begründet wird.231 Insoweit besteht in GmbH und AG gleichermaßen eine der Legalitätspflicht zuzuordnende Überwachungspflicht, die jedoch aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs des § 130 OWiG auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nur sehr punktuell wirkt und eine allgemeine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems nicht zu begründen vermag.232 Als weiterer normativer Anknüpfungspunkt auf abstrakter Ebene ist an § 91 II AktG zu denken. Inwieweit § 91 II AktG die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems etabliert, ist schon für die AG umstritten.233 Insofern soll zunächst auf die aktienrechtliche Regelungslage eingegangen werden. Dem Wortlaut des § 91 II AktG nach ist lediglich existenzbedrohenden Risiken vorzubeugen und die Vorschrift damit primär dem Risikomanagement zuzuordnen.234 Dies 226 Beispielsweise die Pflicht zur Einrichtung einer „ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation“ zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen aus § 25a I KWG sowie die ausdifferenzierten Pflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus § 33 WpHG. 227 Beispielsweise die Pflicht zur Einrichtung einer „ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation“ zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen aus § 64a VAG. 228 Siehe ausführlich mit weiteren Beispielen Cordes, S. 76. 229 Im Rahmen der Compliance-Regelungen zeigt sich besonders deutlich, dass eine in einer Dimension vorbestimmte Entscheidung nicht der BJR zuzuordnen ist, da gerade hier die Grenzen zwischen den Entscheidungsdimensionen „ob“ und „wie“ fließend sind, siehe auch Balke, in: MHdB GesR VII, § 112 Rn. 3. 230 Siehe Rogall, in: KK OWiG, § 130, Rn. 37 ff. 231 Siehe Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 28 Rn. 17. 232 Siehe Harbarth, ZHR 2015, 136, 142. 233 Für eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems aus § 91 II AktG: Dreher, FS Hüffer, S. 161, 168 ff.; in diese Richtung auch noch Fleischer, Vorstandsrecht, § 8 Rn. 43; dagegen: Balke, in: MHdB GesRVII, § 112 Rn. 3; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, AktG § 91 Rn. 9; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 52, siehe zum Streitstand ausführlich Cordes, S. 81 ff. 234 Siehe zu den unterschiedlichen Schutzrichtungen von Risikomanagement und Compliance auch Kort, GmbHR 2013, 566, 570.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

umfasst zwar mittelbar auch die Überwachung rechtlicher Risiken, welche stets auch wirtschaftliche Risiken bergen können, doch sind die Bereiche Risikomanagement und Compliance insgesamt getrennt voneinander zu behandeln.235 Gegen die Herleitung eines allgemeinen Vorbeugesystems gegen rechtliche Risiken aus § 91 II AktG spricht zudem der Wille des Gesetzgebers. Die Regelung ist bewusst auf bestandsgefährdende Risiken beschränkt und die Überwachung von Rechtsverstößen wurde nur als ein Teilaspekt dieser ohnehin grobmaschigen Risikoüberwachung eingestuft.236 Insbesondere soll jedoch sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Einrichtung eines entsprechenden Systems im Ermessen des Vorstands stehen.237 Insgesamt ist daher eine allgemeine Pflicht zur Errichtung eines Compliance Management Systems aus § 91 II AktG schon für die AG abzulehnen.238 Soweit dementgegen erwogen wird, aus § 91 II AktG eine allgemeine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance Organisation abzuleiten, ist dies jedenfalls nicht auf die GmbH übertragbar. Einer analogen Anwendung des § 91 II AktG steht schon entgegen, dass der Gesetzgeber die Problematik auch in der GmbH erkannt hat und es damit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.239 Weiterhin haben die Gesellschafter als Herren des Unternehmens es selbst in der Hand, über die Organisationspflicht des Geschäftsführers hinausgehende Systeme einzurichten. Insgesamt ist eine Übertragung des § 91 II AktG auf die GmbH, ob im Wege einer Analogie240 oder im Wege einer „Ausstrahlungswirkung“,241 weder methodisch noch sachlich zu begründen und folglich abzulehnen.242 Vielmehr ist die allgemeine Pflicht, Compliance-Maßnahmen zu ergreifen, sowohl für die AG als auch für die GmbH mit der überwiegenden Meinung als eigenständige Kategorie abseits der Legalitätspflicht der allgemeinen Sorgfaltspflicht zuzuordnen und damit keinem konkreten gesetzlichen Gebots- oder Verbotstatbestand unterzuordnen.243 Diese Auffassung ist aus Sicht der BJR insbesondere deshalb 235

Siehe Dreher, FS Hüffer, S. 161, 172 f. Siehe die Begr. RegE KonTraG vom 28. 01. 1998, BT-Dr 13/9712, S. 15; so auch Cordes, S. 87 f.; Kort, GmbHR 2013, 566, 570. 237 Siehe die Begr. RegE BilMoG vom 30. 07. 2008, BT-Dr 16/10067, S. 102. 238 So auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 91 Rn. 19 f.; Balke, in: MHdB GesR VII, § 112 Rn. 3; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 91 Rn. 9; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 52. 239 Siehe Bork, ZIP 2011, 101, 105; Haese, S. 234 f., mit dem zutreffenden Hinweis, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Regelung im GmbHG verzichtet hat, vgl. die Begr. RegE KonTraG vom 28. 01. 1998, BT-Dr 13/9712, S. 15. 240 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 33; Altmeppen, ZGR 1999, 291, 301. 241 So die Formulierung in der Begr. RegE KonTraG vom 28. 01. 1998, BT-Dr 13/9712, S. 15; daran anknüpfend Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300 ff.; Lutter, ZIP 2000, 301, 305. 242 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 61; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 40; Bork, ZIP 2011, 101, 105; Haese, S. 240. 243 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47 („die Legalitätskontrolle trifft sich mit der Überwachungsverantwortung“); Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 75d 236

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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zutreffend, da sich die Notwendigkeit zur Einrichtung eines Compliance Management Systems maßgeblich nach wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmt und diese dem unternehmerischen Ermessen des Geschäftsleiters unterstehen sollten.244 Insgesamt ist daher mit der herrschenden Meinung keine starre Pflicht zur Einrichtung eines speziellen Überwachungssystems anzunehmen.245 Vielmehr bestimmt sich nach dem flexiblen Maßstab der allgemeinen Sorgfaltspflicht für das konkrete Unternehmen, inwieweit die Einrichtung einer gesonderten Organisationseinheit notwendig ist, da nur so auch den Organisationsbedürfnissen kleiner Unternehmen Rechnung getragen werden kann. Andererseits können Risikoexposition, Größe und Komplexität des Unternehmens dazu führen, dass sich das grundsätzlich bestehende Entschließungsermessen zu einer Pflicht verdichtet.246 Dies steht jedoch einem fortbestehenden Ermessen bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Überwachungssystems nicht entgegen.247 Insgesamt ist die BJR somit auf die Entscheidung über die Einrichtung einer speziellen Compliance Management Organisation sowohl in Form eines Entschließungsermessens als auch im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmen anwendbar. 248 Dies gilt in besonderem Maße für die GmbH, die die bevorzugte Organisationsform für kleine Unternehmen darstellt, in (Pflicht „folgt aus der Legalitätspflicht“, wird aber Unternehmensleitung im engeren Sinne zugeordnet); Goette, ZHR 2011, 388, 392 („Durchsetzung des Legalitätsprinzips […] als originäre Leitungs- bzw. Überwachungsaufgabe“); Verse, ZHR 2011, 401, 404 („Verlängerung der Legalitätspflicht“ kombiniert mit dem „Grundgedankten der Delegation“); schon Altmeppen, ZGR 1999, 291, 305 (allgemeine Pflicht zur Unternehmensplanung aus § 43 GmbHG). 244 Siehe Balke, in: MHdB GesR VII, § 112 Rn. 3, mit Hinweis darauf, dass sich ein konkreter Zeitpunkt, zu dem ein Compliance Management System einzurichten wäre, nicht punktgenau bestimmen lässt; Bork, ZIP 2011, 101, 105, mit Hinweis darauf, dass die Ausgestaltung eines umfassenden Risikomanagementsystems auch in der Betriebswirtschaftslehre umstritten ist; so auch Kort, NZG 2008, 81, 82. 245 Gegen eine allgemeine Rechtspflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems: Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 29; Hauschka/Klindt, NJW 2007, 2726, 2728; gegen eine institutionalisierte Compliance Organisation in kleinen, überschaubaren Unternehmen die h.L.: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 48; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 91 Rn. 36 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 66; Bicker, AG 2012, 542, 544; für die GmbH: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 56; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 145; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17; dagegen stets eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems auch für die GmbH bejahend: Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 22 Rn. 27. 246 So auch Bork, ZIP 2011, 101, 105; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. 247 So die h.L., siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 91 Rn. 180 f.; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 91 Rn. 48; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 91 Rn. 36 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 17. 248 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 17; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 56; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17 („unternehmerisches Ermessen“); Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 59 („Organisationsermessen“); Lücke/ Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 43 Rn. 28; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 91 Rn. 37; Hüffer, FS Roth, S. 299, 305; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711; Bicker, AG 2012, 542, 545; Goette, ZHR 2011, 388, 393; Verse, ZHR 2011, 401, 415.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

welchen häufig eine gesonderte Compliance Organisationseinheit nicht nötig sein wird.249 Die Einrichtung einer gesonderten Compliance Management Organisation ist allerdings von der allgemeinen Unternehmensorganisationspflicht, die den Übergeordneten Rahmen der Compliance Pflichten darstellt, zu unterscheiden.250 Die Unternehmensorganisationspflicht folgt aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht und begründet eine allgemeine Pflicht, das rechtskonforme Verhalten der Mitarbeiter sicherzustellen. Als Bestandteil dieser Pflicht steht die Entscheidung, ob überhaupt Compliance Maßnahmen getroffen werden, nicht in dem Ermessen der Geschäftsleiter.251 Das oben dargestellte Ermessen bezieht sich lediglich darauf, ob zur Erfüllung der Unternehmensorganisationspflicht eine gesonderte Organisationseinheit geschaffen werden muss. d) Zwischenergebnis Bei einer Gegenüberstellung der Sorgfaltspflichtenbindung von Vorstand und Aufsichtsrat zeigt sich schon im Bereich der nicht gesetzlich konkretisierten Verhaltensanforderungen, dass in der AG eine enge, wenn auch nicht verpflichtende Bindung an den DCGK durch § 161 AktG besteht und sich insofern eine gesteigerte Bindung an im Bereich der Soft Law anzusiedelnde Verhaltensvorgaben abzeichnet. Weiterhin ist bei der abstrakten Beurteilung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs zu berücksichtigen, dass, relativ gesehen, die AG wesentlich häufiger als Unternehmensform zum Betrieb von Großunternehmen eingesetzt wird und sich schon aus Art, Größe und aktueller Situation des Unternehmens eine gesteigerte Sorgfaltspflicht ergibt. Demgegenüber ist die Einbindung in konkrete gesetzliche Vorgaben in AG und GmbH im Ausgangspunkt vergleichbar. Die Einschränkung der BJR durch konkrete gesetzliche Verpflichtungen nimmt in beiden Gesellschaftsformen einen bedeutenden Umfang ein. Allerdings eröffnet das GmbHG den Gesellschaftern weitgehende Möglichkeiten, die Pflichten ihrer Geschäftsführer nach ihren Wünschen mehr oder

249 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 48; siehe zu der vorwiegenden Verwendung der GmbH für kleine und Kleinstunternehmen oben: § 6 A. III. 2. a) bb). 250 Mit einer entsprechenden Unterscheidung auch Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 65 f.; Goette, ZHR 2011, 388, 390 f.; ausführlich Cordes, S. 108 f.; siehe zu den Unternehmensorganisationspflichten Kort, FS Hopt, S. 983, 996. 251 Soweit besteht im Wesentlichen Einigkeit, siehe LG München I, NZG 2014, 345, 345 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 16; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 48; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 91 Rn. 36 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 91 Rn. 66; Bicker, AG 2012, 542, 544; Goette, ZHR 2011, 388, 390 f.; für die GmbH: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 56; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 145; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17.

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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weniger präzise und umfassend festzulegen.252 Demgegenüber bewegt sich der Vorstand von vornherein in einem eng gestrickten System gesellschaftsinterner Anforderungen. Diverse Einzelregelungen aus dem AktG und anderen Gesetzen muss der Vorstand nicht nur selbst befolgen, sondern auch für deren Einhaltung durch die Angestellten des Unternehmens Sorge tragen.253 Wenngleich auch den GmbHGeschäftsführer eine Pflicht zur Unternehmensorganisation und -überwachung trifft, ist dessen Pflichtenstellung in der Ausgangslage als milder einzustufen. Die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems wird dem Vorstand schon aufgrund der für die AG regelmäßig bestehenden Unternehmensgröße und -komplexität häufiger obliegen. Zudem hat der mittelbare und unmittelbare Einfluss des Aufsichtsrechts für die AG besondere Relevanz.254 Hinzu kommt, dass das AktG eine Milderung der Haftungsmaßstäbe nicht zulässt und, wie noch näher zu erörtern sein wird,255 auch im Nachhinein eine Haftungsfreistellung kaum möglich ist. So lässt sich insgesamt feststellen, dass sich der Vorstand nach der gesetzlichen Haftungskonzeption einer Haftung gegenüber sieht, die strenger kaum sein könnte.256 Dies darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass auch die Pflichtenstellung des GmbH-Geschäftsführers, je nach konkreter wirtschaftlicher und organisatorischer Ausgestaltung des Unternehmens, kaum überschaubare Ausmaße annehmen kann und auch hier der politische Regulierungsdrang die Pflichtenstellung erheblich verkompliziert hat und noch weiter zu verrechtlichen droht.257 IV. Verschulden Wie bereits dargestellt unterliegen Geschäftsleiter von AG und GmbH keiner Erfolgshaftung.258 Daher ist als weitere Haftungsvoraussetzung ein schuldhaftes Verhalten erforderlich, dessen Vorliegen vom Geschäftsleiter zu widerlegen ist. Das Verschuldenserfordernis wird, wie auch die Pflichtverletzung, aus § 43 I GmbHG 252

Siehe zum Kontrast zwischen formeller Satzungsstrenge in der AG und weitgehender Satzungsautonomie in der GmbH oben: § 5 B. 253 Siehe Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 25 Rn. 23, 24, mit einer exemplarischen Darstellung der dem Vorstand obliegenden Verhaltensanforderungen. 254 Insbesondere KWG, VAG und WpHG, siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 50a; Dreher, ZGR 2010, 496; Weber-Rey, ZGR 2010, 543; siehe zu den stetig steigenden Anforderungen in diesem Bereich am Beispiel der Versicherungswirtschaft: Louven/Ernst, VersR 2014, 151, 151 ff. 255 Siehe unten: § 6 C. I. 3. 256 So auch Habersack, ZHR 2013, 782, 794. 257 So auch Kort, NZG 2008, 81, 82; Weber-Rey, ZRP 2013, 151, 151 f.; Wiederholt/Walter, BB 2011, 968, 969; Cordes, S. 75; ebenfalls kritisch gegenüber zunehmender Verrechtlichung betriebswirtschafswissenschaftlicher Verhaltensvorgaben: Binder, AG 2012, 885, 898; Haese, S. 110 f. 258 Siehe oben: § 2 A.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

beziehungsweise aus § 93 I 1 AktG gefolgert – beide Vorschriften erfüllen insoweit nach vorherrschender Meinung eine Doppelfunktion.259 Der Verschuldensmaßstab für Geschäftsleiter von GmbH und AG ist im Grundsatz identisch.260 Für beide gilt nicht die Anforderung der „Jedermann-Sorgfalt“ des § 276 BGB, sondern der gehobene, rein objektive Maßstab des „ordentlichen Geschäftsmannes“ aus § 43 I GmbHG beziehungsweise des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ aus § 93 I 1 AktG, welche sich inhaltlich entsprechen.261 Der Geschäftsleiter kann sich demnach nicht aufgrund von persönlicher Unfähigkeit entschuldigen, er hat bei Übernahme der Organstellung die objektiven Voraussetzungen entsprechend den Verhältnissen der jeweiligen Gesellschaft und seines Aufgabenbereiches zu erfüllen.262 Insoweit laufen Pflichtwidrigkeitsprüfung und Verschuldensprüfung weitgehend parallel und ein abweichendes Ergebnis im Rahmen des Verschuldens stellt die absolute Ausnahme dar.263 Eine solche Ausnahme wird von der Rechtsprechung bei der Einholung von Informationen von Dritten angenommen, soweit sich die Beratung als falsch herausstellt, das Organmitglied sich jedoch, nach umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen, von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.264 Unter diesen Voraussetzungen soll trotz pflichtwidriger Handlung kein Verschulden vorliegen.265 Auch dieser Ausnahmefall kommt jedoch nur zur Geltung, soweit nicht schon die Pflichtverletzung zu verneinen ist, insbesondere soweit sich die fehlerhafte Einschätzung nicht schon im Rahmen des zulässigen unternehmerischen Ermessens befand.266

259 Siehe Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 15; Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 55; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 267; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 64; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 166; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 43, 391. 260 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 5. 261 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 166. 262 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 232; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 168. 263 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 168; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 255; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 392; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 248. 264 Siehe BGH NJW 2007, 2118, 2120; BGH NZG 2011, 1271, 1273. 265 Zustimmend, die Voraussetzungen jedoch als zu streng erachtend: Strohn, ZHR 2012, 137, 139 f.; ders., CCZ 2013, 177, 180; Fleischer, NZG 2010, 121, 125; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 15; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 177; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 139, 403. 266 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 403; siehe dazu oben § 4 B. I. 2. b).

§ 6 Haftungsvoraussetzungen in der GmbH und Vergleich zur AG

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Schließlich wird dem Geschäftsleiter weder das Verschulden anderer Geschäftsleiter noch von untergeordnetem Leitungspersonal zugerechnet.267 Insofern kann ihn allenfalls seine ressortübergreifende Überwachungspflicht beziehungsweise ein Auswahl-, Einweisungs- oder Überwachungsverschulden treffen.268 V. Kausalität Sowohl für eine Haftung gemäß § 43 II GmbHG als auch gemäß § 93 II AktG muss, den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen entsprechend, ein äquivalent und adäquat kausaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestehen.269 Dies ist zu bejahen, soweit die pflichtwidrige Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele und sie im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, den schädigenden Erfolg herbeizuführen.270 Soweit der Geschäftsleiter nachweisen kann, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, durchbricht dies grundsätzlich den Zurechnungszusammenhang.271 Für die AG und die GmbH gleichermaßen ist jedoch streitig, ob dies auch für den Verstoß gegen Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensnormen gilt und der Vorschrift somit auch eine Schutzfunktion zugunsten anderer Organe, der Minderheit und deren möglichen Entscheidungsspielräumen zukommt.272

267 Siehe bereits oben: § 6 A. III. 2. c); siehe auch Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 17; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 257; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG § 43 Rn. 20; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 179. 268 Siehe bereits oben: § 6 A. III. 2. c); siehe auch Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 57. 269 Siehe Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 35; Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 64; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG § 43 Rn. 37; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 16. 270 Ständige Rspr., vgl. BGH NJW 2013, 2345, 2346; BGH NJW 2002, 2232, 2233; BGH NJW 2001, 514; BGH NJW 1998, 138. 271 Siehe BGH NZG 2011, 549, 550; BGH NJW 2003, 358, 359; 272 Für eine Anwendung des Grundsatzes des rechtmäßigen Alternativverhaltens in diesen Fällen: BGH NZG 2008, 783, 785; BGH NJW 2007, 917, 918; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 16; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 266; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 262; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 104; gegen eine Anwendung: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 195; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 53; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 199a; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 416; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 54; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 174; Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 65; siehe zur eigenen Stellungnahme noch unten: § 7 C. II. 3. b).

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

VI. Schaden Schließlich muss sowohl in der GmbH als auch in der AG im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands ein Schaden der Gesellschaft nachgewiesen werden. Die Schadensberechnung erfolgt auf der Grundlage der §§ 249 ff. BGB, wobei im Sinne der Differenzhypothese die Vermögenslage in Folge des schädigenden Ereignisses mit der hypothetischen Vermögenslage ohne das schädigende Ereignis verglichen wird.273 Abweichend von den allgemeinen Regeln des BGB ist jedoch auch ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Schadensbegriff denkbar. Mertens etablierte hier die Auffassung, dass nur dem Unternehmenszweck widersprechende Vermögensbeeinträchtigungen als Schaden gelten sollen.274 Dies sollte die Beweislast des Geschäftsleiters bezüglich der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens entschärfen.275 Aufgrund der fehlenden dogmatischen Anknüpfungsmöglichkeit und der Abgrenzungsschwierigkeiten im Rahmen des Unternehmenszwecks ist diese Ansicht jedoch abzulehnen.276 Wenngleich zu bemerken ist, dass eine solche Beweislastentlastung auch von der Rechtsprechung als notwendig erachtet worden ist.277 Weiterhin wird aufgrund der teilweise existenzgefährdenden Haftungsrisiken zulasten der Geschäftsleiter auch auf der Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestands über eine Beschränkung der Haftung nachgedacht.278 Allerdings konnte sich der Gedanke einer Regressreduzierung bisher gesellschaftsformübergreifend nur in Bezug auf Bußgelder durchsetzen.279 Eine allgemeine Möglichkeit, die Regresssumme zu beschränken, wird vordringlich für die AG gefordert.280 Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers kann ohnehin vertraglich auf verschiedene Weisen begrenzt werden.281 273 Siehe BGH NZG 2008, 314, 315; Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 60; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 307; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 171; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 227; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 15. 274 Siehe Mertens, S. 167. 275 So Mertens, in: KK AktG, § 93 Rn. 23. 276 So auch die h.M.: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 180; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 408; Winnen, S. 66; zurückhaltend mittlerweile auch Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 59. 277 Siehe BGH NJW 1986, 54, 54; BGH WM 1971, 125, 126; OLG Naumburg NZG 1999, 353, 355. 278 So Koch ZHR 2014, 513, 515 f.; ders., ZHR 2012, 429, 433 f.; Bayer, GmbHR 2014, 897, 906. 279 Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 172; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 51; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 38, 56; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 419; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 230; Thole, ZHR 2009, 504, 533 f.; a.A.: Krieger/SailerCoceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 37; 280 So Koch ZHR 2014, 513, 515 f.; ders., ZHR 2012, 429, 433 f.; Casper, ZHR 2012, 617, 636 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 38, 56. 281 Siehe hierzu unten: § 6 C. II.

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B. Anspruchsdurchsetzung Ein Argument für die Normierung der BJR in § 93 I 2 AktG war es, einen Ausgleich für die gleichzeitig eingeführte Verschärfung des Aktionärsklagerechts durch § 148 AktG zu schaffen.282 Insofern etabliert schon der Gesetzgeber einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung durch die Gesellschaft und der Notwendigkeit gesteigerter Abwehrmöglichkeiten der Geschäftsleiter. Bei der Geltendmachung der Ansprüche ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Organisationsstruktur der beiden Gesellschaftsformen abweichende Regelungen. In der AG spielt der Aufsichtsrat bei der Anspruchsdurchsetzung eine entscheidende Rolle. Dieser hat gemäß § 111 I AktG den Vorstand zu überwachen und gemäß § 112 AktG die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand zu vertreten. Hieraus folgt die Pflicht, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, soweit ein Vorgehen gegen den Vorstand Aussicht auf Erfolg hat und der Geltendmachung keine gewichtigen Interessen und Belange des Unternehmenswohls entgegenstehen.283 Dies stellt ein wirkungsvolles Instrument dar, da die Aufsichtsratsmitglieder bei unbegründetem Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen selbst fürchten müssen, von der Gesellschaft in Regress genommen zu werden.284 In der GmbH obliegt gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG der Beschluss, Ansprüche geltend zu machen, sowie die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern den Gesellschaftern. I. Anspruchsdurchsetzung durch Minderheitsgesellschafter und Aktionäre Problematisch wird es, wenn die Mehrheit der GmbH-Gesellschafter gegen den Willen einer Gesellschafterminderheit auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet. Entsprechend ist in der AG ein Verzicht auf die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat gegen den Willen der Aktionäre denkbar. Dieses minderheitenbeziehungsweise aktionärsbenachteiligende Verhalten wird in unterschiedlicher Weise in beiden Gesellschaftsformen adressiert. Für die Aktionäre der AG ist in § 147 AktG explizit geregelt, dass die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand durch Hauptversammlungsbeschluss erzwungen werden kann. Weiterhin gibt der im Rahmen des 282

Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. Siehe insbesondere BGH NJW 1997, 1926, 1928. 284 Dem beipflichtend und auf eine deutlich gestiegene Sensibilität des Aufsichtsrats in Haftungsfragen und damit einer Verschärfung der Vorstandshaftung insgesamt hinweisend: Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 3; ebenso Reichert, ZHR 2013, 756, 757; ebenfalls steigende Haftungsrisiken feststellend schon: Fleischer, NJW 2009, 2337,2337; demgegenüber von einer „Beißhemmung“ des Aufsichtsrats sprechend: Habersack, ZHR 2013, 782, 785 und Wagner, ZHR 2014, 227, 239. 283

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

UMAG285 zum 01. 11. 2005 eingeführte § 148 AktG einer qualifizierten Aktionärsminderheit die Möglichkeit, im eigenen Namen Ansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsleitung geltend zu machen. Die spezielle Regelung des § 148 AktG senkt im Vergleich zur alten Rechtslage die Hürden für eine Geltendmachung von Ansprüchen, schließt allerdings eine weitergehende actio pro socio in der AG aus.286 In der GmbH wiederum wird die actio pro socio zum Zwecke des Minderheitenschutzes anerkannt.287 Die genaue Ausgestaltung, insbesondere die klare Abgrenzung des Anwendungsbereichs, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.288 Es lässt sich festhalten, dass durch die Einführung des § 148 AktG die Gefahr der Inanspruchnahme für haftungsbegründendes Verhalten zulasten des Vorstands und des Aufsichtsrats zugenommen hat.289 Allerdings ist die Durchsetzungskraft dieser Regelung nach wie vor fraglich.290 In der GmbH besteht mit der nunmehr weitestgehend etablierten actio pro socio ein Rechtsinstrument, welches der Gesellschafterminderheit in der GmbH ein wirksames Mittel zur Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft an die Hand gibt. II. Anspruchsdurchsetzung durch die Gläubiger Zu beachten ist schließlich die unterschiedliche Handhabung der Anspruchsgeltendmachung durch die Gesellschaftsgläubiger. § 93 V AktG eröffnet den Gesellschaftsgläubigern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Vorstand direkt in Anspruch zu nehmen. Eine entsprechende Vorschrift ist im GmbHG nicht zu finden. Auch eine analoge Anwendung wird allenfalls nur für sehr eng begrenzte Ausnahmefälle vertreten.291 III. Zwischenergebnis Insgesamt darf der GmbH-Geschäftsführer seltener als der Vorstand der AG darauf hoffen, durch die Gesellschaft trotz haftungsbegründenden Verhaltens, gegen den Willen der Gesellschafter(-minderheit) nicht in Anspruch genommen zu werden. Auf der anderen Seite existiert mit dem Aufsichtsrat in der AG ein zusätzliches Kontrollorgan zur Überwachung des Vorstands und zur Durchsetzung von An285 Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. 9. 2005, BGBl I Nr. 60 v. 27. 9. 2005, S. 2802. 286 Siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 148 Rn. 2. 287 Siehe BGH NJW 1976, 191, 192; BGH WM 1990, 1240, 1241; BGH BB 2005, 456; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 98; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 318 f.; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 43 Rn. 47. 288 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 98; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 43 Rn. 48; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 36 f. 289 Siehe Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 148 Rn 23. 290 Siehe Grunewald, § 10 Rn. 65 (S. 266). 291 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 327.

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sprüchen gegenüber dem Vorstand mit nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten, auf die Durchsetzung zu verzichten. Hierdurch wird zwar einerseits die schwächere Stellung der Aktionäre ausgeglichen, andererseits stehen sich Vorstand und Aufsichtsrat in der Regel sehr nahe, weswegen eine effektive Kontrolle immer wieder hinterfragt wird.292 Schließlich ist auch hier das unterschiedliche Konzept der beiden Gesellschaftsformen gut erkennbar. Das GmbH-Recht spricht, aufgrund der besonderen Bindung der Gesellschaft an die Gesellschafter, diesen Überwachungsaufgaben zu und stellt sicher, dass auch Gesellschafterminderheiten ihre Rechte effektiv durchsetzen können. Die AG hingegen gewährt den Aktionären nur in beschränktem Maße Einwirkungsmöglichkeiten. Vorrangiges Überwachungsgremium ist der Aufsichtsrat, wodurch die AG gegenüber der GmbH an Unabhängigkeit von ihren Gesellschaftern gewinnt. Ein klareres Ungleichgewicht lässt sich jedoch zwischen GmbHGeschäftsführer und Vorstand nicht feststellen. Das Haftungsrisiko hängt vielmehr von dem konkreten Verhältnis zwischen Geschäftsleitern, Gesellschaftern und Aufsichtsorganen ab.

C. Enthaftungsmöglichkeiten Wie soeben dargestellt, sind die umfangreichen Haftungsrisiken für Geschäftsleiter von GmbH und AG in vielen Aspekten übereinstimmend. Deutliche Unterschiede ergeben sich jedoch bei den Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung. Dies ist für die Anwendung der BJR besonders beachtlich, da die BJR selbst als Instrument zur Haftungsbeschränkung zugunsten der Geschäftsleiter eingeordnet werden kann. So ist die BJR bei der Bewertung der Gesamtsystematik der Haftungsbeschränkungsinstrumente zu berücksichtigen und auf der Kehrseite kann die BJR nur im Lichte der neben ihr bestehenden Möglichkeiten zur Haftungseinschränkung betrachtet werden. I. Haftungsbeschränkung in der AG Die beschränkten Einwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre gegenüber den weitreichenden Dispositionsbefugnissen der GmbH-Gesellschafter wirken sich auch auf die Möglichkeiten zur Beschränkung der Haftung aus. Insofern ist zunächst darzustellen, wie die in Folge der formellen Satzungsstrenge eingeschränkte Dispositionsbefugnis der Aktionäre und die in diesem Rahmen ebenfalls strikte Kom-

292 Siehe Habersack, ZHR 2013, 782, 785; Wagner, ZHR 2014, 227, 239 („Beißhemmung“ des Aufsichtsrats).

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

petenzverteilung in der AG sich auf die Haftungsrisiken des AG-Vorstands auswirkt.293 1. Vertragliche Haftungserleichterung Eine Haftungsfreistellung im Voraus durch Satzung oder sonstige vertragliche Vereinbarung ist im Aktienrecht schlicht ausgeschlossen, da eine derartige Regelung im Gesetz nicht zur Disposition gestellt wird.294 Damit ist zunächst eine Beschränkung der Haftung auf Höchstsummen ausgeschlossen, da eine solche einem antizipierten teilweisen Forderungsverzicht gleichkäme. Dies liefe § 93 IV 3 AktG zuwider, welcher bestimmt, dass ein Verzicht nur nachträglich und nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam vereinbart werden kann.295 Ebenfalls ausgeschlossen ist eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs, da auch die Organhaftung für omnis culpa der Satzungsstrenge nach § 25 V AktG unterliegt.296 2. Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 93 IV 1 AktG Handelt der Vorstand aufgrund eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses im Sinne des § 93 IV 1 AktG, ist seine Haftung grundsätzlich ausgeschlossen. Dies ist der logische Schluss aus der Folgepflicht des Vorstands gegenüber der Hauptversammlung gemäß § 83 II AktG bezüglich zuständigkeitsgemäßen Beschlüssen.297 Hieraus folgt jedoch zunächst, dass nur bei Bestehen der Folgepflicht auch ein Haftungsausschluss eingreifen kann.298 Des Weiteren ist die Praktikabilität der Vorschrift als Instrument zur Haftungseinschränkung in großen Unternehmen mit breitem Anlegerkreis fraglich, da die Einberufung der Hauptversammlung zeitaufwändig und kostspielig sein kann und damit nur in Ausnahmefällen eine adäquate Lösung darstellen wird.299 Schließlich entfaltet die Vorschrift gemäß § 93 V 3 AktG keine Wirkung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Die Reichweite des § 93 V 3 AktG ist nicht unumstritten, womit die Regelung für den Vorstand als weiterer Unsicherheitsfaktor die Effektivität der Haftungsbefreiung einschränkt.300 293

Siehe zum Kontrast zwischen formeller Satzungsstrenge in der AG und weitgehender Satzungsautonomie in der GmbH bereits oben: § 5 B. 294 Siehe Müller, NZA-Beilage 2014, 30, 34. 295 Siehe dazu ausführlich Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 148 ff.; Wellkamp, Rn. 713. 296 Siehe Paefgen, AG 2014, 554, 570. 297 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 265. 298 Siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 471. 299 So auch Drygala, FS Hopt, S. 541, 547 f. 300 Für einen unbeschränkten Anspruch der Gläubiger: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 180; für eine einschränkende Auslegung nur für Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 119 II AktG: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 494; für eine einschränkende Auslegung auf Fälle, in denen aufgrund von § 93 IV 1 AktG keine pflichtwidrige Handlung vorliegt:

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3. Nachträglicher Verzicht oder Vergleich Weiterhin besteht für den Aufsichtsrat nur eingeschränkt die Möglichkeit, auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Nachhinein zu verzichten. Zunächst kann ausnahmsweise von der Verfolgung der Ansprüche abgesehen werden, soweit die Erfüllung der Ersatzansprüche die Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen übersteigt oder der Verzicht auf die Verfolgung der Ansprüche im Unternehmensinteresse liegt.301 Ferner besteht gemäß § 93 IV 3 AktG die Möglichkeit, einen Vergleich über die Haftungsansprüche zu schließen. Ein solcher ist jedoch nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und erst drei Jahre nach Entstehen des Ersatzanspruchs zulässig und führt damit insgesamt nur mit erheblichen Einschränkungen zu einer Haftungsreduktion zugunsten des betroffenen Vorstandsmitglieds. Schließlich sind auch Verzicht und Vergleich gemäß § 93 V 3 AktG gegenüber Gläubigern der Gesellschaft unwirksam. 4. Anwendung der Grundsätze zu betrieblich veranlasster Tätigkeit Nach absolut überwiegender Ansicht sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit nicht anwendbar. Organmitglieder sind in aller Regel keine Arbeitnehmer der AG302 und im Übrigen steht die gesellschaftsrechtliche Haftungssystematik einer Anwendung unüberwindbar entgegen.303 Weiterhin würde eine Beschränkung der Haftung bei leicht- und mittelfahrlässigem Verhalten der Haftung für omnis culpa gemäß § 93 I 1 AktG widersprechen.304 Schließlich besteht die Geschäftsleiterhaftung auch im mittelbaren Interesse der Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger, was einer Haftungseinschränkung im bilateralen Verhältnis von Gesellschaft und Geschäftsleiter entgegensteht.305 Allerdings zeigen sich vermehrt Stimmen für eine Regressreduzierung aus Billigkeitsgesichtspunkten, wenn auch eine direkte Anwendung der oben genannten Grundsätze aus den dort genannten Gründen nicht vertreten wird, sondern vielmehr auf die allgemeine Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsleiter abgestellt wird.306 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 71; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 280. 301 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308. 302 Siehe BGH NJW 1978, 1435, 1437; BGH NJW 1968, 396. 303 So auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306; Henssler, MüKo BGB, § 619a Rn. 19; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 37. 304 Siehe auch Paefgen, AG 2014, 554, 570; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306. 305 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 6. 306 Siehe Koch ZHR 2014, 513, 515 f.; ders., ZHR 2012, 429, 433 f.; Casper, ZHR 2012, 617, 636 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 38, 56; für eine Annäherung an die Arbeitnehmerhaftung de lege ferenda: Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 27, 64.

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5. Vertrauen auf fachkundigen Rat Eine effektive Möglichkeit, Unsicherheiten einer Entscheidung zu verringern, stellt die Einholung eines Expertenrats dar.307 Der BGH hat sich hier insbesondere zum Rechtsrat geäußert,308 in diesem Rahmen jedoch Voraussetzungen aufgestellt, die sich auch auf andere Expertengutachten übertragen lassen.309 Voraussetzungen für eine haftungsbefreiende Wirkung ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BGH, dass der Geschäftsleiter zunächst umfassend die Verhältnisse der Gesellschaft darlegt und die erforderlichen Unterlagen offenlegt, sich an einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger wendet und dessen Rat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.310 Diese Konkretisierung der Voraussetzungen zur haftungsbefreienden Wirkung eines Expertenrats ist in der Literatur auf breite Zustimmung gestoßen und wurde im wissenschaftlichen Diskurs noch differenzierter aufgearbeitet.311 Wenngleich diese Konkretisierung der Verhaltensanforderungen einen Zugewinn an Rechtssicherheit für die Geschäftsleiter darstellt, wirft schon die Frage, ob ein externer Rat eingeholt werden soll, nicht unerhebliche Haftungsrisiken auf. So ist der Geschäftsleiter einerseits bei fehlender eigener Sachkunde verpflichtet sich hinreichend, gegebenenfalls durch ein Expertengutachten, zu informieren,312 andererseits kann er für die Kosten von unnötigen Gutachten von der Gesellschaft in Regress genommen werden. Der Geschäftsleiter muss also sorgfältig abwägen, ob eine professionelle Beratung tatsächlich erforderlich ist oder nicht.313 Dabei ist zu beachten, dass dem Geschäftsleiter bei der Frage der inhaltlichen Angemessenheit seiner Informationsgrundlage nur ein eingeschränktes Ermessen zusteht,314 bezüglich der unternehmerischen Notwendigkeit zur Beauftragung qualifizierter und

307

Siehe dazu auch schon oben: § 4 B. I. 2. a) bb) und § 6 A. IV. Siehe BGH NJW 2007, 2118, 2120 (Insolvenzreife); BGH DStR 2007, 1641 – 1642 (Insolvenzreife); BGH NZG 2011, 2171, 1273 (komplizierte Sachkapitalerhöhung); BGH NZG 2012, 672, 673 (Insolvenzreife); BGH NZG 2015, 792, 794 (Abschlusskompetenz des Vorstands nach § 112 AktG). 309 Insofern von einem „bereichsübergreifenden Vertrauensgrundsatz im Kapitalgesellschaftsrecht“ sprechend: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 209. 310 Siehe insbesondere BGH NJW 2007, 2118, 2120; BGH NZG 2011, 2171, 1273. 311 Siehe ausführlich zu dem Thema Fleischer, KSzW 2013, 3 – 9; ders., NZG 2010, 121 – 125; Binder, AG 2008, 274 – 287; Strohn, ZHR 2012, 137, 139 f.; ders., CCZ 2013, 177, 180; Krieger, ZGR 2012, 496 – 504. 312 So schon BGH NJW 1994, 2220, 2224 zur fachkundigen Beratung bezüglich der Konkursantragspflicht. 313 Kritisch gegenüber übermäßigen Absicherungsstrategien auch Fleischer, KSzW 2013, 3, 6 f., mit Hinweis auf eine mögliche Sorgfaltspflichtverletzung bei unnötigen Absicherungskosten. 314 Siehe zu der Unterscheidung der Überprüfungsmaßstäbe bezüglich der Informationsgrundlage und der eigentlichen Entscheidung bereits oben: § 4 E. I. 2. 308

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fachkundiger Berufsträger dem Geschäftsleiter jedoch ohne weiteres der weite Ermessensspielraum der BJR zugutekommt.315 6. D&O-Versicherungen Aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten, das Haftungsrisiko einzugrenzen, ist es heutzutage der Regelfall, dass Vorstandsmitglieder D&O-Versicherungen abschließen, um sich gegen Haftungsrisiken, welche aus ihrer beruflichen Tätigkeit erwachsen, abzusichern.316 Zulässig ist insoweit auch der Abschluss einer Versicherung durch die Gesellschaft zugunsten des Leitungsorgans.317 Einen absoluten Schutz gewähren jedoch auch diese Versicherungen nicht, da gemäß § 93 II 3 AktG ein Selbstbehalt des Leitungsorgans vorzusehen ist, die Haftungssumme die Versicherungsdeckung übersteigen kann oder der konkrete Schadensfall von der Versicherung nicht erfasst sein kann.318 Kritisch sind D&O-Versicherungen weiterhin unter dem Aspekt der verhaltenssteuernden Funktion der Haftung zu betrachten. Auch wenn über den zwingend angeordneten Selbstbehalt, die möglichen Schutzlücken und den drohenden Reputationsverlust gewisse Steuerungsmechanismen verbleiben, bewirkt der maßgebliche Wegfall des Haftungsrisikos eine erhebliche Aufweichung der verhaltenssteuernden Funktion.319 So überlässt es der Gesetzgeber der Privatwirtschaft, die Verhaltensregeln durch Versicherungsbedingungen vorzugeben, während gerade im sensiblen System der gesellschaftsrechtlichen Haftung eine enge Orientierung an allgemeinen gesetzlichen Standards wie der BJR angezeigt ist und folglich deren Ausbau und Konkretisierung vorzugswürdig erscheint. 7. Zwischenergebnis Die Geschäftsleiter der AG treffen folglich Haftungsrisiken, welche sich auf gesellschaftsrechtlicher Basis kaum entschärfen lassen, lediglich D&O-Versicherungen gewähren einen eingeschränkten Schutz. Die Haftungssummen belaufen sich bei unternehmerischen Entscheidungen in größeren Unternehmen zudem auf derart hohe Werte, dass eine Privatperson durch entsprechende Schadensersatzforderungen schnell in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.320 Gerade für die AG hat dieses Thema eine solchermaßen große aktuelle Bedeutung erlangt, dass beim 70. Deut-

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So auch Fleischer, KSzW 2013, 3, 7; Binder, AG 2008, 274, 281. Siehe Müller, NZA-Beilage 2014, 30, 36. 317 Siehe den Wortlaut des § 93 II 3 AktG; siehe auch § 108 II VVG. 318 Siehe auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 453. 319 Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 228; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 453; Wagner, ZHR 2014, 227, 255. 320 Siehe Bayer, NJW 2014, 2546, 2548. 316

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

schen Juristentag im September 2014 hierauf ein Schwerpunkt gelegt wurde.321 Da sich die Haftungsrisiken also schwer bändigen lassen und erhebliche Ausmaße annehmen können, ist es umso wichtiger, dass der Entscheidungsträger sein persönliches Haftungsrisiko bei einer unternehmerischen Entscheidung so gut wie möglich einschätzen kann. Dies schließt insbesondere mit ein, dass klar sein muss, in welchem unternehmerischen Rahmen sich der Entscheidungsträger frei bewegen kann. Diesem Rahmen soll die BJR Konturen verleihen, um dem Geschäftsleiter Sicherheit bei seiner Entscheidung zu geben und sein persönliches Haftungsrisiko kalkulierbar werden zu lassen.322 Hieraus folgt, dass die BJR gerade bei der AG auch aus rechtspolitischer Sicht legitimiert ist. II. Haftungsbeschränkung in der GmbH Die Möglichkeiten, den Geschäftsführer im Voraus oder im Nachhinein von seiner Haftung freizustellen, spielen sich bei der GmbH in einem gänzlich anderen Rahmen ab als bei der AG. Ausfluss der in der GmbH herrschenden Satzungsautonomie ist, dass weitreichende Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung bestehen. 1. Vertragliche Haftungserleichterung So ist zunächst nach heute weit überwiegender Ansicht eine vertragliche Haftungserleichterung für den GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich möglich.323 Auch der BGH scheint dieser Ansicht den Vorzug einzuräumen.324 Die Streitpunkte entfachen sich hier vielmehr daran, auf welchem Wege eine Freistellungsmöglichkeit wirksam vereinbart werden kann und inwieweit eine solche wieder einzuschränken ist.325 Bezüglich der Begrenzung einer Haftungsfreistellung hat sich eine Vielzahl von Meinungen herausgebildet. Einigkeit besteht zumindest darüber, dass die Beschränkungen des § 43 III GmbHG zum Schutze der Gläubiger nicht überschritten werden dürfen sowie dass gemäß § 276 III BGB die Haftung für vorsätzliches Verhalten nicht im Voraus ausgeschlossen werden kann.326 Ob der Geschäftsführer auch von einer Haftung für grob fahrlässiges Verhalten im Voraus freigestellt werden kann, welche Grenzen durch gläubigerschützende Vorschriften gezogen werden 321

Dies gutachterlich zusammenfassend: Bachmann, NJW-Beilage 2014, 43 – 46. Siehe auch Müller, NZA-Beilage 2014, 30, 32; Bayer, NJW 2014, 2546, 2547. 323 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 301; ders., BB 2011, 2435, 2436; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Bayer, GmbHR 2014, 897, 903; Müller, NZA-Beilage 2014, 30, 34; a.A. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 14; Raiser/Veil, Hdb. Kapitalgesellschaften, § 42 Rn. 92 (S. 559). 324 Siehe BGH NJW-RR 2003, 895, 896; BGH NJW 2002, 3777, 3777. 325 Siehe Drescher, Rn. 405. 326 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 308, 312; Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 10 Rn. 75; Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 29 Rn. 19; Joussen, GmbHR 2005, 441, 446. 322

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sollten und welche Vorschriften als gläubigerschützend in diesem Sinne angesehen werden können, ist hingegen noch höchst unklar.327 Ebenso uneinheitlich wird die Frage zu den formellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung beantwortet. Die Vielfalt der vertretenen Regelungsmöglichkeiten reicht hier von einer solchen im Anstellungsvertrag oder in der Geschäftsordnung328 bis zu Regelungen in der Satzung329 und durch mehrheitlichen330 oder durch einstimmigen331 Gesellschafterbeschluss. Es lässt sich somit festhalten, dass zwar die Möglichkeit besteht, die Haftung des Geschäftsführers schon im Voraus einzuschränken, dass eine solche Regelung jedoch keinesfalls auf klar definierbarem, gefestigtem Boden steht. Bricht man die vertretenen Meinungen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunter, könnte der Geschäftsführer nur für leicht fahrlässige Handlungen freigestellt werden, welche keine Gläubigerinteressen berühren und dies müsste zudem in Form einer Satzungsregelung geschehen. Eine solche Regelung wäre zwar mit großer Sicherheit wirksam, ob für den Geschäftsführer damit eine nennenswerte Haftungserleichterung gewonnen wäre, ist allerdings eher fraglich. Der GmbH-Geschäftsführer scheint also auf den ersten Blick gegenüber dem AG-Vorstand privilegiert zu sein. Die Rechtsunsicherheiten, welche die Regelung einer Haftungsbeschränkung begleiten, lassen diese Besserstellung jedoch teilweise verblassen. 2. Handeln auf Beschluss der Gesellschafterversammlung Eine in der Praxis greifbare Haftungserleichterung steht dem GmbH-Geschäftsführer jedoch in Form der Billigung einer konkreten Maßnahme durch die Gesellschafter zur Verfügung. Gemäß § 49 I GmbHG hat der Geschäftsführer das Recht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung inne und die Entscheidung über die Notwendigkeit der Einberufung liegt in seinem Ermessen.332 Soweit der Geschäftsführer einer Weisung der Gesellschafterversammlung folgt oder eine konkrete Maßnahme durch Gesellschafterbeschluss billigen lässt, ist, in den Grenzen des § 43 III GmbHG, seine Haftung gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen.333 Voraussetzung für die haftungsbefreiende Wirkung ist allerdings, dass der Geschäftsführer die Gesellschafter hinreichend informiert und insbesondere ihnen 327

Siehe für eine ausführliche Aufbereitung des Meinungsstandes: Fleischer, BB 2011, 2435 f. 328 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 12. 329 So Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 46 Rn. 4. 330 So Fleischer BB 2011, 2435, 2440. 331 So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 117. 332 Siehe Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 69 f.; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 49 Rn. 18 f. 333 Siehe BGH NJW 1960, 285, 289; BGH NJW 2010, 64; Bosse/Kindl/Taube, Rechtsmanagement im Unternehmen, 5 – 20, S. 11; Bayer, GmbHR 2014, 897, 905; Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 10 Rn. 52; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 275.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

gegenüber rechtliche Bedenken offenlegt.334 Würde der Geschäftsführer trotz der Befolgung eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses zur Haftung gezogen, würde dies seiner Pflicht aus § 37 I GmbHG widersprechen, ebenjener Weisung Folge zu leisten. Hier zeigt sich eine Parallele zur Haftungsbefreiung des Vorstands gemäß § 93 IV 1 AktG. Allerdings besteht für die GmbH weitgehend Einigkeit, dass die im Aktienrecht problematische Eingrenzung auf Ansprüche, die „nicht zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich sind“, ausschließlich auf Ersatzansprüche gemäß § 43 III 1 GmbHG anwendbar ist und damit ein klar abgegrenzter Anwendungsbereich besteht.335 Weiterhin wird in der typischen GmbH mit begrenztem Gesellschafterkreis ein Gesellschafterbeschluss wesentlich schneller und kostengünstiger herbeizuführen sein als in einer AG. Folglich erlangt die Haftungsfreistellung durch Gesellschafterbeschluss in der GmbH wesentlich größere Bedeutung. 3. Nachträgliche Haftungsfreistellung Schließlich sind auch die Möglichkeiten, den Geschäftsführer im Nachhinein von Ansprüchen seitens der GmbH freizustellen, von wesentlich weniger Einschränkungen geprägt, als dies bei der AG der Fall ist. Insbesondere ist § 93 IV AktG nicht auf die GmbH anwendbar, womit ein Verzicht oder Vergleich über Ersatzansprüche ohne weitere Voraussetzungen durch Gesellschafterbeschluss möglich ist.336 Zudem entfaltet auch der Entlastungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG haftungsbefreiende Wirkung, hat also, anders als die Entlastung im Aktienrecht gemäß § 120 AktG, tatsächliche Verzichtswirkung.337 Dies gewinnt besondere Bedeutung aufgrund der regelmäßigen Erteilung der Entlastung. Als Teil der Standardbeschlüsse wird die Entlastung üblicherweise alljährlich erteilt.338 Noch weiter geht die Generalbereinigung. Durch einen Generalbereinigungsvertrag kann selbst auf noch nicht erkennbare Ansprüche verzichtet werden.339

334 Siehe ThürOLG Jena NZG 1999, 121, 122; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 278; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 243. 335 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 297; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 53; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 272; Habersack/ Schürnbrand, WM 2005, 957, 961. 336 Siehe Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 29 Rn. 25; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 281. 337 Ersatzansprüche und Kündigungsrechte sind Präkludiert Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 46 Rn. 144; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 41; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 46 Rn. 277. 338 Siehe Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 46 Rn. 131. 339 Siehe Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 46 Rn. 41.

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4. Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit Für die Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit kann auf die entsprechenden Ausführungen zur AG verwiesen werden. Auch in der GmbH wird eine direkte Anwendung abgelehnt,340 eine Regressreduzierung aufgrund der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer jedoch teilweise befürwortet.341 5. Vertrauen auf fachkundigen Rechtsrat Auch für das Vertrauen auf fachkundigen Rechtsrat gilt, dass vollumfänglich auf die Ausführungen zur AG verwiesen werden kann. Bei der Frage, inwieweit das Einholen eines Expertengutachtens haftungsbefreiende Wirkung haben kann, differenzieren weder Literatur342 noch Rechtsprechung343 zwischen GmbH und AG. Im Grundsatz sind auch keine Gründe ersichtlich, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Ein abweichendes Ergebnis kann sich für den GmbH-Geschäftsführer nur ergeben, soweit er mit der Entscheidung gegen die Kompetenzordnung verstößt. Soweit der Entscheidungsgegenstand zustimmungsbedürftig durch ein anderes Gesellschaftsorgan war, kann sich der Geschäftsführer jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf ein den unternehmerischen Entscheidungsinhalt legitimierendes Expertengutachten entlasten.344 6. D&O-Versicherungen Die Zulässigkeit von D&O-Versicherungen ist auch in der GmbH anerkannt.345 Aufgrund der Satzungsfreiheit und der weitgehenden gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der Gesellschafter, ihre Geschäftsführer von einer möglichen oder eingetretenen Haftung freizustellen, ist es konsequent, dass ein Selbstbehalt ent340 Siehe Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 6; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 194 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 5; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 256; Drescher, Rn. 378; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 42; Lohr, NZG 2000, 1204, 1207. 341 Siehe Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 18; Bayer, GmbHR 2014, 897, 906; Koch ZHR 2014, 513, 515 f. 342 Siehe zu der entsprechenden Formulierung der Voraussetzungen: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 233c; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 69; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 42 f. 343 Siehe den übereinstimmenden Wortlaut bei Urteilen zur GmbH und den Verweis auf die Rechtsprechung zur AG: BGH DStR 2007, 1641, 1642; BGH NZG 2012, 672, 673. 344 Siehe zum Streitstand bezüglich des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei Kompetenzverstößen bereits oben: § 6 A. V.; siehe zur Kompetenzordnung noch ausführlich unten: § 10 A. II. 1. 345 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 112; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 260; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 437; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 422; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 220.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

sprechend § 93 II 3 AktG zulasten des Leitungsorgans im freien Ermessen der Gesellschafter steht, § 93 II 3 AktG insoweit also keine Anwendung findet.346 Der wesentliche Vorteil der Versicherung soll auch bei der GmbH sein, dass die Gesellschaft einen potenten Schuldner hinzugewinnt.347 Bezüglich der möglichen einschränkenden Wirkung der Versicherung auf die verhaltenssteuernde Funktion der Haftung ist auf die unmittelbar übertragbaren Ausführungen zur AG zu verweisen.348 Ein weiterer durch die D&O-Versicherungen verursachter Effekt, der besonders für die GmbH relevant wird, ist die steigende Klagebereitschaft der Gesellschaften.349 Zum einen lockt die Aussicht auf einen solventen Schuldner, zum anderen entfällt die hemmende Wirkung der Sorge, den Geschäftsleiter in seiner persönlichen Existenz zu treffen. In der Folge werden selbst verdiente Leitungsorgane, welche ohne Versicherung höchstwahrscheinlich durch die Gesellschaft von der Haftung freigestellt worden wären, für mögliche Sorgfaltsverstöße in Anspruch genommen. Eine solche Provokation von Prozessen ist ein weiterer kritisch zu hinterfragender Aspekt von D&O-Versicherungen. III. Gegenüberstellung der Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der Vorstand der AG sich erheblichen Haftungssummen gegenübersieht und gleichzeitig nur beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt, seine Haftung auszuschließen oder zu begrenzen. Insbesondere sind anfängliche und nachträgliche vertragliche Haftungsbeschränkungen im Wesentlichen ausgeschlossen und das Herbeiführen eines haftungsbefreienden Hauptversammlungsbeschlusses nur selten praktikabel. Folglich stellt die BJR ein wichtiges Instrument zur Konkretisierung eines Haftungsfreiraumes bei unternehmerischen Entscheidungen dar. Auf der anderen Seite bestehen für den GmbH-Geschäftsführer vielfältige Möglichkeiten, seine Haftung einzuschränken. Insbesondere die Möglichkeit, den Gesellschafterwillen in Form von Weisung oder Billigung in die Entscheidung aufzunehmen, sowie die regelmäßige nachträgliche Entlastung stellen in der GmbH effektive Werkzeuge zur Haftungsbegrenzung dar. Gleichwohl ist zu beachten, dass die Haftung des Geschäftsführers maßgeblich vom Willen der Gesellschafter abhängt und dementsprechend auch völlig unbeschränkt bestehen kann.

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Siehe auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 423; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 382. 347 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 437; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 422; Mertens, AG 2000, 447, 451. 348 Siehe oben: § 6 C. I. 6. 349 Siehe v. Schenck, NZG 2015, 494, 495.

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D. Zwischenergebnis Bezüglich ihrer Pflichtenstellung befinden sich Vorstand und Geschäftsführer in vergleichbaren Situationen. Die Sorgfaltsanforderungen von § 93 I 1 AktG und § 43 I GmbHG etablieren einen einheitlichen Maßstab. Auch im Übrigen unterliegen beide Geschäftsleitungsorgane einem sehr ähnlichen Pflichtenkatalog. Sorgfaltspflichten, insbesondere die Legalitätspflichten, verlaufen weitestgehend parallel. Allerdings ist die Bindung aus Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft des AG-Vorstands um einige Pegelstriche strenger zu bewerten als jene des GmbH-Geschäftsführers. Ein etwas strengerer Pflichtenmaßstab ergibt sich für den AG-Vorstand zudem aus erhöhten Compliance-Anforderungen, der Bindung an den DCGK aus § 161 AktG und dem Einfluss insbesondere des Aufsichtsrechts auf den zu beachtenden Pflichtenkatalog. Schließlich ergibt sich auch bei einer rechtstatsächlichen Betrachtung, dass aufgrund von Größe und Art der Unternehmen, für die die Rechtsform der AG überwiegend gewählt wird, der durchschnittliche AG-Vorstand regelmäßig höheren Sorgfaltsanforderungen gegenübersteht als der durchschnittliche GmbH-Geschäftsführer. Noch wesentlich auffälligere Unterschiede zwischen AG und GmbH ergeben sich bei den Möglichkeiten, die Haftung gegenüber der Gesellschaft zu begrenzen oder auszuschließen. Vorstandsmitglieder sind als letztendlich einzig effektives Mittel auf externe Versicherungen angewiesen. Den zwingenden Vorschriften zur Vorstandshaftung steht die disponible Geschäftsführerhaftung in der GmbH gegenüber. Für Geschäftsführer besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Haftung schon im Voraus im Rahmen einer gesellschaftsinternen Regelung einzuschränken. Zudem ist die Haftung bei Handlungen aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses ausgeschlossen und weiterhin ist eine umfassende nachträgliche Haftungsbefreiung ohne weiteres möglich. Auch für die Durchsetzung von Ansprüchen ergeben sich Unterschiede. Für die AG ist der Aufsichtsrat für die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Vorstand zuständig, wobei die Aufsichtsratsmitglieder im Falle einer pflichtwidrigen Nichtgeltendmachung fürchten müssen, selbst in Regress genommen zu werden. Demgegenüber unterliegen die Geltendmachung und der Verzicht auf Haftungsansprüche gegenüber den GmbH-Geschäftsführern dem freien Willen der Gesellschafter. Insgesamt lässt sich bei den Anforderungen an ein pflichtgemäßes Handeln und dem Risiko der Haftungsrealisation zunächst ein leichtes Übergewicht zulasten des AG-Vorstands feststellen. Die tatsächlichen Haftungsrisiken hängen jedoch insbesondere in der GmbH maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Organisationsverfassung und der Art und Intensität der Einflussnahme durch die Gesellschafter ab.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

§ 7 Das Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien Das Unternehmensinteresse ist auch im GmbH-Recht ein häufig gebrauchtes Schlagwort, insbesondere bei der Festlegung der Verhaltensanforderungen bei der Unternehmensführung.350 Trotz der regelmäßigen Verwendung lässt sich der Inhalt des Begriffs bis heute nicht einheitlich bestimmen.351 Die wesentliche Frage besteht darin, ob einem interessenmonistischen System zugunsten der Gesellschafter zu folgen ist352 oder ob einem interessenpluralistischen System der Vorzug einzuräumen ist.353 Die Gesellschafterinteressen, welche auch als Shareholder-Interessen354 bezeichnet werden, wären bei einer interessenpluralistischen Betrachtungsweise insbesondere mit den Interessen der Arbeitnehmer, der Gläubiger und der Allgemeinheit in Einklang zu bringen. Zu berücksichtigen wären folglich die Interessen jener, die maßgeblich am Wohlergehen des Unternehmens beteiligt sind – zusammenfassend auch als Stakeholder bezeichnet.355 Das Unternehmensinteresse spielt für die Anwendung der BJR eine zentrale Rolle. Zum einen hat der Geschäftsführer sein Handeln am Unternehmensinteresse auszurichten und dieses als äußere Grenze seines Ermessensfreiraumes zu respek-

350 So ist nach BGH NJW 2008, 517, 519 der Geschäftsführer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht dem Unternehmensinteresse verpflichtet; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a verlangen die Ausrichtung des Geschäftsführerermessens am Unternehmensinteresse; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 12, der das Unternehmensinteresse mit dem Wohl des Unternehmens gleichsetzt; Axhausen, in BeckHdB GmbH § 5 Rn. 183, der den Begriff aus dem DCGK übernimmt. 351 So auch Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1308: „[…] Folgefrage, was sich hinter der viel strapazierten Vokabel des Unternehmensinteresses verbirgt“; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a: „Problematisch ist allerdings, was sich hinter diesem Schlagwort verbirgt“. 352 So BGH DB 2003, 1107, 1108: „Nach der Rechtsprechung des Senats wird der Wille einer GmbH im Verhältnis zu ihrem Geschäftsführer grundsätzlich durch denjenigen ihrer Gesellschafter repräsentiert“; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 5; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309. 353 So Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a; Wellhöfer, in: Wellhöfer/ Peltzer/Müller, Haftungsrecht, § 9 Rn. 19; OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 715 (LS): Die Geschäftsführung hat „unter der gebotenen Berücksichtigung öffentlicher Interessen“ stattzufinden; ebenfalls für eine Berücksichtigung des öffentlichen Interesses: Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 7. 354 Begriff entspringt der Führungstechnik nach dem „Shareholder Value“, entwickelt von Rappaport in dem Werk „Creating Shareholder Value“, siehe auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 71; zu den betriebswirtschaftlichen Grundlagen Wöhe, S. 50 ff.; Bea/Haas, S. 85 ff. 355 Begriff entspringt der Führungstechnik nach dem „Stakeholder Value“: Fleischer, Vorstandsrecht, § 1 Rn. 26; zu den betriebswirtschaftlichen Grundlagen Wöhe, S. 50 ff.

§ 7 Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien

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tieren.356 Zum anderen sind zunächst die im Rahmen des Unternehmensinteresses zu berücksichtigenden Interessen zur Bestimmung der daraus resultierenden Verhaltensvorgaben zu identifizieren, um im Folgenden die ökonomische Vorteilhaftigkeit eines unternehmerischen Ermessensfreiraumes aus Sicht des jeweiligen Interessenträgers zu ermitteln. Die eingehende Bearbeitung der Problematik des Unternehmensinteresses würde ohne weiteres genug Stoff für eine eigenständige Monografie liefern. Daher soll hier nur im konkreten Bezug zur BJR erörtert werden, welche Interessen überhaupt in Betracht zu ziehen sind und ob deren Berücksichtigung Einfluss auf die Anwendung der BJR auf die GmbH hat – ob aus ökonomischen Erwägungen zugunsten der Interessenträger oder als äußere Grenze des Geschäftsleiterermessens.

A. Abstrakte gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen Eine explizite Erwähnung fand der Gedanke der Stakeholder-Interessen im § 2 des Entwurfs des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, wonach „die Gesellschaft so zu leiten“ sei, „wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“.357 Anders als die vergleichbare Regelung im Aktienrecht, welche dem Entwurf für das GmbH-Recht als Vorlage gedient hatte,358 ist der Gesetzesentwurf für die GmbH nie umgesetzt worden.359 Damit fehlt es de lege lata an einer expliziten gesetzlichen Grundlage für eine Pflicht zur Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen. Eine solche könnte sich jedoch implizit aus der Gesamtheit der gesetzlichen Regelungen zum Schutz der entsprechenden Interessenträger ergeben.

B. Spezielle gesetzliche Regelung der Stakeholder-Interessen Das Gesetz stellt für die einzelnen Interessengruppen jeweils eigene Anknüpfungspunkte zur Verfügung, um einen angemessenen Ausgleich zwischen der Leitungsmacht von Geschäftsführern und Gesellschaftern, den Anteilseignerinteressen 356 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 84; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 12; M. Roth, S. 88 f., der jedoch von einer Leitlinie anstelle einer Grenze des Ermessens spricht. 357 Abgedruckt bei Schubert, S. 94. 358 Siehe Schubert, S. 153: Vorbild war § 70 I des AktG von 1937. 359 Der Entwurf wurde 1969 für einen Referentenentwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung wieder aufgegriffen und floss zu Teilen in die GmbH-Novelle von 1980 ein: Schubert, S 90 – 92; der zitierte Paragraph war jedoch schon 1958 von einer Sachverständigenkommission aus dem Entwurf gestrichen worden, siehe Görtemaker/Safferling, S. 271.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

der Gesellschafter, dem Arbeitnehmerschutz, den Gläubigerinteressen, den Gemeinwohlinteressen und anderen vom Unternehmenshandeln beeinflussten Interessen zu gewährleisten. Diese gesetzlichen Regelungen können sowohl isoliert vom Unternehmensinteresse als externe Verhaltensanforderungen betrachtet werden als auch kumulativ in ihrer Gesamtheit das Unternehmensinteresse definieren. Je nach Betrachtungsweise, hat der Geschäftsführer entweder lediglich die äußeren gesetzlichen Grenzen zu beachten oder darüber hinausgehend alle in das Unternehmensinteresse einfließenden Interessen in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen und abzuwägen. Eine sachgerechte Lösung lässt sich nur bei einer Einzelbetrachtung der in Frage stehenden gesetzlichen Regelungen finden. Zunächst ist festzuhalten, dass nicht jede gesetzliche Regelung in das Unternehmensinteresse einfließen kann, welche eine bestimmte Interessensgruppe schützt und diesbezüglich abstrakte Verhaltenspflichten für den Geschäftsführer beinhaltet. So können umweltschützende Vorschriften wie beispielsweise §§ 324 ff. StGB oder § 5 BImSchG nicht ohne weiteres eine allgemeine Pflicht zur Berücksichtigung des Umweltschutzes begründen.360 Oder so können, um das Beispiel in die Extreme zu führen, die Vorschriften des UWG nicht zu einer allgemeinen Berücksichtigung von Mitbewerberinteressen verpflichten. Diskussionswürdig sind hingegen Vorschriften, die einen konkreten, korporationsrechtlichen Bezug zur Unternehmensleitung aufweisen und so unmittelbar auf die Entscheidungsfindung des Geschäftsführers Einfluss haben. I. Gläubigerschützende Vorschriften Dem Handeln des Geschäftsführers sind verbindliche Grenzen gesetzt sobald Vorschriften zum Schutze der Gläubiger betroffen sind. Hierzu zählen insbesondere die §§ 30, 33, 43a, 64 GmbHG und § 15 a InsO, wobei § 43 III GmbHG diesbezüglich die für den Geschäftsführer zentrale haftungsbegründende Norm darstellt. Dass Handlungen, die gegen diese Vorschriften verstoßen, gemäß dem Legalitätsgebot pflichtwidrig sind, steht außer Frage.361 Weniger klar ist jedoch, ob speziell die Regelung des § 43 III 3 GmbHG darüber hinaus eine Grundlage für die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen bei der Unternehmensführung insgesamt bildet.362 360 Zwar gibt es Stimmen für eine Verpflichtung zu einem möglichst umweltschonenden Verhalten, dies wird jedoch mit der Verhaltensmaxime als „good corporate citizen“ bzw. der allgemeinen Gemeinwohlbindung begründet, siehe Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 15; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1. a) (S. 806). 361 Siehe nur Haas/Ziemons, in: Beck OK GmbHG, § 43 Rn. 281. 362 So Ulmer, S. 45, der aus § 43 III 3 GmbHG eine Berücksichtigung „auch anderer als der Anteilseignerinteressen“ herleiten will; dagegen Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309, der den Anwendungsbereich des § 43 III 3 GmbHG als überspannt ansieht, soweit sämtliche Stakeholder-Interessen berücksichtigt werden sollen.

§ 7 Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien

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1. Auslegung nach Wortlaut und Systematik Bei klassischer Auslegung der Norm ist zunächst festzustellen, dass der Wortlaut der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter klare Grenzen setzt. Bei Verstößen gegen die §§ 30, 33 oder § 64 GmbHG ist die Entscheidung, ob der Geschäftsführer für seinen Pflichtverstoß zur Haftung gezogen wird oder nicht, dem Willen der Gesellschafterversammlung entzogen. Systematisch ist § 43 GmbHG als eine der zentralen Vorschriften zur Regelung des Verhältnisses der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft einzuordnen. Im Wechselspiel mit den §§ 45 f. GmbHG stellt § 43 III GmbHG einen direkten Eingriff in die sonst kaum begrenzte Dispositionsfreiheit der Gesellschafter dar. Die Auslegung nach dem Wortlaut und die Auslegung nach der Gesetzessystematik lassen jedoch beide sowohl die Interpretation als Ausnahme zu einem fortbestehenden Grundsatz als auch die Interpretation als Modifikation ebenjenen Grundsatzes zu. 2. Historische Auslegung Da Wortlaut und Systematik keine eindeutige Lösung bereithalten, lässt sich weiterhin der historische Wille des Gesetzgebers zu Rate ziehen. Der § 43 III 3 GmbHG ist seit Inkrafttreten des GmbHG am 26. April 1892363 unverändert.364 Entscheidend wäre somit, ob der Gesetzgeber von 1892 die Problematik bereits vor Augen hatte. So könnte durch die Regelung einerseits eine allgemeine Berücksichtigung von Gläubigerinteressen gewollt gewesen sein. Andererseits könnte durch die damalige Einführung der GmbH die Schaffung eines Gegenstücks zur AG beabsichtigt gewesen sein und damit eine Möglichkeit zu schaffen, die Gesellschafterinteressen ungestört ausüben zu können. Aus den Protokollen des Reichstags zur Beratung über den Gesetzentwurf zum GmbHG geht hervor, dass insbesondere letzteres als Motiv im Vordergrund stand.365 Demnach sollte gerade eine Regelung entstehen, die nicht an das starre System des Aktienrechts und die entsprechenden Interessenverhältnisse anknüpft. Es sollte somit eine eigenständige, neue Gesellschaftsform mit größeren Freiheitsgraden der Gesellschafter etabliert werden. Die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter steht somit im Vordergrund. Allerdings wird 363 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 04. 1892 (RGBl. 1892, Nr. 24, Seite 477 – 499). 364 Im GmbHG vom 26. 04. 1892 noch unter § 44 III 3 GmbHG a.F. zu finden. 365 Erste Beratung des GmbHG 1892 in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1890/92, 177. Sitzung vom 19. 02. 1892, S. 4304 (B): „Der neue Gesetzentwurf füllt die jetzige klaffende Lücke zwischen oHG und AG […]“; weiterhin wird dort ausgeführt, dass das Gesetz „[…] mit außerordentlicher Schärfe das zwingende Recht von dem dispositiven Recht scheidet, welches letztere der Regelung durch den autonomen Gesellschaftsvertrag vorbehalten wird. […] Das zwingende Recht ist in dem Gesetzesentwurf aufs äußerste beschränkt, und es sind insbesondere keine unnötigen Beschränkungen eingeführt worden, wodurch die Anziehungskraft der neuen Gesellschaftsform für das Kapital vermindert werden könnte.“.

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auch die Relevanz der Gläubigerinteressen betont. Diese sollen nicht nur durch den Schutz des Stammkapitals gewährleistet werden, vielmehr soll auch das subjektive Element im Gesellschafterverband in den Vordergrund gestellt werden und somit eine direkte Verbindung von Gesellschaftsanteil und Verantwortlichkeit bestehen.366 Die Problematik zum Unternehmensinteresse, wie es heute diskutiert wird, lag den Erwägungen des Gesetzgebers von 1892 noch nicht zugrunde. Die Diskussion zu diesem Thema kam zuerst im Aktienrecht auf und dies erst zu Zeiten der Weimarer Republik.367 Allerdings geht die Begründung zum Gesetzentwurf von 1892 im Zusammenhang mit dem heutigen § 43 GmbHG und den Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers sehr deutlich auf die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen ein. Diese sollen explizit bei der inhaltlichen Bestimmung der Sorgfaltspflicht Berücksichtigung finden.368 Nach alledem lässt sich der historische Wille des Gesetzgebers dahingehend zusammenfassen, dass die Interessen und die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter im Vordergrund stehen. Die Geschäftsführer müssen jedoch die Interessen der Gläubiger berücksichtigen und dies auch über die schlichte Befolgung der Kapitalerhaltungsvorschriften hinaus. 3. Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift Schließlich und vor allem stellt sich die Frage, ob auch aus heutiger Sicht eine allgemeine Berücksichtigung der Gläubigerinteressen dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht. Dabei lässt sich von einer Einschränkung der Dispositionbefugnisse der Gesellschafter unmittelbar auf eine Einschränkung der Berücksichtigung der Gesellschafterinteressen schließen. Denn soweit die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter zugunsten des Gläubigerschutzes eingeschränkt ist, hat der Geschäftsführer korrespondierend die Interessen der Gläubiger anstelle jener der Gesellschafter zu berücksichtigen. 366 Erste Beratung des GmbHG 1892 in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1890/92, 177. Sitzung vom 19. 02. 1892, S. 4304 (C): „Hierzu (Sicherstellung der Gläubiger) dient in erster Linie die durch das ganze Gesetz gleichmäßig und konsequent durchgeführte Sicherstellung der Integrität des Stammkapitals. […] Sodann erstrebt das Gesetz ebenso konsequent die Stärkung des subjektiven Elements im Gesellschaftsverband.“. 367 Siehe Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1307. 368 Begründung zum GmbHG 1892 in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des deutschen Reichstags 1890/92 Reichstag-Aktenstück Nr. 660, S. 3750, § 44: „In Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Verantwortlichkeit der Vorstandmitglieder von Aktiengesellschaften und eingetragenen Genossenschaften bezeichnet der Entwurf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes als den Maßstab, nach welchem sich die Haftung der Geschäftsführer wegen schuldhafter Verletzung ihrer Obliegenheiten bestimmt. Ein geringerer Maßstab darf an die Verantwortlichkeit derselben nicht gelegt werden, zumal es sich dabei nicht bloß um die Interessen der Gesellschafter, sondern auch um diejenigen der Gesellschaftsgläubiger handelt.“.

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Da jede wirtschaftlich nachteilige Handlung potentiell die Chancen der Gesellschaftsgläubiger auf Befriedigung ihrer Ansprüche verringern kann, wäre bei strikter Befolgung der Gesellschaftsgläubigerinteressen jede Weisung zu wirtschaftlich nachteiligem Handeln unwirksam. Dies wäre jedoch nicht mit der Konzeption der GmbH zu vereinen. Die Gesellschafterversammlung stellt das oberste Willensbildungsorgan der Gesellschaft dar, eine Beschränkung ihrer Dispositionsbefugnisse kann nur in Ausnahmefällen zulässig sein.369 Es ist daher nicht zu bestreiten, dass die Gesellschafterversammlung grundsätzlich befugt ist, auch Weisungen zur Durchführung risikoreicher Geschäfte zu erteilen, ja sogar wirtschaftlich nachteilige oder wenig erfolgsversprechende Handlungen anzuordnen,370 soweit diese nicht dem Gesellschaftszweck widersprechen.371 Des Weiteren wird es auch regelmäßig ex ante kaum möglich sein, die langfristigen Folgen einer möglicherweise nur auf kurze Sicht nachteiligen Maßnahme zu beurteilen. Die Gesellschafterinteressen genießen folglich den Vorrang und die Gesellschafter haben das Recht, wirtschaftliche Entscheidungen nach eigenem Ermessen und Willen vorzugeben. Andererseits lässt sich feststellen, dass die Stimmen für einen interessenpluralistischen Ansatz lauter werden.372 Es kann nach obigen Feststellungen zwar keine unbeschränkte Berücksichtigung der Belange der Gesellschaftsgläubiger stattfinden, allerdings ist die Weisungsbefugnis der Gesellschafter durchaus über die speziellen gläubigerschützenden Vorschriften hinaus im Interesse der Gläubiger eingeschränkt. Grenzen des Weisungsrechts der Gesellschafter sind insbesondere durch die Treuepflichten der Gesellschafter untereinander und die Sittenwidrigkeit gesetzt.373 Hierbei berücksichtigen die Tatbestände der Sittenwidrigkeit auch die Belange der Gesellschaftsgläubiger. Zu nennen ist hier die vom BGH etablierte Haftungsgrundlage der Existenzvernichtungshaftung.374 Die im Zusammenhang mit der 369 Siehe auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 6; Konzen, NJW 1989, 2977, 2982. 370 Siehe BGH NJW 2010, 64; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1997, 736, 737; Stephan/ Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 120. 371 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 24; bei einstimmigen Beschlüssen ist auch eine Entscheidung gegen den bestehenden Gesellschaftszweck möglich, siehe Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 97. 372 Siehe nur: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftungsrecht, § 9 Rn. 19; OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 715 (LS): Die Geschäftsführung hat „unter der gebotenen Berücksichtigung öffentlicher Interessen“ stattzufinden; ebenfalls für eine Berücksichtigung des öffentlichen Interesses: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 7. 373 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 18; Konzen, NJW 1989, 2977, 2982; siehe zum reflexiven Schutz der Gläubigerinteressen durch die mitgliedschaftlichen Treuepflichten Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 232. 374 Siehe BGH NJW 2007, 2689: Einen wichtigen Tatbestand hat der BGH in der TrihotelEntscheidung mit der Existenzvernichtungshaftung der Sittenwidrigkeit zugeordnet. Dieser Tatbestand stellt ausdrücklich eine über den Tatbestand des §§ 31, 30 GmbHG hinausgehende

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Existenzvernichtungshaftung entwickelten Grundsätze hat der Geschäftsführer bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und in diesem Rahmen auch die Gläubigerinteressen zu wahren. Insgesamt bilden die Gläubigerinteressen also einen Teil des Unternehmensinteresses, wenn auch nicht auf gleicher Ebene mit den Gesellschafterinteressen. Fraglich ist nun lediglich noch, ob über den Einfluss der Treuepflichten und der guten Sitten hinaus auch aus § 43 III 3 GmbHG eine eigenständige Beschränkung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter und damit eine noch weitergehende Berücksichtigung der Gläubigerinteressen gerechtfertigt ist. Hierzu ist zunächst der verbleibende Anwendungsbereich für eine solche eigenständige Wirkung zu ermitteln. Die äußeren Grenzen werden zum einen durch die bereits dargestellten Beschränkungen durch Gesetz und die guten Sitten und zum anderen durch den Vorrang der Gesellschafterinteressen gesetzt. Letzterer beinhaltet, dass eine Wirkung des § 43 III 3 GmbHG über das Interesse der Gesellschaftsgläubiger an der reinen Befriedigung ihrer Forderungen hinaus seinen Anwendungsbereich überdehnen würde.375 So kann ein Gläubiger kein Interesse bezüglich der Art und Weise der Verwendung der ihm aus dem Gesellschaftsvermögen zustehenden Mittel geltend machen, soweit eine solche Zuordnung überhaupt möglich ist. Es verbleibt somit das Interesse an der Kapitalerhaltung, welches jedoch nicht schon durch schlicht wirtschaftlich nachteiliges Handeln berührt wird und noch nicht die Intensität eines existenzvernichtenden Eingriffs376 erreicht. Eine unter der Schwelle der Sittenwidrigkeit liegende Handlung kann jedoch richtigerweise das Weisungsrecht der Gesellschafter nicht beschränken, da deren Befugnis, die wirtschaftlichen Geschicke der Gesellschaft selbst zu bestimmen, hierdurch unverhältnismäßig eingeschränkt würde. Weiterhin würde eine Beschränkung unterhalb dieser Schwelle mangels klar definierbarer Grenzen zu unhaltbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Hier hat die Rechtsprechung zur Existenzvernichtungshaftung praktikable Kriterien entwickelt.377 Diese Schwelle über eine weitergehende Anwendung des § 43 III 3 GmbHG aufzuweichen, würde die hier gewonnene Rechtssicherheit gefährden. Dies würde durch die geringfügige Besserstellung der Gläubiger nicht aufzuwiegen sein. Zumal den Gläubigern der Weg über eine individualvertragliche zusätzliche Absicherung offen steht.378 Beschränkung der Weisungsbefugnisse der Gesellschafter dar; vgl. aktuell BGH WM 2012, 1034, 1034. 375 So auch Konow, GmbHR 1968, 219, 220. 376 Zur Definition des existenzvernichtenden Eingriffs siehe BGH NJW 2007, 2689, 2690: „Der kompensationslose, durch missbräuchlichen Eingriff verursachte Entzug des Gesellschaftsvermögens mit der Folge der Zahlungsunfähigkeit oder der Vertiefung derselben“. 377 Siehe BGH NZG 2005, 214, 215: „gezielter, betriebsfremden Zwecken dienender Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen“; Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2657. 378 So Klöhn, ZGR 2008, 110, 151 ff., der aus der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Gläubiger folgert, dass deren Interessen bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses in börsennotierten Gesellschaften allenfalls in Ausnahmefällen Berücksichtigung finden soll. Für

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Maßgeblich gegen eine unmittelbare Verpflichtung des Geschäftsleiters auf Gläubigerinteressen spricht schließlich, dass das gesamte Haftungssystem in der GmbH auf die Gesellschaft ausgerichtet ist. Die Gläubigerinteressen finden lediglich über § 43 III 3 GmbH Berücksichtigung, während ein eigenständiges Verfolgungsrecht entsprechend § 93 V AktG nicht besteht. Der Schutz der Gläubigerinteressen durch die Geschäftsführerhaftung ist somit insgesamt reflexiv ausgestaltet: Ein direkter Anspruch gegen die Geschäftsführer besteht nicht und auch der Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer besteht grundsätzlich nur, soweit die Gesellschafter keine anderweitige Disposition treffen.379 Daraus folgt, dass die Gläubigerinteressen auch im Rahmen des Unternehmensinteresses als Verhaltensmaßstab des Geschäftsführers grundsätzlich nur mittelbar zu berücksichtigen sind und eine unmittelbare Berücksichtigung nur selektiv im Rahmen des § 43 III 3 GmbHG und der Existenzvernichtungshaftung stattfindet. 4. Zwischenergebnis Die Analyse des § 43 III 3 GmbHG hat ergeben, dass eine Berücksichtigung der Gläubigerinteressen, auch über die ohnehin gesetzlich vorgeschriebenen Tatbestände hinaus, vom Wortlaut gedeckt wäre. Weiterhin entspräche eine solche Interpretation dem historischen Willen des Gesetzgebers. Auch aus heutiger Sicht ist die Einbeziehung der Gesellschaftsgläubigerinteressen in die Entscheidungsfindung des Geschäftsführers geboten. Dies wird jedoch nicht durch eine erweiterte Anwendung des § 43 III 3 GmbHG gewährleistet, sondern insbesondere durch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit.380 Die Gläubigerinteressen sind daher insgesamt nur mittelbar, nachrangig zu den Gesellschafterinteressen, bei der Auslegung des Unternehmensinteresses zu berücksichtigen. So ist eine Berücksichtigung erst dann geboten, wenn in das Interesse der Gläubiger am Bestand des Gesellschaftsvermögens in der Art erheblich und gezielt eingegriffen wird, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt oder vertieft wird.381 Außerhalb dieser speziellen Einschränkung ist der Geschäftsleiter bei seiner Entscheidungsfindung nicht an die Interessen der Gläubiger gebunden.

Gesellschaften mit geschlossenem Gesellschafterkreis wird jedoch eine Gläubigerinteressenberücksichtigung befürwortet. 379 Siehe zur reflexiven Ausgestaltung des Gläubigerschutzes: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 305; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 232; Kindl, § 26 Rn. 14 (S. 283); Konow, GmbHR 1968, 219, 220. 380 Siehe BGH NJW 2007, 2689, 2690: Insofern von einer Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger sprechend. 381 Siehe die Grundsätze zur Existenzvernichtungshaftung: BGH NZG 2005, 214, 215; Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2657.

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II. Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen (MitbestG) Bezüglich der Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen läuft die Untersuchung zunächst auf die Frage hinaus, ob sich ein dogmatischer Anknüpfungspunkt hierzu finden lässt. Sodann wäre zu klären, ob das Wohl und Wehe der Gesellschaft und damit auch der Arbeitnehmer ausschließlich dem Willen der Gesellschafter unterworfen sein soll oder ob aus Billigkeitserwägungen den Interessen der Arbeitnehmer ein besonderer Schutz zuteilwerden soll, sodass diese nicht schutzlos den rein wirtschaftlichen Interessen der Gesellschafter ausgeliefert sind. Eine Rechtsquelle zur allgemeinen Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen findet sich im GmbHG nicht. Allerdings könnte ein Anknüpfungspunkt jedenfalls für GmbH mit über 2000 Arbeitnehmern in den Regelungen des 1976 eingeführten Mitbestimmungsgesetztes382 zu sehen sein, welches eine Stärkung der Belange der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat normiert.383 Insbesondere aus der Kompetenz des Aufsichtsrats zur Benennung des Geschäftsführers nach § 31 MitbestG wurde eine Pflicht des Geschäftsführers zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen gefolgert und wird zum Teil noch heute so vertreten.384 Zu beachten ist jedoch, dass die Gesellschafter nach wie vor das Letztentscheidungsrecht innehaben, da sie gemäß § 25 I Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 IV 4 AktG die Entscheidungen des Aufsichtsrats durch Gesellschafterbeschluss mit 3/4 Mehrheit überstimmen können. Weiterhin herrscht beim Stimmenverhältnis im Aufsichtsrat auch nur eine quasiparitätische Aufteilung, da der von den Gesellschaftern gewählte Aufsichtsratsvorsitzende bei Stimmgleichheit zwei Stimmen hat.385 Es lässt sich somit zwar eine Stärkung der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen feststellen, oberstes Willensbildungsorgan bleibt jedoch ohne Frage die Gesellschafterversammlung.386 Dementsprechend erscheint es fragwürdig, das Weisungsrecht der Gesellschafter einzuschränken; dies gilt selbst dann, wenn eine Weisung die Arbeitnehmerinteressen 382 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) v. 04. 05. 1976, BGBl I S. 1153. 383 Einschneidenste Änderung stellte die Umstellung auf einen quasi-paritätisch besetzten Aufsichtsrat dar, nach § 7 MitbestG. Die Arbeitnehmer stellen zwar die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder, nach § 27 MitbestG haben jedoch die Anteilseigner das Vorrecht zur Bestimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden. Dieser hat wiederum in Pattsituationen nach § 29 MitbestG ein doppeltes Stimmrecht. Ein leichtes Übergewicht verbleibt somit auch im Aufsichtsrat bei den Anteilseignern. 384 Siehe Ulmer, S. 44 u. S. 49; Ulmer/Habersack, in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 30 Rn. 19; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 29; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 50; Koberski, in: Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 30 Rn. 42. 385 Siehe §§ 7, 27, 29 MitbestG. 386 Siehe auch BVerfG NJW 1979, 699, 704; selbst die Vertreter der Ansicht zur Einbeziehung der Arbeitnehmerinteressen in das Unternehmensinteresse stimmen dem Fortbestand des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung grundsätzlich zu: Ulmer, S.46; Ulmer/ Habersack, in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 30 Rn. 19; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 50; Koberski, in: Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 30 Rn. 42. Siehe §§ 7, 27, 29 MitbestG.

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gröblich verletzen würde.387 Um zum richtigen Ergebnis zu kommen, ist die Intention des Mitbestimmungsgesetzes und dessen Einbettung in das geltende Gesellschaftsrecht zu hinterfragen. Wie aus § 25 II und § 30 MitbestG hervorgeht und wie auch im Gesetzgebungsverfahren angedacht,388 soll an dem geltenden Gesellschaftsrecht weitestgehend nichts geändert werden. Vielmehr sollen gezielt Mitbestimmungsrechte eingeführt werden, welche darüber hinaus jedoch keine Auswirkungen auf andere Entscheidungsprozesse im Unternehmen haben sollen. Dies bedeutet, dass gerade das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unberührt bleibt und dass der Aufsichtsrat zwar die Personalie des Geschäftsführers bestimmt, nicht jedoch dessen Entscheidungsfindung beeinflussen kann. Der Aufsichtsrat ist als Kontrollorgan und gerade nicht als Willensbildungsorgan konzipiert. Der Geschäftsführer ist somit nicht zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen bei Geschäftsführungsentscheidungen verpflichtet.389 Vielmehr erschöpfen sich die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in den konkreten Regelungen des MitbestG. Dieses Ergebnis erscheint zumindest mit Blick auf Großunternehmen, welche Einfluss auf eine Vielzahl von Individuen und die Volkswirtschaft haben, problematisch. Doch die gesellschaftsrechtlichen Regelungen sehen die Gesellschafterversammlung als höchstes Organ in der GmbH an, welches auch grundlos durch Beschluss die Gesellschaft auflösen kann.390 De lege lata lässt sich damit ein weitergehender Einfluss der Arbeitnehmerinteressen nicht begründen. Soweit dies rechtspolitisch gewollt ist, wäre hierzu vielmehr eine gesetzliche Regelung notwendig, welche die Organisationsverfassung der GmbH ab einer bestimmten Arbeitnehmerzahl grundlegend reformiert. Hierbei wären die erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Bestimmung der einzelnen Interessen und bei der Bestimmung einer ausreichend schweren Interessenverletzung zu adressieren. Weiterhin müsste die Eigentumsgarantie nach Art. 14 I 2 GG zugunsten der Gesellschafter gewahrt werden, was bei einer voll-paritätischen Mitbestimmung wohl nicht der Fall wäre.391

387 Für eine entsprechende Einschränkung aber Ulmer, S. 49; Ulmer/Habersack, in: Hanau/ Ulmer, MitbestG, § 30 Rn. 19; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 29; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 50; Koberski, in: Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 30 Rn. 42. 388 Siehe BT-Dr 7/4845 S. 2: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz — MitbestG) Drucksache 7/2172. 389 So auch die wohl herrschende Meinung: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 31; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 22; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GmbHG, § 37 Rn. 11; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 32; Wisskirchen/Kuhn, in: Beck OK GmbHG, § 37 Rn. 18; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1310; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 VI 2. b) (S. 1110). 390 Siehe § 60 I Nr. 2 GmbHG. 391 Siehe Papier, in: Maunz/Düring, GG, Art. 14 Rn. 500.

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Nach heutiger Rechtslage ist eine allgemeine Bindung des Geschäftsführers an Arbeitnehmerinteressen nicht haltbar. Der Schutz der Arbeitnehmerinteressen wird vielmehr durch das geltende Individual- und Kollektivarbeitsrecht gewährleistet.392

III. Allgemeinheit (Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 II GG) Ein weiterer potentieller Interessenträger bezüglich der Geschicke des Unternehmens ist die Allgemeinheit, genauer: die soziale Gemeinschaft, in dessen Rahmen das Unternehmen agiert. Eine solche Sozialbindung des unternehmerisch genutzten Eigentums wird teilweise aus Art 14 II GG und der gesellschaftlichen Bedeutung von Großunternehmen hergeleitet.393 Soweit man überhaupt eine Etablierung von konkreten Pflichten durch Art. 14 II GG annimmt,394 stellt sich weiterhin die Frage, welchen Inhalt ein solches Interesse der Allgemeinheit haben soll und ob im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der Anteilseigner möglich ist. Die erste Hürde besteht schon darin, ein einheitliches Handlungsgebot aus dem Interesse der Allgemeinheit herzuleiten. Hier fließt eine Vielzahl von Interessen zusammen, welche sich nicht auf eine einheitliche Unternehmenspolitik vereinen lassen. So lässt sich einerseits auf möglichst profitables Wirtschaften abstellen, um höchstmögliche Steuererträge zu generieren, andererseits auf das Bereitstellen möglichst vieler Arbeitsplätze. Weiterhin lassen sich karitative Handlungen und Investitionen in den Umwelt- oder Verbraucherschutz erfassen. Schließlich soll wiederum innovatives, risikoreiches unternehmerisches Handeln volkswirtschaftlich vorteilhaft sein.395 Es zeigt sich schon an diesen wenigen Beispielen, dass das Interesse der Allgemeinheit viele widerstreitende Aspekte beinhaltet und damit als Verhaltensmaßstab ungeeignet ist. Weiterhin ließe sich ein konkretes Handlungsgebot aus Art. 14 II GG allenfalls in engen Grenzen herleiten. Dementsprechend müsste die Allgemeinheit in ausreichender Intensität betroffen sein, insbesondere dürfte der Schutz der Allgemeinheit nicht schon durch eine konkrete Schrankenbestimmung normiert sein. Eine solche Schutzlücke ist allenfalls bei Großunternehmen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung anzunehmen, soweit eine Kontrolle durch den Markt und wettbewerbsoder gesellschaftsrechtliche Normen nicht gewährleistet ist. Doch gerade dieser Unternehmenstyp ist unter den GmbH der absolute Ausnahmefall und damit wäre eine Anwendung des Art. 14 II GG regelmäßig unverhältnismäßig.396 392

So auch Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1310. Siehe Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2. e) cc) (S. 183). 394 Dagegen Axer, in: Beck OK GG, Art. 14 Rn. 25; Papier, in: Maunz/Düring, GG, Art. 14 Rn. 306; BVerfG NJW 1981, 1257, 1257; befürwortend aber: Hofmann, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht IX, § 195 Rn. 19.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 66 f. 395 Siehe Ruffner, ZSR 2000, 199, 205. 396 So auch Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309. 393

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Eine Einbeziehung des Gemeinwohls in das Unternehmensinteresse ist somit nicht anzuerkennen. IV. Unternehmensinteresse im GmbH-Konzern Die Definition des Unternehmensinteresses als Kumulation ausschließlich der Gesellschafterinteressen stößt bei einer Betrachtung von GmbH, welche an einen Konzern angebunden sind, an ihre Grenzen. Soweit die Anteile der GmbH mehrheitlich von dem beherrschenden Unternehmen gehalten werden, müsste nach dieser Definition das Interesse des beherrschenden Unternehmens an die Stelle des Unternehmensinteresses des beherrschten Unternehmens treten. In diesen Fällen scheint jedoch das Unternehmensinteresse durch ein eigenständiges, vom Gesellschafterwillen unabhängiges Bestandsinteresse angereichert zu werden.397 Zu berücksichtigen ist jedoch die wechselhafte Geschichte der Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Konzernrecht.398 Soweit man auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ein schlüssiges Bild zum Unternehmensinteresse im GmbH-Konzern zeichnen möchte, wird man auf die aktuellsten Entwicklungen abstellen müssen und damit auf die heute geltenden Entscheidungen, welche in der Existenzvernichtungshaftung nach § 826 I BGB münden.399 Damit ist ein vom Gesellschafterwillen unabhängiges Bestandsinteresse nicht mehr zu erkennen, vielmehr entspricht die Interessenlage dem Bild der nicht konzernierten GmbH. Eine mit einem Bestandsinteresse vergleichbare Verhaltensvorgabe existiert nur hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens im Rahmen der sowohl in der konzernierten als auch in der nicht konzernierten GmbH zu berücksichtigenden Interessen der Gesellschaftsgläubiger. Insofern kann auf die Ausführungen zum Einfluss der Gläubigerinteressen auf das Unternehmensinteresse verwiesen werden. Ein eigenständiges Bestandsinteresse hat der Geschäftsführer somit bei der Umsetzung des Unternehmensinteresses nicht zu berücksichtigen.

397

Siehe BGH NJW 2001, 3622, 3623, der feststellt, dass der Gesellschafter zum Zwecke des „Bestandsschutzes“ bei „Eingriffen in ihr (die beherrschte GmbH) Vermögen und ihre Geschäftschancen angemessene Rücksicht auf ihre seiner Disposition entzogenen eigenen Belange zu nehmen hat.“. 398 Von der sehr strengen Zustandshaftung im Video-Urteil (BGH NJW 1991, 3142), zur Verhaltenshaftung mit analoger Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen im TBB-Urteil (BGH NJW 1993, 1200), zur weitgehenden Aufgabe der Haftungsgrundlage des faktischen Konzerns im Bremer Vulkan-Urteil (BGH NJW 2001, 3622) und schließlich zur Existenzvernichtungshaftung aus § 826 I BGB in der Trihotel-Entscheidung (BGH NJW 2007, 2689). 399 Siehe BGH NJW 2007, 2689; BGH WM 2012, 1034.

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V. Zwischenergebnis Insgesamt ist es eine rechtspolitische Entscheidung,400 ob das Unternehmensinteresse allein durch die Gesellschafterinteressen definiert werden soll und die GmbH damit uneingeschränkt deren Willen unterworfen ist oder ob auch Arbeitnehmerbelange und Gläubigerinteressen berücksichtig werden müssen. Letztere Variante führt zunächst scheinbar zu einer gerechteren GmbH. Die Schicksale der mit der Gesellschaft verbundenen Interessenträger wären nicht ohne unmittelbaren Einfluss den Gesellschaftern ausgesetzt. Allerdings würde eine interessenpluralistische Auslegung des Unternehmensinteresses auch zu übermäßigen Freiräumen zugunsten der Geschäftsführer führen, die fast jede Entscheidung unter Berufung auf eine plausible Interessenberücksichtigung rechtfertigen könnten.401 So kann auch die aktuelle Gesetzeslage nur im Sinne der erstgenannten Variante ausgelegt werden. Es entspricht letztendlich der aktuellen gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung der GmbH, den Gesellschafterinteressen den Vorrang einzuräumen, womit diese stets berücksichtigt werden müssen. Daneben steht es den Geschäftsführern jedoch frei, soweit sie den entsprechenden Beurteilungsspielraum von den Gesellschaftern eingeräumt bekommen, andere Interessen zu berücksichtigen. So ist es nicht per se pflichtwidrig, Interessen von Arbeitnehmern oder des Gemeinwohls zu berücksichtigen, solange dies nicht dem Interesse der Gesellschafter widerspricht.402

C. Shareholder-Interessen als Verhaltensziel Das Unternehmensinteresse stellt den maßgeblichen Bezugspunkt der Geschäftsführungsaufgabe dar. Für die AG ergibt sich aus der interessenpluralistischen Ausrichtung des Unternehmensinteresses und der eigenständigen Leitungsmacht des Vorstands schon bezüglich der Konkretisierung des Unternehmensinteresses ein Ermessensfreiraum zugunsten des Vorstands. Als einheitliche Ermessensgrenze lässt sich hier nur die Förderung der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens festhalten. Darauf aufbauend hat der Vorstand zwar die aus Sorgfalts- und Treuepflichten erwachsenden Grenzen zu respektieren, ist jedoch im Grundsatz bei unternehmerischen Entscheidungen in seinem Ermessen frei und lediglich durch diese äußerst abstrakte Definition des Unternehmensinteresses gebunden. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob sich durch die interessenmonistische Ausrichtung auf die Shareholder-Interessen in der GmbH das Verhaltensziel des Geschäftsführers konkreter fassen lässt.

400

So auch Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 122. Siehe Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 64. 402 Siehe zur zutreffenden Unterscheidung der Verpflichtung und der Berechtigung, verschiedene Interessen zu berücksichtigen Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 13. 401

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I. Konkretisierung des Unternehmensinteresses nach dem Shareholder-Ansatz403 Zunächst erscheint ein eigenständiger Ermessensfreiraum des GmbH-Geschäftsführers bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses fragwürdig. Da, im Gegensatz zur AG, nicht eine Vielzahl von Interessen gegeneinander abgewogen werden muss, scheint einem eigenständigen Ermessen die Grundlage entzogen zu sein. So lässt sich aus dem klassischen betriebswirtschaftlichen Modell des Shareholder-Ansatzes konkret die langfristige Gewinnmaximierung als maßgebliches Interesse der Eigenkapitalgeber und damit als Unternehmensziel entnehmen.404 Die Gewinnmaximierung als einziges Ziel impliziert zunächst, dass beispielsweise Arbeitnehmerinteressen stets zurückstehen müssten und der Geschäftsführer stets verpflichtet sei, Kündigungen und Gehaltskürzungen, soweit im Interesse der Gewinnmaximierung erforderlich, vorzunehmen.405 Zugleich scheint ein Standortwechsel zur Umgehung von Steuern und zugunsten eines möglichst niedrigen Lohnniveaus stets geboten zu sein.406 Einer solchermaßen strengen Orientierung an der Gewinnmaximierung stellt jedoch auch die Betriebswirtschaftslehre das Erfordernis einer langfristigen Ausrichtung der Gewinnmaximierung entgegen. Da die Vorhersage langfristiger Auswirkungen stets mit Unsicherheiten belastet ist, eröffnet sich auch hier ein Handlungsspielraum und es entsteht ein Einfallstor für die Berücksichtigung auch anderer Interessen als jener der Shareholder. So liegt es auch im Interesse der Shareholder, die erfolgreiche langfristige Zusammenarbeit mit Kreditgebern, Lieferanten, Mitarbeitern und Kunden zu fördern und im Sinne einer Corporate Social Responsibility die Belange der Öffentlichkeit zu berücksichtigen.407 Insgesamt ist der Ermessensfreiraum des GmbH-Geschäftsführers bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses zwar wesentlich enger gesteckt als der des AG-Vorstands. Der Geschäftsführer ist jedoch insbesondere nicht auf die kurzfristige Gewinnmaximierung verpflichtet, sondern stets berechtigt, sämtliche Stakeholder-Interessen zu berücksichtigen, soweit zumindest ein mittelbarer Nutzen für die langfristige Gewinnmaximierung zu begründen ist und kein entgegenstehender Wille der Gesellschafter erkennbar ist.408 Wie auch bei der AG gilt zu beachten, dass der Ermessensfreiraum bezüglich der Auslegung des Unternehmensinteresses gegenüber dem weiten unternehmerischen Ermessen der BJR abzugrenzen und zu unterscheiden ist. Letzterer kommt erst bei der Entscheidung zum Tragen, ob 403 Der Begriff nimmt Bezug auf den Shareholder-Value-Ansatz, allerdings im weiten Sinne, also mit dem Formalziel einer langfristig- und ertragswertorientierten Unternehmensführung, siehe Reiner, ZVglRWiss 2011, 443, 447. 404 Siehe Mülbert, ZGR 1997, 129, 131 ff.; zu den betriebswirtschaftlichen Grundlagen Wöhe, S. 50 ff.; Bea/Haas, S. 85 ff. 405 Siehe Bea/Haas, S. 91. 406 Siehe Mülbert, ZGR 1997, 129, 138. 407 Siehe Wöhe, S. 54. 408 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 13; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20 f.; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 5.

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eine Maßnahme dem bereits identifizierten Unternehmensinteresse zuträglich sein wird.409 II. Einfluss des Gesellschafterwillens Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist bei der Auslegung des Unternehmensinteresses gegenüber dem ökonomischen Ansatz als zusätzliche Korrektur der Vorrang des Gesellschafterwillens zu beachten.410 So wird sich zwar zeigen, dass, soweit ein abweichender Wille weder geäußert noch in sonstiger Weise ersichtlich ist, die Unternehmensführung grundsätzlich an oben genannten Grundsätzen auszurichten ist und in der Praxis die Gesellschaftsform der GmbH auch im Regelfall zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken eingesetzt wird.411 Sobald der Gesellschafterwille jedoch ein anderes Ziel als die Gewinnmaximierung vorgibt, insbesondere wenn die GmbH zu ideellen Zwecken betrieben wird, ist dies vorrangig zu beachten. Bei der Bestimmung des Gesellschafterwillens kann erstens die Grundausrichtung der Gesellschaft, insbesondere der Gesellschaftszweck, maßgeblich sein, zweitens kann auf den zu der konkreten Entscheidung geäußerten Gesellschafterwillen abgestellt werden und drittens kann ein bezüglich der konkreten Entscheidung mutmaßlich vorliegender Gesellschafterwille erheblich sein. 1. Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand Die Gesellschafter sind im Rahmen ihrer Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft an den einstimmig festgelegten Gesellschaftszweck gebunden.412 Es steht ihnen zwar frei, den Gesellschaftszweck durch einstimmigen Beschluss zu ändern, erreichen sie dieses Quorum jedoch nicht, sind sie an den bestehenden Zweck gebunden.413 So sind die Gesellschafter grundsätzlich nicht berechtigt, Interessen, die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen, geltend zu machen. Dementsprechend ist auch der sich aus den Interessen aller Gesellschafter ergebende Gesellschafterwille von dem aktuell bestehenden Gesellschaftszweck abhängig. Die Grundausrichtung des Unternehmensinteresses bestimmt sich somit nach dem aus dem Gesellschaftsvertrag herzuleitenden Gesellschaftszweck. Soweit sich aus dem Gesell409

Siehe hierzu bereits die Ausführungen zur AG: § 4 B. II. 2. und 3. Siehe auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 14; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 68. 411 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 18. 412 Siehe Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 93 ff.; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 13 Rn. 40; Haese, S. 46; Winter, S. 86 f., der insofern die Bindung der Gesellschafter an das Unternehmensinteresse hervorhebt. 413 Siehe zum Zustimmungserfordernis aller Gesellschafter zur Änderung des Gesellschaftszwecks: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 15; Wicke, GmbHG, § 1 Rn. 2; Michalski, in: Michalski, GmbHG, § 1 Rn. 7; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3. a) (S. 65). 410

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schaftsvertrag nichts anderes ergibt, besteht der Gesellschaftszweck in der selbständigen, eigennützigen und erwerbswirtschaftlichen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr.414 In diesen Fällen darf von der oben dargestellten langfristigen Gewinnmaximierung als Leitmaxime ausgegangen werden.415 Anders ist das Unternehmensinteresse auszulegen, wenn der Gesellschaftszweck nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, so bei wirtschaftlichen Zwecken ohne Gewinnerzielungsabsicht, ideellen und gemeinnützigen Zwecken.416 In diesen Fällen findet der ShareholderAnsatz im betriebswirtschaftlichen Sinne keine Anwendung. Vielmehr hat sich die Unternehmensführung an dem im Einzelfall durch Auslegung zu ermittelnden Gesellschaftszweck zu orientieren. Von dem Gesellschaftszweck ist nach herrschender Ansicht der Unternehmensgegenstand zu unterscheiden, wobei das Verhältnis der Begriffe umstritten ist.417 Teilweise wird der Unternehmensgegenstand als Formulierung des Mittels zur Erreichung des Gesellschaftszwecks angesehen,418 andere sehen den Zweck als Oberbegriff und ordnen den Gegenstand als Teilausschnitt unter419 und wieder andere unterscheiden funktional nach dem Unternehmensgegenstand als Tätigkeitsbeschreibung im Außenverhältnis und Gesellschaftszweck als Zielvorgabe im Innenverhältnis.420 Im Ergebnis besteht jedoch Einigkeit, dass, soweit keine anderweitige Satzungsregelung besteht, der zwingend im Gesellschaftsvertrag anzugebende421 Unternehmensgegenstand die Haupterkenntnisquelle zur Ermittlung des Gesellschaftszwecks darstellt.422 Weiterhin lässt sich als gemeinsamer Nenner der vertretenen Ansichten der Unternehmensgegenstand als äußerer Rahmen des konkreten 414 Siehe BGH DNotZ 1988, 102, 105; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 12; Ulmer/ Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 12; Priester, in: Scholz, § 53 Rn. 182; Tieves, S. 40. 415 So auch Priester, in: Scholz, § 53 Rn. 182. 416 Siehe zu möglichen Ausgestaltungen Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 18 f., 34 ff. 417 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 6; Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 1 Rn. 4; Michalski, in: Michalski, GmbHG, § 1 Rn. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 4; Tieves, S. 23. 418 So Priester, in: Scholz, § 53 Rn. 181; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 4; Riemenschneider/Freitag, in: MHdB GesR III, § 4 Rn. 1; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 5 (S. 35). 419 So Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 1 Rn. 5; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3. b) (S. 65 f.); Tieves, S. 28. 420 So Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 8; Schäfer, in: Henssler/Strohn, AktG § 1 Rn. 5; Haese, S. 46. 421 Siehe § 3 I Nr. 2 GmbHG; nur der Unternehmensgegenstand ist zwingend anzugeben, nicht aber der Gesellschaftszweck: Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 4; Riemenschneider/Freitag, in: MHdB GesR III, § 4 Rn. 1. 422 Siehe RGZ 164, 129, 140 – II 171/39; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 1 Rn. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder, GmbHG, § 1 Rn. 6; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 14; Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 9; Riemenschneider/Freitag, in: MHdB GesR III, § 4 Rn. 1.

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Tätigkeitsbereichs des Unternehmens begreifen. Der Gesellschaftszweck ist demgegenüber das einvernehmlich von den Gesellschaftern bestimmte, der allgemeinen unternehmerischen Betätigung übergeordnete Ziel oder der „Endzweck“423 der unternehmerischen Betätigung. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich für die Bestimmung des Unternehmensinteresses festhalten, dass der Gesellschaftszweck einer der maßgeblichen Bestandteile ist und dieser die Geschäftsführer bei der Wahrnehmung des Unternehmensinteresses bindet. Der Unternehmensgegenstand ist je nach Betrachtungsweise ebenfalls als Zielvorgabe im Rahmen des Unternehmensinteresses anzusehen, soweit er als Teil des Gesellschaftszwecks angesehen wird, oder, bei einer funktionalen Betrachtung, vorrangig als äußere Begrenzung eines Handelns im Unternehmensinteresse im Sinne einer Kompetenzbeschränkung. Im Ergebnis liegt auch in einem Verstoß gegen den Unternehmensgegenstand stets ein Handeln außerhalb des unternehmerischen Ermessens.424 2. Geäußerter Gesellschafterwille Weiterhin können die Gesellschafter die Ausrichtung des Unternehmensinteresses durch Gesellschafterbeschluss modifizieren.425 Bezüglich der Voraussetzungen einer entsprechenden Willensäußerung ist zunächst das für die Willensbildung zuständige Organ herauszustellen und sodann auf den Inhalt der konkreten Entscheidung abzustellen. Als Willensbildungsorgan kommen in der GmbH zum einen die Gesellschafterversammlung426 und zum anderen die Gesamtheit der Gesellschafter427 in Betracht. Die Unterscheidung hat allerdings lediglich terminologische Bedeutung und kann dahinstehen.428 Von Bedeutung ist jedoch, dass jedenfalls dem einzelnen Gesellschafter die Willensbildungskompetenz nicht zusteht. Nicht möglich ist daher eine unmittelbare Weisung einzelner Gesellschafter, auch nicht, wenn diese mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt sind.429 Vielmehr ergibt sich der Gesellschafterwille, je nach Mehrheitserfordernis der konkreten Entscheidung, aus 423

So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 9, der die Formulierung aus dem schweizerischen Schrifttum herleitet. 424 Siehe bereits oben § 6 A. III. 2. b) aa) (1). 425 So auch Haese, S. 64. 426 So RGZ 169, 65, 80; OLG Frankfurt a.M. GmbHR 1984, 99, 99; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 4; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 45 Rn. 80. 427 So Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rn. 2; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 45 Rn. 3; Wolff, in: MHdB GesR III, § 36 Rn. 1; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 1. (S. 1094). 428 Siehe Wolff, in: MHdB GesR III, § 36 Rn. 2. 429 Siehe BGH NJW 1991, 1681, 1682; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 110; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 38; Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 44 Rn. 70, allerdings mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, in begrenztem Rahmen das Weisungsrecht auf einzelne Gesellschafter zu übertragen; siehe ausführlich zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Gesellschafterweisungen unten: § 10 A. II. 1. b).

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den ordnungsgemäß gefassten Gesellschafterversammlungsbeschlüssen oder anderen nach Gesetz oder Satzung zulässigen Beschlussformen.430 So ist insbesondere für eine vom Gesellschaftszweck abweichende Weisung ein einstimmiger Beschluss erforderlich und für ein Abweichen vom Unternehmensgegenstand eine Dreiviertelmehrheit.431 Innerhalb der Voraussetzungen einer wirksamen Willensbildung sind die Gesellschafter frei, das Unternehmensinteresse weiter zu konkretisieren. Sie können gegenüber dem Geschäftsführer durch konkrete Weisungen bezüglich einzelner Entscheidungen sowie durch die Festlegung abstrakter Maßstäbe ihren Willen verbindlich erklären.432 Folgt der Geschäftsführer einer solchen rechtmäßigen Weisung, handelt er im Unternehmensinteresse und damit pflichtgemäß.433 3. Mutmaßlicher Gesellschafterwille Bei der Auslegung des Unternehmensinteresses könnte schließlich auch der mutmaßliche Gesellschafterwille einzubeziehen sein. Als mutmaßlicher Gesellschafterwille sind, in Abgrenzung zum geäußerten Gesellschafterwillen, die Interessen der Gesellschaftergesamtheit zu betrachten, die keinen Niederschlag in einem nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorgesehenen willensbildenden Beschluss gefunden haben. Demnach ist der Begriff des mutmaßlichen Willens weit zu fassen und auch ausdrückliche Willensäußerungen der Gesellschafter einzubeziehen, die mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung noch keine Bindungswirkung für den Geschäftsführer entfalten.434 Zunächst ist zu beachten, dass die Berücksichtigung eines mutmaßlichen Willens die Gefahr birgt, die Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, insbesondere zulasten des Geschäftsführers. Daher kann der mutmaßliche Wille der Gesellschafter das Unternehmensinteresse jedenfalls nicht derart positiv konkretisieren, dass Handlungspflichten des Geschäftsführers zu bestimmten Maßnahmen begründet 430 Neben Gesellschafterversammlungsbeschlüssen kommen insbesondere das schriftliche Verfahren gemäß § 48 II und III GmbHG sowie formlose Beschlüsse in Betracht, soweit der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht, siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III. 3. a) (S. 1095). 431 Siehe zu den Beschlussvoraussetzungen zur Änderung des Gesellschaftszwecks in entsprechender Anwendung des § 33 I 2 BGB: Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II. 3. a) (S. 65); sowie zudem zu den Beschlussvoraussetzungen zur Änderung des Unternehmensgegenstands nach § 53 II 1 GmbHG: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 15; Ulmer/Löbbe, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 10; Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 53 Rn. 116; Schäfer, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 1 Rn. 7. 432 Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 37; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 V 3. a) (S. 288). 433 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 275; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 33; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 121. 434 Siehe zur fehlenden Bindungswirkung nicht formgerecht erteilter Weisungen: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 40; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 215.

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würden. Der Geschäftsführer handelt also keinesfalls stets pflichtwidrig, wenn er sich nicht entsprechend dem mutmaßlichen Gesellschafterwillen verhält. Weiterhin ist der Kreis der zur Willensbildung der Gesellschaft berechtigten Gesellschafter zu identifizieren. Hierzu ist nach der Art und Weise der Konkretisierung des Unternehmensinteresses zu differenzieren. a) Vorlagepflicht Der mutmaßliche Gesellschafterwille kann zunächst eine Vermutung zugunsten einer bestimmten Auslegung des Unternehmensinteresses begründen, also zugunsten einer bestimmten Entscheidung. Der Geschäftsführer kann nur dann von dieser anzunehmenden Entscheidungsalternative abweichen, wenn er sich hierzu ordnungsgemäß eine Weisung erteilen lässt.435 Da das Unternehmensinteresse noch nicht auf eine einheitliche Entscheidung konkretisiert wird, sondern lediglich eine Vermutung begründet wird, ist hier eine Ausnahme von dem Grundsatz zu sehen, dass die Willensbildung nur der Gesamtheit der Gesellschafter zusteht und der Wille einzelner Gesellschafter keine unmittelbare Berücksichtigung findet.436 So besteht eine Vorlagepflicht schon dann, wenn ein entsprechender Wille einzelner oder mehrerer Gesellschafter erkennbar ist, deren Stimmen die Mehrheit in der Gesellschaft repräsentieren.437 In diesen Fällen muss der Geschäftsführer davon ausgehen, dass der vermutete Gesellschafterwille nach der Vorlage durch einen Gesellschafterbeschluss zu einem verbindlich geäußerten Willen konkretisiert wird. Eine Entscheidung, mit deren Ablehnung der Geschäftsführer hätte rechnen müssen, ist daher bei unterlassener Vorlage pflichtwidrig.438 Inwieweit zum Schutz der Kompetenzordnung439 und des Minderheitenschutzes440 weitere Vorlagepflichten bestehen, ist 435 Zur Pflicht des Geschäftsführers, einen Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen, soweit dies dem mutmaßlichen Willen der Gesellschafter entspricht, siehe BGH NJW 1984, 1461, 1462. 436 Siehe Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 43 Rn. 60; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 33; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 40. 437 So OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 134. 438 Siehe BGH NJW 1984, 1461, 1462; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 20; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 19. 439 Hier sind insbesondere Vorlagepflichten bei außergewöhnlichen Entscheidungen zu nennen, vgl. zur Frage, wann eine solche vorliegt: OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; auf den Unternehmensgegenstand, eine ständige Unternehmenspolitik, die Bedeutung der Entscheidung und auf das unternehmerische Risiko abstellend: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 17 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 19 f.; auf den engen Maßstab des § 116 HGB verweisend: Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124; das Vorliegen eines

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keine Frage des Unternehmensinteresses und wird an entsprechender Stelle darzustellen sein.441 b) Haftungsbefreiende Wirkung des mutmaßlichen Willens Der zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehende Wille sämtlicher Gesellschafter kann das Unternehmensinteresse wirksam konkretisieren,442 auch wenn dieser Wille nur stillschweigend zum Ausdruck gekommen ist. Die Gesellschafter als Herren der Gesellschaft verkörpern deren Willen und damit die Verhaltensvorgabe des Geschäftsführers.443 Der formlos gebildete, tatsächliche Wille der Gesellschafter setzt sich als wirksame Konkretisierung des Unternehmensinteresses fort. Dementsprechend kann der Geschäftsführer stets den Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens erbringen, wenn er darlegen kann, dass die Entscheidung dem tatsächlichen Willen aller Gesellschafter entsprach.444 Dieser Grundsatz erfährt allerdings drei Einschränkungen. Zunächst müssten die Gesellschafter in der Lage gewesen sein, eine rechtmäßige Weisung zu erteilen. Eine hypothetische Weisung müsste also rechtmäßig gewesen sein und dürfte nicht gegen Treuepflichten oder § 43 III GmbHG verstoßen.445 Weiterhin muss die Entscheidung nicht nur im Interesse der Gesellschafter sein, sondern der Gesellschafterwille muss auch gerade auf eine eigenungewöhnlichen Geschäfts lediglich als Indiz nachrangig zum Gesellschafterwillen ansehend: Haese, S. 79. 440 Insoweit wird teilweise schon auf den Vorlagewillen von 10 % der Stimmanteile (vgl. § 50 GmbHG) abgestellt, so Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 8; OLG München NZG 2015, 66, 67, wonach die Minderheit einen förmlichen Beschluss verlangen kann, auch wenn der Mehrheitsgesellschafter bereits ohne förmlichen Beschluss zugestimmt hat. 441 Siehe dazu noch ausführlich unten: § 10 A. II. 1. 442 Verkörpern die Gesellschafter einen einheitlichen Willen, sind sie gleich einem Alleingesellschafter zu behandeln, vgl. BGH BB 1999, 1569, 1570; BGH NJW 1993, 1922, 1922; BGH NJW 1993, 193, 194. 443 So auch Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 43 Rn. 59; siehe zum Unternehmensinteresse als übergeordnete Verhaltensvorgabe des Geschäftsführers: BGH NJW 2008, 517, 519; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 13, m.w.N. aus der Literatur. 444 Siehe BGH NJW 2000, 576; BGH DB 2003, 1107, 1108; BGH NZG 2008, 316; BGH NZG 2013, 1021, 1024; OLG Stuttgart GmbHR 2000, 1048, 1049; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 121, der darauf abstellt, dass die stillschweigende Billigung einem Gesellschafterbeschluss gleichwertig sein muss; zur Bestimmung des Gesellschaftsinteresses ohne konkreten Gesellschafterbeschluss im Rahmen der Treuepflicht: BGH NJW 1993, 193, 194; BGH NJW 1993, 1922, 1922; BGH BB 1999, 1569, 1570; Baumbach/Hueck/Fastrich/ Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 100; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27, der von einem „konkludenten Einverständnis“ spricht; a.A. gegen eine haftungsbefreiende Wirkung der Billigung durch alle Gesellschafter ohne förmlichen Gesellschafterbeschluss: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 33; OLG Koblenz NZG 1998, 953 (allerdings lag in dem Fall ohnehin ein Anspruch nach § 43 III GmbHG vor). 445 So auch Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 43 Rn. 59.

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ständige Entscheidung des Geschäftsführers gerichtet sein. Der Entscheidungsgegenstand darf also keinem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Schließlich dürfen die Gesellschafter die Entscheidung nicht gerade bewusst im Verantwortungsbereich des Geschäftsführers belassen haben. Entscheiden sich die Gesellschafter, dem Geschäftsführer gerade keine haftungsbefreiende Weisung zu erteilen, kann sich dieser nicht durch Berufung auf einen mutmaßlichen Willen der Gesellschafter der Haftung entziehen.446 Ein Handeln, das dem tatsächlichen Willen aller Gesellschafter entspricht, ist somit pflichtgemäß und haftungsfrei. Weniger deutlich gestaltet sich die Rechtslage, wenn der Geschäftsleiter nur nachweisen kann, dass die getroffene Maßnahme von der für eine hypothetische Weisung erforderlichen Gesellschaftermehrheit gebilligt worden wäre. Insofern kann sich der Gesellschafter nicht darauf berufen, im Unternehmensinteresse und damit pflichtgemäß gehandelt zu haben, da der Gesellschafterwille nur von der Gesamtheit der Gesellschafter gebildet wird und insofern der isolierte Wille einzelner Gesellschafter das Unternehmensinteresse nicht wirksam konkretisiert. Inwieweit sich der Geschäftsführer auf eine hypothetische Billigung der Gesellschaftermehrheit und damit auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen kann, ist höchst umstritten. Der BGH hat in mehreren neueren Entscheidungen den Rückgriff auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten zur Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs eröffnet447 und sich damit gegen eine starke Meinung im Schrifttum gestellt, die jedenfalls bei einem Verstoß gegen Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensvorschriften einen entsprechenden Rückgriff verneint.448 Dem BGH ist jedenfalls für die GmbH mit der wohl überwiegenden Meinung zuzustimmen.449 Aus der umfassenden Bindung des Geschäftsleiters an den Gesellschafterwillen folgt auch in positiver Weise, dass durch 446 OLG München, NZG 2015, 66, 67, das ein solches Recht zur Weisungsverweigerung insbesondere bei fehlender fachlicher Kompetenz der Gesellschafter zur Beurteilung der Entscheidung und bei besonderen Interessen der Gesellschaft annimmt; Hennrichs, NZG 2015, 41, 42 f., der das Recht der Gesellschafter betont, Geschäftsführungsmaßnahmen im Verantwortungsbereich des Geschäftsführers zu belassen; zu einem „Recht auf Desinteresse“ der Gesellschafter: Haese, S. 52; zur Pflicht einer eigenständigen sorgfaltsgerechten Entscheidung in diesen Fällen, die allerdings einen Ermessensspielraum eröffnet: Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 115. 447 Siehe BGH NZG 2013, 1021, 1023; BGH NZG 2008, 783, 785; BGH NJW 2007, 917, 918. 448 Gegen die Anwendbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens in diesen Fällen: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 195; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 53; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 199a; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 416; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 54; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 174; vor der Stellungnahme des BGH auch noch Fleischer, Vorstandsrecht, § 11 Rn. 65. 449 Für einen Rückgriff auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 16; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 266; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 262; Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 22; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 104; ders., FS Schmidt, S. 23, 36 ff.; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1123.

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den sicheren Nachweis, dass bei Vorlage der Entscheidung eine Billigung erteilt worden wäre, der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Schaden entfällt. Der Schutz der Kompetenzordnung wird hier schon dadurch gewährleistet, dass der sichere Nachweis einer hypothetischen Billigung unmöglich sein wird, solange die zuständigen Organe nicht selbst deutlichen Anlass zur Annahme einer solchen Billigung gegeben haben.450 Der Minderheitenschutz unter den Gesellschaftern wird durch die mitgliedschaftlichen Treuepflichten gewährleistet.451 Eine ebenfalls nicht dem Unternehmensinteresse zuzuordnende Verwendung des Begriffs des mutmaßlichen Willens liegt den Ausnahmefällen zugrunde, in denen der Geschäftsführer sein Handeln durch den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter rechtfertigt, wenngleich deren tatsächlicher Wille ein anderer war.452 In diesen Fällen konkretisiert der mutmaßliche Gesellschafterwille nicht das Unternehmensinteresse, da ein entsprechender Wille überhaupt nicht existiert. Vielmehr handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund, der in erster Linie bei strafrechtlichen Fragen Bedeutung erlangt. Denn Geschäftsführer können sich nicht auf einen aus ihrer Sicht bestehenden mutmaßlichen Willen zur wirksamen Konkretisierung des Unternehmensinteresses berufen, wenn ein entsprechender Wille weder erkennbar war noch tatsächlich bestand und die Maßnahme damit tatsächlich nicht im Interesse der Gesellschafter, also auch nicht im Unternehmensinteresse lag. c) Zwischenergebnis Schon durch den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter kann somit das Unternehmensinteresse in für den Geschäftsführer bindender Weise konkretisiert werden. Allerdings lassen sich aus Gründen der Rechtssicherheit ohne formalen Beschluss keine konkreten Handlungspflichten zulasten des Geschäftsführers ableiten. Es besteht lediglich die Pflicht, vor der Durchführung einer geplanten Maßnahme den Entscheidungsgegenstand der Gesamtheit der Gesellschafter zur Entscheidung vorzulegen, soweit von einem entsprechenden Willen der Gesellschafter auszugehen ist. Rechtmäßige Maßnahmen, die dem Willen aller Gesellschafter entsprechen, liegen unzweifelhaft im Unternehmensinteresse, welches somit schon durch das Vorliegen des entsprechenden Gesellschafterwillens konkretisiert wird, ohne dass dieser entäußert werden müsste.453 Keine Konkretisierung 450 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 416, die diesen Nachweis einer probatio diabolica gleichstellen. 451 Insofern kann eine hypothetische Billigung entfallen, wenn diese treuwidrig wäre, siehe noch unten: § 10 A. III. 2.; zudem bleiben die Pflichtwidrigkeit der Handlung und die daraus resultierenden möglichen Konsequenzen bestehen, vgl. BGH NJW 1991, 1681, 1682 (Kündigung aus wichtigem Grund); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 16. 452 So aus strafrechtlichem Blickwinkel im Sinne einer mutmaßlichen Einwilligung in Eilund Notfällen: Wißmann, in: MüKo GmbHG, § 85 Rn. 70; Ransiek, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 85 Rn. 35. 453 Siehe auch Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 27.

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2. Teil: Übertragbarkeit der BJR auf die GmbH

des Unternehmensinteresses liegt in dem Willen einzelner Gesellschafter, selbst dann nicht, wenn diese die Gesellschaftermehrheit stellen. Handelt der Geschäftsführer im mutmaßlichen Willen der Gesellschaftermehrheit, wird dadurch nicht die Pflichtmäßigkeit der Entscheidung begründet. Der Geschäftsleiter kann sich im Haftungsprozess allenfalls mit dem sicheren Nachweis entlasten, dass ein die Maßnahme billigender Gesellschafterbeschluss hätte herbeigeführt werden können. Gemäß dem Grundsatz des rechtmäßigen Alternativverhaltens entfällt dadurch jedoch nicht die Pflichtwidrigkeit, sondern lediglich der Zurechnungszusammenhang. 4. Zwischenergebnis Bei der Unternehmensführung in der GmbH sind vorrangig die Interessen der Gesellschafter bei der Auslegung des Unternehmensinteresses zu beachten. Deren Interessen finden auf erster Ebene in der Festlegung von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand ihren Ausdruck. Soweit der Gesellschaftszweck nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, ist er zum einen aus dem Unternehmensgegenstand abzuleiten und zum anderen ist im Zweifel von einem auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesellschaftszweck auszugehen. Dementsprechend ist, vorbehaltlich abweichender Regelungen durch die Gesellschafter, von einer Ausrichtung des Unternehmensinteresses nach dem Shareholder-Ansatz im betriebswirtschaftlichen Sinne auszugehen.454 Von dieser Auslegung des vermuteten Gesellschafterwillens können die Gesellschafter jederzeit einvernehmlich abweichen und die Zweckbestimmung ändern.455 Der Wille der Gesellschafter wird vorrangig im Rahmen der Beschlussfassung durch die Gesamtheit der Gesellschafter entäußert. Dies bedeutet nicht, dass stets alle Gesellschafter an einem Beschluss mitwirken müssen.456 Ausreichend zur wirksamen Konkretisierung des Unternehmensinteresses ist es, wenn ein nach Gesetz und den gesellschaftsvertraglichen Regeln ordnungsgemäß gefasster Beschluss vorliegt.457 Schließlich kann zur Bestimmung des Unternehmensinteresses als Verhaltensziel des Geschäftsführers auch der mutmaßliche Wille der Gesellschafter herangezogen werden. Dieser verkörpert die Gesellschafterinteressen, die keinen Niederschlag in einem ordnungsgemäß gefassten Beschluss gefunden haben. Mangels eindeutiger Bestimmbarkeit und eingeschränkter Beweisbarkeit können ohne ordnungsgemäßen Beschluss keine unternehmerischen Handlungspflichten zulasten des Geschäftsführers begründet 454

Siehe BGH DNotZ 1988, 102, 105; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 1 Rn. 12; Ulmer/ Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 1 Rn. 12; Priester, in: Scholz, § 53 Rn. 182; Tieves, S. 40; a.A. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a. 455 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 14; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71a; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 68. 456 Siehe Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 47 Rn. 555; Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 46; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 47 Rn. 6. 457 Siehe Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 26 f.

§ 7 Unternehmensinteresse – am Unternehmenswohl beteiligte Parteien

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werden. Allerdings können die Interessen der Gesellschafter auf eine bestimmte Auslegung des Unternehmensinteresses hindeuten und den Geschäftsleiter zur Vorlage der Entscheidung verpflichten, wenn er von diesem mutmaßlichen Willen abweichen will. Gleichzeitig handelt der Geschäftsleiter nachweislich im Unternehmensinteresse, wenn er beweisen kann, dass die Entscheidung dem tatsächlichen Willen aller Gesellschafter entsprach, unabhängig davon, ob dieser Wille entäußert worden ist oder nicht.

3. Teil

Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht § 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht Nach richtiger und absolut überwiegender Auffassung ist die BJR auf die GmbH anwendbar.1 Die Übertragung der Regelung auf die GmbH unter Berücksichtigung der gesellschaftsformspezifischen Besonderheiten wurde bisher in Literatur und Rechtsprechung jedoch nur in ihren Grundzügen vollzogen.2 Die vorangegangenen Ausführungen zu den Anwendungsvoraussetzungen der BJR im Aktienrecht sowie den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen eines solchen weiten unternehmerischen Ermessensfreiraumes sollen nun als Grundlage für die Darstellung des eigenständigen Anwendungsbereichs der BJR im GmbH-Recht dienen. Einen bedeutenden Einfluss auf die Reichweite des Anwendungsbereichs der BJR im GmbHRecht hat die Frage, inwieweit sich ein gerichtlich nicht überprüfbarer Ermessensfreiraum auch hier sachlich rechtfertigen lässt. Ein maßgebliches Argument aus dem Aktienrecht für einen unternehmerischen Ermessensfreiraum ist die Diversifikation der Anleger und deren daraus resultierendes Interesse an einem risikoneutral handelnden Geschäftsleiter.3 Weiterhin kann die Eigenverantwortlichkeit des AG-Vorstands aus § 76 I AktG als dogmatische Grundlage für einen im Bereich der eigenständigen Geschäftsführung und der Leitung des Unternehmens zu gewährleistenden Ermessensfreiraum herangezogen werden und spricht damit ebenfalls 1

BGH NJW 2003, 358; BGH NJW 2008, 3361; BGH NZG 2013, 1021 – 1025; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 71; ders., NZG 2011, 521, 521 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 10; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 121; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1122; Haese, S. 89; a.A. Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851. 2 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 72. 3 Siehe bereits oben: § 4 A. I. Risikoneutralität liegt vor, wenn sich der Entscheidungsträger allein am Erwartungswert einer Entscheidung orientiert und keine Notiz davon nimmt, wie weit die möglichen Entscheidungsergebnisse, aus denen sich der Erwartungswert zusammensetzt, von dem Erwartungswert abweichen. Der risikoneutrale Entscheidungsträger wird aus einer Mehrzahl von Handlungs- bzw. Verhaltensmöglichkeiten diejenige mit dem höchsten Erwartungswert auswählen. Risikoneutral betrachtet ist eine fifty-fifty-Chance auf 0 bzw. 500 E dem sicheren Ergebnis von 250 E gleichwertig und dem sicheren Ergebnis von 200 E vorzuziehen, siehe Bamberg/Coenenberg/Krapp, S. 81 f.

§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht

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deutlich für eine Anwendung der BJR im Aktienrecht.4 Diese beiden bedeutenden Argumente können in dieser Form in der GmbH keine unmittelbare Geltung beanspruchen.5 Auch die Argumentationslinie, dass die Kontrollmechanismen des Marktes eine Disziplinierung der Geschäftsleitung durch eine strenge Haftung ersetzen könnten, greift bei einer als geschlossene Kapitalgesellschaft ausgestalteten GmbH jedenfalls bezüglich der Finanzmarktdisziplinierung nicht durch.6 Darüber hinaus wurde bereits dargelegt, dass das Haftungsrisiko von GmbH-Geschäftsführern im Vergleich zum AG-Vorstand um einige Pegelstriche milder anzusetzen ist, insbesondere können Risikospitzen durch eine Abstimmung mit den Gesellschaftern entschärft werden.7 Im Folgenden wird daher darzulegen sein, inwieweit die verbleibenden aus dem Aktienrecht übertragbaren Argumente zur sachlichen Rechtfertigung einer Anwendung der BJR auf die GmbH tragend sind, ob sich eigenständige Argumente für die GmbH finden und ob sich die von den Kritikern einer umfassenden Anwendung der BJR auf die GmbH vorgebrachten Argumente entkräften lassen.

A. Risikodiversifikation der Anteilseigner Maßgeblicher Rechtfertigungsgrund zugunsten der Anwendung der BJR im Aktienrecht ist das Aktionärsinteresse, welches typischerweise auf ein möglichst profitables Verhalten der Unternehmensführung gerichtet ist und daher eine risikoreiche, aber profitable Entscheidung einer risikoarmen, aber weniger profitablen Entscheidung vorzieht. Dies begründet sich auf der Möglichkeit der Aktionäre, ihr Risiko zu diversifizieren, indem sie ihr Vermögen auf eine Vielzahl von Investitionen aufteilen.8 Eine Interessenlage, welche in der GmbH typischerweise nicht besteht. Die klassische GmbH ist personalistisch geprägt, wobei die Anteilseigner große Teile ihres Vermögens in das Unternehmen investieren und häufig auch die eigene Arbeitsleistung in das Unternehmen einbringen.9 Dementsprechend besteht hier nicht die Möglichkeit, das Ausfallrisiko bei unsicheren unternehmerischen Entscheidungen schon auf Anlegerseite zu diversifizieren und damit zu minimieren. Die 4

Siehe bereits oben: § 5 A. I. Siehe zur eingeschränkten Eigenverantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers oben: § 5 A. II.; zur typischerweise personalistischen Ausgestaltung der GmbH oben: § 5 C. I.; ebenfalls mit der eingeschränkten Diversifikation der Gesellschafter in der GmbH argumentierend: Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 850 f.; Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/ Schön, S. 54 f. 6 So auch Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/Schön, S. 54 f. 7 So argumentiert auch Bachmann, NZG 2013, 1121, 1122; siehe zur Bewertung der Haftungsrisiken in GmbH und AG auch bereits oben: § 6 D. 8 Siehe hierzu ein anschauliches Rechenbeispiel bei Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 841. 9 Siehe Ulmer, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Einl. Rn. A 8; Westermann, in: Scholz, Einl. Rn. 27; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einl. Rn. 6. 5

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Verantwortung, nachhaltig zu wirtschaften und das Gesellschaftsvermögen zu erhalten, liegt folglich bei den Leitungsorganen des Unternehmens und dementsprechend zumindest zu großen Teilen beim Geschäftsführer. I. Sonderfall der kapitalistisch strukturierten GmbH Damit verliert das Argument jedoch noch nicht vollständig seine Geltung für die GmbH. Wie oben dargestellt,10 besteht durchaus die Möglichkeit, eine GmbH auf einen großen Anlegerkreis auszurichten und damit eine mit der des typischen Anlegerkreises einer AG vergleichbare Interessenlage zu schaffen. Auf die breit gefächert investierenden Gesellschafter eines solchen Unternehmens ist das Argument der Risikodiversifikation vollumfänglich anwendbar. Hieran anschließend stellt sich die Frage, ob schon die vergleichsweise geringe Zahl an GmbH, welche auf einen breiten Publikumskreis ausgelegt sind, die allgemeine Anwendung der BJR auf die GmbH rechtfertigen kann. Das sachgerechteste Ergebnis ließe sich durch eine differenzierte Betrachtung erzielen. So wäre allein auf dieser argumentativen Grundlage die BJR auf AG und GmbH mit breitem Anlegerkreis anwendbar. Andererseits müsste man der Unternehmensleitung von personalistisch strukturierten AG und klassischen GmbH den Schutz der BJR versagen.11 Einer solchen Differenzierung steht jedoch die Schwierigkeit einer klaren Abgrenzung entgegen. Die Frage, ab wann eine GmbH ausreichend anlegeroffen und eine AG ausreichend personalistisch strukturiert ist, lässt sich nur schwer in abstrakte Kriterien fassen. Insbesondere, da diesbezüglich nicht immer eine klare Aussage getroffen werden kann. Eine Gesellschaft kann sowohl eine Vielzahl von diversifizierten Anteilseignern haben und gleichzeitig einige Gesellschafter, welche ihr gesamtes Vermögen in die Gesellschaft investiert haben.12 Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung lassen eine differenzierte Betrachtung also als nahezu unmöglich erscheinen. Schließlich bleibt es bei dem recht dünnen Argument, dass es zumindest auch GmbH mit einem risikogeneigten Anlegerkreis gibt, diese jedoch nur einen relativ kleinen Anteil am Gesamtbestand der GmbH in Deutschland ausmachen. II. Risikoaverse Stakeholder in der AG Ein Ausschluss der Anwendbarkeit der BJR auf die GmbH lässt sich auf der Grundlage des Arguments der Risikodiversifikation dennoch nicht begründen. Vielmehr ist festzuhalten, dass gerade das Problem einer heterogenen Gesellschafterstruktur auch bei der klassischen AG besteht. Auch in der börsennotierten AG gibt es Großinvestoren, die einen maßgeblichen Teil ihres Vermögens in die Gesellschaft 10

Siehe oben § 5 C. III. So auch Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 847. 12 Das Problem einer heterogenen Gesellschafterstruktur ebenfalls aufgreifend Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 848. 11

§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht

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investieren.13 Im Falle großer Kursverluste verlieren entsprechend beschränkt investierende Aktionäre den Großteil ihres Vermögens. Auch in der klassischen AG gibt es also Aktionäre, die möglicherweise an einem risikoaversen Verhalten der Geschäftsleiter interessiert sind.14 Weiterhin gibt es, wie oben dargestellt,15 personalistisch ausgestaltete AG, welche häufig sogar im Großteil ihres Anlegerkreises an einer weniger risikofreudigen Unternehmensleitung interessiert sein werden. Einen weiteren Faktor, welcher die Bedeutung des Arguments der diversifiziert anlegenden Anteilseigner schmälert, stellt die nicht unangefochtene Stellung der Anlegerinteressen in der AG dar. Das für den Vorstand maßgebliche Unternehmensinteresse hat sich nicht vorrangig an den Anlegerinteressen zu orientieren, sondern richtet sich nach den Interessen aller Stakeholder, wobei keinem der Interessenträger Vorrang eingeräumt werden soll.16 Gerade die Interessen der Gläubiger und der Arbeitnehmer zielen jedoch nicht auf Kursgewinne und ein kurzfristiges, profitables Verhalten der Unternehmensführung ab, diese Interessenträger sind vielmehr an dem langfristigen Bestand des Unternehmens und dessen Zahlungsfähigkeit interessiert.17 Diesen Interessen kann unter dem Aspekt der Risikodiversifikation eine Ermutigung zu risikofreudigen Entscheidungen der Unternehmensführung wenig zuträglich sein. III. Gesamtbetrachtung der Interessenlage Es lässt sich festhalten, dass die Anlegerinteressen einen wesentlichen Teil des Unternehmensinteresses ausmachen. Weiterhin stellen bei einer Gesamtbetrachtung der Anlegerstruktur die diversifiziert investierenden Aktionäre den absoluten Großteil dar und die entsprechend handelnden GmbH-Gesellschafter werden der Ausnahmefall sein. Es ist insofern den Stimmen beizupflichten, welche das dargestellte Argument als für die GmbH im Wesentlichen für nicht anwendbar erklären.18 Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass diese Argumentationslinie auch für die AG keine absolute Geltung beanspruchen kann. Auch hier spricht die Interessenlage in 13 Dies gilt insbesondere für Familienunternehmen, in denen die Gründungsfamilie häufig große Teile des Unternehmens hält, vgl. Maury, Journal of Corporate Finance, Vol. 12, S. 321, 322. 14 Siehe auch Gossy, S. 44. 15 Siehe oben § 5 C. II. 16 So die h.M.: Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 76 Rn. 19; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 30 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 63; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 76 Rn. 10; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II. 1. a) (S. 804 f.); so wohl auch der BGH: Henze, BB 2000, 209, 212; zu einem Gewichtungsvorsprung der Aktionärsinteressen tendierend: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 34; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1308; Klöhn, ZGR 2008, 110, 155; siehe zum Meinungsstand auch bereits oben § 4 B. II. 1. 17 Insbesondere zur Berücksichtigung des Risikos der „non-financial stakeholders“, wie den Arbeitnehmern: Gossy, S. 49 f. 18 So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 67; Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 122.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

vielen Fällen gegen eine risikoneutrale Einstellung der Unternehmensleitung. Der Ansatz, dies sei das einzig tragfähige Argument im gesamten Gesellschaftsrecht,19 überzeugt daher nicht. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, die beschränkte Anwendbarkeit des Gedankens des risikoneutral handelnden Geschäftsleiters auf die GmbH lasse auch auf eine beschränkte Anwendbarkeit der BJR auf die GmbH insgesamt schließen,20 verliert damit ebenfalls an Überzeugungskraft.21 Vielmehr gilt es, weitere Argumente zu finden, um die Anwendung der BJR in der GmbH auf tragende Säulen zu stellen.

B. Ökonomische Vorteilhaftigkeit von Ermessensfreiräumen Eine ablehnende Argumentation auf der Grundlage der fehlenden Risikodiversifikation der Gesellschafter ist nicht nur aus den oben genannten Gründen unzutreffend. Vielmehr baut eine solche Argumentation auf der These auf, dass risikoneutrales Handeln nur im Interesse risikodiversifizierter Anleger liegen könne. Diese These wird damit begründet, dass nicht diversifizierte Anteilseigner durch mögliche Verluste aus Risikogeschäften stärker gefährdet würden, als dies ihrer persönlichen Interessenlage entsprechen könne.22 Richtig ist, dass risikodiversifizierte Gesellschafter an einem Geschäftsleiter mit möglichst rationaler Risikogewichtung interessiert sein werden, während risikoexponierten Gesellschaftern das Interesse an einer zu großen Risikobereitschaft häufig fehlen wird. Letztere werden sich daher in einer mathematisch präzise kalkulierbaren Entscheidungssituation auch mit einem geringeren Erwartungswert zufrieden geben, wenn sie damit ein höheres Verlustrisiko der Alternativentscheidung mit höherem Erwartungswert umgehen können.23 Dies bedeutet jedoch nicht, dass risikobehaftete Entscheidungen insgesamt nicht im Interesse von Gesellschaftern ohne Risikodiversifikation lägen. Die fehlende Risikodiversifikation führt nicht dazu, dass Entscheidungen, die möglicherweise ein Verlustrisiko bergen, nicht getroffen werden dürften. Eine solche Verhaltensvorgabe scheitert schon daran, dass die konkreten Risikowerte in der Praxis gar nicht hinreichend präzise bestimmbar sein werden.24 Auch das oben genannte Beispiel zu dem Zusammenhang von Risikodiversifikation und Entscheidungspräferenzen trifft keine Aussage über eine absolute Grenze des erlaubten Risikos. So wird auch ein risikoaverser Entscheidungsträger die Entscheidung mit höherem Verlustrisiko der risikoärmeren Entscheidung vorziehen, sobald der Erwartungswert der ersten Ent19

So Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 839. So Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 851. 21 So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 147; ebenso Bunz, S. 248 f., der auch nicht diversifizierten Anteilseignern ein Interesse an einem risikoneutralen Entscheidungsverhalten des Geschäftsführers zuspricht. 22 So Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 840 f. 23 Siehe zu dem Rechenbeispiel Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 839 f. 24 Siehe Rieg, BC 2014, 315, 315 f.; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825, 828 ff. 20

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scheidungsalternative den der zweiten nur weit genug übersteigt. Zudem hängt die Berechnung des Erwartungswerts maßgeblich von dem angestrebten Nutzen ab, es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einem kurzfristigen Verlustrisiko und langfristiger Vorteilhaftigkeit einer Maßnahme für das Unternehmen. Selbst wenn sich also Erwartungswert und das darin enthaltene Verlustrisiko hinsichtlich kurzfristiger monetäter Interessen präzise berechnen ließen, müssten darüber hinaus eine Vielzahl von weiteren Entscheidungsfaktoren berücksichtigt werden.25 Eine Verhaltensvorgabe, die zwischen mäßiger und gesteigerter Risikobereitschaft als interessensteuernde Leitmaxime unterscheiden will, kann daher allenfalls als grober Anhaltspunkt verstanden werden. Entscheidend ist, dass unabhängig von der Risikodiversifikation der Anteilseigner Risikoentscheidungen nicht per se außerhalb des Unternehmensinteresses liegen und dass unterschiedlichen Risikoeinstellungen der Gesellschafter nicht durch eine pauschale Begrenzung eines zulässigen Risikos begegnet werden kann. Vielmehr gilt es andere Instrumente zu finden, die der konkreten Risikoeinstellung der Gesellschafter besser Rechnung tragen. Die Wahrnehmung des Geschäfts mit dem größeren Ausfallrisiko kann jedenfalls auch in der GmbH nicht grundsätzlich als interessenwidrig eingestuft werden. In welchem konkreten Ausmaß risikobehaftete Entscheidungen auch im Interesse nicht risikodiversifizierter Anleger liegen, kann und soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht eigenständig erhoben werden. Insofern kann hier nur auf bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse und darauf beruhende Schlussfolgerungen zurückgegriffen werden. Den folgenden Ausführungen wird daher die weithin vertretene These zugrunde gelegt, dass wirtschaftlich erfolgreiches Handeln nur durch Kreativität und initiativ- und risikobereites Handeln möglich ist.26 Unabhängig von einer Risikodiversifikation der Anteilseigner muss also eine gewisse Motivationsgrundlage für risikoneutrales Handeln des Geschäftsführers geschaffen werden. Überspitzt dargestellt beauftragt schließlich auch ein risikoexponierter Anteilseigner einen Geschäftsleiter nicht mit der Wahrnehmung der Geschäftsführung ausschließlich zur passiven Vermögensverwaltung, sondern um die Geschäfte der Gesellschaft aktiv zu fördern.

25

Neben dem noch theoretisch berechenbaren finanziellen Risiko einer Entscheidung, sind auch rechtliche Risiken, Auswirkungen auf das Unternehmensansehen und weitere Faktoren zu beachten, die über die unmittelbaren Auswirkungen der Einzelentscheidung hinausgehen, siehe BGH NZG 2013, 1021, 1023. 26 BGH NJW 1997, 1923, 1925, mit dem Hinweis, dass zum Schaden von Gesellschaft und Gläubigern, risikobehaftete Geschäftschancen nicht wahrgenommen werden und der Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung verpasst werden könnte; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 110; M. Roth, S. 21 f.; Dauner-Lieb, FS Röhricht, S. 83, 90; Hopt, FS Mestmäcker, S. 909, 914 u. 920.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

I. Risikogeschäfte und unternehmerische Ermessensfreiräume Davon ausgehend gilt es nun darzulegen, ob ein unternehmerischer Ermessensfreiraum geeignet ist, um diese ökonomischen Interessen der an einem erfolgreichen Wirtschaften interessierten Anteilseigner zu fördern. Ob also ein eigenständiger Ermessensfreiraum geeignet ist, eine angemessene Risikobereitschaft sicherzustellen. Der maßgebliche Grund für eine Hemmung der Geschäftsleiter, Risiken einzugehen, liegt in der drohenden Haftung, die bei Risikogeschäften durchaus höher ist, als bei dem schlichten Erhalt des Status quo. Trifft der Geschäftsführer eine risikobelastete Entscheidung, welche sich in Verlusten der Gesellschaft und damit in einem Schaden niederschlägt, ist diese vermeintliche Fehlentscheidung leicht zu identifizieren und die daraus entstandenen Schäden in der Regel zu beziffern. Trifft der Geschäftsleiter hingegen ausschließlich Entscheidungen, die weitestgehend risikofrei sind, realisiert sich ein Schaden der Gesellschaft nur durch den entgangenen Gewinn aus nicht wahrgenommenen Geschäftschancen. Deren Bestehen, Wert und die Pflichtwidrigkeit der unterlassenen Wahrnehmung werden sich jedoch ungleich schwerer nachweisen lassen.27 Haftungsgefahren sind also geeignet, den Geschäftsführer von der Eingehung wirtschaftlich vorteilhafter Risiken abzuhalten.28 Dieser unerwünschten Wirkung von Haftungsgefahren lässt sich durch eine Haftungsfreistellung im Sinne eines unternehmerischen Ermessensfreiraumes begegnen. Soweit dem Geschäftsleiter ein klarer Rahmen aufgezeigt wird, in welchem seine Entscheidung haftungsfrei bleibt, können dadurch angemessene Handlungsanreize für Risikoentscheidungen geschaffen werden.29 Die Notwendigkeit eines solchen Anreizes zu Risikoentscheidungen besteht gleichermaßen für die GmbH wie für die AG,30 wenngleich der tatsächlichen Risikogeneigtheit der konkreten Anteilseigner durch eine entsprechende Gestaltung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes Rechnung getragen werden muss.31 Eine solche Gestaltung kann in der GmbH aufgrund der Dispositionsbefugnisse der Gesellschafter sogar wesentlich besser umgesetzt werden als in der AG.

II. Bürokratiehindernisse für wirtschaftliche Opportunität Für einen Ermessensfreiraum spricht weiterhin aus wirtschaftlicher Sicht, dass dem Geschäftsführer so zunächst die Möglichkeit gegeben wird, ohne durch großen bürokratischen Aufwand und Kompetenzfragen aufgehalten zu werden, spontane Geschäftschancen durch einen effizienten Entscheidungsprozess wahrnehmen zu 27 28 29

685 f.

So auch Eisenberg, DK 2004, 386, 394. So auch Schlimm, S. 47 f.; Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 842. So auch Arnold, S. 174; Winnen, S. 95; Schlimm, S. 49 f.; Fleischer, ZIP 2004, 685,

30 Allgemein zu der negativen Anreizwirkung voll nachprüfbarer Pflichtenkataloge, M. Roth, S. 30. 31 So auch Grunewald/Hennrichs, FS Maier-Reimer, S. 147, 150.

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können.32 Müsste der Geschäftsleiter fürchten, aufgrund eines von einem Richter angenommenen Sorgfaltspflichtverstoßes zur Haftung gezogen zu werden, würde er stets zur eigenen Absicherung den Umweg über eine Gesellschafterweisung wählen. Den Gesellschaftern steht es hingegen frei, durch Zustimmungskataloge und Weisungen eigene Verhaltensanforderungen für ihren Geschäftsführer zu etablieren und damit das für das individuelle Unternehmen optimale Regelungsverhältnis zu schaffen. Dieser individuellen Regelungsmöglichkeit zwingende gesetzliche Verhaltensanforderungen voranzustellen und damit die Effizienz der Entscheidungsfindung vom konkreten Einzelfall unabhängig zu behindern, gilt es zu vermeiden. III. Ergebnis zu den ökonomischen Erwägungen Um ein Mindestmaß an Risikobereitschaft bei den Geschäftsleitern zu erhalten und die Möglichkeit zu gewährleisten, spontane wirtschaftliche Chancen wahrzunehmen, ist ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum unverzichtbar.33 Die fortschreitende Kodifizierung von Verhaltenspflichten und Tendenzen in Rechtsprechung und Rechtslehre, auch unverbindliche Verhaltensvorgaben für Haftungsfragen heranzuziehen, führt zu einer steigenden Regelungsdichte zulasten der Geschäftsführer.34 Hier liegt die Aufgabe und Legitimation der BJR, die Richter von einer Kontrolle unternehmerischen Handelns weitgehend auszuschließen und im engmaschigen System von Verhaltensvorgaben Freiräume für ein wirtschaftlich profitables Handeln der Geschäftsführer zu schaffen.

C. Entscheidungen unter Unsicherheit Die Entscheidungssituation des GmbH-Geschäftsführers unterscheidet sich im Kern nicht von jener des AG-Vorstands. Insofern kann an die entsprechenden Ausführungen angeknüpft werden.35 Der Geschäftsführer hat zwar die Möglichkeit, eine Haftungsgefahr bezüglich einer konkreten Entscheidung im Voraus durch einen anweisenden Gesellschafterbeschluss erheblich zu reduzieren,36 und im Vergleich 32

Siehe M. Roth, S. 17. So auch Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 66; siehe auch Bunz, S. 248 f., der die Anerkennung unternehmerischer Entscheidungsfreiräume für die unternehmerische Entfaltung auch im Interesse nicht diversifizierter Anteilseigner für unverzichtbar erklärt. 34 Röhricht, RWS-Forum 10, S. 193; Liebscher, in: BeckHdB AG, § 6 Rn. 133, der dem DCGK eine Indizwirkung für eine Pflichtverletzung zuspricht; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 54, der den DCGK als Spezifizierung von Sorgfaltspflichten heranziehen will; ebenso Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 143; zur Verbindlichkeit aktueller Standards zum Risikomanagement: Scherer, CCZ 2012, 201, 210; auch in der Legislative bestehen ständige Tendenzen in diese Richtung, aktuell zur Aktienrechtsnovelle: Götze, NZG 2016, 48, 50. 35 Siehe oben § 4 A. II. 36 Siehe oben § 6 C. II. 2. 33

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

zum Vorstand eine nur eingeschränkte Befugnis zur eigenständigen Unternehmensleitung.37 Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch der Geschäftsführer, im Rahmen der genannten Einschränkungen, eigenständige unternehmerische Entscheidungen treffen muss. Die diesen Entscheidungen innewohnenden Unsicherheiten sind nicht von rechtsformspezifischer Natur, sondern treffen den Geschäftsführer ebenso wie den Vorstand mit unberechenbaren Risiken und häufig großem Zeitdruck.38 So beruht die Argumentation in GmbH und AG gleichermaßen darauf, dass eine unternehmerische Entscheidung schon nach ökonomischen Standards nicht risikofrei planbar ist39 und ökonomische Standards als solche häufig nicht unangefochten existieren.40 Insofern sind aufgrund der bestehenden Unsicherheiten im Rahmen von unternehmerische Entscheidungen „Fehlbeurteilungen“ immer möglich. Um eine solche als eine Pflichtverletzung einzuordnen, darf nicht auf den negativen Ausgang abgestellt werden. Vielmehr müsste ein Verstoß gegen die dem Entscheidungsträger obliegenden Sorgfaltsanforderungen festgestellt werden. Da diese jedoch nur für evidente Fälle ohne weiteres zu bestimmen sind, muss sich auch der Richter in die Unsicherheiten der Entscheidungssituation versetzen. Soweit eine richtige Entscheidung mangels allgemein anerkannter Standards ex ante nicht bestimmbar gewesen ist, müssen alle Entscheidungen abseits des evident Pflichtwidrigen dem Ermessen des Geschäftsführers überlassen werden. Eine sachliche Grundlage des unternehmerischen Ermessens liegt also auch darin, dass keine unangefochtenen Standards gelten und dass wirtschaftlich vorteilhaftes Verhalten nicht zur Einordnung in den rechtlichen Pflichtenkanon geeignet ist,41 also keine gesetzlichen Vorgaben zum „richtigen“ unternehmerischen Verhalten existieren.42 So sind die Gerichte weder dazu berufen noch dazu in der Lage, unternehmerische Entscheidungen oberhalb eines Mindestmaßes an Sorgfalt zu überprüfen.43 Eine solche Schlussfolgerung ist allerdings nicht selbstverständlich und wird teilweise auch abgelehnt. Allein der Umstand, dass ex ante nicht immer eine einzig richtige Entscheidungsoption feststellbar ist, schließe den Richter auch bei der nachträglichen Überprüfung der Entscheidungen von anderen Berufsträgern nicht von einer Beurteilung nach seinem eigenen Ermessen aus.44 37

Siehe oben § 5 A. II. So auch Fleischer, NZG 2011, 521, 523. 39 Siehe Schierenbeck, S. 386, der den gängigen Investitionsrechnungen nur eingeschränkte Bedeutung für Investitionsentscheidungen zuschreibt aufgrund der Vielzahl von nicht quantifizierbaren Entscheidungsfaktoren. 40 Siehe hierzu schon oben § 4 B. IV. 1. a) aa). 41 So auch Arnold, S. 175 f., Mutter, S. 205 f.; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 30. 42 Siehe auch Oltmanns, S. 238; Bayer, GmbHR 2014, 897, 898. 43 So auch Arnold, S. 175 f.; Röhricht, RWS-Forum 10, S. 205. 44 So Arnold, S. 175; Jungmann, FS Schmidt, S. 831, 836; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647 f. 38

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Diesen Bedenken kann zunächst mit einem Hinweis auf die obigen Ausführungen zur Notwendigkeit, den Haftungsrisiken des Geschäftsleiters einen Anreiz zu Risikoentscheidungen gegenüberzustellen, begegnet werden. Besagte Notwendigkeit wird durch den Charakter der Entscheidung als Entscheidung unter Unsicherheit noch potenziert. Gerade die Unsicherheit bezüglich der nachträglichen Bewertung der Entscheidung durch den Richter hemmt den Geschäftsleiter in seiner Entscheidungsfreiheit. Und ebendiese aus der Unsicherheit hervorgehenden negativen Anreize werden durch einen geschützten Ermessensfreiraum des Geschäftsleiters besonders effektiv adressiert. Weiterhin muss dem Vergleich zu anderen Berufsträgern, die sich typischerweise in vergleichbar unsicheren Entscheidungssituationen befinden, entgegengehalten werden, dass auch diese Berufsträger durch berufsspezifische Regelungen geschützt werden. So gilt für Ärzte die Therapiefreiheit, die auch für medizinische Entscheidungen unter Unsicherheit lediglich voraussetzt, dass diese als eine vertretbare Entscheidung im Rahmen des Beurteilungs- und Entscheidungsraumes des Behandelnden getroffen werden.45 Auch auf Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte ist der Grundsatz übertragbar, dass bei Entscheidungen unter Unsicherheit eine Entscheidung zwischen den möglichen Entscheidungsalternativen eigenständig getroffen werden kann.46 Schließlich steht einem unmittelbaren Vergleich der verschiedenen Entscheidungsträger entgegen, dass deren Beziehung zu den betroffenen Interessenträgern unterschiedlicher Natur ist. Während Geschäftsleiter unmittelbar die Interessen der Anteilseigner wahrnehmen, sind die genannten Berufe vorrangig von beratender Natur, wobei die Letztentscheidung regelmäßig bei dem Beratenen liegt.47 Insgesamt stellt die Unsicherheit der Entscheidung auch für die GmbH ein erhebliches Argument für einen haftungsfreien Ermessensfreiraum des Geschäftsführers dar. Die besondere Entscheidungssituation führte ohne BJR speziell für die Leitungsorgane von Unternehmen zu unberechenbaren Haftungsrisiken, welche wiederum eine unerwünschte Risikoaversion verursachen würden. Schließlich können und sollen die Richter oberhalb der nach allgemein anerkannten Entscheidungsgrundsätzen bestimmbaren Sorgfaltspflichten keine eigene, nachträgliche Beurteilung darüber treffen, in welcher Weise eine solche Unsicherheit aufzulösen gewesen wäre.

45

Siehe BGH NJW 2007, 2774, 2774 („weites Ermessen“); Katzenmeier, in: Nomos BGB, § 823 Rn. 374 f.; Grunewald/Hennrichs, FS Maier-Reimer, S. 147, 150 f. 46 So auch Grunewald/Hennrichs, FS Maier-Reimer, S. 147, 150; a.A. v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647 f. 47 Siehe auch Grunewald/Hennrichs, FS Maier-Reimer, S. 147,147.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

D. Hindsight Bias Bei der Beurteilung von unternehmerischen Entscheidungen des GmbH-Geschäftsleiters und des AG-Vorstands ergeben sich hinsichtlich der Gefahr, rückblickend, in Kenntnis des eingetretenen Schadens, voreilig auf ein pflichtwidriges Handeln des Leitungsorgans zu schließen, keine Unterschiede. Auch im GmbHRecht unterliegt der Geschäftsführer keiner Erfolgshaftung.48 Auch hier gilt es, einer faktischen Erfolgshaftung, verursacht durch eine zu strenge Bewertung aufgrund von ex post gewonnenen Erkenntnissen, vorzubeugen. Das Argument zur Vermeidung von Rückschaufehlern ist demnach uneingeschränkt auf die GmbH anwendbar und gilt zusammen mit den oben genannten als eines der entscheidenden Argumente für eine Anwendung der BJR auf die GmbH.49

E. Weitere Argumente Neben den oben genannten Argumenten, welche bereits als sachliche Legitimationsgrundlage einer Anwendung der BJR auf die AG bekannt sind, finden sich auch weitere Gründe für ein dem GmbH-Geschäftsführer zuzusicherndes unternehmerisches Ermessen. I. Risiken der Weisungsgebundenheit Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer kann leicht dahingehend verstanden werden, dass die Haftungsrisiken erheblich verringert werden. Die Haftungserleichterung wird allerdings zunächst durch § 43 III 3 GmbHG beschränkt, sodass trotz wirksamer Weisung ein Haftungsfall zulasten des Geschäftsführers eintreten kann. Eine besondere Brisanz entfalten zudem Gesellschafterweisungen zur Vergabe von Gesellschafterkrediten. In diesen Fällen wird schon von einer regelrechten Haftungsfalle gesprochen, da die Weisung den Geschäftsführer bei tatsächlich fehlender Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs nicht von einer Haftung aus § 43 III GmbHG befreien kann.50 Weiterhin befindet sich der Geschäftsführer im Fall von unrechtmäßigen Weisungen in der unangenehmen Situation, seinen mittelbaren Arbeitgebern, den Gesellschaftern, widersprechen zu

48

Siehe nur Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 67. Siehe Fleischer, FS Wiedemann, S. 825, 832; ders., NZG 2011, 521, 523; ders., in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 67; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 61; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22a; Koch, ZGR 2006, 769, 782. 50 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 49a; Kindler, NJW 2008, 3249, 3253; Schmidt, GmbHR 2008, 449, 453; gegen eine Weisungsgebundenheit und ein überhöhtes Haftungsrisiko argumentierend: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 129 f. 49

§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht

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müssen.51 Noch prekärer ist die Lage bei einer noch anfechtbaren Weisung, da der Geschäftsführer gegebenenfalls schon handeln muss, bevor er sicher sein kann, ob die Weisung angefochten wird oder nicht.52 Insgesamt birgt eine Weisung durch die Gesellschafter einige Risiken für die Geschäftsführer, da diese stets im Spannungsverhältnis von Folgepflicht und Haftung stehen.53 Dementsprechend kann insgesamt die Möglichkeit Weisungen einzuholen zwar das Haftungsrisiko mindern, gleichzeitig grenzen Weisungen jedoch den Anwendungsbereich der BJR ein und bringen selbst einen gewissen Unsicherheitsfaktor mit sich. Damit kann zwar eine weitergehende Anwendung der BJR nicht gerechtfertigt werden, das umfassende Weisungsrecht der Gesellschafter kann mit Blick auf das Haftungsrisiko jedoch auch nicht als maßgebliches Argument gegen eine Anwendung der BJR auf die GmbH gesehen werden. II. BJR als Ausgleich für quasi-Arbeitnehmerstellung Die Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit finden nach absolut überwiegender Ansicht keine Anwendung auf den GmbH-Geschäftsführer.54 Diese Ansicht wird vornehmlich damit begründet, dass eine Haftungserleichterung in diesem Sinne nicht mit dem Wortlaut und der Funktion des § 43 GmbHG vereinbar wäre, welcher Gläubiger und Gesellschafterminderheiten schützen soll.55 Auf der anderen Seite ist es aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht ausgeschlossen, dass ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer eingeordnet wird.56 Zudem ist auch die Übertragung der dogmatischen Begründung zu den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit auf den Geschäftsführer nicht fernliegend. Der richterrechtlich entwickelte Grundsatz57 beruht auf der Erkenntnis, dass Arbeitnehmer unvermeidbar mit Betriebsmitteln in Berührung kommen, deren Schädigung zu Haftungssummen weit oberhalb ihres Einkommens führen kann.58 Weiterhin wird dem Arbeitgeber eine mitzuverantwortende Betriebsgefahr auferlegt, welche seiner Organisationsmacht entspringt, da er die Betriebsorganisation bestimmen kann und auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmend einwirken kann.59 Diese Argumente werden regelmäßig, 51

Siehe Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 22. Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 35; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 122. 53 So auch Mennike, NZG 2000, 622, 624. 54 Siehe bereits oben § 6 C. II. 4. 55 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 6; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 42 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 194a. 56 So BAG NJW 2009, 2078, 2079; BAG NJW 1999, 3731, 3732; vgl. zu anwendbaren arbeitsrechtlichen Vorschriften auch Kindl, § 26 Rn. 8 (S. 280). 57 Siehe zur Rechtsprechung zu den Grundsätzen betrieblich veranlasster Tätigkeit insbesondere BAG NJW 1995, 210 f.; BAG NJW 2002, 2900, 2902. 58 Siehe BAG NJW 1995, 210, 211; Preis, in: ErfK, BGB § 619a Rn. 9. 59 So BAG NJW 1995, 210, 212; Preis, in: ErfK, BGB § 619a Rn. 10. 52

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

wenn auch nicht in gleicher Intensität, auf den Geschäftsführer übertragbar sein. Auch er trägt die Verantwortung für Betriebsmittel, die im Wert sein Einkommen deutlich übersteigen können, und auch er ist nicht oberstes Willensbildungsorgan der Gesellschaft, sondern von Gesellschafterweisungen und den von den Gesellschaftern bestimmten Rahmenbedingungen abhängig. Es soll hier nicht in Frage gestellt werden, dass die Argumente gegen eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungserleichterungen überzeugen. Die Funktion der Haftung aus § 43 GmbHG und die organschaftliche Stellung der Geschäftsführer, verbunden mit der Pflicht zur sachgerechten Organisation des Unternehmens, stehen der Anwendung unüberwindbar entgegen.60 Übernommen werden können aber die Billigkeitserwägungen, welche für den Geschäftsführer in ungleich größerem Maße gelten als für Vorstandsmitglieder. Je weniger eine eigenständige Leitungsmacht besteht, desto näher rückt der Geschäftsführer an den Risikobereich einer Arbeitnehmerstellung. Hier besteht auch bei ungebundenen Entscheidungen eine Schutzlücke, da auch im eigenständigen Ermessen getroffene Entscheidungen unverhältnismäßige Haftungsrisiken beinhalten können61 und in dem von den Gesellschaftern geschaffenen Gesamtgefüge des Unternehmens entstehen. Auch dogmatisch überzeugt eine Anwendung der BJR aus den genannten Billigkeitserwägungen. Eine Herabsetzung des Verschuldensmaßstabes oder eine pauschale Haftungsreduktion ungeachtet der drittschützenden Wirkung des § 43 GmbHG findet gerade nicht statt. Vielmehr erfolgt die Haftungseinschränkung auf der Pflichtwidrigkeitsebene unter Berücksichtigung der Legalitätspflicht. III. BJR als Äquivalent zum durch die Gesellschafter ausgesprochenen Vertrauen Das in der AG bestehende Problem des Auseinanderfallens von Eigentum und Führung, auch als Prinzipal-Agenten-Verhältnis bezeichnet,62 führt dazu, dass, soweit sich Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam der Durchsetzung von Sorgfaltspflichten entziehen, die richterliche Kontrolle die letzte Bastion der Anteilseigner zur Durchsetzung ihres Interesses an einer pflichtgemäßen Unternehmensführung darstellt. Hinzu kommt, dass insbesondere in Publikumsgesellschaften die Mitglieder der Leitungsorgane ohne erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Anteileigners ausgewählt und berufen werden. Gerade der Vorstand wird gemäß § 84 I 1 AktG ausschließlich vom Aufsichtsrat bestimmt, welcher zudem in der mitbestimmten AG nur teilweise mit Aktionärsvertretern besetzt ist. Die Anteilseigner haben demnach regelmäßig weder auf die Auswahl noch auf das sorgfaltsgerechte 60

Siehe nur Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 42. Allein schon die unverhältnismäßigen Haftungsrisiken im Verhältnis zum Gehalt und zur Schwere des Verstoßes als Argument anbringend: Eisenberg, DK 2004, 386, 394. 62 Die Problematik 1962 schon ausführlich darstellend: Berle/Means, S. 119 f. 61

§ 8 Sachliche Grundlage der BJR im GmbH-Recht

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Handeln der mit der Verwaltung ihres Vermögens beauftragten Personen einen nennenswerten Einfluss. In der GmbH zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. Das Prinzipal-Agenten-Problem spielt hier eine wesentlich geringere Rolle.63 Die Gesellschafter haben umfangreiche Möglichkeiten, auf das Verhalten des Geschäftsführers einzuwirken. Zudem bestimmen die Gesellschafter den Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss und können ihn jederzeit wieder abberufen gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG. Dementsprechend haben die Gesellschafter die Möglichkeit, die Geschäftsführer gezielt auszusuchen und die Qualifikation des Kandidaten ausführlich zu überprüfen. Häufig werden sogar Personen aus dem Gesellschafterkreis zum Geschäftsführer gewählt. Es besteht somit regelmäßig eine besondere Verbindung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern, sodass nicht irgendeine beliebige Person über das Vermögen der Anteilseigner bestimmt. Eine besondere Regelung des Sorgfaltsmaßstabs aufgrund von besonderer persönlicher Verbundenheit innerhalb von Gesellschaften normiert das Gesetz für die Personengesellschaften in § 708 BGB. Diese Vorschrift lässt sich so paraphrasieren, dass sich die Gesellschafter „gegenseitig so nehmen, wie sie nun einmal sind“.64 Die Regelung erfährt schon bezüglich der Anwendung auf Personengesellschaften rechtspolitische Kritik65 und ist auf Publikumsgesellschaften nicht anwendbar.66 Insgesamt scheidet eine Anwendung auf die GmbH aufgrund des vorrangigen Sorgfaltsmaßstabs des § 43 I GmbHG und dessen gläubigerschützenden Funktion aus.67 Allerdings sind die im § 708 BGB verkörperten Billigkeitserwägungen auch für die GmbH fruchtbar zu machen. Wer im Rahmen einer gezielten Auswahl einen Geschäftsführer aufgrund dessen individuellen Qualifikationen und Eigenschaften zur eigenständigen Verwaltung des Gesellschaftsvermögens auswählt, würde widersprüchlich handeln, wenn er diese Person für jedwede eigenständige Ermessensentscheidung zur Haftung ziehen können wollte. Daher folgt aus der Übertragung des Geschäftsführeramtes auch die Übertragung eines eigenständigen Handlungsfreiraumes, welcher allerdings jederzeit durch die Gesellschafter eingeschränkt werden kann. Einer solchen Übertragung eines Haftungsfreiraumes durch die Gesellschafter auf die Geschäftsführer könnten die Gläubigerinteressen und damit insbesondere § 43 III GmbHG entgegenstehen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um die eigenständige Disposition der Gesellschafter über die Haftung ihres Geschäftsführers, wie es bei einer zusätzlichen Haftungsbeschränkung beispielsweise durch eine Sat63

Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 20; siehe auch bereits oben: § 6 A. III. 1. a) aa) (2). 64 So Schäfer, in: MüKo BGB § 708 Rn. 1. 65 Siehe nur Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 III. 2. a) (S. 1743 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band 2, § 4 II. 4 c) bb) (S. 345 f.). 66 Siehe BGH NJW 1980, 589, 591; BGH NJW 1977, 2311, 2311. 67 Siehe BGH NJW 1980, 589, 591; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

zungsregelung der Fall wäre, sondern um die Weitergabe des dem Verband zustehenden Leitungs- und Ermessensfreiraumes, welcher seine Grenzen ohnehin in der Legalitätspflicht findet.68 Der weite Ermessensspielraum begründet sich damit auch aus der Berufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter und der Übertragung der Organstellung. IV. Die asymmetrische Verteilung von Ertragschancen und Verlustrisiken Ein Argument, welches die Notwendigkeit der strikten Vermeidung einer Erfolgshaftung von Geschäftsleitern in AG und GmbH unterstreicht und damit auch für einen Haftungsfreiraum derselben spricht, ist die ungleiche Verteilung von Gewinnpotential und Verlustrisiken. Soweit Management und Eigentum nicht auseinanderfallen, trägt derjenige, der die wirtschaftlichen Leitentscheidungen trifft, zwar das wirtschaftliche Risiko, für einen Fehlschlag in Regress genommen zu werden, profitiert jedoch bei wirtschaftlichem Erfolg auch in vollem Umfang von dem Gewinn. Hierdurch entstehen volkswirtschaftlich vorteilhafte Anreize, Innovationen zu fördern und Chancen zu nutzen, trotz eines möglichen Verlustrisikos.69 Dieser Anreiz wird durch § 43 II GmbHG zulasten des Geschäftsführers durchbrochen. Dieser wird grundsätzlich nicht unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt, trägt jedoch das volle Risiko bei wirtschaftlichen Fehlschlägen. Denn soweit eine risikobehaftete Entscheidung fehlschlägt und als pflichtwidrig eingestuft wird, hat der Entscheidungsträger nach dem Grundsatz der Totalreparation gemäß § 249 BGB den gesamten Schaden zu ersetzen. Dass in einem Schuldverhältnis die Partei, die ihre Pflichten verletzt, für den daraus resultierenden Schaden aufkommen muss, ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Die unternehmerischen Entscheidungen des Geschäftsführers bringen jedoch die Besonderheit mit sich, dass ein konkret bestimmbarer Sorgfaltsmaßstab nicht existiert.70 Dadurch steigt die Gefahr, dass eine Handlung im Nachhinein als pflichtwidrig eingeordnet wird und der Geschäftsführer das wirtschaftliche Risiko der Entscheidung alleine trägt.71 Diese Erkenntnis baut zwar argumentativ auf der Ermutigung zu Risikoentscheidungen, der Problematik der Entscheidungen unter Unsicherheit und der Gefahr des richterlichen Rückschaufehlers auf, trägt aber dennoch eine eigenständige Überzeugungskraft. Wer nicht am wirtschaftlichen Erfolg partizipiert, darf nur unter klar bestimmbaren Voraussetzungen die Haftung für wirtschaftlichen Misserfolg tragen. Eine Haftung kann somit erst ab der Grenze der klaren Bestimmbarkeit von Verhaltensanforderungen bestehen. Bis zu dieser 68 69 70 71

Siehe hierzu noch unten: § 9 E. III. Siehe Ruffner, ZSR 2000, 199, 205; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2066. Siehe hierzu schon oben § 4 B. IV. 1. a) aa). So auch Eisenberg, DK 2004, 386, 394; Wagner, ZHR 2014, 227, 259.

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Grenze bestehen somit ein Haftungsfreiraum und damit ein Ermessensfreiraum des Entscheidungsträgers. V. BJR zur Vermeidung einer D&O-Regress-Spirale Die Provokation von Gerichtsprozessen durch D&O-Versicherungen wurde oben schon kritisch dargestellt.72 Durch unberechenbare, kaum vermeidbare Haftungsrisiken sehen sich die Geschäftsleiter gezwungen, D&O-Versicherungen abzuschließen beziehungsweise die Gesellschaften sind gezwungen, eine D&O-Versicherung für ihre Leitungsorgane zur Verfügung zu stellen, um überhaupt qualifiziertes Führungspersonal zu finden. Die hohen Haftungssummen und die persönliche Absicherung der Manager verleiten die Unternehmen zur Klage, obwohl es gegebenenfalls tatsächlich an der Gesamtleistung des Geschäftsleiters nichts zu „beklagen“ gibt. Hierdurch können zwei „Regress-Spiralen“ verursacht werden. Zum einen können die steigenden Klagezahlen zu steigenden Versicherungsnehmerzahlen, höheren Versicherungsprämien und auch zu höheren Versicherungssummen und damit wiederum zu steigenden Klageanreizen führen.73 Zum anderen zahlt regelmäßig das Unternehmen die Versicherungsprämien, entweder direkt oder mittelbar durch ein entsprechend erhöhtes Honorar des selbst versicherten Geschäftsleiters.74 So zirkulieren die zur Absicherung aufgebrachten Mittel im Ergebnis nur zwischen den Versicherungen und den Unternehmen als Versicherungsnehmer. Bei stark vereinfachter Betrachtung stellen ausschließlich die Unternehmen selbst den Versicherungen die Mittel zur Verfügung, auf welche sie im Schadensfall zurückgreifen. So gesehen versichern sich die Unternehmen selbst und das Schadensrisiko wird von allen versicherten Unternehmen gemeinsam getragen und so verteilt. Dies ist aus Sicht der Unternehmen – abgesehen davon, dass sie die Arbeit einer ganzen Versicherungsbranche finanzieren – zunächst nichts Negatives, sondern entspricht der üblichen Stellung eines Versicherungsnehmers. Für den Geschäftsleiter hingegen findet eine zusätzliche Verengung seiner Verhaltensmöglichkeiten auf die von der Versicherung gedeckten Handlungen statt.75 Des Weiteren verliert der Geschäftsleiter die Möglichkeit der Einflussnahme auf ihn selbst betreffende Haftungsprozesse, da in der Regel das Unternehmen Versicherungsnehmer ist und damit die Entscheidungsmacht hat, welche Prozesshandlungen finanziert werden sollen und welche nicht.76 72

Siehe oben: § 6 C. II. 6. Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 12 Rn. 29; Janert, BB 2013, 3016, 3016. 74 Siehe v. Schenck, NZG 2015, 494, 495. 75 Siehe Fleischer, Vorstandsrecht, § 12 Rn. 25. 76 Anschaulich hierzu OLG München, WM 2005, 452, 452 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 25. September 2007 – 2 U 318/07 –, Juris Rn. 113, in beiden Prozessen wird den betroffenen Geschäftsleitern die Entscheidung darüber, den Deckungsprozess zu führen oder nicht zu führen, verwehrt. 73

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Aus diesen Gründen scheint es geboten, die Verwicklung des Geschäftsleiters in die beschriebenen „Regress-Spiralen“ einzuschränken. Dem Unternehmen steht es schließlich offen, Versicherungen für alle Arten von Schäden abzuschließen, unabhängig von der Einbeziehung des Geschäftsführers. Ein adäquates Mittel ist hier ein weiter Ermessensspielraum des Geschäftsführers, wodurch dieser in Bezug auf eine drohende Haftung an Sicherheit gewinnt. Gleichzeitig werden die dem unternehmerischen Handeln immanenten Risiken des wirtschaftlichen Misserfolgs und die Versicherung gegen wirtschaftliche Fehlschläge dem Unternehmen übertragen, welches auch die Gewinne des wirtschaftlichen Erfolgs erhält. So schließt sich dieses Argument der Notwendigkeit der angemessenen Verteilung von Ertragschancen und Verlustrisiken an.

VI. Intensive alternative Sanktionsmöglichkeiten anstelle einer Haftung Schließlich lässt sich anführen, dass die Haftung nicht das einzige Instrument zur Verhaltenssteuerung der Geschäftsleiter darstellt. Vielmehr verliert die Haftung aktuell insbesondere in der GmbH aufgrund von weitgehenden Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung und der starken Zunahme von D&O-Versicherungen77 bezüglich der verhaltenssteuernden Funktion an Bedeutung.78 Ein wesentlich effizienteres Mittel stellt bei Erfolglosigkeit des Managers dessen Abberufung dar, ebenso ist bei schlichtem Missmanagement die Herabsetzung von Vergütung und Versorgungsbezügen flexibel handhabbar.79 Diese verhaltenssteuernden Reaktionen am Markt erfolgen wesentlich schneller als die gerichtliche Kontrolle, welche sich über Jahre hinziehen kann.80 Dies gilt auch für Unternehmen, die nicht börsennotiert sind. Auch wenn die Kontrolle durch den Kapitalmarkt eingeschränkt ist, existieren weiterhin zahlreiche weitere Disziplinierungsmechanismen durch den Wettbewerb am Markt. Insbesondere in der GmbH sind hier die kurzfristigen und weitreichenden Möglichkeiten zur Abberufung des Geschäftsführers zu nennen.81 Demgegenüber entfaltet die gerichtliche Kontrolle allenfalls eine präventive Wirkung für nachfolgende Entscheidungsträger, hilft dem geschädigten Unternehmen in der konkreten Situation jedoch nicht weiter. Auch die allgemeine Präventivfunktion der drohenden Haftung kann nur bedingt verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, wenn nicht klar erkennbar ist, welches Verhalten dem Geschäftsleiter abverlangt wird. Auf der anderen Seite soll die Haftung neben der verhaltenssteuernden Funktion auch die Funktion des Schadensausgleichs erfüllen.82 Die Haftung der Geschäfts77 78 79 80 81 82

Siehe Janert, BB 2013, 3016, 3016. Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 375a; Wagner, ZHR 2014, 227, 251. Siehe Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 22 Rn. 48. Siehe M. Roth, S. 32. Siehe bereits oben § 5 B.; siehe auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123 f. Siehe Wiesner, in: MHdB GesR IV, § 26 Rn. 2.

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leiter zur Kompensation der entstandenen Schäden ist jedoch bezogen auf das private Vermögen des Geschäftsführers selten zielführend, da die Schadenssummen dieses regelmäßig bei weitem übersteigen.83 Weiterhin wurde bereits aufgezeigt, dass die Geschäftsführer nicht die adäquaten Adressaten von Ansprüchen zum Ausgleich wirtschaftlicher Fehlschläge sind, sondern dies vielmehr das Unternehmen ist, welches auch vom wirtschaftlichen Erfolg profitiert. Dementsprechend erscheint ein zu strenger Haftungsmaßstab zulasten des Geschäftsführers nicht angemessen. Vielmehr ist diesem ein weiter Ermessensspielraum zu gewähren, damit die Haftung nur in den Fällen Wirkung entfaltet, in denen sie ihre Funktion auch tatsächlich effektiv erfüllt.

F. Ergebnis Insgesamt greifen die Bedenken gegenüber der Anwendung der BJR im GmbHRecht nicht durch. Die für das Aktienrecht beschriebene sachliche Rechtfertigung eines weiten unternehmerischen Ermessens lässt sich zu großen Teilen übertragen oder wird durch GmbH-spezifische Argumente ersetzt. Insbesondere der wesentliche Kritikpunkt, dass in der GmbH keine hinreichende Risikodiversifizierung der Gesellschafter gegeben sei, konnte durch den Nachweis der in der AG ebenfalls begrenzten Anwendbarkeit des Arguments entkräftet werden. Zudem existieren auch in der GmbH wichtige ökonomische Anreize für einen unternehmerischen Ermessensfreiraum. Auch die fehlende Kontrolle durch den Kapitalmarkt bei nicht börsennotierten Unternehmen greift als Argument nicht durch. Es existieren zahlreiche weitere Kontrollmechanismen des Marktes und die Gesellschafter haben aufgrund ihrer weitgehenden Befugnisse bezüglich der Anstellung und Abberufung der Geschäftsführer die Möglichkeit, unmittelbar auf wirtschaftliche Misserfolge durch variable Vergütungsregeln oder Abberufung zu reagieren.84 Die wichtigen Argumente, insbesondere die Vermeidung von Rückschaufehlern und die besondere Entscheidungssituation unter Unsicherheit, finden für die GmbH uneingeschränkt Anwendung. Auch die Möglichkeit der Geschäftsführer, sich mit den Gesellschaftern durch das Einholen von Weisungen abzustimmen, kann nicht hinreichend über die bestehenden Unsicherheiten hinweghelfen. Vielmehr kann die Weisungsgebundenheit selbst Quelle von Haftungsrisiken sein. Bei weitreichender Weisungsausübung durch die Gesellschafter wird der Geschäftsführer zudem bei wertender Betrachtung in eine vergleichbare Risikenstellung gedrängt, wie sie im Rahmen der Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit vorliegt. Auch dies spricht für eine Haftungseinschränkung, allerdings durch die BJR und damit auf Pflichtwidrigkeitsebene. Schließlich lässt sich für die GmbH als gesellschaftsformspezifisches Argument festhalten, dass die Gesellschafter die Geschäftsführer sorgfältig 83 84

Siehe Wagner, ZHR 2014, 227, 253. Siehe auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

auswählen können, und ihnen die Leitung des Unternehmens unmittelbar überantworten. Wer jedoch einer Person aufgrund ihrer Geschäftsführungs- und Leitungsqualitäten in einem bestimmten Rahmen die Unternehmensleitung überträgt, würde widersprüchlich handeln, wenn er diese Person für jede eigenständige unternehmerische Ermessensentscheidung, die innerhalb eines selbst vorgegeben Rahmens getroffen wurde, zur Verantwortung ziehen können wollte. So lässt sich auch für die GmbH ein unternehmerisches Ermessen der Geschäftsführer auf eine breite sachliche Grundlage stellen. Darüber hinaus ist auch der weite Ermessensspielraum der BJR unter konkret zu bestimmenden Voraussetzungen legitimiert, da auch für die GmbH das Bedürfnis besteht, im Wechselspiel mit den Sorgfaltspflichten die Unsicherheiten bezüglich des Pflichtenmaßstabs einzuschränken.85

§ 9 Dogmatische Grundlage der BJR im deutschen Recht Der Grundsatz des eigenständigen Geschäftsleiterermessens fußt im Aktienrecht maßgeblich auf der dem Vorstand zugesprochenen eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft gemäß § 76 I AktG.86 Die BJR als Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes hat in § 93 I 2 AktG Niederschlag gefunden und hat insofern ebenfalls eine feste dogmatische Grundlage im Aktienrecht gefunden. Diese beiden Begründungsmuster können jedoch für die GmbH nicht in gleicher Weise Geltung beanspruchen.

A. Grundlage des Geschäftsleiterermessens in der GmbH Ein unternehmerischer Ermessensfreiraum ist heute gesellschaftsformübergreifend anerkannt.87 Eine dogmatische Grundlage wird hingegen selten erörtert, vielmehr wird regelmäßig schlicht auf eine Übertragung des Grundsatzes aus dem Aktienrecht, insbesondere auf § 93 I 2 AktG, verwiesen.88 Dies greift jedoch zu kurz, zumal § 93 I 2 AktG nur eine Teilkodifikation unternehmerischen Ermessens darstellt.89 Die maßgebliche Quelle des eigenständigen Ermessensfreiraumes in der AG 85

So auch Fleischer, NZG 2011, 521, 523. Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 59; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 28; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 32; M. Roth, S. 9, 57; Schlimm, S. 93 f. 87 Siehe bereits oben: § 3. 88 Siehe zu den Personengesellschaften: Rawert, in: MüKo HGB, § 114 Rn. 56; Drescher, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 114 Rn. 32; zur GmbH: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 66b. 89 Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 118; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Holle, AG 2011, 778, 785. 86

§ 9 Dogmatische Grundlage der BJR im deutschen Recht

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ist die den Geschäftsleitern obliegende Leitungsmacht.90 Der BGH spricht hier von dem unternehmerischen Handlungsfreiraum als notwendiges Gegenstück zu der dem Vorstand obliegenden Führungsaufgabe.91 Leitungsmacht und der Pflichtenmaßstab des § 93 AktG sind folglich unmittelbar miteinander verbunden und etablieren einheitliche Grenzen für haftungsrelevantes Handeln der Geschäftsleiter.92 Die Leitungsmacht entspringt auf Seiten des Vorstands originär und unbeschränkt aus dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung gemäß § 76 I AktG. Originär, da der Vorstand oberstes Willensbildungsorgan ist und sich seine Leitungsmacht nicht von Entscheidungsbefugnissen der Hauptversammlung ableitet, und unbeschränkt, da die dem Vorstand zustehende Leitungsmacht aufgrund der Satzungsstrenge im Aktienrecht nicht von der Hauptversammlung beschränkt werden kann. Gegen einen eigenständigen Ermessensfreiraum der GmbH-Geschäftsführer könnte sprechen, dass sie eine solche originäre, unbeschränkte Leitungsmacht nicht in der Form innehaben.93 Um zu belegen, dass das unternehmerische Ermessen auch in der GmbH seine dogmatische Grundlage in der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft findet, ist zum Ursprung der eigenständigen Leitungsmacht in Verbänden zurückzukehren. Die Grundlage bildet hier nicht die Organstellung als solche, sondern das Prinzip der eigenständigen Organisationshoheit der Verbände.94 Die Organisationsfreiheit kann aus Art. 2 I, 12 I, 14 I und 9 I GG95 hergeleitet werden, wobei insbesondere die Unternehmerfreiheit zur freien Gründung und Führung von Unternehmen aus Art. 12 I GG abgeleitet wird,96 welcher auch auf juristische Personen Anwendung findet.97 Zur Gewährleistung der eigenverantwortlichen Organisation und Führung des Unternehmens ist nach dem Konzept des subsidiären Staats98 die privatautonome Selbstregulierung der Wirtschaftssubjekte in den Vordergrund zu stellen.99 Es besteht somit auch für Verbände ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht, die unternehmerische Organisation und Führung in erster Linie selbst zu bestimmen. Die Vorgabe von Sorgfaltspflichten, daraus resultierende Handlungspflichten und die gerichtliche Durchsetzung dieser Gebote im Rahmen der Haftung stellen Einschränkungen dieses Rechts dar und können daher nur mit besonderer Rechtfertigung erfolgen. Das Recht zur eigenständigen Organisation und 90

Siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 59; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 28; Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 32; Schlimm, S. 93 f.; M. Roth, S. 49; Nietsch, ZGR 2015, 631, 635. 91 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928. 92 So auch M. Roth, S. 48 f. 93 Siehe hierzu bereits oben: § 5 A. II. 94 Siehe Nietsch, ZGR 2015, 631, 647. 95 Siehe Spindler, S. 449 ff. 96 Siehe BVerfG NJW 1979, 699, 708. 97 Siehe BVerfG NJW 1998, 1627, 1627 f.; BVerfG NJW 1971, 1255, 1255 f.; Spindler, S. 453. 98 Siehe zum Begriff Stober, § 12 (S. 86 f.). 99 Siehe Stober, § 2 I. 5. b) (S. 8); Nietsch, ZGR 2015, 631, 647.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Führung des Unternehmens wird dem Verband also nicht durch Gesetz übertragen, sondern wird aus Grundrechten hergeleitet und kann allenfalls durch Gesetze eingeschränkt werden. In diesen grundrechtlich gewährleisteten Rechten liegt die eigenverantwortliche Leitungsmacht und der damit eng verbundene eigenständige Ermessensfreiraum bei unternehmerischen Entscheidungen begründet. Dieser dem Verband zustehende Leitungs- und Ermessensfreiraum wird in der AG durch § 76 I AktG maßgeblich auf den Vorstand übertragen. In der GmbH hat die Gesellschafterversammlung als oberstes Willensbildungsorgan originär und vorrangig diese Stellung inne, überträgt sie jedoch unmittelbar auf den Geschäftsführer als Ausführungsorgan, soweit sie keinen entgegenstehenden Willen äußert. So ist richtigerweise auch in der GmbH auf die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Geschäftsführer abzustellen, wenngleich diese nur in dem von den Gesellschaftern vorgegebenen Rahmen existiert.100 Soweit die originäre Zuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers zur Gestaltung des laufenden Tagesgeschäfts, insbesondere die Kompetenz zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung unternehmerischer Entscheidungen, nicht von den Gesellschaftern eingeschränkt worden ist, besteht in diesem Bereich eine ebenso eigenverantwortliche Führungskompetenz wie für den AG-Vorstand. Insofern kann die eigenverantwortliche Leitungsbefugnis als dogmatische Begründung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes aus dem Aktienrecht übernommen werden, allerdings mit der nicht unerheblichen Einschränkung durch die übergeordnete Kompetenz der Gesellschafter und der daraus folgenden Pflicht zur Berücksichtigung des Gesellschafterwillens.101 Daraus folgt schon aus dogmatischer Sichtweise, dass das unternehmerische Ermessen des GmbH-Geschäftsführers stets nur soweit besteht, wie es ihm dem Willen der Gesellschafter entsprechend eingeräumt wird. Auf der anderen Seite stellt ein Eingriff in den Entscheidungsvorrang des Geschäftsleiters auch einen Eingriff in die Verbandsautonomie des Unternehmens dar.102 Der Richter hat deshalb bei der haftungsrechtlichen Beurteilung sorgfaltsgemäßen Verhaltens entsprechende Zurückhaltung zu üben und den Ermessensfreiraum des Geschäftsführers in den Grenzen, in denen dieser von den Gesellschaftern freigestellt worden ist, zu achten.

B. Grundlage der BJR im GmbH-Recht Nachdem nun für die GmbH die dogmatische Grundlage des allgemeinen unternehmerischen Ermessens dargelegt wurde, gilt es weiterhin, die BJR in ihrer speziellen Stellung als herausgehobener Teilbereich dieses unternehmerischen Er100 Siehe hierzu bereits ausführlich oben: § 5 A. II.; so auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 8 (die zu §§ 76, 77 AktG entwickelten Grundsätze gelten entsprechend); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 110 (BJR als Konterpart zur Unternehmensführungsaufgabe). 101 Siehe hierzu bereits oben: § 7 C. II. 102 Siehe Nietsch, ZGR 2015, 631, 647.

§ 9 Dogmatische Grundlage der BJR im deutschen Recht

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messens dogmatisch herzuleiten. Die dogmatische Grundlage der BJR im GmbHRecht kann unterschiedlich beurteilt werden. Das Ergebnis hat zwar vornehmlich rechtstheoretische Konsequenzen, strahlt jedoch bei konsequenter Fortführung des Gedankens auch auf die Voraussetzungen der Anwendung aus. Je nachdem, ob ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, Richterrecht oder § 93 I 2 AktG als dogmatische Grundlage herangezogen wird, können unterschiedliche Einflüsse Berücksichtigung finden.

I. Eigenständiger Rechtsgrundsatz Zunächst könnte das unternehmerische Ermessen als eigenständiger Rechtsgrundsatz mit der BJR gleichzusetzen sein und für die GmbH unabhängig von der Regelung des § 93 I 2 AktG Anwendung finden.103 Es kann bei dem unternehmerischen Ermessen durchaus von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz gesprochen werden, welcher für das deutsche Rechtssystem in langer historischer Entwicklung entstanden ist. Schon vor der Einführung des § 93 I 2 AktG war das unternehmerische Ermessen der Geschäftsleiter anerkannt und durch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung wurde ein im Wesentlichen bekannter Rechtsgedanke104 höchstrichterlich aufgegriffen und in folgenden Entscheidungen auch als selbständig auf die GmbH anwendbar erklärt.105 Der allgemeine Rechtsgrundsatz des unternehmerischen Ermessens wurde jedoch durch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung als BJR deutscher Art übernommen und dieser Tatbestand wurde durch § 93 I 2 AktG weiter konkretisiert. Dieses weite, im AktG normierte und auf einheitlichen Tatbestandsvoraussetzungen beruhende unternehmerische Ermessen der BJR ist jedoch abzugrenzen von dem auch außerhalb der Voraussetzungen der BJR existierenden Grundsatz des unternehmerischen Ermessens.106 Es existiert also, wie oben bereits dargelegt, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des unternehmerischen Ermessens im Gesellschaftsrecht. Diesen als solchen der deutschen BJR gleichzusetzen, würde jedoch zu kurz greifen und der ausdrücklichen Normierung von Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen im § 93 I 2 AktG nicht hinreichend Rechnung tragen. Einem solchen Verständnis gegen eine Gleichstellung mit dem ohnehin bestehenden Grundsatz des unternehmerischen Ermessens entspricht es, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf zum UMAG den Willen zum Ausdruck bringt, dass das für das Aktiengesetz zu § 93 gefundene Regelungsmuster als Anknüpfungs- und Ausgangspunkt für die weitere Rechtsentwicklung dienen soll107 und dass in § 93 I 2 AktG nur eine Teilkodifikation unternehmerischen Ermessens zu sehen ist.108 103 104 105 106 107

So Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 54. Siehe oben: § 2 B. Siehe BGH NJW 2003, 358, 359. Siehe hierzu oben: § 4 E. I. 1. Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

II. Analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG Weiterhin könnte § 93 I 2 AktG analog als dogmatische Grundlage der BJR im GmbH-Recht dienen. Voraussetzungen für eine Analogie wären eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage.109 Eine vergleichbare Interessenlage lässt sich nach den gewonnen Erkenntnissen ohne weiteres bejahen. Insbesondere trifft der GmbH-Geschäftsführer ebenso wie Leitungsorgane der AG unternehmerische Entscheidungen unter Unsicherheit und ist bei der gerichtlichen Überprüfung in gleicher Weise der Gefahr eines Rückschaufehlers durch den Richter ausgesetzt.110 Weiterhin fehlt im GmbHG eine dem § 93 I 2 AktG entsprechende Regelung. § 43 I GmbHG normiert einen ebenso weiten und wenig konturierten Sorgfaltsmaßstab wie § 93 I 1 AktG, sodass sich der Haftungsrahmen des § 43 II GmbHG nicht hinreichend eingrenzen lässt. Eine dem neu eingeführten § 93 I 2 AktG vergleichbare Regelung fehlt im GmbHG schlicht. Fraglich ist jedoch, ob diese Regelungslücke auch planwidrig ist, ob der Gesetzgeber es also schlicht versäumt hat, eine dem § 93 I 2 AktG vergleichbare Regelung im GmbHG zu normieren. Die Möglichkeit, eine entsprechende Regelung einzuführen, bot sich im Rahmen des MoMiG,111 durch welches eine weitgehende Reform des GmbH-Rechts stattgefunden hat. In der Literatur gab es durchaus Stimmen, die sich im Vorfeld des MoMiG für eine Normierung des Geschäftsleiterermessens auch im GmbHG ausgesprochen haben.112 Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens fand das unternehmerische Ermessen jedoch weder im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz,113 noch im Gesetzentwurf der Bundesregierung,114 noch in der Gesetzesbegründung Berücksichtigung.115 Dabei beruft sich der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich auf den gewünschten Gleichlauf von GmbH-Recht und Aktienrecht und ergänzt zu diesem Zweck § 92 AktG um die Regelung des geänderten § 64 GmbHG.116 Es ist insgesamt nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber es schlicht versäumt hat, eine Regelung von der rechtspolitischen Aktualität des § 93 I 2 AktG in das GmbHG zu übernehmen. 108 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 118; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 69a; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Holle, AG 2011, 778, 785. 109 Siehe zu den Voraussetzungen einer Analogie Larenz/Canaris, S. 191 ff. 110 Siehe nur Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 54. 111 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23. 10. 2008, BGBl. I v. 28. 10. 2008, S. 2026. 112 Siehe nur Hoor, DStR 2004, 2104, 2108; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16. 113 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modifizierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29. 05. 2006, abgedruckt bei Goette, Das neue GmbH-Recht, S. 148 ff. 114 RegE MoMiG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 16/6140, S. 1 ff. 115 Begr. RegE MoMiG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 16/6140, S. 25 ff. 116 Begr. RegE MoMiG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 16/6140, S. 52.

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Vielmehr fügt sich dieses gesetzgeberische Vorgehen in eine historisch zu beobachtende nicht-Regelungsstrategie ein, nach welcher das GmbHG seine schlanke Form beibehalten und die GmbH nicht durch Überregulierung zu einer „AG minderen Rechts“ werden soll.117 Aus diesen Gründen scheiterten schon die großen Reformvorhaben des GmbH-Rechts von 1969 (Referentenentwurf) und 1973 (Regierungsentwurf), welche das GmbHG in Regelungsdichte und -umfang dem AktG nahegebracht hätten.118 Schließlich wurde 1980 nur eine GmbH-Novelle119 verabschiedet, welche sich von dem Gedanken leiten ließ, die Rechtsform der GmbH für kleine und mittlere Unternehmen handhabbar zu gestalten, sowie für den Normadressaten einen leicht lesbaren und handhabbaren Gesetzestext zu schaffen.120 Dementsprechend sollte nur das unumgänglich Nötige im Gesetz geregelt werden und ohnehin geltendes ungeschriebenes Recht nicht aufgenommen werden.121 Alles in allem ist die im GmbHG bestehende Regelungslücke somit nicht als planwidrig anzusehen, sondern als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Übertragung der in § 93 I 2 AktG getroffenen Regelung auf andere Gesellschaftsformen der Praxis und damit insbesondere der Rechtsprechung zu überlassen. So ist auch die Begründung zum Gesetzentwurf zum UMAG zu verstehen, dass der Grundgedanke des im § 93 I 2 AktG geregelten Geschäftsleiterermessens auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung Anwendung finden soll.122 Bei strenger dogmatischer Betrachtung123 scheidet folglich mangels planwidriger Regelungslücke eine Analogie aus.124 III. Entsprechende Anwendung des § 93 I 2 AktG Gerne wird im Rahmen der Herleitung der dogmatischen Grundlage des Geschäftsführerermessens auf eine entsprechende Anwendung des § 93 I 2 AktG verwiesen.125 Eine entsprechende Anwendung verlangt jedoch eine ausdrückliche Anordnung ebendieser entsprechenden Geltung einer Vorschrift,126 welche weder in § 93 AktG noch in § 43 GmbHG ersichtlich ist. Allein der in der Begründung zum Gesetzesentwurf hervorgetretene Wille des Gesetzgebers, § 93 I 2 AktG auch au117

So die Stellungnahme des Bundesrats zur GmbH-Novelle von 1980, BR-Dr 404/77, S. 2. Siehe Fleischer, GmbHR 2008, 673, 674. 119 Gesetz zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher Vorschriften (GmbHNovelle) vom 4. 7. 1980 (BGBl. I S. 836). 120 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Dr 8/3908, S. 66. 121 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Dr 8/3908, S. 66. 122 Siehe Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 123 Siehe zu den Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke: Larenz/Canaris, S. 194. 124 So auch Haese, S. 95. 125 So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 72; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 36. 126 Siehe zu der Methodik einer entsprechenden Anwendung: Larenz/Canaris, S. 82. 118

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

ßerhalb des Aktienrechts Anwendung finden zu lassen, reicht für eine saubere dogmatische Grundlage einer entsprechenden Anwendung nicht aus. Insofern ist auch eine entsprechende Anwendung des § 93 I 2 AktG auf den GmbH-Geschäftsführer nicht möglich. IV. Begründungsmuster des BGH Die Anwendung der BJR auf die GmbH könnte weiterhin als geltendes Richterrecht angesehen werden und hieraus seine normative Grundlage ziehen. Abgesehen davon, dass es keinesfalls als gesichert angesehen werden kann, dass Richterrecht als Normquelle dienen kann, sollte es im Ergebnis in erster Linie „Rechtserkenntnisquelle“ sein und bedarf damit einer eigenständigen dogmatischen Grundlage.127 Insofern ist festzustellen, ob der BGH – als maßgebliches oberstes Gericht bezüglich der Beurteilung des Gesellschaftsrechts – bei der Anwendung der BJR auf den GmbH-Geschäftsführer methodisch korrekten Rechtsgewinnungsargumenten folgt. In der Analyse bietet es sich an, die zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidungen in chronologischer Reihenfolge zurückzuverfolgen, da neuere Entscheidungen regelmäßig auf vorangegangenen Entscheidungen aufbauen und so, ausgehend von der aktuellsten Entscheidung, das normative Begründungsmuster zu seinem Kern zurückverfolgt werden kann. 1. BGH Urteil zur GmbH vom 18. 06. 2013 Das BGH-Urteil vom 18. 06. 2013 bezieht sich auf einen zwischen dem 09. 09. 2004 und dem 25. 08. 2005 stattfindenden Sachverhalt, die in Frage stehenden Handlungen fanden also vor Einführung des § 93 I 2 AktG am 27. 09. 2005 statt. Zur Begründung des unternehmerischen Ermessens in der GmbH gibt der BGH wortlautgetreu den § 93 I 2 AktG wieder ohne diesen jedoch zu nennen.128 Der BGH stützt seine Entscheidung somit auf die aktienrechtliche Regelung, gibt jedoch keinen Hinweis auf eine methodische Begründung. Als Grundlage verweist er vielmehr auf vorangegangene Urteile. 2. BGH Urteile zur AG aus 2013 und 2011 Der Verweis bezieht sich zunächst auf ein Urteil vom 15. 01. 2013 zur AG, welches zur Begründung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes unmittelbar 127

Siehe BVerfG NJW 2011, 842, 845: „Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen.“; siehe auch Bydlinski, S. 117. 128 Siehe BGH NZG 2013, 1021, 1023.

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auf § 93 I 2 AktG verweist129 – eine aktuelle Bezugnahme auf eine normative Grundlage im AktG. Dasselbe gilt für den Verweis auf das BGH-Urteil zur AG vom 22. 02. 2011, welches ebenfalls auf § 93 I 2 AktG verweist.130 3. BGH Beschluss zur GmbH vom 14. 07. 2008 Weiterhin begründet der BGH seine Entscheidung mit dem Verweis auf einen Beschluss vom 14. 07. 2008, welcher sich auf eine pflichtwidrige Handlung im Jahr 1999 bezieht und in welchem der BGH dem GmbH-Geschäftsführer eine Haftungsprivilegierung im Wege eines unternehmerischen Ermessens zuspricht.131 Der Beschluss statuiert von Gesetzeslage und Rechtsprechung im Aktienrecht auf den ersten Blick stark abweichende, wesentlich strengere Tatbestandsvoraussetzungen und begründet das Haftungsprivileg ausschließlich auf einem sogleich zu erörternden BGH-Urteil zur GmbH von 2002 und einem Aufsatz von Goette.132 Dieser Aufsatz behandelt jedoch wiederum Fragen des Aktienrechts und entwickelt für die AG wortlautgetreu gerade die strengen Voraussetzungen, welche in dem Beschluss von 2008 für die GmbH übernommen werden. Eine normative Herleitung findet sich auch in dem genannten Aufsatz nicht, dieser verweist vielmehr auf die ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung und die BJR des US-amerikanischen Rechtskreises. Insgesamt stützt sich somit auch dieser Beschluss auf die im Aktienrecht entwickelten Grundlagen. 4. BGH Urteil zur GmbH vom 04. 11. 2002 Das Urteil vom 18. 06. 2013 verweist auch auf das BGH-Urteil vom 04. 11. 2002, in welchem zum ersten Mal der unternehmerische Ermessensspielraum zugunsten des GmbH-Geschäftsführers Erwähnung findet. Zur Begründung wird hier ausschließlich auf das ARAG-Garmenbeck-Urteil verwiesen, also schon im Ursprung die Grundlage im Aktienrecht gesucht. 5. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vom 21. 04. 1997 Im Ergebnis laufen somit alle zum GmbH-Recht ergangenen Urteile auf eine Grundlage im Aktienrecht hinaus und hier im Kern auf die ARAG/GarmenbeckEntscheidung. Diese etabliert einen Haftungsfreiraum, welcher in dieser Form im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt findet. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 I 1 AktG wird nicht lediglich konkretisiert, was im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durchaus im Rahmen der richterlichen Kompetenz liegen würde und 129 130 131 132

Siehe BGH NJW 2013, 1958, 1959. Siehe BGH NZG 2011, 549, 550. Siehe BGH NJW 2008, 3361, 3362. Siehe Goette, FS BGH, S. 123, 140 f.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

als solche keine spezielle normative Grundlage bräuchte. Vielmehr schließt das Gericht die eigenständige Interpretation des Sorgfaltsmaßstabs aus und beschränkt sich auf eine Kontrolle des „deutlichen Überschreitens“ der Sorgfaltskriterien und des „unverantwortlichen Überspannens von Risiken“.133 Dieser Haftungsfreiraum wird durch Billigkeitserwägungen begründet, nach welchen unternehmerische Tätigkeit ohne einen entsprechenden Handlungsspielraum „schlechterdings nicht denkbar ist“.134 Eine normative Grundlage wird jedoch nicht genannt, insbesondere ist eine methodisch geleitete Begründung nicht ersichtlich. Wenngleich diese Selbstbeschränkung des BGH sachlich gerechtfertigt ist, findet sich auch in diesem Urteil kein normativer Anknüpfungspunkt für ein unternehmerisches Ermessen des GmbH-Geschäftsführers. Die Verweise in den vorangegangenen Urteilen zur GmbH laufen insoweit ins Leere. 6. Zwischenergebnis Insgesamt greift der BGH bei der Begründung des unternehmerischen Ermessens im GmbH-Recht regelmäßig auf die Begründungsmuster im Aktienrecht zurück, liefert hierbei jedoch keine methodische Herleitung. Im Aktienrecht steht das unternehmerische Ermessen der Leitungsorgane mittlerweile durch die Einführung des § 93 I 2 AktG dogmatisch auf gesichertem Grund. Es steht noch aus, wie der BGH Entscheidungen zur GmbH dogmatisch begründen wird, welche Sachverhalte behandeln, die sich nach der Einführung des § 93 I 2 AktG abspielen. Mangels hinreichender methodischer Herleitung kann die Rechtsprechung des BGH als „geltendes Richterrecht“ jedenfalls nicht als dogmatische Grundlage für die BJR im GmbH-Recht dienen. V. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Die Anwendung der BJR auf die GmbH lässt sich nach alledem nicht durch eine gesetzesimmanente Lückenfüllung begründen. Die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die BJR nicht im GmbHG ausdrücklich zu normieren, schließt eine analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG aus. Damit wird der Rechtsanwender in dem Dilemma zurückgelassen, dass eine entsprechende Anwendung der in § 93 I 2 AktG getroffenen Regelung zwar rechtspolitisch angezeigt und gewollt ist, im geltenden Recht jedoch keine Gesetzesgrundlage findet. Dieser Widerspruch wird von einem in der Literatur vertretenen Ansatz durch eine „methodologische Zwischenlösung“ in Form einer Ausstrahlungswirkung oder eines Leitbildcharakters135 gelöst.136 Der Ausdruck der Ausstrahlungswirkung ist insoweit 133

Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928. Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1927. 135 Von einem Leitbildcharakter des § 93 I 2 AktG spricht auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 111. 134

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treffend, als dass die aktienrechtliche Regelung nicht unmittelbar übernommen wird, sondern lediglich deren Grundgedanke und auf diesem aufbauend die GmbH-spezifischen Besonderheiten hinreichend berücksichtigt werden können. Die Bezeichnung „methodologische Zwischenlösung“ ist allerdings als dogmatische Grundlage einer solchen Ausstrahlungswirkung kaum geeignet. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Rechtsfortbildung extra legem, da hier eine den gesetzlich vorgegebenen Rahmen übersteigende Rechtsfortbildung vorzunehmen ist. Eine solche setzt voraus, dass die gegebene Rechtslage gemessen an den Bedürfnissen der Gesamtrechtsordnung unvollständig ist und dass diese Unvollständigkeit nicht durch gesetzesimmanente Rechtsfortbildung behoben werden kann.137 Letzteres wurde oben bereits bejaht. Um ein Bedürfnis der Gesamtrechtsordnung nachzuweisen, ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zu identifizieren, aufgrund dessen die Rechtsfortbildung angezeigt ist. Ein solcher liegt hier in dem Grundsatz des unternehmerischen Ermessens, welcher über Jahrzehnte der rechtstheoretischen Entwicklung entstanden ist und auch in den Erkenntnissen der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung eine Grundlage findet. Dieser Grundsatz rechtfertigt die Anwendung der BJR auf die GmbH im Wege der Rechtsfortbildung als eigenständiger Tatbestand. VI. Ergebnis Im GmbH-Recht ist also eine in gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung entwickelte, eigenständige BJR deutscher Art anzuwenden, welche ihre dogmatischen Wurzeln in dem allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens hat. Der Normierung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes im § 93 I 2 AktG und dem Willen des Gesetzgebers einer Anwendung über das Aktienrecht hinaus ist insofern Rechnung zu tragen, als die zu § 93 I 2 AktG gefundenen Regelungen und Erkenntnisse im Wege einer, wie es sich begrifflich anschaulich fassen lässt, Ausstrahlungswirkung zu berücksichtigen sind.138 Die eigenständige dogmatische Grundlage ermöglicht es, den GmbH-spezifischen Besonderheiten hinreichend Rechnung zu tragen, und eröffnet den flexiblen Rückgriff auf die aktienrechtliche „Parallelregelung“ und den im deutschen Rechtssystem gewachsenen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens. Dies bedeutet nicht, dass die im Aktienrecht gefundenen Erkenntnisse an Bedeutung verlieren, sie sind nach wie vor rechtsformübergreifend als wesentlich tiefergehend entwickelte Grundlagen maßgeblich heranzuziehen.

136 Siehe Fleischer, GmbHR 2008, 673, 682, der allerdings im Grunde von einer analogen Anwendung des § 93 I 2 AktG ausgeht. 137 Siehe zu den Voraussetzungen Larenz/Canaris, S. 245 f. 138 So auch Drescher, Rn. 127: „Diese Regelung strahlt auch auf das GmbH-Recht aus“.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

§ 10 Die Tatbestandsmerkmale der BJR und ihre GmbH-spezifischen Besonderheiten Aufgrund der besonderen Tiefe der Diskussion zu den Tatbestandsmerkmalen der BJR im Aktienrecht wurde der aktuelle Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung, soweit für die GmbH relevant, bereits dort dargestellt. Auf die dortige Darstellung ist im Folgenden zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen. Maßgebliche Aufgabe der folgenden Darstellung wird es sein, die eigenständigen, GmbH-spezifischen Abweichungen von der aktienrechtlichen Regelungslage herauszustellen und für diese selbständige Lösungsvorschläge zu entwickeln.

A. Unternehmerische Entscheidung Bei oberflächlicher Betrachtung der negativen Abgrenzungsmerkmale der unternehmerischen Entscheidung laufen die Kriterien im GmbH-Recht und Aktienrecht dem ersten Anschein nach parallel. Die Verletzung von Treuepflichten fällt aus dem Anwendungsbereich der BJR heraus, ebenso wie grundsätzlich Handlungen, die die Legalitätspflicht verletzen.139 So kann zunächst zur abstrakten Definition der unternehmerischen Entscheidung auf die zum Aktienrecht gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Im Einzelnen führen jedoch die GmbH-spezifischen Besonderheiten zu abweichenden Ergebnissen. I. Definition der unternehmerischen Entscheidung Bezüglich der positiven Umschreibung einer unternehmerischen Entscheidung wird im GmbH-Recht mit denselben Definitionsversuchen wie im Aktienrecht gearbeitet und auch hier hat sich noch keine einheitlich anerkannte Formulierung herausgebildet.140 Dementsprechend soll hier auch für die GmbH die schon zur AG entwickelte negative Definition aufgegriffen werden. So liegt eine unternehmerische Entscheidung im Sinne der BJR nur dann vor, wenn diese nicht in mindestens einer Dimension für den Einzelfall konkretisierbar positiv vorbestimmt oder in ihrer 139 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 112,117; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 56a; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 81; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22. 140 Maßgeblich auf eine Prognoseentscheidung abstellend: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 11; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 37; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 56; auf eine mögliche Auswahl aus Handlungsvarianten und damit auf die Gegensätzlichkeit zu rechtlich gebundenen Entscheidungen abstellend: Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 117; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 43 Rn. 29; sowohl auf Prognosecharakter als auch auf fehlende Gebundenheit abstellend: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 69; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22b; für eine negative Abgrenzung und eine Konkretisierung nach Beispielsfällen: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 82.

§ 10 Tatbestandsmerkmale der BJR und ihre Besonderheiten

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konkreten Form verboten ist. Der GmbH-Geschäftsführer kann sich somit nicht auf die BJR berufen, wenn die getroffene Entscheidung gegen konkret bestimmbare Pflichten verstößt oder die Entscheidung durch konkret bestimmbare Pflichten jedenfalls in einer Dimension vorbestimmt war. Diese Pflichtenstellung schließt sowohl Vorgaben bezüglich des Entschlusses zum Handeln überhaupt als auch bezüglich des Beschlusses zur Art und Weise der vorzunehmenden Handlung ein. Denn auch im GmbH-Recht gilt es, den Geltungsbereich der BJR klar abzugrenzen und ihre Wirkung über den allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens hinaus zu sichern. Zudem kann sich die Definition auf die maßgebliche Bedeutung des Merkmals der Unsicherheit der Entscheidung stützen, dessen Relevanz auch für die GmbH bereits dargelegt wurde. Zur Bedeutung der Unsicherheit bei der Entscheidung sei nochmals hervorgehoben: Wo sich konkrete Pflichten bezüglich einer Entscheidung bestimmen lassen, entfällt in diesem Rahmen die Unsicherheit. Der Richter muss dann die Erfüllung der konkreten Pflicht überprüfen, welche nur im Lichte der Gesamtentscheidung beurteilt werden kann. Die zwingende Folge ist jedoch eine Mitüberprüfung des Entscheidungsteils, der von dem unternehmerischen Ermessen gedeckt sein sollte. Dies steht einer Anwendung des weiten unternehmerischen Ermessens der BJR sowohl auf die Gesamtentscheidung als auch auf den ungebundenen Entscheidungsteil entgegen, da eine klar abgrenzbare Aufspaltung eines Entscheidungsgegenstands nicht möglich ist. II. Abgrenzung zur Legalitätspflicht Die Einhaltung der Legalitätspflicht muss auch im GmbH-Recht als zwingende Voraussetzung einer unternehmerischen Entscheidung erfüllt sein. Bezüglich des Inhalts der zu beachtenden Pflichten und der in diesem Bereich bestehenden Unterschiede zwischen GmbH und AG ist auf die Darstellungen im 2. Teil zu verweisen.141 Hier sind insbesondere die fehlende unmittelbare Beeinflussung des GmbH-Geschäftsführers durch den DCGK mangels Anwendbarkeit des § 161 AktG, die regelmäßig nur eingeschränkte Pflicht zur Einrichtung eines ManagementCompliance-Systems und der geringe Einfluss der Vorschriften des Aufsichtsrecht, insbesondere des WpHG auf die GmbH, nochmals zu erwähnen. Im Übrigen sind die zum Aktienrecht entwickelten Grundsätze zur Ausschlussfunktion der Legalitätspflicht übertragbar. Insbesondere gilt auch für die GmbH, dass Entscheidungen bei unsicherer Rechtslage, bei Beurteilungsspielräumen innerhalb gebundener Entscheidungen und bei bewusstem Abweichen von einer bestehenden Rechtspraxis einem unternehmerischen Ermessen eigener Art unterliegen und die BJR insoweit nicht unmittelbar anwendbar ist.142 Weiterhin in vergleichbarer Weise 141

Siehe insbesondere § 6 A. III. 2. b). So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 83a; zu Pflichtaufgaben innerhalb der Unternehmensorganisation: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 138; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17, 23c. 142

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

sind auch aus Gesellschaftssicht nützliche Verstöße gegen die Legalitätspflicht nicht als unternehmerische Entscheidung zu klassifizieren.143 Als GmbH-spezifische Besonderheit ist bezüglich der Legalitätspflicht allerdings insbesondere der Einfluss des Gesellschafterwillens zu behandeln. Im Rahmen der Pflicht, die Kompetenzordnung zu achten, hat der Geschäftsführer wirksamen Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten und die den Gesellschaftern durch Gesetz und Gesellschaftsvertrag zugeschriebenen Kompetenzen zu achten.144 So stellt sich die Frage, wie sich dies auf die BJR auswirkt und ob trotz Weisung ein Anwendungsbereich der BJR verbleibt. Schließlich sind weitere GmbH-spezifische Einschränkungen des Anwendungsbereichs der BJR durch die Legalitätspflicht zu betrachten sowie deren Rechtsfolgen, insbesondere die Anwendungsbereiche eines unternehmerischen Ermessens eigener Art im GmbH-Recht. 1. Kompetenzordnung Zunächst ist herauszustellen, dass der Geschäftsführer nur insoweit zur Unternehmensleitung berufen ist, als die Gesellschafter diese nicht selbst wahrnehmen. Soweit die Gesellschafter die Geschäftsführung maßgeblich an sich ziehen und der Geschäftsführer nur noch nach außen den Gesellschafterwillen umsetzt, verbleibt kein Raum für die Anwendung der BJR. Begrenzt wird der Anwendungsbereich also insbesondere durch wirksame Weisungen, gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich zwingend den Gesellschaftern zugeschriebene eigenständige Entscheidungskompetenzen und durch gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich bestimmte Zustimmungserfordernisse der Gesellschafter und anderer Organe.145 So bestimmt dieser Grundsatz erscheint, so vielfältig sind die möglichen Fragen, die sich im Einzelfall ergeben können. a) Kompetenzen der Gesellschafter Den Gesellschaftern sind zunächst schon durch das Gesetz bestimmte Kompetenzen zugeschrieben. Diese umfassen insbesondere gemäß §§ 26, 28 GmbHG die 143 BGH NJW 2010 3458, 3460; OLG Karlsruhe GWR 2013, 404, 404; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 6; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1311; allerdings nicht per se eine Pflichtverletzung bei Verstößen gegen Pflichten aus dem Außenverhältnis annehmend: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 78 f. 144 Jedenfalls insoweit ist der Einfluss des Gesellschafterwillens der Legalitätspflicht zuzuordnen, siehe auch BGH NJW 2007, 917, 918; BGH NZG 2008, 783, 785 (jeweils zur Kompetenz der Gesellschaft zur Festlegung der Vergütung des Geschäftsführers); Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 26 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 53; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17. 145 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 27; ders., NZG 2011, 521, 524; siehe zur im Aktienrecht ebenso wie im GmbH-Recht der Legalitätspflicht zuzuordnenden Pflicht zur Wahrung der Kompetenzordnung bereits oben: § 6 A. III. 2. b) aa) (1).

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Einforderung von Nachschüssen, gemäß § 51a GmbHG die Entscheidung über die Informationsverweigerung gegenüber Gesellschaftern, gemäß § 53 GmbHG die Kompetenz zu Satzungsänderungen, gemäß § 60 Nr. 2 GmbHG den Beschluss zur Auflösung sowie andere Grundlagenentscheidungen,146 gemäß § 66 GmbHG die Bestellung der Liquidatoren und schließlich die in § 46 GmbHG aufgeführten Entscheidungskompetenzen, soweit diese nicht im Sinne des gemäß § 45 I GmbHG vorgesehenen Regelfalls durch Gesellschaftsvertrag eigenständig geregelt wurden.147 Soweit der Geschäftsführer Entscheidungen trifft, die gemäß der genannten Vorschriften nicht in seinem Kompetenzbereich liegen, kann er sich nicht auf die BJR berufen. Insbesondere Verpflichtungen über Organrechte und Satzungsänderungen kann der Geschäftsführer allerdings alleine schon gar nicht wirksam vornehmen.148 Schwieriger wird die Abgrenzung der Kompetenzbereiche bei ungeschriebenen Kompetenzzuweisungen zugunsten der Gesellschafter. Die entscheidenden Fallgruppen, für die eine ungeschriebene Kompetenz der Gesellschafter bejaht wird, stellen hier die Fragen der Unternehmenspolitik und die sogenannten außergewöhnlichen Maßnahmen dar.149 Diese Begriffe sind schon für sich betrachtet in ihrer Bedeutung nicht trennscharf abzugrenzen und auch untereinander überschneiden sich die Anwendungsbereiche. Entscheidend ist hier die Abgrenzung des Anwendungsbereichs beider Begriffe insgesamt als Kompetenzbereiche der Gesellschafter, die eine Vorlagepflicht nach § 49 II GmbHG begründen,150 von den eigenständig dem Geschäftsführer zuzuweisenden Entscheidungsgegenständen. Dabei wird der mutmaßliche Gesellschafterwille eine wesentliche Rolle spielen, um diesen abstrakt kaum abgrenzbaren Begriffen im konkreten Einzelfall klare Konturen zu verleihen. Im Folgenden werden nun die geschriebenen und die ungeschriebenen Gesellschafterkompetenzen in Abgrenzung zum Kompetenzbereich der Geschäftsführer zu untersuchen sein.

146 Insbesondere Umwandlungsvorgänge im Sinne von §§13 I, 125, 193 I UWG, siehe Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 45 Rn. 25. 147 Siehe auch Jaeger, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 19 Rn. 1 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 8; siehe zu den Grenzen der Kompetenzübertragung durch die Gesellschafter: Schmidt, in: Scholz, § 45 Rn. 8; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 45 Rn. 21. 148 Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 35 Rn. 45 f.; Wolff, in: MHdB GesR III, § 37 Rn. 11. 149 Siehe auch Haese, S. 67 ff. 150 Ebenfalls die Vorlagepflicht unmittelbar aus § 49 II GmbHG und damit aus dem Interesse der Gesellschaft herleitend: OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 267; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 19; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 15; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10; Fleischer, NZG 2011, 521, 525; a.A., auf § 116 HGB verweisend: Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124; a.A., auf das allgemeine Weisungsrecht als Rechtsgrundlage verweisend: Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 129.

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aa) Unternehmensgegenstand und Unternehmenspolitik Entscheidungen über Maßnahmen, die außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen, liegen außerhalb der Kompetenz der Geschäftsführer und erfordern daher stets einen ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschluss.151 Der Unternehmensgegenstand ist zwingend in der Satzung festzulegen, womit auch die Abgrenzung dieses Kompetenzbereichs wenig problematisch ist.152 Unzulässig sind hier sowohl die Über- als auch die Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes.153 Recht klare Leitlinien gibt insofern auch die Unternehmenspolitik vor.154 Diese soll schon in den §§ 42a II, 29 II, 46 Nr. 1, 5, 7 GmbHG in Form der Personal-, Finanz- und Bilanzpolitik als Kompetenzbereiche der Gesellschafter zum Ausdruck kommen.155 Der BGH spricht darüber hinaus von „Maßnahmen und Entscheidungen, die den Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs sprengen“.156 Entscheidend ist damit, was die Gesellschafter als Grundsätze der Unternehmenspolitik formulieren und welche Grundsätze durch tatsächliche Betätigung etabliert werden.157 Von diesen übergeordneten Grundsätzen sind Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung abzugrenzen. Die laufende Geschäftsführung umfasst insbesondere die Organisation des Unternehmens im Rahmen der gewöhnlichen Verwaltung und den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft.158 Doch auch nicht jede über das Tagesgeschäft hinausgehende Maßnahme ist der Unternehmenspolitik zuzuordnen. Vielmehr sind zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten nur Grundsatzentscheidungen zur Unternehmenspolitik zu berücksichtigen, also solche, die bezüglich der Rechtsfolgen eine gewisse Tragweite und langfristige Wirkung haben.159 Bezüglich der Rechtsfolgen besteht Einigkeit, dass für Fragen der Änderung der Unternehmenspolitik eine vorrangige Kompetenz der Gesellschafter und damit eine Vorlagepflicht besteht, lediglich bezüglich des erstmaligen Etablierens einer Unternehmenspolitik 151

Siehe bereits oben § 6 A. III. 2. b) aa) (1) und § 7 C. II. 1. Siehe § 3 I Nr. 2 GmbHG, Wicke, in: MüKo GmbHG, § 3 Rn. 9, 10, wonach der Unternehmensgegenstand die grundlegende Strukturentscheidung darstellt und den Handlungsbereich bezüglich Tätigkeitsbereich und Art der Tätigkeit absteckt; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rn. 6, der auf die weitgehende Konkretisierung bei der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes hinweist. 153 Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 17 mit konkreten Beispielen. 154 Siehe zur Kompetenzverteilung bezüglich der Festlegung der Unternehmenspolitik bereits oben § 5 A. II. 155 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 18; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 6 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8. 156 Siehe BGH NJW 1991, 1681, 1682; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 131, 132. 157 Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8. 158 Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 11 f. 159 Siehe Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 18; Zitzmann, S. 66, mit Verweisen auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse; Kort, ZIP 1991, 1274, 1276 f., der noch enger nur auf Grundlagenentscheidungen abstellt. 152

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müssen die Geschäftsführer eigenständig tätig werden, soweit die Gesellschafter sich nicht hinreichend äußern.160 bb) Außergewöhnliche Maßnahmen Auch für sogenannte außergewöhnliche Maßnahmen wird eine Vorlagepflicht überwiegend angenommen, fraglich ist nur, wann eine außergewöhnliche Maßnahme vorliegt. Richtigerweise ist der Kreis solcher Maßnahmen eng zu fassen, da bei zu strengen Vorlagepflichten eine effektive Leitung der Gesellschaft gelähmt würde und die Gesellschafter durch ihr Weisungsrecht und die Möglichkeit entsprechende Zustimmungsvorbehalte zu setzen hinreichend geschützt sind.161 So ist auf den Unternehmensgegenstand, eine ständige Unternehmenspolitik, die Bedeutung der Entscheidung und auf das unternehmerische Risiko abzustellen. Zu weitgehend und damit nicht übertragbar sind die zu der Regelung des § 116 HGB entwickelten Grundsätze.162 Die Pflicht zur Befolgung von Unternehmensgegenstand und Unternehmenspolitik wurde bereits dargelegt. Erst auf einer vergleichbaren Intensitätsstufe darf als eine Art Auffangtatbestand eine hinreichende Bedeutung oder ein hinreichendes Risiko einer Entscheidung angenommen werden. Die Bedeutung und das Risiko einer konkreten Entscheidung hängen stets maßgeblich von Art, Umfang und wirtschaftlicher Lage des betroffenen Unternehmens ab. Insofern ist eine allgemeine objektive Grenze nur für evidente Fälle zu ziehen. Als evidente Fälle werden beispielsweise der zustimmungsbedürftige Eingriff in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter,163 der Verkauf eines maßgeblichen Betriebsteils, der mehr als 10 % des Produktionsbereichs umfasst,164 die Ausgliederung maßgeb-

160 Siehe BGH NJW 1991, 1681, 1682; deutlich für eine Entscheidungsbefugnis bei fehlendem Gesellschafterbeschluss: BGH NJW-RR 1992, 993, 993; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 62, 132; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22 f.; Jacoby, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 37 Rn. 9; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 18; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 10; siehe auch bereits oben: § 5 A. II. 161 Zu der Gefahr einer Lähmung der unternehmerischen Dynamik auch Goette, FS BGH, S. 123, 126; Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 4; siehe zum weitreichenden Schutz aus dem Weisungsrecht auch Zitzmann, S. 97 f.; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123. 162 Zur Eingrenzung auf den Unternehmensgegenstand, eine ständige Unternehmenspolitik, die Bedeutung der Entscheidung und auf das unternehmerische Risiko abstellend: OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 267; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 17 f.; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 19 f.; a.A.: Auf den Maßstab des § 116 HGB verweisend: Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 124. 163 So die Herleitung aus dem Aktienrecht von Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 21: BGH NJW 1982, 1702, 1707 (Holzmüller) und BGH NJW 2004, 1860, 1862 (Gelatine). 164 Siehe BGH DStR 2005, 1066, 1066 (Veräußerung von 92 % des Unternehmens); Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 19; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11.

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licher Unternehmensteile165 und die Preisgabe von umfangreichen unternehmensinternen Informationen genannt.166 Für die Bewertung des Risikos gilt, dass ein solches die hinreichende Intensität erst erreicht, wenn der Fortbestand des Unternehmens durch die Maßnahme jedenfalls gefährdet werden könnte.167 Im Übrigen, wenn also ein solch objektiv eindeutig dem Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter zugewiesener Entscheidungsgegenstand nicht vorliegt, ist auf das konkrete Unternehmen abzustellen und damit insbesondere auf den Willen der Gesellschafter. cc) Der mutmaßliche Wille der Gesellschafter Für den Einzelfall ist bezüglich der Kompetenzverteilung und damit der Vorlagepflicht gemäß § 49 II GmbHG maßgeblich auf den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter abzustellen.168 Entsprechend wird vertreten, dass eine Vorlagepflicht bestehen soll, wenn mit der Ablehnung durch die Gesellschafter zu rechnen ist oder diese jedenfalls selbst über den Sachverhalt entscheiden wollen.169 Bezüglich des Vorlageinteresses ist wiederum aus Praktikabilitätserfordernissen und aufgrund des vorrangigen Zwecks als Schutz der Letztentscheidungskompetenz ein Vorlageinteresse erst anzunehmen, wenn ein solches bei der entscheidungsfähigen Mehrheit der Gesellschafter vorliegt, und nicht schon, wenn nur 10 % der Gesellschafter mutmaßlich eine Einberufung befürworten würden.170 Weiterhin bedarf der Klärung, wann ein zur Vorlage verpflichtender mutmaßlicher Wille hinreichend konkret erkennbar war. Da der mutmaßliche Gesellschafterwille über § 49 II GmbHG eine verpflichtende Wirkung entfaltet, sind entsprechend strenge Anforderungen an die Erkennbarkeit zu stellen. Eine solche ist daher nur bei objektiv eindeutigen und konkreten Anhaltspunkten zu bejahen.171 Dazu 165

Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 22. 166 So insbesondere bei der Due Diligence, siehe Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 136 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 22. 167 So auch Fleischer, NZG 2011, 521, 525, der auch bei risikoaversen Gesellschaftern erst bei einer solchen möglichen Existenzgefährdung die Grenze zur Vorlagepflicht zieht; a.A: Bayer, GmbHR 2014, 897, 899, der schon bei drohenden hohen Verlusten und Existenzbedrohung stets eine Vorlagepflicht vorsieht. 168 Siehe Fleischer, NZG 2011, 521, 525, bezeichnet § 49 II GmbHG hier passend als „dogmatischen Transmissionsriemen“ zur GmbH-spezifischen Berücksichtigung des Gesellschafterwillens; siehe auch Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 118b. 169 Siehe BGH NJW 1984, 1461, 1462; OLG Stuttgart GmbHR 2013, 535, 540; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 20; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 19. 170 So auch Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 134; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 23; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 10; siehe auch bereits oben: § 7 C. II. 3. a); a.A.: Einberufungspflicht schon ab 10 % Vorlageverlagen: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 8; Einberufungspflicht bei entsprechendem Minderheitsgesellschafterwillen: OLG Frankfurt, GmbHR 1989, 254, 255. 171 So auch Hechtel, S. 56.

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gehören zunächst nicht abschließende Zustimmungsvorbehalte, aus denen auf eine Vorlagepflicht auch für vergleichbare Sachverhalte geschlossen werden muss. Demgegenüber führen umfassende Zustimmungskataloge und Untergrenzen für vorlagepflichtige Geschäfte zu einer Vermutung entgegen einer Vorlagepflicht, soweit die Entscheidung nicht von der ausdrücklichen Vorlagepflicht erfasst wird.172 Weiterhin kann ein hinreichend erkennbarer mutmaßlicher Wille der Gesellschaftergesamtheit durch ausdrückliche Äußerungen einzelner Gesellschafter zutage treten, soweit diese die entscheidungsfähige Mehrheit ausmachen. Ein solcher ausdrücklich geäußerter Wille kann auch abstrakte Verhaltensvorgaben umfassen, die beispielsweise ein risikofreudiges oder risikoaverses Verhalten als vorzugswürdig vorgeben. Schließlich ist auch ein früheres Vorlageverlagen bezüglich einer vergleichbaren Entscheidung als hinreichende Konkretisierung des mutmaßlichen Willens zu werten.173 Zu weit würde hingegen eine Pflicht zu eigenständigen Nachforschungen des Geschäftsführers gehen. So kann nicht verlangt werden, dass der Geschäftsführer den Gesellschaftern ihre Wünsche förmlich von den Lippen abliest.174 Vielmehr ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Interesse des Geschäftsführers, einer Haftung wegen eines Kompetenzverstoßes zu entgehen, und dem Interesse der Gesellschafter, die Gesellschaftstätigkeit nach ihren Wünschen zu gestalten, zu finden. Hierbei ist zunächst der ohnehin schon aus der Treuepflicht der Geschäftsführer erwachsende Schutz der Gesellschafter zu beachten, wonach die Geschäftsführer nicht gegen das Gesellschaftsinteresse und damit gegen das Interesse der Gesellschafter verstoßen dürfen.175 Weiterhin ist durch die Vorlagepflicht bei einem Abweichen von der aktuellen Unternehmenspolitik bereits ein weitreichender Schutz des abstrakten Willens der Gesellschafter gegeben. Schließlich ist zu beachten, dass der Schutz der Gesellschafter auch durch die Berichtspflicht der Geschäftsführer gewährleistet wird.176 Eine entsprechende Pflicht zur Information der Gesellschafter kann schon angenommen werden, wenn weittragende oder besonders bedeutende Entscheidungen anstehen, also ab einer niedrigeren Schwelle als jener der Vorlageverpflichtung.177 Insgesamt ist daher die Beurteilung der Erkennbarkeit des mutmaßlichen Willens im Rahmen der Abgrenzung der Kompetenzbereiche zurückhaltend vorzunehmen. Erst bei einem objektiv offensichtlich zutage tretenden 172

Siehe Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 133. So auch Hechtel, S. 54 f. 174 So auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 37 Rn. 6d: „Zweifel an der Billigung durch die Gesellschafter“ reicht nicht ohne weiteres aus, denn „zweifeln kann man je nach psychischer Konstitution an sehr vielem.“. 175 Siehe hierzu bereits oben: § 6 A. III. 1. a). 176 Siehe Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 114, § 51a Rn. 4; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 51a Rn. 10; krit. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 59. 177 Siehe Schmidt, in: Scholz, § 51a Rn. 4; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 51a Rn. 10; Hechtel, S. 57 f. 173

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Willen der Gesellschaftermehrheit ist eine hinreichende Erkennbarkeit zu bejahen. Soweit jedoch ein mutmaßlicher Wille erkennbar ist, hat dieser zwingend in die Ermessensausübung einzufließen und kann zur Vorlage der Entscheidung bei den Gesellschaftern verpflichten. dd) Zwischenergebnis Nach alledem liegt ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung und damit gegen die Legalitätspflicht vor, wenn der Geschäftsführer die Entscheidung nicht den Gesellschaftern zum Beschluss vorlegt, obwohl der Unternehmensgegenstand, die Unternehmenspolitik, Bedeutung und Risiko der Entscheidung oder sonstige objektive konkrete Anhaltspunkte den mutmaßlichen Willen der Gesellschaftermehrheit zur eigenständigen Entscheidung begründen. Für eine hinreichende Bedeutung und ein hinreichendes Risiko der Entscheidung für das konkrete Unternehmen ist, soweit kein weitergehender mutmaßlicher Gesellschafterwille erkennbar ist, nur auf Entscheidungen von erheblicher Tragweite abzustellen, die objektiv und evident einem Interesse zur eigenständigen Entscheidung der Gesellschafter unterliegen. b) Gesellschafterweisung Neben der Regelung der Geschäftsführungsbefugnisse des Geschäftsführers durch Satzung stellen die Regelungen durch Gesellschafterbeschlüsse die maßgebliche Form der Kompetenzausübung der Gesellschafter dar.178 Hier kann gemäß § 37 I GmbHG der konkrete Gesellschafterwille in Form von Weisungen verbindlich ausgeübt werden und das unternehmerische Ermessen des Geschäftsführers in entsprechendem Umfang eingeschränkt werden. aa) Anwendung der BJR trotz Weisung Soweit eine Weisung zu einem konkret bestimmten Verhalten wirksam erteilt wird und der Geschäftsführer der Weisung folgt, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der BJR nicht, da schon eine die Haftung ausschließende Weisung vorliegt.179 Soweit er der Weisung nicht folgt, verstößt er gegen die Kompetenzordnung und eine Anwendung der BJR kommt ebenfalls nicht in Betracht.180 Ein Anwendungsbereich der BJR kann jedoch im Rahmen weisungsgebundenen Verhaltens verbleiben, soweit die Weisung einen eigenständigen Ermessensfreiraum offen lässt.181 Dies scheint zunächst der Definition der unternehmerischen Entscheidung zu widersprechen, da 178 Siehe zu den Grenzen der Eingriffsbefugnis der Gesellschafter in die Geschäftsführungsbefugnis: § 5 A. II.; siehe auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 24 ff. 179 Siehe zur haftungsausschließenden Wirkung der Weisung bereits oben: § 6 C. II. 2.; siehe auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 40 ff.; Lutter, ZIP 2007, 841, 848. 180 Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 27; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 73. 181 So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 64; wohl a.A. Bunz, S. 249.

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die Entscheidung durch eine Regelung im Rahmen der Kompetenzordnung und damit der Legalitätspflicht in mindestens einer Dimension durch die Weisung verbindlich vorgegeben sein wird. Die Bestimmung des Bereichs eigenständiger Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsführers ist jedoch gerade ein wesentliches Charakteristikum des Kompetenzgefüges zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern. Soweit demnach die Gesellschafter bei einer Weisung einen eigenständigen Entscheidungsspielraum für die Ausführung der Weisung offen lassen, überlassen sie dem Geschäftsführer insoweit die Auslegung des Unternehmensinteresses und dessen Konkretisierung in der Entscheidung. Die für die BJR maßgebliche Unsicherheit bei unternehmerischen Entscheidungen setzt sich hier unmittelbar in der Unsicherheit bei der Umsetzung des Gesellschafterwillens in der unternehmerischen Frage fort. Soweit bei der Umsetzung des Gesellschafterwillens Unklarheiten verbleiben, obliegt die Auslegung des Gesellschafterwillens dem Geschäftsführer und nicht den Gerichten. So steht dem Geschäftsführer bei der Weisung, einen neuen Geschäftszweig aufzubauen, selbstverständlich im Rahmen der Umsetzung das weite unternehmerische Ermessen der BJR zu. Insgesamt ist somit dem Willen der Gesellschafter entsprechend ein klassischer Anwendungsfall der BJR gegeben und die Gesellschafter und die Gerichte müssen die im Rahmen des Ermessensfreiraumes getroffene Entscheidung akzeptieren.182 bb) Anfechtbare Weisungen Eine besondere Entscheidungssituation ergibt sich bei einem noch nicht bestandskräftigen Weisungsbeschluss. Ein Weisungsbeschluss kann insbesondere bei Gesetzes-, Satzungs- oder Treuepflichtverstößen in analoger Anwendung des § 243 AktG anfechtbar sein.183 Soweit eine anfechtbare Weisung bestandskräftig geworden ist, entfaltet sie in gleicher Weise verpflichtende und haftungsbefreiende Wirkung wie eine ordnungsgemäße Weisung.184 Weniger klar stellt sich die Rechtslage bei noch anfechtbaren Weisungen dar. Hier wird dem Geschäftsführer ein eigenständiger Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Dringlichkeit und Notwendigkeit der Beschlussausführung eingeräumt,185 wobei teilweise schon in Fällen, in denen mit 182

Siehe Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 115; siehe auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123. Ständige Rspr., siehe BGH NZG 2003, 127, 128; BGH NJW 1999, 2115, 2116; BGH NJW 1987, 2514, 2515; siehe auch Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 81, 83 ff. mit weiteren Anfechtungsgründen; krit. Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 12; vgl. zur dogmatischen Grundlage in § 243 AktG Fleischer, GmbHR 2008, 673, 679 f. 184 Siehe BGH NJW 1974, 1088, 1089; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 278; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 35; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 130; Fleck, GmbHR 1974, 224, 228. 185 Siehe Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 16 Rn. 22; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 35; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 44; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 37 Rn. 15; Koppensteiner/ Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 43 Rn. 35; differenzierend nach Folgenabwägung mit Ermessensspielraum und rechtlichen Zweifelsfragen: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 183

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einer Anfechtung nicht zu rechnen ist, eine Folgepflicht angenommen wird.186 Insgesamt ist der herrschenden Meinung bezüglich der Gewährung eines eigenständigen Ermessensfreiraumes des Geschäftsführers zuzustimmen. Dieser ist verpflichtet, seinen Sorgfaltspflichten entsprechend im Unternehmensinteresse erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Soweit das Unternehmensinteresse aufgrund einer Anfechtungsmöglichkeit noch nicht mit hinreichender Sicherheit durch Gesellschafterbeschluss konkretisiert worden ist, muss der Geschäftsführer selbst diese Konkretisierung auf eine bestimmte Maßnahme im Rahmen eines eigenen Ermessens vornehmen können. Allerdings ist diese Entscheidung nicht vorrangig von unternehmerischer Unsicherheit geprägt, sondern steht vielmehr maßgeblich im Lichte der rechtlichen Unsicherheit, welche aus der möglichen Anfechtbarkeit des Weisungsbeschlusses erwächst.187 Demensprechend wird dieser Ermessensspielraum richtigerweise auch nicht der BJR zugeordnet, sondern unterliegt einem unternehmerischen Ermessen eigener Art, vergleichbar mit jenem bei Entscheidungen unter unsicherer Rechtslage.188 cc) Nichtige Weisungen Nach allgemeiner Meinung entfalten nichtige Weisungsbeschlüsse in analoger Anwendung des § 241 AktG weder Folgepflichten noch haftungsbefreiende Wirkung.189 Da sie demnach für die Organhaftung grundsätzlich unerheblich sind,190 ist auch die Anwendung der BJR unabhängig von der nichtigen Weisung zu beurteilen. Allerdings hat der Geschäftsführer insbesondere in Fällen, in denen die Nichtigkeit ausschließlich auf formellen Fehlern beruht, den aus der Weisung hervorgehenden mutmaßlichen Willen der Gesellschafter zu beachten. Dies kann die Verpflichtung zur Herbeiführung eines wirksamen Beschlusses begründen sowie zur Ermessensreduzierung des Geschäftsführers führen. Zu denken ist hier beispielsweise an Fälle, in denen die Nichtigkeit auf der Nichteinladung eines Gesellschafters zur Gesellschafterversammlung beruht,191 die Mehrheit der Gesellschafter jedoch anwesend Rn. 278; für eine Anwendung der Grundsätze zum schuldlosen Rechtsirrtum in diesen Fällen: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 242; a.A., für eine „volle Verantwortung“: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 132. 186 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 131. 187 Ähnlich Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 242. 188 Siehe hierzu bereits oben: § 4 B. I. 2. b). 189 Siehe zur analogen Anwendung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsregelungen, insbesondere des § 241 AktG: BGH NJW 1987, 2514, 2514; BGH GmbHR 1962, 40, 40; BGH GmbHR 1952, 28, 28 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 44; Fleischer, GmbHR 2008, 673, 679; siehe zum Ausschluss der Folgepflicht bei Nichtigkeit der Weisung: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 127; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 278; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 35; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 239; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 61. 190 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 239. 191 Siehe Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 47 Rn. 95 f.

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war und einstimmig für die Maßnahme gestimmt hat. In diesen Fällen dürfte der Geschäftsführer jedenfalls keine Maßnahmen treffen, die die Umsetzung des Beschlussgegenstands dauerhaft vereiteln würden. 2. GmbH-spezifische Beschränkungen aus der Legalitätspflicht Ein unternehmerisches Ermessen eigener Art ist immer dann in Betracht zu ziehen, wenn das weite Ermessen der BJR durch spezielle Pflichtenbindungen eingeschränkt wird. In diesen Fällen kommt eine unmittelbare Anwendung der BJR nicht in Betracht, ein eingeschränktes unternehmerisches Ermessen ist jedoch auch im Rahmen des regulären Pflichtenmaßstabs des § 43 I GmbHG zu befürworten. Für die GmbH existieren gesellschaftsformspezifische Fallgruppen, für die ein solches eingeschränktes Ermessen Anwendung findet. Mithin Fallgruppen, die von dem Anwendungsbereich der BJR abzugrenzen sind und deren Ermessensfreiraum eigenständig zu bestimmen ist. Zu nennen ist hier zunächst der Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs aus § 30 I 2, 2. Alt. GmbHG. Es handelt sich hierbei um eine gebundene Entscheidung zur Überprüfung der Werthaltigkeit eines Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs, also insbesondere zur Überprüfung und Überwachung der Bonität des Gesellschafters.192 Die BJR kann aufgrund der Gebundenheit der Entscheidung keine Anwendung finden,193 es besteht vielmehr nur ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum bezüglich der Umsetzung der Prüfung.194 Ein weiterer Fall für ein eingeschränktes unternehmerisches Ermessen ist die Pflicht des Geschäftsführers, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn im Sinne des § 49 III GmbHG die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. In diesen Fällen hat der Geschäftsführer eine Fortführungsprognose nach pflichtgemäßem Ermessen durchzuführen und je nach Prognoseergebnis Fortführungs- oder Liquidationswerte der Berechnung zugrunde zu legen.195 In diesem Rahmen ist der Geschäftsführer zur Überwachung der wirtschaftlichen Lage verpflichtet. Die Entscheidungen zum Erstellen einer Fortführungsprognose und zur Einberufung der Gesellschafterver-

192

Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 115; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 49a; Wicke, GmbHG, § 30 Rn. 10; Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1003; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805 f. (zur AG). 193 A.A. v. Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121, 122 (zur AG). 194 Siehe zum Ausschluss der BJR bei gebundenen Entscheidungen bereits oben: § 4 B. I. 2. c). 195 So die überwiegenden Meinung: Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 108; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 49 Rn. 58; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 49 Rn. 11; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 49 Rn. 15; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 49 Rn. 26; a.A. Seibt, in: Scholz, § 49 Rn. 24 f. (stets Berechnung nach Liquidationswerten).

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sammlung sind also eine gebundene Entscheidungen.196 Nur die Prognoseentscheidung selbst trägt einen unternehmerischen Charakter und kann daher einen Ermessensfreiraum für sich in Anspruch nehmen. Aufgrund der Einbindung des Ermessens in eine gebundene Entscheidung kann der Ermessensfreiraum jedoch nicht so weit gehen wie jener der BJR.197 Als bedeutender Fall eines unternehmerischen Ermessens eigener Art ist schließlich das bereits dargestellte Ermessen bezüglich der Umsetzung von noch anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen zu erwähnen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.198 Es besteht also ein unternehmerisches Ermessen eigener Art vergleichbar mit jenem bei Entscheidungen unter unsicherer Rechtslage. 3. Entbindung von der Legalitätspflicht durch Weisung Die Abgrenzung zwischen BJR und Legalitätspflicht hat im Rahmen der Untersuchung zur AG Fragen zur Einordnung von nützlichen Gesetzesverstößen und Entscheidungen bei unklarer Gesetzeslage aufgeworfen. Auch für die GmbH gilt hier grundsätzlich, dass eine Anwendung der BJR in diesen Fällen nicht möglich ist. Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz könnte sich dadurch ergeben, dass die Gesellschafter im Rahmen ihrer organisationsrechtlichen Dispositionsbefugnisse maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Geschäftsleiterermessens nehmen können.199 So könnte als GmbH-spezifische Sonderregelung eine ausdrückliche Freistellung des Geschäftsführers für eigenständige Ermessensentscheidungen entgegen der Bindung durch die Legalitätspflicht angedacht werden. Voraussetzung für eine solche Freistellung wäre allerdings, dass die Gesellschafter selbst über den Entscheidungsgegenstand dispositionsbefugt sind. Dies ist nach einer Ansicht für Verstöße gegen zwingende im öffentlichen Interesse liegende Gesetzesbestimmungen zu verneinen, da entsprechende Weisungsbeschlüsse nichtig wären.200 Dem wird entgegengehalten, dass die Gesellschafter in ihrer Dispositionsbefugnis ausschließlich durch die Kapitalerhaltungsvorschriften, die Gegenstand des § 43 III 3 GmbHG und dessen erweiterter Anwendung sind, beschränkt sind.201 Dementsprechend sollen Weisungsbeschlüsse oberhalb dieser Grenze stets haftungsbefreiende Wirkung entfalten, auch wenn sie gegen die Legalitätspflicht ver196

Siehe zur Überwachungspflicht Seibt, in: Scholz, § 49 Rn. 25; siehe zur Einberufungspflicht Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 49 Rn. 28. 197 Siehe zur Beschränkung des Ermessens bei gebundenen Entscheidungen wiederum oben: § 4 B. I. 2. c). 198 Siehe dazu bereits oben: § 10 A. II. 1. b) bb). 199 Siehe ausführlich zu den Möglichkeiten der Modifikation der Sorgfaltspflichten im Allgemeinen und der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR im Speziellen unten: § 10 D. II. 200 Entsprechende Weisungen wären nichtig, siehe auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 42; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 122; Raiser, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, Anh. § 47 Rn. 51, 53 ff.; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 278. 201 Siehe Goette, ZGR 2008, 436, 448.

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stoßen.202 Der BGH bezieht zu der Frage keine eindeutige Position. Einerseits sollen nur die „im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten bleibenden Weisungen der Gesellschafter“203 und solche, die nicht gegen „zwingende, im öffentlichen Interesse oder zum Schutz der Gläubiger erlassene Vorschriften verstoßen“,204 bindende Wirkung entfalten.205 Andererseits soll eine Haftung des Geschäftsführers entfallen, wenn er im Einverständnis mit allen Gesellschaftern gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, solange keine Haftung nach § 43 III GmbHG oder § 64 GmbHG besteht.206 Einigkeit besteht somit jedenfalls dahingehend, dass die Handlungsanweisungen aus den Kapitalerhaltungsvorschriften, die Gegenstand des § 43 III 3 GmbH und des § 64 GmbHG sind, nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. Darüber hinaus muss im Sinne der Einheit der Rechtsordnung eine Weisung nichtig sein, die den Geschäftsführer zu einer Handlung verpflichten würde, die eine persönliche Haftung oder Strafbarkeit des Geschäftsführers außerhalb des Dispositionsbereichs der Gesellschafter nach sich ziehen könnte. Als Beispiel wäre eine Weisung zur Unterlassung der Insolvenzantragsstellung trotz bestehender Antragspflicht gemäß § 15a InsO zu nennen. Die letztgenannte Mindestanforderung ergänzend ist den Meinungen beizupflichten, die eine Dispositionsbefugnis der Gesellschafter stets ausschließen, soweit ein entsprechender Weisungsbeschluss nichtig wäre, also insbesondere bei Verstößen gegen zwingende Gesetzesvorschriften im öffentlichen Interesse.207 Soweit ein Gesellschafterbeschluss nichtig ist, entfaltet dieser nach allgemeiner Ansicht keine Folgepflichten für den Geschäftsführer, dementsprechend kann er auch keine haftungsbefreiende Wirkung entfalten.208 Die Folgepflicht ist insoweit das notwendige Gegenstück der Haftungsbefreiung. In diesen Grenzen ist jedoch die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über die Legalitätspflicht zu bejahen. Dies gilt insbesondere für nicht zwingende interne Pflichtenbindungen des Geschäftsführers.209 Doch auch bezüglich der Gesetzesbindung der Gesellschaft im Außenverhältnis können die Gesellschafter einvernehmlich die haftungsrechtliche Verantwortung vom Geschäftsführer auf die Gesellschaft verlagern.210 Soweit sie 202

Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 216 f. Siehe BGH NJW 1960, 285, 289; BGH NJW 1983, 1856, 1857. 204 Siehe BGH NJW 1974, 1088, 1089. 205 Siehe auch BGH NJW 1994, 1801, 1802 f. (offenlassend, ob eine rechtswidrige Weisung nur anfechtbar oder stets nichtig ist); BGH NJW 2010, 64, 64 (Folgepflicht, solange Weisung „nicht gegen gesetzliche Pflichten – etwa aus §§ 30, 64 GmbHG – verstößt“). 206 Siehe BGH NJW 1974, 1088, 1089. 207 Zu dieser Fallgruppe zählen das Strafrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht und zwingende Vorschriften des Verwaltungs- Steuer- und Sozialrechts, siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 54; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder, GmbHG, § 47 Rn. 103; Schmidt, in: Scholz, § 45 Rn. 75. 208 Siehe bereits oben: § 10 A. II. 1. b) cc). 209 Siehe zur Unterteilung von internen und externen Pflichtenquellen im Rahmend der Legalitätspflicht oben: § 6 A. III. 2. b). 210 Siehe zum Einstimmigkeitserfordernis auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 217. 203

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lediglich über ihr eigenes Vermögen disponieren und keine bedeutenden öffentlichen Interessen verletzen, steht dem nichts entgegen. Als Beispiel können hier Verstöße gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften genannt werden. So können die Gesellschafter die Nachahmung fremder Produkte entgegen § 4 Nr. 3 UWG oder belästigende Werbemethoden entgegen § 7 UWG (ausgenommen die Bußgeldtatbestände des § 20 UWG) in das Ermessen des Geschäftsführers stellen. Eine Haftung des Geschäftsführers für aus entsprechenden Handlungen folgende Ansprüche gegen die Gesellschaft nach §§ 8 f. UWG scheidet dann aus.211 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob nach einer de minimis-Regel ausnahmsweise auch Weisungen zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wirksam und haftungsbefreiend ergehen können, solange es sich um Bagatelldelikte handelt.212 Dies ist im Grundsatz zu bejahen, führt jedoch in der Praxis zu kaum zu überwindenden Abgrenzungsschwierigkeiten.213 Bei unsicherer Rechtslage, soweit ein Rechtsverstoß also noch nicht einmal feststeht, gilt in den oben genannten Grenzen im Wege eines Erst-recht-Schlusses, dass auch hier der Geschäftsführer im Voraus von der haftungsrechtlichen Verantwortung freigestellt werden kann. Für den Anwendungsbereich der BJR im Rahmen der Legalitätspflicht lässt sich damit schließen, dass die Gesellschafter, soweit sie über den Inhalt der Legalitätspflicht disponieren können, auch über die Haftungsmodalitäten des Geschäftsführers disponieren können. Weisen die Gesellschafter nun den Geschäftsführer ausdrücklich an, die Legalitätspflicht in einer konkreten Ausprägung zu missachten und belassen sie bei der übrigen Umsetzung einer entsprechenden Maßnahme einen eigenständigen Entscheidungsbereich beim Geschäftsführer, so kann sich dieser bei der Wahrnehmung einer solchen eigenständigen Entscheidungskompetenz auf die BJR berufen. Dieses Ergebnis findet darin Bestätigung, dass die BJR ein Instrument zur Gestaltung der Innenhaftung ist. Soweit die Gesellschafter die einzigen Betroffenen sind, steht es Ihnen frei, den Anwendungsbereich der BJR zu erweitern.214 Sowohl die Gesellschafter selbst als auch betroffene Dritte stehen dann nicht anders, als wenn die Gesellschafter die entsprechenden Maßnahmen selbst vorgenommen hätten.

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Für die Möglichkeit der Haftungsfreistellung des Geschäftsführers auch bei gesetzwidrigem Handeln auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 23b. 212 In diesem Sinne Habersack, FS Schneider, S. 429, 439; a.A. Haas/Ziemons, in: Beck OK GmbHG, § 43 Rn. 61. 213 Das klassische Beispiel ist hier eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Geschäftsführer, um einen wichtigen Termin einhalten zu können. Eine klare Grenze der Dispositionsbefugnis etabliert das Gesetzt jedenalls mit § 62 I GmbHG bei der Gemeinwohlgefährdung. 214 Siehe ausführlich noch unten: § 10 D. II.

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4. Zwischenergebnis zur Abgrenzung von BJR und Legalitätspflicht Bezüglich des Verhältnisses des Ermessensfreiraumes der BJR zur Bindung des Geschäftsführers an die Legalitätspflicht lässt sich mit Blick auf die aktienrechtliche Regelungslage eine vergleichbare Ausgangslage feststellen. Der Geschäftsführer ist an Kompetenzordnung, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung und sowohl an organbezogene als auch an das Unternehmen betreffende externe gesetzliche Pflichten gebunden. Diese Gemeinsamkeiten enden jedoch bei einer Betrachtung der inhaltlichen Ausgestaltung der Pflichten und der Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der einzelnen Pflichtenbindungen. Die wesentliche gesellschaftsformspezifische Abweichung ergibt sich aus der übergeordneten Stellung der Gesellschafter im Kompetenzgefüge der GmbH. Hieraus ergeben sich weitgehende originäre Zuständigkeiten der Gesellschafter, welche der Geschäftsführer stets zu beachten hat. Um den Gesellschaftern die Wahrnehmung ihrer Kompetenzen zu ermöglichen, unterliegt der Geschäftsführer umfangreichen Informations- und Vorlagepflichten. Überschreitet der Geschäftsführer seine eng gesteckten eigenständigen Entscheidungskompetenzen, kommt eine Anwendung der BJR nicht in Betracht. Ein solcher Ausschluss der BJR liegt offensichtlich vor, wenn der Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafter nicht Folge leistet. Da die Gesellschafter durch Weisungen allerdings auch gerade die eigenständigen Entscheidungskompetenzen des Geschäftsführers definieren, ist die BJR uneingeschränkt anwendbar, soweit bezüglich der Umsetzung der Weisung ein Ermessensfreiraum verbleibt. Eine weitere Auswirkung der ausschließlichen Ausrichtung der Gesellschaft auf die Gesellschafter liegt in deren weitgehender Dispositionsbefugnis über die Pflichtenstellung des Geschäftsführers. Diese Dispositionsbefugnis besteht außerhalb von zwingenden Vorschriften des GmbH-Rechts, insbesondere der Kapitalerhaltungsvorschriften, und zwingenden Vorschriften im öffentlichen Interesse, insbesondere strafrechtliche Vorschriften.215 Soweit die Gesellschafter selbst für die Gesellschaft handeln könnten, ohne persönlich in Anspruch genommen werden zu können, können sie auch den Geschäftsführer von seinen Pflichten freistellen. Dementsprechend können sie in diesem Rahmen den Geschäftsführer auch zu ausdrücklichen Verstößen gegen seine Legalitätspflicht anweisen und ihm bezüglich der Umsetzung ein eigenständiges Ermessen einräumen. Die Wahrnehmung solcher Ermessensbefugnisse unterliegt dem vollen Schutz der BJR. III. Abgrenzung zur Treuepflicht Der Grundgedanke, dass Sorgfaltspflichten und Treuepflichten getrennt voneinander zu behandeln sind und insofern für treuepflichtwidrige Entscheidungen ein Ermessensfreiraum nach der BJR nicht eröffnet sein kann, gilt auch für die GmbH 215 Vgl. noch ausführlich zur Disposition der Gesellschafter über die Sorgfaltsanforderungen unten: § 10 D. II.

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uneingeschränkt.216 Besonderheiten ergeben sich jedoch bei dem Inhalt der Treuepflichten. Insbesondere die Treuepflichten der Gesellschafter untereinander haben in der GmbH erheblich mehr Bedeutung als in der AG. 1. Treuepflichten aus der Geschäftsführerstellung gegenüber der Gesellschaft Die in der bisherigen Untersuchung zur Rechtslage in der AG gewonnenen Ergebnisse zu den Auswirkungen der Treuepflichten auf die BJR können auf den GmbH-Fremdgeschäftsführer im Wesentlichen übertragen werden.217 Die Geschäftsführer haben im Rahmen ihrer organschaftlichen Treuepflicht allein das Wohl der Gesellschaft im Blick zu halten. Insofern wurden die in AG und GmbH durch die organschaftlichen Treuepflichten gezogenen Grenzen bereits oben aufgezeigt.218 Allerdings hat der Vergleich von GmbH und AG ergeben, dass die GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber Treuepflichtenbindungen von geringerer Intensität unterliegen, da das Auseinanderfallen der Einwirkungsmöglichkeiten von Eigentümern zu Vermögensverwaltern weniger intensiv ausfällt.219 So wird insbesondere die Befreiung vom Wettbewerbsverbot, von der Geschäftschancenbindung und von der Verschwiegenheitspflicht in der GmbH wesentlich weniger streng gehandhabt als in der AG. Dies führt einerseits zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Treuepflichten, andererseits mit Blick auf die BJR zu einer potentiellen Erweiterung des Problemkreises der Interessenkonflikte. Über die genannten Fälle der Befreiung von der Treuepflichtenbindung hinaus ist die haftungsbefreiende Wirkung von Weisungen zu beachten. Soweit der Geschäftsführer eine Weisung erhält, die nicht ihrerseits gegen Treuepflichten verstößt oder aus sonstigen Gründen nichtig ist und die nicht die Schwelle des § 43 III 3 GmbHG überschreitet, ist er von der Haftung befreit, auch wenn er Maßnahmen vornimmt, die gegen das Gesellschaftsinteresse verstoßen oder vorrangig gesellschaftsfremde Interessen fördern.220 Ist der Geschäftsführer wirksam im Wege einer der genannten Gestaltungsmöglichkeiten von seiner Treuepflichtenbindung befreit, so ist die Anwendung der BJR jedenfalls nicht durch den Einfluss der Treuepflichten ausgeschlossen. Ein 216

Siehe nur Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 81; ders., FS Wiedemann, S. 825, 843 f.; M. Roth, S. 58 f.; Goette, FS BGH, S. 123, 130 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 13. 217 Siehe zur Anwendung der BJR auf den Fremdgeschäftsführer auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 123 f. 218 Siehe oben § 5 B. I. 3. und § 6 A. III. 1. 219 Siehe bereits oben § 6 A. III. 1. a), d). 220 Vgl. BGH NJW 2010, 64, 64 f., zur Rückzahlung eines noch nicht fälligen Darlehens an sich selbst, was ohne Weisung einen Treuepflichtverstoß dargestellt hätte; siehe auch Haas/ Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 182 f.; siehe allgemein zur Abdingbarkeit von Treuepflichten auch Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 109.

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möglicher Ausschluss aufgrund anderer Tatbestandsmerkmale der BJR bleibt davon allerdings unberührt. 2. Treuepflichten der Gesellschafter untereinander Anders als bei Fremdgeschäftsführern können sich für den Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich Treuepflichten gegenüber den Gesellschaftern ergeben.221 Diese mitgliedschaftlichen Treuepflichten entfalten in der GmbH besondere Relevanz, da die GmbH-Gesellschafter aufgrund ihrer Weisungsbefugnis besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechte und Interessen ihrer Mitgesellschafter haben und in der typischerweise personalistisch strukturierten GmbH eine engere Bindung an die Interessen der Mitgesellschafter besteht.222 So haben die GmbHGesellschafter schon unabhängig von einem beherrschenden Einfluss umfangreiche mitgliedschaftliche Treuepflichten zu beachten.223 Darüber hinaus intensiviert sich die Treuepflichtenbindung mit steigendem Anteilsbesitz und damit steigenden Einwirkungsmöglichkeiten.224 Die besonderen Einwirkungsmöglichkeiten und die gesteigerte Verbundenheit der Gesellschafter untereinander sind die maßgeblichen Katalysatoren für mögliche Interessenkollisionen in der GmbH. Diese Interessenkollisionen aufzulösen ist Gegenstand der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, welche zu diesem Zweck generalklauselartig Rücksichtnahmepflichten auf die Interessen der Mitgesellschafter und der Gesellschaft etabliert.225 Inwieweit diese auf die Wahrnehmung der Geschäftsführung durch einen Gesellschafter ausstrahlen, hat maßgebliche Bedeutung für den Anwendungsbereich der BJR. a) Einfluss von Treuepflichten auf die Geschäftsführungstätigkeit Der Ursprung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht in der Gesellschafterstellung legt zunächst nahe, dass auch nur Handlungen als Gesellschafter von dieser Form der Treuepflicht betroffen sein sollten. Geht man jedoch von den besonderen Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter auf die gegenseitigen Interessen als maßgeblichen Geltungsgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht aus, so spricht ge221 Zwischen Fremdgeschäftsführer und den Gesellschaftern existieren keine Treuepflichten, siehe bereits oben: § 6 A. III. 1. 222 Siehe zu der besonderen mitgliedschaftlichen Treuepflichtenbindung in der GmbH auch bereits oben: § 6 A. III. 1. b). 223 Siehe Michalski, in: Michalski, GmbHG, Systematische Darstellung 1, Rn. 95; Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98 ff. 224 Siehe Zöllner, S. 342 f.: Die Treuepflichtbindung „als Korrelat der Einwirkungsmöglichkeit“; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 124. 225 Mit Hinweis auf die Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Generalklausel im Einzelfall: Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 88; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 76; siehe zu den aus den Interessenkollisionen hervorgehenden Rücksichtnahmepflichten als zentrale Pflichten der Mitglieder untereinander: Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120 ff.

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rade das Zusammenfallen von Gesellschafterstellung und Geschäftsführungsmacht für eine besonders enge Pflichtenbindung des Gesellschafter-Geschäftsführers. Gesellschafterstellung und Geschäftsführerstellung können in ihrem Einfluss auf die Einwirkungsmöglichkeiten somit insgesamt nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Vielmehr führt gerade ihr Zusammenwirken zu einer besonderen Treuepflichtenstellung. So können sowohl eine Handlung des Gesellschafter-Geschäftsführers als Gesellschafter als auch dessen Handlungen als Geschäftsführer nur im Lichte der ihm insgesamt obliegenden Treuepflichten betrachtet werden.226 Im Ausgangspunkt ist der Gesellschafter-Geschäftsführer also auch bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer durch seine mitgliedschaftlichen Treuepflichten gebunden. Entsprechend ist im Folgenden zu klären, wie sich diese spezielle Treuepflichtenbindung im Bereich der Geschäftsführung auf den Anwendungsbereich der BJR auswirkt. Als mögliche Auswirkung wird teilweise eine unmittelbare Einschränkung des unternehmerischen Ermessens durch den Einfluss der mitgliedschaftlichen Treuepflicht vertreten.227 Dabei soll die Anwendung der BJR schon aufgrund der Gesellschafter-Geschäftsführer-Stellung eingeschränkt sein, ohne dass es auf einen tatsächlichen Treuepflichtverstoß ankäme. Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der BJR kann jedoch im Ergebnis für Begrenzungen durch mitgliedschaftliche Treuepflichten nichts anderes gelten als für die Begrenzung durch organschaftliche Treuepflichten. Erst bei der Prüfung auf einen Verstoß gegen Treuepflichten hin ist für die Anwendung der BJR kein Raum mehr.228 Liegt ein treuwidriges Handeln vor, kommt für die Bewertung der unternehmerischen Entscheidung allenfalls ein unternehmerisches Ermessen eigener Art in Betracht, bei welchem die besonderen Wertungen der Treuepflichten Berücksichtigung finden müssen.229 Für die hier relevante Frage lässt sich festhalten, dass allein das Bestehen von besonderen Treuepflichtenbindungen zunächst keine besonderen Auswirkungen auf das unternehmerische Ermessen der BJR hat, also noch keine besondere Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung rechtfertigt.230 Bei der

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So auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 127. So Kuntz, GmbHR 2008, 121, 126 f.; siehe auch Cordes, S. 104, der stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt, so dass stets die schonendste Alternative für die Mitgesellschafter zu wählen sei und gegebenenfalls eine „Konsensentscheidung“ in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen sei. 228 Insofern treffend von einer Überlagerung der Sorgfaltspflichten durch die Treuepflichten sprechend: B. Schmidt, S. 119. 229 Siehe zu einem Ermessensfreiraum im Einflussbereich der Treuepflichten im Bereich der Interessenkonflikte bereits oben: § 4 B. III. 2. c). 230 So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 38 Rn. 25; ebenso für eine Trennung von BJR und der Kontrolle treuepflichtsgemäßen Verhaltens: Schäfer, ZGR 2014, 731, 744. 227

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Beurteilung der Frage hingegen, ob ein Verstoß gegen Treuepflichten vorliegt, scheidet die Anwendung der BJR wie immer aus.231 b) Mitgliedschaftliche Treuepflichten unabhängig von der konkreten Gesellschafterstellung Um den Rahmen, den die mitgliedschaftlichen Treuepflichten für den Anwendungsbereich der BJR zulasten des Gesellschafter-Geschäftsführers ziehen, zu bestimmen, sind im Folgenden die insoweit relevanten Ausprägungen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht darzustellen. Einerseits bestehen mitgliedschaftliche Treuepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern, welche aus den besonderen Einwirkungsmöglichkeiten auf deren Interessen erwachsen können. Andererseits bestehen Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft, welche die Gesellschafter insbesondere zur Förderung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks und zum loyalen Verhalten gegenüber den Gesellschaftsinteressen verpflichten.232 Hier sind zunächst letztere zu betrachten. Aus der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft bei der Ausübung der Geschäftsführung als fremdnütziges Tätigwerden233 erwachsen im Ergebnis keine weitergehenden Verpflichtungen als jene, die ohnehin allein aufgrund der Geschäftsführerstellung gegenüber der Gesellschaft bestehen. Die Intensität der Treuepflichtenbindung des Geschäftsführers aus § 43 GmbHG übersteigt insofern die Treuepflichtenbindung aus der Gesellschafterstellung gegenüber der Gesellschaft.234 Folglich ergeben sich für die Haftung aus der Geschäftsführerstellung keine Besonderheiten für den Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen seiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, es kann insoweit auf die Ausführungen zur Treuepflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft zurückgegriffen werden.235 231 So im Ergebnis auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 127, der bei der Beurteilung einer Entscheidung auf Übereinstimmung mit den mitgliedschaftlichen Treuepflichten ein „Abweichen zur BJR aktienrechtlicher Prägung“ vorsieht. 232 Siehe Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122, Fn. 178; siehe zur Verpflichtung der Gesellschafter auf den Gesellschaftszweck: Winter, S. 97 f., sowie bereits oben § 7 C. II. 1.; siehe zur Unterscheidung von Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft und solchen gegenüber den Mitgesellschaftern: Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 89; Raiser, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 14 Rn. 81, 89 f.; Winter, S. 94; insofern „mitgliedschaftliche Treuepflicht“ bezüglich der Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse und „mehrheitsbezogene Treuepflicht“ bezüglich der Rücksichtnahmepflicht gegenüber den übrigen Gesellschaftern unterscheidend: Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 950. 233 Siehe zur besonderen Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse bei der Wahrnehmung fremdnütziger Rechte: Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 87. 234 Siehe BGH NJW 1995, 1739, 1745 („Treuepflichten sind bei Geschäftsführungsangelegenheiten besonders ausgeprägt“); Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 106; Emmerich, in: Scholz, § 13 Rn. 41 f. 235 Siehe hierzu oben: § 6 A. III. 1. a).

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c) Mitgliedschaftliche Treuepflichten aus Einwirkungsmöglichkeit auf Mitgesellschafter Die Intensität der mitgliedschaftlichen Treuepflicht bemisst sich aufgrund ihres Generalklauselcharakters nach vielen verschiedenen, nicht abschließend aufzuzählenden Faktoren.236 Soweit die Abwägung dieser Faktoren ergibt, dass die Handlung eines Gesellschafters treuepflichtwidrig war, treten die je nach konkreter Handlung und Treuepflichtenstellung einschlägigen Rechtsfolgen ein.237 Die umfassende Darstellung möglicher Ausformungen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht soll jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Vielmehr sollen jene Faktoren ermittelt werden, welche den Gesellschafter-Geschäftsführer gerade im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit binden. Hier kommt die oben bereits aufgestellte These zum Tragen, dass der Gesellschafterstellung und der Geschäftsführerstellung jeweils eigenständige Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen der übrigen Gesellschafter innewohnen, gerade das Zusammenfallen der beiden Positionen jedoch eine besondere Einwirkungsqualität entfalten kann. So unterliegt zunächst eine selbstbegünstigende Wahrnehmung der persönlichen Interessen des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht der Kontrolle des förmlichen Beschlussverfahrens in der Gesellschafterversammlung, wenn dieser seine Interessen im Wege seiner Geschäftsführungsmacht unmittelbar verwirklicht. Dies gilt umso mehr, wenn die Anteilsverhältnisse in der Gesellschaft so verteilt sind, dass auch Weisungen oder eine nachträgliche Beschlussfassung über den Entscheidungsgegenstand nicht oder nur schwer herbeigeführt werden können.238 Damit ist bereits der zweite Problemkreis angesprochen. Eine effektive Kontrolle der Geschäftsführertätigkeit kann darunter leiden, dass der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist und die Gesellschafterstruktur eine effektive Beschlussfassung erschwert. Hier kann also in gleicher Weise die Aufteilung der Anteilsverhältnisse dazu führen, dass die Einhaltung der aus der Geschäftsführerstellung erwachsenden Pflichten insgesamt nicht hinreichend überwacht und durchgesetzt werden kann. Es zeigt sich, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer-spezifische Intensität der Einwirkungsmöglichkeit und damit der Umfang der Rücksichtnahmepflichten239 maßgeblich von der konkreten Gesellschaftsstruktur abhängen. Genauer von der 236

Siehe Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 145; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 89 f., die betonen, dass aufgrund der Unbestimmtheit der Treuepflicht eine abschließende Aufzählung maßgeblicher Parameter nicht möglich sei. 237 So kann eine treuwidrig abgegebene Stimme nichtig sein, ein auf solchen Stimmen beruhender Gesellschafterbeschluss anfechtbar sein oder ein der Treuepflicht entsprechendes Tun erzwungen werden, siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 99. 238 So auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 126, der hier ein besonderes Koordinationsproblem für Minderheitsgesellschafter in einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft sieht. 239 Siehe zum Zusammenhang von Einwirkungsmöglichkeit und den Rücksichtnahmepflichten als Teil der Treuepflichten: Zöllner, S. 342 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120 ff.; Kuntz, GmbHR 2008, 121, 124.

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Verteilung des Anteilseigentums bezüglich Stimmmehrheiten einerseits und bezüglich einer personalistischen oder kapitalistischen Anteilseignerstruktur andererseits. Im Folgenden ist nun zu untersuchen, wie die Kombination der aus Anteilsbesitz, personalistischer Verbundenheit und Geschäftsführerstellung hervorgehenden speziellen Treuepflichten zu adressieren sind. aa) Auswirkungen der Realstruktur der Gesellschaft Die typologische Einordnung als personalistisch oder kapitalistisch strukturierte Gesellschaft kann einen wesentlichen Faktor bei der Bestimmung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht der Gesellschafter untereinander darstellen.240 Die Besonderheit einer personalistischen Gesellschaftsstruktur liegt darin, dass die Mitgesellschafterinteressen in besonderem Maße berücksichtigt werden und die eigenen Interessen entsprechende Einschränkungen hinnehmen müssen.241 So kann eine besondere persönliche Verbundenheit der Gesellschafter untereinander auch eine besondere Verpflichtung bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgabe mit sich bringen. Dies äußert sich darin, dass dem Interesse der anderen Gesellschafter bei der Abwägung von kollidierenden Interessen ein besonderes Gewicht zukommen kann. Fälle, in denen die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter auf die Geschäftsführung durchgreifen kann, stellen allerdings die absolute Ausnahme dar. Die entsprechenden Auswirkungen werden im Rahmen der Formulierung der gerichtlichen Kontrolldichte wieder aufzugreifen sein. Insgesamt ist bezüglich der Gesellschafter-Geschäftsführer-spezifischen Ausprägung der Treuepflicht jedoch vorrangig die Gefahr des Missbrauchs der Geschäftsführerstellung zur Wahrnehmung eigennütziger Interessen zu beachten. Dieser Gefahr, dass den eigenen Interessen in unredlicher Weise der Vorzug eingeräumt wird, werden jedoch bereits die ohnehin für den Geschäftsführer aus § 43 GmbHG geltenden strengen Pflichten zur ausschließlichen Wahrnehmung des Gesellschaftsinteresses gerecht.242 Die Wahrnehmung eigener Interessen ist für den Geschäftsführer wesentlich stärker eingeschränkt als für die Gesellschafter. Ähnliches gilt für die kapitalistisch strukturierte GmbH. Für diese liegt die Besonderheit in der erschwerten Kontrolle der Geschäftsführung aufgrund der häufig zeit- und kostenintensiven Beschlussfassung der Gesellschafter.243 Auch hierin liegt jedoch kein Spezifikum gegenüber dem Fremdgeschäftsführer, da dessen Kontrolle in einer kapitalistisch strukturierten GmbH in gleicher Weise erschwert ist. Im Falle pflichtwidrigen Verhaltens steht den Gesellschaftern jedenfalls der Weg über die actio pro socio offen.244 240 241 242 243 244

Siehe Winter, S. 187 f.; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 90. Siehe Winter, S. 187 f. Siehe dazu oben: § 6 A. III. 1. a). So auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 126. Siehe dazu oben: § 6 B. I.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Insgesamt wird den besonderen Einwirkungsmöglichkeiten, die aus der Kombination von Geschäftsführerstellung und besonderer struktureller Verbindung der Gesellschafter untereinander hervorgehen, bereits durch die für den Geschäftsführer ohnehin geltenden Regelungen hinreichend Rechnung getragen. bb) Auswirkungen der Verteilung der Anteilsverhältnisse Die Verteilung der Anteilsverhältnisse und damit regelmäßig die Verteilung der Stimmrechte hat in der GmbH maßgeblichen Einfluss auf die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung und damit auf die Willensbildung in der Gesellschaft. Für die folgenden Ausführungen wird von dem gesetzlichen Normalstatut gemäß § 47 II GmbHG ausgegangen. Soweit abweichende Regelungen getroffen wurden, insbesondere eine abweichende Stimmkraft vereinbart ist, gelten die folgenden Ausführungen entsprechend, nur ist abweichend vom Anteilsbesitz auf die tatsächliche Stimmenverteilung abzustellen.245 (1) Treuepflichten bei der Ausübung von Minderheitsrechten Zunächst kann jeder Gesellschafter Beschlüsse, die die Zustimmung aller Gesellschafter erfordern, durch seine Verweigerung blockieren.246 Weiterhin können ab 10 % Anteilsbesitz Gesellschafter gemäß § 50 GmbHG die Einberufung der Gesellschafterversammlung herbeiführen und Beschlussgegenstände ankündigen und ab über 25 % Anteilsbesitz können Beschlüsse, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, blockiert werden.247 Folglich haben schon Minderheitsgesellschafter Möglichkeiten, auf die Interessen ihrer Mitgesellschafter einzuwirken. Fraglich ist allerdings, ob diese Einwirkungsmöglichkeiten mit den Befugnissen als Geschäftsführer korrelieren können und insofern überhaupt eine Gesellschafter-Geschäftsführer-spezifische Intensität der Einwirkungsmöglichkeit zu befürchten ist. (a) Korrelation von Geschäftsführerstellung und Einberufungsrecht nach § 50 GmbHG Das Recht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung und zur Bestimmung von Beschlussgegenständen aus § 50 GmbHG führt zu keiner nennenswerten Erweiterung der Kompetenzen des Gesellschafter-Geschäftsführers, da dieser schon als Geschäftsführer gemäß § 49 GmbHG das Einberufungsrecht innehat. Lediglich bei einer Einschränkung der Einberufungskompetenz des Geschäftsführers kann das 245 Siehe zu den Möglichkeiten zur Regelung der Stimmkraft: Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 47 Rn. 355 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 66 ff. 246 So insbesondere bei der Änderung des Gesellschaftszwecks, siehe Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 47 Rn. 16; Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 59; Hüffer/ Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 47 Rn. 20. 247 Siehe zu Beschlussgegenständen, die eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln erfordern: Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 47 Rn. 16; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 47 Rn. 18; Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 47 f.

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satzungsfeste Minderheitenrecht zur Einberufung eine Rolle spielen, wirkt sich jedoch auch dann nicht speziell auf die Interessen der Mitgesellschafter aus.248 (b) Korrelation von Geschäftsführerstellung und Sperrminorität Eine treuepflichtrelevante Einwirkungsmöglichkeit eröffnet jedoch die Ausübung einer Sperrminorität, also die Stimmrechtsmacht, bestimmte Entscheidungen durch die Verweigerung der Zustimmung blockieren zu können.249 Eine solche Ausübung der Stimmrechtsmacht zur Ablehnung eines Beschlusses kann zu einer besonderen Kontrolle der Stimmausübung unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht führen. Ist die Verweigerung der Zustimmung treuwidrig, so ist die abgegebene Stimme nichtig und der gefasste Beschluss anfechtbar.250 Die Ausübung des Stimmrechts steht allerdings in keiner unmittelbaren Verbindung zur Stellung als Geschäftsführer. Allenfalls bei Beschlussgegenständen, die die eigene Stellung als Geschäftsführer betreffen, können besondere Interessenkollisionen bestehen, welche ausnahmsweise zu einem Stimmrechtsausschluss führen können.251 In diesen Fällen kann die Gesellschafter-Geschäftsführerstellung über die Treuepflicht Auswirkungen auf das Stimmrecht und damit auf die Stellung als Gesellschafter haben. Für spezielle Einflüsse in entgegengesetzter Richtung, also der mitgliedschaftlichen Treuepflicht auf Entscheidungen im Rahmen der Geschäftsführerstellung, müsste jedoch auch die Gesellschafterstellung Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben haben. Es müssten also spezielle Einwirkungsmöglichkeiten bestehen, die gegebenenfalls sogar eine besondere Kontrolle von unternehmerischen Entscheidungen rechtfertigen könnten. Im Folgenden wird daher zu untersuchen sein, inwieweit sich Entscheidungsgegenstände der Geschäftsführung und die Einflussnahmemöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters überschneiden können.

248 Siehe zur Einschränkbarkeit des Einberufungsrechts des Geschäftsführers: Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 49 Rn. 37 f.; zur Satzungsfestigkeit des Minderheitenrechts aus § 50 GmbHG: Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 192 f.; zum Schutz der Interessen der Mitgesellschafter vor missbräuchlicher Ausübung des Einberufungsrechts, siehe die Regelung zur Kostentragung in § 50 III 2 GmbHG, siehe auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 50 Rn. 16. 249 Siehe Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 151; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 104; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 24. 250 Siehe BGH NJW 1988, 969, 970; BGH NJW 1991, 846, 846; BGH NJW-RR 1993, 1253, 1254; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 99; Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 47 Rn. 205. 251 So bei der Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund: BGH NJW 1969, 1483, 1483; nicht jedoch bei der regulären Bestellung zum Organmitglied oder bei der gewöhnlichen Abberufung: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 83 f.; Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 161 f.; ebenfalls kein Stimmrechtsausschluss bei der Entscheidung über die eigene Vergütung: BGH NJW 1955, 1716, 1717; BGH NJW 2007, 917, 918.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

(c) Entscheidungsgegenstände mit Kompetenzüberschneidungen Eine Einflussnahmemöglichkeit der Minderheitsgesellschafter auf Geschäftsführungsmaßnahmen setzt voraus, dass Entscheidungsgegenstände existieren, für welche sich die beiden Kompetenzbereiche überschneiden. Dies ist nach der gesetzlichen Konzeption jedoch gerade nicht der Fall. Entscheidungen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, liegen entweder von vornherein nicht im Kompetenzbereich der Geschäftsführer252 oder stellen jedenfalls solchermaßen bedeutende Entscheidungen dar, dass der Geschäftsführer die Entscheidung der Gesellschafterversammlung vorlegen muss.253 Eine Vorlagepflicht wird regelmäßig auch dann zu bejahen sein, wenn Entscheidungsgegenstände in Frage stehen, für die speziell durch die Satzung eigenständige Dreiviertelmehrheitserfordernisse geschaffen worden sind.254 Insofern verbleibt lediglich die Regelungskonstellation, in welcher die Gesellschafter durch Satzungsregelung die Mehrheitserfordernisse allgemein abweichend von der gesetzlichen Regelung auf eine Dreiviertelmehrheit oder ein Einstimmigkeitserfordernis heraufsetzen.255 In diesen Fällen könnte der GesellschafterGeschäftsführer Entscheidungen, die er in seiner Position als Geschäftsführer trifft, unmittelbar durch sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung beeinflussen. Zudem wäre die Überwachungsmöglichkeit der Mitgesellschafter insofern eingeschränkt, als auch die ordentliche Abberufung des Gesellschaftergeschäftsführers nur mit dessen Stimme durchgesetzt werden könnte. (d) Einwirkungsintensität bei Minderheitsgesellschaftern Bei der Bestimmung der Treuepflichten ist allerdings auch die Intensität der Einwirkungsmöglichkeit in die Abwägung mit einzubeziehen.256 Die Minderheitsgesellschafter können nie positiv Entscheidungen vorgeben, sie können lediglich neue Beschlüsse blockieren.257 Insoweit beschränkt sich die Einwirkungsmöglichkeit darauf, den Status quo erhalten zu können und ist damit schon stark abgemildert. Weiterhin ist zu differenzieren. Sind die regulären Mehrheitserfordernisse einschlägig, so kann der Minderheitsgesellschafter seine eigene ordnungsgemäße 252 So beispielsweise Satzungsänderungen (§ 53 GmbHG) oder Auflösungsbeschlüsse (§ 60 I Nr. 2 GmbHG), siehe Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 47. 253 So bei Entscheidungsgegenständen für die ein Beschlusserfordernis nicht ausdrücklich normiert ist, beispielsweise umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen (siehe Harbarth, in: MüKo GmbHG, § 53 Rn. 229: Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens) oder die Eingehung eines Unternehmensvertrags (konkretes Mehrheitserfordernis streitig, siehe Liebscher, in: MüKo GmbHG, Anh. § 13 Rn. 735 ff.). 254 Insofern ist von einem mutmaßlichen Willen der Gesellschafter zur Vorlageverpflichtung auszugehen, siehe oben: § 10 A. II. 1. a) cc). 255 Zur Notwendigkeit einer eindeutigen Satzungsregelung siehe BGH NJW-RR 1990, 99, 99. 256 Siehe Zöllner, S. 342 f. 257 Eine Herabsetzung des Mehrheitserfordernisses in der Weise, dass die Minderheit die Mehrheit überstimmen kann, ist nicht möglich, siehe Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 47 Rn. 19.

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Abberufung nicht verhindern, kann eigene Maßnahmen nicht durch Weisung legitimieren, sondern unterliegt den Weisungen seiner Mitgesellschafter und zwischen den Kompetenzen als Geschäftsführer und den Kompetenzen als Gesellschafter besteht ohnehin keine relevante Schnittmenge. In dieser Position können die Treuepflichten als Gesellschafter und die Treuepflichten als Geschäftsführer im Wesentlichen separat betrachtet werden. Hat der Minderheitsgesellschafter hingegen aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung auch für sonstige Entscheidungsgegenstände, insbesondere jene, die die Geschäftsführung betreffen, die Stimmrechtsmacht, um einen Beschluss zu blockieren, ist eine gesteigerte Treuepflichtenbindung unumgänglich, um den gesteigerten Einwirkungsmöglichkeiten entgegenzutreten. Inwieweit hier das Recht auf ein unternehmerisches Ermessen betroffen sein kann, ist im Rahmen der Ausführungen zur gerichtlichen Kontrolldichte zu klären. (2) Treuepflichten bei der Ausübung von Mehrheitsrechten Wesentlich deutlicher als bei dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer tritt der besondere Charakter der Einflussnahmemöglichkeiten beim Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer hervor. Auch hier könnte noch nach den Mehrheitsverhältnissen unterschieden werden. Bei einer Stimmrechtsmacht von über 50 % kann der Gesellschafter frei über gewöhnliche Entscheidungsgegenstände entscheiden, bei mindestens 75 % auch über Entscheidungsgegenstände, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern. Allerdings wurde oben bereits dargelegt, dass die Entscheidungsgegenstände mit qualifiziertem Mehrheitserfordernis ohnehin keine Fragen der Geschäftsführung betreffen. Dementsprechend ist für die Frage des Einflusses von mitgliedschaftlichen Treuepflichten auf die Geschäftsführerstellung eine Differenzierung nicht erforderlich, vielmehr ist allein die Stimmmehrheit von über 50 % maßgeblich. Der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer kann sich zunächst selbst zum Geschäftsführer berufen, seine ordentliche Abberufung verhindern und über die Berufung und Abberufung anderer Geschäftsführer bestimmen.258 Insofern ist der Einfluss der übrigen Gesellschafter schon stark eingeschränkt. Weiterhin kann er als Mehrheitsgesellschafter über Fragen der Unternehmenspolitik und über sonstige außergewöhnliche Maßnahmen eigenständig entscheiden, wenngleich er hierzu regelmäßig einen Gesellschafterbeschluss herbeiführen muss.259 Die wesentliche Einschränkung des Einflusses der übrigen Gesellschafter und gleichzeitig eine weitreichende Möglichkeit zur Einwirkung auf deren Interessen stellt jedoch die 258 Insoweit ist jeweils eine einfache Mehrheit ausreichend und der betroffene Gesellschafter ist selbst stimmberechtigt, siehe Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 Rn. 56 f., 60. 259 Zum Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses auch für die Umsetzung des Willens des Mehrheitsgesellschafters siehe oben: § 7 C. II. 2.; wenngleich auch die Möglichkeit besteht, sich selbst ein Weisungsrecht durch Beschluss mit einfacher Mehrheit zuzusprechen, siehe Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 37 Rn. 14.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

exklusive Stellung des Mehrheitsgesellschafters bezüglich des Weisungsrechts dar. Die Mitgesellschafter haben insofern keine Einwirkungsmöglichkeiten auf den Geschäftsführer und dieser kann sich selbst im Rahmen seiner Weisungskompetenz, also insbesondere im Rahmen von Unternehmensgegenstand und gläubigerschützenden Normen, Weisungen mit haftungsbefreiender Wirkung erteilen.260 Soweit der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer wirksamen Weisung handelt, entfällt seine Haftung aus der Geschäftsführerstellung,261 es kommt lediglich eine Haftung aus der Gesellschafterstellung in Betracht.262 In diesen Fällen ist eine intensive Kontrolle im Rahmen der Treuepflichten evident wichtig.263 Soweit eine solche Weisungsfreistellung hingegen nicht vorliegt, ist nicht wie bei einem Einmanngesellschafter-Geschäftsführer stets von einer Billigung der Entscheidung auszugehen, da in einer mehrgliedrigen GmbH eine haftungsbefreiende Weisung nur durch einen ordnungsgemäß gefassten Beschluss erteilt werden kann.264 Der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer ist auch nicht berechtigt sich nachträglich selbst freizustellen. Insofern greift das Stimmverbot gemäß § 47 IV GmbHG.265 Die Einwirkungsmöglichkeit der Minderheitsgesellschafter auf die Geschäftsführung beschränkt sich also auf die nachträgliche Kontrolle und auf Fälle, in denen ein Stimmrechtsausschluss zulasten des Mehrheitsgesellschafters vorliegt. Dies ist jedoch bei Entscheidungen über zukünftige Maßnahmen nur ausnahmsweise der Fall.266 260 Bei Weisungen und zukunftsbezogener Billigung gegenüber der Geschäftsführung sind Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gemäß § 47 IV GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen, siehe BGH WM 1976, 204, 205; BGH NJW 1976, 49, 49 (zur KG); Schmidt, in: Scholz, § 47 Rn. 135, 147, § 46 Rn. 117, Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 77; vgl. auch OLG Stuttgart, NZG 1998, 601, 603 zur fehlenden Anwendbarkeit des § 47 IV GmbHG bei Beherrschungsverträgen. 261 Siehe oben: § 6 C. II. 2. 262 Siehe insoweit die für den Einmanngesellschafter entwickelten Grundsätze, der, soweit er sich selbst eine entsprechende Weisung wirksam hätte erteilen können, nur im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung haftet: BGH NJW 2007, 2689; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 179 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 23 f., 137 f.; teilweise wird eine Haftung der Gesellschafter schon bei groben Pflichtverstößen und einer Gefährdung von Gläubigeransprüchen angenommen: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 134 ff.; für eine sehr weitgehende Haftung der Gesellschafter für Weisungen zu Geschäftsführungsangelegenheiten: Ziemons, S. 140 ff.; siehe zur Haftungsbefreiung des Gesellschafter-Geschäftsführers bei eigener Weisung: BGH BB 1999, 1569, 1569. 263 Siehe zur besonderen Treuepflichtenbindung bei der Erteilung von Weisungen auch Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 117, § 47 Rn. 31. 264 Siehe bereits oben: § 7 C. II. 2.; siehe auch Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 199a. 265 Dies gilt für die eigene Entlastung sowie für jegliche andere nachträgliche Freistellung von Verbindlichkeiten, siehe Hoffmann/Liebs, Hdb. GmbH, Rn. 4026 (S. 151); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 38 f.; Drescher, in: MüKo GmbHG, § 47 Rn. 140. 266 Ein Stimmrechtsausschluss des Gesellschafter-Geschäftsführers besteht bei der Anordnung von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG, siehe Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 90; Römermann, in: Michalski, GmbHG,

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Insgesamt kann der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgabe nicht von seinen Mitgesellschaftern zukunftsbezogen gesteuert werden. Der Kontrollmechanismus der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer fällt insofern weg. Weiterhin können die übrigen Gesellschafter nicht mehr als Herren der Gesellschaft bezeichnet werden, sie verlieren ihre Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung. Dementsprechend lebt hier das in entsprechender Intensität aus dem Aktienrecht bekannte Prinzipal-Agenten-Verhältnis durch das Auseinanderfallen von Leitungsmacht und Anteilseigentum hinsichtlich der Minderheitsgesellschafter wieder auf.267 Die hieraus resultierenden möglichen Interessenkonflikte erfordern eine besondere Kontrolle im Rahmen der Treuepflichten. cc) Gerichtliche Kontrolldichte Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen zur besonderen Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers ist nun der richtige Überprüfungsmaßstab entsprechend den speziellen Pflichtenstellungen, welche sich aus der GesellschafterGeschäftsführerstellung ergeben können, herauszuarbeiten. Hierzu ist zunächst zwischen Sorgfaltspflichten und Treuepflichten zu unterscheiden und sodann für die Treuepflichten speziell zwischen der Pflichtenstellung als Gesellschafter, als Geschäftsführer und als Gesellschafter-Geschäftsführer zu differenzieren. (1) Überprüfungsmaßstab bezüglich des sorgfaltspflichtgerechten Verhaltens Der Maßstab zur Prüfung der Sorgfaltspflichten bestimmt sich maßgeblich nach den Grundsätzen der BJR. Für die BJR stellt sich nun die Frage, ob die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer eingeschränkt bleibt, ob dieser sich also vollumfänglich auf einen unternehmerischen Ermessensfreiraum berufen kann. Gegen diese Auffassung könnte sprechen, dass eine Kontrolle durch die übrigen Gesellschafter eingeschränkt oder sogar im Wesentlichen ausgeschlossen sein kann.268 Diese ansonsten bestehende Kontrolle des Geschäftsführers durch die Gesellschafter stellt einen Teil der Argumentation zur sachlichen Legitimation der BJR dar, welcher hier folglich entfällt.269 Allein der Wegfall dieses Arguments für eine Anwendung der BJR rechtfertigt jedoch in keiner Weise eine Beschränkung der BJR auf ihrer Wirkungsebene als Regelung des Kontrollmaßstabs sorgfaltsgerechten Verhaltens. Vielmehr sprechen weiterhin die wesentlichen und überzeugenden Argumente für § 47 Rn. 275; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 69; differenzierend: Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 117; ein Stimmrechtsausschluss besteht weiterhin insbesondere bei Rechtsgeschäften zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und der GmbH sowie bei der Befreiung vom Wettbewerbsverbot, siehe zu einer umfassenden Aufzählung: Hoffmann/Liebs, Hdb. GmbH, Rn. 4026 f. (S. 151). 267 Siehe bereits oben: § 8 E. III. 268 So Kuntz, GmbHR 2008, 121, 126. 269 Siehe zu dem Argument oben: § 8 E. VI.

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eine nur beschränkte Kontrolle des Sorgfaltspflichtenmaßstabs des § 43 I GmbHG.270 Zumal auch in der AG weder ein Weisungsrecht noch die Möglichkeit zur ordentlichen Abberufung besteht. Für die Überprüfung der Sorgfaltspflichten findet somit auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer die BJR uneingeschränkte Anwendung.271 (2) Überprüfungsmaßstab bezüglich des treuepflichtgerechten Verhaltens Anders gestaltet sich das Bild auf der Ebene der Treuepflichten. Hier ist zunächst abermals festzustellen, dass bei Vorliegen eines Treuepflichtverstoßes die Anwendung der BJR ohnehin ausgeschlossen ist. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass die Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer besondere Treuepflichten mit sich bringen kann, welche gegebenenfalls eine intensive Kontrolle einer Entscheidung rechtfertigen. Diese speziellen Treuepflichten werden im Folgenden im Lichte der ohnehin bestehenden Treupflichten aus Gesellschafterstellung und Geschäftsführerstellung zu betrachten sein. (a) Treuepflichten aus Gesellschafterstellung gegenüber der Gesellschaft Soweit ein Gesellschafter-Geschäftsführer Rechte ausübt, die weder die Geschäftsführungstätigkeit noch die eigene Stellung als Geschäftsführer betreffen, also im Wesentlichen seine eigennützigen mitgliedschaftlichen Rechte, ist eine spezielle Kontrolle nicht angezeigt.272 Zwar ist auch bei der Wahrnehmung von eigennützigen Rechten eine Begrenzung durch das Verbandsinteresse möglich, doch entspringt die Verpflichtung auf das Verbandsinteresse in diesen Fällen allein der Gesellschafterstellung und ist unabhängig von der Geschäftsführerstellung zu betrachten.273 Insofern ist der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der nachträglichen Überprüfung seiner Handlungen wie ein gewöhnlicher Gesellschafter zu behandeln.274 Dies gilt beispielsweise für das Austrittsrecht,275 das Recht zur Erhebung der Auflösungsklage (§ 61 II 2 GmbHG), die Fassung des Auflösungs-

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Siehe hierzu die Argumentation zur sachlichen Begründung der BJR: § 8. So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 38 Rn. 25. 272 Zu der Einordnung von eigennützigen Rechten siehe Winter, S. 19 ff.; Ulmer/Schäfer, in: MüKo BGB § 705 Rn. 226 ff.; Verse, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 14 Rn. 110 f. 273 Siehe zur Begrenzung eigennütziger Rechte durch das Verbandsinteresse: Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 24; siehe zur Abgrenzung von eigennützigen Rechten und Geschäftsführungsaufgaben: Winter, S. 20 f., 121; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 26 f. 274 Insofern ist die Rechtsausübung am Maßstab des allgemeinen Missbrauchsverbots zu überprüfen, siehe Harbarth, in: MüKo GmbHG, § 53 Rn. 106. 275 Jedenfalls das Austrittsrecht aus wichtigem Grund, siehe Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 43 f. 271

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beschlusses (§ 60 I Nr. 2 GmbHG),276 das Informationsrecht (§ 51 a GmbHG) und die Gewinnverwendung (§ 29 GmbHG).277 Weiterhin unabhängig von der speziellen Gesellschafter-Geschäftsführerstellung unterliegt der Gesellschafter gesteigerten Treuepflichtbindungen gegenüber der Gesellschaft, soweit er mitgliedschaftliche Rechte zur Förderung des Gesellschaftszwecks wahrnimmt, also uneigennützige Rechte.278 Dies betrifft insbesondere die Wahrnehmung von Geschäftsführungsbefugnissen.279 In diesem Rahmen sind auch die Gesellschafter in besonderer Intensität auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet.280 Hieraus ergibt sich jedoch keine spezielle Bindung des GesellschafterGeschäftsführers in seiner Geschäftsführerposition, da dieser schon aus § 43 I GmbHG ausschließlich auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet ist. Insbesondere verschärft die Verpflichtung als Gesellschafter auf das Gesellschaftsinteresse nicht jene aus der Stellung als Geschäftsführer, da der Maßstab des § 43 I GmbHG stets höher liegt.281 So kann zwar schon aus der Gesellschafterposition ein Schadensersatzanspruch begründet werden,282 in diesen Fällen besteht jedoch in jedem Fall auch eine Haftung aus § 43 II GmbHG.283 Als Sonderfall ist die haftungsbefreiende Weisung des Gesellschafter-Geschäftsführers an sich selbst zu betrachten. Grundsätzlich ist eine solche Weisung möglich, sodass eine Haftung aus Geschäftsführerstellung aus § 43 II GmbHG bei wirksamer Weisung ausscheiden würde und die Risiken der Entscheidung auf die Gesellschaft verlagert würden. Eine Rechtsfolge, die bei einstimmigem Weisungs276 Siehe BGH NJW 1980, 1278, 1278; BGH NJW 1988, 1579, 1580 („Auflösungsbeschluß bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung; er trägt seine Rechtfertigung in sich.“). 277 Siehe Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 27; Verse, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 14 Rn. 110. 278 Siehe zur Einordnung uneigennütziger Rechte: Winter, S. 20 f., 121; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 26 f. 279 Siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 87. 280 Siehe Winter, S. 121; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 87 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 26. 281 So auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 30. 282 Siehe BGH NJW 1976, 191, 191 (allerdings zur Ausübung uneigennütziger Rechte); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 30; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 13 Rn. 84; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 31; Raiser, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 14 Rn. 101; Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 62. 283 So werden insbesondere für die Haftung aus Gesellschafterstellung außerhalb von Geschäftsführungsangelegenheiten gesteigerte Voraussetzungen bezüglich des Verschuldens vertreten: So wird überwiegend der Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB herangezogen, siehe nur Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 211 f.; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 13 Rn. 85; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 102; Emmerich, in: Scholz, § 13 Rn. 50; Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 62; Winter, S. 107 ff.; weiterhin werden abweichende Voraussetzungen bezüglich der Beweislast vertreten: So soll die für die Organhaftung geltende Beweislastumkehr keine Anwendung finden, siehe Winter, S. 111 f.; schließlich soll die kürzere Verjährungsfrist des § 195 BGB Anwendung finden, siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 103; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 32.

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beschluss durchaus angemessen erscheint und in diesen Fällen anerkannt ist.284 Für eine mehrgliedrige GmbH, in der sich der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer so auf Kosten seiner Mitgesellschafter von seinen Sorgfaltspflichten als Geschäftsführer befreien könnte, ist diese Lösung hingegen nicht tragbar. Wie bereits dargelegt, unterliegt der Gesellschafter bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsmaßnahmen einer besonderen Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse. Pflichtenquelle ist der Gesellschaftsvertrag. Bezüglich des Haftungsmaßstabs, welchem die Gesellschafter für eine wirtschaftlich nachteilige Einflussnahme auf die Geschäftsführer unterliegen, wird überwiegend eine Haftung nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, also entsprechend § 43 I GmbHG angesetzt.285 Jedenfalls für den sich selbst anweisenden Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer kann zum Schutze der Minderheit auch nur dieser Maßstab anwendbar sein. Im Ergebnis muss für die Minderheit gewährleistet sein, dass das Unternehmen entsprechend der gesellschaftsformspezifischen Sorgfaltsanforderungen geführt wird. Schließlich nimmt die Gesellschaftermehrheit, anders als bei einem einstimmigen Beschluss, auch fremde Vermögensinteressen wahr. Insgesamt setzt die Selbstweisung des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers damit nicht den Haftungsmaßstab herab, vielmehr bleibt es stets bei einer Haftung nach dem Maßstab des § 43 I GmbHG, was allerdings stets auch einen unternehmerischen Ermessensfreiraum inkludiert.286 (b) Treuepflichten aus Gesellschafterstellung gegenüber den Mitgesellschaftern Neben der Kontrolle des treuepflichtgemäßen Verhaltens gegenüber dem Gesellschaftsinteresse hat die Kontrolle von Eingriffen in die Interessen der Mitgesellschafter besondere Relevanz. Auch hier ist unabhängig von einer zusätzlichen Funktion als Geschäftsführer für die Gesellschafter eine besondere Treuebindung anerkannt, welche zur Rücksichtnahme auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter verpflichtet.287 Diese Pflichtenbindung gebietet eine Kontrolle 284

Siehe BGH NJW 2010, 64, 64; BGH NJW 2009, 68, 70; BGH NJW 1993, 1922, 1922, als Grenze werden hier lediglich die Kapitalschutzvorschriften und die Grundsätze zum existenzvernichtenden Eingriff genannt. 285 Siehe BGH NJW 1975, 191, 192; zu Recht für eine Verjährung nach § 43 IV GmbHG: Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 102; Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 62; für eine Verjährung nach §§ 195, 199 BGB: BGH NJW 1999, 781, 781 (allerdings noch mit der Rechtsfolge der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F.); Emmerich, in: Scholz, § 13 Rn. 50; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 211 f.; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 13 Rn. 85; a.A. für eine personalistisch strukturierte GmbH soll Maßstab der §§ 708, 277 BGB Anwendung finden: Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 183; Winter, S. 111. 286 Siehe zum unternehmerischen Ermessensfreiraum des anweisenden Gesellschafters: Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 211; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 13 Rn. 85. 287 Siehe BGH NJW 1976, 191, 191; Michalski, in: Michalski, GmbHG, Systematische Darstellung 1, Rn. 95; Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98 ff.; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 101 f.; Raiser, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 81; Ziemons, S. 144; Winter, S. 94, mit treffenden Hinweis zu

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von Eingriffen in mitgliedschaftliche Interessen hin auf deren sachliche Rechtfertigung,288 wobei der Eingriff und dessen sachliche Rechtfertigung zusätzlich anhand der Grundsätze der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen sind.289 Diese weitreichende inhaltliche Kontrolle könnte sich speziell auf den Gesellschafter-Geschäftsführer auswirken. Dessen Entscheidungen im Rahmen der BJR könnten so über die mitgliedschaftliche Treuepflichtenbindung entgegen seines sonst weiten unternehmerischen Ermessens einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterzogen werden. Eine solche Schlussfolgerung aus der mitgliedschaftlichen Treuebindung ist jedoch keinesfalls zwingend. Ihr Einfluss hängt vielmehr entscheidend davon ab, ob überhaupt Beschlussgegenstände im Rahmen von Geschäftsführungsmaßnahmen existieren, die einer entsprechenden speziellen Treuebindung unterliegen. Erforderlich ist also die Möglichkeit eines hinreichend schweren Eingriffs in Rechte der Mitgesellschafter durch eine Geschäftsführungsmaßnahme. Gegen eine spezielle mitgliedschaftliche Bindung bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben spricht zunächst, dass allein aus der Geschäftsführerstellung keine Treuepflichten gegenüber den Gesellschaftern herzuleiten sind, solange keine Entscheidungskompetenzen für unmittelbare Eingriffe in mitgliedschaftliche Rechte der Gesellschafter bestehen.290 Ein Fremdgeschäftsführer kann also grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Interessen einzelner Gesellschafter Geschäftsführungsmaßnahmen treffen, womit eine abweichende Behandlung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer besonderen Begründung bedürfte. Weiterhin kann der Gesellschafter-Geschäftsführer auch nicht für jedwede Maßnahme der laufenden Unternehmensleitung von einzelnen Gesellschaftern zur Rechtfertigung gezwungen werden. Dementsprechend ist mit der herrschenden Meinung festzuhalten, dass die besondere Inhaltskontrolle für mitgliedschaftliche Treuepflichten auf gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen keine Anwendung finden kann.291 Folglich ist der Großteil der Entscheidungen, die in den originären Kompetenzbereich des Geschäftsführers fallen, grundsätzlich schon nicht von der weitreichenden Inhaltskontrolle erfasst. Auszunehmen von dieser Betrachtung sind auch hier Entscheidungen, die nicht in den Kompetenzbereich des Geschäftsführers fallen und die daher schon wegen eines Kompetenzverstoßes aus dem Anwendungsbereich der BJR Schwierigkeiten und Berechtigung der Unterscheidung von Treuepflichten gegenüber Gesellschaft und gegenüber Mitgesellschaftern. 288 Siehe BGH NJW 1981, 1512, 1514; BGH NJW 1978, 1316, 1317 (zur AG); BGH NJW 1961, 26 (zur AG); Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 134. 289 Siehe Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 102; Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 58; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 88 f. 290 Siehe Winter, S. 79; BGH NJW 1967, 1462, 1462 f. (zur AG); Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 118; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 38 f.; für ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaftsorgan und Anteilseignern plädierend: Wiedemann, ZGR 2011, 183, 200 f. 291 Siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 136.

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herausfallen würden. Soweit ein Gesellschafter-Geschäftsführer solche Entscheidungen vornimmt, beruhen diese auf seinen Gesellschafterkompetenzen. Die Problematik des Konflikts von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern ist dann keine Gesellschafter-Geschäftsführer-spezifische mehr. In diese Fallgruppe einzuordnen sind beispielsweise die Berufung und Abberufung von Mitgesellschaftern oder der eigenen Person als Geschäftsführer,292 die Entscheidung über die Gewinnverwendung,293 die Entlastung des Geschäftsführers294 und Grundlagenentscheidungen.295 Die hier betroffenen Entscheidungsgegenstände betreffen nicht speziell den Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern vielmehr jeden Gesellschafter, der Teil eines Konflikts zwischen Gesellschaftermehrheit und -minderheit ist.296 Auch den Gesellschaftern kann insofern ein unternehmerisches Ermessen zustehen, welches nach den oben genannten Grundsätzen einzuschränken ist, dies steht jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu § 43 GmbHG und damit der Haftung des Geschäftsführers. Zudem stellen diese Fallgruppen schon regelmäßig keine GmbHspezifische Problematik dar.297 Soweit allerdings Entscheidungsgegenstände verbleiben, bezüglich derer der unternehmerische Ermessensfreiraum der BJR und der erforderliche Schutz der Mitgesellschafter kollidieren, ist eine inhaltliche Kontrolle der Entscheidung angezeigt. Eine solche Kollision kann bei hinreichender Konfliktintensität die Rechtfertigung für einen Eingriff in den unternehmerischen Ermessensfreiraum des Gesellschafter-Geschäftsführers darstellen. Problematisch sind auch hier die Bewertung der nötigen Eingriffsintensität sowie der Intensität der inhaltlichen Kontrolle. Zunächst ist die erforderliche Intensität des Eingriffs in mitgliedschaftliche Rechte der Gesellschafter herauszuarbeiten. Hier gilt, dass die negativen wirtschaftlichen Folgen von unternehmerischen Fehlentscheidungen für den Wert des Unternehmens und damit der Gesellschaftsanteile keinen Pflichtverstoß gegenüber den Mitgesellschaftern begründen können, soweit sie sich im Rahmen des unternehmerischen Ermessens der BJR bewegen. Die Wertung des Gesetzgebers, eine 292 Zum Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung bei der Abberufung des Mitgesellschafters als Geschäftsführer siehe BGH DStR 1994, 214, 216. 293 Siehe BGH DStR 2010, 1899, 1899. 294 So kann die Entlastung trotz schwerer Pflichtverletzungen treuwidrig sein, siehe OLG Düsseldorf, NZG 2001, 991, 994, das allerdings vorrangig auf die Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft abstellt. 295 So wenn die Befreiung vom Wettbewerbsverbot das Unternehmen in die Abhängigkeit führen würde und hierfür kein sachlicher Grund besteht, siehe BGH NJW 1981, 1512, 1514. 296 Winter, S. 79 f., stellt insoweit treffend fest, dass bei einer Übertragung von originär den Gesellschaftern zustehenden Kompetenzen auf die Geschäftsführer diese Kompetenzen nur in den Schranken der Treuepflichten übergehen, die den übertragenden Gesellschaftern selbst obliegen. 297 Siehe nur Schäfer, in: MüKo BGB § 709 Rn. 100 f.; Hüffer/Schäfer, in: MüKo AktG, § 243 Rn. 57.

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Erfolgshaftung zu unterbinden, kann nicht im Wege der Treuepflichten umgangen werden. Vielmehr ist ein unmittelbarer Eingriff in die mitgliedschaftliche Stellung des Mitgesellschafters nötig.298 Ein solcher wird in den beschriebenen Grenzen der der Geschäftsführungstätigkeit zuzuordnenden Entscheidungen selten vorzufinden sein. Denkbar sind insofern Konstellationen, in denen die Gesellschafter aufgrund einer personalistischen Gesellschaftsstruktur auch auf die privaten Belange der Mitgesellschafter Rücksicht nehmen müssen.299 Als Beispiel kann hier die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Mitgesellschafters in der GmbH angeführt werden. Insofern unterliegt die Personalpolitik grundsätzlich dem unternehmerischen Ermessen des Geschäftsführers und die Entscheidung zur Kündigung könnte nicht über die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften hinaus auf ihre inhaltliche Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse überprüft werden.300 Dieses Ergebnis bedarf dann der Korrektur durch die Treuepflichten, wenn die mitgliedschaftlichen Interessen beispielsweise aufgrund des Gesellschaftszwecks, der gesellschaftsinternen Ausgestaltung, dem Umfang der Beteiligung,301 der gesellschaftlichen Verbundenheit,302 der Schaffung eines besonderen Vertrauenstatbestands,303 der Realstruktur der Gesellschaft,304 insbesondere einer besonderen personalistischen Gesellschafterstruktur,305 oder einer besonderen Einwirkungsmöglichkeit aufgrund von Stimmrechtsmacht oder Organstellung306 in besonderer Intensität betroffen sind. Im vorliegenden Fall wird der Geschäftsführer in einer kapitalistisch ausgestalteten GmbH, in welcher der betroffene Gesellschafter nur einer von vielen ist, nur geringfügig beteiligt ist und auch sonst kein besonderes 298

Siehe Winter, S. 88. Insofern kann auf die zu Personengesellschaften geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden, es muss also ein Interessenkonflikt mit mitgliedschaftlichem Bezug vorliegen, der sich auf die Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks negativ auswirken kann, siehe Lutter, AcP 180 (1980), 84, 129; Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 104. 300 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 Rn. 4; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 12 f. 301 Diese ersten drei Anhaltspunkte für eine besondere mitgliedschaftliche Treuebindung nennend: BGH NJW 1976, 191, 191. 302 Siehe zur Störung der gesellschaftlichen Verbundenheit als Ausschlussgrund aus der Gesellschaft: BGH NJW 1953, 780, 781. 303 Siehe BGH DStR 2010, 1899, hier hatten Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer über Jahre keine Gewinne ausgeschüttet und dem Mitgesellschafter hierdurch Mittel zur Rückzahlung eines Darlehens vorenthalten, auf deren Erhalt der Minderheitsgesellschafter beim Eintritt in die Gesellschaft hatte vertrauen dürfen. 304 Diese ist vorrangig zur Gesellschaftsform zu betrachten: Grundlegend Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff.; siehe auch Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 78; Dreher, DStR 1993, 1632,1634. 305 Siehe BGH NJW 1987, 189, 190; BGH NJW 1989, 166, 167. 306 Die Treuepflicht aus den Einwirkungsmöglichkeiten herleitend: Zöllner, S. 342 f.; siehe auch Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 53; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 78; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 89 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 22. 299

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Vertrauen in den Bestand der Anstellung begründet wurde,307 frei nach seinem unternehmerischen Ermessen über dessen Anstellung oder Kündigung entscheiden können. Ist der betroffene Mitgesellschafter hingegen maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt oder besteht aufgrund einer personalistischen Gesellschafterstruktur eine besondere gesellschaftliche Verbundenheit, deren Störung sich auf die Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks auswirken kann,308 oder wurde dem Beitritt zur Gesellschaft einvernehmlich die Annahme zugrunde gelegt, dass mit der Gesellschafterstellung eine dauerhafte Anstellung und eine entsprechende Rendite aus dem Anstellungsverhältnis einhergehen soll,309 dann spricht dies dafür, ausnahmsweise eine Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung auf die Vereinbarkeit mit mitgliedschaftlichen Treuepflichten hin zuzulassen.310 Bezüglich der Intensität der inhaltlichen Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung kann wiederum auf die allgemein zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Handlungen, die in die Interessen der Mitgesellschafter in der oben beschriebenen Intensität eingreifen, sind demnach inhaltlich auf einen Missbrauch der Einwirkungsmöglichkeit des Geschäftsführers hin zu überprüfen.311 Die inhaltliche Kontrolle hat sich dabei maßgeblich an dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu orientieren, muss also Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne berücksichtigen.312 Da bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben stets das Gesellschaftsinteresse vorrangig zu verfolgen ist, dient dieses auch als Anknüpfungspunkt der Interessenabwägung gegenüber den Interessen des beeinträchtigten Mitgesellschafters.313 Eine Maßnahme muss also zunächst geeignet sein, das Gesellschaftsinteresse zu fördern. Dies etabliert keine besondere Verpflichtung des Gesellschafter-Geschäftsführers, da 307 Bereits eine Treuepflicht gegenüber Mitgesellschaftern aus der Schaffung eines besonderen Vertrauenstatbestands herleitend: RG DB 1941, 1305, 1307. 308 So zur Begründung der Einbeziehung privater Gesellschafterinteressen: Lutter, AcP 180 (1980), 84, 128 f.; ebenfalls auf die Förderung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks abstellend: Krause, S. 465. 309 So die Begründung bei Fleischer, NZG 2011, 521, 527; zu der Berücksichtigung impliziter Erwartungen seitens einzelner Gesellschafter: Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/Schön, S. 50 ff.; ebenfalls für eine Treuebindung bei Arbeitsverhältnissen, soweit diese zur Erreichung des Gesellschaftszwecks beitragen sollen: Krause, S. 465; für eine Entwicklung berechtigter Erwartungen aus langjähriger Zusammenarbeit: Lutter, ZHR 1998, 164, 169. 310 So auch Fleischer, NZG 2011, 521, 527; kritisch gegenüber der Anwendung von Treuepflichten auf Arbeitsverhältnisse, die außerhalb einer kooperationsrechtlichen Grundlage begründet werden: Krause, S. 465; zum aus Sicht der Treuepflichten nicht unmittelbar vergleichbaren Fall der Abberufung des Mitgesellschafters als Geschäftsführer: BGH DStR 1994, 214, 216. 311 Siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 132. 312 Siehe BGH NJW 1978, 1316, 1317 (zur AG); BGH NJW 1981, 1512, 1514; BGH NJW 1982, 2444, 2444 (zur AG); BGH NJW-RR 1991, 1249, 1250; Raiser, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 14 Rn. 88; Emmerich, in: Scholz, § 13 Rn. 39; Seibt, in: Scholz, § 14 Rn. 53; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 147; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 93. 313 Siehe Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 87.

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Maßnahmen, die völlig ungeeignet zur Förderung des Gesellschaftsinteresses sind, regelmäßig schon nicht den Sorgfaltsanforderungen aus § 43 GmbHG entsprechen.314 Weiterhin muss die Maßnahme erforderlich und verhältnismäßig sein, es muss also das mildeste Mittel gewählt werden und der Eingriff in die Interessen des Mitgesellschafters darf nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Auswirkungen auf das Gesellschaftsinteresse stehen.315 Eine Prüfung dieser Voraussetzungen darf jedoch nicht zu einer inhaltlichen Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung als solcher führen. Vielmehr darf lediglich nachträglich überprüft werden, ob ex ante ein für die Mitgesellschafter weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung gestanden hätte, nicht ob eine andere Maßnahme besser geeignet gewesen wäre, das Gesellschaftsinteresse zu verwirklichen. Ebenso darf auch nur die Verhältnismäßigkeit zwischen den Vorteilen für das Gesellschaftsinteresse der tatsächlich getroffenen Entscheidung gegenüber den Nachteilen für die Interessen des Mitgesellschafters abgewogen werden. Eine Entscheidungsalternative, die sich nachträglich als vorteilhafter für die Gesellschaft herausgestellt hat, darf auch hier nicht in die Überlegung mit einbezogen werden. Insgesamt kann eine unternehmerische Entscheidung eines Gesellschafter-Geschäftsführers also einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen werden, diese hat jedoch den unternehmerischen Entscheidungsvorrang des Geschäftsführers zu respektieren. So wird der unternehmerische Entscheidungsfreiraum nur in Teilen eingeschränkt. Zudem stellen die Entscheidungsinhalte, bei denen sich das unternehmerische Ermessen im Rahmen der Geschäftsführung mit den mitgliedschaftlichen Treuepflichten überschneidet, die Ausnahme dar. 3. Zwischenergebnis zum Einfluss der Treuepflichten auf die BJR Die Auswirkungen der Treuepflichten auf den Anwendungsbereich der BJR fallen insgesamt weniger einschneidend aus, als man hätte erwarten können. Das unternehmerische Ermessen des Fremdgeschäftsführers ist in keiner GmbH-spezifischen Weise von den Treuepflichten beeinflusst. Lediglich abweichende Regelungen zu den Treuepflichttatbeständen in der GmbH insgesamt können zu abweichenden Ergebnissen im Vergleich zu anderen Gesellschaftsformen führen.316 Und auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer entzerrt sich die Problematik des Konflikts zwischen unternehmerischem Ermessen und Treuepflichten, soweit man 314 So wird die Voraussetzung der Geeignetheit in diesem Zusammenhang teilweise auch nicht angeführt, siehe Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 102; siehe zur Sorgfaltswidrigkeit von Entscheidungen, die das Unternehmensinteresse verfehlen, schon oben: § 4 B. II. 3. 315 Siehe BGH NJW 1978, 1316, 1317 (zur AG); BGH NJW 1981, 1512, 1514; BGH NJW 1982, 2444, 2444 (zur AG); Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 102; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 14 Rn. 88. 316 Siehe oben: § 10 A. III. 1.; siehe zu den GmbH-spezifischen Besonderheiten im Rahmen der allgemeinen Treuepflichtenbindung des Geschäftsführers: § 6 A. III. 1.

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Sorgfaltspflichtmaßstäbe und Treuepflichtmaßstäbe nicht vermengt. Das weite unternehmerische Ermessen der BJR ist ausschließlich der Überprüfung der Sorgfaltspflichten zuzuordnen. Auf diesen Bereich hat die besondere Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers keinen Einfluss. Insofern bleibt das unternehmerische Ermessen bezüglich der sorgfaltsgerechten Wahrnehmung des Unternehmensinteresses unberührt. Auf der anderen Seite unterliegt der Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlichen Treuepflichten aus seiner mitgliedschaftlichen Stellung. Diese können bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben eine besondere Bindungswirkung entfalten. Dies gilt insbesondere für Entscheidungsgegenstände, bei denen die Gesellschafter- und die Geschäftsführerkompetenzen sich überschneiden. Ebenso für Gesellschafter-Geschäftsführer, die die Stimmmehrheit oder eine beschlussgegenstandsunabhängige Sperrminorität innehaben. Der tatsächliche Einfluss auf die Stellung als Geschäftsführer ist jedoch bei genauer Betrachtung stark beschränkt. Zunächst entfalten die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflichten, die aus der Geschäftsführerstellung hervorgehen, stets strengere Pflichten als jene aus der Gesellschafterstellung. Insofern hat die Gesellschafterstellung also keinen Einfluss auf die Pflichtenstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers. Weiterhin sind bezüglich des Einflusses der mitgliedschaftlichen Treuepflichten gegenüber Mitgesellschaftern die Interessenkonfliktsituationen auszugrenzen, die allein der Gesellschafterstellung zuzuordnen sind. Soweit hier besondere Treuepflichten insbesondere den Mehrheitsgesellschafter zur Berücksichtigung der Interessen der Minderheitsgesellschafter verpflichten, ist dies ein Konflikt, der aus den besonderen Einwirkungsmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters aufgrund seiner Gesellschafterkompetenzen hervorgeht und der in keiner Beziehung zu seiner Geschäftsführerstellung steht. Der schließlich verbleibende Bereich des tatsächlichen Einflusses der mitgliedschaftlichen Treuepflichten auf unternehmerische Entscheidungen, die der Geschäftsführungstätigkeit und damit der BJR zugeordnet werden können, beschränkt sich auf Ausnahmefälle. Erforderlich ist ein unmittelbarer Eingriff in die Interessen der Mitgesellschafter von besonderer Intensität. Und selbst in diesen Fällen ist die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsführers weitgehend zu respektieren, die inhaltliche Kontrolle hat sich daher allein auf die Abwägung der kollidierenden Interessen zu beschränken. Dieses Ergebnis eines äußerst begrenzten Durchgriffs der mitgliedschaftlichen Treuepflichtenbindung auf die BJR ist auch sachgerecht. Die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR tragen gerade den besonderen Interessenkonflikten des Gesellschafter-Geschäftsführers hinreichend Rechnung. Diesem werden aufgrund seiner Gesellschafterstellung besondere Einwirkungsmöglichkeiten und besondere Eigeninteressen zugeschrieben. Die Einwirkungsmöglichkeiten werden jedoch nie so weit gehen, wie jene des vollständig in eigener Verantwortung handelnden Vorstands der AG auf deren Aktionäre. Ebenso konnten auch Interessenkonflikte in der AG

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aufgrund des intensiven Prinzipal-Agenten-Verhältnisses bei der Entwicklung der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR antizipiert werden. So wird insbesondere über die Tatbestandsmerkmale des Handelns ohne Interessenkonflikte und des Handelns ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft der Anwendungsbereich des weiten unternehmerischen Ermessens der BJR hinreichend eingegrenzt. IV. Ergebnis zu der GmbH-spezifischen unternehmerischen Entscheidung Die Tatbestandsvoraussetzung der unternehmerischen Entscheidung spielt auch in der GmbH eine wesentliche Rolle. Die Abgrenzung von der Legalitäts- und der Treuepflicht verleiht dem Anwendungsbereich der BJR die Kontur, die für die Garantie eines weiten unternehmerischen Ermessensfreiraumes erforderlich ist. Die zur AG entwickelte Definition der unternehmerischen Entscheidung lässt sich ohne weiteres auf die GmbH übertragen. Erforderlich ist eine Entscheidung, die nicht in mindestens einer Dimension für den Einzelfall konkretisierbar positiv vorbestimmt oder in ihrer konkreten Form verboten ist. Gesellschafterweisungen stellen insofern einen Sonderfall dar, als sie den Ermessensfreiraum des Geschäftsführers gerade definieren. Soweit also eine Entscheidung durch eine Weisung vorbestimmt ist und ein eigenständiger Ermessensfreiraum verbleibt, ist die BJR auf den verbleibenden Ermessensfreiraum uneingeschränkt anwendbar. Die Abgrenzung der BJR zur Legalitätspflicht führt zu erheblichen Einschränkungen des Anwendungsbereichs in der GmbH im Vergleich zur AG. Grund dafür sind die weitreichenden Kompetenzen der Gesellschafter. Der Geschäftsführer muss insofern die Kompetenzordnung und damit regelmäßig den Willen der Gesellschafter strikt achten, um sich im Übrigen den Schutz der BJR zu erhalten. Die Gesellschafter können den Geschäftsführer jedoch auch in besonderem Maße von seiner Pflichtenbindung freistellen. Dies kann selbst eine Freistellung von der Bindung an die Legalitätspflicht beinhalten, soweit eine entsprechende Weisung wirksam ergehen könnte. Den Treuepflichten wird teilweise ein besonderer Einfluss auf das unternehmerische Ermessen zugesprochen und die besondere Treuebindung des GesellschafterGeschäftsführers wird als bedeutende GmbH-spezifische Besonderheit deklariert.317 Dem kann in dieser Form nicht zugestimmt werden. Das unternehmerische Ermessen des Geschäftsführers ist auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer in aller Regel unabhängig von dessen Treuepflichten zu betrachten. Lediglich in Ausnahmefällen, namentlich dem intensiven Eingriff in mitgliedschaftliche Rechte, kann eine inhaltliche Kontrolle der Entscheidung angezeigt sein. Diese hat jedoch den unternehmerischen Entscheidungsvorrang des Geschäftsführers zu achten und sich auf den Schutz der mitgliedschaftlichen Rechte des beeinträchtigten Gesellschafters zu beschränken. 317 Siehe insbesondere Kuntz, GmbHR 2008, 121, 124 ff.; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 77; ders., NZG 2011, 521, 526 f.; Cordes, S. 104.

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B. Zum Wohle der Gesellschaft Auch der GmbH-Geschäftsführer kann sich nur auf die BJR berufen, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.318 Ebenso wie in der AG ist diese tatbestandliche Voraussetzung bei der Prüfung in zwei Ebenen zu untergliedern. Zunächst ist das Wohl der Gesellschaft als abstraktes Handlungsziel zu ermitteln, also der weithin als Unternehmensinteresse bezeichnete Anknüpfungspunkt für die Handlungspflichten des Geschäftsleiters. Auf der zweiten Ebene ist sodann die Schlussfolgerung von diesem abstrakten Handlungsziel auf konkrete Entscheidungsalternativen zu vollziehen. Der Vorstand der AG verfügt für beide Ebenen über die primäre Auslegungskompetenz. Im Vorstandsermessen steht sowohl die Bestimmung des Unternehmensinteresses in den oben dargelegten Grenzen319 als auch die Entscheidung, welche Maßnahmen dem Unternehmensinteresse zuträglich sein werden. Der GmbH-Geschäftsführer untersteht hingegen stets dem Willen der Gesellschafter und so ist auch das ihm zustehende Leitungsermessen vom Gesellschafterwillen abhängig.320 Diese Kompetenzverteilung hat erhebliche Auswirkungen auf beiden Prüfungsebenen, welche im Folgenden darzustellen sein werden. I. Inhalt und Bestimmung des Wohls der Gesellschaft Das Wohl der Gesellschaft soll auch für die GmbH, soweit es als positives Handlungsziel im Sinne der Sorgfaltspflichten verstanden werden soll, als Unternehmensinteresse bezeichnet werden.321 Als solches wurde es in seiner GmbHspezifischen Ausformung oben bereits ausführlich dargestellt.322 Hier ist zunächst die maßgebliche Erkenntnis wieder aufzugreifen, dass das Unternehmensinteresse in der GmbH absolut vorrangig durch die Interessen der Gesellschafter definiert wird. Es besteht damit für den Geschäftsführer kein Raum für die Abwägung verschiedener Interessen, soweit der Wille der Gesellschafter erkennbar ist. Die Gesellschafter engen also die möglichen Entscheidungsalternativen, die im Unternehmensinteresse liegen, durch jede Konkretisierung desselben weiter ein. So kann das Unternehmensinteresse in der GmbH auch als dynamischer Rahmen für die Handlungen des

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Siehe zur Formulierung den Wortlaut des § 93 I 2 AktG. Siehe oben: § 4 B. II. 2. 320 Siehe bereits oben ausführlich: § 5 A. und B. 321 So auch Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 12; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 68; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 13 (mit Hinweis auch auf die alternativ verwendeten Formulierungen Unternehmenswohl und Gesellschaftsinteresse); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22d, 20 (wohlverstandenes Interesse der Gesellschaft). 322 Siehe oben: § 7. 319

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Geschäftsführers verstanden werden.323 Aufbauend auf den zum Unternehmensinteresse gewonnenen Erkenntnissen, beschränkt sich dieser Rahmen bei vollständig fehlender Kundgabe eines Gesellschafterwillens auf das Verhaltensziel einer langfristigen Gewinnmaximierung,324 was im Grundsatz der Zielvorgabe des AG-Vorstands entspricht.325 Diesen weiten Rahmen können die Gesellschafter jedoch jederzeit abändern oder verengen. Abgeändert wird die Zielvorgabe beispielsweise durch die Ausrichtung des Unternehmens auf rein ideelle Zwecke. Insbesondere können die Zielvorgaben jedoch beliebig präzisiert und damit verengt werden. Zunächst sind Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand als Mindestvorgaben stets zu achten. Weiterhin kann der Gesellschafterwille durch Gesellschafterbeschlüsse konkretisiert werden. Dies umfasst auf übergeordneter Stufe die Festlegung der Unternehmenspolitik, kann jedoch auch im Einzelnen beispielsweise bestimmte Risikopräferenzen, Tätigkeitsfelder des Unternehmens oder bevorzugte Geschäftspartner auf abstrakter Ebene festlegen.326 Schließlich kann auch der mutmaßliche Wille der Gesellschafter zu Präzisierung des Unternehmensinteresses herangezogen werden. So kann bei einem entsprechenden erkennbaren Gesellschafterwillen dem Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz vollständig entzogen sein und ausschließlich die Vorlage der Entscheidung im Unternehmensinteresse liegen. Auf diese Weise können die möglichen Entscheidungsalternativen schon durch ein präzise definiertes Unternehmensinteresse auf ein Minimum eingegrenzt werden. Eine GmbH-spezifische Auswirkung der überlegenen Stellung der Gesellschafterinteressen ist zudem, dass die Gesellschafter auch extrem risikobehaftete Geschäfte oder sogar unternehmensschädigende Geschäfte als unternehmensinteressengerecht anordnen können, solange nicht gegen zwingende gläubigerschützende Vorschriften verstoßen wird.327 Für eine wirksame Willensbildung der Gesellschafter ist allerdings ein einstimmiger Beschluss erforderlich, da eine entsprechende nur durch die Gesellschaftermehrheit erlassene Anordnung treuepflichtwidrig und damit unwirksam wäre.328 Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer entsprechenden Weisung sollte der Geschäftsführer besondere Sorgfalt walten lassen, da der vorsätzliche 323 Mit ähnlicher Formulierung: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 65, der das Unternehmensinteresse als normativen Verhaltensmaßstab und als Rahmen der Leitungsaufgabe des Geschäftsführers bezeichnet. 324 Siehe oben: § 7 C. I. 325 Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11: Das Handeln soll der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ dienen. 326 Siehe zur Festlegung auf bestimmte Geschäftspartner BGH NJW 1991, 1681, 1681 f. 327 Siehe BGH NJW 2010, 64; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1997, 736, 737; Stephan/ Tieves, in: MüKo GmbHG, § 37 Rn. 120; Schneider/Schneider, in: Scholz, § 37 Rn. 61; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 43. 328 Siehe BGH NJW 2010, 3458; siehe auch zu den Treuepflichten der Gesellschafter bei der Einflussnahme auf die Geschäftsführung bereits oben: § 10 A. III. 2. c) cc) (2) (b).

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Entzug von Unternehmensvermögen auch unter den strafrechtlichen Untreuetatbestand subsumiert werden kann.329 II. Ermessen bezüglich der Gesellschaftswohlzuträglichkeit Bei der Subsumtion konkreter Maßnahmen unter das Unternehmensinteresse kommt dem Geschäftsführer insoweit der Ermessensfreiraum der BJR zugute, als die Gesellschafter ihm diese Kompetenz übertragen haben. Von einer Kompetenz zur eigenständigen Wahrnehmung des Unternehmensinteresses ist regelmäßig auszugehen, wenn die Gesellschafter keine Regelungen diesbezüglich getroffen haben. So kann von einem originären Entscheidungsfreiraum bezüglich der Unternehmensplanung, -koordinierung und -kontrolle ausgegangen werden und selbst die Gestaltung der Unternehmenspolitik muss vom Geschäftsführer eigenständig umgesetzt werden, wenn die Gesellschafter dies nicht selbst wahrnehmen.330 Neben der maßgeblichen Vorbestimmung durch die Gesellschafter liegt die zweite wesentliche und häufig betonte Einschränkung des Leitungsermessens des Geschäftsführers darin, dass er in besonderem Maße gehalten ist, den Konsens der Gesellschafter herbeizuführen.331 Er ist also nicht nur verpflichtet, den erkennbaren Gesellschafterwillen umzusetzen, sondern in besonderen Situationen auch verpflichtet, ohne besondere Weisung den Gesellschaftern eine eigene Entscheidung zu ermöglichen und damit ihre übergeordnete Kompetenz zur Willensbildung im Unternehmen zu gewährleisten. 1. Verhältnis zur Verpflichtung auf die Kompetenzordnung Die somit identifizierten Eingangsvoraussetzungen für ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft verlaufen parallel zu den bereits im Rahmen der unternehmerischen Entscheidung dargestellten Anforderungen an die Wahrung der Kompetenzordnung. Soweit der Geschäftsführer eigenmächtig den Unternehmensgegenstand, den Gesellschaftszweck oder den durch Satzungsbestimmungen, Gesellschafterweisung oder in sonstiger Weise verbindlich geäußerten Gesellschafterwillen außer Acht lässt, handelt er stets pflichtwidrig.332 Eine verbindlich geäußerte Konkretisierung des Unternehmensinteresses ist also schon im Rahmen der Kompetenzordnung zwingend zu wahren.

329 Siehe BGH GmbHR 2009, 1202, 1204, wonach auch eine einstimmige Gesellschafterweisung als unwirksam bewertet und der Untreuetatbestand als erfüllt angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall fehlte es allerdings an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen. 330 Siehe bereits ausführlich oben: § 5 A. II., § 10 A. II. 1. a) aa). 331 Allen voran: Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II. 4. a) (S. 1079); siehe auch Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Fleischer, NZG 2011, 521, 525; Lutter, ZIP 2007, 841, 848. 332 Siehe oben: § 10 A. II. 1.

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Doch auch der Verpflichtung, nach Möglichkeit den Konsens der Gesellschafter einzuholen, wird durch die Kompetenzschutzvorschriften, insbesondere § 49 II GmbHG, hinreichend Rechnung getragen. Der Geschäftsführer darf jedenfalls nicht annehmen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, soweit er ohne Rückkopplung mit den Gesellschaftern Entscheidungen trifft, mit deren Missbilligung er rechnen muss, die die Unternehmenspolitik abändern, die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung oder ihres besonderen Risikos als außergewöhnlich einzustufen sind oder bei denen der mutmaßliche Wille der Gesellschafter aus sonstigen Gründen objektiv und evident eine Vorlage verlangt.333 Die Regelungsbereiche verlaufen somit parallel, insbesondere ist eine Vorlagepflicht nur in Ausnahmefällen unabhängig von einem tatsächlich erkennbaren Gesellschafterwillen anzunehmen.334 Der übergeordneten Stellung der Gesellschafter im Kompetenzgefüge der GmbH und der darauf beruhenden Verpflichtung des Geschäftsführers, in besonderem Maße den Konsens der Gesellschafter einzuholen, wird somit bereits durch die Regelungen zum Kompetenzschutz hinreichend Rechnung getragen. Auf der anderen Seite ist streng zwischen Kompetenzordnung und unternehmerischem Ermessen zu differenzieren. Der Ermessensfreiraum der BJR liefe Gefahr ausgehöhlt zu werden, wenn die Kontrolle der Einhaltung der Kompetenzvorschriften auch eine inhaltliche Prüfung der Entscheidung zulassen würde. Diese Gefahr besteht in besonderem Maße bei der Überprüfung, ob auch dem mutmaßlichen Willen der Gesellschafter Rechnung getragen worden ist. Um hier kein Einfallstor gerichtlicher Kontrolle aufzustoßen, ist zu beachten, dass nur der ex ante erkennbare Gesellschafterwille Berücksichtigung finden kann und dieser auch nur mit dem ex ante vorhersehbaren Entscheidungsinhalt übereinstimmen muss. So darf von einem besonders hohen Schaden nicht darauf geschlossen werden, dass das Geschäft aufgrund des zu hohen Risikos dem Gesellschafterwillen widersprach. Dies gilt jedenfalls, soweit die Möglichkeit eines so hohen Schadens ex ante nicht vorhersehbar war. 2. Verbleibender Anwendungsbereich einer gerichtlichen Kontrolle Wesentlicher Bedeutungsgehalt der BJR ist, dass bezüglich des Handelns zum Wohle der Gesellschaft ein weiter Ermessensfreiraum besteht. So gilt für die GmbH in gleicher Weise wie für die AG ein weitreichender Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle bezüglich der Umsetzung des Unternehmensinteresses in konkrete Entscheidungen. Die Kontrolle hat sich im Rahmen des gemischt subjektiv-objektiven Überprüfungsmaßstabs auf Entscheidungen zu beschränken, die ex ante aus der Position des Entscheidungsträgers offensichtlich außerhalb des Unternehmensin333

Siehe oben: § 10 A. II. 1. a); siehe auch Fleischer, NZG 2011, 521, 525. Einen solchen Ausnahmefall stellen beispielsweise existenzbedrohende Maßnahmen dar, wenn solche nicht gerade von den Gesellschaftern gewünscht werden, siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 141; siehe auch schon oben: § 10 A. II. 1. a) bb). 334

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

teresses liegen mussten.335 Nach den oben gewonnenen Erkenntnissen ist der Geschäftsführer allerdings schon der Wahrung der Kompetenzordnung halber verpflichtet, die Gesellschafterinteressen und damit das Unternehmensinteresse zu achten und nötigenfalls durch Vorlage der Entscheidung zu erkunden.336 Dementsprechend wird regelmäßig in einem offensichtlichen Abweichen von den Gesellschafterinteressen bereits ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung liegen. Der Anwendungsbereich einer gerichtlichen Kontrolle auf ein schlicht unvertretbares Verfehlen des Gesellschaftswohls hin ist daher in der GmbH stark begrenzt. Dennoch kann die Begrenzung des unternehmerischen Ermessens durch den gerichtlichen Kontrollrahmen Relevanz entfalten. So hängt das kompetenzgerechte Handeln vorrangig von den durch die Gesellschafter geschaffenen Regelungen ab. Je weiter die Kompetenzen des Geschäftsführers zur eigenständigen Konkretisierung des Unternehmensinteresses reichen, desto kürzer greift die Kontrollfunktion der Kompetenzschutznormen. Auf der anderen Seite bezieht sich die gerichtliche Kontrolle sorgfaltsgemäßen Handelns auf den Entscheidungsinhalt und dessen Vereinbarkeit mit objektiven Sorgfaltsstandards. Die gerichtliche Überprüfung auf ein Mindestmaß an Sorgfalt besteht daher unabhängig von einem dahingehend geäußerten Gesellschafterwillen. Je weniger die Gesellschafter den eigenständigen Entscheidungsfreiraum des Geschäftsführers reglementieren, desto größer ist also die Bedeutung der gerichtlichen Sorgfaltskontrolle. Die Gesellschafter sind bei der Definition des Entscheidungsfreiraumes des Geschäftsführers im Rahmen zwingender Vorschriften337 frei.338 Selbst existenzbedrohende Maßnahmen können in das Ermessen der Geschäftsführer gestellt werden.339 Dementsprechend kann eine Vorlagepflicht selbst für Geschäfte entfallen, denen ein mit einer sorgfältigen Unternehmensführung nicht vereinbares Risiko innewohnt. Dies wird häufig der Fall sein, wenn die Entscheidung 335 Siehe bereits ausführlich zur AG oben: § 4 B. II. 3.; siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 88a („Evidenzkontrolle“, „ganz und gar unvernünftigen Entscheidungen oder schlechthin unvertretbares Geschäftsführerhandeln“); Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22 („unvertretbar“); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 27 („innerhalb des unternehmerisch vertretbaren“); Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 61 („Vertretbarkeitskontrolle“); a.A. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 123 ff., der für einen vollständiger Ausschluss gerichtlicher Kontrolle plädiert, dafür aber weitreichende formale Sorgfaltsanforderungen aufstellt. Dies kann insoweit nicht überzeugen, als nur für wenige Entscheidungsgegenstände hinreichende formale Kriterien existieren, siehe dazu ausführlich oben: § 4 B. IV. 1. a) aa). 336 Siehe oben: § 10 A. II. 1. 337 Insbesondere beschränkt durch die Kapitalerhaltungsvorschriften, siehe oben: § 6 C. II. 2. 338 Siehe BGH NJW 2010, 64; BGH NJW 2009, 68, 70; BGH NJW 1993, 1922; siehe auch bereits oben: § 7 C. II. 339 Insoweit besteht keine Beschränkung durch die Grundsätze zum existenzvernichtenden Eingriff, da die Gesellschafter auch selbst zu existenzgefährdenden Maßnahmen befugt sind, soweit daraus resultierende Vermögensverluste auf Managementfehler zurückzuführen sind und nicht auf gezielte, betriebsfremde Eingriffe, siehe BGH NZG 2005, 214, 215.

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für das Unternehmen insgesamt nur von geringer Bedeutung ist. 340 Die zur AG für Risikoentscheidungen entwickelten Grundsätze,341 insbesondere die Formulierung des BGH, dass die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, nicht in unverantwortlicher Weise überspannt werden darf,342 finden in diesem Rahmen für die GmbH uneingeschränkt Anwendung.343 Der Geschäftsführer kann also die Kompetenz innehaben, große Risiken einzugehen; stehen diese jedoch völlig außer Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen, handelt der Geschäftsführer dennoch pflichtwidrig.344 Wie bereits zur AG dargestellt, ist der Entscheidungsfreiraum der BJR erst überschritten, wenn ein tatsächlich völlig offensichtlich außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit liegendes Risiko eingegangen worden ist. Selbst wenn die Gesellschafter eine Risikoentscheidung in das Ermessen des Geschäftsführers gelegt haben, liegt in der offensichtlichen Unverhältnismäßigkeit also die Grenze pflichtgemäßen Handelns. Eine weitere Kategorie von Maßnahmen, die offensichtlich außerhalb des Unternehmensinteresses liegen und ebenfalls schon zur AG behandelt wurden, stellen Entscheidungen mit offensichtlich fehlendem Unternehmensbezug dar.345 Also Entscheidungen, für die jegliche sachliche Rechtfertigung aus dem Unternehmensinteresse heraus fehlt. Zum Anwendungsbereich in Abgrenzung zur Kompetenzordnung lassen sich die Ausführungen zu den Risikogeschäften entsprechend übertragen. Auch hier gilt, dass Maßnahmen, die in den Kompetenzbereich des Geschäftsführers fallen, vom Gericht lediglich auf einen völlig offensichtlich fehlenden Zusammenhang zum Unternehmensinteresse hin überprüft werden können. GmbH-spezifische Besonderheiten können sich schließlich für Spendenzahlungen ergeben, die durch den Geschäftsführer veranlasst werden und sich zunächst als wirtschaftlich nachteilige Handlungen darstellen. Das in entsprechenden Situationen weite Ermessen des AG-Vorstands kann nur eingeschränkt übertragen werden. Auch wenn die Gesellschafter sich einer Konkretisierung des Unternehmensinteresses enthalten haben und der Geschäftsführer folglich bei der langfristigen Gewinnmaximierung auch Interessen der Allgemeinheit zur Verbesserung des Standings des

340

So ist selbst bei risikoavers eingestellten Gesellschaftern grundsätzlich erst von einer Vorlagepflicht auszugehen, wenn das Geschäft Auswirkungen auf den Fortbestand der Gesellschaft haben könnte, siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 75; ders., NZG 2011, 521, 525; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 141; siehe auch bereits oben: § 10 A. II. 1. a) bb). 341 Siehe oben: § 4 B. II. 3. b) aa). 342 Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928. 343 Siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 88a; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 72. 344 Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 28. 345 Siehe zur AG bereits oben: § 4 B. II. 3. b) bb).

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Unternehmens fördern kann,346 darf er nicht frei über die Förderung von sozialen oder politischen Zwecken mit Unternehmensmitteln entscheiden. Zwar steht dem Geschäftsführer grundsätzlich ein unternehmerisches Ermessen bei der Vergabe von Spenden zu, doch ist er hier in besonderem Maße an die Kompetenzordnung im Unternehmen gebunden.347 Vorbehaltlich abweichender Regelungen durch die Gesellschafter, können nur Spenden, die einen örtlichen und sachlichen Bezug zum Unternehmen haben348 und in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens stehen,349 originär der Geschäftsführung zuzuordnende Entscheidungsgegenstände sein. Dies gilt jedenfalls für völlig unentgeltliche Leistungen, da der freigiebige Umgang mit fremden Vermögenswerten und die Etablierung einer bestimmten sozialen oder politischen Reputation in erster Linie dem obersten Willensbildungsorgan in der Gesellschaft vorbehalten sein müssen. Eine Vorlagepflicht ergibt sich bei der Verfolgung karitativer Zwecke in unangemessenem Umfang regelmäßig schon aus der damit begründeten Änderung der Unternehmenspolitik. Unterhalb dieser Grenze werden die Interessen der Gesellschafter zusätzlich durch die besondere Kontrolle auf Interessenkonflikte hin geschützt, welcher im Rahmen der BJR insgesamt besondere Bedeutung zukommt.350 III. Ergebnis zum Handeln zum Wohle der Gesellschaft Zur Feststellung eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft ist in GmbH und AG gleichermaßen zunächst das Unternehmensinteresse zu identifizieren, um sodann eine konkrete Entscheidung unter dieses zu subsummieren. Das Unternehmensinteresse hängt in der GmbH jedoch maßgeblich von dem Willen der Gesellschafter ab und kann durch verbindliche Willensäußerungen wie insbesondere Satzungsregelungen und Weisungen konkretisiert werden. Insofern stellt das Unternehmensin346 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 21; siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 103 („unternehmerischen Goodwill verfestigen“); siehe zur AG: BGH NJW 2002, 1585, 1585. 347 So die überwiegende Meinung, siehe: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 71; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 22 (mit Hinweis auf das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter aus § 29 GmbHG); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 71 f. (ebenfalls bei unangemessenen Zuwendungen die Entscheidungskompetenz der Gesellschafter aus § 29 GmbHG herleitend); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 21; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 103 ff.; ders., GmbHR 2010, 1307, 1310 f.; a.A. für eine Vorlagepflicht im Regelfall: Kind, NZG 2000, 567, 572 f.; ebenso Drescher, Rn. 159, der eine Ausnahme nur für Bagatellzuwendungen anerkennt. 348 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 71; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 71a; allerdings zur AG selbst ein Handeln außerhalb des Unternehmensgegenstands für zulässig erachtend: BGH NJW 2002, 1585. 349 Siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 22; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 72; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 21; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 103 ff. 350 So dürfen persönliche Präferenzen nie dem Unternehmensinteresse vorgehen, siehe auch Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1311.

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teresse in der GmbH einen dynamischen Rahmen für den Entscheidungsfreiraum des Geschäftsführers dar. Als weitere GmbH-spezifische Hürde zum Ermessensfreiraum der BJR muss der Geschäftsführer auch bei der konkreten unternehmerischen Entscheidungsfindung in gesteigertem Maße den Konsens der Gesellschafter anstreben. Insofern kann der Geschäftsführer jedoch nur verpflichtet sein, den in zumutbarer Weise erkennbaren Willen der Gesellschafter zu berücksichtigen, womit sich diese Voraussetzungen in der Wahrung der Kompetenzordnung erschöpfen. Der Anforderung wird also insbesondere durch Einhaltung der Vorlageverpflichtung hinreichend Rechnung getragen. Insgesamt muss sich die Überprüfung kompetenzgerechten Verhaltens allerdings allein auf die Übereinstimmung des ex ante vorhersehbaren Entscheidungsinhalts mit der von den Gesellschaftern geschaffenen Kompetenzordnung beschränken. Ansonsten würde durch die nachträgliche Bewertung des Entscheidungsinhalts ein Einfalltor für eine weitgehende inhaltliche Kontrolle geschaffen. Soweit der Geschäftsführer jedoch innerhalb der ihm zugewiesenen Kompetenzen handelt, steht ihm der weite Ermessensfreiraum der BJR zu, welcher erst bei offensichtlich unvertretbaren Entscheidungen überschritten ist.

C. Ohne Interessenkonflikte Auch in der GmbH gilt der schon zum Aktienrecht dargelegte Grundsatz,351 dass sich der Geschäftsführer nur auf sein unternehmerisches Ermessen berufen kann, soweit er die Entscheidung frei von unternehmensfremden Interesseneinflüssen trifft und dementsprechend ein pflichtgemäßer Entscheidungsfindungsprozess gewährleistet ist.352 Als GmbH-spezifische Besonderheit konnte zunächst ein geringeres Konfliktpotential für den Fremdgeschäftsführer herausgearbeitet werden, da durch die Entscheidungsmacht der Gesellschafter der Prinzipal-Agenten-Konflikt abgemildert ist.353 Andererseits konnte für den Gesellschafter-Geschäftsführer ein erhöhtes Konfliktpotential identifiziert werden, welches auf den engen Interessengeflechten der personalistisch strukturierten GmbH,354 der besonderen Machtstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers355 und der häufigen Dispensierung des Insich351

Siehe oben § 4 B. III. und § 6 A. III. 1. a) aa) (2). Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86; ders., WM 2003, 1045, 1052; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22d; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 112 f. (mit sehr weitem Verständnis eines Interessenkonflikts); Hauschka, GmbHR 2007, 11, 14 f.; mit rechtsvergleichender Begründung Kern, ZVglRWiss 2013, 70, 85 ff.; a.A. Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff., der erst bei einer Verletzung der Treuepflicht die Grenze der Anwendbarkeit der BJR bei Interessenkonflikten erreicht sieht. 353 Siehe bereits oben: § 8 E. III. 354 Siehe oben: § 6 A. III. 1. b). 355 Siehe oben: § 10 A. III. 2. c). 352

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

geschäftsverbots nach § 181 BGB beruht.356 Für diese speziellen Interessenkonstellationen sind abgestimmte Lösungswege zu finden. Schließlich ist der Frage nachzugehen, ob aufgrund der besonderen Entscheidungskompetenz der Gesellschafter eine Einwilligung in oder Heilung von Interessenkonfliktsituationen möglich ist. I. Potentiell konfliktträchtige Interessen Zunächst sind jedoch auch für die GmbH die potentiell in einen Interessenkonflikt verwickelten Parteien zu identifizieren und in das zum Aktienrecht dargestellte Modell zur Bewertung von Interessenkonflikten einzuordnen. 1. Privatinteressen des Geschäftsführers Als Interessenträger ist für die GmbH zunächst zusätzlich der Geschäftsführer selbst zu beachten, für den das Selbstkontrahierungsverbot ausgesetzt werden kann und regelmäßig auch ausgesetzt wird.357 Mit der heute absolut überwiegenden Meinung lässt sich dieser Konfliktsituation jedoch nur mit einem ausnahmslosen Ausschluss entsprechender Geschäfte von dem Anwendungsbereich der BJR begegnen.358 Dieses Ergebnis lässt sich zunächst aus einer konsequenten Anwendung der Treuepflichten herleiten.359 Der Geschäftsleiter handelt nur treuepflichtgemäß, wenn er nicht die eigenen Interessen über jene der Gesellschaft stellt. Die Überprüfung eines Geschäfts auf diese Voraussetzungen hin verlangt, dass bei jedem bestehenden Eigeninteresse eine Inhaltskontrolle möglich ist und folglich die BJR keine Anwendung finden kann. Andererseits lässt sich als Begründung die Kompetenzordnung in der Gesellschaft anführen. Jeder dem Geschäftsführer durch ein Selbstkontrahieren gewährte Vorteil lässt sich als eine ihm nicht zustehende Vergütung ansehen, womit die Entscheidungskompetenz für das Geschäft gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG bei den Gesellschaftern läge.360 Zur Gewährleistung dieser Entscheidungskompetenz wäre eine Inhaltskontrolle erforderlich. Im Ergebnis laufen beide Ansichten gleichermaßen darauf hinaus, dass die BJR keine Anwendung findet 356

Siehe oben: § 6 A. III. 1. c). Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 173; ders., WM 2003, 1045, 1052; zu empirischen Erkenntnissen Kornblum/Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240, 1251; siehe auch bereits oben: § 6 A. III. 1. c). 358 Siehe bereits oben: § 4 B. III. 1. e), wonach ein Selbstkontrahieren stets auf der höchsten Stufe der Konfliktintensität ohne Bewertungsspielraum einzuordnen ist; siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 76; ders., WM 2003, 1045, 1052; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 113; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22d; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 73, 146. 359 Insofern von einer Überlagerung der Sorgfaltspflichten durch die Treuepflichten sprechend: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 113; Fleischer, WM 2003, 1045, 1052. 360 So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 28. 357

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und entsprechende Geschäfte vollumfänglich auf deren Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein zustimmender Gesellschafterbeschluss vorliegt.361 Die Gegenansicht spricht sich auch bei interessenkonfliktbelasteten Geschäften für eine nur eingeschränkte Überprüfbarkeit des Geschäftsinhalts aus.362 Dem ist zugute zu halten, dass durch das Abbedingen des § 181 BGB durch die Gesellschafter Insichgeschäfte des Geschäftsführers ausdrücklich gestattet werden und insofern dem Geschäftsführer die eigenständige Kompetenz für entsprechende Handlungen zunächst zugesprochen wird. Dies kann jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass die auf den formellen Anforderungen an die Entscheidungsfindung beruhende Richtigkeitsgewähr durch ein Eigeninteresse im Entscheidungsfindungsprozess unheilbar beeinträchtigt wird.363 Allein in dem Ausschluss des § 181 BGB kann auch keine vorweggenommene Billigung von Insichgeschäften egal welchen Inhalts liegen. So kann letztendlich auch aufgrund des Wortlauts des § 93 I 2 AktG und des deutlichen Willens des Gesetzgebers nur ein völliger Ausschluss der BJR für den mit sich selbst kontrahierenden Geschäftsführer gelten.364 Bezüglich eines verbleibenden, sehr eingeschränkten unternehmerischen Ermessens des Geschäftsführers ist auf die obigen Ausführungen zum Aktienrecht zu verweisen.365 2. Gesellschafter-Geschäftsführer Eine besondere Bewertung im Rahmen von interessenkonfliktbelasteten Geschäften kann sich für den Gesellschafter-Geschäftsführer ergeben. Dieser wird häufig bei Geschäftsführungsmaßnahmen auch eigene Interessen im Blick haben. Dennoch rechtfertigt allein die Doppelstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer noch keinen pauschalen Ausschluss der BJR.366 Gegen einen Ausschluss 361 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 113; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 13. 362 Für eine Überprüfung lediglich an den Maßstäben der §§ 134, 138 BGB: Hübner, S. 169 f.; für ein Ermessen bei Eigengeschäften eines Aufsichtsratsmitglieds: Fleck, FS Heinsius, S. 89, 93 f.; für eine Zulässigkeit der Erhöhung der eigenen Vergütung durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer, allerdings auch für eine gerichtliche Überprüfung nach den Maßstäben eines Drittvergleichs: BFH WM 1975, 456, 457. 363 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114; siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86: Es entfällt die „natürliche Vermutung“ des Handelns zum Wohle der Gesellschaft. 364 Der Geschäftsleiter muss gerade „zum Wohle der Gesellschaft“ handeln, siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11, nach welcher interessenkonfliktbelastete Geschäfte ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich der BJR fallen sollen. 365 Siehe oben: § 4 B. III. 3. c). 366 So auch Fleischer, NZG 2011, 521, 526; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 15; Kebekus/Zenker, FS Maier-Reimer, S. 319, 326 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57; Bunz, S. 250; wohl a.A., jedoch nicht eindeutig: Lutter, ZIP 2007, 841, 848.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

spricht zunächst, dass die maßgebliche Gefährdung, die aus einer Doppelstellung hervorgeht, nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter betrifft. Den besonderen Einwirkungsmöglichkeiten auf mitgliedschaftliche Rechte Rechnung zu tragen, ist jedoch Aufgabe der Treuepflichten. Eine spezielle Regelung im Rahmen der BJR ist daher nicht angezeigt.367 Weiterhin wird sich in unternehmerischen Fragen das Interesse des Gesellschafters häufig mit dem Interesse der Gesellschaft decken.368 Ein Handeln unter dem Einfluss gesellschaftsfremder Interessen ist jedoch dann legitim, wenn die außenstehenden Interessen nur mittelbar durch die Förderung des Unternehmensinteresses begünstigt werden.369 Daher sind beispielsweise besonders gewinnorientierte Entscheidungen auch dann von der BJR gedeckt, wenn der Geschäftsführer dabei zugleich besondere Gewinntantiemen für sich persönlich anstrebt.370 Schließlich gilt auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer, dass die BJR bei einem Selbstkontrahieren keine Anwendung finden kann, sodass dieser Mindestschutz des Unternehmensinteresses in jedem Fall besteht. Grundsätzlich ist die BJR also auch auf den Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar. Auf der anderen Seite rechtfertigt die Gesellschafterstellung jedoch auch keine besondere Privilegierung des Gesellschafter-Geschäftsführers. Soweit dieser unter dem Einfluss von Interessen steht, die nicht mit dem Unternehmensinteresse vereinbar und von hinreichender Intensität sind, entfällt die Anwendbarkeit der BJR ebenso wie bei jedem Fremdgeschäftsführer. 3. Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen Die von der AG abweichende Komposition des Unternehmensinteresses erfordert auch eine gesellschaftsformspezifische Behandlung des Einflusses von StakeholderInteressen. Für die AG konnte mit dem interessenpluralistischen Ansatz insbesondere der Einfluss von Arbeitnehmerinteressen ohne weiteres als Teil des Unternehmensinteresses und damit als nicht kollisionsgeeignet eingeordnet werden. Für die GmbH sind hingegen die Gesellschafterinteressen vorrangig zu beachten und die Interessen der übrigen Stakeholder grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich mit den Gesellschafterinteressen vereinbaren lassen.371

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Ebenfalls für eine unbeschränkte Anwendung außerhalb der Treuepflichten Kuntz, GmbHR 2008, 121, 128. 368 So auch Bunz, S. 250. 369 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114; siehe zum Aktienrecht die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 24. 370 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86; ders., ZIP 2004, 685, 691; siehe auch Schlimm, S. 299 mit weiteren Beispielen zu möglichen Prämien und Provisionen. 371 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 68; zur Zulässigkeit der Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen, die im Unternehmensinteresse liegen, also regelmäßig jene, die der langfristigen Gewinnmaximierung dienen, siehe bereits oben: § 7 B. V.

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Haben nun die Interessen von Arbeitnehmervertretern oder von bestimmten Gläubigern aufgrund einer besonderen Machtstellung einen besonderen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Geschäftsführers, stellt sich die Frage, ob dieser sich dennoch auf die BJR berufen kann. Dies ist zu bejahen, wenn sich die Verwirklichung des Einflusses der Stakeholder unmittelbar auf das Unternehmensinteresse auswirken würde. So, wenn Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung mit der Androhung eines Streiks durchsetzen oder wenn Gläubiger mit der Geltendmachung eines großen Umfangs von Forderungen drohen, um eine sofortige Rückzahlung einzelner Forderungen zu erwirken. Hier liegt es vorrangig im Unternehmensinteresse, die Stakeholder-Interessen zu berücksichtigen. Andererseits kann die Anwendung der BJR problemlos verneint werden, wenn rein private Interessen des Geschäftsführers unter dem Einfluss von Stakeholder-Interessen stehen. So kann eine besondere persönliche Verbindung des Geschäftsführers zu den Arbeitnehmern einen unternehmerischen Ermessensfreiraum bei einer Gehaltserhöhung ausschließen. Gleichermaßen kann der Einfluss von Gläubigern, die zugleich Gesellschaftsgläubiger als auch Gläubiger des Geschäftsführers sind und daher einen besonderen Einfluss auf die privaten Interessen des Geschäftsführers haben, ein unternehmerisches Ermessen bei Geschäften mit ebendiesen Gläubigern ausschließen. Es ist also auch hier zwischen Interessen zu unterscheiden, deren Einfluss sich primär außerhalb des Unternehmensinteresses bewegt, und jenen, deren Einfluss sich durch eine vorrangige Förderung des Unternehmensinteresses legitimieren lässt.372 Ein Einfluss von Stakeholdern auf den Geschäftsführer kann somit aufgrund der interessenmonistischen Ausgestaltung des Unternehmensinteresses in der GmbH einen Interessenkonflikt begründen. In diesem Zusammenhang führt jedoch die Legitimierung von Interesseneinflüssen, die primär das Unternehmensinteresse fördern und nur mittelbar Drittinteressen im Blick haben, regelmäßig dazu, dass die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen die Anwendung der BJR nicht ausschließt. Ein Sonderproblem stellen Fälle dar, in denen eine Maßnahme auch das Unternehmensinteresse fördert, primär jedoch unternehmensfremde Interessen verfolgt. Als Beispiel können hier Spenden angeführt werden, die primär dem persönlichen Prestige des Geschäftsführers zugutekommen sollen,373 oder die aufgrund einer besonderen persönlichen Verbundenheit primär zur Förderung der begünstigten Person oder Institution geleistet werden und nur nachrangig der Förderung des

372 Siehe zum interessengerechten Handeln bei Interessen, die nur mittelbar durch das Verfolgen des Unternehmensinteresses gefördert werden: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114; siehe zum Aktienrecht die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 72; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG § 93 Rn. 24. 373 Solchermaßen motivierte Spenden verstoßen regelmäßig schon gegen die Treuepflichten, siehe Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1311.

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Unternehmensinteresses dienen sollen.374 In diesen Fällen kommt das weite unternehmerische Ermessen der BJR nicht in Betracht. Die Abgrenzung ist jedoch schwierig. Die gerichtliche Kontrolle darf sich nicht darauf stützen, dass andere Maßnahmen besser geeignet gewesen wären, um das Unternehmensinteresse zu fördern, und deshalb die Drittinteressen einen negativen Einfluss hatten. Dies würde den Schutz der BJR bereits im Rahmen der Prüfung ihrer Anwendbarkeit aushebeln. Vielmehr muss nach den bereits oben zum Aktienrecht dargestellten Grundsätzen375 ein unternehmensfremdes Interesse nachgewiesen werden, welches einen Einfluss von hinreichender Intensität auf die Entscheidungsfindung des Geschäftsführers hat. Erst wenn ein solcher Interessenkonflikt nachgewiesen ist, entfällt der Schutz der BJR und die Entscheidung kann auf inhaltliche Mängel hin überprüft werden. 4. Drittanstellung und Freistellungsvereinbarungen Schließlich kann es insbesondere in Konzernstrukturen zu der Konstellation kommen, dass das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zu einer anderen Partei besteht als das organschaftliche Verhältnis. Im Konzern kann beispielsweise der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft in einem Anstellungsverhältnis mit der Muttergesellschaft stehen.376 Dies ist kein Problem, solange die Interessen des Konzerns und der Gesellschaft parallel laufen, also insbesondere, wenn die Gesellschaft, in der das Organverhältnis besteht, einhundertprozentige Tochtergesellschaft ist. Soweit dies jedoch nicht der Fall ist, das Unternehmensinteresse also auch von anderen als den Konzerninteressen geprägt ist, stellen die Interessen des anstellenden Unternehmens potentiell konfliktbelastete Einflüsse auf das von dem Geschäftsführer geführte Unternehmen dar. Ein ebenfalls für den Konzern typischer Interessenkonflikt entsteht bei der Wahrnehmung von Doppelmandaten innerhalb des Konzerns.377 Auch hier stellen die Interessen des anderen Unternehmens, in welchem die zweite Organstellung besteht, ebenso wie im vorgenannten Fall das Anstellungsverhältnis, einen potentiell Interessenkonflikt-begründenden Einfluss dar. Die Anwendung der BJR kann demnach auch hier ausgeschlossen sein.378 Unter dem Aspekt der Interesseneinflüsse vergleichbar ist die Situation, dass der Geschäftsführer von einem einzelnen Gesellschafter oder einem gesellschaftsfremden Dritten von der Haftung freigestellt wird und über diese Verbindung ein 374 Auch Leistungen im Interesse der Allgemeinheit können vom Geschäftsführerermessen gedeckt sein, unterliegen allerdings engen Grenzen, siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 71 f.; siehe zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Veranlassung von Spendenzahlungen durch den Geschäftsführer: § 10 B. II. 2. 375 Siehe oben: § 4 B. III. 1. 376 Den Fall aus steuerrechtlicher Sicht beleuchtend: BGH NZG 2004, 631 – 632. 377 Siehe Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1103. 378 Siehe auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 28.

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interessenkonfliktauslösender Einfluss ausgeübt wird.379 Zulässigkeit und Voraussetzungen einer solchen Haftungsfreistellung sind nicht unumstritten.380 Soweit eine entsprechende Vereinbarung mit einem Dritten aus Sicht des Geschäftsführers jedoch besteht, liegt ein Interesseneinfluss vor, der die BJR auszuschließen geeignet ist. Insgesamt gilt für die drei genannten Fälle besonderer Interessenbindung, dass die Anwendung der BJR nicht per se ausgeschlossen ist. Vielmehr ist vergleichbar mit der Situation des Gesellschafter-Geschäftsführers festzustellen, ob der abstrakte Interesseneinfluss sich in der konkreten Entscheidungssituation auswirken kann und ob die Drittinteressen tatsächlich dem Unternehmensinteresse widersprechen. II. Einordnung von Interessenkonflikten in der GmbH Der Kreis von relevanten Interessenträgern in der GmbH weicht im Ergebnis kaum von jenem in der AG ab. Die unterschiedliche Auslegung des Unternehmensinteresses, der Umstand, dass GmbH-Geschäftsführer häufig selbst mit der eigenen GmbH kontrahieren sowie die häufig auftretende Doppelrolle als Gesellschafter-Geschäftsführer, lassen sich mit dem für die AG aufgezeigten Bewertungsmuster bewältigen und erfordern insofern keine Sonderbehandlung.381 Auch in der GmbH kann in einer Vorprüfung die Beziehung des Interessenträgers zu dem Entscheidungsträger bestimmt werden und aus einem so bestimmten Näheverhältnis oder Beherrschungsverhältnis bereits ein Interesseneinfluss hergeleitet werden.382 Der entscheidende Teil der Prüfung bezieht sich jedoch auf die hinreichende Intensität des Interesseneinflusses.383 Diese ist je nach Beziehung des Interessenträgers zum Entscheidungsträger unterschiedlich zu behandeln. Auf der ersten Stufe zur Einordnung der Interessenträger finden sich Insichgeschäfte. Steht bei einem Geschäft der Geschäftsführer selbst unmittelbar der Gesellschaft gegenüber, muss stets eine hinreichende Konfliktintensität angenommen werden und die BJR findet keine Anwendung. Auf zweiter Stufe stehen Geschäfte mit Interessenträgern, die in einem Näheverhältnis zum Geschäftsführer stehen oder einen beherrschenden Einfluss auf diesen haben. Hier sind die Anforderungen an die nachzuweisende Intensität des Interesseneinflusses geringer, je enger das Näheverhältnis oder je einflussreicher das Beherrschungsverhältnis ist. Im Falle von 379

Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 16. Siehe zum Meinungsstand Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 387. 381 Siehe zu dem zur AG bereits dargestellten Bewertungsmuster, welches den folgenden Ausführungen zugrunde liegt, oben: § 4 B. III. 1. e). 382 Siehe zu der Bestimmung eines Nähe- bzw. Beherrschungsverhältnisses oben: § 4 B. III. 1. c) und d). 383 Pauschal von dem Erfordernis eines Einflusses von Drittinteressen sprechend: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; mit der Regierungsbegründung (Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11) einen Nutzen als maßgebliches Kriterium nennend: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57. 380

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Näheverhältnissen, die typischerweise einen Interesseneinfluss gleich einem Eigeninteresse begründen, kann schon aufgrund formaler Kriterien ein Interessenkonflikt widerleglich vermutet werden.384 Abseits solcher qualifizierter Näheverhältnisse muss nachgewiesen werden, dass das konfligierende Interesse objektiv geeignet war, den konkreten Entscheidungsträger in seinem Entscheidungsfindungsprozess zu beeinflussen.385 Entsprechendes gilt mit gesteigerten Anforderungen an diesen Nachweis auf der dritten Stufe, also bei Interesseneinflüssen auf den Entscheidungsträger, welche aus seinen persönlichen Interessen entspringen, jedoch nicht daraus, dass er selbst oder eine ihm nahestehende oder ihn beherrschende Person Partei des Geschäfts ist. Die höchsten Anforderungen an eine tatsächliche Eignung zur Beeinflussung des Entscheidungsfindungsprozesses sind auf der vierten Stufe der Interesseneinflüsse zu stellen. Hier hat lediglich eine dem Geschäftsführer nahestehende oder ihn beherrschende Person ein Interesse an dem Geschäft, ohne selbst Vertragspartei zu sein. Diese Unterteilung lässt sich am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen. Angenommen der Geschäftsführer einer GmbH möchte mit einem als AG organisierten Fußballclub einen Sponsoring-Vertrag abschließen. Ist der Geschäftsführer gleichzeitig Vorstand der AG, kann er sich in keinem Fall auf die BJR berufen, soweit er alleine auf beiden Seiten des Geschäfts die Vertretung der Gesellschaften übernimmt, also eine Konfliktsituation auf erster Stufe vorliegt.386 Hält der Geschäftsführer lediglich beträchtliche Anteile an der AG, liegt eine Konfliktsituation der zweiten Stufe vor.387 Bei einem Anteilsbesitz von über 25 % liegt ein qualifiziertes Näheverhältnis vor, da ein offensichtliches finanzielles Eigeninteresse gegeben ist. Den vermuteten Interessenkonflikt kann der Geschäftsführer dann wiederlegen, wenn die Interessenverbindung zu dem kontrahierenden Unternehmen, hier dem Fußballclubs, nicht geeignet war, die Entscheidung zu beeinflussen. Dies wird im vorliegenden Fall kaum möglich sein, zumal sich das Sponsoring positiv auf die vom Geschäftsführer gehaltenen Gesellschaftsanteile der AG auswirken könnte. Ist der Geschäftsführer hingegen nur großer Fan des betreffenden Fußballclubs, kann al384 Siehe auch Schneider, der stets von einem Interessenkonflikt bei Geschäften mit nächsten Verwandten, dem Ehepartner oder dem Lebensgefährten ausgeht: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57. 385 So auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 114: Interesseneinfluss muss den Geschäftsführer bei der loyalen Artikulation des Gesellschaftsinteresses behindern können. 386 So auch die Konstellation bei KG NZG 2001, 129, 129: Der handelnde Geschäftsführer trat gleichzeitig als Prokurist für die andere Vertragspartei auf. Hier löste der Geschäftsführer den Interessenkonflikt jedoch zudem zulasten der Gesellschaft auf und verstieß so schon gegen seine Treuepflichten; ebenfalls vergleichbar ist der Fall des OLG Naumburg, GmbHR 2014, 985, 987: Hier schloss der Geschäftsführer einen Beratungsvertrag mit einer Gesellschaft, deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer er selbst war und unterlag damit klar einem Interessenkonflikt. 387 Ein Interessenkonflikt der zweiten Stufe liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer zugleich Geschäftsführer der anderen am Vertrag beteiligten Gesellschaft ist, siehe OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 zur treuwidrigen Zahlung auf eine nicht fällige Forderung.

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lenfalls eine Konfliktsituation auf dritter Stufe vorliegen.388 Hier wäre eine besondere emotionale Bindung nötig, um die BJR auszuschließen und damit eine inhaltliche Überprüfung im Rahmen eines Drittvergleichs zu rechtfertigen. Auf vierter Stufe wäre schließlich die Ehefrau des Geschäftsführers einzuordnen, die Anteile an der Fußballclub-AG hält. Soweit der Geschäftsführer ein Näheverhältnis zu seiner Ehefrau nicht widerlegen kann und der Ehefrau durch den Sponsoringvertrag erhebliche Vorteile zukommen, darf angenommen werden, dass eine dem Geschäftsführer nahestehende Person ein besonderes Interesse an dem Geschäft hat. Da in diesem Fall die Möglichkeit der Entscheidungsbeeinflussung sogar äußerst nahe liegt, besteht kein Schutz durch die BJR. Insgesamt sind die zum Aktienrecht dargestellten Grundsätze zur Einordnung eines Nähe- beziehungsweise Beherrschungsverhältnisses sowie das Bewertungsmuster für die Interessenkonfliktintensität also vollumfänglich auf die GmbH übertragbar.389 III. Rechtsfolgen eines Interessenkonflikts in der GmbH Bezüglich der Rechtsfolgen eines Interessenkonflikts in der GmbH kann wiederum maßgeblich auf die zum Aktienrecht dargestellten Grundsätze zurückgegriffen werden.390 Liegt ein Interessenkonflikt vor, findet die BJR keine Anwendung.391 Auch eine Offenlegung des Konflikts kann diese Rechtsfolge nicht abwenden.392 Eine Offenlegung kann jedoch bei Gremienentscheidungen relevant 388 Einen Einfluss sozialer Erwartungen für einen Interessenkonflikt ausreichen lassend: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71b; mit einem sehr weiten Verständnis zur Einbeziehung persönlicher Interessen (auch Respektpersonen): Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 113; demgegenüber kann eine persönliche Neigung jedoch nur in Ausnahmefällen einen Interessenkonflikt begründen. Ein solcher Ausnahmefall liegt gerade bei Spenden und Sponsoring vor. Hier wird bei einem Einfluss von persönlichen Präferenzen ein unternehmerisches Ermessen überwiegend abgelehnt, siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 78; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 107; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 72; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 78c. 389 Siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86, der ebenfalls das aus dem USamerikanischen Recht entlehnte Bewertungsmuster auf die GmbH anwendet. 390 Siehe oben: § 4 B. III. 2. 391 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86; ders., WM 2003, 1045, 1052; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22d; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 57; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 112 f. (mit sehr weitem Verständnis eines Interessenkonflikts); Hauschka, GmbHR 2007, 11, 14 f.; mit rechtsvergleichender Begründung Kern, ZVglRWiss 2013, 70, 85 ff.; a.A. Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff., der erst bei einer Verletzung der Treuepflicht die Grenze der Anwendbarkeit der BJR bei Interessenkonflikten erreicht sieht. 392 Die Regierungsbegründung (Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11) deutet zwar eine Anwendbarkeit der BJR bei offengelegten Interessenkonflikten an, dies wird jedoch heute weit überwiegend abgelehnt, siehe Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257; Gehb/

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werden, auf welche im Folgenden näher einzugehen sein wird. Weiterhin wird der Einfluss von Weisung und Billigung durch die Gesellschafter darzustellen sein und in dem Zusammenhang die Möglichkeit der allgemeinen Befreiung von der Interessenbindung der Geschäftsführer durch die Gesellschafter. Schließlich stellt sich auch für die GmbH die Frage der Anwendbarkeit eines unternehmerischen Ermessens eigener Art trotz eines Interessenkonflikts. 1. Gremienentscheidungen Das Meinungsbild zu den Auswirkungen von Interessenkonflikten in mehrgliedrig besetzten Entscheidungsgremien gestaltet sich in der GmbH ähnlich verworren wie in der AG.393 Wenngleich die Diskussion zur AG intensiver betrieben wird, stimmen die vertretenen Meinungen inhaltlich im Wesentlichen überein. Es sind auch keine gesellschaftsformspezifischen Unterschiede ersichtlich, die eine abweichende Behandlung von AG und GmbH rechtfertigen würden. So wird auch für die GmbH teilweise auf jedes Mitglied separat in einer Einzelbetrachtung abgestellt, sodass jedes Organmitglied, das selbst keinem Interessenkonflikt unterliegt, trotz der Befangenheit anderer Mitglieder die BJR für sich in Anspruch nehmen können soll.394 Teilweise wird auf die Mehrheit der Organmitglieder abgestellt, die interessenkonfliktfrei sein muss, wobei die befangenen Mitglieder ihren Konflikt offengelegt haben müssen.395 Weiterhin wird eine Infizierung der übrigen Organmitglieder vertreten, sobald auch nur einzelne Mitglieder einem Interessenkonflikt unterliegen.396 Und schließlich wird allein darauf abgestellt, ob das Organmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse zu handeln.397 Für alle vertretenen Meinungen können sich wiederum Unterschiede ergeben, je nachdem, ob der Interessenkonflikt offengelegt worden ist oder nicht.398 Zur Darstellung eines eigenen Ansatzes lässt sich zunächst festhalten, dass Einigkeit darüber besteht, dass eine Entscheidung nur dann unter die BJR fallen kann, Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Ihrig/Schäfer, S. 506; Winnen, S. 256; Schlimm, S. 314; für eine Fortgeltung der BJR bei Offenlegung, soweit die Entscheidung mit ausreichender Mehrheit von unbefangenen Vorstandsmitgliedern oder Aufsichtsratsmitgliedern getragen wird: Paefgen, AG 2004, 245, 261; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 94. 393 Siehe zum Meinungsstand in der AG oben: § 4 B. III. 3. b). 394 So Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 38. 395 So Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 115. 396 So Lutter, FS Canaris, S. 245, 248 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; dagegen Schäfer, ZGR 2014, 731, 746. 397 So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86a f., der bei einer Offenlegung des Konflikts eine besondere Überprüfung der Argumente der befangenen Organmitglieder durch die nicht befangenen Organmitglieder verlangt. Bei fehlender Offenlegung sind die allgemeinen Voraussetzungen der BJR zu erfüllen. 398 Siehe zum Meinungsstand auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86a f.

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wenn zumindest die die Entscheidung tragende Mehrheit keinem Interessenkonflikt unterliegt.399 Ebenso einheitlich wird vertreten, dass die übrigen Gremienmitglieder sich jedenfalls dann auf die BJR berufen können, wenn das befangene Mitglied seinen Interessenkonflikt offengelegt hat und der Beratung und Beschlussfassung ferngeblieben ist.400 Hat das befangene Organmitglied allerdings an Beratung und Beschlussfassung teilgenommen, variieren die Ansichten danach, ob die jeweilige Literaturstimme den übrigen Organmitglieder hinreichende Willensstärke zutraut, um unabhängig von dem befangenen Organmitglied eine eigenständige Entscheidung zu treffen oder nicht.401 Ob eine solche Infizierung der unbefangenen Organmitglieder tatsächlich naheliegt, lässt sich abstrakt für alle Erscheinungsformen von Gremienentscheidungen kaum beurteilen, da Zusammensetzung des Gremiums und Einfluss einzelner Mitglieder stark variieren können. Die abstrakte Überlegung, ob ein Organmitglied willensstark genug sein sollte, unbeeinflusst seine Entscheidung treffen zu können, ist daher müßig. Weiterhin ist es wenig hilfreich darauf abzustellen, ob das befangene Organmitglied seinen Interessenkonflikt offengelegt hat oder nicht. Denn es kann sowohl ein verschwiegener Interessenkonflikt durch unbemerkte Einflussnahme, als auch ein offengelegter Interessenkonflikt durch beherrschende Beeinflussung eine besondere Infizierungsqualität entfalten.402 Zudem besteht das Interesse der unbefangenen Geschäftsführer am Schutz ihres Ermessensfreiraumes auch dann, wenn das befangene Organmitglied seinen Interessenkonflikt offenlegt, aber dennoch auf die Teilnahme an Beratung und Abstimmung besteht.403 Richtigerweise ist die Anwendbarkeit der BJR nach einer Abwägung der maßgeblichen Interessen zu beurteilen: Dem Interesse der Gesellschaft an einer unbeeinflussten Entscheidung und dem Interesse der unbefangenen Geschäftsführer an der Gewährleistung ihres Ermessensschutzes.404 Dabei kommt es wiederum nicht darauf an, ob der Interessenkonflikt offengelegt worden ist oder nicht. Für die Ab399 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 115; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 71c; Schlimm, S. 322; Scholl, S. 289. 400 Siehe Lutter, FS Canaris, S. 245, 250; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 78c; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86a; Winnen, S. 274 f. 401 Den unbefangenen Organmitgliedern diese Willenskraft zusprechend und damit für eine Anwendung der BJR: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 115; Blasche, AG 2010, 692, 698; Scholl, S. 289; Schlimm, S. 322 f.; eine solche Fähigkeit zur eigenständigen Entscheidung hingegen verneinend: Lutter, FS Canaris, S. 245, 248 f. 402 So auch Schlimm, S. 322 f., die allerdings damit argumentiert, dass jedes Organmitglied ohnehin ausreichend Charakterstärke habe, um eigenständig zu entscheiden. Siehe zur Wirkung verdeckter und offener Interessenkonflikte: Blasche, AG 2010, 692, 697 f.; Lutter, FS Canaris, S. 245, 248 f.; Koch, FS Säcker, S. 403, 414. 403 Ein solches Verhalten ist motiviert durch die unklare Rechtslage nicht unwahrscheinlich. Mangels Stimm- oder Beteiligungsverbot können die übrigen Geschäftsführer das befangene Organmitglied auch nicht ausschließen, siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86a; siehe auch Winnen, S. 276. 404 Für ersteres Lutter, FS Canaris, S. 245, 249; für letzteres Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86b.

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wägung zu berücksichtigen ist jedoch, dass die unbefangenen Organmitglieder sich weder bei offengelegten noch bei verdeckten Interessenkonflikten ihrer Kollegen deren Mitwirkung an der Entscheidung entziehen können und damit ein besonderes Schutzbedürfnis besteht. Weiterhin ist zu beachten, dass bei einem tatsächlichen Einfluss des befangenen Mitglieds auf ein zunächst unbefangenes Mitglied, ob aufgrund eines Beherrschungsverhältnisses, aufgrund eines Näheverhältnisses oder aufgrund sonstiger Interesseneinflüsse, das zunächst unbefangene Mitglied schon durch diesen Interesseneinfluss selbst einem Interessenkonflikt unterliegt.405 Damit ist ein Mindestschutz des Unternehmensinteresses bereits gesichert. Schließlich spricht für einen Bestand der BJR deren individuelle Ausrichtung auf das einzelne Organmitglied.406 Dagegen lässt sich anführen, dass die Haftung aus § 43 II GmbHG auch den Schutz der Gesellschaft bezweckt. Dementsprechend müssen die Interessen der Gesellschaft bei der Anwendung der BJR Berücksichtigung finden, da sich die BJR in das Haftungssystem des § 43 GmbHG einfügen muss.407 So muss auch bei Berücksichtigung der Interessen der unbefangenen Organmitglieder stets eine hinreichende Gewähr für einen formal optimalen Entscheidungsfindungsprozess gegeben sein. Dieses Erfordernis der Richtigkeitsgewähr zugunsten der Gesellschaft verlangt jedoch nicht, dass schon die Möglichkeit eines Interessenkonflikts der Anwendung der BJR entgegensteht. So wurde zur AG bereits ausgeführt, dass allein ein potentieller Interessenkonflikt nicht ausreichend ist, sondern vielmehr eine tatsächliche Interessenüberschneidung von hinreichender Relevanz vorliegen muss.408 Daraus folgt, dass allein das Vorliegen eines Interessenkonflikts bei einem Organmitglied nicht zwingend zu einem Ausschluss der BJR für die übrigen Organmitglieder führt. Den Interessen der Gesellschaft und jenen der unbefangenen Organmitglieder lässt sich insgesamt durch eine konsequente Anwendung des Bewertungssystems für Interessenkonflikte hinreichend Rechnung tragen. Die Organmitglieder verbindet bereits aufgrund ihrer gemeinsamen Organzugehörigkeit ein besonderes Näheverhältnisses, weshalb ihr gegenseitiger Interesseneinfluss auf der zweiten Stufe des Bewertungssystems einzuordnen ist.409 Damit liegt nicht zwingend ein Interessenkonflikt vor, das subjektiv unbefangene Organmitglied muss jedoch beweisen, dass es selbst, trotz des Interessenkonflikts des Kollegen, vernünftigerweise annehmen durfte, interessenkonfliktfrei zu entscheiden.410 Dieser Nachweis kann beispielsweise gelingen, wenn das unbefangene Mitglied gerade entgegengesetzte Interessen 405

So auch Winnen, S. 276. So der Gesetzeswortlaut des § 93 I 1 AktG („die Vorstandsmitglieder“) und des § 93 I 2 AktG („das Vorstandsmitglied“), siehe auch Koch, FS Säcker, S. 403, 407 f.; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86b. 407 So Lutter, FS Canaris, S. 245, 249. 408 Siehe oben § 4 B. III. 1. e). 409 Siehe zur Einordnung im Bewertungssystem für Interesseneinflüsse oben: § 10 C. II. 410 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 86b. 406

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vertreten hat, weil das befangene und das unbefangene Organmitglied von unterschiedlichen, untereinander verfeindeten Gesellschaftern eingesetzt worden sind. Der Nachweis muss hingegen für alle Organmitglieder scheitern, wenn das befangene Organmitglied bei der Beschlussvorbereitung eine tragende Rolle eingenommen hat.411 Abschließend bleibt dieselbe dringende Empfehlung, die schon in den aktienrechtlichen Ausführungen ausgesprochen worden ist. Befangene Organmitglieder sollten im eigenen Interesse stets ihren Interessenkonflikt aufdecken, sich von Beratung und Beschlussfassung fernhalten und dies bestenfalls auch dokumentieren. Andererseits sollten die übrigen Organmitglieder nachdrücklich auf ein solches Verhalten hinwirken. In der GmbH stellt sich als praktikable Alternative das Einholen einer Weisung oder die Billigung der Maßnahme durch die Gesellschafterversammlung dar. 2. Legitimierung von Fremdinteressen durch die Gesellschafter Ein naheliegender und empfehlenswerter Weg, um den Haftungsgefahren im Zusammenhang mit Interessenkonflikten zu begegnen, ist die Offenlegung des Interessenkonflikts gegenüber den Gesellschaftern und das Einholen einer Weisung oder Billigung für das interessenkonfliktbelastete Geschäft. Wurde eine Weisung oder Billigung zu einem konkreten Geschäft erteilt, scheidet eine Haftung des Geschäftsführers aus, soweit nicht mitgliedschaftliche Treuepflichten oder gläubigerschützende Vorschriften der Haftungsbefreiung entgegenstehen.412 Insofern haben die Gesellschafter freie Hand, um interessenkonfliktbehaftete oder sogar interessenwidrige Geschäfte anzuweisen oder zu billigen. Als verstecktes Haftungsrisiko hat der Geschäftsführer allerdings zu beachten, dass die Anweisung zu unternehmensinteressenwidrigem Verhalten durch die Gesellschaftermehrheit der Gesellschafterminderheit gegenüber treuwidrig sein kann und der Beschluss dann jedenfalls anfechtbar ist.413 Weisung und Billigung lassen unter den genannten Voraussetzungen die Haftung des Geschäftsführers entfallen, womit es auf die Anwendbarkeit der BJR nicht mehr ankommt. Für Interessenkonflikte im Sinne des hier behandelten Tatbestandsmerkmals könnten Willensäußerungen der Gesellschafter dennoch relevant werden, wenn sie zwar keine haftungsbefreiende Weisung oder Billigung enthalten, jedoch 411

So auch Scholl, S. 288. Siehe Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 115; siehe auch ausführlich oben: § 6 C. II. 2. 413 So bei der Befreiung vom Wettbewerbsverbot, wenn diese das Unternehmen in die Abhängigkeit führen würde und hierfür kein sachlicher Grund besteht, siehe BGH NJW 1981, 1512, 1514, siehe dazu auch Timm, GmbHR 1981, 177, 177 ff.; siehe zu dem Erfordernis einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bei einer Maßnahme entgegen den Interessen der Minderheit: Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 125; siehe zu den mitgliedschaftlichen Treuepflichten ausführlich oben: § 10 A. III. 2. c) cc) (2) (b); siehe zur Anfechtbarkeit von Weisungen oben: § 10 A. II. 1. b) bb). 412

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den Interessenkonflikt anerkennen und die Entscheidung trotz des bekannten Interessenwiderstreits dem Ermessen des Geschäftsführers überlassen.414 Eine solche Legitimierung von Fremdinteressen mit der Wirkung, dass die BJR anwendbar bleibt, könnte einerseits in der ausdrücklichen, allgemeinen Freistellung von Interessenkonflikten in einem bestimmbaren Bereich liegen, wie eine Befreiung vom Wettbewerbsverbot oder von der Geschäftschancenbindung, und andererseits in einer (konkludenten) Freistellung von Interessenkonflikten für konkrete Entscheidungen, beispielsweise durch die widerspruchsfreie Kenntnisnahme von offengelegten Interessenkonflikten oder durch die Weigerung eine Weisung zu erteilen, verbunden mit der Aufforderung eine Entscheidung im eigenen Ermessen zu treffen. a) Allgemeine Befreiung von der Interessenbindung Zunächst ist die Möglichkeit, für eine unternehmerische Entscheidung die Berücksichtigung unternehmensfremder Interessen bereits auf abstrakter Ebene zu gestatten, zu untersuchen. Bei einer entsprechenden Ermessensfreistellung trotz eines Interessenkonflikts geht es im Kern darum, ob und in welchem Umfang die Gesellschafter im Voraus die organschaftliche Treuepflicht abbedingen können. Zudem ist die Disposition über die Voraussetzungen der BJR und damit über die Sorgfaltsanforderungen erforderlich. Auf letztere, in diesem Zusammenhang nachrangige Voraussetzung ist an späterer Stelle einzugehen.415 Die Frage der Abdingbarkeit der Treuepflichten ist in dieser allgemeinen Form umstritten.416 Für einzelne Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht, insbesondere für das Wettbewerbsverbot und die Geschäftschancenlehre, ist jedoch überwiegend anerkannt, dass eine Einschränkung der Treuebindung möglich ist.417 Es kann daher auf die im Bereich der Treuepflichten gewonnenen Erkenntnisse zur Befreiung vom Wettbewerbsverbot und von der Geschäftschancenbindung zurückgegriffen werden.418 In diesen Bereichen können die Geschäftsführer von ihrer Pflicht, ihre Arbeitskraft allein für das Unternehmen einzusetzen und ihre unternehmerische Betätigung allein in den Dienst des Unternehmens zu stellen, befreit werden. Dies gilt sowohl für einzelne Geschäfte (Dispens) als auch abstrakt im Sinne

414 So allgemein zur Rechtsfolge einer Enthaltung der Gesellschafter zu einer ihnen vorgelegten Entscheidung: Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 115. 415 Siehe dazu ausführlich unten: § 10 D. II. 416 Gegen eine pauschale Abdingbarkeit: Winter, S. 216 f.; Bachmann/Eidenmüller/Egert/ Fleischer/Schön, S. 45 f.; Kumpan, S. 134 f.; für eine pauschale Abdingbarkeit bei hinreichendem Ausgleich, allerdings mit Hinweis auf verbleibenden Mindestschutz aus §§ 138, 242 BGB, Kompetenzordnung und Anstellungsvertrag: Hellgardt, FS Hopt, S. 765, 784 ff.; siehe zum Streitstand: Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 109; Verse, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 14 Rn. 115. 417 Siehe Kumpan, S. 135 f. 418 Siehe bereits oben: § 6 A. III. 1. a) bb) und cc).

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einer allgemeinen Befreiung in einem bestimmbaren Rahmen.419 Soweit eine allgemeine Befreiung vom Wettbewerbsverbot wirksam erteilt worden ist, verhält sich der Geschäftsführer nicht pflichtwidrig, wenn er im Geschäftsbereich des Unternehmens selbständig im eigenen Interesse tätig wird. In einem zweiten Schritt sind nun die Implikationen solcher Freistellungen für die allgemeine Pflicht zur ausschließlichen Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen herauszuarbeiten. Eine Freistellung vom Wettbewerbsverbot und von der Geschäftschancenbindung wäre für den Geschäftsführer wenig zielführend, wenn er weiterhin vorrangig die Interessen der Gesellschaft wahrnehmen müsste. So muss er in einer konkreten Konkurrenzsituation dem eigenen privat betriebenen Unternehmen den Vorrang einräumen können und Geschäftschancen, die beiden Unternehmen offenstehen, dem eigenen Unternehmen zusprechen können.420 Er darf also nicht nur in bestimmten Situationen eigene Interessen verfolgen, sondern auch die Interessen des fiduziarisch geführten Unternehmens zurückstellen. Eine allgemeine Befreiung von der Interessenbindung über solche konkreten Wettbewerbskonstellationen hinaus ist hierin jedoch nicht zu sehen. So darf der Geschäftsführer in einer Konkurrenzsituation zwar die eigenen Interessen vorrangig verfolgen und fördern, die Interessen des fiduziarisch geführten Unternehmens jedoch niemals aktiv schädigen. Dies zeigt sich auch in der oben dargestellten Differenzierung zwischen der Befreiung vom Wettbewerbsverbot beziehungsweise der Geschäftschancenbindung und der allgemeinen Befreiung von der Treuepflicht. Keine Frage von Geschäftschancen oder Wettbewerb ist es, wenn der Geschäftsführer unmittelbar mit dem eigenen Unternehmen kontrahiert. So legitimiert die Erlaubnis, ein Konkurrenzunternehmen zu betreiben, keine Geschäfte zwischen dem privaten und dem fiduziarisch geführten Unternehmen, die einem Drittvergleich nicht standhalten und zulasten des fiduziarisch geführten Unternehmens gehen.421 Es ergibt sich insgesamt, dass eine Befreiung von der Pflicht zur ausschließlichen Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen in beschränktem Rahmen zulässig ist. Darüber hinaus hat der Geschäftsführer jedoch weiterhin ausschließlich das Unternehmensinteresse zu fördern. Es besteht somit die Möglichkeit, ein Geschäft nicht seinem Inhalt nach zu billigen, jedoch den Vorwurf eines Interessenkonflikts im Voraus auszuschließen. Die 419 Siehe zur Befreiung von der Geschäftschancenbindung: Kumpan, S. 505 f.; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 210; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 188; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 125; zur Befreiung vom Wettbewerbsverbot: Durch Satzungsregelung oder einstimmigen Gesellschafterbeschluss: Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 210; Gesellschafterbeschluss für Dispens, Satzungsänderung für generelle Freistellung: Jaeger, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 360; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 43; stets satzungsändernder Beschluss: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 103; formlose Zustimmung aller Gesellschafter oder Mehrheitsbeschluss: Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 31. 420 So auch die Entscheidung des OLG Köln vom 21. 04. 2009, BeckRS 2009, 25575 (II. 4.). 421 Siehe auch Hellgardt, FS Hopt, S. 765, 787, der für ein Geschäft abseits der marktüblichen Konditionen ebenfalls eine Befreiung von der Treuepflicht insgesamt für nötig hält.

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Bewertung des Inhalts verbleibt damit beim Geschäftsführer. In einer wirksamen Befreiung von der Bindung an das Unternehmensinteresse ist daher in dem Rahmen, welchen die Interessenfreistellung vorgibt, auch die Ermächtigung an den Geschäftsführer zu sehen, trotz eines konfligierenden Eigeninteresses unternehmerische Entscheidungen nach eigenem Ermessen zu treffen. Auf den Aspekt der Richtigkeitsgewähr, welchem durch das Verbot von Fremdinteresseneinflüssen Rechnung getragen werden soll, wird von den Gesellschaftern durch die Interessenfreistellung gerade verzichtet. So kann sich der Geschäftsführer, der von Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenbindung freigestellt ist, auch dann auf die BJR berufen, wenn er eine Geschäftschance nicht wahrnimmt, die potentiell auch für sein privates Unternehmen attraktiv ist. Ebenso unterliegt die Entscheidung dieses Geschäftsführers nicht deshalb der vollen gerichtlichen Kontrolle, weil die unternehmerische Tätigkeit Auswirkungen auf das privat betriebene Unternehmen hat, welches am gleichen Markt tätig ist. Eine solche gerichtliche Inhaltskontrolle würde der Intention, die der Interessenfreistellung zugrunde liegt, zuwider laufen. Die Beschränkungen unternehmerischer Tätigkeit, die das Gesetz für interessenkonfliktbelastete Geschäfte vorsieht, sollen gerade aufgehoben werden und so ein möglichst effektives Wirtschaften für den Geschäftsführer in beiden Unternehmen ermöglicht werden.422 Nach anscheinend abweichender Ansicht, die allerdings ohne inhaltliche Begründung aufgestellt wird, soll die BJR generell ausscheiden, wenn der Geschäftsführer unternehmerische Aktivitäten außerhalb der GmbH verfolgt.423 Diese Formulierung kann in solcher Allgemeinheit nicht überzeugen. Zunächst besteht kein Grund, die Integrität der Ermessensausübung anzuzweifeln, wenn der Geschäftsführer einer unternehmerischen Aktivität ohne jegliche Berührungspunkte zum Geschäftsfeld der GmbH oder zu seiner fiduziarischen Tätigkeit nachgeht. Auf der anderen Seite liegt ohnehin regelmäßig ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vor, wenn eine private unternehmerische Aktivität des Geschäftsführers in das Geschäftsfeld der GmbH fällt. Die Anwendung der BJR scheidet dann schon wegen des Treuepflichtverstoßes aus. Schließlich unterliegen Geschäfte, an denen der Geschäftsführer ein relevantes Eigeninteresse hat, ohnehin der Kontrolle auf treuepflichtgerechtes Verhalten und damit der Inhaltskontrolle im Sinne eines Drittvergleichs.424 Insgesamt hat somit die Aussage, unternehmensfremde unternehmerische Aktivitäten schlössen die Anwendung der BJR aus, keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt. Vielmehr kann die Aussage nach hier vertretender Ansicht sogar falsch sein. Im Falle einer entsprechenden Freistellung durch die Gesellschafter besteht, wie oben dargestellt, selbst in Wettbewerbssituationen das unternehmerische Ermessen fort. Eine gerichtliche Kontrolle dahingehend, ob die Entscheidung des 422

Siehe zur ökonomischen Vorteilhaftigkeit der Freistellung von Interessenbindungen: Kumpan, S. 375; Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/Schön, S. 103 f. 423 So Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 76; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 25; Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch, Hdb. GmbH, § 22 Rn. 53. 424 Siehe zur Rechtsfolge von Interessenkonflikten oben: § 4 B. III. 2.

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Geschäftsführers dem Vergleich zur Entscheidung eines unbefangenen Dritten in der konkreten Entscheidungssituation standhielte,425 wäre zweckwidrig. Schließlich haben die Gesellschafter bewusst eine befangene Person zu ihrem Geschäftsführer berufen und die Freistellung vom Wettbewerbsverbot würde durch einen Drittvergleich mit einem unbefangenen Entscheidungsträger ihren Sinngehalt verlieren. Auch außerhalb von Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre ist eine eingeschränkte Freistellung von der Interessenbindung denkbar. So kann es im Sinne der Gesellschafter sein, Geschäfte mit bestimmten Personen dem freien Ermessen der Geschäftsführer zu unterstellen, obwohl diese dem Geschäftsführer nahestehen oder einen beherrschenden Einfluss auf diesen haben.426 Der Schutz der Gesellschafter ist allerdings durch eine restriktive Handhabung der Befreiungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Aufgrund der weitreichenden Einwirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers und der unüberschaubaren Weite möglicher interessenwidriger Handlungen kann eine Befreiung von der Interessenbindung nur in beschränktem Rahmen stattfinden.427 Eine vielversprechende Lösung bietet hier der Ansatz, dass eine Befreiung von der Interessenbindung nur insoweit vorgenommen werden kann, als für die eröffnete Lücke in der Treuebindung eine Ersatzregelung der gewünschten Bindungsintensität geschaffen wird.428 So können insbesondere interessenkonfliktbelastete Geschäfte in das freie Ermessen des Geschäftsführers gestellt werden, soweit diese Freistellung in einem hinreichend bestimmbaren Rahmen erfolgt, beispielsweise für einen bestimmten Kreis von Geschäftspartnern, und die Grenzen des Ermessens klar definiert sind, so bei der BJR durch die im Übrigen unveränderte Treuebindung. Dies ist ein stimmiges Ergebnis im Rahmen der beschränkten Disponibilität der Treuepflichten und der weitreichenden Dispositionsbefugnis der Gesellschafter bei der Ausgestaltung der Innenrechtsverhältnisse.429 Die erweiterte Inhaltskontrolle von interessenkonfliktbelasteten Geschäften dient dem Schutz der Gesellschafter und muss daher auch von diesen abbedungen werden können.

425 Siehe zu einem solchen Drittvergleich bei Eigeninteressen des Geschäftsführers: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 174. 426 So auch Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/Schön, S. 103 f., mit Hinweis auf Sec. 103(b)(3)(i) Uniform Partnership Act 1997 („the partnership agreement may identify specific types or categories of activities that do not violate the duty of loyalty, if not manifestly unreasonable“). 427 Hier sei eine mögliche „Funktionsstörung der Privatautonomie“ auszugleichen, also die Gefahr, einer zu weit gehenden Vorausfreistellung: Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/ Schön, S. 45 f., 103 f.; Fleischer/Harzmeier, NZG 2015, 1289, 1297; Kumpan, S. 375. 428 So Bachmann/Eidenmüller/Egert/Fleischer/Schön, S. 45 f., 103 f.; siehe zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht auch Winter, S. 217, der eine genaue Angabe von Art und Ausmaß des antizipierten Einverständnisses verlangt. 429 Siehe zur Disponibilität der Treuepflichten im Wege einer konkretisierenden Einschränkung durch den Gesellschaftsvertrag auch BGH NZG 2015, 995, 997.

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b) Legitimierung des Interessenkonflikts in der konkreten Entscheidungssituation Nach dem oben Gesagten steht der Gewährung eines unternehmerischen Ermessensfreiraumes des Geschäftsführers durch die Gesellschafter in einer konkreten Entscheidungssituation trotz eines Interessenkonflikts nichts entgegen. Soweit der Geschäftsführer einen Interessenkonflikt offenlegt und die Gesellschafter die Entscheidung dennoch ausdrücklich in sein freies Ermessen legen, kann er sich bei der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle der Entscheidung auf den unternehmerischen Ermessensfreiraum der BJR berufen. Eine entsprechend spezielle, ausdrückliche Formulierung wird allerdings die Ausnahme darstellen. Insofern stellt sich die Frage, ob für den Einzelfall auch konkludent eine Freistellung von den Beschränkungen interessenkonfliktbelasteter Geschäfte erteilt werden kann. Zunächst könnte eine solche in der widerspruchsfreien Entgegennahme der Offenlegung des Interessenkonflikts liegen. Dafür könnte sprechen, dass auch eine Befreiung vom Wettbewerbsverbot bereits angenommen wird, wenn die Gesellschafter bei Einstellung des Geschäftsführers nur Kenntnis von dessen bereits ausgeübten konkurrierenden Tätigkeit hatten.430 Eine so weitgehende Wirkung der Offenlegung würde jedoch dem besonderen Schutzbedürfnis der Gesellschafter bei interessenkonfliktbehafteten Geschäften nicht gerecht. Zudem ist auch für die Befreiung vom Wettbewerbsverbot und von der Geschäftschancenbindung anerkannt, dass diese nur durch eine ausdrückliche Erklärung gewährt werden können, allein die Kenntnisnahme hingegen nicht ausreicht.431 Insgesamt ist daher allein in der widerspruchsfreien Kenntnisnahme der Offenlegung eines Interessenkonflikts nicht die Zustimmung zu einer Entscheidung im freien Ermessen des Geschäftsführers zu sehen. Dies entspricht der absolut überwiegenden Meinung, die die Offenlegung als solche nicht zur Bewältigung eines Interessenkonflikts ausreichen lässt.432 Eine weitere in der Praxis naheliegende Vorgehensweise ist die Vorlage der Entscheidung zur Billigung der Gesellschafterversammlung unter Offenlegung des Interessenkonflikts. Soweit die vollumfänglich über den Interessenkonflikt informierten Gesellschafter nicht bereit sind, den Geschäftsführer aus der unternehmerischen Verantwortung zu entlassen, das Geschäft also nicht billigen, könnte die Rückübertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Geschäftsführer zumindest dessen unternehmerisches Ermessen wieder aufleben lassen.433 Dagegen spricht, 430

Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 195. Siehe BGH NJW 1989, 2687, 2688; BGH NZG 2013, 216, 218 (zur GbR); Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 188; ders.; NZG 2013, 361, 365 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 262. 432 Siehe Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257; Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Ihrig/Schäfer, S. 506; Winnen, S. 256; Schlimm, S. 314. 433 So allgemein zur Rechtsfolge einer Enthaltung der Gesellschafter zu einer ihnen vorgelegten Entscheidung: Schmidt, in: Scholz, § 46 Rn. 115. 431

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dass es an einer ausdrücklichen Zustimmung zu dem interessenkonfliktbelasteten Geschäft fehlt und auch nicht ausdrücklich ein Ermessensfreiraum zugesprochen wurde. Fraglich ist insofern, ob bereits in der Rückübertragung der Entscheidungskompetenz auf den Geschäftsführer eine konkludente Anweisung zur eigenständigen Entscheidung im eigenen Ermessen zu erblicken ist. Dafür könnte zunächst sprechen, dass es sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die Konsequenzen der Freistellung also beschränkt wären und damit von niedrigeren Anforderungen an eine Freistellung ausgegangen werden könnte. Deutlich gegen eine solche Freistellung spricht allerdings deren dennoch erhebliche Tragweite. So würde die Freistellung zu einer nur beschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung trotz eines bestehenden Interessenkonflikts auch eine Einschränkung der Überprüfbarkeit der Treuepflichten beinhalten. Eine entsprechende Freistellung hätte ansonsten wenig Wert, da über den im Rahmen der Treuepflichten stattfindenden Drittvergleich eine umfassende Inhaltskontrolle stattfinden würde.434 Eine derart weitgehende Freistellung, die sowohl die Überprüfung sorgfaltsgerechten als auch treuepflichtgerechten Handelns einschränkt, kann allein durch die Rückübertragung der Entscheidungskompetenz nicht herbeigeführt werden. Insgesamt kann sich der Geschäftsführer damit lediglich auf einen unternehmerischen Ermessensfreiraum trotz eines bestehenden Interessenkonflikts berufen, wenn die Gesellschafter in Kenntnis des Konflikts die Entscheidung ausdrücklich in sein freies Ermessen legen. c) Nachträgliche Legitimierung von Fremdinteressen Schließlich ist der Frage nachzugehen, ob ein unter einem Interesseneinfluss vorgenommenes Rechtsgeschäft nachträglich von diesem Makel der Befangenheit geheilt werden kann. Soweit die Gesellschafter mit der Entscheidung befasst werden, wäre eine Differenzierung zwischen Heilung des Interessenkonflikts und Genehmigung der Entscheidung insgesamt bloße Förmelei. Soweit die Gesellschafter die Entscheidung in Kenntnis aller relevanten Umstände genehmigen, entfällt die Haftung des Geschäftsführers.435 Denkbar ist jedoch zudem die Heilung eines entsprechenden Defizits im Entscheidungsfindungsprozess durch eine Entscheidung des gesamten Geschäftsführungsgremiums, soweit die Entscheidung zunächst nur von einem einzelnen Geschäftsführer getroffen worden ist.436 Einer solchen Überlagerung der Entscheidung des einzelnen Geschäftsführers durch eine Entscheidung des gesamten Geschäftsführungsgremiums steht zunächst nichts entgegen. Voraussetzung ist jedoch eine mehrgliedrige Geschäftsführung, eine Geschäftsordnung, die einen entsprechenden überstimmenden Beschluss erlaubt, und schließlich sind die 434 Siehe zu der äußerst eingeschränkten Möglichkeit, neben einem Drittvergleich ein eigenständiges Ermessen zu gewährleisten, bereits oben: § 4 B. III. 2. c). 435 Siehe ausführlich zur nachträglichen Haftungsfreistellung oben: § 6 C. II. 3. 436 So zur AG Schlimm, S. 316.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Voraussetzungen interessenkonfliktbelasteter Gremienentscheidungen zu achten. Speziell für die GmbH ist zu beachten, dass die Geschäftsführer auch zur Vorlage der Entscheidung verpflichtet sein können. 3. Unternehmerisches Ermessen eigener Art Soweit ein Interessenkonflikt vorliegt und die Entscheidung aus diesem Grund nicht von der BJR erfasst wird, stellt sich auch für die GmbH die Frage, ob eine volle gerichtliche Überprüfung sachgerecht ist, oder ob ein unternehmerisches Ermessen eigener Art verbleibt. Für die GmbH gilt in noch größerem Maße als für die AG, dass die Möglichkeit, auch interessenkonfliktbelastete Geschäfte vorzunehmen, wirtschaftlich vorteilhaft oder sogar essentiell notwendig sein kann. Gerade in kleinen Unternehmen, unter denen die Gesellschaftsform der GmbH stark repräsentiert ist,437 spielen besondere Beziehungen des Geschäftsführers zu potentiellen Geschäftspartnern und Geschäfte mit den Anteilseignern, die besonderen Interessengeflechten unterliegen können, eine wichtige Rolle.438 Deswegen ist es in der GmbH besonders wichtig, interessenkonfliktbelastete Geschäfte nicht unnötig zu unterdrücken und den Geschäftsführer nicht durch die Androhung umfassender gerichtlicher Kontrolle von profitablen Geschäften abzuhalten. Es gilt jedoch auch für die GmbH, dass interessenkonfliktbelastete Geschäfte einem umfassenden Drittvergleich zugänglich sein müssen, da schon die mögliche Interessenbeeinflussung einen optimalen Entscheidungsfindungsprozess beeinträchtigt und somit keine hinreichende formale Richtigkeitsgewähr verbleibt. Bezüglich der Ausgestaltung des verbleibenden eingeschränkten Ermessensfreiraumes kann auf die Ausführungen zur AG verwiesen werden.439 IV. Ergebnis zum Handeln ohne Interessenkonflikte Die Behandlung von Interessenkonflikten im Rahmen der BJR entspricht im Grundsatz jener in der AG. Das zur AG dargestellte System zur Einordnung von Interessenkonflikten ist auch auf die GmbH anwendbar und stellt eine hilfreiche Stütze bei der Behandlung von Eigengeschäften des Geschäftsführers und insbesondere auch bei der Bewältigung der Problematik von Interessenkonflikten in mehrgliedrig besetzten Geschäftsführungsorganen dar. So führt das besondere Näheverhältnis der Organmitglieder untereinander zu der Vermutung eines gegenseitigen Interesseneinflusses, welche jedoch durch den Geschäftsführer, der vernünftigerweise annehmen durfte im Interesse der Gesellschaft zu handeln, wiederlegt werden kann. Weiterhin ergibt sich eine GmbH-spezifische Besonderheit aus der Vorrangstellung der Gesellschafter im Kompetenzgefüge der GmbH. Hierbei hat 437

Siehe oben: § 6 A. III. 2. a) bb). Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 171; ders., WM 2003, 1045, 1052; Hopt/ Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 241; Wiedemann, Organverantwortung, S. 16 („für das Unternehmen unersetzbar“). 439 Siehe oben: § 4 B. III. 2. c). 438

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zunächst die daraus resultierende interessenmonistisch gestaltete Konzeption des Unternehmensinteresses kaum relevante Auswirkungen. Zwar sind die Interessen der übrigen Stakeholder nicht unmittelbar von dem Unternehmensinteresse umfasst, doch wird die Berücksichtigung ihrer Interessen regelmäßig vorrangig dem Unternehmensinteresse entsprechen und ist damit nicht als potentiell konfliktträchtig einzustufen. Relevante Auswirkungen hat die übergeordnete Entscheidungsbefugnis der Gesellschafter jedoch im Rahmen der Legitimierung von Fremdeinflüssen. Die Gesellschafter können die Sorgfalts- und Treuepflichtenbindung ihrer Geschäftsführer modifizieren und in diesem Rahmen auch einen Ermessensfreiraum trotz konfligierender unternehmensfremder Interessen gewähren. Der Geschäftsführer kann also freigestellt werden, bei der Interessenabwägung im Entscheidungsfindungsprozess auch unternehmensfremde Interessen mit einzubeziehen. Dadurch wird der Geschäftsführer allerdings nicht von der Verpflichtung befreit, auch das Unternehmensinteresse zu verfolgen. Die Berechtigung auch unternehmensfremde Interessen zu berücksichtigen enthält keine Freistellung zu unternehmensschädigendem Verhalten. Insofern sind die Voraussetzungen der BJR und damit insbesondere auch die Treuepflichtenbindung weiterhin zu berücksichtigen. Das eingangs erwähnte GmbH-Spezifikum des abgemilderten Prinzipal-Agenten-Konflikts findet hier insofern Ausdruck, als im Gegensatz zur AG überhaupt eine so weitreichende Möglichkeit zur Freistellung von der Bindung an das Unternehmensinteresse besteht.440 Vollständig aufgelöst wird der Prinzipal-Agenten-Konflikt für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer. Für diesen kommt ein Interessenkonflikt schon nicht in Frage, da er allein seine eigenen Interessen wahrnimmt.441 Abschließend verbleibt auch für den durch einen Interessenkonflikt beeinflussten Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen eigener Art, welches jedoch aufgrund der Notwendigkeit eines umfassenden Drittvergleichs nur sehr eingeschränkt ausfällt.

D. Angemessene Informationsgrundlage Die angemessene Vorbereitung der Entscheidung ist auch in der GmbH eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung eines weiten unternehmerischen Ermessensfreiraumes. Eine angemessene Informationsbasis stellt unabhängig von der Gesellschaftsform die Grundlage für die formale Richtigkeitsgewähr der Entscheidung dar.442 Unabhängig von der Gesellschaftsform sind ebenfalls die kon440 Siehe Hellgardt, FS Hopt, S. 765, 770, durch die Einschränkung der Treuepflicht wird dem Agenten insoweit das Recht zur eigenständigen Wahrnehmung und Bestimmung der Interessen des Prinzipals übertragen. 441 Siehe BGH NJW 1971, 1355, 1356 f.; BGH NJW 1993, 193, 194; BGH BB 1999, 1569, 1570; dies gilt jedenfalls so lange, wie dadurch die Gläubiger nicht gefährdet werden, also bis zur Grenze der existenzvernichtenden Handlungen, siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 43; siehe auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 78. 442 Siehe ausführlich zu den formalen Sorgfaltsanforderungen: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 125 ff.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

kreten Voraussetzungen und Bewertungsmaßstäbe für eine angemessene Information im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen. Dementsprechend lassen sich die Ausführungen im Rahmen des Aktienrechts zu dem Tatbestandsmerkmal übertragen.443 Insbesondere besteht gesellschaftsformübergreifend die Gefahr, dass über die Kontrolle der angemessenen Informationsbasis ein Einfallstor für eine vollständige inhaltliche Kontrolle der Entscheidung geschaffen wird.444 So wird auch für die GmbH absolut überwiegend vertreten, dass sich Art und Umfang der einzuholenden Information nach der Bedeutung der Entscheidung, insbesondere unter Berücksichtigung des Risikos, welches die Entscheidung birgt, nach dem zeitlichen Rahmen, der zur Informationsbeschaffung zur Verfügung steht, dem Verhältnis von Kosten und Nutzen der Informationsbeschaffung und der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Informationsbeschaffung richten muss.445 Andererseits wird vertreten, dass alle verfügbaren Informationen tatsächlicher und rechtlicher Art gesammelt werden müssten, doch auch die Vertreter dieser Ansicht stimmen weitestgehend darin überein, dass dies eine situationsabhängige Beurteilung erfordert.446 I. Kontrollmaßstab für die Entscheidungsgrundlage Umstritten ist jedoch, ob ein objektiver oder ein subjektiver Beurteilungsmaßstab der Bewertung des Entscheidungsfindungsprozesses zugrunde zu legen ist. Die Literatur steht überwiegend für eine gemischt objektiv-subjektive Beurteilungsperspektive ein. Dem Geschäftsführer soll also ein eigener Ermessensspielraum zustehen, dieser ist jedoch einer eingeschränkten objektiven Kontrolle zugänglich.447 Umstritten ist hier allerdings weiterhin, wie weit der Ermessensfreiraum gehen kann und wie dessen Grenzen zu definieren sind.448 Von der Gegenmeinung wird ein ei443

Siehe oben: § 4 B. IV. Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 129; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 85, der als Begriff für die vollständige Überprüfung der Informationsgrundlage aus dem US-amerikanischen Recht den Begriff des „full blown second guessing“ überträgt. 445 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 126; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 84; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 26; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 58; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22c; Haas/ Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 70a; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 39; siehe auch die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. 446 Siehe BGH NJW 2008, 3361 („in der konkreten Entscheidungssituation“); so auch schon Goette, FS BGH, S. 123, 140 f.; siehe auch Lutter, DZWIR 2011, 265, 267. 447 Siehe Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 39; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 26; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 58; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, § 43 Rn. 131. 448 Für ein eingeschränktes Ermessen: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 26 (es sei auf den „verantwortungsvoll handelnden Geschäftsführer in der konkreten Entscheidungssituation“ mit „gewissem Ermessensspielraum“ abzustellen); Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 58 (Sorgfaltspflicht als Maßstab, Informationsbeschaffung stellt eigenständige unternehmerische Entscheidung dar); für ein eigenständiges unternehmerisches Ermessen: 444

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genständiges Ermessen bezüglich der Informationsgrundlage abgelehnt und ein rein objektiver Maßstab angesetzt.449 Insoweit ergeben sich keine Neuheiten im Vergleich zum Aktienrecht. Deutliche Abweichungen in der Behandlung der beiden Gesellschaftsformen findet man jedoch in der Rechtsprechung des BGH. Noch ohne relevante Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des unternehmerischen Ermessens sprach der zweite Zivilsenat des BGH noch unter dem damaligen Vorsitzenden Volker Röhricht im Jahr 2002 zunächst auch dem GmbH-Geschäftsführer einen „grundsätzlich weiten unternehmerischen Ermessensspielraum“ zu und nahm dabei konkret auf die ARAG/Garmenbeck Entscheidung Bezug.450 In darauffolgenden Entscheidungen scheint jedoch eine gezielte Differenzierung zwischen AG und GmbH in der Formulierung der Voraussetzungen zur Entscheidungsvorbereitung vorgenommen zu werden. Ob eine solche tatsächlich beabsichtigt war und noch heute aufrechterhalten wird, soll in der folgenden Analyse der zwei bezüglich der angemessenen Informationsgrundlage relevanten Entscheidungen dargestellt werden. 1. BGH Beschluss vom 14. 07. 2008 In seinem ersten Beschluss nach der Einführung des § 93 I 2 AktG vom 14. 07. 2008, welcher sich allerdings mit einem im Jahre 1999 stattfindenden Sachverhalt befasste, konstituierte der zweite Zivilsenat des BGH, nun unter dem Vorsitz von Wulf Goette, Voraussetzungen für eine Haftungsprivilegierung des Geschäftsführers, die weder mit jenen in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung übereinstimmten noch mit dem Wortlaut des § 93 I 2 AktG vereinbar waren. Vielmehr hat der Geschäftsführer laut dem BGH „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen“.451 Nach diesem Beschluss wird der Zugang zu dem haftungsfreien sicheren Hafen der Business Judgment Rule für den GmbH-Geschäftsführer im Vergleich zu der bis dahin insbesondere im Aktienrecht entwickelten Rechtslage erheblich erschwert. Zunächst

Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 131; deutlich auch für eine nur beschränkte gerichtliche Kontrolle: Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 41; für ein der BJR gleichzusetzendes Ermessen: Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 43 Rn. 27 („unvertretbar“); Bachmann, NZG 2013, 1121, 1125; ders., ZHR 2013, 1, 9; ders., WM 2015, 105, 106; Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 10 Rn. 33. 449 So Goette, FS BGH, S. 123, 140 f.; ders., ZGR 2008, 436, 448; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 9; Bayer, GmbHR 2014, 897, 899; in diese Richtung auch BuckHeeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 23 f., allerdings gegen das Erfordernis, sämtliche verfügbaren Informationsquellen auszuschöpfen. 450 Siehe BGH NJW 2003, 358, 359. 451 Siehe BGH NJW 2008, 3361, 3361.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

ergibt sich aus dem Wortlaut des § 93 I 2 AktG,452 aus der Regierungsbegründung,453 aus der Rechtsprechung zum Aktienrecht454 und aus der absolut überwiegenden Literatur,455 dass nicht alle verfügbaren Informationen einzuholen sind, sondern nur die den konkreten Umständen entsprechend angemessenen. Dieses Ergebnis lässt sich noch im Rahmen des Beschlusses vom 14. 07. 2008 herleiten, soweit man die Formulierung, dass nur die „in der konkreten Entscheidungssituation verfügbaren“ Informationen einzuholen seien, in den Vordergrund stellt.456 Eine solche Interpretation ist auch naheliegend, da es – nicht nur wirtschaftlich – schlicht unmöglich ist, alle tatsächlich verfügbaren Informationen zu einem Entscheidungsgegenstand einzuholen.457 Ein deutliches Abweichen von dem Willen des Gesetzgebers458 liegt allerdings in der rein objektiven Formulierung des BGH und der daraus resultierenden Selbstermächtigung, eine Entscheidungsgrundlage inhaltlich vollständig auf möglicherweise unbeachtete Informationsquellen hin zu überprüfen. Eine entsprechende Entscheidung zur AG zu einem Sachverhalt nach der Kodifizierung der BJR459 wäre schlicht contra legem.460 Daraus könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass diese Formulierung gesellschaftsformspezifischen Unterschieden Rechnung tragen soll und insofern bewusst für die GmbH abweichende Tatbestandsvoraussetzungen der BJR geschaffen werden sollen. Bei näherer Betrachtung ist dies jedoch nicht der Fall.461 Zunächst beruht die Formulierung auf Vorarbeiten des Senatsvorsitzenden selbst, die er allerdings nicht für die GmbH, sondern mit klarem Bezug zur AG entwickelt hat.462 Weiterhin nimmt der BGH auch in Ent-

452

[…]. 453 454

lage“. 455

[…] vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 12. Siehe BGH NJW 1997, 1926, 1928: „sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrund-

Siehe bereits oben: § 4 B. IV. 1. a) bb). So auch Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48. 457 Siehe auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 127; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1125; Haese, S. 92. 458 Deutlich für eine nur beschränkte gerichtliche Kontrolle der Informationsbasis: Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 41. 459 Wobei auch bei Entscheidungen zu Sachverhalten, die vor der Kodifizierung lagen, die Wertung des Gesetzgebers Berücksichtigung finden muss, siehe Fleischer/Wedemann, AcP 209 (2009), 597, 614 f. 460 Siehe BVerfG NJW 2011, 842, 845: „Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt.“; so auch Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17; ähnlich Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 85a; siehe zur verbreiteten Kritik an der Entscheidung nur: Redeke, NZG 2009, 496, 497; ders., ZIP 2011, 59, 60; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2339; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 70; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 105; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 20. 461 So auch Bunz, DK 2012, 444, 447. 462 Siehe Goette, FS BGH, S. 123, 140 f. 456

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scheidungen zur AG unmittelbar Bezug auf den hier dargestellten Beschluss.463 Und schließlich sind keine gesellschaftsformspezifischen Unterschiede ersichtlich, die eine unterschiedliche Behandlung beim Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information rechtfertigen würden. Insbesondere das abweichende Kompetenzgefüge in AG und GmbH hat keinen Einfluss darauf, in welchem Umfang die Geschäftsführer und Vorstände eine unternehmerische Entscheidung im Rahmen ihrer selbständigen Entscheidungskompetenz vorzubereiten haben. Als Ursache für die überstrenge Formulierung in dem Beschluss vom 14. 07. 2008 liegt es eher nahe, dass der BGH gesellschaftsformunabhängigen Tendenzen zu einer zu weitgreifenden Anwendung der BJR entschieden entgegentreten wollte. So hatte das OLG München als Vorinstanz die Haftung des Geschäftsführers verneint, obgleich dieser eine weitreichende Umfinanzierungsmaßnahme vorgenommen hatte und dabei lediglich einen eigens erstellten Maßnahmenplan und eigene Berechnungen zugrunde gelegt hatte, die zudem möglicherweise fehlerhaft waren. Das OLG München sprach dem Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen zu, da er jedenfalls nicht planlos gehandelt hätte.464 Im Ergebnis erscheint angesichts dieser höchst unzureichenden Entscheidungsvorbereitung ein deutlicher Hinweis des BGH darauf, dass die BJR in diesem Fall nicht greifen kann, durchaus angemessen. Schließlich wäre auch nach den hier vertretenen Voraussetzungen die beschriebene Informationsgrundlage als nicht ausreichend einzustufen gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Umfinanzierungsmaßnahme unter solch großem Zeitdruck vorzunehmen war, dass ein qualifiziertes Gutachten nicht einzuholen gewesen wäre. Vielmehr spricht das große und langfristige Risiko des Geschäfts dafür, dass eine breit aufgestellte Informationsbasis nötig gewesen wäre. In diese Richtung sollen auch anerkannte betriebswirtschaftliche Grundsätze gezeigt haben.465 Damit hätte sich jedenfalls die qualifizierte Überprüfung der eigenen Berechnungen aufgedrängt. Insgesamt ist in der Entscheidung somit keine gezielte Differenzierung zwischen GmbH und AG zu erkennen. Zu betonen ist dennoch, dass der BGH mit der rein objektiven Formulierung des Überprüfungsmaßstabs im Zuge der wohl angestrebten Signalwirkung des Beschlusses über das Ziel hinausschießt. Hierbei wird allerdings auch der damalige Senatsvorsitzende Wulf Goette, der in verschiedenen außergerichtlichen Stellungnahmen seine Ansicht zugunsten eines objektiven Überprüfungsmaßstabs kundtut,466 einen nicht unerheblichen Einfluss gehabt haben. Auf den Beschluss folgende Urteile mit milderen Formulierungen467 könnten als eine

463 Siehe BGH NJW 2013, 1958, 1961 (zur AG, Sachverhalt aus den Jahren 2002 – 2004); BGH NZG 2011, 549, 550 (zur AG, Sachverhalt aus den Jahren 2002/2003); BGH NZG 2009, 117, 117 (zur Genossenschaftsbank, Sachverhalt aus den Jahren 1998 – 2002). 464 Siehe BGH DStR 2008, 1839, 1839. 465 Siehe BGH DStR 2008, 1839, 1840. 466 Siehe Goette, FS BGH, S. 123, 140 f.; ders., ZGR 2008, 436, 448. 467 Siehe BGH NZG 2009, 117, 117 („Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt und das Für und Wider verschiedener Vorgehensweisen abgewogen hat“); BGH NZG 2011, 549, 550

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Rückkehr zu den dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Voraussetzungen eingestuft werden.468 Dieser Leseart steht auch nicht der Rückfall zu der problematisierten Textpassage in der neuesten Entscheidung des BGH in Bezug auf die GmbH zu dem Thema entgegen. 2. BGH Urteil vom 18. 06. 2013 In seiner neuesten Entscheidung vom 18. 06. 2013469 zu den Anforderungen an eine angemessene Entscheidungsgrundlage befasst sich der zweite Zivilsenat des BGH, nunmehr unter dem Vorsitz von Alfred Bergmann, mit dem unternehmerischen Ermessensspielraum des GmbH-Geschäftsführers beim Abschluss einer möglicherweise zu hohen Honorarvereinbarung für eine externe Rechts- und Steuerberatung. In diesem Rahmen wird der Wortlaut des § 93 I 2 AktG mit der gegenläufigen Formulierung des Beschlusses vom 14. 07. 2008 zusammengeführt. Der Geschäftsführer müsse „vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Er müsse jedoch auch „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen“.470 Was zunächst wie ein Widerspruch wirkt, stellt die gelungene Einbettung der überzogenen Formulierung des Beschlusses vom 14. 07. 2008 in den gemischt objektiv-subjektiven Überprüfungsmaßstab des § 93 I 2 AktG dar. Die Formulierung, dass alle verfügbaren Informationsquellen in die Entscheidung einzubeziehen seien, eröffnet dadurch, dass der BGH sie in einen neuen Zusammenhang stellt, dem Geschäftsführer gerade einen eigenständigen Ermessensfreiraum bei der Abwägung der Informationen. Es wird nicht vordergründig darauf abgestellt, dass alle verfügbaren Informationen einzuholen seien. Vielmehr soll sich der Geschäftsführer auf alle ihm in der konkreten Entscheidungssituation zur Verfügung stehenden Informationen (= tatsächlich verfügbaren Informationsquellen) zur Begründung seiner Entscheidung berufen dürfen. Entscheidend ist damit nicht, dass alle Informationen eingeholt worden sind, sondern dass die tatsächlich vorliegenden Informationen die getroffene Entscheidung tragen. Die Vorinstanz471 hatte allein darauf abgestellt, dass keine Informationen bezüglich der rechtlichen Verpflichtung zur Vereinbarung eines erhöhten Beratungshonorars eingeholt worden waren. Im vorliegenden Fall bestand zunächst nur eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Zahlung der gesetzlichen Gebühren. Dennoch vereinbarte der Geschäftsführer nachträglich ein über den gesetzlichen Gebühren („vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“); ebenso BGH NJW 2013, 1958, 1961. 468 So auch Bachmann, ZHR 2013, 1, 3 f.; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2286; Kindler, FS Goette, S. 231, 233. 469 BGH NZG 2013, 1021 – 1025. 470 Siehe BGH NZG 2013, 1021, 1023. 471 KG NZG 2011, 429.

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liegendes Beratungshonorar. Dies wurde vom KG schon deshalb als pflichtwidrig eingestuft, da der Geschäftsführer „alle verfügbaren Informationsquellen“ hätte ausschöpfen müssen und dies einen qualifizierten Rechtsrat hätte umfassen müssen.472 Allein die fehlende rechtliche Beratung kann einen Ausschluss der BJR jedoch nicht begründen, da die Entscheidung auch von anderen guten Gründen getragen sein kann als dem Bestehen oder Nichtbestehen einer rechtlichen Verpflichtung.473 So kann eine erhöhte Vergütung zu einer besonderen Qualität oder Zeitersparnis führen474 oder die Berater dauerhaft oder exklusiv an die Gesellschaft binden.475 Im Gegensatz zum Beschluss vom 14. 07. 2008 musste der BGH hier einer zu starken Einschränkung des unternehmerischen Ermessens entgegentreten, für welche er selbst die Grundlage gelegt hatte. Entsprechend deutlich ist der Unterschied einzuordnen zwischen der Bedeutung der Formulierung „alle Informationsquellen auszuschöpfen“ im Beschluss vom 14. 07. 2008 und in dem Urteil vom 18. 06. 2013. In ersterem wird der Anwendungsbereich der BJR beschränkt in letzterem gerade bestärkt. Insgesamt bestätigt der BGH mit dem Urteil vom 18. 09. 2013 folglich, dass die BJR in gleicher Weise auf die GmbH Anwendung findet wie auf die AG und schließt sich dem gemischt objektiv-subjektiven Maßstab des § 93 I 2 AktG an.476 3. Zwischenergebnis Der die Entscheidungsvorbereitung betreffende gerichtliche Kontrollmaßstab ist für die GmbH nicht anders zu bewerten als für die AG. Dementsprechend besteht auch in der GmbH keine Klarheit über die konkreten Überprüfungsbefugnisse der Gerichte bezüglich der Angemessenheit der Informationsgrundlage. Mit der absolut überwiegenden Ansicht, welcher nun auch der BGH zuneigt, und in Übereinstimmung mit den bereits zur AG entwickelten Grundsätzen ist ein gemischt objektivsubjektiver Kontrollmaßstab anzusetzen. Das subjektive Element verlangt eine Prüfung aus der Sichtweise des Entscheidungsträgers in der Entscheidungssituation und gewährt diesem einen Ermessensfreiraum, welcher der gerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Dieser Ermessensfreiraum ist jedoch stärker durch das Erfordernis der objektiven Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsgrundlage eingeschränkt als der Ermessensfreiraum zur Konkretisierung des Unternehmensinteresses. So ist die bestehende Entscheidungsgrundlage als ausreichend anzusehen, wenn sie vernünftigerweise den Schluss auf die getroffene Entscheidung zulässt. Etwas anderes kann sich nur ergeben, wenn sich aufgrund eines besonderen Risikos oder einer beson472

Siehe KG NZG 2011, 429, 431. So BGH NZG 2013, 1021, 1023 (Es ist „nur ein Gesichtspunkt unter vielen, ob eine Rechtspflicht besteht, ein bestimmtes Honorar zu zahlen.“). 474 Siehe Bachmann, NZG 2013, 1121, 1125. 475 So die Begründung in BGH NZG 2013, 1021, 1023 f. 476 So auch Bachmann, NZG 2013, 1121, 1122; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 85a; Haese, S. 92. 473

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

deren Bedeutung der Entscheidung oder aufgrund anerkannter betriebswirtschaftswissenschaftlicher Standards die Erweiterung der Informationsbasis aufdrängte. II. Modifikation der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR durch die Gesellschafter Es konnte soweit dargelegt werden, dass das Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information aufgrund der insoweit gleichartigen Ausgangslage in GmbH und AG keiner besonderen Modifikation bei der Anwendung auf die GmbH bedarf. Nichtsdestotrotz ist eine Modifikation aufgrund der weitreichenden Satzungsautonomie477 und des gesellschaftsformspezifischen Kompetenzgefüges in der GmbH möglich. Oben wurden bereits separat die Dispositionsbefugnisse der Gesellschafter zur Befreiung von der Legalitätspflicht478 und zur Freistellung von der Bindung an die Treuepflichten479 dargestellt. Im Folgenden sind nun die Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich des Sorgfaltsmaßstabs zu betrachten. Es ist also die Dispositionsbefugnis über die Sorgfaltspflichten im engeren Sinne480 zu untersuchen und damit auch die Disposition über Tatbestandsvoraussetzungen der BJR. Wenngleich der Fokus hier auf dem Tatbestandsmerkmal der angemessenen Information liegt, werden die Ausführungen bezüglich des Teilaspekts der Disposition über die Sorgfaltspflicht im engeren Sinne auch auf andere Tatbestandsmerkmale der BJR übertragbar sein. Die besondere Stellung der Gesellschafter in der GmbH, insbesondere deren weitreichende Kompetenz zur Gestaltung der innergesellschaftlichen Ordnung, hat zur Folge, dass der Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab des § 43 GmbHG überwiegend als dispositiv angesehen wird.481 Soweit man die BJR als bloße Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs des § 43 I GmbHG versteht, bedarf die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über deren Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls dem Grunde nach keiner weiteren Rechtfertigung. Andererseits wird die BJR auch als Tatbestandsausschlussgrund oder unwiderlegliche Rechtsvermutung pflichtgemäßen Verhaltens eingeordnet.482 Doch auch hier lässt die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über die Pflichtenstellung ihres Geschäftsführers eine eigenständige Gestaltung der BJR zu. Insoweit konnte bereits dargelegt werden, dass die Gesellschafter in der konkreten Entscheidungssituation durch Weisungen Einfluss auf die Ausübung des 477 Siehe zum Kontrast zwischen Satzungsautonomie in der GmbH und formeller Satzungsstrenge in der AG bereits oben: § 5 B. 478 Siehe oben: § 10 A. II. 3. 479 Siehe oben: § 10 C. III. 2. 480 Siehe zur Unterteilung der Sorgfaltspflichten bereits oben: § 6 A. III. 2. 481 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 304: „Grundsatz der gesellschafterlichen Dispositionsfreiheit“; siehe zu Möglichkeit und Form der Haftungserleichterung durch die Gesellschafter bereits oben: § 6 C. II. 1. 482 Siehe zum Streit über die dogmatische Einordnung der BJR bereits oben: § 4 D.

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unternehmerischen Ermessens haben.483 Weiterhin konnte dargelegt werden, dass die Gesellschafter durch Gestaltung der Entscheidungskompetenzen des Geschäftsführers dessen unternehmerischen Ermessensfreiraum beschränken, aber auch erweitern können.484 Insgesamt ist daher die Modifikation der Tatbestandsvoraussetzungen durch die Gesellschafter möglich. Problematisch ist allerdings, wie diese Modifikation in den komplexen Meinungsstand zur im Voraus erteilten Haftungsfreistellung des Geschäftsführers insgesamt einzuflechten ist. Insbesondere ist zu klären, wie weit eine Freistellung ausfallen kann und in welcher Form eine solche zu erfolgen hat. 1. Materielle Grenzen der Dispositionsfreiheit Zunächst wird vertreten, eine Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs des § 43 GmbHG sei allgemein unzulässig, da dieser auch die Gläubigerinteressen schütze und deshalb nicht zur Disposition der Gesellschafter stehe.485 Dem kann jedoch mit der herrschenden Meinung486 und im Einklang mit den obigen Ausführungen zum Unternehmensinteresse487 entgegengehalten werden, dass die Gläubigerinteressen über spezielle gläubigerschützende Vorschriften, insbesondere die Bestimmungen in § 43 III GmbHG und die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit hinaus keine Berücksichtigung bei der Definition des Pflichtenmaßstabs des Geschäftsführers finden. Eine Absenkung des Pflichtenmaßstabs und damit auch der Anforderungen an eine pflichtgemäße Entscheidungsvorbereitung sind folglich grundsätzlich möglich. Weitaus beachtlicher ist der Einwand, eine Haftungsfreistellung der Geschäftsführer könne nur so weit gehen, wie die Verfügungsmacht der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen reicht. Grenzen werden der Herabsetzung des Pflichtenmaßstabs daher in analoger Anwendung der § 43 III 2, 3 GmbHG durch zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften und gläubigerschützende Vorschriften gezogen.488 Umstritten ist allerdings, welche Vorschriften als gläubigerschützend einzuordnen sind und als solche die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter beschränken kön-

483

Siehe ausführlich oben: § 10 A. II. 1. b) aa). Siehe ausführlich oben: § 7 C. II. 485 So Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 14; Raiser/Veil, Hdb. Kapitalgesellschaften, § 42 Rn. 92 (S. 559). 486 Siehe BGH NJW 2002, 3777, 3777 f.; BGH NZG 2003, 528, 528; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 303 f. mit ausführlicher Stellungnahme; ebenso Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 231 ff.; siehe auch Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 259 f. 487 Siehe oben: § 7 B. I. 4. 488 Für eine analoge Anwendung der § 43 III 2, 3 GmbHG auf weitere Fälle des unmittelbaren Eingriffs in das Stammkapital, insbesondere die Fälle des § 43a GmbHG und der Existenzvernichtungshaftung: Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 309; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 64; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 263; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 34. 484

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

nen.489 Maßgeblich für die folgende Darstellung ist die Frage der gläubigerschützenden Funktion hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR. Deren speziellen Sorgfaltsanforderungen an den Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen sollen ein Minimum an Qualität der Entscheidung sichern und zielen folglich auf den unternehmerischen Erfolg der einzelnen Maßnahme und des Unternehmens insgesamt ab. Sie dienen also der Förderung des Interesses der Gesellschafter an einem „return on investment“ und nicht dem Interesse der Gläubiger an einem „return of investment“.490 Vor unternehmerischen Fehlentscheidungen und dem daraus resultierenden Kapitalverlust sind die Gläubiger gerade nicht geschützt.491 Daraus folgt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR nicht als gläubigerschützend einzuordnen sind und damit auch nach der hier diskutierten Ansicht die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter zu bejahen wäre. Schließlich wird die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter insoweit begrenzt, als sie nicht auf Ansprüche aus grob fahrlässig begangenen Pflichtverletzungen verzichten können sollen.492 Diese Ansicht wird allerdings zu Recht mit dem Hinweis abgelehnt, dass eine solche Einschränkung keine Grundlage im Gesetz findet.493 Für die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR kann der mögliche Ausschluss von grob fahrlässigen Pflichtverletzungen von der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter wiederum ohnehin keine Rolle spielen, da die BJR bereits auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit ansetzt und die Gesellschafter damit nicht über den Verschuldensmaßstab, sondern über die Pflichtenstellung disponieren. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass einer Disposition der Gesellschafter über die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR nichts entgegensteht. Einschränkungen können sich allenfalls aus den Treuepflichten ergeben, so beispielsweise, wenn sich der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer selbst von seinen Sorgfaltspflichten freisprechen möchte.494 489 Für eine analoge Anwendung der § 43 III 2, 3 GmbHG auf weitere, über den unmittelbaren Kapitalschutz hinausgehende dem Gläubigerschutz dienende Vorschriften: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 64 (§ 15a I InsO, § 41 GmbHG, § 49 III GmbHG); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 266 (§§ 41, 42a I, 49 III GmbHG); Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 63 (§§ 41, 42a I GmbHG). 490 Siehe zum Vorrang des „return on investment“ als Handlungsziel des Geschäftsführers, also das Generieren von Gewinnen aus der bestehenden Investition: Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 36; ebenfalls mit Hinweis auf den vorrangigen Zweck des § 43 I, II GmbHG als jenem des Gesellschafterschutzes: Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 46 Rn. 4; a.A. Haas, in: Krieger/Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 11 Rn. 59. 491 Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 235. 492 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 64, mit der Begründung, dies sei der absolute Mindeststandard; Lohr, NZG 2000, 1204, 1209, der einen Ausschluss der Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen als mit der „umfassenden Verantwortung des Geschäftsführers unvereinbar“ ansieht. 493 So auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 312; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 261; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 13. 494 Siehe hierzu bereits oben: § 10 A. III. 2. c) cc) (2) (a).

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Bei einem Blick in die Praxis zeigt sich, dass die Möglichkeit, die Voraussetzungen der BJR an die Bedürfnisse der konkreten Gesellschaft anpassen zu können, von erheblicher Bedeutung sein kann. So muss in Geschäftsbereichen, in denen unternehmerische und kreative Entscheidungsgegenstände zusammenfallen, dem Geschäftsführer der Ermessensfreiraum für Entscheidungen nach seiner individuellen Intuition eröffnet werden können.495 Zudem müssen sich die Gesellschafter, angesichts des unsicheren Forschungsstands zur Vorteilhaftigkeit von Entscheidungen auf breiter Informationsbasis gegenüber intuitiven Entscheidungen,496 auch dazu entschließen können, einen erklärten Bauchgefühl-Entscheider einzustellen und diesem entsprechende Freiräume zu eröffnen. Schließlich kann es in besonders schnelllebigen Geschäftsbereichen vorteilhaft sein, dem Geschäftsführer auch für kurzfristige, spontane Entscheidungen die Sicherheit eines Haftungsfreiraumes zusichern zu können. 2. Formelle Voraussetzungen der Disposition Nachdem die grundsätzliche Zulässigkeit und Notwendigkeit von Einschränkungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR dargelegt werden konnte, stellt sich nun die Frage der formellen Gestaltung einer solchen Absenkung der Sorgfaltsanforderungen. Auch diesbezüglich gehen die Meinungen in der Literatur weit auseinander. So soll eine Regelung in der Satzung erforderlich sein,497 andererseits wird vertreten, eine Regelung im Anstellungsvertrag oder in der Geschäftsordnung498 genüge den Formanforderungen und schließlich wird ein mehrheitlicher499 oder einstimmiger500 Gesellschafterbeschluss als ausreichend angesehen. Für die Voraussetzungen der BJR ist zu beachten, dass eine Absenkung der Eingangsvoraussetzungen zu dem unternehmerischen Ermessensfreiraum weitreichende Folgen haben kann. Die Gesellschafter können auf diesem Wege die unternehmerische Gestaltungshoheit über das Unternehmen und damit über ihre eigenen Interessen in maßgeblichem Umfang auf den Geschäftsführer übertragen. Dieses Argument entfaltet allerdings für die Absenkung allein der Sorgfaltsanforderungen nur in beschränktem Maße Geltung, da die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse in vollem Umfang fortbesteht. Nichtsdestotrotz stellt die Anwendbarkeit der BJR eine nicht unbedeutende Weiche im Kompetenzgefüge der GmbH dar, weshalb eine 495 Ein Beispiel für erfolgreiches Wirtschaften maßgeblich auf der Grundlage von Intuition stellt der größte Pay-TV-Sender der Welt dar: HBO vertraut bei unternehmerischen Entscheidungen im Kreativbereich nicht auf Datenbanken, sondern auf Instinkt und ist dabei extrem erfolgreich, siehe Baurmann, Die Zeit, 04. 05. 2016, Nr. 20, S. 21, 22. 496 Siehe bereits ausführlich oben: § 4 B. IV. 1. b) bb). 497 Siehe Diekmann/Marsch-Barner, in: MHdB GesR III, § 46 Rn. 4. 498 Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 12. 499 Siehe Fleischer BB 2011, 2435, 2440; ders., in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 317. 500 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 117.

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Modifikation allein durch den Anstellungsvertrag nicht ausreichen kann.501 Vielmehr ist ein Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit nötig, welcher der strengen Kontrolle durch die Treuepflichten unterliegt.502 So wird eine Absenkung der Tatbestandsanforderungen gegen den Willen der Gesellschafterminderheit regelmäßig treuwidrig sein, wenn keine besonderen Gründe vorliegen, die eine entsprechende Absenkung rechtfertigen.503 III. Ergebnis zur angemessenen Informationsgrundlage Zu den GmbH-spezifischen Anforderungen an eine angemessene Informationsgrundlage ist zunächst zu betonen, dass im Grundsatz keine Abweichungen von der Regelungslage im AktG nötig sind. Dies entspricht auch der aktuellen Ansicht des BGH, welcher allerdings vorübergehend in eine andere Richtung zu neigen schien. Die Gründe für eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung sind nicht gesellschaftsformspezifischer Natur, sondern gelten gleichermaßen für GmbH und AG. Eine unternehmerische Entscheidung muss in der GmbH nicht weniger sorgfältig vorbereitet werden als in der AG und der Richter, der die Angemessenheit einer Informationsgrundlage überprüft, läuft dabei bei dem GmbH-Geschäftsführer ebenso wie bei dem AG-Vorstand Gefahr, aufgrund seines nachträglich gewonnenen Wissens überhöhte Anforderungen zu stellen. Dementsprechend sind die zur AG gewonnen Erkenntnisse auf die GmbH übertragbar. Der GmbH-Geschäftsführer genügt den Anforderungen an eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung, wenn er die in der konkreten Entscheidungssituation nach Risiko und Bedeutung der Entscheidung, Zeitrahmen und Kosten-Nutzen-Abwägung und tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehenden Informationen ausschöpft. Ob die erstellte Informationsbasis diesen Anforderungen genügt, bestimmt sich in erster Linie nach dem Ermessen des Geschäftsführers. Der Richter ist bei der nachträglichen Überprüfung der Angemessenheit darauf beschränkt zu überprüfen, ob ein vernünftiger Schluss von der Informationsgrundlage auf die getroffene Entscheidung vertretbar erscheint. Weiterhin objektiv sorgfaltswidrig sind das Vernachlässigen völlig offensichtlich wichtiger Informationen und das Außerachtlassen anerkannter betriebswirtschaftswissenschaftlicher Grundsätze. Insgesamt ist den Unsicherheiten bei der Informationsbeschaffung nicht durch eine BJR auf zweiter Ebene Rechnung

501 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 315, mit dem treffenden Hinweis, dass der Anstellungsvertrag die organschaftlichen Pflichten nicht abändern, sondern nur konkretisieren kann; so auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 11. 502 Siehe zur Mindestanforderung eines Gesellschafterbeschlusses BGH NJW 1998, 1315, 1316; so auch: Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 11; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 315; Lohr, NZG 2000, 1204, 1209; Janert, BB 2013, 3016, 3018; Werner, GmbHR 2014, 792, 797. 503 So auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 5; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 66.

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zu tragen, sondern durch einen eigenständigen Ermessensfreiraum, der in seinem Umfang hinter jenem der BJR zurückbleibt. Als GmbH-spezifische Besonderheit ist die Möglichkeit, die Sorgfaltsanforderungen und damit auch die Anforderungen an eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung zu modifizieren, zu beachten. Insoweit steht es den Gesellschaftern frei, ihrem Geschäftsführer ausdrücklich durch Gesellschafterbeschluss die Kompetenz zu intuitiven Entscheidungen zu übertragen. In entsprechenden Geschäftsfeldern kann es durchaus naheliegen, dem Geschäftsführer die Beurteilung seiner Entscheidungsgrundlage gänzlich selbst zu überlassen. Soweit dem Geschäftsführer derart weitreichende Kompetenzen übertragen werden, sind allerdings in besonderer Weise die Treuepflichten und die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse zu berücksichtigen.

E. Im guten Glauben Das Tatbestandsmerkmal des Handelns im guten Glauben kann der Regierungsbegründung zum UMAG entnommen werden, wird dort jedoch nicht näher in seiner Funktion beschrieben.504 In vergleichbarer Weise wird es von Literaturstimmen zur GmbH-rechtlichen Einordnung der Tatbestandsmerkmale erwähnt, jedoch eine eigenständige Bedeutung entweder nicht dargestellt505 oder ausdrücklich als sehr gering eingestuft.506 Das dem US-amerikanischen „good-faith“ nachempfundene Merkmal schließt jedenfalls vorsätzliches Handeln zu Lasten des Gesellschaftswohls aus.507 Dementsprechend verbleibt tatsächlich neben den Voraussetzungen des Handelns zum Wohle der Gesellschaft und ohne Interessenkonflikte kaum ein Anwendungsbereich für eine eigenständige Prüfung der Gutgläubigkeit. So wird die Gutgläubigkeit auch mit den inhaltlichen Anforderungen des Merkmals des Handelns zum Wohle der Gesellschaft gleichgesetzt.508 Schließlich wird teilweise auf eine Darstellung des Merkmals gänzlich verzichtet.509 Es lässt sich festhalten, dass innerhalb des geringen eigenständigen Anwendungsbereichs jedenfalls keine gesellschaftsformspezifischen Unterschiede bestehen. Ein Geschäftsleiter, der vorsätzlich die eigene Gesellschaft schädigt, kann sich dabei nicht auf einen unternehmerischen Ermessensfreiraum berufen. 504

Siehe die Begr. RegE UMAG vom 14. 03. 2005, BT-Dr 15/5092, S. 11. So bei Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 22. 506 So bei Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 89, der dem Tatbestandsmerkmal nur eine „Notbremsfunktion“ zuschreibt. 507 Siehe Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 89; ders., ZIP 2004, 685, 691; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 43 Rn. 41. 508 So bei Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 72; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 12; siehe auch Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 59, der aus dem Erfordernis der Gutgläubigkeit den subjektiven Einschlag beim Überprüfungsmaßstab herleitet. 509 So bei Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rn. 23 ff. 505

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

§ 11 Beweislastverteilung Die Beweislastverteilung wird auch in der GmbH häufig den ausschlaggebenden Faktor im Haftungsprozess darstellen.510 Aufgrund der weitgehend formalisierten Kriterien der BJR und des damit eingeschränkten Ermessens des Richters gewinnt die Beweislast im Anwendungsbereich der BJR zusätzlich an Bedeutung. Im Ausgangspunkt lässt sich zunächst festhalten, dass eine Verlagerung der Beweislast auf den Geschäftsführer entsprechend der Regelung des § 93 II 2 AktG im GmbHG nicht ausdrücklich normiert ist. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass § 93 II 2 AktG auf die GmbH analog anzuwenden ist.511 Ein Abweichen von der aktienrechtlichen Regelungslage wäre für die GmbH auch nicht zu rechtfertigen. Überzeugend für eine Behandlung des GmbH-Geschäftsführers gleich den aktienrechtlichen Grundsätzen sprechen dessen ebenfalls überlegene Sachnähe,512 dessen vergleichbare Rechenschaftspflicht als Mandatar513 und die allgemeine Vergleichbarkeit der Darlegungs- und Beweislage bei Organhaftungsansprüchen in AG und GmbH.514 Zur Geltendmachung eines Anspruchs aus § 43 II GmbHG muss die Gesellschaft somit zunächst einen Schaden darlegen und dessen Verursachung durch eine Handlung des Geschäftsführers beweisen. Zudem muss sich aus dem Vorbringen der Gesellschaft jedenfalls die Möglichkeit einer pflichtwidrigen Handlung ergeben. Der Geschäftsleiter trägt auf der anderen Seite die Beweislast dafür, dass sein Handeln nicht pflichtwidrig war, ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann oder der Schaden auch bei einem pflichtgemäßen Alternativverhalten eingetreten wäre.515 Entsprechend dem Gleichlauf zwischen AG und GmbH auf der Ebene der allgemeinen Beweislastverteilung im Organhaftungsprozess sind konsequenterweise auch für die Tatbestandsvoraussetzungen der BJR die Ausführungen zur AG übertragbar.516 So obliegt der Beweis des Vorliegens der Voraussetzungen des unter510

Siehe auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 36. Siehe BGH NJW 2003, 358, 359; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 270; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 111; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 248; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 36; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 9. 512 Siehe auch Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 270; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 36. 513 So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 111. 514 So Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 248. 515 Siehe zum Ganzen nur die ständige Rechtsprechung: BGH NJW 2003, 358, 358; BGH NZG 2008, 104, 105; BGH NZG 2008, 314, 315; BGH NZG 2013, 1021, 1023. 516 Siehe BGH NJW 2003, 358, 359; BGH NJW 2008, 3361, 3362; BGH NZG 2013, 1021, 1023; BGH NJW 2013, 1958, 1959 (AG); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 54; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 272; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 251b; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 40; Drescher, Rn. 329; kritisch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 209. 511

§ 11 Beweislastverteilung

305

nehmerischen Ermessens dem Geschäftsführer, der sich auf ein solches beruft. Im Einzelnen empfiehlt sich allerdings eine differenzierte Betrachtung der Tatbestandsvoraussetzungen. So muss der Geschäftsführer zur Darlegung einer angemessenen Informationsgrundlage zunächst lediglich nachweisen, dass die Entscheidungsvorbereitung einen plausiblen Schluss auf die getroffene Entscheidung zuließ. Dem Nachweis des Handelns zum Wohle der Gesellschaft genügt der Geschäftsführer, wenn die Entscheidung nicht offensichtlich außerhalb des Unternehmensinteresses lag.517 Einer genaueren Betrachtung bedarf in der GmbH die Beweislast bezüglich treuepflicht- und legalitätspflichtgerechten Handelns.

A. Treuepflichtgerechtes Handeln und Interessenkonflikte Eine einheitliche Darstellung der Beweislast bezüglich der Einhaltung von Treuepflichten würde schon an der Vielgestaltigkeit und den Eingrenzungsschwierigkeiten bezüglich der einzelnen Ausprägungen der Treuepflicht scheitern. Daher ist allein die für den Anwendungsbereich der BJR relevante Beweislastverteilung zu betrachten. Hier kann zwischen Handlungen, die unabhängig von ihrem konkreten Inhalt treuwidrig sind, und Handlungen, bei denen eine zusätzliche Inhaltskontrolle erforderlich ist, unterschieden werden. Bei ersterer Gruppe kommt eine Ermessensentscheidung schon gar nicht in Betracht. Dies gilt beispielsweise für Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht, das Wettbewerbsverbot oder die Geschäftschancenlehre, den Griff in die Gesellschaftskasse oder negative öffentliche Äußerungen über das Unternehmen, die in illoyaler Weise das Gesellschaftsinteresse verletzen.518 Die Beweislast bezüglich dieser Verstöße hat für die BJR keine Relevanz, da die Frage eines unternehmerischen Ermessens in einem entsprechenden Haftungsprozess ohnehin keine Rolle spielt. Für die BJR relevant sind jedoch interessenwidrige Handlungen, deren Treuwidrigkeit erst durch eine Inhaltskontrolle in Form eines Drittvergleichs nachgewiesen werden kann. Diese Inhaltskontrolle steht in unmittelbarer Konkurrenz zum Ermessensfreiraum der BJR.519 Allein die Behauptung eines Treuepflichtverstoßes kann nicht unmittelbar zu einer vollumfänglichen Inhaltskontrolle auf ein allein unternehmensinteressenorientiertes Handeln hin führen. Dies würde den Schutz der BJR erheblich mindern.520 Daher ist vor der Überprüfung treuepflichtgerechten 517

Siehe zum Ganzen die Ausführungen zur AG oben: § 4 C. II. Siehe zu den einzelnen Ausprägungen der Treuepflicht und dem jeweiligen Verhältnis zur BJR oben: § 6 A. III. 1. a). 519 Siehe ausführlich oben: § 4 B. III. 2. c). 520 Soweit sich im Nachhinein herausstellt, dass kein hinreichender Interesseneinfluss bestand, kann sich der Geschäftsführer zwar auf ein unternehmerisches Ermessen berufen und ein Drittvergleich ist insoweit nicht mehr für eine Pflichtverletzung maßgeblich. Dennoch 518

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

Verhaltens der Nachweis erforderlich, dass überhaupt ein Interessenkonflikt vorlag. Das Vorliegen eines Interessenkonflikts schließt somit zum einen die Anwendung der BJR aus und schafft zum anderen die Grundlage für eine Inhaltskontrolle im Rahmen der Treuepflichten. Entsprechend bedeutend ist die diesbezügliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Insgesamt kann hier allerdings nichts anderes gelten, als das, was bereits zum Nachweis eines Interessenkonflikts in der AG dargelegt wurde.521 Der klagenden Gesellschaft obliegt nach den Grundsätzen des negativen Beweises die Beweislast dafür, substantiiert darzulegen, dass unternehmensfremde Interessen mit der Eignung zur Entscheidungsbeeinflussung vorgelegen haben.522 Dem Geschäftsführer obliegt erst nach der Bezeichnung und Darlegung eines solchen konkreten unternehmensfremden Interesses der Beweis, dass dieses objektiv nicht geeignet war, seine Entscheidung zu beeinflussen.523 Schließlich ist im Bereich der Treuepflichten auf die Verletzung von mitgliedschaftlichen Treuepflichten durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einzugehen. Auch diese können eine – wenn auch nur eingeschränkte – Inhaltskontrolle nach sich ziehen und insoweit mit dem Ermessensfreiraum der BJR konkurrieren.524 Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast muss sich hier nach den Grundsätzen für Verstöße gegen mitgliedschaftliche Treuepflichten richten. Dies gilt schon deshalb, da der unternehmerische Ermessensfreiraum des Geschäftsführers hier regelmäßig außerhalb von Haftungsfragen nach § 43 II GmbHG in Frage steht. So bei interpersonalen Konflikten, wenn ein Gesellschafter seine Entlassung aus einem Anstellungsverhältnis mit der GmbH anficht, während sich der Gesellschafter-Geschäftsführer bezüglich der Personalpolitik auf sein unternehmerisches Ermessen beruft.525 Da es sich in diesen Fällen nicht um einen organschaftlichen Haftungsprozess handelt, findet auch die Beweislastumkehr des § 93 II 2 AktG analog keine Anwendung. Insgesamt liegt die Beweislast bezüglich des Verstoßes gegen die mitgliedschaftliche Treuebindung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei dem klagenden Gesellschafter.526 Nach den Grundsätzen der sekundären Darlebestünde die erhebliche Gefahr, dass von einem negativen Ergebnis eines Drittvergleichs unmittelbar auf einen Interessenkonflikt geschlossen wird. 521 Siehe oben: § 4 C. II. 522 So auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 54; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 209; ders., NZG 2009, 891, 893; Schlimm, S. 170; Bauer, NZG 2015, 549, 550; siehe auch BGH NJW-RR 2007, 1475, 1477; BGH NJW 2005, 2766, 2768; Saenger, in Saenger ZPO, § 286 Rn. 92 f. 523 So auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 93 Rn. 27, so kann sich der Geschäftsleiter beispielsweise durch den Nachweis seiner Unkenntnis in der Entscheidungssituation über ein konfligierendes Interesses entlasten; siehe zu der Bestimmung eines Interessenkonflikts oben: § 4 B. III. 1. 524 Siehe zur Verhältnismäßigkeitsprüfung von Maßnahmen des Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber seinen Mitgesellschaftern oben: § 10 A. III. 2. c) cc) (2) (b). 525 Siehe Fleischer, NZG 2011, 521, 527. 526 So auch Kuntz, GmbHR 2008, 121, 127, der sich allerdings im Bereich der Treuepflichten allgemein für eine Beweislastverteilung zugunsten des Geschäftsführers ausspricht,

§ 11 Beweislastverteilung

307

gungslast trägt der Geschäftsführer allerdings die Darlegungslast für innergesellschaftliche Vorgänge, in die der Kläger keinen Einblick hat.527

B. Legalitätspflicht In der GmbH wird der Inhalt der Legalitätspflicht erheblich von der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung beeinflusst. So kann sich der Geschäftsführer im Haftungsprozess sowohl durch den Nachweis weisungsgemäßen Handelns als auch durch den Nachweis eines Handelns gemäß dem Willen sämtlicher Gesellschafter entlasten. Bezüglich entsprechender haftungsbefreiender Umstände trägt der Geschäftsführer die Beweislast.528 Auf der anderen Seite kann eine unternehmerische Entscheidung des Geschäftsführers aufgrund eines Kompetenzverstoßes oder eines Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften angegriffen werden. Ein Kompetenzverstoß muss zunächst von der Gesellschaft konkret dargelegt werden, beispielsweise die Missachtung eines Gesellschafterwillens zur Vorlage der Entscheidung.529 Bei Verstößen gegen externe gesetzliche Vorschriften realisiert sich der Schaden regelmäßig erst in Folge der erfolgreichen Rechtsverfolgung durch Dritte gegen die Gesellschaft, womit der haftungsrelevante Rechtsverstoß ohnehin feststehen wird. Der Geschäftsführer hat dann gemäß § 93 II 2 AktG analog zu seiner Entlastung darzulegen, dass sein Handeln nicht pflichtwidrig war, kein Verschulden vorlag oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Dies kann gelingen, wenn beispielsweise mangels erkennbaren Gesellschafterwillens keine Vorlagepflicht bestand,530 der Rechtsverstoß nicht erkennbar war531 oder die Gesellschafter die Maßnahme bei einer Vorlage gebilligt hätten.532 Auf ein unternehmerisches Ermessen kann sich der Geschäftsleiter in diesen Fragen nicht berufen.

auch in Organhaftungsprozessen; siehe auch Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 243. 527 Siehe BGH NJW 1988, 1579, 1582 (zur materiellen Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen); für eine förmliche Beweislastumkehr Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 47 Rn. 248. 528 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 252d; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 41. 529 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 252d; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 41. 530 Siehe zur Erkennbarkeit eines mutmaßlichen Gesellschafterwillens zur Vorlage der Entscheidung oben: § 10 A. II. 1. a) cc). 531 Siehe zum schuldlosen Rechtsirrtum oben: § 4 B. I. 2. a) bb). 532 Siehe zum rechtmäßigen Alternativverhalten oben: § 7 C. II. 3. b).

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3. Teil: Die eigenständige Anwendung der BJR im GmbH-Recht

C. Ergebnis Die Beweislastverteilung gestaltet sich in der GmbH aufgrund der analogen Anwendung des § 93 II 2 AktG nahezu identisch mit jener in der AG. Auch im Rahmen der Beweislast ist allerdings den GmbH-spezifischen Ausprägungen des unternehmerischen Ermessens Rechnung zu tragen. So sind insbesondere die unterschiedlichen Ausprägungen der Treuepflicht differenziert zu behandeln. Soweit ein Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht außerhalb von Haftungsfragen gemäß § 43 II GmbHG relevant wird, liegt die Beweislast für ein Überschreiten des unternehmerischen Ermessens bei dem klagenden Gesellschafter. Der Nachweis legalitätspflichtgerechten Handelns unterliegt hingegen regulär der Beweislastumkehr des § 93 II 2 AktG analog. Insofern sind auch im Rahmen der gesellschafterorientierten Kompetenzordnung in der GmbH keine Sonderregeln erforderlich.

4. Teil

Schlussbetrachtungen § 12 Praxisempfehlungen Die fehlende Normierung der BJR für die GmbH und die daraus resultierenden Unsicherheiten bei der Übertragung aus dem Aktienrecht können den Rechtsanwender bei unzureichenden Vorkehrungen vor erhebliche Probleme stellen.1 Mit den Ausführungen zu den GmbH-spezifischen Besonderheiten konnte bereits eine abstrakte Orientierungshilfe bei der Anwendung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes geschaffen werden. Für die Praxis sollen nun konkrete Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um eine möglichst dem Gesellschafterwillen entsprechende Gestaltung des unternehmerischen Ermessensfreiraumes zu gewährleisten. Die in der GmbH herrschende Satzungsfreiheit kann und sollte genutzt werden, um die zunächst auf die kapitalistisch ausgestaltete Publikumsgesellschaft ausgerichtete BJR den konkreten Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens anzupassen.

A. Einführung und Erweiterung des Anwendungsbereichs der BJR 1. Die Geltung der BJR für die GmbH ist allgemein anerkannt. Dennoch ist eine ausdrückliche Regelung jedenfalls im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers empfehlenswert, um den Willen der Gesellschafter zur Gewährung des Haftungsfreiraumes zu unterstreichen. Insofern empfiehlt sich die Übernahme des Wortlauts des § 93 I 2 AktG.2 2. Von besonderer Bedeutung in der GmbH ist die genaue Abgrenzung des Anwendungsbereichs des unternehmerischen Ermessens. Grenzen bilden einerseits gesetzliche Vorschriften und Treuepflichten, andererseits aber auch die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzordnung in der jeweiligen Gesellschaft.3 Bei der Gestaltung der Kompetenzordnung sind die eigenständigen Leitungsbefugnisse 1

Siehe Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 10 Rn. 13. Siehe zur Übernahme des Wortlauts des § 93 I 2 AktG in die Satzung einer Genossenschaft: OLG Hamm, NZG 2011, 1232, 1233. 3 Siehe zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der BJR im Rahmen des Tatbestands der unternehmerischen Entscheidung oben: § 10 A. 2

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4. Teil: Schlussbetrachtungen

des Geschäftsführers regelmäßig schon in der Satzung4 möglichst klar abzugrenzen. Empfehlenswert sind insoweit: – Detaillierte Zustimmungskataloge, die deutlich kennzeichnen, ob Beschränkungen abschließend sind oder nicht5 und zwischen Vorlagepflichten und reinen Informationspflichten differenzieren.6 – Eine deutliche Bezeichnung und Umgrenzung von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck,7 die Festlegung und Abgrenzung der Unternehmenspolitik und die Definition außergewöhnlicher Maßnahmen. – Ein klares Bekenntnis zu einer risikogeneigten Geschäftsführung zur Gewinnmaximierung, zu einer risikoaversen Geschäftsführung von vorrangig verwaltendem Charakter oder zu einer risikoneutral entscheidenden Geschäftsführung. – Richtlinien zur Bestimmung des Gesellschafterwillens, insbesondere zur Berücksichtigung von Willensäußerungen außerhalb von ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschlüssen und expliziten Weisungen. 3. Die Kompetenzordnung kann auch zugunsten des Geschäftsführers verschoben werden. Insoweit ist eine Übertragung von Gesellschafterkompetenzen bis auf einen Kernbereich möglich.8 Denkbar ist insbesondere die Übertragung einer eigenständigen Entscheidungskompetenz in Fragen der Unternehmenspolitik. Entsprechende Kompetenzverschiebungen bedürfen einer Satzungsregelung.9 4. Im Zuge der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB ist zu beachten, dass Insichgeschäfte des Geschäftsführers nicht von der BJR erfasst sind. Soweit solche besonders gefördert werden sollen und die Gesellschafter nicht regelmäßig zur Billigung entsprechender Geschäfte aufgefordert werden 4 Ob eine Regelung in der Satzung oder in einer gesonderten Geschäftsordnung oder dem Anstellungsvertrag vorzugswürdig ist, ist nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand zu entscheiden. Die Satzung sichert eine besondere Beständigkeit, ist jedoch gleichzeitig wenig flexibel aufgrund der hohen Mehrheitsanforderungen zur Änderung, vgl. § 53 II 1 GmbHG. Eine Geschäftsordnung kann hingegen durch einfachen Gesellschafterbeschluss geändert werden, siehe OLG Hamm, NZG 2010, 1067, 1068 f. 5 Siehe insoweit als positives Beispiel zur Regelung im Anstellungsvertrag: Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 9 Rn. 16 (§ 6 des Musteranstellungsvertrags); ebenso, allerdings mit Regelung in der Geschäftsordnung: Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, § 6 Rn. 120 (§ 4 der Geschäftsordnung); siehe zur Bedeutung von abschließenden und nicht abschließenden Zustimmungskatalogen oben: § 10 A. II. 1. a) cc). 6 Siehe zum Regelungsort von Zustimmungskatalogen: Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, § 4 Rn. 91 ff., § 6 Rn. 8 f., mit der Empfehlung einer Satzungsregelung und zur Bestimmung von Organen mit Zustimmungskompetenzen. 7 Siehe zur großen praktischen Bedeutung des Unternehmensgegenstands für die Geschäftsführung auch Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, § 4 Rn. 55 ff. 8 Siehe bereits oben: § 5 A. II. 9 Siehe Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 45 Rn. 21; Schmidt, in: Scholz, § 45 Rn. 8; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rn. 5.

§ 12 Praxisempfehlungen

311

wollen, empfiehlt sich eine besondere Regelung eines Ermessensfreiraumes auch für Insichgeschäfte. Ein solches Ermessen sollte allerdings nicht unbeschränkt erteilt werden und bedarf einer Satzungsregelung.10 5. Eine allgemeine Freistellung des Geschäftsführers zur Berücksichtigung auch unternehmensfremder Interessen nach eigenem Ermessen ist durch Satzungsregelung grundsätzlich möglich, allerdings in der Regel nicht zu empfehlen.11 Eine Freistellung kann nicht pauschal erfolgen, sondern erfordert stets einen bestimmbaren Rahmen. Zudem ist anstelle der abbedungenen Interessenbindung eine Ersatzregelung mit der gewünschten Bindungsintensität zu schaffen. Im Falle unumgänglicher Drittinteressenbindungen des Geschäftsführers, beispielsweise durch Anstellungsverträge oder Haftungsfreistellungsvereinbarungen, kann eine Freistellung zur Mitberücksichtigung von konkreten Interessenträgern empfehlenswert sein. 6. In einem besonders schnelllebigen geschäftlichen Umfeld oder bei besonderem Vertrauen in die Erfahrung und die Intuition eines Geschäftsführers, kann es empfehlenswert sein, diesen von der Verpflichtung zur Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage freizustellen. Eine solche Einschränkung der Sorgfaltspflichten kann durch einfachen Gesellschafterbeschluss vorgenommen werden.12 Bei einer umfassenden, im Voraus erteilten Freistellung von der Pflicht zur sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung ist allerdings eine Öffnungsklausel in der Satzung zu empfehlen.13

B. Ausschluss und Einschränkung der BJR 1. Ein allgemeiner Ausschluss der BJR ist nicht ohne weiteres möglich. Die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über den Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers endet dort, wo die Gefahr einer Erfolgshaftung beginnt.14 Die volle Überprüfbarkeit von unternehmerischen Entscheidungen birgt die hohe Gefahr, eine Erfolgshaftung zulasten des Geschäftsführers auszulösen und damit das unternehmerische Risiko auf diesen zu übertragen. Unwirksam sind daher Regelungen, die eine Haftung unmittelbar an einen Schadenseintritt knüpfen, und

10

Siehe zum Erfordernis einer Satzungsregelung bei treuepflichtrelevanten Pflichtenänderungen: Terlau/Hürten, in: Römermann, Anwalts-Hdb. GmbH, § 9 Rn. 31 (Wettbewerbsverbot). 11 Siehe zu den Freistellungsmöglichkeiten im konkreten Einzelfall oben: § 10 C. III 2. a). 12 Siehe zur Freistellung von der Verpflichtung zur sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung bereits ausführlich oben: § 10 D. II. 13 Aufgrund der unsicheren Rechtslage verspricht eine Satzungsregelung größere Rechtssicherheit, siehe zum Meinungsstand oben: § 10 D. II. 2. 14 Siehe Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 64; Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 8.

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4. Teil: Schlussbetrachtungen

solche, die eine eigenverantwortliche Wahrnehmung von Kompetenzen vorsehen, jedoch einen unternehmerischen Ermessensfreiraum ausdrücklich ausschließen. 2. Im Übrigen stehen die Sorgfaltsanforderungen des Geschäftsführers grundsätzlich zur Disposition der Gesellschafter. Dementsprechend können die Anforderungen an ein sorgfältiges Verhalten durch Verfahrensvorschriften und Verhaltensgebote konkretisiert werden und damit auch die Voraussetzungen eines unternehmerischen Ermessens heraufgesetzt werden.15 3. Die Anwendbarkeit der BJR kann durch den umfassenden Entzug eigenständiger Entscheidungskompetenzen des Geschäftsführers weitestgehend ausgeschlossen werden. Ohne eigenständige Entscheidungsbefugnisse besteht auch kein Raum für ein unternehmerisches Ermessen. Im Rahmen einer solchen Beschränkung ist allerdings ein unbeschränkbarer Kernbereich von Geschäftsführerkompetenzen zu beachten.16

C. Empfehlungen für den Geschäftsführer 1. Erste und nächstliegende Empfehlung an den Geschäftsführer ist es, sich über die Grenzen seines unternehmerischen Ermessens im Klaren zu sein. Dies bedeutet zunächst, auf eine transparente und eindeutige Kompetenzverteilung in der Gesellschaft hinzuwirken und in diesem Rahmen die Risikoeinstellung der Gesellschafter zu kennen. Weiterhin muss sich der Geschäftsführer der gesetzlichen Beschränkungen bewusst sein. Dies schließt hinreichende Compliance-Vorkehrungen mit ein. 2. Es ist eine deutliche Abgrenzung von privaten und unternehmensbezogenen Interessensphären vorzunehmen. Bei Überschneidungen ist der Interessenkonflikt offenzulegen und es sollte für betroffene Entscheidungen das Einverständnis der Gesellschafter eingeholt werden. Allein die Offenlegung eines Interessenkonflikts legitimiert diesen nicht. Ein unternehmerisches Ermessen lebt auch dann nicht wieder auf, wenn die Gesellschafter die Entscheidung nach Offenlegung auf den Geschäftsführer zurückübertragen. Erst Weisung, Billigung oder eine ausdrückliche Freistellung von der Interessenbindung können die Haftungsgefahren einschränken. 3. Jede Entscheidung ist dem Risiko, der Bedeutung und dem zeitlichen Rahmen entsprechend in einer angemessenen Kosten-Nutzen-Relation vorzubereiten. Die Entscheidungsvorbereitung sollte dabei unbedingt so weit dokumentiert werden,

15

Siehe Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 35 Rn. 476. Jedenfalls die gesetzlich zwingenden Zuständigkeiten können den Geschäftsführern nicht entzogen werden, siehe oben: § 5 A. II. 16

§ 13 Ergebnisse und Ausblick

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dass sich die getroffene Entscheidung aus der geschaffenen Informationsgrundlage nachvollziehbar herleiten lässt.17 4. Externe Sachverständigengutachten und Expertenrat sind nur dann einzuholen, wenn die benötigten Kompetenzen im eigenen Unternehmen fehlen.18 Ist dies der Fall, kann sich der Geschäftsführer an einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger wenden. Soweit er diesem umfassend die Verhältnisse der Gesellschaft darlegt, die erforderlichen Unterlagen offenlegt und dessen Rat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht, ist sein Verschulden bei Befolgung eines entsprechenden Rates ausgeschlossen. 5. Soweit der GmbH-Geschäftsführer im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR handelt, steht ihm ein weiter unternehmerischer Ermessensfreiraum bei der Verwirklichung des Unternehmensinteresses offen. Angreifbar sind in diesem Rahmen nur Entscheidungen, die offensichtlich das Unternehmensinteresse verfehlen. Zurückhaltung ist daher bei Leistungen ohne nachvollziehbaren Gegenwert für das Unternehmen geboten. Insbesondere Spendenzahlungen und ein Abweichen von allgemein anerkannten geschäftlichen Standards sollten daher mit den Gesellschaftern abgestimmt werden.

§ 13 Ergebnisse und Ausblick Gegenstand der Untersuchung war die Einschränkbarkeit der Haftung des GmbHGeschäftsführers im Bereich von unternehmerischen Entscheidungen durch die Anwendung der BJR. Im ersten Teil der Arbeit konnte zunächst dargestellt werden, dass das unternehmerische Ermessen im deutschen Gesellschaftsrecht eine eigenständige historisch gewachsene Grundlage findet. Sodann konnte herausgearbeitet werden, dass dieses unternehmerische Ermessen durch Einflüsse aus dem USamerikanischen Recht und durch die Einführung des § 93 I 2 AktG in Form der BJR weiter konkretisiert wurde. Die BJR ist nicht mit dem allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens gleichzusetzen. Sie definiert nur den Teilbereich dieses allgemeinen Grundsatzes, in welchem die gerichtliche Kontrolle weitest möglich ausgeschlossen ist. Entsprechend sind zur Gewährleistung eines solchen weiten Ermessensfreiraumes die Ergebnisse der im Aktienrecht intensiv geführten Diskussion zu den Tatbestandsvoraussetzungen der BJR weiterentwickelt und präzisiert worden. Infolge der Eingrenzung des unternehmerischen Ermessens auf seinen Kernbereich, konnte die eigenständige Bedeutung der BJR gegenüber dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 93 I 1 AktG und dem auch dort zu achtenden allgemeinen unternehmerischen Ermessens herausgestellt werden. 17

Siehe auch Ockelmann/Pieperjohanns/Hölck, in: Bormann/Kauka/Ockelmann, Hdb. GmbH, Kap. 7 Rn. 160 (S. 406). 18 Siehe Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 58; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 35 Rn. 127; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16.

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4. Teil: Schlussbetrachtungen

Im zweiten Teil wurden die für die BJR relevanten Rahmenbedingungen im Haftungssystem der AG und der GmbH gegenübergestellt. Die Haftung von GmbHGeschäftsführer und AG-Vorstand ist im Grundsatz übereinstimmend ausgestaltet. Die Handlungsanforderungen können sich dennoch aufgrund der abweichenden Kompetenzordnung in den beiden Gesellschaftsformen erheblich unterscheiden. Die GmbH-Gesellschafter haben die Gestaltung des Handlungsziels des Geschäftsführers, die Konkretisierung einzelner Verhaltensanforderungen sowie die Disposition über Haftungseinschränkungen und -freistellungen selbst in der Hand. Die herausgehobene Stellung der Gesellschafter führt zu einer speziellen Pflichtenstellung des Geschäftsführers. Je nach deren konkreten Ausgestaltung durch die Gesellschafter können die Haftungsrisiken im Vergleich zum AG-Vorstand steigen oder sinken. Entsprechend flexibel gestaltet sich der Rahmen, in welchen sich die BJR einfügen muss. Die Erkenntnisse aus Teil eins und zwei münden im dritten Teil in die Erschließung eines eigenständigen Anwendungsbereichs der BJR im GmbH-Recht. Im Rahmen der Darstellung der sachlichen und der dogmatischen Grundlage einer GmbH-spezifischen BJR konnte zunächst deren Berechtigung als eigenständige Haftungsregel im GmbH-Recht herausgestellt werden. Anknüpfend an die zur AG entwickelten Tatbestandsvoraussetzungen der BJR als Kernbereich unternehmerischen Ermessens, konnten sodann die zur GmbH erforderlichen Ergänzungen aufgebaut werden. Zentralen Einfluss auf die Gestaltung eigenständiger Tatbestandsvoraussetzungen der BJR haben die Kompetenzordnung und die Dispositionsbefugnisse der Gesellschafter. Entsprechend ist der Anwendungsbereich der BJR entlang den Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen der Gesellschafter zu definieren. In diesem Rahmen konnten auch die Möglichkeiten zur Freistellung des Geschäftsführers von Sorgfaltsanforderungen, Legalitätspflicht und Treuepflichten und damit die Möglichkeiten zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der BJR untersucht werden. In der Gesamtschau ergibt sich ein unternehmerischer Ermessensfreiraum des GmbH-Geschäftsführers, der aufgrund der engen Bindung an den Gesellschafterwillen regelmäßig enger ausgestaltet sein wird als jener des AGVorstands. Die dargelegte Disponibilität des Ermessensfreiraumes in der GmbH ermöglicht jedoch auch das gegenteilige Ergebnis. Diese Arbeit hat sich nur mit einem Teilbereich des unternehmerischen Ermessens befasst und lässt trotz der bisher schon umfangreichen Diskussion zu dem Thema Raum für zukünftige Forschung. Aus der Untersuchung ausgeklammert waren im Wesentlichen die GmbH in der Insolvenz und die GmbH im Konzern. Ebenfalls nur gestreift wurde das unternehmerische Ermessen der Gesellschafter, die Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen, ohne organschaftlich die Geschäftsführung zu übernehmen. Ein weiteres Forschungsfeld bietet sich schließlich bezüglich der konkreten Ausgestaltung einer BJR in Personengesellschaften.

§ 13 Ergebnisse und Ausblick

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In Zukunft ist mit Blick auf die zunehmende Formalisierung der Verhaltensanforderungen an die Geschäftsleiter ein Rückgang von unternehmerischen Ermessensfreiräumen zu befürchten. Die Herausforderung sowohl für die juristische als auch für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung wird es sein, einer Überregulierung entgegenzuwirken und Anreize für wirtschaftlich fortschrittliches und innovatives Verhalten durch unternehmerische Handlungsfreiräume zu erhalten. Ob und in welcher Form eine Normierung der BJR im GmbHG zu empfehlen ist, soll hier offengelassen werden. Jedenfalls lässt sich die Frage der Anwendbarkeit der BJR auf die GmbH auch ohne gesetzliche Normierung deutlich bejahen. Die Definition des GmbH-spezifischen Anwendungsbereichs ist ebenfalls bereits in einem praktikablen Rahmen möglich. Dies gilt insbesondere, soweit die in der GmbH bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten sinnvoll zur unternehmensspezifischen Optimierung der Verhaltensanforderungen genutzt werden.

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Sachwortregister Abhängigkeit der Geschäftsführer 211 Actio pro socio 162 Aktionärsklagerecht 161 Analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG 220 Angemessene Informationsgrundlage 81, 291 – Beweislastverteilung 103 – Dispositionsbefugnisse der Gesellschafter 298 – gerichtlicher Überprüfungsmaßstab 111 – Gremienentscheidungen 94 – Intuition 89, 301 – materielle Verfahrensmaßstäbe 86 – nach formellen Vorgaben 82 – objektiver/subjektiver Wertungsmaßstab 88, 292 – Rechtsprechung des BGH 293 Anspruchsdurchsetzung 161 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 32, 223 Arbeitnehmerstellung des Geschäftsführers 209 Ausschluss der BJR 311 Außergewöhnliche Maßnahmen 231 Ausstrahlungswirkung des § 93 I 2 AktG 224 Berichtspflicht des Geschäftsführers 233 Berufung des Geschäftsführers 211 Bestandsgefährdende Risiken siehe Existenzbedrohende Risiken Betrieblich veranlasste Tätigkeit 165, 209 Beweislastverteilung 96, 304 Compliance 152 – gesetzliche Pflicht 153 Compliance Management System 152 Corporate Social Responsibility 187 DCGK 129, 142 Dispositionsbefugnis der GmbH-Gesellschafter 119, 169 f., 177

Disziplinierungsmechanismen 214 D&O-Versicherung 167, 171, 213 – als Klageanreiz 213 Dogmatische Einordung der BJR – im Aktienrecht 105 – in der GmbH 218 Einberufungsrecht Gesellschafterversammlung 248 Einmanngesellschafter-Geschäftsführer 252 Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter 243 – Intensität 250 – Mehrheitsgesellschafter 251 Entscheidung unter Unsicherheit 39, 205 – andere Berufsträger 206 Entscheidungsfindungsprozess 81, 88, 290 Erfolgshaftung 107 Erwartungswert 38 Existenzbedrohende Risiken 64, 268 Expertenrat 44, 158, 166, 171 Faktischer Geschäftsleiter 126 Fortführungsprognose 237 Freistellung von der Interessenbindung 285, 287 Funktion der Haftung 125, 167 – Schadensausgleich 214 – Verhaltenssteuerung 214 Gebundene Entscheidung des Vorstands 51 Geheimhaltungsinteresse 136 – unternehmerisches Ermessen eigener Art 137 Gesamtverantwortung 151 Gesamtzuständigkeit 151 Geschäftschancenlehre 132, 284 Gesellschafter – Anstellungsverhältnis 259 – Einwirkungsmöglichkeiten 243

338

Sachwortregister

– Rechte 254 – Treuepflicht 243 Gesellschafter-Geschäftsführer 263 – Beweislastverteilung 306 – effektive Kontrolle der Geschäftsführertätigkeit 246 – gerichtliche Kontrolldichte 253 – haftungsbefreidende Weisung 255 – Interessenkonflikte 273 – Mehrheitsgesellschafter 251 – Minderheitsrechte 248 – mitgliedschaftliche Treuepflicht 246 – organschaftliche Treuepflicht 245 – qualifizierte Einwirkungsmöglichkeiten 243 – Sorgfaltspflichtenmaßstab 253 Gesellschafter-Geschäftsführerstellung als Ausschluss der BJR 244 Gesellschafterinteressen siehe ShareholderInteressen Gesellschafterweisungen 234 – anfechtbare 209, 235 – nichtige 236 – zu Gesetzesverstößen 238 Gesellschafterwille 188 – formelle Voraussetzungen 301 – gerichtlicher Überprüfungsmaßstab 235, 267 – mutmaßlicher 191, 232 – Willensbildungsorgan 190 Gesellschaftswohl 128 – Abgrenzung 55 – im Aktienrecht 58 Gesellschaftszweck 188 Gesetzesimmanente Lückenfüllung 224 Gesetzgebungsverfahren GmbHG 220 Gewinnmaximierung als Leitmaxime 189, 265 Gläubigerschutz 176 – historische Grundlage 177 Gläubigerschutzfunktion der BJR 299 Gutgläubigkeit 96, 303 Haftungsbefreiung – durch mutmaßlichen Gesellschafterwillen 193 – nachträgliche 170 – rechtmäßiges Alternativverhalten 194

Haftungsbeschränkung 163 Haftungskonzentration 125 Haftungsmaßstab 107 Haftungsrisiken 161 – anfechtbare Weisungen 209, 283 – asymmetrische Verteilung der 212 – bei Risikoentscheidungen 204 – des Geschäftsführers 168 – des Vorstands 40, 163 – Vergabe von Gesellschafterkrediten 208 – Verzicht 165, 170 Haftungssystem 125 Handeln zum Wohle der Gesellschaft 58, 264 – Beweislastverteilung 102 – existenzbedrohende Risiken siehe Existenzbedrohende Risiken – gerichtlicher Überprüfungsmaßstab 111 – Spenden 65, 269 – unverantwortliche Risiken 64, 269 – Verhältnis zur Kompetenzordnung 266 – wirtschaftlich nachteilige Geschäfte 65, 179 Hauptversammlungsbeschluss 164 Hindsight Bias 39, 208

Innenhaftung 125 Interessenkonflikte 66, 271 – abstrakter Interesseneinfluss 277 – Beweislastverteilung 103, 306 – Billigung durch Gesellschafterversammlung 288 – Drittanstellung 276 – Drittvergleich 80, 130 – Gremienentscheidungen 76, 280 – Heilung 289 – Infizierung 280 – Intensitätsschwelle 72, 277 – Näheverhältnis 69, 277 – Offenlegung 76, 131, 288 – Treuepflicht 129 – unternehmerisches Ermessen eigener Art 78, 290 Interessenmonistische Ausrichtung 186 Interessenpluralistische Ausrichtung 59

Sachwortregister Kapitalerhaltung 147 Kapitalistisch ausgestaltete GmbH 123, 200 Kausalität 159 Kleine Aktiengesellschaft 122 Kompetenzen der Gesellschafter 228 – ungeschriebene 229 Kompetenzgefüge 119, 216 Kontrolle der Geschäftsführertätigkeit 246 Kreditgewährung an Geschäftsleiter 134 Legal Judgment Rule 46 Legalitätspflicht 43, 144, 227 – Beurteilungsspielraum 148 – Beweislastverteilung 307 – de minimis-Regel 240 – Dispositionsbefugnis der Gesellschafter 238 – Einzelregelungen 146 – Gesellschafterweisungen 234 – Grundsätze der Geschäftsmoral 149 – Kompetenzordnung 228 – Legalitätskontrollpflicht 152 – nützliche Gesetzesverstöße 44 – Rechtsirrtum 44 – Schmiergeldzahlungen 44, 148 – Überwachungspflicht 150 – unklare Rechtslage 45 – vertragliche Pflichten 149 Leitbildcharakter des § 93 I 2 AktG 224 Leitungsbefugnisse des Geschäftsführers 116 – außergewöhnliche Geschäfte 117 – Unternehmenspolitik 117 Leitungsmacht 217 Leitungsmacht des Vorstands 114 f. Management Buy-Out 134 Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer 251 – Stimmverbot 252 Minderheitsrechte 248 Mitbestimmungsrechte 182 MoMiG 220 Normierung der BJR im GmbHG Organisationsfreiheit

217

315

339

Personalistisch ausgestaltete AG 122 Personalistische Gesellschaftsstruktur 259 – Schutz des Anstellungsverhältnisses 259 Pflichtenstellung 126 Principles of Corporate Governance 73 Prinzipal-Agenten-Verhältnis 130, 210, 253 Publikums-GmbH & Co. KG 123 Realstruktur der Gesellschaft 247 Rechtmäßiges Alternativverhalten 194 Rechtsfortbildung extra legem 225 Rechtsirrtum 44, 47, 158 Relevanz der BJR 106 Relevanz der Unternehmensformen 143 Richterrecht 222 Richtigkeitsgewähr 82, 286, 291 Risikoaverse Aktionäre 200 Risikodiversifikation 199 Risikoentscheidungen 268 – Bürokratiehindernisse 204 – Ermutigung zu 38 – in der GmbH 202 – Risikobestimmung 202 – wirtschaftlich vorteilhafte 204 Risikomanagement 153 Risikoneutral 198 Rückschaufehler siehe Hindsight Bias Satzungsautonomie 119, 168 Satzungsgestaltung 309 Satzungsstrenge 119, 163 Schaden 160 – Regressreduzierung 160 Selbstkontrahierungsverbot 130, 272, 310 Shareholder-Interessen 60, 174 Smith v. Van Gorkom 83 Sorgfaltspflicht 140 – Disposition über die ~ 298 – externe Pflichtenquellen 148 – Gesellschafter-Geschäftsführer 253 – gesetzlich konkretisierte 144 – gesetzlich nicht konkretisierte 142 – interne Pflichtenquellen 145 – Legalitätspflicht 144 – Organisationspflicht 152 – Unterteilung 141 Sperrminorität 249

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Sachwortregister

Stakeholder-Interessen 59, 174, 274 Stufenmodell zu Interessenkonflikten 73, 277 Treuepflicht 53, 127, 241 – Beweislastverteilung 305 – Drittvergleich 80, 305 – Durchsetzung 139 – Einwirkungsmöglichkeiten 242 – Entbindung von der ~ 139, 284 – Fremdgeschäftsführer 242 – Interessenkonflikt 129 – mitgliedschaftliche 137, 243, 254 – organschaftliche 128, 242 – Realstruktur der Gesellschaft 247 – Verhältnismäßigkeitsprüfung 260 – Verteilung der Anteilsverhältnisse 248 Überwachungspflicht 150 – des Aufsichtsrats 161 – horizontale 150 – vertikale 151 UMAG 32 Unternehmensgegenstand 189, 230 Unternehmensinteresse – Arbeitnehmerinteressen 182, 274 – Bestandsinteresse 185 – Emessen bei der Bestimmung des 61 – Finanzierungsstruktur 120 – gesetzliche Grundlage 175 – Gewinnmaximierung 187 – Gläubigerinteressen 176, 274 – GmbH-Konzern 185 – im Konzern 276 – in der Aktiengesellschaft 58

– in der GmbH 174, 264 – Interessen der Allgemeinheit 184 Unternehmenspolitik 230 – Grundsätze der 230 – Grundsatzentscheidungen 230 Unternehmerische Entscheidung 41, 226 – Beweislastverteilung 102 – Definition 226 Unternehmerisches Ermessen – dogmatische Herleitung 108, 216 – eigener Art 46, 78 – Historische Entwicklung 30 Unverantwortliche Risiken 64 Verbandsautonomie 218 Verschulden 157 – Zurechnung 150, 159 Verschwiegenheitspflicht 135 Verteilung der Anteilsverhältnisse 248 Vertragliche Haftungserleichterung – formelle Voraussetzungen 169 – in der AG 164 – in der GmbH 168 Vorlagepflicht 192, 229 – mutmaßlicher Gesellschafterwille 232 Weisungsgebundenheit 116 – Risiken der ~ 208 Weisungsrecht 119, 179 Wettbewerbsverbot 131 – Freistellung von dem ~ 284 Zurechnungszusammenhang 195 Zustimmungskataloge 233, 310 Zustimmungsvorbehalte 233