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German Pages 292 Year 2018
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 128
Die Business Judgment Rule als typübergreifendes Institut Von
Stephan Fischer
Duncker & Humblot · Berlin
STEPHAN FISCHER
Die Business Judgment Rule als typübergreifendes Institut
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 128
Die Business Judgment Rule als typübergreifendes Institut Von
Stephan Fischer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Mai 2018 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago), der das Thema dieser Arbeit angeregt und mich in meiner Zeit als Doktorand stets mit hilfreichen Ratschlägen unterstützt hat. Durch die gleichzeitig ausgeübte Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Abt. II, verbunden mit interessanten und vielfältigen Aufgabenbereichen, konnte ich mich nicht nur in juristischer, sondern auch in menschlicher Hinsicht weiterentwickeln. Des Weiteren möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Boris Paal, M.Jur. (Oxford), für die Übernahme und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens herzlich bedanken. Zudem bin ich sehr dankbar für den Druckkostenzuschuss, den ich von der Burckhardt-Stiftung erhalten habe. Meinen Eltern Beate und Thomas Fischer widme ich diese Arbeit als Dank für ihre immerwährende Unterstützung auf meinem bis zu diesem Zeitpunkt beschrittenen Lebensweg. München, im Juli 2018
Stephan Fischer
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Kapitel 1 Die Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
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A. Die Entwicklung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Der Ursprung der Business Judgment Rule im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Die Rechtslage vor der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung des BGH . . . . . . . . 27 III. Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Kodifizierung durch das UMAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Handeln auf Grundlage angemessener Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . 36 V. Handeln in gutem Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 D. Die Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Der Richter ist kein Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 IV. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 47 2. Statutarische Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. § 93 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
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Inhaltsverzeichnis 5. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 V. Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VI. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder im Interesse der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre als Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre als einzige Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VII. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Kapitel 2 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE mit Sitz in Deutschland
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A. Die Leitungsstruktur der monistisch verfassten SE und die Haftung des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 B. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der monistischen SE in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Steigerung der Attraktivität von Verwaltungsratsposten und der Posten von geschäftsführenden Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 79 2. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Weisungsabhängigkeit der geschäftsführenden Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . 80
Inhaltsverzeichnis
9
4. Kontroll- und Durchsetzungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren im Interesse der Aktionäre . . . . . . . . 87 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 D. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistisch verfassten SE in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 E. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
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I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule . . . . . 92 1. Die Weisungsgebundenheit des Verwaltungsrats gegenüber der Hauptversammlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Die Weisungsgebundenheit der geschäftsführenden Direktoren . . . . . . . . . . . 93 II. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Kapitel 3 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
98
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Steigerung der Attraktivität von Geschäftsführerposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 103 2. Weisungsgebundenheit gem. § 37 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Milderung der Geschäftsführerhaftung im Rahmen des § 43 GmbHG . . . . . . 105
10
Inhaltsverzeichnis 4. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer 112 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft 112 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer im Interesse der GmbH-Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule . . . . . 121 1. Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Ungeschriebene Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Der mutmaßliche Wille der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Außergewöhnliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Gesellschafter-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Kapitel 4 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
137
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Genossenschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Inhaltsverzeichnis
11
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 142 2. Haftungserleichterungen für nebenamtlich und ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen von Mitgliedern der eG . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder im Interesse der Mitglieder einer eG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf das Recht der eG in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der eG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Statutarische Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Grundsatz der Selbstorganschaft/Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Kapitel 5 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
161
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
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Inhaltsverzeichnis
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Stiftung in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 166 2. Haftungsprivilegierung durch Landesstiftungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Haftungsprivilegierung durch die Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Haftungsprivilegierung für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . 169 5. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6. Durchsetzungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 IV. Vermeidung missbräuchlicher Destinatärsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse des Stifters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5. Kontrolle durch die Stiftungsaufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 6. Kontrolle durch die Steuerbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7. Kontrolle durch die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Stiftung in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule . . . . . 190 1. Statutarische Rechte des Stifters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Statutarisches Weisungsrecht des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Handeln auf Grundlage angemessener Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Kapitel 6 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
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A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 201 2. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Milderung des Haftungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Weisungsabhängigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6. Durchsetzungsdefizit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Vereinsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 206 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vereinsvorstands zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vereinsvorstands im Interesse der Vereinsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule . . . . . 215 II. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
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E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Kapitel 7 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht 219 A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Personengesellschaft in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Gefahr des Hindsight Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Steigerung der Attraktivität von Geschäftsführerposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. § 708 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Personalistisch strukturierte Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Publikumspersonengesellschaften und weitere kapitalistisch strukturierte Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Milderung der Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . 228 4. Durchsetzungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer
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1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft 233 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 VI. Kontrolle durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Kontrolle durch den Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft in methodischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft . . . . . 242 I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule . . . . . 242 1. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in der oHG und KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
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2. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in einer Publikumspersonengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Geschäftsführende Gesellschafter einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Kapitel 8 Schlussbetrachtung
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AcP a.E. a.F. AG AktG AktR Anh. AO ArbeitsR-Hdb. Art. BAG BAG GS BayStiftG BB Bd. BeckHdb. Begr. BGB BGBl. BGH BGHZ BremStiftG BT-Drucks. Bus. Law. BVerwG BWStiftG bzw. CCZ Colum. L. Rev. DB DCGK Del. Ch. Del. Supr. D&O-Versicherung DStR eG Einl. EStG
anderer Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Aktienrecht Anhang Abgabenordnung Arbeitsrechts-Handbuch Artikel Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsgericht Großer Senat Bayerisches Stiftungsgesetz Betriebsberater Band Beck’sches Handbuch Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bremisches Stiftungsgesetz Bundestags-Drucksache Business Lawyer Bundesverwaltungsgericht Stiftungsgesetz für Baden-Württemberg beziehungsweise Corporate Compliance Zeitschrift Columbia Law Review Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware Court of Chancery Delaware Supreme Court (Zitierweise für Entscheidungen des Delaware Supreme Court) Directors’ & Officers’-Versicherung Deutsches Steuerrecht eingetragene/n Genossenschaft Einleitung Einkommensteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis etc. f./ff. Fin. A. J. Fn. FS GbR GenG GesR GG GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GmbHR Großkomm GS GWB HbgStiftG Hdb. Hdb. AktR Hdb. zum VereinsR HessStiftG HGB HK h.M. Hrsg. Hs. i.E. InsO i.S.d. i.V.m. J. Econ. Lit. J. Fin. J. Fin. Econ. J. Polit. Econ. JuS JW JZ Kap. KG KK KStG KWG LG Louisiana Supr. Mass. Supr.
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et cetera folgende/fortfolgende Financial Analysts Journal Fußnote Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Genossenschaftsgesetz Gesellschaftsrecht Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau Großkommentar Gedächtnisschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hamburgisches Stiftungsgesetz Handbuch Handbuch des Aktienrechts Handbuch zum Vereinsrecht Hessisches Stiftungsgesetz Handelsgesetzbuch Handkommentar herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz im Ergebnis Insolvenzordnung im Sinne des/der in Verbindung mit Journal of Economic Literature Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Political Economy Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft Kölner Kommentar Körperschaftsteuergesetz Kreditwesengesetz Landgericht Louisiana Supreme Court (Zitierweise für Entscheidungen des Louisiana Supreme Court) Supreme Judicial Court of Massachusetts (Zitierweise für Entscheidungen des Supreme Judicial Court of Massachusetts)
18 M&A-Transaktionen MHdb. GesR MüKo m.w.N. Nds StiftG n.F. NJW NJW-RR npoR Nr. N.Y. Ct. App. NZA NZG NZI oHG OLG Or. L. Rev. RdA RegE RG RGZ Rhode Island Supr. RIW Rn. S. SächsStiftG SE SEAG SE-VO StiftG NRW StiftungsR-Hdb. UMAG Urt. Val. U. L. Rev. VerwRspr vgl. VorstAG VVG WM WPg WpÜG WuB z. B. ZEV ZfbF ZfgG ZfP
Abkürzungsverzeichnis Mergers & Acquisitions-Transaktionen Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Niedersächsisches Stiftungsgesetz neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Zeitschrift für das Recht der Nonprofit Organisationen Nummer New York Court of Appeals Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oregon Law Review Recht der Arbeit Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rhode Island Supreme Court Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Satz/Seite Sächsisches Stiftungsgesetz Societas Europaea/Europäische (Aktien-)Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Verordnung Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Stiftungsrechts-Handbuch Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung der Anfechtungsklage Urteil Valparaiso University Law Review Verwaltungsrechtsprechung vergleiche Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Versicherungsvertragsgesetz Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Politik
Abkürzungsverzeichnis ZGR ZHR ZIP ZJS ZRP ZSR ZSt ZStV
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift zum Stiftungswesen Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen
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Einführung I. Einleitung Dem Vorstand einer AG ist die eigenverantwortliche Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG und die Geschäftsführung der Gesellschaft gem. § 77 Abs. 1 AktG zugewiesen.1 Im Rahmen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung hat der Vorstand einer AG auch unternehmerische Entscheidungen zu treffen,2 wie beispielsweise Standorterweiterungen,3 M&A-Transaktionen,4 Verhandlungen von Vertragsinhalten,5 die Eröffnung von neuen oder das Abstoßen von alten Geschäftsfeldern.6 Mit Blick auf aktuelle Gegebenheiten muss z. B. im Automobilbau die Entscheidung getroffen werden, ob und wann der Entwicklung und Produktion von Autos mit Elektroantrieb derjenigen von Autos mit herkömmlichem Verbrennungsmotor der Vorzug gegeben wird. Dass solch eine technologisch geprägte Entscheidung eine unternehmerische Entscheidung darstellt, steht außer Frage.7 Daneben wird in der Technologiebranche derzeit in zukunftsträchtige Themen wie die künstliche Intelligenz investiert. Auch bei Investitionsmaßnahmen handelt es sich um unternehmerische Entscheidungen.8 Sofern der Vorstand einer AG solche unternehmerischen Entscheidungen zu treffen hat, stellt dies zumindest den Türöffner für den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dar.9 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist 1 Während der Begriff der Geschäftsführung weit gefasst wird und jede tatsächliche und rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Gesellschaft umfasst, ist die Leitung als Führungs- und Unternehmerfunktion des Vorstands, mithin als herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung, zu verstehen, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 Rn. 8; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 19 Rn. 16. 2 Vgl. Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36. 3 BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549 (550) = ZIP 2011, 766 (767). 4 OLG Frankfurt, Urt. v. 07. 12. 2010 – 5 U 29/10, AG 2011, 173 (175) = NZG 2011, 62 (65). 5 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. 10. 2010 – 20 W 16/06, AG 2011, 49. 6 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 87; vgl. Ott, ZGR 2017, 149 (153). 7 Vgl. Ott, ZGR 2017, 149 (156). 8 Vgl. BGH, Urt. v. 03. 03. 2008 – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365 (371) = WM 2008, 787 (789) – UMTS. 9 Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag, 2014, E 43; Ott, ZGR 2017, 149 (151); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 17; vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 80.
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Einführung
Teil von § 93 AktG, der zentralen Norm für die Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit bzw. Haftung des Vorstands gegenüber der AG.10 Sind die Voraussetzungen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt, so handelt der Vorstand nicht pflichtwidrig, auch dann nicht, wenn die durch die unternehmerische Entscheidung in Gang gesetzte wirtschaftliche Entwicklung zu einem Misserfolg führt.11 Demnach stellen die Business Judgment Rule und der dadurch gewährte unternehmerische Ermessensspielraum eine Haftungsprivilegierung im Rahmen der Innenhaftung des Vorstands gegenüber der AG dar.12 Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wurde im Jahre 2005 durch das UMAG13 ins deutsche Aktienrecht eingeführt und hat somit bereits mehr als zehn Jahre Bestand. In den letzten Jahren hat ein Blick auf andere Rechtsformen gezeigt, dass die Business Judgment Rule ausschließlich im Aktienrecht kodifiziert worden ist. So hat es nach der Gesetzeslage den Anschein gemacht, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein Spezifikum des Aktienrechts ist. Mittlerweile ist jedoch im Genossenschaftsrecht durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften14 in § 34 Abs. 1 S. 2 GenG eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift eingeführt worden. Auch die Regierungsbegründung zum UMAG ist bereits davon ausgegangen, dass der „Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen […] nicht auf den Haftungstatbestand des § 93 AktG und nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt“ sei, sondern „sich auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung“ finde.15 Geht es nach dem Gesetzgeber, ist die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kein Spezifikum des Aktienrechts. Ob die Business Judgment Rule aber tatsächlich als typübergreifendes Institut deklariert werden kann, wird im Fokus der folgenden Untersuchung liegen.
10 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; Bürgers, in: Bürgers/ Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 1. 11 Lutter, ZIP 2007, 841 (842 f.); Brauchle, Unternehmerische Entscheidung und Risikomanagement, 2016, S. 9; vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61; vgl. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 16; vgl. Ihrig, WM 2004, 2098. 12 Faßbender, NZG 2015, 501; vgl. Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag, 2014, E 43. 13 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung der Anfechtungsklage vom 22. 09. 2005, BGBl. I, 2802. 14 Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BGBl. I, 2434. 15 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12.
Einführung
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II. Gang der Darstellung Im ersten Kapitel wird die Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft dargestellt. Einleitend wird dabei zunächst auf die Entwicklung der Business Judgment Rule, d. h. auf ihre Ursprünge im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht bis hin zu ihrer Kodifikation im deutschen Aktienrecht im Jahre 2005 durch das UMAG,16 eingegangen. Daraufhin werden die Voraussetzungen, die Rechtsnatur sowie Rechtswirkungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erläutert. Sodann werden etwaige Legitimationsgrundlagen, die hinter § 93 Abs. 1 S. 2 AktG stehen könnten, diskutiert. Im Rahmen dieser Diskussion wird von einer dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenden Publikums-AG, die börsennotiert ist, ausgegangen. Die für überzeugend erachteten Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bilden die Grundlage für die weiteren Untersuchungen. In den nachfolgenden Kapiteln wird im Wesentlichen untersucht, ob diese Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in Bezug auf den Vorstand einer börsennotierten Publikums-AG auf die Führungspositionen unterschiedlichster Rechtsformen übertragbar sind. Sofern die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht übertragbar sind, wird geprüft, ob § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in der entsprechenden Rechtsform auch in methodischer Hinsicht angewendet werden kann.17 Wenn eine Anwendung der Business Judgment Rule in jeglicher Hinsicht überzeugend ist, wird darüber hinaus ermittelt, ob und wenn ja, welche Besonderheiten bei der Anwendung der Business Judgment Rule in der entsprechenden Rechtsform zu beachten sind. Anhand dieses Schemas wird im zweiten bis einschließlich siebten Kapitel beispielhaft untersucht, ob die Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE, der GmbH, der Genossenschaft, der Stiftung, des Vereins und der Personengesellschaften anwendbar ist. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen dazu, im achten Kapitel ein abschließendes Ergebnis zu der Frage, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als typübergreifendes Institut einzuordnen ist, festzuhalten.
16
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung der Anfechtungsklage vom 22. 09. 2005, BGBl. I, 2802. 17 Die Terminologie der „sachlichen“ und „methodischen“ Übertragbarkeit der Business Judgment Rule auf andere Rechtsformen stammt von Fleischer, NZG 2011, 521 (523).
Kapitel 1
Die Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft A. Die Entwicklung der Business Judgment Rule I. Der Ursprung der Business Judgment Rule im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Die Business Judgment Rule hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht. Die Anfänge der Business Judgment Rule reichen bis in das 19. Jahrhundert, genau genommen bis ins Jahr 1829, zurück,1 in dem der Louisiana Supreme Court in einer Entscheidung die ersten Grundsätze über die Business Judgment Rule festgehalten hat.2 Diese Grundsätze sind in der Folgezeit auch von Gerichten anderer Staaten aufgegriffen und konkretisiert bzw. modifiziert worden.3 Diese gerichtlichen Entscheidungen exemplifizieren, dass die US-amerikanische Business Judgment Rule 1 Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule, Vol. 1, Fith Ed. 1998, S. 9; vgl. Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, 2009, S. 62. 2 Vgl. Percy v. Millaudon, 8 Mart. (n.s.) 68, 77 f. (Louisiana Supr. 1829), der die folgenden Grundsätze festgehalten hat: „[T]he occurrence of difficulties […] which offer only a choice of measures, the adoption of a course from which loss ensues cannot make the agent responsible, if the error was one into which a prudent man might have fallen. The contrary doctrine seems to us to suppose the possession, and require the exercise of perfect wisdom in fallible beings. No man would undertake to render a service to another on such severe conditions […] The test of responsibility, therefore, should be, not the certainty of wisdom in others, but the possession of ordinary knowledge; and by shewing that the error of the agent is of so gross a kind that a man of common sense, and ordinary attention, would not have fallen into it.“. 3 Vgl. dazu Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule, Vol. 1, Fith Ed. 1998, S. 10 f., unter anderem mit Verweis auf die Entscheidungen Hodges v. New England Screw Co., 3 R.I. 9, 18 (Rhode Island Supr. 1853): „We think a Board of Directors acting in good faith and with reasonable care and diligence, who nevertheless fall into a mistake, either as to law or fact, are not liable for the consequences of such mistake.“; Pollitz v. Wabash R.R. Co., 207 N.Y. 113, 124 (N.Y. Ct. App. 1912): „Questions of policy of management, expediency of contracts or action, adequacy of consideration, lawful appropriation of corporate funds to advance corporate interests, are left solely to [directors’] honest and unselfish decision, for their powers therein are without limitation and free from restraint, and the exercise of them for the common and general interests of the corporation may not be questioned, although the results show that what they did was unwise or inexpedient.“.
A. Entwicklung der Business Judgment Rule
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anhand von Richterrecht entwickelt und geprägt worden ist und wird.4 Nach dieser Rechtsfigur wird die Ordnungsmäßigkeit unternehmerischen Handelns der Mitglieder des Board of Directors angenommen.5 Das US-Corporate Law hat die Verwaltung der Gesellschaft einheitlich dem Board of Directors zugeteilt (One-TierBoard), das die Geschäftspolitik selbstständig und unabhängig festlegt.6 Die Mitglieder des Board of Directors unterliegen bei ihrer Amtsführung der Sorgfaltspflicht (Duty of Care), der Treuepflicht (Duty of Loyality) und der Pflicht zur Gesetzmäßigkeit (Duty of Obedience).7 Nach der Duty of Care muss ein Director bei der Aufgabenerfüllung diejenige Sorgfalt an den Tag legen, die eine vernünftige Person unter gleichen Umständen aufbringen würde.8 Sofern die Duty of Care verletzt wird, haftet der Director der Gesellschaft gegenüber auf Schadensersatz.9 Die Duty of Care erfährt jedoch durch die Business Judgment Rule eine Einschränkung ihrer „Bissfestigkeit“.10 Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule sehen die Richter von einer inhaltlichen Überprüfung der Entscheidung der Directors ab, so dass ein Safe Harbor für die Directors besteht.11 Es wird in diesem Fall ein sorgfaltspflichtgemäßes Handeln angenommen und erst wenn die Anforderungen der Business Judgment Rule nicht eingehalten worden sind, erfolgt eine inhaltliche Prüfung der Entscheidung durch das Gericht.12 Solange sich die Directors also innerhalb des von der Business Judgment Rule eröffneten Ermessensspielraums bewegen, haften sie nicht persönlich, auch dann nicht, wenn sich die Entscheidung später als Fehlentscheidung herausstellt.13 Da die Kompetenz für das Gesellschaftsrecht bei den einzelnen US-Bundesstaaten liegt,14 gibt es auch heute noch keine allgemeinverbindliche Fassung der 4 Branson, 36 Val. U. L. Rev. (2001 – 2002), 631, 633; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (445); vgl. Eisele, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG – Ein sicherer Hafen?, 2016, S. 55 ff. 5 v. Werder/Feld, RIW 1996, 481 (482); in dieser Darstellung wird lediglich auf den Board of Directors Bezug genommen, weil nicht geklärt ist, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Business Judgment Rule auch für Officers gilt, vgl. Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 922 m.w.N. 6 Keßler, in: FS Baumann, 1999, 153 (159); Bungert, AG 1994, 297 (300). 7 v. Werder/Feld, RIW 1996, 481. 8 Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 904. 9 v. Werder/Feld, RIW 1996, 481; Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 906. 10 Bungert, AG 1994, 297 (301). 11 Vgl. In re J.P. Stevens & Co., Inc. Shareholders Litigation, 542 A.2d 770, 780 (Del. Ch. 1988); Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 922; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 130. 12 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 215; vgl. Kronstein/Hawkins, RIW 1983, 249 (252). 13 Trockels, AG 1990, 139 (140); Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 932. 14 Merkt, AG 2003, 126 (127); vgl. Bungert, AG 1994, 297 (300); vgl. Trockels, AG 1990, 139 (141).
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Business Judgment Rule in den USA.15 Bis jetzt hat auch noch keiner der Bundesstaaten eine Legaldefinition statuiert.16 Dennoch orientieren sich viele Bundesstaaten an der Rechtsprechung des Staates Delaware, da diese insofern richtungsweisend bzw. maßgebend ist, als dort die überwiegende Zahl der Gesellschaften inkorporiert ist.17 Der Delaware Supreme Court hat die US-amerikanische Business Judgment Rule folgendermaßen formuliert: „It is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company.“18 Als Orientierung dient auch die vom American Law Institute entwickelte Definition, die wie folgt lautet: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer: (1) is not interested [§ 1.23] in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“19 Daneben ist hervorzuheben, dass die Business Judgment Rule den beklagten Directors im Prozess zugute kommt, da dadurch eine widerlegbare Vermutung pflichtgemäßen Handelns geschaffen wird, so dass die Kläger beweisen müssen, dass die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht vorliegen.20 Erst wenn dieser Nachweis gelingt, liegt es bei den beklagten Directors zu beweisen, dass die in Rede stehende Entscheidung mit den Anforderungen der Duty of Care konform ist.21
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Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 932; vgl. Eisele, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG – Ein sicherer Hafen?, 2016, S. 58 f. 16 Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 932. 17 Vgl. Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001, S. 37; vgl. Trockels, AG 1990, 139 (141); dass im Bundesstaat Delaware die überwiegende Zahl der amerikanischen Gesellschaften inkorporiert ist, liegt an der dort anzutreffenden liberalen Gesetzgebung, vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 153 Fn. 10. 18 Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. Supr. 1984). 19 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations (1994) § 4.01 (c). 20 Citron v. Fairchild Camera & Instrument Corp., 569 A.2d 53, 64 (Del. Supr. 1989); Merkt, US-amerikanisches GesR, 3. Aufl. 2013, 2. Teil Rn. 923; Eisele, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG – Ein sicherer Hafen?, 2016, S. 96 f. 21 Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 361 (Del. Supr. 1993); Frank/Moreland, RIW 1989, 761 (763); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindungen der Organe in der AG, 2002, S. 169.
A. Entwicklung der Business Judgment Rule
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II. Die Rechtslage vor der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung des BGH Mit Blick auf das deutsche Aktienrecht hat sich der BGH auch bereits vor der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung22 aus dem Jahre 1997 vereinzelt mit den Überprüfungskriterien unternehmerischer Entscheidungen befasst. Der BGH hat sich bei der Entscheidungsfindung davon leiten lassen, dass der aktienrechtliche Gesetzgeber schon früh eine Erfolgshaftung des Vorstands abgelehnt hat.23 So hat der BGH im Jahre 1979 beispielsweise geurteilt, dass dem geschäftsführenden Gesellschaftsorgan bei erkannter Überschuldung bezüglich möglicher Sanierungsversuche ein „pflichtgemäßes Ermessen“ zukomme.24 Bei der Überprüfung, ob das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt worden ist, sei maßgeblich, dass sich ein Sanierungsversuch aus Sicht des geschäftsführenden Organs nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung als sinnvoll darstelle.25 Spätere Erkenntnisse, die ergeben, dass sich die Einschätzung als unrichtig erwiesen hat, sollen dabei nicht von Belang sein.26 Zuvor hat der BGH auch schon entschieden, dass Verwaltungsratsmitglieder einer Publikums-KG entsprechend den §§ 116, 93 AktG nicht gehalten oder auch nur berechtigt seien, jedes Geschäft zu verhindern, das mit einem Risiko verbunden ist.27 Mit Risiken behaftete Geschäfte seien im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich.28 Auch in der Literatur sind Versuche unternommen worden, Voraussetzungen für das Geschäftsleiterermessen in Anlehnung an die US-amerikanische Business Judgment Rule zu präzisieren.29 Insoweit kann konstatiert werden, dass unternehmerische Ermessensspielräume für die leitenden Organe befürwortet worden sind. Allerdings lassen diese Ansätze sowohl von der bisherigen Rechtsprechung als auch der Literatur noch die gewisse Stringenz vermissen.30
22
BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 – ARAG/ Garmenbeck. 23 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61; der aktienrechtliche Gesetzgeber hat z. B. bereits zu § 84 AktG von 1937 Folgendes festgehalten: „Eine Haftung des Vorstands für den Erfolg seiner Geschäftsführung ohne Rücksicht auf sein Verschulden würde nur zur Folge haben, daß die Verantwortungsfreudigkeit eines Vorstandsmitglieds erheblich herabgemindert und ihm jeder Mut zur Tat genommen wird.“, vgl. Amtliche Begründung zum Aktiengesetz von 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 71. 24 BGH, Urt. v. 09. 07. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 = NJW 1979, 1823. 25 BGH, Urt. v. 09. 07. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 = NJW 1979, 1823. 26 BGH, Urt. v. 09. 07. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (113) = NJW 1979, 1823 (1827). 27 BGH, Urt. v. 04. 07. 1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (213) = NJW 1977, 2311 (2312). 28 BGH, Urt. v. 04. 07. 1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (213) = NJW 1977, 2311 (2312). 29 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 12 ff.; Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, 909 (919 ff.); vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61. 30 Vgl. Paefgen, AG 2004, 245 (247, Fn. 14).
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
III. Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH Die Diskussion rund um das unternehmerische Ermessen ist durch das ARAG/ Garmenbeck-Urteil31 des BGH in den Vordergrund des Interesses gerückt worden.32 Der BGH hat mit diesem Urteil einen unternehmerischen Ermessensspielraum und damit einen Haftungsfreiraum für Vorstandsmitglieder höchstrichterlich anerkannt.33 Die zentralen Aussagen des Urteils beginnen damit, „daß dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt ist.“34 Wie der BGH weiter ausführt, komme eine Schadensersatzpflicht erst dann in Betracht, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß.“35 Bei der Herausarbeitung dieser Kriterien eines unternehmerischen Ermessensspielraums des Vorstands hat sich der BGH die Business Judgment Rule des USamerikanischen Rechts zum Vorbild genommen.36 Die aufgestellten Leitlinien sind in der Literatur auf große Akzeptanz gestoßen.37
IV. Kodifizierung durch das UMAG In der Folgezeit sind im Schrifttum Stimmen laut geworden, die eine Kodifizierung des unternehmerischen Ermessensspielraums befürworteten. Der erste grundlegende Vorschlag für eine Formulierung ist von Ulmer ausgegangen: „Eine 31 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 – ARAG/ Garmenbeck. 32 Paefgen, AG 2004, 245 (247). 33 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253 f.) = NJW 1997, 1926 (1927 f.) – ARAG/Garmenbeck. 34 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926 (1927) – ARAG/Garmenbeck. 35 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253 f.) = NJW 1997, 1926 (1928) – ARAG/Garmenbeck. 36 Henze, NJW 1998, 3309 (3310 f.); Henze, BB 2001, 53 (57); Paefgen, AG 2004, 245 (247); Keßler, in: FS Baumann, 1999, 153 (177). 37 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61; Kindler, ZHR 162 (1998), 101; Heermann, ZIP 1998, 761; Horn, ZIP 1997, 1129.
A. Entwicklung der Business Judgment Rule
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Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Schaden durch unternehmerisches Handeln im Interesse der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information verursacht wurde, auch wenn dieses Handeln sich auf Grund späterer Entwicklungen oder Erkenntnisse als für die Gesellschaft nachteilig erweist.“38 In den Beschlüssen des 63. Deutschen Juristentages ist ebenfalls die Aufnahme der Business Judgment Rule in § 93 AktG befürwortet worden.39 Darüber hinaus hat auch die Regierungskommission Corporate Governance (sogenannte Baums-Kommission)40 eine Kodifizierung des Geschäftsleiterermessens empfohlen.41 Anknüpfend an die Vorschläge im Schrifttum ist die sogenannte Business Judgment Rule durch das UMAG in Gesetzesform gegossen worden.42 Für die endgültige Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n.F. hat es mehr als einen Anlauf gegeben. Nach dem Referentenentwurf sollte die Vorschrift noch wie folgt lauten: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“43 Die vorgesehene Voraussetzung „ohne grobe Fahrlässigkeit“ ist jedoch auf Kritik gestoßen. Zum einen ist vorgetragen worden, dass dadurch die Kategorie der Pflichtverletzung mit Verschuldenselementen vermengt würde, was aus rechtsdogmatischer Sicht bedenklich erscheint.44 Zum anderen ist aus rechtspolitischer Sicht angemerkt worden, dass hiermit eine sehr weitgehende Haftungsprivilegierung einhergehen würde.45 Ferner ist konstatiert worden, dass durch Einfügung dieses Kriteriums ein systematischer Bruch innerhalb der Haftungsnorm entstehen würde, da für alle weiteren Haftungsfälle bereits eine leicht fahrlässige Verletzung der Pflichten genüge.46 Daneben ist der Referentenentwurf auch wegen der Anforderungen an die Entscheidungsgrundlage kritisiert worden.47 Infolgedessen hat der 38
Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299). Vgl. Verhandlungen des Deutschen Juristentages, Bd. II/1, 2000, O 79. 40 Ausgelöst durch die Unternehmenskrise im Fall Holzmann wurde die Regierungskommission Corporate Governance im Mai 2000 durch die Bundesregierung mit dem Ziel eingesetzt, die Defizite des deutschen Systems der Unternehmensführung aufzudecken und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, vgl. Lutter, in: KK, AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl. 2015, § 161 Rn. 6; Goette, in: MüKo, AktG, Bd. 3, 4. Aufl. 2018, § 161 Rn. 6; Marsch-Barner, in: MarschBarner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 32; v. Werder, in: Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder, DCGK, 7. Aufl. 2018, Vorb. Rn. 7. 41 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 25, S. 107 f. 42 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63. 43 Vgl. Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254). 44 Fleischer, ZIP 2004, 685 (689); Ihrig, WM 2004, 2098 (2106). 45 Ulmer, DB 2004, 859 (862); Ihrig, WM 2004, 2098 (2106); i.E. ebenso Thümmel, DB 2004, 471 (472). 46 DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, 555 (556). 47 Hauschka, ZRP 2004, 65 (67); Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 20; Thümmel, DB 2004, 471 (472). 39
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Gesetzgeber die Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG noch einmal abgeändert.48 Die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, die in dieser Fassung auch noch heute gilt, lautet wie folgt: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“49 Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gilt nicht nur für Vorstände, sondern über § 116 S. 1 AktG sinngemäß auch für Aufsichtsratsmitglieder. Die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG beruht im Wesentlichen auf den vom BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung50 aufgestellten Leitlinien zum unternehmerischen Ermessensspielraum.51 Insofern kann diese Rechtsprechung zur Konkretisierung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG herangezogen werden.52 Für den Gesetzgeber ist auch die US-amerikanische Business Judgment Rule Vorbild gewesen.53 Die im deutschen Recht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifizierte Business Judgment Rule ist von ihren Anwendungsvoraussetzungen her dem US-amerikanischen Vorbild derart ähnlich, dass bei deren Konkretisierung auch von dem Fallmaterial des US-amerikanischen Rechts profitiert werden kann.54 Jedoch müssen insbesondere in prozessualer Hinsicht Unterschiede beachtet werden. Im Rahmen der US-amerikanischen Business Judgment Rule besteht eine widerlegbare Vermutung zugunsten der Directors, so dass die Kläger das Nichtvorliegen der Voraussetzungen derselben nachweisen müssen.55 Dagegen liegt es beim Vorstand, die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darzulegen und zu beweisen, da sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf
48 Vgl. Schütz, NZG 2005, 5 f., der auch noch weitere wesentliche Änderungen des RegE zum UMAG im Vergleich zum Referentenentwurf dieses Gesetzes aufzeigt; vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63. 49 Vorschläge zur sprachlichen Änderung bzw. Verfeinerung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG haben sich bislang nicht durchgesetzt, da die Probleme rund um die Business Judgment Rule bei richtiger Anwendung in den Griff zu bekommen sind, Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (11 f.); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 65a. 50 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253 f.) = NJW 1997, 1926 (1927 f.) – ARAG/Garmenbeck. 51 Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 57; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 62; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249 (252); Kuthe, BB 2004, 449; Weiss/Buchner, WM 2005, 162 (163). 52 Krieger, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 10; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 13; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 12; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 10; Roth, BB 2004, 1066 (1068). 53 So die Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 37; Wilsing, ZIP 2004, 1082 (1089). 54 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 37; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (444). 55 Vgl. Kap. 1 A. I.
B. Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick
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§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG bezieht.56 Die Gesellschaft trifft lediglich die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem Pflichtenkreis.57 So enthält § 93 Abs. 2 S. 2 AktG entgegen den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozessrechts eine Beweislastumkehr, wonach der Vorstand die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Pflichtwidrigkeit oder das fehlende Verschulden trägt.58 Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft in einer Beweisnot wäre.59 Dieser Gedanke greift auch im Rahmen der Business Judgment Rule.60
B. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Überblick I. Unternehmerische Entscheidung Die erste Tatbestandsvoraussetzung gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist die unternehmerische Entscheidung. Dem Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung kommt eine Filterfunktion zu. Diese Filterfunktion wirkt sich in drei Richtungen aus.61 Zunächst kommt das Vorstandsmitglied bei Verstößen gegen das Gesetz, die Satzung oder den Anstellungsvertrag nicht in den Genuss der Business Judgment Rule.62 Darunter fallen auch Verstöße gegen den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand.63 Als 56 Vgl. Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12; BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 – II ZR 146/09, AG 2011, 378 (379); Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 61; Lutter, ZIP 2007, 841 (846); Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 54; a.A. Paefgen, NZG 2009, 891; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 439. 57 BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 – II ZR 146/09, AG 2011, 378 (379). 58 Vgl. BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 – II ZR 146/09, AG 2011, 378 (379). 59 BGH, Urt. v. 04. 11. 2002 – II ZR 224/00, BB 2003, 273 = DStR 2003, 124 (125); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2118). 60 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 182. 61 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; Fleischer, ZIP 2004, 685 (690). 62 Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 61; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 53; Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 726 f. 63 BGH, Urt. v. 15. 01. 2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958 = AG 2013, 259; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 15; Baums, ZGR
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
zweite Filterwirkung ist festzuhalten, dass der Haftungsfreiraum der Business Judgment Rule zudem nicht bei organschaftlichen Treuepflichtverletzungen greift.64 Schließlich ist ein Geschäftsleiterermessen auch bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten abzulehnen.65 Eine Entscheidung liegt begrifflich nur dann vor, wenn sich das Vorstandsmitglied bewusst dazu entschließt, zu handeln oder etwas zu unterlassen.66 Bleibt das Vorstandsmitglied hingegen untätig ohne das Wissen um die Möglichkeit einer bestimmten Handlung, ist eine Entscheidung nicht anzunehmen.67 Da sich die positive Umschreibung des Erfordernisses der unternehmerischen Entscheidung als schwierig darstellt, konnte bislang auch noch keine einheitliche Definition dieses Begriffes entwickelt werden.68 Eine erste Orientierung bietet die Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG. In der heißt es, dass die unternehmerische Entscheidung im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung steht.69 Im Weiteren wird aufgeführt, dass unternehmerische Entscheidungen infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt sind.70 Angelehnt an die Regierungsbegründung wird zum Teil vertreten, dass die unternehmerische Entscheidung durch ihren prognostischen Charakter geprägt sei und damit ein Handeln in Ungewissheit einhergehe.71 Eine andere Auffassung sieht in unternehmerischen Entscheidungen solche Entscheidungen, die nach unternehmerischen Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen seien und bei denen der Vorstand frei wäre, sich so oder anders zu verhalten.72 Es wird zwar die 2011, 218 (231 f.); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 11; Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 16. 64 Spindler, NZG 2005, 865 (871); Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 82; Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230). 65 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 61; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); Baums, ZHR 167 (2003), 139 (175). 66 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 22; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 80 f.; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 43. 67 Schneider, DB 2005, 707 (709); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230). 68 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 20; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 60. 69 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 70 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 71 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256); Schneider, DB 2005, 707 (708 f.); Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 11; Semler, in: FS Ulmer, 2003, 627 f. 72 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 15; Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 60; vgl. Ott, ZGR 2017, 149 (152 ff., 161 f.).
B. Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick
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Regel sein, dass die Entscheidung durch Prognosen und Unsicherheit geprägt ist, diese Kriterien also begriffstypisch sind, jedoch kann der ersten Ansicht entgegengehalten werden, dass dies nicht immer der Fall sein muss.73 Darüber hinaus sind diese Kriterien bei der Abgrenzung zu nicht unternehmerischen Entscheidungen kaum hilfreich, da haftungsrelevantes Vorstandshandeln in der Praxis regelmäßig zukunftsgerichtet und nahezu immer mit Unsicherheiten und Risiken behaftet ist.74 Demgegenüber ist der zweiten Auffassung vor allem darin zuzustimmen, dass Zweckmäßigkeitserwägungen den unternehmerischen Charakter einer Entscheidung ausmachen, mit denen der Vorstand versucht, den Unternehmenszweck bestmöglich zu erfüllen.75 Folglich spricht mehr für die zweite Auffassung.
II. Handeln zum Wohle der Gesellschaft Als weiteres Erfordernis sieht § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vor, dass das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Der Begriff der Handlung ist in einem weiten Sinne zu verstehen, der sowohl die unternehmerische Entscheidung als auch deren Umsetzung umfasst, unabhängig davon, ob dies durch Rechtsgeschäft oder eine tatsächliche Handlung erfolgt.76 Bei tatsächlichen Verhaltensalternativen fällt unter den Handlungsbegriff auch ein Unterlassen.77 Aus dem Kriterium „vernünftigerweise annehmen durfte“ lässt sich ableiten, dass es nicht ausreichend ist, dass lediglich der Vorstand subjektiv der Auffassung ist, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.78 Vielmehr ist es erforderlich, dass sich diese Auffassung aus der ex-ante-Ansicht als objektiv plausibel darstellt.79 Das wäre erst dann nicht mehr der Fall, wenn das mit der unternehme-
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Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 84; Spindler, NZG 2005, 865 (871); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085 f.); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 17; vgl. Müller, in: FS Happ, 2006, 179 (193). 74 Ott, ZGR 2017, 149 (154); Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 102 f.; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 17. 75 So Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085 f.); Das Kriterium der Zweckmäßigkeitserwägungen wird ebenfalls hervorgehoben von Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, 2011, S. 110 f. 76 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 77 Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 15; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 56; Schneider, DB 2005, 707 (709); Hoor, DStR 2004, 2104 (2105). 78 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 23; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 63. 79 U. Schmidt, in: Heidel, AktR, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 90; Weiss/Buchner, WM 2005, 162 (164); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 23.
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
rischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist.80 Unter dem Wohl der Gesellschaft i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird zumindest die langfristige Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit verstanden.81 Daher dürfte das Wohl der Gesellschaft synonym zum Unternehmensinteresse, dem die Vorstandsmitglieder im Rahmen der Leitung der Gesellschaft gem. § 76 AktG verpflichtet sind, sein.82 Insofern kann der konkrete Einzelfall so liegen, dass das Vorstandsmitglied mit Blick auf die langfristig angestrebten Perspektiven berechtigt ist, kurzfristig auf die Erzielung von Gewinnen zu verzichten oder Kosten zu übernehmen.83 Des Weiteren ist insbesondere fraglich, ob ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft noch vorliegt, wenn der Vorstand hoch riskante Entscheidungen verfolgt, mit denen die Existenz der Gesellschaft gefährdet werden könnte. Die Annahme, dass existenzgefährdende Maßnahmen generell nicht dem Wohle der Gesellschaft entsprechen würden,84 erscheint zu undifferenziert.85 Beispielsweise ist das Eingehen solcher Risiken in manchen Branchen, etwa im Bankensektor, erforderlich, um überhaupt den Unternehmensgegenstand verwirklichen zu können.86 Auch ist es möglich, dass ein bestandsgefährdendes Risiko, wie z. B. ein Technologiewechsel, vom Vorstand eingegangen werden muss, um überhaupt die Chance zu wahren, dass sich das Unternehmen in Zukunft weiter am Markt behaupten kann.87
80 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 mit Bezug auf BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926 (1928) – ARAG/Garmenbeck. 81 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 82 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 97; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 15; Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 37; Kort, ZIP 2008, 717. 83 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 74; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 62; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, 123 (135). 84 Lutter, ZIP 2007, 841 (844); Lutter, ZIP 2009, 197 (199); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 63; Schneider, DB 2011, 99 (101); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09. 12. 2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126 (129) = ZIP 2010, 28 (32). 85 In diesem Sinne auch Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 27, der festhält, dass die generelle Ablehnung der Business Judgment Rule in diesen Fällen über das Ziel hinausschießt; vgl. auch Meyer, CCZ 2011, 41 (43), der diesen Standpunkt als zu pauschal und zu weitgehend kritisiert; zudem beruft sich dieser Standpunkt zu Unrecht auf die ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung des BGH, da dieser nicht entnommen werden kann, dass es stets unverantwortlich ist, existenzgefährdende Risiken einzugehen, vgl. Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590); Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 195. 86 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 18; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1708); Fleischer, NJW 2010, 1504 (1505 f.). 87 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 195; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590); BGH, Urt. v. 03. 03. 2008 – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365 (371) = WM 2008, 787 (789) – UMTS.
B. Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick
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Somit kann nur eine die im konkreten Einzelfall vorliegenden Umstände berücksichtigende Betrachtungsweise angezeigt sein.88
III. Handeln auf Grundlage angemessener Information Für die Praxis ist das Handeln auf Grundlage angemessener Information die zentrale Tatbestandsvoraussetzung.89 Gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist erforderlich, dass der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln. Demnach muss der Vorstand die Entscheidungsgrundlage sorgfältig ermitteln.90 Die Angemessenheit der Entscheidungsgrundlage hängt von verschiedenen Umständen ab, wie dem Faktor Zeit, der Art und Bedeutung der Entscheidung, den tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Informationsgewinnung sowie der Abwägung der Kosten und Nutzen.91 Für die konkrete Entscheidung müssen daher nicht sämtliche denkbaren Informationen beschafft werden.92 Das Kriterium der Angemessenheit erfährt insofern eine Relation, als angemessene Information lediglich das ist, was der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, so dass diesem ein deutlicher Spielraum bei der Abwägung des Informationsbedarfs zukommt.93 Es wäre ein Zirkelschluss, würde dem Vorstand in dieser Hinsicht ein so großer Ermessensspielraum wie im Rahmen der Business Judgment Rule zugebilligt werden, da das Vorliegen der angemessenen Informationsgrundlage gerade erst den Anwendungsbereich derselben eröffnet.94 88 Schmitz-Remberg, BB 2014, 2701 (2704); Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 18; Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 27; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 81. 89 Fleischer, NZG 2008, 371; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 17; Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (306). 90 Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 34; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 70; vgl. schon BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926 (1928) – ARAG/Garmenbeck. 91 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 17; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 70; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 13; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2067); Kocher, CCZ 2009, 215 (221). 92 Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 21; Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (306); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 33; Kindler, in: FS Goette, 2011, 231 (232 f.); vgl. ebenso die Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12. 93 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 59; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 102. 94 So auch Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 17; ebenfalls eine informationsrechtliche Business Judgment Rule ablehnend Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 21; Wagner, CCZ 2009, 8 (16); a.A. Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn 64; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (231), die ausdrücklich davon sprechen, dass dem Vorstandsmitglied bereits bei der Auswahl und Gewichtung der Information die Business Judgment Rule zugute kommt.
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass der BGH in den letzten Jahren dazu neigt, sehr weitgehende Anforderungen an die Informationsbeschaffungen zu stellen. Der BGH hat zunächst im Jahre 2008 beschlossen, dass „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art“ auszuschöpfen sind.95 Diese Rechtsprechungslinie ist vom BGH mit einem Urteil aus dem Jahre 2013 bestätigt worden, indem er ebenfalls fordert, dass „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art“ ausgeschöpft werden müssen.96 Diese Lesart schießt über das Ziel hinaus.97 Sie verfehlt den Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gleich in zweifacher Hinsicht: Erstens wird lediglich eine angemessene Information verlangt und zweitens kommt es nicht objektiv auf alle verfügbaren Informationen, sondern nur subjektiv darauf an, dass der Vorstand vernünftigerweise davon ausgehen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln.98
IV. Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Erwägungen Das Vorstandsmitglied muss seine Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz treffen, damit es in den Genuss der Business Judgment Rule kommt.99 Diese Voraussetzung ist zwar nicht ausdrücklich in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aufgeführt, ergibt sich jedoch mittelbar aus dem Erfordernis des Handelns zum Wohle der Gesellschaft.100 95 BGH, Beschl. v. 14. 07. 2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361 = NZG 2008, 751; einen milderen Maßstab verfolgte jedoch BGH, Beschl. v. 03. 11. 2008 – II ZR 236/07, NZG 2009, 117 = AG 2009, 117; mehrdeutig dagegen wiederum BGH, Urt. v. 22. 02. 2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549 (550) = AG 2011, 378 (379). 96 BGH, Urt. v. 18. 06. 2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636 (3638) = NZG 2013, 1021 (1023). 97 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 105; Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 20; Fest, NZG 2011, 540 (541); Redeke, NZG 2009, 496, (497 f.); Redeke, ZIP 2011, 59 (60); Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 17. 98 Merkt, in: FS Hommelhoff, 2012, 711 (715); Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 71a; in der Literatur gibt es jedoch Ansätze, die diese Rechtsprechungsformel in einer Weise auslegen, mit der eine gewisse Relativierung derselben einhergeht, vgl. dazu z. B. Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 20; Cahn, WM 2013, 1293 (1298). 99 So ausdrücklich Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 60; Harbarth, in: FS Hommelhoff, 2012, 323 (327). 100 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 14; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 (725); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 25; Lutter, in: FS Canaris, Bd. 2, 2007, 245 (247);
B. Tatbestandsvoraussetzungen im Überblick
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Wann von einem Interessenkonflikt gesprochen werden kann, ist gesetzlich nicht vorgegeben, weshalb es auch noch an einer einheitlichen Definition fehlt. Eine hilfreiche Definition hat Lutter formuliert: „Es ist diejenige Situation weiterer und einander objektiv entgegenstehender Interessen in der Person eines Organmitglieds einschließlich der ihm nahestehenden Personen und Unternehmen, von der man bei objektiver Betrachtung nicht sicher sein kann, dass das betreffende Organmitglied dennoch und unbedingt allein die Interessen seiner Gesellschaft verfolgen wird.“101 Bei Diekmann/Fleischmann ist eine ähnliche Definition zu finden: „Ein Interessenkonflikt liegt dementsprechend vor, wenn neben dem Unternehmensinteresse gegenläufige Eigen- oder für den Betroffenen relevante Drittinteressen bestehen, die im konkreten Einzelfall aufgrund der Dauer bzw. der Intensität des Interessengegensatzes eine nicht unwesentliche Gefährdung oder Beeinträchtigung des Unternehmensinteresses befürchten lässt.“102 Das Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Erwägungen muss entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen objektiv gegeben sein, so dass es nicht ausreicht, wenn das Vorstandsmitglied dies gutgläubig verkannt hat.103 Zu konstatieren ist, dass ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt erst dann vorliegt, wenn eine gewisse Relevanzschwelle überschritten und somit eine Beeinflussung der Entscheidung möglich ist, so dass unbedeutende Eigeninteressen nicht schaden.104 Wie bereits den dargestellten Definitionsversuchen von Lutter und Diekmann/Fleischmann zu entnehmen ist, schadet nicht nur ein Handeln zum eigenen Nutzen, sondern auch zum Vorteil nahestehender Personen oder Gesellschaften.105 Hierbei ist zu beachten, dass zwar das Unternehmensinteresse Vorrang vor dem Eigeninteresse hat, ein Eigeninteresse des Vorstands aber nicht schadet, wenn beide Interessen gleichgerichtet sind, wie z. B. bei erfolgsabhängigen Vergütungen.106 die Aufnahme einer ausdrücklichen Regelung ins Gesetz wird z. B. explizit gefordert von Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068); Fleischer, ZIP 2004, 685 (691). 101 Lutter, in: FS Priester, 2007, 417 (423). 102 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141 (143). 103 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 63; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 93; Lutter, in: FS Priester, 2007, 417 (422 f.); Lutter, in: FS Canaris, Bd. 2, 2007, 245 (247); in diese Richtung weist auch die objektive Formulierung der Regierungsbegründung, vgl. Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; a.A. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 27; Harbarth, in: FS Hommelhoff, 2012, 323 (329 f.); Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 25. 104 Koch, ZGR 2014, 697 (706); Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 62; Harbarth, in: FS Hommelhoff, 2012, 323 (333 ff.); Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 25. 105 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 72; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 20. 106 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 93; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 26; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb.
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Der Vorstand muss einen bestehenden Interessenkonflikt offenlegen.107 Nicht einheitlich beurteilt wird, wie sich offengelegte und pflichtwidrig verschwiegene Interessenkonflikte eines Vorstandsmitglieds auf die anderen Vorstandsmitglieder auswirken. Einer Ansicht zu Folge sei bei offengelegtem Interessenkonflikt die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule hinsichtlich der anderen Vorstandsmitglieder nur dann gegeben, wenn das befangene Mitglied weder an der Beratung noch am Beschluss teilgenommen hat.108 Dieser Auffassung wird entgegnet, dass sich die Mitwirkung des befangenen Vorstandsmitglieds an Beratung oder Beschluss für die anderen Mitglieder nur dann schädlich auswirke, wenn diese unter einem so starken Einfluss ihres befangenen Kollegen stünden, dass ihnen eine eigene Entscheidung im Interesse der Gesellschaft nicht möglich wäre.109 Aber dass gerade dieser Fall eintrete, sei sehr unwahrscheinlich.110 Dieser Einwand überzeugt. Der zweiten Ansicht ist auch deshalb zu folgen, weil weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung ein Mitwirkungsverbot für konfliktbefangene Organmitglieder angeordnet haben.111 Jedoch können sich die anderen Vorstandsmitglieder auch nach dieser Ansicht nur auf die Business Judgment Rule berufen, wenn sie die Argumente des befangenen Vorstandsmitglieds besonders sorgfältig prüfen und kritisch hinterfragen.112 Bei einem nicht offengelegten Interessenkonflikt bejaht ein Ansatz die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bezogen auf gutgläubige Vorstandsmitglieder, wenn sie vernünftigerweise davon ausgehen durften ohne Sonderinteressen zu handeln.113 Von der Gegenansicht wird das Geschäftsleiterermessen der anderen Vorstandsmitglieder verneint.114 Die erste Ansicht ist abzulehnen. Dies beruht zum einen darauf, dass der Interessenkonflikt, wie bereits dargelegt, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen objektiv zu bestimmen ist. Zum anderen ist dies dem Umstand geschuldet, dass das befangene Mitglied bei einem nicht offengelegten Interessenkonflikt in der Lage wäre, seine Kollegen bewusst in die Richtung seines Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 57; am Bsp. von Stock Options Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 60; vgl. auch Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 107 Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 38; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 61; streitig ist, ob die Offenlegungspflicht auch für potentielle Interessenkonflikte greift, bejahend Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 61; verneinend Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 26. 108 Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 26; Lutter, in: FS Canaris, Bd. 2, 2007, 245 (249 f.). 109 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29. 110 Blasche, AG 2010, 692 (698); vgl. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29. 111 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 72a. 112 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 72a. 113 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141 (150); Bunz, NZG 2011, 1294 (1295); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 72b. 114 Lutter, in: FS Canaris, Bd. 2, 2007, 245 (248 f.); Blasche, AG 2010, 692 (694 ff.).
C. Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Business Judgment Rule
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angestrebten Zieles zu steuern, ohne dass dies von den Kollegen kritisch gewürdigt werden könnte.115
V. Handeln in gutem Glauben Als letzte Anwendungsvoraussetzung der Business Judgment Rule ist aufzuzählen, dass der Vorstand bei seiner Entscheidung in gutem Glauben handeln muss.116 Ist das handelnde Vorstandsmitglied selbst nicht davon überzeugt, dass seine Entscheidung richtig ist, also bewusst eine Pflichtverletzung eingeht, ist es nicht schutzwürdig.117 Allerdings ist festzuhalten, dass es häufig bereits an einem anderen Tatbestandsmerkmal fehlen wird, wenn das Vorstandsmitglied nicht gutgläubig handelt,118 so dass dieser Voraussetzung eine „Notbremsfunktion“119 bzw. die Funktion eines „Notanker[s] richterlicher Entscheidungskontrolle“120 zukommt.
C. Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Über die Rechtsnatur der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG besteht Uneinigkeit. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG bezeichnet diese Regelung als „Tatbestandseinschränkung“.121 Einem Umkehrschluss zu Folge sieht die Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG in der Business 115
Blasche, AG 2010, 692 (695). Vgl. Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11; so auch die h.M., vgl. Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 40; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 115; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 76; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 22; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (231); Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 65; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (851 f.); a.A. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 31; Hauschka, ZRP 2004, 65 (66); Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 66. 117 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 76; Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 40; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 16. 118 Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 25 Rn. 65; Fleischer, ZIP 2004, 685 (691); Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 22. 119 Fleischer, ZIP 2004, 685 (691); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 76; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 22 Rn. 22. 120 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 115; Hölters, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 93 Rn. 40. 121 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 116
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Judgment Rule daneben einen „sicheren Hafen“ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung für unternehmerische Entscheidungen.122 Nach einer Auffassung in der Literatur wird § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als eine unwiderlegliche Rechtsvermutung objektiv pflichtkonformen Verhaltens angesehen.123 Andere Stimmen vertreten in Anknüpfung an die Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG, dass die Business Judgment Rule in dogmatischer Hinsicht einen „sicheren Hafen“ als Tatbestandsausschlussgrund darstelle.124 Nach einer weiteren Meinung wird der Standpunkt vertreten, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine gesetzliche Konkretisierung der Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder bei rechtlich nicht gebundenen Entscheidungen enthalte.125 Die Frage der dogmatischen Einordnung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hat in der Praxis jedoch nur geringe Bedeutung.126 Unabhängig davon, welcher Meinung der Vorzug gegeben wird, ergeben sich die gleichen Rechtsfolgen. Wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegen, handelt das Vorstandsmitglied objektiv pflichtgemäß, so dass eine Haftung desselben gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ausgeschlossen ist.127 Insofern wird durch die Business Judgment Rule die gerichtliche Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen eingeschränkt und im Grundsatz durch die Kontrolle des Entscheidungsverfahrens ersetzt.128 Weil es bereits an einer Pflichtverletzung mangelt, wenn die Business Judgment Rule einschlägig ist, ist zumindest auch ein Widerruf der Bestellung des Vorstandsmitglieds 122
Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. Hüffer, in: Bayer/Habersack, AktR im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 7 Rn. 86; Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 14; Cahn/Müchler, in: FS Schneider, 2011, 197 (208); Koch, ZGR 2006, 769 (784); Schneider, in: FS Hüffer, 2010, 905 (908). 124 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 51; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 93 AktG Rn. 19; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 10. 125 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 39. 126 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 15; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2120); Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 39; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 65. 127 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 14; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2120); zu konstatieren ist allerdings, dass die Haftung des Vorstandsmitglieds bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen ist, wohingegen die Haftung gegenüber Dritten unberührt bleibt, Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 68; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 16. 128 Selbst über die Voraussetzung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, dass der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wodurch die gerichtliche Nachprüfung eine gewisse Objektivierung erfährt, darf eine inhaltliche Prüfung der unternehmerischen Entscheidung nicht durch die Hintertür eingeführt werden, so dass hierüber eine inhaltliche Überprüfung nur bei unternehmerischen Entscheidungen fern von jeder Rationalität und Nachvollziehbarkeit in Frage kommt, vgl. Holle, AG 2011, 778 (783); vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 177 ff. 123
D. Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule
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wegen grober Pflichtverletzung gem. § 84 Abs. 3 S. 1, 2 AktG ausgeschlossen.129 Greift der Schutz der Business Judgment Rule hingegen nicht, führt dies nicht umgekehrt per se zu einer Haftung des Vorstands, sondern die Entscheidung muss vom Gericht vielmehr an dessen Pflichten nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gemessen werden.130 Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG führt auch nicht zu einer Vermutung der Haftung, obgleich eine gewisse Indizwirkung hinsichtlich einer Pflichtverletzung naheliegt.131
D. Die Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts hat Adam Smith für Publikumsgesellschaften aus dieser Zeit festgehalten: „The directors of such companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own.“132 Angesprochen ist damit das Konfliktpotential, das aus dem für die AG geltenden Prinzip der Fremdorganschaft herrührt, aufgrund dessen die Mitglieder des Vorstands nicht zwingend Aktionäre der Gesellschaft sein müssen.133 Ökonomisch wird dieser Konflikt durch die Principal-Agent-Theorie erfasst, nach der Principal-Agent-Beziehungen durch die Delegation von Entscheidungskompetenzen des Principals an den Agent charakterisiert sind.134 Diese Theorie basiert auf der Annahme, dass sich ein Mensch rational, gewinn- und eigennutzmaximierend verhält (Homo Oecono129 Fleischer, ZIP 2004, 685 (688); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1255); Ihrig, WM 2004, 2098 (2102); zu weitgehend allerdings Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 15, die festhalten, dass ein Widerruf der Bestellung des Vorstandes aus wichtigem Grund gem. § 84 Abs. 3 AktG ausgeschlossen ist, wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gegeben sind; insofern weisen Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 128 richtig darauf hin, dass ein wichtiger Grund, wie § 84 Abs. 3 S. 2 AktG zu entnehmen ist, nicht nur bei grober Pflichtverletzung vorliegt. 130 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40; Bürgers, in: Bürgers/ Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 10; Böttcher, NZG 2009, 1047 (1048); Jungmann, NZI 2009, 80 (81); Blasche, WM 2011, 343 (347); Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1092); Grunewald/Hennrichs, in: FS Maier-Reimer, 2010, 147 (149). 131 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 116; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40; Spindler, AG 2013, 889 (891); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 15. 132 Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Vol. III, 1805, S. 121. 133 Schneider, WPg 2011, 70 (71); Müller, in: Müller/Rödder (Hrsg.), BeckHdb. AG, 2. Aufl. 2009, § 1 Rn. 79. 134 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. (1976), 305, 308; Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, 2. Aufl. 2014, S. 14; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047).
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
micus), so dass der Agent aufgrund der Präferenz eigener Ziele den Interessen des Principals nicht hinreichend gerecht wird.135 Neben dieser Interessendivergenz liegt zwischen dem Principal und dem Agent auch eine unterschiedliche Risiko- und Informationsverteilung vor.136 Durch das grundsätzliche Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle in der AG stellt das Verhältnis zwischen den Aktionären (Principals) und dem Vorstand (Agent) ein typisches Beispiel einer Principal-AgentBeziehung dar.137 Zur Entschärfung des in der AG vorliegenden Principal-Agent-Konflikts soll unter anderem die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dienen, was zum Teil an den im Folgenden darzustellenden Argumentationslinien zur Legitimationsgrundlage derselben deutlich wird. Die Erklärungsansätze zur Legitimation der Business Judgment Rule werden nun dargestellt und es wird untersucht, welche dieser Ansätze überzeugen können. Damit wird der Grundstein für die weiteren Untersuchungen bezüglich der Frage, ob die Business Judgment Rule als typübergreifendes Institut eingeordnet werden kann, gelegt. Wenn die für überzeugend erachteteten Legitimationsgrundlagen der für die AG geltenden Business Judgment Rule auch in anderen Rechtsformen greifen, dann spricht dies für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht auch außerhalb des Aktienrechts.
I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Bis auf wenige Ausnahmen ist es die Regel, dass unternehmerische Entscheidungen von prognostischem Charakter und Unsicherheit geprägt sind.138 Gerade dieser Umstand, dass die Entscheidungen fast immer unter Unsicherheit und auch unter großem Zeitdruck getroffen werden müssen, wird zur Legitimation der Business Judgment Rule angeführt.139 Dass diese Legitimationsgrundlage Überzeugungskraft entfalten kann, müssen unternehmerischen Entscheidungen Unsi135 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. (1976), 305, 308; Weber, Transaktionsboni für Vorstandsmitglieder, 2009, S. 47. 136 Welge/Eulerich, Corporate-Governance-Management, 2. Aufl. 2014, S. 14. 137 Vgl. dazu bereits die für US-amerikanische Kapitalgesellschaften vorgenomme Untersuchung von Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932, S. 47 ff.; Weber, Transaktionsboni für Vorstandsmitglieder, 2009, S. 53; Steffek, JuS 2010, 295 (296); vgl. zum grundsätzlichen Auseinanderfallen von Eigentum und Leitungsmacht Jannott/Hagemann, in: Frodermann/Jannott (Hrsg.), Hdb. AktR, 9. Aufl. 2017, 2. Kap. Rn. 33 ff. 138 Vgl. Kap. 1 B. I. 139 Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 60; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 38 f.
D. Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule
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cherheiten immanent sein, die bei anderen Entscheidungen nicht in vergleichbarer Weise zu finden sind. Für andere Entscheidungen bestehen typisierende Handlungsmaximen, wie z. B. die DIN-Normen oder die Regeln der ärztlichen Kunst in der Medizin.140 Der Entscheidungsträger muss grundsätzlich sein Verhalten hiernach ausrichten und hat daher für seine Entscheidungen eine Richtschnur, die Unsicherheiten ausräumen kann. Fraglich ist somit, ob auch für unternehmerische Entscheidungen solche Handlungsmaximen bestehen, die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidungsfindung beseitigen können. Dafür wird angeführt, „dass an Business Schools Kurse zu Investitionsstrategien, Marketingfragen, Finanzierungswegen etc. zum Standard gehören und dass viele Entscheidungen in der Unternehmenspraxis nicht weniger stark von festen Parametern abhängen und nicht weniger stereotyp getroffen werden als zum Beispiel eine bestimmte ärztliche Behandlungsmethode gewählt wird.“141 Diese Argumentation greift allerdings zu kurz. Zum einen zeigen Werke zur betriebswirtschaftlichen Entscheidungs- und Investitionstheorie, dass neben den quantifizierbaren Entscheidungsfaktoren eine große Zahl an unwägbaren Faktoren bestehen, die im Investitionskalkül praktisch als nicht existent behandelt werden müssen.142 Zu den unwägbaren Faktoren zählen nicht-monetäre Investitionsziele (z. B. Prestige, Macht, Unabhängigkeit) und nicht-quantifizierbare Investitionswirkungen.143 Letztere umfassen nicht-monetäre Investitionswirkungen (z. B. Vereinfachung der Bedienung) und monetäre, aber mangels Information nicht quantifizierbare Investitionswirkungen (z. B. Effekte von Fortbildungsmaßnahmen, strategisch-intuitive Investitionen).144 Unternehmerische Entscheidungen hängen insbesondere von unwägbaren Faktoren, wie den Entwicklungen bzw. Schwankungen am Markt, dem Konjunkturverlauf, den Verbraucherpräferenzen, der Entwicklung neuer Technologien, politischen Ereignissen oder der Leistungsfähigkeit der Konkurrenten, ab.145 Gerade diese unwägbaren Faktoren sind anderen Entscheidungen fremd und lassen grundsätzlich keinen Schluss auf das Bestehen fester Parameter für unternehmerische Entscheidungen zu. 140
Vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (837). Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (837). 142 Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl. 2016, S. 386; Fleischer, NZG 2011, 521 (522). 143 Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (831); Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl. 2016, S. 386. 144 Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftlehre, 19. Aufl. 2016, S. 386; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (831). 145 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, 2009, S. 43; Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 2005, 83 (89); Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 45; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, 2011, S. 15 f., der die unwägbaren Faktoren als „externe Unsicherheiten“ bezeichnet. 141
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Möglicherweise könnte aber das Unternehmensinteresse als Richtschnur für unternehmerische Entscheidungen herangezogen werden. Der Vorstand ist bei der Leitung der Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG an das Wohl der Gesellschaft bzw. das Unternehmensinteresse gebunden.146 Diesem Gebot muss der Vorstand also gerecht werden. Jedoch lassen sich daraus keine bestimmten Entscheidungsergebnisse ableiten, da sich aufgrund der benannten Unsicherheiten, die unternehmerischen Entscheidungen zugrunde liegen, nicht vorhersagen lässt, welche Maßnahme im Unternehmensinteresse liegt.147 Insofern wäre die Annahme, dass das Unternehmensinteresse als Handlungsmaxime Unsicherheiten für den Vorstand als Entscheidungsträger beseitigt, zirkelschlüssig. Folglich sind bei unternehmerischen Entscheidungen unwägbare Faktoren anzutreffen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen. Zudem sind keine Handlungsmaximen zu finden, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen können. Daher bestehen tatsächlich gerade für unternehmerische Entscheidungen Spezifika, die es rechtfertigen, dass der Vorstand in den Genuss der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kommt.
II. Gefahr des Hindsight Bias Die Business Judgment Rule wird weiter damit legitimiert, dass durch deren Geltung die Gefahr des Rückschaufehlers bzw. des sogennanten Hindsight Bias eingedämmt werden könne.148 Auf Grundlage empirischer Forschungen haben Psychologen geschlussfolgert, dass sich Menschen nicht nur eingeschränkt rational verhalten, sondern immer in gleichförmiger Weise Verhaltensanomalien aufweisen, für die sich der angelsächsische Begriff Bias eingebürgert hat.149 Zu diesen Abweichungen vom Rationalverhalten gehört unter anderem der sogenannte Hindsight Bias.150 Darunter ist zu verstehen, dass sich Menschen in Kenntnis des späteren 146 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 22; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 76 Rn. 23; Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 19 Rn. 20. 147 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 24; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001, S. 239. 148 Redeke, ZIP 2011, 59 (60); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (832); Fleischer, in: FS Immenga, 2004, 575 (579 f.); Koch, ZGR 2006, 769 (782); Koch, AG 2009, 93 (95); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 39; U. Schmidt, in: Heidel, AktR, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 79; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (4); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); vgl. Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 48 ff. 149 Vgl. Rabin, 36 J. Econ. Lit. (1998), 11; vgl. Fleischer, in: FS Immenga, 2004, 575 (577). 150 Grundlegend zu dem Hindsight Bias Fischhoff, 1 J. Experimental Psychol.: Human Perception and Performance (1975), 288; vgl. Rabin, 36 J. Econ. Lit. (1998), 11, 29 f.; vgl. auch
D. Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule
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Geschehensablaufs und des Ergebnisses dazu verleiten lassen, die Wahrscheinlichkeit, mit der sie dieses Ergebnis vorausgesagt hätten, viel höher einzuschätzen.151 Die Problematik der Gefahr des Hindsight Bias im Zusammenhang mit der Vorstandshaftung besteht darin, dass die Beurteilung der Gerichte darüber, ob das Vorstandshandeln pflichtwidrig gewesen ist, aus der ex-ante-Perspektive erfolgen muss.152 Die Richter stehen daher vor der schwierigen Aufgabe, trotz der Kenntnis des Ergebnisses bzw. des Schadenseintritts, die ex-post vorliegenden Informationen nicht in die ex-ante-Bewertung zu inkorporieren.153 Selbst erfahrene Richter können dieser Aufgabe nicht in jedem Fall gerecht werden, da sie sich, trotz Kenntnis der Gefahr des Hindsight Bias, nicht immer von den ex-post vorliegenden Informationen bei ihrer Beurteilung lösen können.154 Insofern würde dies zu einer für die Vorstandsmitglieder ungünstigen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit nach dem Motto „Wer vom Rathaus kommt, ist schlauer“155 bzw. „Im Nachhinein ist man klüger“156 führen. Da durch die Business Judgment Rule die inhaltliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen durch die Gerichte eingeschränkt wird,157 werden die etwaigen Anknüpfungspunkte für ein Eingreifen des Hindsight Bias verringert.158 Fraglich ist aber, ob hiermit eine Besonderheit unternehmerischer Entscheidungen vorliegt. Dagegen wird angeführt, dass sich das Problem des Hindsight Bias nahezu in jedem Haftungsprozess stelle, in dem ein Richter nachträglich ein Urteil darüber fällen muss, ob sich der Entscheidungsträger in concreto sorgfältig verhalten hat.159 Dass dieses Phänomen nicht nur bei unternehmerischen Entscheidungen auftritt, soll nicht bezweifelt werden. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass unternehmerischen Entscheidungen in der Regel Unsicherheiten aufgrund von unwägbaren Faktoren immanent sind, die in dieser Weise bei anderen Entscheiin Bezug auf die Business Judgment Rule Arkes/Schipani, 73 Or. L. Rev. (1994), 587; siehe eine Aufzählung weiterer Abweichungen vom Rationalverhalten bei Fleischer, in: FS Immenga, 2004, 575 (577). 151 Koch, ZGR 2006, 769 (782); Koch, AG 2009, 93 (95); Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (832); Redeke, ZIP 2011, 59 (60); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068). 152 BGH, Urt. v. 09. 07. 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (113) = NJW 1979, 1823 (1827); Fleischer, in: FS Immenga, 2004, 575 (580); Lange (Hrsg.), Hdb. D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014, § 2 Rn. 37. 153 Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Lange (Hrsg.), Hdb. D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014, § 2 Rn. 37; Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1254). 154 Fleischer, in: FS Immenga, 2004, 575 (580); Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068). 155 Grunewald/Hennrichs, in: FS Maier-Reimer, 2010, 147 (148). 156 Hellwig, Gutachten E zum 68. Deutschen Juristentag, 2010, E 35; vgl. Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (4). 157 Vgl. dazu bereits Kap. 1 C. 158 Ott/Klein, AG 2017, 209 (220 f.); Roberto/Grechenig, ZSR 2011, 5 (23 f.). 159 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086); vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (836).
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
dungen nicht auftreten.160 Zudem fehlt eine Handlungsmaxime für unternehmerische Entscheidungen, anhand derer die richtige Entscheidung ermittelt werden könnte.161 Die Gefahr, dass der Richter bei seiner nachträglichen Beurteilung darüber, ob sich der Vorstand bei seiner Entscheidung pflichtgemäß verhalten hat, einem Rückschaufehler unterliegt, ist daher größer als bei einem anderen Haftungsprozess.162 Rückblickend stellen sich gerade wirtschaftliche Entwicklungen scheinbar als logische Konsequenz bestimmter Faktoren dar.163 Insofern ist die Gefahr des Hindsight Bias bei der Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen größer als das bei anderen Entscheidungen der Fall ist. Dementsprechend überzeugt es, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gerade für unternehmerische Entscheidungen eingeführt worden ist, um die besonders große Gefahr des Hindsight Bias in diesem Bereich einzudämmen.
III. Der Richter ist kein Kaufmann Für die Legitimation der Business Judgment Rule wird angeführt, dass Richter unternehmerische Entscheidungen nicht hinreichend überprüfen könnten, da die größere Fachkompetenz bei den Vorständen läge.164 Sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht fehle den Richtern in der Regel die notwendige Expertise in Fragen der Unternehmensführung.165 Fraglich ist, ob diese Argumentationslinie überzeugen kann. Damit könnte die Business Judgment Rule nur begründet werden, wenn dem Richter im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten nur für unternehmerische Entscheidungen die notwendige Expertise fehlt. Dem wird entgegengehalten, dass ein Richter auch darüber entscheide, ob Ärzte lege artis gehandelt haben, da es keine „Medical Judgment Rule“ gebe, oder ob ein Düsenjet nach dem Stand der Technik konstruiert worden ist.166 Es sei auch Aufgabe der Richter zu Sachverhalten ein Urteil zu fällen, über deren 160
Vgl. Kap. 1 D. I. Vgl. Kap. 1 D. I. 162 So auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 175; Schneider, DB 2005, 707 (709). 163 Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284), die als Beispiel das Internet und den Mobilfunk nennen, deren Aufstieg zwar vor 20 Jahren keineswegs als selbstverständlich und Investitionen diesbezüglich riskant erschienen, nach heutigem Kenntnisstand jedoch niemand bezweifelt hätte. 164 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (834); Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (831 f.); Paefgen, AG 2004, 245 (247 f.); Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 24. 165 Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (831); die US-Judikatur ist derselben Ansicht, vgl. Federal Deposit Insurance Corp. v. Stahl, 89 F.3d 1510, 1517 (11th Cir. 1996). 166 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 175; Kuntz, GmbHR 2008, 121 f.; Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (836). 161
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Gegenstand dieselben keine professionelle Ausbildung erhalten haben.167 Dem ist beizupflichten. Richter müssen nicht Experte auf jedem denkbaren Gebiet sein. Denn sie haben die Möglichkeit, Sachverständigengutachten einzufordern.168 So kompensieren sie mögliche Defizite ihrer Expertise hinsichtlich des konkreten Falles. Mit Hilfe der Einschätzungen von Sachverständigen sind Richter daher in der Lage stimmige Urteile hinsichtlich solcher Sachverhalte zu fällen. Dementsprechend kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule für sich alleine genommen nicht überzeugen.
IV. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten Weiterhin wird für den Haftungsfreiraum ins Feld geführt, dass es schwierig sei, qualifizierte Personen zu finden, die die Position des Vorstands übernehmen würden, wenn sie bei jeder unternehmerischen Entscheidung mit großen Haftungsrisiken konfrontiert würden.169 Dass die Vorstandsmitglieder einer AG nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG großen, existenzgefährdenden Haftungsgefahren ausgesetzt sind, ist allgemein bekannt.170 Diese Legitimationsgrundlage könnte daher dann an Überzeugungskraft gewinnen, wenn sonstige Regelungen des Aktienrechts den Vorstand nicht ausreichend vor einer zu großen Haftungsgefahr schützen. 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung analog § 254 BGB finden dadurch, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, auf alle Arbeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeits-
167
Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122). Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, 2011, S. 17. 169 Paefgen, AG 2004, 245 (247); Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; vgl. Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (834); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 40; vgl. Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 46; vgl. zum US-amerikanischen Recht beispielsweise Johnson, 60 Bus. Law. (2004 – 2005), 439, 455 f. 170 Vgl. LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 – 5 HK O 1387/10, ZIP 2014, 570, wobei der klagenden AG im Rahmen einer Teilklage gegen das beklagte Vorstandsmitglied ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 15 Mio. E (die vollständige Schadensersatzsumme liegt bei 123 Mio. E) zugesprochen wurde; aufgrund dieser großen Haftungsgefahren war die Reform der Organhaftung auch Thema des 70. Deutschen Juristentages 2014, vgl. hierzu z. B. Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag, 2014; vgl. Fleischer, ZIP 2014, 1305; vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926; vgl. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115. 168
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
verhältnisses geleistet werden.171 Der Arbeitnehmer hat nach diesen Grundsätzen bei vorsätzlich verursachten Schäden vollumfänglich, bei leichtester Fahrlässigkeit dagegen nicht zu haften.172 Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden regelmäßig zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, wohingegen der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit, abgesehen von einzelfallabhängigen Haftungserleichterungen, in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen hat.173 Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, ist im Rahmen einer einzelfallabhängigen Abwägung der Gesamtumstände zu entscheiden, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte maßgeblich sind.174 Vorstandsmitglieder einer AG sind keine Arbeitnehmer.175 Möglicherweise könnten die beschriebenen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung jedoch auf den Vorstand einer AG analog angewendet werden. Sofern eine analoge Anwendung zu bejahen wäre, könnte dies die Attraktivität des Vorstandspostens bereits ausreichend steigern. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.176 Bezüglich der ersten Voraussetzung ist zu prüfen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, planwidrig unvollständig ist.177 Der dem Gesetz zu Grunde liegende Regelungsplan lässt sich anhand der historischen und teleologischen Auslegung erschließen.178 Bereits an der planwidrigen Regelungslücke kann gezweifelt werden. Die überwiegende Ansicht steht auf dem Standpunkt, dass die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung generell nicht analog auf Vorstandsmit-
171
Vgl. BAG GS, Beschl. v. 27. 09. 1994 – GS 1/89 (A), NJW 1995, 210 (211 ff.); BAG, Urt. v. 18. 01. 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1233); BAG, Urt. v. 28. 10. 2010 – 8 AZR 418/ 09, NZA 2011, 345 (347). 172 BAG, Urt. v. 18. 01. 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1233); BAG, Urt. v. 28. 10. 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (347); vgl. auch Linck, in: Schaub (Hrsg.), ArbeitsRHdb., 17. Aufl. 2017, § 59 Rn. 37 ff. 173 BAG, Urt. v. 18. 01. 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1233); BAG, Urt. v. 28. 10. 2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 (347); vgl. auch Linck, in: Schaub (Hrsg.), ArbeitsRHdb., 17. Aufl. 2017, § 59 Rn. 37 ff. 174 BAG GS, Beschl. v. 27. 09. 1994 – GS 1/89 (A), NJW 1995, 210 (211); BAG, Urt. v. 18. 01. 2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 (1233); BAG, Urt. v. 28. 10. 2010 – 8 AZR 418/ 09, NZA 2011, 345 (347). 175 BGH, Urt. v. 11. 07. 1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187 (191) = NJW 1953, 1465; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 84 AktG Rn. 21; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 84 Rn. 25; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 35. 176 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993); BGH, Urt. v. 21. 01. 2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739 (743) = BB 2010, 1431 (1434); Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 144 f. 177 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993). 178 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993).
D. Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule
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glieder einer AG anwendbar seien.179 Dafür wird zum einen angeführt, dass das Aktienrecht mit § 93 AktG für die Organhaftung bereits über eine vollständig ausgebildete Haftungsnorm verfüge, die keiner Lückenschließung bedürfe.180 Teilweise wird der Versuch unternommen, dieses Argument damit zu relativeren, dass § 93 AktG zwar insofern den Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung entgegenstehe, als es um den völligen Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit gehe, dies aber für die Haftungsmilderung bei mittlerer Fahrlässigkeit nicht angenommen werden könne.181 Doch unabhängig davon, ob dieser Einwand überzeugen kann, mangelt es zumindest an einer vergleichbaren Interessenlage, um die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung analog auf den Vorstand einer AG anzuwenden. Für eine vergleichbare Interessenlage müsste die Interessenlage des geregelten Falles der des nicht geregelten Falles entsprechen und der Telos der Norm eine Anwendung derselben auf den nicht geregelten Fall fordern.182 Der sozialpolitische Schutzzweck, der hinter den Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung steht, ist nicht mit der Stellung des Vorstands, der im Gegensatz zu Arbeitnehmern eine AG eigenverantwortlich zu leiten hat, vgl. § 76 AktG, vereinbar.183 Darüber hinaus spricht gegen eine Analogie, dass die Haftung gem. § 93 AktG auch im Interesse der Gesellschafter und der Gläubiger besteht, so dass sich das Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur AG anders als das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht in der gegenseitigen Beziehung erschöpft.184 Bereits aus diesen Gründen vermögen auch einschränkende Ansätze, wonach diese arbeitsrechtlichen Grundsätze zumindest dann auf den Vorstand einer AG anzuwenden seien, wenn dieser nicht organspezifisch, sondern wie ein Arbeitnehmer handele,185 nicht zu überzeugen. Gegen diese Ansätze kann zudem angeführt werden, dass eine Differenzierung zwischen spezifischen Vorstandspflichten und arbeitnehmergleichen Pflichten kaum durchzuführen wäre und somit zu Rechtsunsicherheiten führen würde.186
179
Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 395 ff.; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 177; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 39, § 93 Rn. 136; Fleischer, ZIP 2014, 1305 (1306); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 206. 180 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 206; Fleischer, ZIP 2014, 1305 (1306). 181 Koch, AG 2012, 429 (436), der zusätzlich über die Treue- bzw. Fürsorgepflicht als dogmatischem Fundament zu einer Haftungsmilderung für den Vorstand einer AG kommt, die zu vergleichbaren Ergebnissen führt, wie die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. 182 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 145. 183 Vgl. Paefgen, AG 2014, 554 (568); ebenfalls die Stellung des Vorstands betonend Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 177. 184 Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 397. 185 Pallasch, RdA 2013, 338 (349); Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 85. 186 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 396.
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Demzufolge ist eine analoge Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf die Vorstandsmitglieder einer AG zumindest mangels vergleichbarer Interessenlage abzulehnen. 2. Statutarische Haftungsbeschränkungen Möglicherweise sind im Aktienrecht statutarische Haftungsbeschränkungen zulässig, so dass hierdurch bereits eine ausreichende Attraktivität des Vorstandspostens gesichert ist. Grundsätzlich haften Vorstandsmitglieder einer AG für omnis culpa.187 Die Organhaftung für omnis culpa gem. § 93 AktG ist allerdings nicht dispositiv, da sie der Satzungsstrenge gem. § 23 Abs. 5 AktG unterliegt.188 Statutarische Haftungsbeschränkungen sind somit nicht möglich. 3. § 93 Abs. 4 AktG Nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG tritt die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft nicht ein, wenn die Handlung des Vorstands auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Der Beschluss hat für den Vorstand jedoch nur entlastende Wirkung, wenn die Hauptversammlung zuständig ist.189 Dies ist in Fragen betreffend die Geschäftsführung, abgesehen von den entwickelten Grundsätzen zu den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen,190 nur der Fall, wenn der Beschluss auf Verlangen des Vorstands gem. § 119 Abs. 2 AktG erfolgt ist.191 Dieses Verfahren ist allerdings bei umstrittenen Geschäftsführungsfragen unpraktikabel und kaum geeignet, dem Vorstand zu helfen.192 Zum einen ist die Einberufung der Hauptversammlung langwierig und kostspielig und zum anderen entfällt die haf187 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 206; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 21c; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 392. 188 Paefgen, AG 2014, 554 (570); Fleischer, ZIP 2014, 1305; vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 f.; nicht als ergänzende Regelungen i.S.d. § 23 Abs. 5 S. 2 AktG und damit als unzulässig zu erachten sind satzungsmäßige Haftungshöchstgrenzen, vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 4; ablehnend auch Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 190 ff.; a.A. Grunewald, AG 2013, 813 (815 f.); unzulässig sind auch abweichende vertragliche Vereinbarungen, da ansonsten die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG unterlaufen werden würde, vgl. Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 193 m.w.N. zur Unzulässigkeit vertraglicher Vereinbarungen. 189 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 240. 190 BGH, Urt. v. 25. 02. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 – Holzmüller; BGH, Urt. v. 26. 04. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384 – Gelantine. 191 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 240; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn. 331. 192 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn. 332.
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tungsbefreiende Wirkung des Beschlusses, wenn dieser insbesondere durch unrichtige oder unvollständige Informationen seitens des Vorstands pflichtwidrig herbeigeführt worden ist.193 Daneben kann dem Vorstand auch die Verzichts- und Vergleichsregelung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht entscheidend Abhilfe hinsichtlich der großen Haftungsgefahren schaffen. Abgesehen von der grundsätzlichen zeitlichen Beschränkung sieht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vor, dass die Hauptversammlung dem Verzicht oder Vergleich zustimmen muss und der etwaigen Zustimmung eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, widersprechen kann. Folglich liegt es nicht allein in der Hand des Vorstands, dass ein Verzicht oder Vergleich über den Ersatzanspruch zustande kommt.194 Die existenzgefährdenden Haftungsgefahren können demzufolge nicht von der Regelung des § 93 Abs. 4 AktG ausreichend reduziert werden. 4. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB analog Fraglich ist, ob § 31a Abs. 1 S. 1 BGB analog im Aktienrecht angewendet werden kann.195 Nach § 31a Abs. 1 S. 1 BGB haften Organmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 720 Euro jährlich nicht übersteigt, dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Für eine analoge Anwendung wird angeführt, dass der Haftungstatbestand des § 93 AktG nicht abschließend sei, was am Fall der Verjährung deutlich werde.196 Der Verweis auf den Fall der Verjährung ist jedoch nicht zielführend. Denn hier steht der Verschuldensmaßstab in Diskussion. Auch ausgehend von einer etwaigen Ausfüllungsbedürftigkeit der Verjährungsregelungen im Aktienrecht kann nicht einfach der Schluss gezogen werden, dass § 93 AktG insgesamt nicht abschließend ist. Zudem spricht die gläubigerschützende Funktion der Organhaftung gegen eine Analogie des § 31a BGB im Aktienrecht.197 Eine analoge Anwendung des § 31a Abs. 1 S. 1 BGB ist demnach abzulehnen.
193
Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn. 332; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 164. 194 Ähnlich wohl Taube, der in diesem Rahmen von einer Haftungsreduktion zugunsten des betroffenen Vorstandsmitglieds mit erheblichen Einschränkungen spricht, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 165. 195 Eine analoge Anwendung bejahend Piper, WM 2011, 2211 (2214); verneinend Paefgen, AG 2014, 554 (570). 196 Piper, WM 2011, 2211 (2214). 197 Paefgen, AG 2014, 554 (570 f.).
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
5. D&O-Versicherung Zu denken ist an die D&O-Versicherung (Directors’ & Officers’ Liability Insurance).198 Mit der D&O-Versicherung werden Haftungsrisiken im Innen- und Außenverhältnis abgedeckt199 und sie stellt grundsätzlich eine VermögensschadenHaftpflichtversicherung für Organmitglieder juristischer Personen dar.200 Die Versicherung wird im Grundsatz von der Gesellschaft für die Organmitglieder abgeschlossen, so dass es sich versicherungsrechtlich um eine Versicherung für fremde Rechnung gem. §§ 43 ff. VVG handelt.201 In der Praxis gehören D&O-Versicherungen zum Standardrepertoire insbesondere börsennotierter AG.202 Der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit dieser Praxis durch die Einführung des Selbstbehalts in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG mit dem VorstAG203 in Übereinstimmung mit der Empfehlung des DCGK in Ziff. 3.8204 bestätigt und sie steht auch sonst außer Zweifel.205 Allerdings bietet eine solche D&O-Versicherung keinen vollumfänglichen Versicherungsschutz und schützt den Vorstand nur bedingt hinsichtlich der drohenden Haftungsrisiken. Zunächst ist zu konstatieren, dass regelmäßig Haftungsausschlüsse gegeben sind, wie beispielsweise der Wissentlichkeitsausschluss oder der Ausschluss bei vor-
198 Der Begriff ist aus dem US-amerikanischen Sprachgebrauch abgeleitet und in Deutschland übernommen worden, vgl. Sieg, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 18 Rn. 2; Lange (Hrsg.), Hdb. D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014, § 1 Rn. 3 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 225. 199 Der primäre Zweck besteht daher darin, das Privatvermögen der versicherten Manager zu schützen. Mittelbar wird zugleich der Geschädigte, also die versicherungsnehmende Gesellschaft oder ein Dritter, geschützt, indem der Haftpflichtanspruch nicht an einer möglichen Vermögenslosigkeit des Versicherten scheitert, vgl. Lange (Hrsg.), Hdb. D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014, § 1 Rn. 7. 200 OLG München, Beschl. v. 15. 03. 2005 – 25 U 3940/04, DB 2005, 1675; Sieg, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 18 Rn. 2; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 225. 201 Hopt, ZIP 2013, 1793 (1800); Mertens, AG 2000, 447 (448); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 241; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 40a. 202 Paefgen, AG 2014, 554 (581); Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31 (32); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 243; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 450. 203 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. 07. 2009, BGBl. I, 2509. 204 Der DCGK ist in seiner aktuellen Fassung abrufbar auf: www.corporate-governancecode.de (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 205 Lange (Hrsg.), Hdb. D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 1 Rn. 91; Paefgen, AG 2014, 554 (581); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 226; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 244; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31 (33); Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 50.
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sätzlicher Schadensverursachung.206 Daneben besteht weiterhin eine persönliche Haftung der Vorstandsmitglieder für diejenigen existenzgefährdenden Schäden, die die Deckungssumme der Versicherung überschreiten.207 Ferner ist gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auch ein Selbstbehalt, den die Vorstandsmitglieder übernehmen müssen, vorgesehen.208 Darüber hinaus führt gerade erst die Existenz einer D&O-Versicherung als solventer Schuldner zur vermehrten Anspruchsverfolgung und folglich zu einer erheblichen Haftungsgefahr des Vorstands hinsichtlich des die Deckungssumme überschreitenden Schadens.209 Demzufolge kann auch der Abschluss einer D&O-Versicherung die existenzgefährdenden Haftungsgefahren für Vorstandsmitglieder nicht hinreichend abfedern. 6. Ergebnis Festzuhalten ist somit, dass die existenzgefährdenden Haftungsgefahren für den Vorstand einer AG nicht ausreichend reduziert werden können. Nicht überzeugen kann die Schlussfolgerung von Kuntz, wonach aus diesem Umstand nur die Sinnhaftigkeit gelockerter Haftungsmaßstäbe, aber nicht die Business Judgment Rule in ihrer konkreten Ausprägung folge.210 Zum einen ist diese Argumentation viel zu pauschal. Es wird nicht spezifiziert, warum aus diesem Zweck nicht die Tatbestandsmerkmale der Business Judgment Rule in concreto folgen sollen. Zum anderen sind gerade unternehmerischen Entscheidungen Risiken eines Fehlschlages mit ausufernden Schadenssummen immanent, aus denen daher eine immense Haftungsgefahr für die Vorstandsmitglieder resultiert. Daher kann es überzeugen, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG den Zweck verfolgt, den Vorstandsposten für qualifizierte, aber durch die Haftungsgefahren möglicherweise abgeschreckte Personen attraktiver zu machen.211
206
Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 244; Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (796); Fleischer, WM 2005, 909 (919); Paefgen, AG 2014, 554 (582); Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 38. 207 Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (796); Paefgen, AG 2014, 554 (582); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 228; Vetter, AG 2000, 453 (455); Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 38. 208 Es ist allerdings zu konzedieren, dass sich das Vorstandsmitglied eigenständig hinsichtlich des Selbstbehalts versichern kann, vgl. Spindler, AG 2013, 889 (897); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 40b; Kerst, WM 2010, 594 (601 f.); Mertens/ Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 248; van Kann, NZG 2009, 1010 (1012). 209 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 51; Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (796); Hemeling, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, 2013, N 31 (38). 210 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122). 211 I. E. ebenso Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 167 f.
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V. Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen Es wird vorgetragen, dass mit der Business Judgment Rule auch missbräuchlichen Klagen von räuberischen Aktionären entgegengewirkt werden könne.212 Dieser Zweck wird auch in der Regierungsbegründung deutlich, in der es vor dem Hintergrund der Missbrauchsgefahren bezüglich der Aktionärsklage heißt, dass die Regelung des § 148 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AktG unter anderem nur im Zusammenhang mit der Business Judgment Rule verstanden werden könne.213 Mit dem UMAG ist die Aktionärsklage gem. § 148 AktG eingeführt worden. Die damit einhergehende Gefahr des Missbrauchs von Aktionären, die eigennützige Interessen verfolgen, ist zum einen von US-amerikanischen Erfahrungen mit den Shareholder Derivative Actions, dem Pendant der Aktionärsklage gem. § 148 AktG, her bekannt.214 Zum anderen ist dieses Phänomen auch bei dem deutschen aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht aufgetreten.215 Missbräuchliche Aktionärsklagen gegen Organmitglieder haben negative Auswirkungen auf dieselben und die Gesellschaft, insbesondere bedingt durch eine schlechte Presse.216 Im Vergleich zum Beschlussmängelrecht erscheint die Gefahr des Missbrauchs geringer, da es den Aktionären mit der Aktionärsklage nicht möglich ist, für die Gesellschaft bedeutende Maßnahmen zu blockieren bzw. zu verhindern.217 Allerdings hat die Aktionärsklage einen potentiell weiten sachlichen Anwendungsbereich.218 Zudem kann auch wegen des oft weit gestreuten Aktionärskreises und der freien Übertragbarkeit der Aktien eine Missbrauchsgefahr bei der Aktionärsklage nicht von der Hand gewiesen werden.219 Deswegen ist das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1, 2 AktG eingerichtet worden, das als Filter fungieren und Klagen von Aktionären, die lediglich auf ihre eigenen Interessen bedacht sind, verhindern soll.220 Fraglich ist jedoch, ob allein die Anforderungen des § 148 AktG diesem Zweck gerecht werden können. Insbesondere wird dies hinsichtlich der Voraussetzungen für die Einleitung des Klageverfahrens bezweifelt. Es wird kritisiert, dass der Schwellenwert von 100.000 E gem. § 148 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AktG sowohl von institutionellen als auch von privaten Anlegern zu leicht überschritten werden könne, da auch letztere oftmals
212
Paefgen, AG 2004, 245 (248). Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20. 214 Schmolke, ZGR 2011, 398 (411 ff.); Rieckers/Vetter, in: KK, AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 24. 215 Rieckers/Vetter, in: KK, AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 24. 216 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (328); Schmolke, ZGR 2011, 398 (419). 217 Rieckers/Vetter, in: KK, AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 94; vgl. Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 211. 218 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (328 f.). 219 Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1341). 220 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20; Lochner, in: Heidel, AktR, 4. Aufl. 2014, § 148 Rn. 3; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 19. 213
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über beträchtliche Vermögenswerte verfügen würden.221 Dies sei eine nicht mehr „sachgerechte[…] Relation“ zwischen dem Gesamtvermögen der Gesellschaft und der jeweiligen Vermögensbeteiligung, die zur Durchsetzung des Anspruchs ausreicht.222 Dieser Schwellenwert stellt also keine allzu hohe Hürde dar. Daneben stehen zumindest die weiteren Voraussetzungen des Klagezulassungsverfahrens gem. § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 4 AktG und die Kostenregelung gem. § 148 Abs. 6 S. 1, 5 a.E., 6 AktG zulasten der Antragssteller. Daran anknüpfend senkt auch die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG den Anreiz, missbräuchliche Klagen zu erheben, auf ein Minimum, da der Erfolg der Klage ungewisser wird.223 Folglich steigen das Prozess- und damit auch das Kostenrisiko für die Aktionäre.224 Dass das vom Gesetzgeber geschaffene System mit § 148 AktG und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest zur Missbrauchsvermeidung tauglich ist, zeigt ferner ein Blick in die Praxis. Eine Recherche aus dem Jahre 2011 hat ergeben, dass im Zeitraum von 2005 bis 2011 nur drei Fälle öffentlich vorliegen, in denen die Gerichte § 148 AktG angewendet haben, und nur einer dieser Fälle ein Klagezulassungsverfahren beinhaltet hat.225 Somit besteht ein harmonisches Zusammenspiel zwischen § 148 AktG und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG mit Blick auf die Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen.226 Daher kann der Zweck der Business Judgment Rule, missbräuchlichen Klagen von räuberischen Aktionären entgegenzuwirken, überzeugen.
221
Linnerz, NZG 2004, 307 (309). Kiethe, ZIP 2003, 707 (708). 223 So auch Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, 2011, S. 23. 224 Vgl. Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (242 f.) der mit einem Beispiel aufzeigt, dass die Aktionärsklage für den einzelnen Aktionär selbst bei Annahme einer Wahrscheinlichkeit des Obsiegens von 80 % ein Verlustgeschäft ist. 225 Schmolcke, ZGR 2011, 398 (402 f.); über das in diesem Zeitraum einzige Klagezulassungsverfahren hatte das LG München I zu entscheiden, vgl. LG München I, Beschl. v. 29. 03. 2007 – 5HK O 12931/06, AG 2007, 458. 226 Jedoch wird der Gesetzgeber insofern kritisiert, als dass er die Missbrauchsgefahren zu hoch eingestuft hat. Aufgrund des weitestgehenden Leerlaufs von § 148 AktG wäre eine Reform dieser Vorschrift vonnöten, um dessen weiteren Zweck, die verbesserte Anspruchsverfolgung von Aktionärsminderheiten gegenüber Organmitgliedern zur Kompensierung der „Bisssperre“ zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, tatsächlich verwirklichen zu können, vgl. Paefgen, AG 2014, 554 (576 ff.); Rieckers/Vetter, in: KK, AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 94 ff.; Schmolcke, ZGR 2011, 398 (423 ff.); Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (268). 222
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VI. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Die Business Judgment Rule soll durch Verhinderung einer übermäßigen Haftungsgefahr bezwecken, dass Vorstandsmitglieder ihre unternehmerischen Entscheidungen mit erwünschter Risikobereitschaft fällen.227 Eine Risikoaversion der Vorstandsmitglieder wäre nämlich insofern schädlich, als daraus negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft resultieren würden.228 Unternehmen nehmen eine wichtige Stellung im Gesamtgefüge der Volkswirtschaft ein. Als zentrale Aufgabe von Unternehmungen wird die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse deklariert.229 Die menschlichen Bedürfnisse ändern sich ständig,230 so dass sich auch Unternehmen an die veränderten Umstände anpassen müssen. Dementsprechend muss dem Vorstand, der auf diese Veränderungen reagieren muss, ein Freiraum unternehmerischen Ermessens gewährt werden, um sein Kreativitäts- und Aktivitätspotential voll ausschöpfen und gewisse Wagnisse eingehen zu können.231 Beispielsweise muss die Produktionsstruktur durch eine Erfindung, die Produktion einer neuen Ware mit bislang ungetesteter Technik oder die Erschließung einer neuen Rohstoffquelle revolutioniert werden können.232 Durch risikoaverses Verhalten von Vorstandsmitgliedern könnte dies jedoch nicht ermöglicht werden, so dass „das Unternehmen im schlimmsten Falle den Anschluß an die wirtschaftliche Entwicklung verpaßt.“233 Somit könnten auch die veränderten menschlichen Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden. Dies würde sich negativ auf die Volkswirtschaft auswirken. 227
Koch, ZGR 2006, 769 (782); Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 93 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (442 f.). 228 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 60; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 46; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827 (830); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13; Koch, ZGR 2006, 769 (782); Lohse, Unternehmerisches Ermessen, 2005, S. 37; Roth, BB 2004, 1066 (1068); Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 46. 229 Ford, in: Rudolph, Klassiker des Managements, 1994, S. 133; Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 5. Aufl. 2003, S. 23. 230 Ford, in: Rudolph, Klassiker des Managements, 1994, S. 133. 231 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001, S. 238. 232 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001, S. 238 Fn. 556. 233 BGH, Beschl. v. 24. 02. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (398) = NJW 1997, 1923 (1925); vgl. dazu, dass risikoaverses Verhalten die Entwicklung des Unternehmens gefährdet, auch Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 45.
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Risikoneutrale Entscheidungen der Vorstandsmitglieder sind daher im Interesse der Volkswirtschaft. An dieser Stelle drängt sich jedoch die entscheidende Frage auf, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG tatsächlich benötigt wird, damit Vorstandsmitglieder nicht risikoavers handeln. Vorstandsmitglieder sind grundsätzlich risikoavers eingestellt, da sie in der Regel einen Großteil ihres Vermögens in Form von Humankapital, das sich kaum diversifizieren lässt, in dem Unternehmen gebunden haben und sich daher in großer Abhängigkeit zu dem Unternehmen befinden.234 Zwar besteht die Möglichkeit, dem Vorstand neben einer festen Grundvergütung auch variable Vergütungsbestandteile, worunter z. B. Aktienoptionspläne (Stock Options)235 fallen, zu gewähren, um ihn dadurch am Erfolg des Unternehmens partizipieren zu lassen. Solch ein System mit festen und variablen Vergütungsbestandteilen, wird sogar von Ziff. 4.2.3 DCGK236 empfohlen und auch in der Praxis üblicherweise so umgesetzt.237 Durch diese Vergütungsstruktur wird zwar ein Anreiz dafür geschaffen, dass der Vorstand auch in seinem Interesse risikoreichere Entscheidungen trifft, da er am Erfolg der Gesellschaft partizipieren kann.238 Allerdings können variable Vergütungsbestandteile alleine nicht als ausreichend erachtet werden, um die grundsätzliche Risikoaversion der Vorstandsmitglieder zu verhindern. Bei etwaigen Misserfolgen muss das Vorstandsmitglied gerade um seine Position fürchten.239 Dies liegt in der Hand des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat hat die Befugnis, den Vorstand gem. § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 AktG nach Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr zu bestellen oder die Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen. Zum anderen kann der Aufsichtsrat den Anstellungsvertrag, aus dem sich 234 Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 30; Kräkel, Organisation und Management, 6. Aufl. 2015, S. 284; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 218. 235 Stock Options sind häufig Bestandteil der Vergütung für Vorstandsmitglieder, deren Zulässigkeit sich aus §§ 87 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ergibt, vgl. Kort, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/1, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 196 f.; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 87 Rn. 98; vgl. ausführlich zu Stock Options Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 37 ff. 236 Der DCGK ist in seiner aktuellen Fassung abrufbar auf: www.corporate-governancecode.de (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 237 Es ist jedoch bei der Umsetzung der Vergütungsstruktur bei einer börsennotierten AG darauf zu achten, dass diese auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist, vgl. § 87 Abs. 1 S. 2 AktG. Dies wird von § 87 Abs. 1 S. 3 AktG insofern konkretisiert, als variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben und auch Begrenzungsmöglichkeiten für außerordentliche Entwicklungen vereinbart werden sollen. Durch Einführung mitunter dieser Regelungen durch das VorstAG hat der Gesetzgeber auf die Finanzmarktkrise reagiert, die durch fehlerhafte Verhaltensanreize infolge kurzfristig ausgerichteter Vergütungselemente begünstigt worden sei, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 1; Fleischer, NZG 2009, 801; Bauer/Arnold, AG 2009, 717 f. 238 Die Verknüpfung der Vorstandsvergütung mit dem finanziellen Schicksal der Aktionäre gehört beispielsweise zur Standardrechtfertigung von Aktienoptionsplänen, vgl. Adams, ZIP 2002, 1325 (1334). 239 Leyens, Die Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 30.
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gerade der Anspruch auf die Vergütung ergibt,240 gem. § 84 Abs. 3 S. 5 AktG i.V.m. § 626 BGB aus wichtigem Grund kündigen.241 Die Beteiligung am Erfolg der Gesellschaft kann die Gefahr des Verlusts des Vorstandspostens also nicht ausgleichen.242 Hinzu kommen die existenzgefährdenden Haftungsgefahren, denen der Vorstand ausgesetzt ist.243 Somit ist der Vorstand einer AG grundsätzlich risikoavers eingestellt. Hier setzt die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG an. Der dadurch erzeugte Haftungsfreiraum für unternehmerische Entscheidungen bewerkstelltigt, dass dem Vorstand bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG keine Haftungsgefahren drohen und zumindest ein Widerruf der Bestellung gem. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG aufgrund grober Pflichtverletzung ausgeschlossen ist.244 Folglich wird durch die Business Judgment Rule für den Vorstand ein Anreiz zu risikoneutralem Handeln gegeben.245 Insofern wird die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG benötigt, damit der Vorstand risikoneutrale Entscheidungen treffen kann. Folglich kann der Zweck der Business Judgment Rule, einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft zu verhindern, überzeugen.
240 Vgl. Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 13, 17; vgl. Weber, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 84 Rn. 45. 241 Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 84 Rn. 48; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 84 Rn. 37; im Anstellungsvertrag ist eine Regelung dergestalt zulässig, dass eine Abberufung aus dem Amt zugleich als Kündigung des Anstellungsvertrages gilt oder dass der Anstellungsvertrag durch den Widerruf auflösend bedingt ist, vgl. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 106. 242 Leyens, Die Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 30. 243 Vgl. Kap. 1 D. IV.; die steigenden Haftungsgefahren bei Risikogeschäften betitelt Taube sogar als maßgeblichen Grund dafür, dass Geschäftsleiter risikoavers eingestellt seien, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 204. 244 Vgl. Kap. 1 C. 245 Vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 204.
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2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder im Interesse der Aktionäre a) Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre als Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Der Business Judgment Rule wird der Zweck zugesprochen, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindere, da letztere von risikoneutralen Entscheidungen profitieren würden.246 Grundsätzlich sind die Aktionäre zwar risikoavers eingestellt.247 Jedoch profitieren Aktionäre von risikoneutralen Vorstandsmitgliedern, da sie in der Lage sind, die unsystematischen Risiken durch gut diversifizierte Portfeuille, d. h. durch Beteiligung an mehreren Unternehmen, zu eliminieren.248 Der breit aufgestellte Aktionär trägt somit nur noch das systematische Risiko, also das Risiko, das den gesamten Kapitalmarkt betrifft.249 Die Möglichkeit der optimalen Risikominderung durch Diversifikation geht auf die von Markowitz entwickelte moderne PortfolioTheorie zurück.250 Nach der modernen Portfolio-Theorie wird festgehalten, wie sich die Zusammensetzung des Portfolios auf das Risiko und die zu erwartende Rendite des Portfolios auswirkt.251 Dabei liegt dieser Theorie der Gedanke zugrunde, dass ein risikoeffizientes Portfolio durch taktische Investition in mehrere Aktien erzielt werden kann, das bei gleicher Rendite weniger Schwankungen unterliegt als jede
246 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13; Paefgen, AG 2004, 245 (247); Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 7 Rn. 46; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 60; Jungmann, ZGR 2006, 638 (670); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (835 f.); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 38. 247 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (836). 248 Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Aufl. 2002, Kap. 17 S. 510; Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. Aufl. 1997, Kap. 8 S. 313 ff., 340; Pfertner, Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands, 2017, S. 45 f.; vgl. zum USamerikanischen Recht Gagliardi v. Trifoods International, Inc., 683 A.2d 1049, 1052 (Del. Ch. 1996): „Sharholders don’t want (or shouldn’t rationally want) directors to be risk averse. Shareholders’ investment interests, across the full range of their diversifiable equity investments, will be maximized if corporate directors and managers honestly assess risk and reward and accept for the corporation the highest risk adjusted returns available that are above the firm’s cost of capital.“. 249 Kuhner, ZGR 2004, 244 (263); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (836); Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 55. 250 Markowitz, 7 J. Fin. (1952), 77; Markowitz, 32 Fin. A. J. (1976), 47; vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 126 f.; vgl. auch zur modernen Portfolio-Theorie Spremann, Portfoliomanagement, 4. Aufl. 2008, S. 59 ff. 251 Benicke, ZGR 2004, 760 (769); Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. Aufl. 1997, Kap. 8 S. 313 ff., 340.
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Einzelaktie.252 Insofern ist es insbesondere im Interesse der (Klein-)Aktionäre, die sich durch Diversifikation ein risikoeffizientes Portfolio zusammengestellt haben, dass die Vorstandsmitglieder risikoneutrale Entscheidungen treffen. Vor diesem Hintergrund erscheinen aber risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands für solche Aktionäre problematisch, die weniger gut diversifiziert sind. Diese sogenannten Blockaktionäre könnten den unsystematischen Risiken jedoch dadurch begegnen, dass sie eine Anpassung der Geschäftsführung an ihre Risikopräferenzen über ihre Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft erreichen.253 Dass den Blockaktionären ein Interesse an risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands völlig abgesprochen wird, kann allerdings nicht überzeugen. Dies beruht auf dem Umstand, dass risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands unter anderem auch dafür notwendig sind, dass das Unternehmen nicht vom Markt gedrängt wird und auch in Zukunft erfolgreich bleibt.254 Grundsätzlich können also Aktionäre von risikoneutralen Entscheidungen der Vorstandsmitglieder profitieren, so dass diese Entscheidungen in ihrem Interesse sind. Dass Vorstandsmitglieder grundsätzlich risikoavers eingestellt sind und deswegen die Business Judgment Rule als Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen derselben im Interesse der Aktionäre benötigt wird, ist bereits dargestellt worden.255 Folglich kann dieser Zweck der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG überzeugen. b) Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre als einzige Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG? Jungmann hat die These aufgestellt, dass allein die Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre die Business Judgment Rule im Aktienrecht legitimiert.256 Diese These steht unter der Prämisse, dass es kein vom Gesellschafterwillen abweichendes Eigeninteresse der Gesell252
Mülbert, ZGR 1997, 129 (135 f.); auf der Grundlage der modernen Portfolio-Theorie folgte Tobin’s Erkenntnis, dass die Aufgabe, ein effizientes Portfolio zu entwickeln, für jeden Investor identisch ist und somit von der zweiten Aufgabe, die persönliche Risikoaversion und den jeweiligen Anlagebetrag des einzelnen Anlegers zu ermitteln, zu trennen ist (Tobin-Separation), vgl. Spremann, Portfoliomanagement, 4. Aufl. 2008, S. 227; die von Markowitz und Tobin aufgestellten Grundsätze wurden durch das Capital Asset Pricing Model, entwickelt von Sharpe und anderen, kulminiert, vgl. dazu Spremann, Portfoliomanagement, 4. Aufl. 2008, S. 285 ff.; Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. Aufl. 1997, Kap. 9 S. 343 ff. 253 Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 30 Fn. 86; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 60; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 219. 254 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 255 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 256 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (839 ff.).
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schaft, d. h. kein Unternehmensinteresse, gebe.257 Fraglich ist, ob diese Argumentation überzeugen kann. Zunächst kann der These von Jungmann entgegengehalten werden, dass sie viel zu einseitig ist, da es daneben, wie schon teilweise dargestellt, auch andere überzeugende Legitimationsgrundlagen für die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gibt.258 Abgesehen davon könnte dieser These nur dann zugestimmt werden, wenn im deutschen Aktienrecht das Unternehmensinteresse mit dem Aktionärsinteresse tatsächlich identisch ist. Grundsätzlich entspricht diese Ansicht dem US-amerikanischen Konzept, nach dem sich die Corporate Governance-Diskussion lediglich zwischen dem Management und den Aktionären abspielt und es um den Schutz der Vermögensinteressen von letzteren geht.259 Dieses Konzept hat sich historisch aufgrund der vorwiegenden Eigenkapitalfinanzierung und des gespaltetenen Rechtssystems mit der Kompetenz der Einzelstaaten für das Gesellschaftsrecht und der Kompetenz des Bundes für das Kapitalmarktrecht in den USA entwickelt.260 Hingegen liegt in Kontinentaleuropa und insbesondere in Deutschland im Grunde ein interessenpluraleres Modell vor, nach dem die Unternehmensleitung neben den Anlegerinteressen auch Gläubiger-, Arbeitnehmer- und öffentliche Interessen zu berücksichtigen hat.261 Dieses interessenpluralistische Modell fußt historisch gesehen vor allem auf der primären Fremdkapitalfinanzierung über die Banken und den damit einhergehenden Gläubigerschutzinteressen und der Mitbestimung im Aufsichtsrat.262 Insofern sprechen bereits die historischen Gegebenheiten dafür, dass im deutschen Aktienrecht das Unternehmensinteresse nicht mit dem Aktionärsinteresse identisch ist. Dennoch wird zum Teil auch für das deutsche Recht vertreten, dass sich der Vorstand ausschließlich oder zumindest überwiegend an den Aktionärsinteressen zu orientieren hat, was häufig als Shareholder Value-Konzept bezeichnet wird.263 Dagegen spricht jedoch der historische, gesetzgeberische Wille im Rahmen des § 76 AktG, nach dem sich jede AG „in die Gesamtwirtschaft und in die Interessen der 257
Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (844 ff.). So auch Kebekus/Zenker, in: FS Maier-Reimer, 2010, 319 (326), die die „bloße Orientierung an den Gesellschaftern“ als „zu eindimensional“ deklarieren. 259 Merkt, AG 2003, 126 (127); v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 4; Hess, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, 1996, 9 (10). 260 Merkt, AG 2003, 126 (127). 261 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 6 f.; vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 4 f. 262 Merkt, AG 2003, 126 (127); Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 7. 263 Groh, DB 2000, 2153 (2155 ff.); Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 76 Rn. 14 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 76 Rn. 37; vgl. auch Weber, in: Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017, § 76 Rn. 22. 258
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Allgemeinheit einfügen“ muss und „auch das Wohl ihrer Arbeitnehmer zu beachten“ hat.264 Dieser Wille des Gesetzgebers solle jedoch nach den Anhängern des Shareholder Value-Konzepts verblasst sein, wofür die Vorschriften der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG, § 315a HGB sprächen.265 Dass diese Vorschriften für eine wertorientierte Unternehmensführung sprechen, stellt jedoch als solches kein Bekenntnis zum Shareholder Value-Konzept dar, wofür unterstützend auch die Einführung der paritätischen Mitbestimmung anzuführen ist.266 Somit hat der gesetzgeberische Wille, der für den interessenpluralistischen Ansatz spricht, weiterhin Bestand. Speziell nach Jungmann spreche aber § 93 Abs. 4 S. 1 AktG für das Shareholder Value-Konzept, wonach dem Gesellschafterwillen bezüglich der Haftung des Vorstands entscheidendes Gewicht zukomme.267 Nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG kann die Haftung des Vorstands für eine Maßnahme ausgeschlossen werden, wenn diese von der Hauptversammlung durch gesetzmäßigen Beschluss vorab gebilligt worden ist. Nichts anderes ergäbe sich aus der Business Judgment Rule, sofern diese, so Jungmann, als vorab erklärter Verzicht der Gesellschafter auf die Nachprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands verstanden werden würde.268 Dies wäre nichts anderes als die vorab erklärte Billigung dieser Maßnahmen, so dass es nur auf die Interessen der Gesellschafter ankäme.269 Zu konzedieren ist, dass sich zwar in solch einem Hauptversammlungsbeschluss die Interessen der Gesellschafter durchaus bündeln und widerspiegeln. Der Beschluss hat für den Vorstand allerdings nur entlastende Wirkung, wenn die Hauptversammlung zuständig ist.270 Dies ist in Fragen betreffend die Geschäftsführung, abgesehen von den entwickelten Grundsätzen zu den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen,271 nur der Fall, wenn der Beschluss auf Verlangen des Vorstands gem. § 119 Abs. 2 AktG erfolgt ist.272 Somit hat grundsätzlich auch nur der Vorstand im Rahmen der Geschäftsführung die Kompetenz, einen Beschluss der Hauptversammlung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG herbeizuführen. Hinzu kommt, dass die haftungsbefreiende Wirkung des Beschlusses entfällt, wenn dieser insbesondere durch unrichtige oder unvollständige 264 Ausschussbericht zum AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, S. 98; vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 Rn. 28, 30. 265 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 76 Rn. 23, 36; Bürgers, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 76 Rn. 14. 266 Kort, AG 2012, 605 (606); Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 Rn. 30. 267 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (845). 268 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (845). 269 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (845). 270 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 240. 271 BGH, Urt. v. 25. 02. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 – Holzmüller; BGH, Urt. v. 26. 04. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384 – Gelantine. 272 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 240; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn. 331.
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Information vom Vorstand pflichtwidrig herbeigeführt worden ist.273 Die richtigen und vollständigen Informationen vorzulegen, liegt nur in den Händen des Vorstands. Daher kann dem Gesellschafterwille bezüglich des Vorliegens der Umstände, die einen haftungsbefreienden Hauptversammlungsbeschluss überhaupt erst ermöglichen, kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Dies ist mitunter Ausdruck der klaren Kompetenzverteilung in der AG. Dass der Wille der Gesellschafter im Rahmen des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG entscheidendes Gewicht bezüglich der Haftung des Vorstands habe, macht Jungmann aber gerade zum Grundstein seiner Schlussfolgerung.274 Wenn daher, wie gerade dargelegt, das Fundament dieser Argumentation wegfällt, kann es nicht überzeugen, dass die Business Judgment Rule lediglich den im Interesse der Gesellschafter vorab erklärten Verzicht auf die gerichtliche Nachprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen darstellt. Abschließend kann daher festgehalten werden, dass im deutschen Aktienrecht das Unternehmensinteresse nicht mit dem Aktionärsinteresse identisch ist. Zwar muss der Vorstand das Aktionärsinteresse angemessen berücksichtigen, hat dies jedoch in Ausgleich mit den weiteren divergierenden Interessen zu bringen.275 Dabei hat der Vorstand im Interesse aller Parteien die langfristige Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit zu beachten.276 Somit kann die These von Jungmann nicht überzeugen. Die Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre legitimiert zwar die Business Judgment Rule, stellt jedoch nicht die einzige Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule dar.
VII. Kontrolle durch Marktmechanismen Vorgetragen wird, dass das Vorliegen anderer Kontrollmechanismen durch den Markt eine Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule sei, da dies zur Disziplinierung des Vorstandshandelns dienlich wäre.277
273 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016, Kap. 5 Rn. 332; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 272; Fleischer, BB 2005, 2025 (2028); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 154. 274 Vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (845): „Das ist ein wichtiges Ausgangsdatum“. 275 Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 Rn. 33. 276 Vgl. Kap. 1 B. II. 277 Vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (835); siehe auch Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); lediglich bezogen auf den Kapitalmarkt Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 40; vgl. zum US-amerikanischen Recht beispielsweise Arkes/Schipani, 73 Or. L. Rev. (1994), 587, 627 ff.
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1. Kontrolle durch den Produktmarkt Zunächst könnte der Produktmarkt ein Kontrollmechanismus für das Vorstandshandeln sein. Die Intensität des Wettbewerbs auf dem Produktmarkt ist der maßgebliche Faktor für dessen Disziplinierungswirkung, da es den Marktteilnehmern bei vollständiger Konkurrenz verwehrt ist, auf die Preise der angebotenen Produkte Einfluss zu nehmen.278 Der Wettbewerbsdruck führt dazu, dass der Vorstand die Ressourcenallokation bestmöglich vornehmen muss, da ein opportunistisches Verhalten desselben zu höheren Produktionskosten und damit zwangsläufig zu einem Ausscheiden des Unternehmens am Markt führen würde.279 Die Anreizwirkung des Güter- bzw. Produktmarkts auf das Verhalten des Vorstands hängt also grundsätzlich von der Struktur des Marktes ab.280 Aufgezeigt wird, dass gerade in oligopolistisch oder monopolistisch geprägten Märkten kein derartiger Zwang zur optimalen Ressourcenallokation besteht, da insbesondere im Fall des Monopols der Vorstand den Preis festsetzen kann.281 Allerdings muss aus deutscher Sicht konstatiert werden, dass § 1 GWB vorschreibt, dass Vereinbarungen von Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten sind. Verboten werden vom Kartellamt oder der europäischen Kommission demnach Zusammenschlüsse, die zu Monopolen führen würden.282 Der Wettbewerb wird im deutschen Recht also geschützt. Insofern ist in Deutschland eine wettbewerbsintensive Marktsituation anzunehmen. Daher kann dem Produktmarkt durchaus eine Disziplinierungs- bzw. Anreizwirkung bezüglich des Vorstandshandelns zugeschrieben werden. 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Dem Arbeitsmarkt für Manager könnte eine Kontroll- bzw. Disziplinierungswirkung des Vorstandshandelns zukommen. Vorstände, die im Wettbewerb mit weiteren Kontrahenten stehen, sind an einer positiven Entwicklung der Gesellschaft interessiert, weil diese die Fähigkeit und die Qualität der Unternehmensleitung auf dem Arbeitsmarkt für Manager widerspiegelt.283 Dabei kann zwischen einer externen 278 Jansch, Die Rolle der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, 1999, S. 94; Metten, Corporate Governance, 2010, S. 54; Roos, Unternehmensperformance und Vorstandswechsel, 2005, S. 8. 279 Roos, Unternehmensperformance und Vorstandswechsel, 2005, S. 8; Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 93. 280 Metten, Corporate Governance, 2010, S. 55; Hutzschenreuter, Unternehmensverfassung und Führungssystem, 1998, S. 47. 281 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 227; Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 93. 282 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 60. 283 Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft im Lichte der Theorie der Eigentumsrechte, 1980, S. 97; vgl. Roos, Unternehmensperformance und Vorstandswechsel, 2005, S. 9.
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und einer internen Disziplinierung des Vorstands durch den Arbeitsmarkt für Manager differenziert werden.284 Extern wird der Vorstand durch externe Kandidaten für den Vorstandsposten, die auf den amtierenden Vorstand Konkurrenzdruck aufbauen, diszipliniert.285 Intern wird die Disziplinierung durch einen unternehmensinternen Wettbewerb bewirkt, indem sich die Vorstandsmitglieder, sofern mehrere dieses Amt innerhalb einer Gesellschaft bekleiden, gegenseitig kontrollieren und überwachen.286 Dieser Anreiz beruht zum einen auf der Aussicht auf unternehmensinternen Aufstieg und zum anderen darauf, dass es im Interesse aller Vorstandsmitglieder liegt, eine schlechte Leistung auf Vorstandsebene zu verhindern, da ansonsten der Marktwert jedes einzelnen Mitglieds abnehmen würde.287 Fraglich ist allerdings, ob die beschriebene Kontrollwirkung des Arbeitsmarkts für Manager tatsächlich effizient ist. Der Wirksamkeit wird generell entgegengehalten, dass viele Vorstandsmitglieder hohen Alters seien, am Ende ihrer beruflichen Laufbahn und kurz vor der Pensionierung stünden, so dass eine Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt für Manager nicht mehr gewährleistet sei.288 Diese Argumentation kann jedoch aufgrund ihrer Pauschalität nicht durchweg überzeugen. Viele pensionierte Vorstände arbeiten als Berater weiter, was um so eher der Fall ist, wenn insbesondere vor der Pensionierung eine positive Geschäftspolitik betrieben worden ist.289 Somit strahlt der Arbeitsmarkt für Manager durchaus auch noch für Vorstände im hohen Alter eine Kontrollwirkung aus. Allerdings ist zu konzedieren, dass die externe im Gegensatz zur internen Disziplinierung aufgrund hoher Transaktionskosten nur eingeschränkt wirken kann und der derzeitige Vorstand somit in gewissem Maße vor externer Konkurrenz geschützt ist.290 Erwähnenswerte Transaktionskosten sind beispielsweise das Wettbewerbsverbot gem. § 88 AktG oder der mit dem Austausch des Vorstands verbundene Verlust unternehmensspezifischer Fachkenntnisse.291
284
Fama, 88 J. Polit. Econ. (1980), 288, 292 f. Jansch, Die Rolle der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, 1999, S. 99. 286 Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 117; Jansch, Die Rolle der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, 1999, S. 99. 287 Fama, 88 J. Polit. Econ. (1980), 288, 293; Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 117. 288 Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. (1989), 1461, 1495; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 234. 289 Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 121 m.w.N. zu US-amerikanischen Studien, die aufzeigen, dass die Chance, dass ein pensionierter Manager als Director eingestellt wird, steigt, wenn dieser vor der Pensionierung eine gute Performance aufzeigen kann. 290 Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft im Lichte der Theorie der Eigentumsrechte, S. 98 f.; Jansch, Die Rolle der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, 1999, S. 100. 291 Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft im Lichte der Theorie der Eigentumsrechte, S. 98 f.; Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 116. 285
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Trotz der möglichen Einschränkungen der Wirksamkeit dieses Kontrollmechanismus ist ein Austausch des Vorstands nicht ausgeschlossen. Dies liegt gem. § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 AktG in der Hand des Aufsichtsrats. Eine Studie der Unternehmensberatung PWC Strategy zeigt auf, dass im Jahre 2015 die Fluktuation auf den Chefsessel der 300 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei 17 % gelegen hat, was eine Steigerung von 7 % gegenüber 2014 bedeutet.292 Ein Drittel davon musste vor Ende der Amtszeit aufgrund wirtschaftlicher Erfolgslosigkeit gehen.293 Gerade im Banken-, Finanz- und Versicherungssektor hat jeder fünfte der untersuchten Vorstandsvorsitzenden weichen müssen, wovon ein Drittel durch externe Kandidaten ausgetauscht worden ist.294 Dass gerade in Deutschland die Gefahr latent ist, hat bereits eine Studie von der Unternehmensberatung Booz & Company gezeigt, nach der im Jahre 2007 die Zahl der Abgänge von Vorstandschefs auf 19,7 % angestiegen ist und Deutschland somit einen Spitzenplatz in dieser Kategorie eingenommen hat.295 Zudem muss festgehalten werden, dass der Vorstand sein Humankapital kaum diversifizieren kann.296 Dies wird den Vorstand anhalten, auf eine positive Geschäftsentwicklung hinzuarbeiten. Für jeden Vorstand würde es einen finanziellen Einschnitt darstellen, wenn dieser seinen Posten früher als geplant verliert. Diese Umstände zeigen, dass der Arbeitsmarkt für Manager eine tatsächliche Kontrollwirkung auf das Vorstandshandeln hat.297 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Daneben könnte der Kapitalmarkt eine Disziplinierungswirkung auf den Vorstand haben. Wenn der Vorstand die Gesellschaft insofern schlecht führt, als dadurch eine Beteiligung an der Gesellschaft aufgrund geringer Gewinnerzielung unattraktiv wird, werden die Aktionäre ihre Beteiligungen verkaufen und der Aktienkurs wird infolgedessen sinken. Ein niedriger Aktienkurs führt zum einen zu einem geringeren Finanzierungseffekt bei Neuemissionen, also bei der Ausgabe neuer Aktien, zum anderen zu einer weniger lukrativen Kreditaufnahme, da die Kreditgeber das Kre292 Auf die Studie der Unternehmensberatung PWC Strategy hat sich ein Artikel des Deutschlandfunks vom 19. 04. 2016 berufen, vgl. http://www.deutschlandfunk.de/hohe-fluktuati on-bei-vorstandsposten-von-chefsesseln-und.769.de.html?dram:article_id=351837 (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 293 Vgl. http://www.deutschlandfunk.de/hohe-fluktuation-bei-vorstandsposten-von-chefses seln-und.769.de.html?dram:article_id=351837 (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 294 Vgl. http://www.deutschlandfunk.de/hohe-fluktuation-bei-vorstandsposten-von-chefses seln-und.769.de.html?dram:article_id=351837 (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 295 Auf die Studie von Booz & Company hat sich ein Artikel des Spiegels vom 27. 05. 2008 berufen, vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/unsichere-vorstandsposten-deutsche-chefs-aufdem-schleudersitz-a-555577.html (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 296 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 297 I. E. genauso Jansch, Die Rolle der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, 1999, S. 101.
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ditrisiko und die Konditionen anhand der Aktienkursentwicklung bestimmen.298 Allerdings kann sich der Vorstand in gewisser Weise der Kontrolle des Kapitalmarkts dadurch entziehen, dass die Finanzierung nicht nur über den Kapitalmarkt, sondern auch über die interne Finanzierung wie die Gewinnthesaurierung möglich ist.299 Dieser Versuch der Abschottung vom Kapitalmarkt kann jedoch nicht auf Dauer gelingen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Selbstfinanzierungsmittel nur begrenzt zur Verfügung stehen und daher für die Finanzierung von Großprojekten auf die Außenfinanzierung zurückgegriffen werden muss.300 Wenn der Vorstand im weiteren Verlauf nur marginale Gewinne erzielt, fällt der Aktienkurs so lange, bis wieder eine Kurs-Gewinnrelation erreicht ist, die dem Aktionär eine Rendite ermöglicht, die derjenigen vergleichbarer Wertpapiere entspricht.301 Infolgedessen erhält das Unternehmen an der Börse eine niedrigere Bewertung als es dem tatsächlichen Wertpotential der Aktiva entspricht.302 Ab diesem Zeitpunkt wird eine Übernahme des Unternehmens interessant. Der an der Übernahme interessierte Investor wird die notwendige Aktienmehrheit erwerben und könnte die damit einhergehenden Kontrollrechte dazu einsetzen, um den ineffizient durch einen effizient arbeitenden Vorstand zu ersetzen.303 Es greift folglich der sogenannte Markt für Unternehmenskontrolle.304 An dieser Stelle muss untersucht werden, ob der Markt für Unternehmenskontrolle den Vorstand tatsächlich disziplinieren kann. Zuzugeben ist, dass Übernahmen sehr kostspielig sind, dementsprechend hohe Gewinne für eine sich lohnende Übernahme erzielt werden müssen und damit nicht jedes schlecht geführte Unternehmen attraktiv genug ist.305 Erwiesen ist jedoch, dass Übernahmen in der Regel mit deutlichen Kursanstiegen der Zielgesellschaft verbunden sind.306 Eine weitere empirische Studie konnte belegen, dass Übernahmen zumindest in konjunkturstarken 298 Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 121; Roos, Unternehmensperformance und Vorstandswechsel, 2005, S. 10. 299 Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 94; Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 121 ff. 300 Metten, Corporate Governance, 2010, S. 54. 301 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 711 f. 302 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 712. 303 Riegger, Unternehmenskontrolle, Aufsichtsratshaftung und ihre effektive Durchsetzung, 2003, S. 123; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 712. 304 Adams, AG 1989, 333. 305 Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 26; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 250 f. 306 Vgl. die Ergebnisse der Studie von Eckardt in Bezug auf Mehrheitsbeteiligungen, Eckardt, Kurz- und langfristige Kurseffekte beim Erwerb von Beteiligungen deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften, 1999, S. 419 f., 423 ff.; vgl. zu einer Studie nach Einführung des WpÜG Bimberg, Unternehmensübernahmen und Erwerbsangebote in Deutschland, 2009, 174 ff.
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
Jahren auch mit Marktwertsteigerungen des Käufers einhergehen.307 Die guten Gewinnaussichten steigern dementsprechend den Anreiz zur Vornahme einer Übernahme. Daneben stellen sich Übernahmen auch aus volkswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich nicht nachteilhaft dar.308 Denn zum Schutze der Minderheit der übernommenen Gesellschaft kann hier § 32 WpÜG erwähnt werden, der gewährleistet, dass bei einer Übernahme die Vermögensinteressen sämtlicher Minderheitsaktionäre gewahrt bleiben.309 Des Weiteren erscheint bei Übernahmen auch die Gefahr der Monopolbildung, die durchaus mit negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft verknüpft sein kann, nicht sehr groß.310 Letzteres gilt aus deutscher Sicht umso mehr, da über § 1 GWB Zusammenschlüsse verboten werden, die zu Monopolen führen würden.311 Durch Übernahmen werden also Gewinne erzielt, die grundsätzlich nicht zu Lasten der Volkswirtschaft gehen. Nach Bak ist nun entscheidend, ob die per Saldo erzielten Gewinne primär auf die Entlassung des alten und der Einstellung des neuen Vorstands zurückzuführen sind.312 Dies erscheint überzeugend. Wenn gerade andere Umstände als die Entlassung des ineffizient arbeitenden Vorstands dafür maßgeblich wären, würde eine Übernahme nicht zu einer Disziplinierung des Vorstands führen, da sonst von einer Entlassung abgesehen werden könnte. Möglicherweise könnten vorwiegend Synergieeffekte oder Steuergewinne für die Gewinnerzielung nach einer Übernahme ursächlich sein. Zu konstatieren ist allerdings, dass sich Synergieeffekte bei einer Übernahme und dem darauf möglich folgenden Unternehmenszusammenschluss nur schwer realisieren lassen.313 Für die Erzielung solcher Effekte bedarf es gerade eines wirksamen Synergie-Managements mit strategischen Grundlagen.314 Dies ist häufig nicht anzutreffen, so dass die Erzielung von Synergieeffekten in solchen Fällen lediglich als Rechtfertigung unzureichend durchdachter Projekte vorgetragen wird.315 Dass Synergieeffekte kaum realisierbar sind, exemplifiziert sich insbesondere auch an feindlichen Übernahmen mangels guter Zusammenarbeit.316 Folglich kann festgehalten werden, dass Synergieeffekte nicht primär für die Gewinnerzielung nach einer Übernahme ursächlich sind. Daneben ist es zwar möglich, dass mit einer Übernahme Steuergewinne einhergehen.317 Jedoch zeigen empirische Studien, dass 307
Vgl. Böhmer/Löffler, ZfbF 1999, 299 ff. Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 102. 309 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 712; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 32 Rn. 1. 310 Vgl. Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 101 f. 311 Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. 312 Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 102 f. 313 Bühner/Spindler, DB 1986, 601 (605); vgl. Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 107. 314 Schneider, in: Management Heute, 1991, 239 (241). 315 Schneider, in: Management Heute, 1991, 239 (241). 316 Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 107. 317 Vgl. Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 108 f. 308
D. Legitimation bzw. der Telos der Business Judgment Rule
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sich auch Steuervorteile bei Übernahmen regelmäßig kaum realisieren lassen, so dass daher die mit einer Übernahme einhergehenden Gewinne primär auf dem Austausch des ineffizient arbeitendenden Managements beruhen.318 Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass das deutsche Gesetz übernahmefreundlicher als beispielsweise die US-Regelung ist.319 Zum einen liegt dies an dem in § 33 Abs. 1 WpÜG verankerten übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber mit Einführung des § 33a WpÜG einer Gesellschaft gem. § 33a Abs. 1 WpÜG die Möglichkeit gegeben, per Satzung § 33 WpÜG auszuschließen. Falls eine Gesellschaft von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, greift das europäische Verhinderungsverbot gem. § 33a Abs. 2 WpÜG, das insgesamt strenger als die originäre Regelung des § 33 WpÜG ist.320 Neben den Spezialregelungen des WpÜG ist auch dem § 76 Abs. 1 AktG nach überwiegender Ansicht bei Übernahmen eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft zu entnehmen.321 Die aktienrechtliche Neutralitiätspflicht ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die Regelungen des WpÜG nicht greifen, wie z. B. im Vorfeld der Angebotsabgabe.322 Insofern sind Vorstände der Zielgesellschaft nach der deutschen Gesetzeslage und dem überwiegenden aktienrechtlichen Schrifttum in ihren Verhinderungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. In Anbetracht der dargelegten Umstände kann festgehalten werden, dass der Kapitalmarkt und der damit einhergehende „Markt für Unternehmenskontrolle“ eine Disziplinierungswirkung auf das Vorstandshandeln haben. 4. Zwischenergebnis Von dem Produktmarkt, dem Arbeitsmarkt für Manager und dem Kapitalmarkt im Zusammenhang mit dem Markt für Unternehmenskontrolle gehen Kontrollwirkungen auf das Verhalten des Vorstands aus. Diese Kontrollmechanismen ermöglichen eine Kompensation der weniger stark ausgeprägten verhaltenssteuernden Wirkung der Haftung der Vorstandsmitglieder, die aufgrund der Business Judgment Rule resultiert. Insofern kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG überzeugen.
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Vgl. Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, S. 108 f. Vgl. Windolf, in: Bach, Der entmachtete Leviathan, ZfP Sonderband 5, 2013, 301 (304 ff.). 320 Vgl. Koch, WM 2010, 1155 (1158 f.). 321 Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 26; Koch, WM 2010, 1155 (1159); Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 36; Hopt/Roth, in: Großkomm, AktG, Bd. 4/2, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 213 ff.; Hopt, ZGR 1993, 534 (545 ff.); a.A. Koch, in: Hüffer, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 Rn. 40; Wolf, ZIP 2008, 300 f. 322 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 36; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 26. 319
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Kap. 1: Business Judgment Rule in der Aktiengesellschaft
VIII. Ergebnis Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass die Business Judgment Rule im Aktienrecht richtigerweise nur durch folgende Punkte legitimiert wird: Zum einen sind hier die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen zu nennen. Unternehmerischen Entscheidungen sind unwägbare Faktoren immanent, die bei anderen Entscheidungen in vergleichbarer Weise nicht anzutreffen sind. Zum anderen kann die Business Judgment Rule dadurch gerechtfertigt werden, dass durch deren Geltung die Gefahr des Hindsight Bias eingedämmt wird. Diese Gefahr stellt sich bei unternehmerischen Entscheidungen weitaus größer dar als bei anderen Entscheidungen. Daneben kann die Business Judgment Rule damit legitimiert werden, dass durch deren Geltung die Haftungsgefahren für den Vorstand reduziert werden und somit der Vorstandsposten für qualifiziertes Personal attraktiver wird. Gerechtfertigt werden kann die Business Judgment Rule auch damit, dass sie die Gefahr missbräuchlicher Aktionärsklagen im Zusammenspiel mit dem Klagezulassungsverfahren des § 148 Abs. 1, 2 AktG eindämmt. Darüber hinaus besteht eine weitere Legitimationsgrundlage darin, dass ein Anreiz von risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder verhindert wird. Damit werden zum einen negative Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft vermieden. Zum anderen ist dies auch im Interesse der Aktionäre, die ihr Portfolio diversifizieren können und somit in der Lage sind, die Gefahren von risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands abzufedern. Sogenannte Blockaktionäre, die nicht so gut diversifiziert sind, haben auch ein gewisses Interesse an risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands. Dies beruht auf dem Umstand, dass risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands unter anderem auch dafür notwendig sind, dass das Unternehmen nicht vom Markt gedrängt wird. Zuletzt kann die Business Judgment Rule damit legitimiert werden, dass Marktmechanismen bestehen, die das Vorstandshandeln disziplinieren und es somit einer uneingeschränkten inhaltlichen Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen durch die Gerichte nicht bedarf. Disziplinierende Wirkung haben der Produktmarkt, der Arbeitsmarkt für Manager und der Kapitalmarkt im Zusammenhang mit dem Markt für Unternehmenskontrolle.
Kapitel 2
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE mit Sitz in Deutschland Mit dem Erlass der SE-VO1 am 08. 10. 2001 und ihrem Inkrafttreten am 08. 10. 2004 hat der europäische Gesetzgeber die SE2 als supranationale Rechtsform geschaffen.3 Die SE-VO ist durch den gleichzeitigen Erlass der Richtlinie zur Ergänzung der SE-VO hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer4 flankiert worden.5 Trotz der unmittelbaren Anwendbarkeit der SE-VO in allen Mitgliedstaaten sieht die SE-VO den Erlass von Ausführungsgesetzen der Mitgliedstaaten vor.6 Der deutsche Gesetzgeber ist dem mit dem Erlass des SEAG7 nachgekommen.8 In der SEVO wird das Gesellschaftsrecht allerdings nur in groben Zügen geregelt, so dass hinsichtlich der Bereiche, die in der Verordnung nicht oder nicht abschließend geregelt sind, auf das nationale Recht des Mitgliedstaats, in dem die SE ihren Sitz hat, verwiesen wird.9 Folge dieser Verweisungstechnik ist, dass sich das auf die SE anwendbare materielle Recht von Sitzstaat zu Sitzstaat unterscheidet.10 Deswegen wird im Rahmen dieser Untersuchung nur auf diejenigen SE Bezug genommen, auf die in 1
Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Abl. L 294/1 vom 10. November 2001. 2 Typologisch steht die SE der AG nahe und wird daher häufig auch als „Europäische Aktiengesellschaft“ bezeichnet, vgl. Teichmann, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 1. 3 Metz, Die Organhaftung bei der monistisch strukturierten Europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland, 2009, S. 30. 4 Richtlinie (EG) Nr. 2001/86 des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, Abl. L 294/22 vom 10. November 2001. 5 Habersack/Verse, Europäisches GesR, 4. Aufl. 2011, § 13 Rn. 1; Drinhausen/Teichmann, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 3. Abschnitt Rn. 1. 6 Kuhn, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, 2. Kap. Rn. 2. 7 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz – SEAG), BGBl. I 2004, 3675. 8 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Einl. SE-VO Rn. 4; Walla, ZJS 2008, 566. 9 Schröder, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Teil A, Vorb. Rn. 39; Kuhn, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 2 Rn. 4. 10 Kuhn, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 2 Rn. 4.
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
nicht oder nicht abschließend geregelten Bereichen der Verordnung das deutsche materielle Recht angewendet wird. Hinsichtlich der Organisationsverfassung einer SE sieht Art. 38 SE-VO vor, dass die SE eine Hauptversammlung als Organ haben muss, vgl. Art. 38 lit. a SE-VO. Daneben eröffnet Art. 38 lit. b SE-VO dem Satzungsgeber die Möglichkeit, entweder das dualistische System mit einem Aufsichts- und einem Leitungsorgan oder das monistische System mit lediglich einem Verwaltungsorgan zu wählen. Diese Wahlfreiheit hinsichtlich des Leitungssystems hat „nichts weniger als einen Paradigmenwechsel“ bewirkt.11 Aufgrund der Besonderheiten des monistischen Systems wird die Frage, ob die Business Judgment Rule im Recht der SE anwendbar ist, nur im Hinblick auf eine monistisch verfasste SE untersucht. In einem ersten Schritt wird ein kurzer Überblick über die Leitungsstruktur der monistisch strukturierten SE gegeben und die Grundzüge der Haftung des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren gegenüber der SE dargestellt.
A. Die Leitungsstruktur der monistisch verfassten SE und die Haftung des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren im Überblick Das in einer monistischen SE nach Art. 38 lit. b SE-VO vorgesehene Verwaltungsorgan führt die Geschäfte der SE, vgl. Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO, und wird in Deutschland als Verwaltungsrat tituliert, vgl. § 20 SEAG.12 Der Verwaltungsrat ist das oberste Leitungs- und Überwachungsorgan der monistisch verfassten SE.13 Nach § 22 Abs. 1 SEAG leitet der Verwaltungsrat die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Im Grundsatz treffen ihn, vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im SEAG, alle Aufgaben, die im dualistischen System der Vorstand und der Aufsichtsrat einer AG getrennt wahrzunehmen haben, vgl. § 22 Abs. 6 SEAG.14 Allerdings legt § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG zwingend fest, dass der Verwaltungsrat mindestens einen geschäftsführenden Direktor bestellen muss.15 Es kann sowohl geschäftsführende Direktoren aus den Reihen des Verwaltungsrats als auch externe geschäftsführende Direktoren, die nicht 11
Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 195 (196). Walla, ZJS 2008, 566 (568); Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 132. 13 Rockstroh, BB 2012, 1620; Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 195 (202). 14 Merkt, ZGR 2003, 650 (657 f.); Rockstroh, BB 2012, 1620. 15 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 2; Walla, ZJS 2008, 566 (568). 12
A. Leitungsstruktur und die Haftung des Verwaltungsrats
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zugleich dem Verwaltungsrat angehören, geben.16 Dass geschäftsführende Direktoren gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats sein können, ergibt sich aus § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG, nach dem Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden können, sofern die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht.17 Nach § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG haben die geschäftsführenden Direktoren die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. Fraglich ist, ob § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG so auszulegen ist, dass die geschäftsführenden Direktoren lediglich für die Führung der laufenden Geschäfte18 oder aber umfassend für die gesamte Geschäftsführung19 zuständig sind. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG selbst enthält keinen Hinweis darauf, dass die Befugnis der geschäftsführenden Direktoren auf die laufenden Geschäfte beschränkt ist. Aufgrund Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO könnte jedoch eine verordnungskonforme Auslegung dahingehend angezeigt sein, dass § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG nur die Führung der laufenden Geschäfte regelt.20 Dagegen spricht, dass als Grundlage der Vorschriften über die geschäftsführenden Direktoren gem. §§ 40 ff. SEAG nicht Art. 43 Abs. 1 S. 2 SEVO, sondern Art. 43 Abs. 4 SE-VO dient.21 Davon ausgehend kann Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass die Befugnis der geschäftsführenden Direktoren zwingend auf die laufenden Geschäfte beschränkt sein muss.22 Eine verordnungskonforme Auslegung ist somit nicht angezeigt.23 Auch wenn eine verordnungskonforme Auslegung möglich wäre, wäre sie nicht erforderlich, da sich bereits aus der systematischen Auslegung des SEAG selbst ergibt, 16 Ihrig, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (20 f.); Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1533); Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 169. 17 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 19; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 43 SEVO Rn. 42. 18 Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 147 f.; Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749 (1758); Walla, ZJS 2008, 566 (569); Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 f.; Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 227; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 43 SE-VO Rn. 140. 19 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 43 SE-VO Rn. 15 Fn. 46; Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 18; Teichmann, BB 2004, 53 (54); Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SEKomm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 22 SEAG) Rn. 13. 20 So Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1532); Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 43 SE-VO Rn. 140. 21 Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 18; vgl. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Art. 43 SE-VO Rn. 30 ff., Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 29. 22 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 43 SE-VO Rn. 15 Fn. 46; Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 18. 23 Teichmann, BB 2004, 53 (54); Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 43 SE-VO Rn. 15 Fn. 46.
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
dass geschäftsführende Direktoren nur die laufenden Geschäfte der Gesellschaft führen. § 40 Abs. 2 S. 3 SEAG legt fest, dass dem Verwaltungsrat gesetzlich zugewiesene Aufgaben nicht an die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden können. In einem Umkehrschluss muss daher noch eine Delegation von Aufgaben möglich sein, was jedoch nicht der Fall wäre, wenn die geschäftsführenden Direktoren bereits von vornherein die Befugnis zur umfassenden Geschäftsführung nach der gesetzlichen Delegationsnorm des § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG hätten.24 Folglich sind die geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG lediglich zur Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft berechtigt. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Regierungsbegründung, nach der „die Aufgaben der laufenden Geschäftsführung zwingend von den geschäftsführenden Direktoren wahrgenommen werden.“25 Neben der Führung der laufenden Geschäfte sind die geschäftsführenden Direktoren zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft verpflichtet, vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SEAG. Trotzdem verbleibt die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik und die Unternehmensleitung allein beim Verwaltungsrat.26 Nach § 44 Abs. 2 SEAG haben die geschäftsführenden Direktoren nämlich der uneingeschränkten Weisungsbefugnis des Verwaltungsrats nachzukommen, so dass deren Stellung mit der eines Geschäftsführers einer GmbH vergleichbar ist.27 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine interne Funktionstrennung von Leitung und Geschäftsführung auf der einen und Überwachung auf der anderen Seite im monistischen System gemeinschaftsrechtlich als wünschenswert betrachtet, aber rechtlich nicht erzwungen wird.28 Selbst die Figur des geschäftsführenden Direktors führt nur zu einer formalen und keiner materiellen Trennung dieser Funktionen, da er weisungsabhängig ist und außerdem aus der Mitte des Verwaltungsrats bestellt werden kann.29 Ausgangspunkt für die Haftung des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren gegenüber der SE bilden die Art. 51, 43 Abs. 4 SE-VO i.V.m. §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG. Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Verwaltungsratsmitglieder besagt § 39 SEAG, dass § 93 AktG entsprechend gilt. Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der geschäftsführenden Direktoren erklärt § 40 Abs. 8 SEAG ebenfalls § 93 AktG für entsprechend anwendbar. Aufgrund dieser 24
Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 148. 25 Begr. RegE zum SEEG, BT-Drucks. 15/3405, S. 39. 26 Vgl. Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 43 SE- VO Rn. 173; Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 228. 27 Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 23; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 43 SE-VO Rn. 165. 28 Teichmann, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 7. 29 Teichmann, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 7.
B. Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule
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Verweisungen besteht die Möglichkeit, für die Organmitglieder eine individuelle und an den konkreten Aufgaben des Organs orientierte Haftung zu entwickeln und diese letztlich nur für ihr eigenes Fehlverhalten haften zu lassen.30 Durch den Verweis auf § 93 AktG wird klargestellt, dass die Organhaftung in der monistisch strukturierten SE grundsätzlich als Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet ist.31
B. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE Was die grundsätzliche Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistischen SE anbelangt, ergibt sich nach den Literaturmeinungen ein recht einheitliches Bild. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule für den Verwaltungsrat wird in der Literatur bejaht.32 Zum Teil wird dies darauf spezifiziert, dass der Verwaltungsrat nur bei seiner Leitungstätigkeit in den Genuss des unternehmerischen Ermessens komme.33 Dagegen vertritt Merkt, dass die Business Judgment Rule sowohl für die Leitungs- als auch Überwachungstätigkeit der Verwaltungsratsmitglieder greife.34 Im Hinblick auf die geschäftsführenden Direktoren wird die Business Judgment Rule in der Literatur ebenfalls für anwendbar erklärt.35 30 Vgl. Begr. RegE zum SEEG, BT-Drucks. 15/3405, S. 39; Frodermann, in: Jannott/ Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 270. 31 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Art. 51 SEVO Rn. 22. 32 Merkt, ZGR 2003, 650 (671); Ihrig, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (23); Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 39 SEAG) Rn. 6; Teichmann, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 25; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 5; Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 2006, S. 603; Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 39 SEAG Rn. 14; Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 90. 33 Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 39 SEAG Rn. 14; Teichmann, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 5 Rn. 25; Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 2006, S. 603 Fn. 2764. 34 Merkt, ZGR 2003, 650 (671 f.). 35 Ihrig, ZGR 2008, 809 (830); Ihrig, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (23); Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 65; Merkt, ZGR 2003, 650 (672); Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 2006, S. 613 f.; Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 43 SE-VO Rn. 175; Boettcher,
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
Festgehalten werden kann, dass die Frage, ob die Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE anwendbar ist, bejaht wird. Allerdings erfolgt dies weitestgehend ohne ausführliche Begründung. Vielmehr belassen es die meisten Autoren bei einem Verweis auf die §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Um jedoch zu einem fundierten Ergebnis kommen zu können, muss geprüft werden, ob sich die Zwecke des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die monistisch verfasste SE, genauer, auf den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren übertragen lassen. Wenn das der Fall ist, greift auch im Recht der monistisch verfassten SE die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht. Diese Untersuchung wird im Folgenden vorgenommen.
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der monistischen SE in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Dargestellt worden ist, dass unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren unterliegen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen und es insofern der aktienrechtlichen Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bedarf.36 Außerdem liegen für unternehmerische Entscheidungen auch keine Handlungsmaximen vor, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten.37 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragbar ist. Dafür müssten die Verwaltungsratsmitglieder und die geschäftsführenden Direktoren in vergleichbarer Weise zum Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen. Der Verwaltungsrat ist das zentrale Leitungsorgan der monistischen SE. Aufgrund seiner umfassenden Leitungsaufgabe kommt der Verwaltungsrat in seiner unternehmerischen Verantwortung dem Vorstand einer AG nahe.38 Bei der Ausübung seiner Leitungstätigkeit hat der Verwaltungsrat auch unternehmerische Entscheidungen, insbesondere im Bereich seiner Kernkompetenzen, wie z. B. der Festlegung der Unternehmensstrategie, zu treffen.39 Der Verwaltungsrat muss folglich dem Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 149. 36 Vgl. Kap. 1 D. I. 37 Vgl. Kap. 1 D. I. 38 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 39 SEAG) Rn. 6. 39 Merkt, ZGR 2003, 650 (671); Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 39 SEAG Rn. 14.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Vorstand einer AG vergleichbar Entscheidungen auf Grundlage unwägbarer Faktoren und daraus grundsätzlich resultierender Unsicherheiten treffen. Möglicherweise könnte der Verwaltungsrat sogar bei seiner Überwachungstätigkeit unternehmerische Entscheidungen fällen. Zur Klärung dieser Frage wird zunächst ein Blick auf die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats einer AG geworfen. Dem Aufsichtsrat einer AG wird bei der Ausübung seiner Überwachungstätigkeit in der Regel kein unternehmerisches Ermessen zugestanden.40 Daran anknüpfend wird zum Teil vertreten, dass die Überwachungstätigkeit eines Verwaltungsrats derjenigen des Aufsichtsrats einer AG gleiche und deshalb dem Verwaltungsrat dabei ebenfalls im Regelfall kein unternehmerisches Ermessen zuzubilligen sei.41 Diese Auffassung greift aber zu kurz, da sie einen entscheidenden Punkt außer Acht lässt. Da beim Verwaltungsrat die Überwachung der Tätigkeit der geschäftsführenden Direktoren gleichzeitig die Kehrseite der Strategiefestlegung darstellt, die Leitungsaufgabe also mit der Kontrolle endet, liegt in der Überwachungstätigkeit ein unternehmerisches Ermessenselement.42 Insofern liegt der Fall anders als beim Aufsichtsrat einer AG.43 Somit hat der Verwaltungsrat auch bei seiner Überwachungstätigkeit grundsätzlich unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Geschäftsführende Direktoren haben sowohl bei der eigenverantwortlichen Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft gem. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG als auch bei weiteren vom Verwaltungsrat an sie delegierte Aufgaben unternehmerische Entscheidungen zu treffen.44 Bei der Entscheidungsfindung stehen daher auch die geschäftsführenden Direktoren vor der Schwierigkeit, dass diesen Entscheidungen unwägbare Faktoren immanent sind. Allerdings muss konstatiert werden, dass geschäftsführende Direktoren weisungsabhängig sind, vgl. § 44 Abs. 2 SEAG. Sofern die geschäftsführenden Direktoren vom Verwaltungsrat erteilte Weisungen ausführen müssen, ist diesen eine Entscheidung vorgegeben, so dass in diesem Rahmen ein etwaiges unternehmerisches Ermessen nicht greifen könnte.45 Die geschäftsführenden Direktoren müssen also im Falle einer Weisung nicht Herr über die Gefahren werden, die eine unternehmerische Entscheidung mitsichbringt. Jedoch liegt in der Praxis der Fall so, dass den geschäftsführenden Direktoren nicht eine Vielzahl an Weisungen auferlegt wird, da eine unangemessene Einflussnahme auf die Führung der laufenden Geschäftsführung für die Gesellschaft schädlich sein könnte.46 Somit 40 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 – ARAG/ Garmenbeck. 41 So Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 39 SEAG Rn. 14. 42 Merkt, ZGR 2003, 650 (672); zustimmend Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 5 Fn. 18. 43 Merkt, ZGR 2003, 650 (671 f.). 44 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 43 SE-VO Rn. 175. 45 Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 40 SEAG Rn. 94; Merkt, ZGR 2003, 650 (672). 46 Merkt, ZGR 2003, 650 (663 f.).
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sind auch geschäftsführende Direktoren beim Treffen unternehmerischer Entscheidungen mit dem Vorstand einer AG vergleichbar. Folglich kann im Vergleich zum Vorstand einer AG konstatiert werden, dass der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren in ähnlicher Weise den unwägbaren Faktoren unternehmerischer Entscheidungen unterliegen. Daher ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistischen SE übertragbar.
II. Gefahr des Hindsight Bias Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass durch deren Anwendung die Gefahr des Hindsight Bias bei der Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen eingeschränkt wird.47 Diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule könnte auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragbar sein. Sowohl der Verwaltungsrat als auch die geschäftsführenden Direktoren treffen, wie soeben festgestellt, unternehmerische Entscheidungen. Denklogisch droht dem Richter, der eine unternehmerische Entscheidung des Verwaltungsrats oder der geschäftsführenden Direktoren in Kenntnis des Schadenseintritts aus der ex-antePerspektive inhaltlich uneingeschränkt überprüfen müsste, die Gefahr des Hindsight Bias in derselben Weise wie im Aktienrecht. Folglich wird auch im Recht der monistischen SE die Business Judgment Rule benötigt, um die Gefahr des sogenannten Hindsight Bias einzudämmen. Diese aktienrechtliche Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann somit auf das Recht der monistisch strukturierten SE übertragen werden.
III. Steigerung der Attraktivität von Verwaltungsratsposten und der Posten von geschäftsführenden Direktoren Die aktienrechtliche Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verfolgt den Zweck, die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG zu steigern.48 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der monistischen SE übertragen werden kann. Für den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren gilt aufgrund der entsprechenden Anwendbarkeit des § 93 AktG über den Verweis in §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG grundsätzlich ein strenges Haftungsregime. Es dürften daher
47 48
Vgl. Kap. 1 D. II. Vgl. Kap. 1 D. IV.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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im Recht der SE keine Regelungen vorzufinden sein, die die großen Haftungsgefahren ausreichend abfedern können. 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Fraglich ist, ob die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung49 analog im Recht der monistischen SE greifen. Übertragbar sind hier die Ausführungen, die auch für den Vorstand einer AG gegen eine vergleichbare Interessenlage und somit gegen eine analoge Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung sprechen.50 Zum einen wäre diese Haftungsbeschränkung nicht mit der Stellung des Verwaltungsrats, der oberstes Leitungs- und Überwachungsorgan der monistischen SE ist, vereinbar. Zum anderen sind aber auch geschäftsführende Direktoren nicht mit Arbeitnehmern vergleichbar, da geschäftsführende Direktoren die Führung der alltäglichen Geschäfte zu übernehmen haben. Des Weiteren gilt für die Haftung von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren § 93 AktG entsprechend, vgl. §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG. Die Haftung gem. § 93 AktG besteht auch im Interesse der Gesellschafter und der Gläubiger, so dass sich das Verhältnis der Verwaltungsratsmitglieder oder der geschäftsführenden Direktoren zur monistischen SE anders als das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht in der gegenseitigen Beziehung erschöpft.51 Folglich kommt eine analoge Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung in der monistischen SE nicht in Betracht. 2. D&O-Versicherung Zwar wird es wohl auch in der monistisch verfassten SE gängig sein, dass für Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktoren D&O-Versicherungen abgeschlossen werden.52 Die Zulässigkeit dieser Praxis könnte bei der monistischen SE genauso wie bei der AG gesetzlich abgesichert sein, wenn auch hier § 93 Abs. 2 S. 3 AktG anwendbar wäre.53 Unabhängig davon werden im Rahmen der Versicherungsverträge wie bei einem Vorstand einer AG vergleichbare Modalitäten, wie
49
Vgl. dazu bereits Kap. 1 D. IV. 1. Vgl. Kap. 1 D. IV. 1. 51 Vgl. Kap. 1 D. IV. 1. 52 Vgl. van Kann, NZG 2009, 1010, der darauf hinweist, dass die D&O-Versicherung nicht nur bei der AG sehr verbreitet ist. 53 Überwiegend wird die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG befürwortet, vgl. Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 51 SE-VO Rn. 25; R. Koch, AG 2009, 637 (640); Franz, DB 2009, 2764 (2766); vgl. Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 7; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 8a. 50
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
beispielsweise Deckungssummen oder Haftungsausschlüsse, geregelt sein.54 Somit kann auch für das Recht der monistischen SE konstatiert werden, dass die D&OVersicherungen deswegen nicht ausreichen, um die großen Haftungsgefahren abzufedern. 3. Weisungsabhängigkeit der geschäftsführenden Direktoren In Bezug auf geschäftsführende Direktoren könnte noch deren Weisungsabhängigkeit gegenüber dem Verwaltungsrat gem. § 44 Abs. 2 SEAG angedacht werden. Sofern die geschäftsführenden Direktoren rechtmäßige Weisungen des Verwaltungsrats ausführen, entfällt die Haftung derselben.55 Allerdings erfolgen, wie bereits dargelegt, in der Praxis nur in Ausnahmefällen Weisungen.56 Somit kann nicht konstatiert werden, dass die Weisungsabhängigkeit für die geschäftsführenden Direktoren einen ausreichenden Schutz vor Haftung bietet. 4. Kontroll- und Durchsetzungsdefizit In der monistisch verfassten SE ist im Gegensatz zum dualistischen System lediglich ein Organ in Person des Verwaltungsrats sowohl für die Leitung als auch für die Überwachung zuständig.57 Die von § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG zwingend vorgesehene funktionale Trennung zwischen Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren ist rein formaler Natur.58 Dies beruht auf dem Umstand, dass die geschäftsführenden Direktoren aus der Mitte des Verwaltungsrats gewählt werden können, vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG, und gegenüber dem Verwaltungsrat weisungsabhängig sind, vgl. § 44 Abs. 2 SEAG.59 Die Möglichkeit der Personalunion steht gem. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG unter der Bedingung, dass die Mehrheit des Verwaltungsrats aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht. Die Effektivität der Überwachung ist damit jedoch nicht sichergestellt. Es können bei bestehender Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrats nicht geschäftsführende Mitglieder desselben fehlen, was zur Folge hätte, dass sich die geschäftsführenden Direktoren de facto selbst kontrollieren.60 Darüber hinaus ist es sogar möglich, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats gleichzeitig Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren sein 54
Vgl. zu diesen Modalitäten bereits Kap. 1 D. IV. 5. Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 9; Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 66; Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 55. 56 Vgl. Kap. 2 C. I. 57 Vgl. Kap. 2 A. 58 Vgl. Kap. 2 A. 59 Vgl. Kap. 2 A. 60 Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 171. 55
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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kann.61 Mit solch einer vernetzten Organstruktur gehen Informationsvorteile einher.62 Allerdings wird auch die Effektivität der Überwachung im monistischen System dadurch geschmälert, dass sich die Leitung und Kontrolle bedingt durch gruppendynamische Vorgänge gewissermaßen solidarisieren.63 Ein kollusives Zusammenarbeiten der Verantwortlichen der Entscheidungsfindung und -kontrolle kann daher nicht ausgeschlossen werden, so dass aufgrund der Verfolgung der gleichen Ziele die Gefahr opportunistischer und nur auf das eigene Wohl bedachter Entscheidungen latent ist.64 Somit ist zu schlussfolgern, dass mit der Vereinigung beider Aufgaben, der Leitung und Überwachung, in nur einem Organ ein Kontrolldefizit einhergeht.65 Allerdings hat das Kontrolldefizit insbesondere seinen Ursprung darin, dass eine Personalunion zwischen geschäftsführenden Direktoren und den Verwaltungsratsmitgliedern in den Grenzen des § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG möglich ist. Dagegen kann auch von vornherein ein zweites Geschäftsführungsmodell gewählt werden, nach dem lediglich externe geschäftsführende Direktoren vorgesehen sind.66 Hinsichtlich letzteren Modells ist anzumerken, dass externe geschäftsführende Direktoren viel weniger Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats haben und zudem keine Identität zwischen Überwacher und Überwachendem gegeben ist.67 Hier besteht nur die umgekehrte Einflussmöglichkeit des Verwaltungsrats auf die geschäftsführenden Direktoren durch die Weisungskompetenz nach § 44 Abs. 2 SEAG. Folgerichtig kann in einem Geschäftsführungsmodell, das nur externe geschäftsführende Direktoren vorsieht, nicht von einem Kontrolldefizit derselben Intensität gesprochen werden. Die durch gruppendynamische Vorgänge bedingte Solidarisierung ist nicht nur hinsichtlich der Kontrolle, sondern auch hinsichtlich der Durchsetzung von Ansprüchen der monistischen SE gegen Verwaltungsratsmitglieder oder geschäftsführende Direktoren problematisch. Sofern ein Schadensersatzanspruch der monistischen SE gegen geschäftsführende Direktoren im Raum steht, ist der Verwaltungsrat für deren Durchsetzung zuständig und vertretungsberechtigt, vgl. § 41 Abs. 5 SEAG.68 § 41 Abs. 5 SEAG kann die Verhinderung von Interessenkollisionen 61
Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 157. Walla, ZJS 2008, 566 (573 f.); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 140. 63 Fleischer, AcP 204 (2004), 502 (527); Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, S. 268; Walla, ZJS 2008, 566 (574). 64 Vgl. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 140 f.; Walla, ZJS 2008, 566 (574). 65 Merkt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 179 (184). 66 Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1533 f.); Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 169 ff. 67 Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1533 f.). 68 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 16; Casper, ZHR 173 (2009), 181 (217); vgl. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SEKomm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 41 SEAG) Rn. 16. 62
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
wegen der Möglichkeit der Personalunion gem. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG nicht in jedem Fall sicherstellen, so dass in solchen Fällen Stimmverbote im Verwaltungsrat als Korrektiv dienen.69 Aufgrund des Stimmverbots können die befangenen geschäftsführenden Direktoren, die gleichzeitig Verwaltungsratsmitglieder sind, nicht selbst darüber entscheiden, ob gegen sie ein Anspruch der monistischen SE durchgesetzt wird. Damit kann jedoch nicht die Gefahr ausgeschlossen werden, dass die übrigen Verwaltungsratsmitglieder aufgrund der Solidarisierung unter Kollegen „Bisshemmungen“ haben. Umstritten ist, wer dagegen für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Verwaltungsratsmitglieder zuständig ist. Nach einer Ansicht sind die geschäftsführenden Direktoren für die Durchsetzung von Ansprüchen der monistisch verfassten SE gegen Verwaltungsratsmitglieder allein zuständig, vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SEAG.70 Die Gegenansicht vertritt, dass die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Verwaltungsratsmitglieder eine Leitungsaufgabe sei.71 Daher solle dem Verwaltungsrat selbst aufgrund des Kompetenzgefüges des monistischen Systems zumindest im Innenverhältnis ein Letztentscheidungsrecht zustehen, so dass dieser den geschäftsführenden Direktoren hinsichtlich der Durchsetzung der Ansprüche gegen Verwaltungsratsmitglieder Weisungen erteilen könne.72 Sofern sich der Anspruch jedoch gegen sämtliche Verwaltungsratsmitglieder richte und somit ein kollektiver Stimmrechtsausschluss vorliege, wären auch nach dieser Ansicht die geschäftsführenden Direktoren zu einer autonomen Entscheidung berechtigt.73 Da dies jedoch wegen der gegenseitigen Überwachungspflicht der Verwaltungsratsmitglieder nicht selten der Fall sein wird,74 daher als Regelfall deklariert werden kann, muss dieser Streit oftmals nicht entschieden werden. Allerdings spricht generell gegen die zweitgenannte Ansicht, dass der Verwaltungsrat dadurch Richter in eigener Sache ist.75 Dem wird zwar entgegengehalten, dass die selbst betroffenen Verwaltungsratsmitglieder gem. § 34 BGB analog von der Beschlussfassung ausgeschlossen wären und der Verwaltungsrat somit nicht Richter in eigener Sache würde.76 Dieser Einwand kann allerdings nicht überzeugen. Vielmehr ist die Aussage, dass der 69 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 41 SEAG) Rn. 17; vgl. Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 16. 70 Ihrig, ZGR 2008, 809 (821 f.); Ihrig, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (27). 71 Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 34; Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 39 SEAG Rn. 24. 72 Drinhausen, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, Art. 51 SE-VO Rn. 20; Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 39 SEAG Rn. 24; Reichert/ Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 34. 73 Reichtert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 35; Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 39 SEAG Rn. 25. 74 Vgl. Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 16. 75 Vgl. Ihrig, ZGR 2008, 809 (822). 76 Vgl. Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 39 SEAG Rn. 24.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Verwaltungsrat durch ein Letztentscheidungsrecht zum Richter in eigener Sache würde, dahingehend zu verstehen, dass der Verwaltungsrat über die eigenen Kollegen zu entscheiden hätte. Der Verwaltungsrat müsste also über die Verfolgung von Ansprüchen, bedingt durch Pflichtverletzungen im eigenen Aufgabenbereich, entscheiden, was ihn zum Richter in eigener Sache macht. Dass hierbei die zur Entscheidung berechtigten Verwaltungsratsmitglieder versuchen werden, nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern im eigenen Interesse zu entscheiden, um beispielsweise von etwaigen eigenen Pflichtverletzungen abzulenken, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Damit die Interessen der Gesellschaft besser verwirklicht werden können, ist der ersten Ansicht zu folgen. Demzufolge sind die geschäftsführenden Direktoren für die Durchsetzung von Ansprüchen der monistischen SE gegen Verwaltungsratsmitglieder sowohl im Innen- als auch Außenverhältnis allein zuständig. Dadurch dass der Verwaltungsrat ansonsten das übergeordnete Organ der monistischen SE ist, über die Verlängerung der Amtszeit von geschäftsführenden Direktoren zu entscheiden hat und diesen gegenüber weisungsbefugt ist, sind in diesem Verhältnis aber auch „Bisshemmungen“ bzw. ein Durchsetzungsdefizit festzuhalten.77 Das aufgezeigte Durchsetzungsdefizit führt zu verringerten Haftungsgefahren. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Posten sowohl von Verwaltungsratsmitgliedern als auch von geschäftsführenden Direktoren bereits als ausreichend attraktiv erscheinen. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass damit nicht in jedem Fall ausgeschlossen ist, dass beispielsweise Ansprüche der monistischen SE gegen geschäftsführende Direktoren von Verwaltungsratsmitgliedern oder umgekehrt durchgesetzt werden. Des Weiteren kann die Aktionärsklage als Ausgleich dienen. Die Aktionärsklage gem. § 148 AktG findet in der monistischen SE sowohl gegenüber dem Verwaltungsrat als auch den geschäftsführenden Direktoren über den Verweis des Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO Anwendung und ist ebenso wie im Aktienrecht subsidär ausgestaltet.78 Die Aktionärsklage ist also auf die Fälle beschränkt, in denen der Verwaltungsrat Ansprüche gegen die geschäftsführenden Direktoren, vgl. § 41 Abs. 5 SEAG, oder umgekehrt die geschäftsführenden Direktoren Ansprüche gegen Verwaltungsratsmitglieder, vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SEAG, nicht geltend machen.79 Somit bleiben die großen Haftungsgefahren für Verwaltungsratsmitglieder und die geschäftsführenden Direktoren weiterhin real. 77 Casper, ZHR 173 (2009), 181 (217 f.); Ihrig, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (27), der daher de lege ferenda dafür eintritt, dass der Anwendungsbereich des § 148 AktG in der monistisch verfassten SE nicht auf grobe Verletzungen von Gesetz oder Satzung beschränkt sein sollte, sondern auch einfache Pflichtverletzungen umfassen sollte; demgegenüber schlägt Merkt eine Außenhaftung vor, um den genannten Defiziten entgegentreten zu können, vgl. Merkt, ZGR 2003, 650 (674 f.). 78 Vgl. Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 39 SEAG Rn. 27, § 40 SEAG Rn. 82; Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 37. 79 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 16; Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 51 SE-VO Rn. 37.
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
Das Durchsetzungsdefizit in der monistischen SE führt demzufolge nicht zu einer ausreichenden Steigerung der Attraktivität des Postens von Verwaltungsratsmitgliedern oder geschäftsführenden Direktoren. 5. Ergebnis Im Recht der monistischen SE sind keine Regelungen vorzufinden, die den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren vor der großen Haftungsgefahr ausreichend schützen. Folglich ist die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE erforderlich, um die erheblichen Haftungsgefahren zu reduzieren und damit die Posten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren attraktiver zu machen. Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dient dem Zweck, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.80 Dies erfolgt insbesondere durch ein harmonisches Zusammenspiel der Business Judgment Rule mit dem Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1, 2 AktG.81 Möglicherweise könnte diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragbar sein. Im Recht der monistisch verfassten SE ist die Aktionärsklage gem. § 148 AktG anwendbar.82 Da die Rechtsform der SE für Großunternehmen konzipiert und die SE als börsenfähige Gesellschaft ausgestaltet worden ist,83 wird bei der SE im Grundsatz wie bei einer AG ein großer und weitläufiger Aktionärskreis vorzufinden sein. Aus dem weitgestreuten Aktionärskreis resultiert genauso wie bei der AG eine höhere Missbrauchsanfälligkeit in Bezug auf Aktionärsklagen,84 da die Aktionäre zumeist nicht eng mit der Gesellschaft verbunden sind und somit vorrangig individuelle Ziele verfolgen. Folglich besteht auch in der monistisch verfassten SE mit weitgestreutem Aktionärskreis das Bedürfnis, die vorhandenen Einfallstore, die § 148 AktG für missbräuchliche Aktionärsklagen bietet,85 mit der Anwendung der Business Judgment Rule zu schließen. Aufgezeigt werden muss aber, dass in Deutschland überwiegend kleinere und mittelständische Unternehmen von der Rechtsform der SE 80
Vgl. Kap. 1 D. V. Vgl. Kap. 1 D. V. 82 Vgl. Kap. 2 C. III. 4. 83 Hommelhoff, AG 2001, 279 (286 f.); Hirte, NZG 2002, 1 (9). 84 Vgl. zu der beschriebenen Missbrauchsgefahr bezogen auf die AG Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1341). 85 Vgl. dazu Kap. 1 D. V. 81
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
85
Gebrauch machen.86 In diesem Rahmen wird ein entsprechend kleinerer Aktionärskreis anzutreffen sein. Zudem liegt es nahe, dass insbesondere bezogen auf die kleineren Unternehmen Aktionäre nicht nur als Investoren, sondern auch als aktive Unternehmer an der Gesellschaft beteiligt sind.87 Daher wird ein stärkeres Band zwischen den Aktionären und der Gesellschaft bestehen, so dass Missbrauchsgefahren kaum oder gar nicht erwartbar sind. Demzufolge muss bei der Übertragung dieser Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG differenziert werden. Diese Legitimationsgrundlage ist nur auf eine monistisch verfasste SE mit weitgestreutem Aktionärskreis übertragbar.
V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird dadurch legitimiert, dass mit ihr ein Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft verhindert werden kann.88 Zu untersuchen ist, ob dieser Zweck auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden kann. Um nicht Gefahr zu laufen, vom Markt gedrängt zu werden, müssen sich Unternehmen an die ständig wandelnden menschlichen Bedürfnisse anpassen.89 Dafür ist es unter anderem erforderlich, auch risikoreiche Entscheidungen zu treffen. Ohne solche Entscheidungen wäre es dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Direktoren ebenso wie dem Vorstand einer AG nicht möglich, die Etablierung des Unternehmens am Markt zu bewerkstelligen. Würden lediglich risikoaverse Verwaltungsräte und geschäftsführende Direktoren eine monistisch verfasste SE führen, dann wäre die Befriedigung der sich ständig im Wandel befindlichen menschlichen Bedürfnisse auf Dauer nicht mehr sichergestellt. Gleichzeitig wäre es diesen Unternehmen beispielsweise auch nicht mehr möglich, Innovationen hervorzubringen. Somit bedarf es auch für den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren eines Anreizes dafür, dass risikoreiche Entscheidungen zugunsten der gesamten Volkswirtschaft getroffen werden. Mit der Business Judgment Rule, die zur Ver86
Schuberth/v. der Höh, AG 2014, 439 ff.; vgl. Haider-Giangreco/Polte, BB 2014, 2947. Vgl. zu diesem auf diese Konstellation übertragbaren Gedanken bezüglich GmbH-Gesellschafter Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850). 88 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 89 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 87
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
ringerung der Haftungsgefahren beitragen würde, könnte ein solcher Anreiz geschaffen werden. Die Geltung der Business Judgment Rule im Recht der monistischen SE wäre in dieser Hinsicht jedoch nur erforderlich, wenn die Verwaltungsratsmitglieder und die geschäftsführenden Direktoren überhaupt grundsätzlich risikoavers eingestellt sind. Auch geschäftsführende Direktoren und Verwaltungsratsmitglieder werden ihr kaum diversifizierbares Humankapital in der Gesellschaft gebunden haben. Anzumerken ist, dass Verwaltungsratsmitglieder ihre Tätigkeit typischerweise nur als Nebentätigkeit ausüben90 und somit das Humankapital etwas diversifizierter ist als bei dem Vorstand einer AG. Dennoch würde auch der Verlust dieses Postens einen finanziellen Einschnitt bedeuten. Im Vergleich zum Vorstand einer AG droht den geschäftsführenden Direktoren der Verlust des Postens insofern schneller, als diese vom Verwaltungsrat grundsätzlich zu jeder Zeit und ohne wichtigen Grund abberufen werden können, vgl. § 40 Abs. 5 S. 1 SEAG.91 Der Anstellungsvertrag, der die Vergütung der geschäftsführenden Direktoren regelt, kann grundsätzlich nur durch Kündigung beendet werden, wobei der Bestand des Anstellungsvertrages durch eine auflösende Bedingung an die Organstellung als geschäftsführender Direktor geknüpft werden kann.92 Verwältungsräte können auch zu jederzeit von der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit abberufen werden, § 29 Abs. 1 S. 1, 2 SEAG.93 Anzumerken ist, dass variable Vergütungsstrukturen,94 die Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktoren zwar zu risikoneutralen Entscheidungen gerade auch in ihrem Interesse verleiten würden, nicht über die Gefahr des Amtsverlustes hinweghelfen können. Hinzu kommt der Umstand, dass die großen Haftungsgefahren nicht bereits durch andere Regelungen hinreichend ausgeglichen werden können.95 Unter diesen Umständen ist zu konstatieren, dass geschäftsführende Direktoren und Verwaltungsratsmitglieder im Grundsatz risikoavers eingestellt sind. Folglich bedarf es eines Anreizes, der die Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführenden Direktoren auch zu risikoneutralen Entscheidungen bewegt. 90
Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 38 SEAG) Rn. 5. 91 Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 43 SE-VO Rn. 132; Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 48. 92 Vgl. Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 43 SE-VO Rn. 162 f.; vgl. Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 40 SEAG Rn. 27 f. 93 Frodermann, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 5 Rn. 150; kein Raum besteht für ein schuldrechtliches Anstellungsverhältnis zwischen Verwaltungsratsmitglied und SE bezogen auf die Tätigkeit im Verwaltungsrat, vgl. Verse, in: Habersack/ Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 28 Rn. 3. 94 Vgl. für den Verwaltungsrat Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 38 SEAG) Rn. 8; vgl. für die geschäftsführenden Direktoren Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 54. 95 Vgl. Kap. 2 C. III.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
87
Diesen Anreiz könnten die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule und der dadurch gegebene Haftungsfreiraum im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen gewährleisten. Diesbezüglich ist also auch die Business Judgment Rule im Recht der monistischen SE erforderlich, so dass diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG übertragen werden kann.
2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren im Interesse der Aktionäre Eine weitere Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert.96 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-) Aktionäre, die durch ein diversifiziertes Portfolio das unsystematische Marktrisiko eliminieren können, als auch der Blockaktionäre.97 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragbar ist. Dargelegt wurde, dass die Business Judgment Rule den grundsätzlich risikoavers eingestellten geschäftsführenden Direktoren und dem Verwaltungsrat einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen bietet.98 Dies müsste jedoch auch im Interesse der Aktionäre sein. Dafür spricht zum einen, dass Aktionäre der monistisch verfassten SE trotz des missverständlichen Wortlauts des Art. 1 Abs. 2 S. 2 SE-VO grundsätzlich nicht persönlich haften.99 Die Aktionäre haben daher bei risikoreichen Entscheidungen des Verwaltungsrats oder der geschäftsführenden Direktoren aus haftungsrechtlicher Perspektive im Grundsatz nichts zu befürchten. Zum anderen ist jeder Aktionär auf eine Steigerung der Rendite aus. Dabei haben es auch die Aktionäre einer monistisch verfassten SE in der Hand, Risiken durch ein diversifiziertes Portfolio zu minimieren. Dies gilt, wie bereits dargestellt, in der Regel für (Klein-)Aktionäre, die lediglich als Investor auftreten. Andererseits muss angemerkt werden, dass die Rechtsform der SE von vielen kleinen deutschen Unternehmen gewählt wird.100 Hier wird regelmäßig ein Aktionärstyp anzutreffen sein, der stärker mit der Gesellschaft verbunden ist und einen Großteil seines Vermögens in die Gesellschaft eingebracht hat.101 Solche Aktionäre sind aufgrund ihrer weniger ausgeprägten Diversifikation risikoscheuer. Doch diese können mit den Blockaktionären einer AG verglichen werden, denen trotz ihrer weniger gut ausgeprägten Diversifikation ein Interesse an risikoneutralen Entscheidungen nicht abgesprochen werden kann. Dies folgt daraus, dass die Eta96
Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). 98 Vgl. Kap. 2 C. V. 1. 99 Kuhn, in: Jannott/Frodermann (Hrsg.), Hdb. SE, 2. Aufl. 2014, Kap. 2 Rn. 44. 100 Vgl. Kap. 2 C. IV. 101 Vgl. Kap. 2 C. IV. 97
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
blierung des Unternehmens am Markt nur gelingt, wenn der Vorstand einer AG oder der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren einer monistischen SE auch risikoneutrale Entscheidungen treffen.102 Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann somit auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden.
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Aufgrund der wettbewerbsintensiven Marktsituation in Deutschland trägt der Produktmarkt zur Disziplinierung des Vorstandshandelns bei, so dass dadurch die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG legitimiert werden kann.103 Der Wettbewerbsdruck zwingt den Vorstand einer AG zu der bestmöglichen Ressourcenallokation, um ein Ausscheiden des Unternehmens am Markt zu verhindern.104 Diese Legitimationsgrundlage könnte auch im Recht der monistisch verfassten SE greifen. Der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren haben bei der Leitung und Führung der Gesellschaft ebenfalls die wettbewerbsintensive Marktsituation zu beachten. Um ein zukünftiges Ausscheiden des Unternehmens am Markt zu verhindern, müssen auch der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren eine optimale Ressourcenallokation vornehmen. Dies stellt sich folglich nicht als ein speziell auf den Vorstand einer AG bezogener Umstand dar. Folglich greift auch hier die Disziplinierungswirkung des Produktmarkts, so dass diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der monistisch strukturierten SE übertragen werden kann. 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass von dem Arbeitsmarkt für Manager eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.105 Dabei ist zwischen einer externen und einer internen Disziplinierung zu unterscheiden.106 Zu untersuchen gilt es, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden kann. 102 103 104 105 106
Vgl. Kap. 2 C. V. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Für geschäftsführende Direktoren oder Verwaltungsratsmitglieder erscheint die Gefahr durch die Konkurrenz ersetzt zu werden realer als für den Vorstand einer AG, da die Enthebung aus ihrem Amt einfacher vonstatten geht. Geschäftsführende Direktoren können vom Verwaltungsrat grundsätzlich zu jeder Zeit und ohne wichtigen Grund abberufen werden, vgl. § 40 Abs. 5 S. 1 SEAG.107 Der Bestand des Anstellungsvertrages der geschäftsführenden Direktoren kann durch die Abberufung auflösend bedingt sein.108 Ähnliches gilt für Verwältungsräte, die auch jederzeit von der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit abberufen werden können, vgl. § 29 Abs. 1 S. 1, 2 SEAG.109 Freilich wird auch hier eine unternehmensinterne oder aber eine durch Transaktionskosten beschränkte, externe Disziplinierung anzutreffen sein. Daher werden auch Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktoren grundsätzlich durch den Arbeitsmarkt für Manager angehalten, ihre Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Die Wirksamkeit dieses Kontrollmechanismus könnte jedoch bezogen auf Verwaltungsratsmitglieder aufgrund ihres in der Regel als bloße Nebentätigkeit ausgeübten Amtes110 eingeschränkt sein. Trifft der Regelfall zu, hat dies zur Folge, dass nicht das gesamte Humankapital der Verwaltungsratsmitglieder an die Gesellschaft gebunden ist. Daher ist es den Verwaltungsratsmitgliedern möglich, einen etwaigen Verlust ihres Amtes im Vergleich zum Vorstand einer AG durch ein diversifizierteres Humankapital besser aufzufangen. Insofern erscheint die vom Arbeitsmarkt für Manager ausgehende Disziplinierungswirkung eingeschränkt. Jedoch stellt auch für Verwaltungsratsmitglieder der Verlust ihres lediglich in Nebentätigkeit ausgeübten Amtes einen finanziellen Einschnitt dar. Somit ist eine, wenn auch eingeschränkte, Disziplinierungswirkung nicht von der Hand zu weisen. Demzufolge ist eine Disziplinierungswirkung des Arbeitsmarkts für Manager in der monistisch strukturierten SE gegeben, die im Vergleich zur AG jedoch bezogen auf Verwaltungsratsmitglieder regelmäßig nur in eingeschränkter Form greift. Die Unterschiede sind allerdings nicht derart fundamental, so dass diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der monistischen SE übertragen werden kann.
3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Der aktienrechtlichen Business Judgment Rule dient als weitere Legitimationsgrundlage der Kapitalmarkt sowie der damit in Zusammenhang stehende Markt für Unternehmenskontrolle, da von diesen eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.111 Möglicherweise kann diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden. 107 108 109 110 111
Vgl. Kap. 2 C. V. 1. Vgl. Kap. 2 C. V. 1. Vgl. Kap. 2 C. V. 1. Vgl. Kap. 2 C. V. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 3.
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
Generell stellt sich die SE als börsenfähige Gesellschaft dar.112 Somit können der Kapitalmarkt und der damit einhergende Markt für Unternehmenskontrolle zumindest auf das Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren einer börsennotierten SE eine disziplinierende Wirkung entfalten.113 Allerdings ist nur eine geringe Anzahl der SE mit Sitz in Deutschland börsennotiert.114 Daher fällt für die Mehrzahl der monistisch verfassten SE der Kapitalmarkt als externer Kontrollmechanismus weg. In diesem Rahmen ist auch die disziplinierende Wirkung des Markts für Unternehmenskontrolle eingeschränkt. Denn ohne Börsennotierung sind unterbewertete Unternehmen nicht in vergleichbarer Weise auszumachen. Festzuhalten ist, dass diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragbar ist. In der Praxis greift sie allerdings eingeschränkt, da nur eine geringe Anzahl an SE börsennotiert ist.
VII. Ergebnis Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht zwischen dem Aktienrecht und dem Recht der monistisch verfassten SE haben sich nur wenige Unterschiede ergeben. Grundsätzlich können alle Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistisch strukturierten SE übertragen werden. Es muss betont werden, dass die Übertragung der Legitimationsgrundlagen teilweise nur mit Einschränkungen möglich ist. Vergleichbare Missbrauchsgefahren wie im Aktienrecht sind bei einer monistischen SE mit kleinem Aktionärskreis nicht gegeben. Durchaus wird die Notwendigkeit der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bei solchen monistisch strukturieren SE etwas eingeschränkt. Doch selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber hat die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt, was dadurch deutlich wird, dass missbräuchliche Aktionärsklagen mittlerweile in der Praxis kaum vorkommen.115 Demzufolge stellt diese Legitimationsgrundlage nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dar, so dass die geringeren Missbrauchsgefahren bei einer monistischen SE mit kleinem Aktionärskreis nicht dazu führen, dass die Business Judgment Rule nicht auf die monistisch verfasste SE anwendbar ist. Für die Mehrzahl der monistisch strukturierten SE, die nicht börsennotiert ist, greift auch der Kapitalmarkt nicht als Kontrollmechanismus für das Verhalten des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren. Allerdings führen unterschiedliche Kontroll112
Vgl. Kap. 2 C. IV.; vgl. ausführlich zur börsennotierten SE und deren Börsenfähigkeit Merkt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 179 ff. 113 Vgl. Merkt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 179 (184). 114 Vgl. Statistik: SEs in Europa, Stand: 31. 12. 2017 der Hans Böckler Stiftung, abrufbar unter www.boeckler.de/34750.htm (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018). 115 Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226.
D. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in methodischer Hinsicht
91
strukturen nicht dazu, dass die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht nicht auf das Recht der monistischen SE übertragen werden kann. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf börsennotierte AG beschränkt ist, sondern sich auch auf eine nicht an der Börse notierten AG erstreckt, obwohl hier auch unterschiedliche Kontrollstrukturen vorherrschen.116 Demzufolge ist die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht im Recht der monistisch verfassten SE anwendbar.
D. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistisch verfassten SE in methodischer Hinsicht In den §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG ist geregelt, dass § 93 AktG entsprechend für den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren gilt. Daher läge es in methodischer Hinsicht nahe die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG über den Verweis in §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG für den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren zur Anwendung kommen zu lassen.117 Allerdings könnte die SE-VO selbst bereits eine Regelung zur Business Judgment Rule beinhalten, so dass auf die §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG nicht zurückgegriffen werden müsste. Vertreten wird, dass die Business Judgment Rule Teil des Art. 51 SE-VO sei.118 Nach dieser Ansicht gelte die Business Judgment Rule für die Organe der SE unabhängig von ihrer Anerkennung im nationalen Recht.119 Dagegen spricht jedoch, dass Art. 51 SE-VO nur ein Mindestmaß an Haftung regelt120 und der Verweis in Art. 51 SE-VO auf das Recht der Mitgliedstaaten offenbart, dass der Europäische Gesetzgeber solche Haftungsvorgaben nicht in der Verordnung verankert hat.121 Folglich ist der Verweis der §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG maßgeblich.
116
Vgl. bezogen auf eine GmbH Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123). So Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 Rn. 5, 11; Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 39 SEAG) Rn. 6, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 65; Ihrig, in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, 17 (23). 118 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 51 SE-VO Rn. 14. 119 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 51 SE-VO Rn. 14. 120 Drinhausen, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, Art. 51 SE-VO Rn. 15. 121 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Art. 51 SEVO Rn. 9. 117
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
Somit ist zu konstatieren, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in methodischer Hinsicht über den Verweis der §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG zur entsprechenden Anwendung in der monistisch verfassten SE kommt. Folglich kommen auch die Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführenden Direktoren nur in den Genuss der Business Judgment Rule, sofern deren Voraussetzungen, also eine unternehmerische Entscheidung, das Handeln zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information, frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen und das Handeln in gutem Glauben vorliegen. Da die §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG von einer entsprechenden Anwendung des § 93 AktG und somit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sprechen, bleibt auch aus methodischer Sicht Raum für mögliche Besonderheiten bei der Anwendung der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE.
E. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule 1. Die Weisungsgebundenheit des Verwaltungsrats gegenüber der Hauptversammlung? Möglicherweise könnte der Verwaltungsrat der monistisch verfassten SE gegenüber der Hauptversammlung weisungsgebunden sein. Ist dies der Fall, wäre der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule insofern eingeschränkt, als der Verwaltungsrat keine unternehmerischen Entscheidungen zu treffen hat, wenn die Hauptversammlung von ihrem Weisungsrecht Gebrauch macht. Für das Bestehen eines solchen Weisungsrechts könnte ein Vergleich zum Aktienrecht angeführt werden.122 Maßgeblich dafür, dass der Hauptversammlung einer AG gegenüber dem Vorstand grundsätzlich kein Weisungsrecht zusteht, ist, dass der Vorstand die AG gem. § 76 Abs. 1 AktG „unter eigener Verantwortung“ zu leiten hat.123 Im Vergleich dazu werden in § 22 Abs. 1 SEAG die Worte „unter eigener Verantwortung“ nicht aufgegriffen, so dass daraus der Schluss gezogen werden könnte, dass der Verwaltungsrat gegenüber der Hauptversammlung weisungsabhängig ist.124 Dem steht jedoch zum einen entgegen, dass die Hauptversammlung im Kompetenzgefüge der monistisch verfassten SE lediglich als gleichberechtigtes Organ neben dem Ver122 Vgl. Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 22 SEAG Rn. 17. 123 Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 22; Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 22 SEAG Rn. 17. 124 Vgl. Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 22 SEAG Rn. 17.
E. Spezifika der Business Judgment Rule
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waltungsrat steht.125 Zum anderen werden die Kompetenzen der Hauptversammlung durch das SEAG ebenso wie im Aktienrecht explizit benannt, wie sich beispielsweise in §§ 47 f. SEAG zeigt.126 Wenn der Gesetzgeber folglich den Willen verfolgt hätte, ein Weisungsrecht der Hauptversammlung gegenüber dem Verwaltungsrat zu regeln, hätte er dieses Recht ausdrücklich normiert.127 Somit steht der Hauptversammlung kein Weisungsrecht gegenüber dem Verwaltungsrat zu. Daraus folgt, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule hinsichtlich des Verwaltungsrats nicht von vornherein eingeschränkt ist. 2. Die Weisungsgebundenheit der geschäftsführenden Direktoren Gem. § 44 Abs. 2 SEAG haben die geschäftsführenden Direktoren die Weisungen des Verwaltungsrats zu beachten. Aus dieser Weisungsgebundenheit könnte sich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule bezogen auf die geschäftsführenden Direktoren ergeben. Sofern die geschäftsführenden Direktoren bindende Weisungen ausführen, steht diesen kein Entscheidungsspielraum mehr zu.128 Daraus folgt, dass sich die geschäftsführenden Direktoren in diesen Fällen, also bei schlichter Weisungsausführung, nicht auf die Business Judgment Rule gem. § 40 Abs. 8 SEAG i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen können.129 Wenn die geschäftsführenden Direktoren bindende, also rechtmäßige Weisungen ausführen, entfällt jedoch von vornherein deren Haftung gegenüber der Gesellschaft.130 Als verbindlich sind beispielsweise auch vom Verwaltungsrat im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens getroffene Weisungen anzusehen, selbst wenn diese den geschäftsführenden Direktoren als unzweckmäßig erscheinen.131 Dagegen sind geschäftsführende Direktoren insbesondere nicht an gesetzes- oder satzungswidrige Weisungsbeschlüsse gebunden.132 Generell steht dem Verwaltungsrat ein sehr umfassendes Weisungsrecht zu, wodurch der Anwendungsbereich der Business Judg125 Reichert/Brandes, in: MüKo, AktG, Bd. 7, 4. Aufl. 2017, Art. 38 SE-VO Rn. 15; Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 171. 126 Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 22 SEAG Rn. 17. 127 Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 22 SEAG Rn. 17. 128 Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 55. 129 Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 40 SEAG Rn. 94. 130 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 9; Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 66; Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 55. 131 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 66. 132 Ihrig, ZGR 2008, 809 (824); Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 51 SE-VO Rn. 9; vgl. Metz, Die Organhaftung bei der monistisch strukturierten Europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland, 2009, S. 191.
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
ment Rule bezogen auf die geschäftsführenden Direktoren extrem eingeschränkt werden könnte. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass den geschäftsführenden Direktoren kein unentziehbarer Kompetenzkern, auch nicht in ihrem Hauptaufgabenbereich der laufenden Geschäftsführung gem. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG, zugebilligt werden kann.133 Denn auch in diesem Bereich können die geschäftsführenden Direktoren ihre Kompetenzen lediglich von dem ihnen übergeordneten Verwaltungsrat ableiten.134 Dennoch erfährt das Weisungsrecht hier insofern eine gewisse Grenze, als aufgrund der in § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG angelegten Trennung zwischen nichtgeschäftsführenden und geschäftsführenden Direktoren letzteren zumindest ein geringfügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden muss.135 Anzumerken ist, dass eine Umgehung von § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG bereits verhindert werden kann, indem diese Grenze weit gezogen wird und somit lediglich extreme Fallgestaltungen ausgeschlossen werden.136 Aus der umfassenden Weisungsgebundenheit der geschäftsführenden Direktoren resultiert insofern eine weitere Einschränkung des unternehmerischen Ermessens, als vor jeder Maßnahme frühzeitig abgewogen werden muss, ob der Verwaltungsrat eingebunden und dessen Beschluss abgewartet werden sollte.137 Zudem könnten die geschäftsführenden Direktoren auch gegenüber der Hauptversammlung weisungsgebunden sein. Dies würde den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule bezogen auf die geschäftsführenden Direktoren weiter einschränken. Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 SEAG sind die geschäftsführenden Direktoren verpflichtet, Anweisungen und Beschränkungen zu beachten, die die Hauptversammlung für die Geschäftsführung getroffen hat. Da weder der Wortlaut des § 44 Abs. 2 SEAG noch die Regierungsbegründung hinsichtlich des Umfangs des Weisungsrechts zwischen dem Verwaltungsrat und der Hauptversammlung differenzieren, könnte daraus für letztere ein dem Verwaltungsrat vergleichbares Weisungsrecht hergeleitet werden.138 Dagegen spricht allerdings, dass dem § 44 Abs. 2 SEAG nur insoweit ein Eingriffsrecht in die Geschäftsführung 133
Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 44 SEAG) Rn. 10; vgl. Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 195 (206); vgl. Merkt, ZGR 2003, 650 (663); Verse, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, 1277 (1282). 134 Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 183. 135 Verse, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, 1277 (1287); Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 44 SEAG) Rn. 10; Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 187 f. 136 Verse, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2. Aufl. 2016, § 44 SEAG Rn. 12; Verse, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, 1277 (1287). 137 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Komm, 2. Aufl. 2015, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 40 SEAG) Rn. 65. 138 Vgl. Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 27.
E. Spezifika der Business Judgment Rule
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entnommen werden kann, als auch das betreffende Organ solch eine Kompetenz gegenüber den geschäftsführenden Direktoren hat.139 Eine andere Auslegung des § 44 Abs. 2 SEAG verstößt gegen das Kompetenzgefüge der monistischen SE, nach dem die Geschäftsführung vorrangig dem Verwaltungsrat obliegt und die geschäftsführenden Direktoren lediglich ihre Kompetenzen von diesem ableiten.140 Die Hauptversammlung ist dagegen in Geschäftsführungsangelegenheiten nur zuständig, wenn ihr eine diesbezügliche Frage zur Entscheidung vorgelegt wird oder die „Holzmüller-/Gelantine“-Rechtsprechung greift, vgl. Art. 52 S. 2 SE-VO i.V.m. § 119 Abs. 2 AktG.141 Folglich steht der Hauptversammlung kein generelles Weisungsrecht gegenüber den geschäftsführenden Direktoren zu, so dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule hierdurch nicht beschränkt wird. Der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ist hinsichtlich der geschäftsführenden Direktoren aufgrund deren Weisungsgebundenheit gegenüber dem Verwaltungsrat eingeschränkt. Dem Verwaltungsrat steht theoretisch ein sehr umfassendes Weisungsrecht zu. In praktischer Hinsicht wird der Verwaltungsrat jedoch Abstand davon nehmen, den Tätigkeitsbereich der geschäftsführenden Direktoren durch Weisungen zu sehr einzuschränken, da dies schädliche Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann.142
II. Beweislast Im Aktienrecht sind Vorstandsmitglieder darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, da sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf die Business Judgment Rule bezieht.143 Fraglich ist, ob diese aus dem Aktienrecht stammende Beweislastumkehr auf das Recht der monistisch verfassten SE übertragen werden sollte. § 93 AktG wird über die §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG für entsprechend anwendbar erklärt, so dass auch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG von diesem Verweis umfasst sein könnte. Allerdings müsste dafür der in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zum Ausdruck kommende Gedanke, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft in einer Beweisnot wäre,144 auch im Recht der monistischen SE greifen. Bereits im Aktienrecht wird eine 139
Siems, in: KK, AktG, Bd. 8/2, 3. Aufl. 2010, Anh. Art. 51 SE-VO § 44 SEAG Rn. 6, 9. Boettcher, Die Kompetenzen von Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren in der monistischen SE in Deutschland, 2009, S. 171; Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 28; Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, SE, 2. Aufl. 2010, Art. 43 SE-VO Rn. 165. 141 Ihrig, ZGR 2008, 809 (818 f.); Drinhausen, in: van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Hdb. SE, 2007, 5. Abschnitt § 3 Rn. 29. 142 Merkt, ZGR 2003, 650 (663 f.). 143 Vgl. Kap. 1 A. IV. 144 Vgl. Kap. 1 A. IV. 140
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Kap. 2: Business Judgment Rule im Recht der monistisch verfassten SE
Beweisnot der Gesellschaft insofern bezweifelt, als durch die Digitalisierung im Wirtschaftsverkehr Sachverhalte aus der Vergangenheit leichter zu rekonstruieren seien.145 Folglich muss dies erst recht im Recht der monistischen SE überprüft werden. Für die Verfolgung von Ansprüchen der SE gegenüber ihren geschäftsführenden Direktoren ist der Verwaltungsrat und für die Verfolgung der Ansprüche der SE gegenüber dem Verwaltungsrat die geschäftsführenden Direktoren zuständig.146 Dagegen, dass der oben beschriebene Gedanke des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auf die monistische SE zutrifft, spricht daher grundsätzlich, dass gerade einer monistisch verfassten Gesellschaft Informationsvorteile zugesprochen werden, die auf der vernetzten Organstruktur beruhen.147 Es besteht die Möglichkeit, dass geschäftsführende Direktoren gleichzeitig Verwaltungsratsmitglieder sind, vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG. Sofern dieses Geschäftsführungsmodell gewählt wird, sind die geschäftsführenden Direktoren bestens in der Lage, die den Entscheidungen des Verwaltungsrats anhaftenden Umstände zu überblicken und zu bewerten. Darüber hinaus können sich Verwaltungsratsmitglieder durch ihr umfassendes Weisungsrecht gem. § 44 Abs. 2 SEAG in die Entscheidungsprozesse der geschäftsführenden Direktoren einbinden. Daher kann nicht davon gesprochen werden, dass geschäftsführende Direktoren die Umstände ihres Verhaltens besser überschauen und bewerten können. Eine Beweisnot der Gesellschaft kann deswegen nicht angenommen werden. Aus diesen Gründen muss konstatiert werden, dass der Verweis der §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG insofern nicht stimmig ist, als dieser auch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG umfasst. Diese Ausführungen greifen nur in dem Fall nicht, in dem Aktionäre von der Aktionärsklage Gebrauch machen und Schadensersatzansprüche der monistischen SE subsidiär geltend machen. Folglich ist zu differenzieren. Sofern es beim Regelfall bleibt und die Ansprüche der SE gegenüber ihren geschäftsführenden Direktoren vom Verwaltungsrat und die Ansprüche der SE gegenüber dem Verwaltungsrat von den geschäftsführenden Direktoren geltend gemacht werden, ist der in §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG enthaltene Verweis auf § 93 AktG insofern teleologisch zu reduzieren, als dieser auch § 93 Abs. 2 S. 2 AktG umfasst. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule liegen in diesen Fällen somit bei der Gesellschaft als Klägerin. Da eine Beweisnot durchaus aber dann bestehen kann, wenn die Aktionäre von der Aktionärsklage Gebrauch machen, ist von einer teleologischen Reduktion abzusehen, so dass es hier bei der Anwendung von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG i.V.m. §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG bleibt.
145 146 147
Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2119). Vgl. Kap. 2 C. III. 4. Vgl. Kap. 2 C. III. 4.
F. Ergebnis
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F. Ergebnis Als Ergebnis kann notiert werden, dass die Business Judgment Rule auch im Recht der monistisch verfassten SE anwendbar ist. In sachlicher Hinsicht können zwar teils mit Einschränkungen, jedoch grundsätzlich alle Legitimationsgrundlagen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der monistischen SE übertragen werden. Aus methodischer Sicht kommt die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG über den Verweis der §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG in der monistisch verfassten SE zur entsprechenden Anwendung. Allerdings sind bestimmte Besonderheiten bei der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule zu beachten. Die erste Besonderheit bezieht sich auf die geschäftsführenden Direktoren. Gem. § 44 Abs. 2 SEAG sind die geschäftsführenden Direktoren gegenüber dem Verwaltungsrat weisungsabhängig. Bei schlichter Weisungsausführung steht den geschäftsführenden Direktoren kein unternehmerisches Ermessen zu, so dass sie sich nicht auf die Business Judgment Rule gem. § 40 Abs. 8 SEAG i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen können. In diesen Fällen ist bereits der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Gegensatz zum Aktienrecht nicht eröffnet. Eine weitere Modifikation bezieht sich auf die Beweislastverteilung. Aufgrund der engeren Verflechtung der Organe im monistischen System wird die Gesellschaft nicht mit einer Beweisnot bei der Verfolgung ihrer Schadensersatzansprüche gegenüber den Verwaltungsratsmitgliedern oder geschäftsführenden Direktoren konfrontiert. Der Gedanke des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG greift im Recht der monistischen SE im Regelfall, also wenn die Ansprüche der SE gegenüber ihren geschäftsführenden Direktoren vom Verwaltungsrat und die Ansprüche der SE gegenüber dem Verwaltungsrat von den geschäftsführenden Direktoren geltend gemacht werden, nicht. Eine Beweislastverteilung zulasten der Organe der monistischen SE ist dementsprechend in diesen Fällen nicht anzunehmen.
Kapitel 3
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der GmbH Die GmbH ist juristische Person, deren Gesellschafter grundsätzlich nicht für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, vgl. § 13 Abs. 1, 2 GmbHG.1 Sie ist Kapitalgesellschaft, da gesetzlich vorgeschrieben ist, dass ein Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro, vgl. § 5 Abs. 1 GmbHG, aufzubringen und zu erhalten ist, an dem sich jeder Gesellschafter mit Gesellschaftsanteilen beteiligt.2 Die GmbH wird neben der AG häufig auch als kleine Kapitalgesellschaft beschrieben.3 Im Gegensatz zum Aktienrecht weist das GmbH-Recht jedoch im Innenverhältnis weitgehend einen dispositiven Charakter auf, der es den Gesellschaftern erlaubt, die GmbH stärker personalistisch auszugestalten.4 In der Praxis wird die Möglichkeit, die GmbH mit personalistischen Elementen auszugestalten, auch häufig wahrgenommen.5 In organisatorischer Hinsicht sieht das GmbHG als Mindestvoraussetzung zwei Organe vor, den Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung, wohingegen ein Aufsichtsrat, abgesehen von mitbestimmungsrechtlichen Konstellationen, nicht obligatorisch ist.6 Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich. Entgegen dem missverständlichen Wortlaut wird von § 37 Abs. 1 GmbHG auch die Geschäftsführungsbefugnis erfasst, die danach grundsätzlich in die Zuständigkeit der Geschäftsführer fällt.7 § 37 Abs. 1 GmbHG schreibt allerdings auch vor, dass die Geschäftsführer von den Weisungen der Gesellschafterversammlung abhängig sind. Im Gegensatz zur AG mit dem die 1
Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, Einl. Rn. 2; Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, Einl. Rn. 2. 2 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, Einl. Rn. 8 ff.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, Einl. Rn. 3. 3 Vgl. Schmidt, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, Syst. Darst. 1 Rn. 28 f., 43; vgl. Westermann, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, Einl. Rn. 2. 4 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, Einl. Rn. 2; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, Einl. Rn. 4. 5 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, Einl. Rn. 4; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, Einl. Rn. 14. 6 Riemenschneider/Freitag, in: Priester/Mayer/Wicke (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 3, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 1; Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, Einl. Rn. 5. 7 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 1; Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 37 Rn. 2.
A. Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule
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Gesellschaft eigenverantwortlich leitenden Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG sind in der GmbH daher die Gesellschafter und nicht die Geschäftsführer die „Herren der Gesellschaft“.8 Ein Blick auf das Haftungskonzept zeigt, dass § 43 GmbHG den zentralen Grundtatbestand der Organhaftung der Geschäftsführer gegenüber der GmbH darstellt und weitestgehend parallel zu § 93 AktG ausgestaltet ist.9 Trotz der parallelen Ausgestaltung hat der Gesetzgeber eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift in § 43 GmbHG nicht aufgenommen. Dies wirft die hier zu untersuchende Frage auf, ob die Business Judgment Rule auch im GmbH-Recht anwendbar ist.
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der GmbH Der BGH vertritt den Standpunkt, dass dem GmbH-Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen zuzugestehen sei.10 Der überwiegende Teil der Literatur ist der Ansicht, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht entsprechend bzw. analog angewendet werden müsse.11 Ferner werden von Teilen der Literatur die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung und die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifizierte Regel auch für anwendbar erklärt, ohne konkret eine Klassifizierung als entsprechende oder analoge Anwendung vorzunehmen.12 Eine weitere Meinung besagt: „Was […] für den Vorstand einer Aktiengesellschaft gilt, kann für die Geschäftsführer einer GmbH nicht anders sein. […] Der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens ist daher bei der Konkretisierung der anzuwendenden Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes i.S. von § 43 Abs. 1 in gleicher Weise zu berück8 BGH, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278) = NJW 1960, 285 (289); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 73; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 37 Rn. 3; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (121). 9 Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 1; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 5; vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 1. 10 BGH, Urt. v. 4. 11. 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280 (282) = NZG 2003, 81 (82); BGH, Beschl. v. 14. 07. 2008 – II ZR 202/07, NZG 2008, 751 = NJW 2008, 3361; BGH, Urt. v. 18. 06. 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 (312) = NZG 2013, 1021 (1023). 11 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 23; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 22; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Born/ Simon, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 24; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 43 Rn. 36; Freund, GmbHR 2009, 1185 (1186); Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 43 GmbHG Rn. 27; Fleischer, NZG 2011, 521 (524); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (12). 12 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 43 Rn. 8 f.; Schneider/ Schneider, GmbHR 2005, 1229 (1230); Strohn/Simon, GmbHR 2010, 1181 (1185).
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
sichtigen.“13 Vertreten wird auch die Ansicht, dass der Kodifizierung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG „Leitbildfunktion“ für das GmbH-Recht zukomme und dass auch die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung auf den GmbH-Geschäftsführer entsprechend anzuwenden seien.14 In ähnlicher Weise wird daneben angemerkt, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht ausstrahle.15 In Anknüpfung daran vertritt Taube, dass im GmbH-Recht eine in gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung entwickelte, eigenständige Business Judgment Rule anzuwenden sei, welche ihre Wurzeln in dem allgemeinen Grundsatz des unternehmerischen Ermessens habe.16 Es gibt jedoch auch eine zurückhaltendere Stimme in der Literatur, nach der eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht in Betracht komme, jedoch die Kernaussagen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung für den Geschäftsführer gelten sollten.17 Zumindest in methodischer Hinsicht wird von einem weiteren Ansatz eine Analogie des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht abgelehnt, weil dies der gesetzgeberischen Intention einer Rechtsentwicklung „ohne positivrechtliche Regelung“ abseits des Aktienrechts widerspräche.18 Einer analogen Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich ablehnend gegenüber steht Jungmann.19 Somit bejaht die überwiegende Ansicht die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bzw. ein unternehmerisches Ermessen mit Abweichungen im Detail. Trotzdem sollte die Frage, ob und inwieweit die im Aktienrecht anerkannte Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch im Recht der GmbH Anwendung findet, nicht unbesehen beantwortet werden. Es ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Bejahung dieser Frage nicht selbstverständlich und auch die maßstabsgetreue Übertragung auf den GmbH-Geschäftsführer nicht in jeder Hinsicht möglich sei.20 Dennoch lassen sowohl der BGH als auch die Vielzahl der Autoren, die die Frage bejahen, eine ausführliche Begründung dieses Ergebnisses vermissen. Nur vereinzelt ziehen Autoren zur Begründung ihres Ergebnisses die Legitimationsgrundlagen bzw. die Zwecke der aktienrechtlichen Business Judgment Rule heran und untersuchen, ob diese auf das Recht der GmbH übertragbar sind.21 13
Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 54. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 111. 15 Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 7. Aufl. 2013, S. 23 Rn. 127. 16 Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 224 f. 17 Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, HK-GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 43 Rn. 32. 18 Scholz, AG 2018, 173 (181). 19 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850). 20 Bachmann, NZG 2013, 1121 (1122); Fleischer, ZGR 2001, 1 (25); K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 36 II 4 a; vgl. Merkt, ZGR 2003, 650 (672); Fleischer, NZG 2011, 521. 21 Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 198 ff.; Fleischer, NZG 2011, 521 (522 ff.); Kuntz, GmbHR 2008, 121 ff.; Jungmann, 14
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Allein ausgehend von solch einer Untersuchung kann eine fundierte Begründung dafür erbracht werden, ob und inwieweit die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht im Recht der GmbH greift.
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Wie im Rahmen der Darstellung der Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule gezeigt worden ist, unterliegen unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen.22 Zudem existieren für unternehmerische Entscheidungen auch keine Handlungsmaximen, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten.23 Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte auf das GmbH-Recht übertragen werden. Ein GmbH-Geschäftsführer hat bei der Erfüllung der ihm grundsätzlich zukommenden Geschäfts- und Vertretungsbefugnis unternehmerische Entscheidungen zu treffen.24 Dabei ist offensichtlich, dass der Geschäftsführer ebenso wie der Vorstand einer AG auf Grundlage unwägbarer Faktoren abschätzen muss, ob diverse Investitionen für die GmbH erfolgsversprechend sind.25 Somit ist diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule im Grundsatz auf das GmbH-Recht übertragbar. Dem könnte jedoch die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers gem. § 37 Abs. 1 GmbHG entgegenstehen. Hiernach sind die Geschäftsführer zur Befolgung von Weisungen und Zustimmungsvorbehalten in allen Bereichen der Unternehmensleitung durch die Gesellschafterversammlung verpflichtet, soweit dadurch ersteren nicht der unentziehbare Bereich der Geschäftsführungskompetenz entzogen wird.26 Nicht die Geschäftsführer, sondern vielmehr die Gesellschafter sind demnach
in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (834 ff.); Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, 2011, S. 248 f. 22 Vgl. Kap. 1 D. I. 23 Vgl. Kap. 1 D. I. 24 Hauschka, GmbHR 2007, 11 (12); vgl. Fleischer, NZG 2011, 521 (523); Podewils, BB 2014, 2632 (2633). 25 Fleischer, NZG 2011, 521 (523); vgl. auch Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 205 f. 26 BGH, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278) = NJW 1960, 285 (289); Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 37 Rn. 107; Schneider/Schneider,
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
die „Herren der Gesellschaft“.27 Sofern die Weisungen befolgt werden, sind die Handlungen des Geschäftsführers rechtmäßig und eine Haftung desselben scheidet aus.28 Zwar ändert die Weisungsgebundenheit nichts daran, dass eine unternehmerische Entscheidung per se unwägbaren Faktoren unterliegt. Jedoch stünde dem Geschäftsführer bei Vorliegen einer Weisung ein etwaiges unternehmerisches Ermessen nicht zu, da er die Weisung nur zu befolgen und auszuführen hat.29 Je mehr Weisungen von der Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern erfolgen, desto weniger unternehmerische Entscheidungen müssen von letzteren getroffen werden. Insofern könnte argumentiert werden, dass Geschäftsführer nicht in gleichem Maße wie Vorstandsmitglieder einer AG den Besonderheiten unternehmerischer Entscheidungen unterliegen. Folglich wäre hiernach die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule aufgrund der Spezifika unternehmerischer Entscheidungen im GmbH-Recht nicht zwingend. Dem muss allerdings entgegengehalten werden, dass eine große Anzahl an Weisungen bzw. auch das Einholen einer Weisung vor jeder Entscheidung für die Führung der Gesellschaft nicht praktikabel ist.30 Dementsprechend wird dies in der Praxis auch in diesem Ausmaß nicht vorkommen. Da der Haftungs- und Kontrollmaßstab außerhalb des Weisungsgegenstandes nicht modifiziert wird, trifft den Geschäftsführer weiterhin die Gefahr der Inanspruchnahme für unvorhersehbare Entwicklungen, die unternehmerischen Entscheidungen immanent sind.31 Der Geschäftsführer einer GmbH unterliegt folglich in vergleichbarer Weise den unwägbaren Faktoren unternehmerischer Entscheidungen wie der Vorstand einer AG. Somit ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht übertragbar.
II. Gefahr des Hindsight Bias Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verfolgt zudem den Zweck, die Gefahr des Hindsight Bias bei der richterlichen Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen einzudämmen.32 Zu überprüfen ist, ob diese Legitima-
in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 37; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 37 Rn. 3, 8. 27 Vgl. Kap. 3 vor A. 28 BGH, Urt. v. 14. 12. 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278) = NJW 1960, 285 (289); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 73. 29 Lutter, ZIP 2007, 841 (848); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 73. 30 Hoor, DStR 2004, 2104 (2108). 31 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123); Hoor, DStR 2004, 2104 (2108); so auch Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 205. 32 Vgl. Kap. 1 D. II.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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tionsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das GmbH-Recht übertragbar ist. Aufgezeigt worden ist, dass ein Geschäftsführer ebenso wie ein Vorstandsmitglied einer AG unternehmerische Entscheidungen, die typischerweise mit Risiken verbunden sind, zu treffen hat. Daher droht für Richter die Gefahr des Hindsight Bias bei der Beurteilung von unternehmerischen Entscheidungen von Geschäftsführern einer GmbH aus der ex-ante-Perspektive mit derselben Intensität wie im Aktienrecht.33 Folglich ist der Zweck der aktienrechtlichen Business Judgment Rule, die Gefahr des Hindsight Bias einzudämmen, auf das GmbH-Recht übertragbar.
III. Steigerung der Attraktivität von Geschäftsführerposten Die aktienrechtliche Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird damit legitimiert, dass durch deren Geltung die Attraktivität der Vorstandsposten gesteigert werden kann.34 Möglicherweise ist diese Legitimationsgrundlage auch auf das GmbH-Recht übertragbar. Das Recht der GmbH dürfte dafür keine Regelungen aufweisen, die den Geschäftsführer bereits vor einer immensen Haftungsgefahr ausreichend schützen. 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Grundsätzlich sind Geschäftsführer keine Arbeitnehmer.35 Diskutiert wird jedoch die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelten arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung36 analog auf den GmbHGeschäftsführer angewendet werden können. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.37 Auch wenn von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen wird, ist die vergleichbare Interessenlage äußerst fraglich. Zwar ist der Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weisungsgebunden, was für eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze sprechen könnte.38 Dagegen spricht jedoch, dass eine solche Haftungsprivilegierung nicht mit dem Zweck von § 43 33 Fleischer, NZG 2011, 521 (523); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 208. 34 Vgl. Kap. 1 D. IV. 35 K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 36 II 4 b; Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/ Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 420. 36 Vgl. dazu bereits Kap. 1 D. IV. 1. 37 Vgl. zu den Voraussetzungen der Analogie Kap. 1 D. IV. 1. 38 Vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301 (311).
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
GmbHG vereinbar ist. Der Zweck von § 43 GmbHG erschöpft sich nicht in dem von der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung bezweckten Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und -geber, sondern berücksichtigt vielmehr auch Gläubiger- und Gesellschafterinteressen.39 Zudem ist eine Aufweichung der Haftung nicht mit der Stellung des Geschäftsführers, der unternehmensleitendes Organ und somit anders als der Arbeitnehmer für die sachgerechte Organisation des Unternehmens selbstverantwortlich ist, vereinbar.40 Zum Teil wird jedoch der Standpunkt vertreten, dass die arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung Anwendung finden müsse, wenn sich der Geschäftsführer nicht im typischen Pflichtenkreis bewege.41 Dagegen spricht allerdings, dass eine Kategorisierung in amtstypische und nicht amtstypische Pflichten mit Rechtsunsicherheiten verbunden ist, da eine solche Kategorisierung praktisch nicht möglich ist und zudem der Gläubigerschutz einer solchen Differenzierung entgegensteht.42 Folglich ist auch diese differenzierende Ansicht abzulehnen. Somit sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung mangels vergleichbarer Interessenlage nicht auf den GmbHGeschäftsführer analog anwendbar. Dadurch wird die Attraktivität des Geschäftsführerpostens also nicht gesteigert. 2. Weisungsgebundenheit gem. § 37 Abs. 1 GmbHG Im Gegensatz zum Aktienrecht ist der Geschäftsführer an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, § 37 Abs. 1 GmbHG. Sofern die Weisungen der Gesellschafterversammlung vom Geschäftsführer befolgt werden, ist die Haftung ausgeschlossen.43 Allerdings ist eine Vielzahl von Weisungen nicht praktikabel.44 Die Haftung wird daher in der Regel auch nur für eine geringe Anzahl von Handlungen des Geschäftsführers ausgeschlossen sein, sofern dieser die Weisungen befolgt. Folglich stellt auch die Weisungsgebundenheit gem. § 37 Abs. 1 GmbHG keine Regelung dar, die die Haftungsgefahren für den Geschäftsführer ausreichend mildert. 39 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 6; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 42. 40 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 39; Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 420; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 42. 41 Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 257; Lutter, GmbHR 2000, 301 (312); vgl. auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 6. 42 Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 422; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43. 43 Vgl. Kap. 3 B. I. 44 Vgl. Kap. 3 B. I.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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3. Milderung der Geschäftsführerhaftung im Rahmen des § 43 GmbHG Möglicherweise stellt sich die Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG als abdingbar dar. Wenn dies der Fall wäre, kämen Regelungen wie beispielsweise eine Herabsetzung des Pflichten- und Sorgfaltsmaßstabs, ein Verzicht, ein Vergleich sowie Verjährungsfristverkürzungen oder eine summenmäßige Haftungsbeschränkung in Betracht.45 Zur Klärung dieser Frage sollte zwischen den verschiedenen Regelungen des § 43 GmbHG unterschieden werden. Einigkeit besteht in Bezug auf § 43 Abs. 3 GmbHG. Die Haftung nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG ist grundsätzlich zwingend, da diese gem. § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG der Disposition der Gesellschafter durch Verzicht, Vergleich und Gesellschafterweisung entzogen ist.46 Konsequenterweise kann die Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG auch nicht von vornherein gemildert werden.47 Umstritten ist die Abdingbarkeit der Geschäftsführerhaftung dagegen im Rahmen von § 43 Abs. 2 GmbHG. Eine Ansicht lehnt Haftungserleichterungen im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG von vornherein ab.48 Dafür wird vornehmlich angeführt, dass § 43 GmbHG eine mittelbar gläubigerschützende Funktion verfolge, die durch den Willen des historischen Gesetzgebers bestätigt werde.49 Die Begründung zum Entwurf des GmbHG von 1891 lautet: „Ein geringerer Maßstab darf an die Verantwortlichkeit derselben nicht gelegt werden, zumal es sich dabei nicht bloß um die Interessen der Gesellschafter, sondern auch um diejenigen der Gesellschaftsgläubiger handelt. Der Entwurf gestattet deshalb auch keine Abschwächung der gesetzlichen Diligenzpflicht durch den Gesellschaftsvertrag.“50 Der BGH ist dagegen mittlerweile der Ansicht, dass eine Abkürzung der Verjährungsfrist möglich sei, soweit nicht die Sondersituation des § 43 Abs. 3 GmbHG vorliege.51 Begründet wird dies vom BGH mit der Erwägung, dass es außerhalb von § 43 Abs. 3 GmbHG Sache der Gesellschafter sei, nach § 46 Nr. 8 GmbHG darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Ansprüche der Gesellschaft gegen einen pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer verfolgt werden sollten.52 Es könnten in diesem 45
Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 60. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 10; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 5; Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 428. 47 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 308; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 61. 48 Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 434 ff.; van Venrooy, GmbHR 2004, 237 (245). 49 Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 434 ff. 50 Abgedruckt bei Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 303. 51 BGH, Urt. v. 16. 09. 2002 – II ZR 107/01, NJW 2002, 3777 = NZG 2002, 1170 (1171). 52 BGH, Urt. v. 16. 09. 2002 – II ZR 107/01, NJW 2002, 3777 f. = NZG 2002, 1170 (1171). 46
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Rahmen nicht nur auf entstandene Ansprüche verzichtet werden, sondern auch vor Entstehen des Anspruchs Regelungen getroffen werden, wie z. B. ein anderer Verschuldensmaßstab oder eine haftungsfreistellende Gesellschafterweisung.53 Die herrschende Lehre steht grundsätzlich ebenfalls auf dem Standpunkt, dass die Geschäftsführerhaftung im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG im Grundsatz dispositiv sei. Innerhalb der herrschenden Lehre besteht jedoch Uneinigkeit über die Grenzen der Abdingbarkeit. In diesem Rahmen plädiert eine Meinung für eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG, so dass danach eine Abdingbarkeit zu verneinen wäre, wenn der Geschäftsführer seine Pflichten gegenüber der GmbH zu Lasten des der Gläubigerbefriedigung gewidmeten Vermögens durch einen gröblichen Sorgfaltsverstoß verletzt habe.54 Teilweise wird ein vorheriger Haftungsausschluss bis zur Vorsatzgrenze als zulässig erachtet, § 276 Abs. 3 BGB,55 wohingegen nach anderen Stimmen nur die Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden kann.56 Vertreten wird ferner, dass die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Analogie zu § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG unabdingbar sei, sofern es um die Vorschriften gehe, die wie § 43a GmbHG das Stammkapital der Gesellschaft unmittelbar vor Abzug und Eingriff schützen oder wie die Existenzvernichtungshaftung das Schutzsystem der §§ 30, 31 GmbHG verlängern.57 Eine andere Meinung hält § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG bereits für analog anwendbar, soweit es um die Verletzung gläubigerschützender Geschäftsführerpflichten geht.58 Die Ansicht, die eine generelle Ablehnung der Abdingbarkeit im Rahmen von § 43 Abs. 2 GmbHG befürwortet, ist nicht überzeugend. Dies beruht auf dem Umstand, dass der auch vom BGH betonte und angezeigte Umkehrschluss zu § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG deutlich macht, dass die Gesetzesbegründung von 1891 offensichtlich nicht Eingang in den Gesetzestext gefunden haben kann.59 Insofern ist von einer grundsätzlichen Abdingbarkeit der Geschäftsführerhaftung im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG auszugehen. Eine Grenze der Abdingbarkeit lässt sich jedoch
53
BGH, Urt. v. 16. 09. 2002 – II ZR 107/01, NJW 2002, 3777 (3778) = NZG 2002, 1170 (1171). 54 Altmeppen, DB 2000, 261 (262 f.); Burgard, ZIP 2002, 827 (839). 55 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 9; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 312. 56 Diekmann/Marsch-Barner, in: Priester/Mayer/Wicke (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 3, 4. Aufl. 2012, § 46 Rn. 4; vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 5. 57 Fleischer, BB 2011, 2435 (2438); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 309. 58 Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 43 Rn. 76; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 64 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 10. 59 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 304; vgl. auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 38.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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nicht über § 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG analog begründen.60 Bereits gezweifelt werden könnte an der für die Analogie erforderlichen Planwidrigkeit der Regelungslücke.61 Jedenfalls liegt keine vergleichbare Interessenlage vor. § 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG hat seinen Grund in den Schranken, die das Aktienrecht der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber dem Vorstand durch Minderheitsaktionäre setzt.62 Dies ist somit nicht mit der Lage im GmbH-Recht vergleichbar.63 Vielmehr erscheint es überzeugend, § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG analog bereits in den Fällen, in denen die Verletzung gläubigerschützender Geschäftsführerpflichten in Rede steht, als Grenze der Abdingbarkeit heranzuziehen. Dafür kann insbesondere ein Vergleich zu den Gesellschafterweisungen angeführt werden. Die Weisungen der Gesellschafter haben nur dann freistellende Wirkung, sofern sie nicht zur Verletzung von Pflichten führen, die der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse auszuführen hat.64 Wenn die haftungsbefreiende Wirkung von Gesellschafterweisungen somit durch das Gläubigerinteresse begrenzt ist, muss diese Grenze richtigerweise auch gelten, wenn die Gesellschafter in sonstiger Weise über die Geschäftsführerhaftung disponieren.65 Zudem steht dies auch im Einklang mit der Argumentationslinie, mit der die analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf den GmbH-Geschäftsführer abgelehnt wird. Hier steht gerade auch der Gläubigerschutz im Vordergrund.66 Somit ist gem. § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG analog die Abdingbarkeit der Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen, soweit gläubigerschützende Geschäftsführerpflichten in Rede stehen.67 Durch diese Grenze der Abdingbarkeit der Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG wird dem Gläubigerschutz hinreichend Rechnung getragen. Folglich kann, soweit hiernach die Möglichkeit der Abdingbarkeit besteht, das Gläubigerinteresse nicht zusätzlich als Argument dafür herangezogen werden, dass nur ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit möglich ist.68 Daher ist ein Haftungsausschluss bis zur Vorsatzgrenze, § 276 Abs. 3 BGB, rechtlich zulässig.69 60 Ablehnend auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 65; Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 264. 61 Vgl. dazu Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 307. 62 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 13. 63 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 13. 64 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 64. 65 Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 64. 66 Vgl. dazu Kap. 3 B. III. 1. 67 Gläubigerschützende Vorschriften i.d.S. sind §§ 33, 43a, 64, 41, 42a, 49 Abs. 3 GmbHG, § 15a Abs. 1 InsO, vgl. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 254, 263 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 64. 68 I. E. ebenso das Argument des Gläubigerschutzes nicht als überzeugend erachtend Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 312. 69 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 9; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 312.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Beschränkungen der Geschäftsführerhaftung müssen nicht zwingend in der Satzung geregelt werden, sondern können auch durch Gesellschafterbeschluss, durch eine Geschäftsordnung oder im Anstellungsvertrag erfolgen.70 Konstatiert werden kann, dass die Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG grundsätzlich zwingend ist. Im Grundsatz dispositiv ist die Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG. Eine Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens ist dadurch nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings bildet hier § 43 Abs. 3 S. 2, 3 GmbHG analog eine Grenze der Abdingbarkeit in Bezug auf gläubigerschützende Geschäftsführerpflichten. Darüber hinaus muss eine weitere Relativierung insoweit vorgenommen werden, als die Geschäftsführerhaftung zur Disposition der Gesellschafter und nicht der Geschäftsführer steht. Letztere werden daher mit der strengen Haftung des § 43 Abs. 2 GmbHG ohne Einschränkung konfrontiert, sofern die Gesellschafter nicht gewillt sind, über die Haftung zu disponieren. Folglich ist ein Schutz der Geschäftsführer vor den großen Haftungsgefahren nicht in jedem Fall garantiert, so dass mit der Disposivität des § 43 Abs. 2 GmbHG eine generelle Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens nicht erfolgt. 4. D&O-Versicherung Im GmbH-Recht sind D&O-Versicherungen für Geschäftsführer zulässig.71 Auch hier werden aber üblicherweise Deckungssummen und Haftungsausschlüsse insbesondere bei einem Schadensfall, der vorsätzlich verursacht oder auf einer wissentlichen Pflichtverletzung beruht, vereinbart.72 Der Geschäftsführer hat daher wie der Vorstand einer AG für die Schäden, die die Deckungssumme überschreiten und in Fällen, in denen ein Haftungsausschluss greift, persönlich zu haften. Der für den Vorstand einer AG gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zwingend vorgesehene Selbstbehalt gilt nicht in der GmbH.73 Ein Selbstbehalt wird für Geschäftsführer jedoch häufig vertraglich vereinbart.74 Hinzu kommt, dass nach dem AVB-AVG der Versicherungsschutz des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht den Teil des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft umfasst, der der Quote seiner Beteiligung an der 70 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 5; Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 262. 71 Bayer, GmbHR 2014, 897 (904); Weiß, GmbHR 2014, 574 f.; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 8; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 375. 72 Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 444 f.; Weiß, GmbHR 2014, 574 (575); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 428, 430. 73 Greven, BB 2009, 2154 (2157); Harzenetter, DStR 2010, 653 (654); Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 43 Rn. 8; Bayer, GmbHR 2014, 897 (904); van Kann, NZG 2009, 1010 (1011). 74 Bayer, GmbHR 2014, 897 (904); Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 444.
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Gesellschaft entspricht (sogenannte Eigenschadenklausel).75 Bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer wird der Versicherungsschutz durch die Eigenschadenklausel auf null reduziert.76 Darüber hinaus führt die D&O-Versicherung auch im GmbH-Recht zu einem zusätzlichen solventen Schuldner, was dazu führt, dass die Klagebereitschaft der Gesellschafter steigt.77 Aufgrund dieser Umstände kann festgehalten werden, dass die D&O-Versicherung auch für den Geschäftsführer einer GmbH keinen ausreichenden Schutz vor den immensen Haftungsgefahren bietet. 5. Ergebnis Zwar ist die Haftung der Geschäftsführer ausgeschlossen, soweit diese rechtmäßige Weisungen i.S.d. § 37 Abs. 1 GmbHG ausführen. Da Weisungen in der Praxis jedoch nur begrenzt erfolgen, bietet dieser Umstand auch keine ausreichende Grundlage für eine entscheidende Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens. Dies muss auch hinsichtlich der grundsätzlichen Disposivität des § 43 Abs. 2 GmbHG festgehalten werden, da diese keinen generellen Haftungsschutz bietet, sondern nur dann, wenn die Gesellschafter gewillt sind, über die Haftung zu disponieren.78 Die D&O-Versicherung kann einen ausreichenden Schutz vor den großen Haftungsgefahren ebenfalls nicht bewerkstelligen. Somit kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht übertragen werden.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Gesellschafter Die aktienrechtliche Business Judgment Rule dient dem Zweck, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.79 Fraglich ist, ob dieser Zweck auf das GmbH-Recht übertragen werden kann. Die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer obliegt in erster Linie der Gesellschafterversammlung, vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG. Eine dem § 148 AktG vergleichbare Vorschrift ist im GmbHG nicht vorzufinden. Somit stellt sich die Frage, ob ein einzelner Gesellschafter einen Scha75 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 376; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 431; Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 447. 76 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 431; vgl. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 447. 77 Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 172. 78 Der Wille der Gesellschafter wird auch von Taube allgemein als Unsicherheitsfaktor betont, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 172. 79 Vgl. Kap. 1 D. V.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
densersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG geltend machen kann. Der einzelne Gesellschafter könnte dazu durch die sogenannte actio pro socio befugt sein. Die actio pro socio entstammt dem Personengesellschaftsrecht und gewährleistet grundsätzlich, dass ein Gesellschafter Ansprüche der Gesellschaft gegen seine Mitgesellschafter geltend machen kann.80 Im Grundsatz ist die actio pro socio auch im GmbH-Recht als eigenständiges Rechtsinstitut zulässig.81 Sofern die Gesellschaft ihre Ansprüche unberchtigterweise nicht geltend macht, steht die actio pro socio den Gesellschaftern als subsidiäres Klagerecht zu.82 Sie stellt richtigerweise ein prozessuales Klagerecht dar, durch das der einzelne Gesellschafter die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der Prozessstandschaft geltend machen kann.83 Denn nur ausgehend von der Lehre von der Prozessstandschaft kann erklärt werden, warum Verfügungen der Gesellschaft über einen Sozialanspruch auch für den Gesellschafter bei der Anspruchsverfolgung im Rahmen der actio pro socio bindend sind.84 Unstrittig umfasst die actio pro socio neben Ansprüchen gegen Gesellschafter auch Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer, da eine pflichtwidrige Geschäftsführung desselben zumeist mit einer Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht einhergeht.85 Darüber hinaus ist es überzeugend, wenn die actio pro socio auch Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Fremdgeschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG erfasst.86 Dafür sprechen vornehmlich der Minderhei-
80 Fleischer, GmbHR 2008, 1121 (1128); Merkt, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 319; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 13 Rn. 15. 81 BGH, Urt. v. 29. 11. 2004 – II ZR 14/03, NZG 2005, 216 = DStR 2005, 342; Merkt, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 319; Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/ Schmidt, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, § 14 Rn. 98; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 51; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 14 GmbHG Rn. 120. 82 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 161; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 55. 83 So die h.M., vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 09. 09. 2009 – 3 U 41/09, GmbHR 2009, 1276 (1277); OLG Koblenz, Urt. v. 08. 04. 2010 – 6 U 207/09, GmbHR 2010, 1043 (1044); Merkt, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 322 f.; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 37; Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/ Schmidt, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, § 14 Rn. 95 f.; Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1330 ff.); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 14 GmbHG Rn. 121; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 161; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 13 Rn. 17; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, § 14 Rn. 58; Flume, Juristische Person, 1983, § 8 V 1. 84 Bork/Oepen, ZGR 2001, 515 (521 f.); Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1330 ff., 1333 Fn. 42). 85 Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1333 Fn. 44); vgl. BGH, Urt. v. 14. 09. 1998 – II ZR 175/97, NZG 1999, 209 f. = NJW 1999, 781. 86 Eickhoff, Die Gesellschafterklage im GmbH-Recht, 1988, S. 191 f.; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 89 f.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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tenschutz87 und die dogmatische Einordnung der actio pro socio als Prozessstandschaft.88 Außerdem ist kein Grund dafür ersichtlich, den Fremdgeschäftsführer und den Gesellschafter-Geschäftsführer in dieser Frage unterschiedlich zu behandeln.89 Folglich ist es Gesellschaftern über die actio pro socio möglich, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG geltend zu machen. Fraglich ist jedoch, ob durch die actio pro socio genauso große Missbrauchsgefahren im GmbH-Recht wie im Aktienrecht bestehen. Im Aktienrecht ist zum einen gem. § 148 Abs. 1, 2 AktG ein Klagezulassungsverfahren eingerichtet worden, um missbräuchliche Klagen von räuberischen Aktionären verhindern zu können.90 Die Missbrauchsgefahr ist im Aktienrecht aufgrund des oft weit gestreuten Aktionärskreises und der freien Übertragbarkeit der Aktien sehr hoch.91 In einer GmbH ist dagegen die Gesellschafterzahl grundsätzlich weitaus kleiner als in der klassischen AG. Zudem ist die Übertragbarkeit des GmbH-Geschäftsanteils durch das Erfordernis der notariellen Beurkundung gem. § 15 Abs. 3 GmbHG erschwert. Darüber hinaus trägt der Kläger bei der actio pro socio das Prozesskostenrisiko vollständig,92 so dass der Anreiz zur Erhebung der Klage im Vergleich zur AG geschmälert ist. Die Rechtsform der GmbH ist daher weniger missbrauchsanfällig, was von der bisher bekannten Praxis zur actio pro socio bestätigt wird, so dass kein Grund besteht, das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1, 2 AktG auf das GmbH-Recht zu übertragen.93 Das GmbH-Recht ist nicht derart missbrauchsanfällig wie das Aktienrecht. Aus denselben Gründen besteht somit auch nicht die Notwendigkeit, dass die Business Judgment Rule im Recht der GmbH angewendet werden muss. Die Übertragung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbHRecht kann folglich nicht durch die Vermeidung missbräuchlicher Gesellschafterklagen legitimiert werden.
87 Vgl. Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 43 Rn. 47. 88 Vgl. Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1333 f.). 89 Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 90. 90 Vgl. Kap. 1 D. V. 91 Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1341). 92 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 39. 93 Verse, in: FS Schneider, 2011, 1325 (1341).
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Legitimiert werden kann die aktienrechtliche Business Judgment Rule damit, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands verhindert, um negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft zu vermeiden.94 Fraglich ist, ob dieser Zweck der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht übertragen werden kann. Wie gezeigt, liegt die zentrale Funktion von Unternehmen in der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.95 Die Unternehmen haben sich an die menschlichen Bedürfnisse, die sich ständig wandeln, anzupassen.96 Um nicht Gefahr zu laufen, vom Markt gedrängt zu werden, müssen Geschäftsführer ebenso wie der Vorstand einer AG risikoneutrale Entscheidungen treffen, damit weiterhin die Etablierung des von der GmbH getragenen Unternehmens am Markt gelingt. Solch risikoneutrale Entscheidungen trifft der Geschäftsführer jedoch auch nur dann, wenn insbesondere die persönlichen Haftungsrisiken dabei nicht zu groß sind. Ansonsten würde der Geschäftsführer zu risikoaversem Verhalten neigen. Mit ausschließlich risikoaversem Verhalten gelingt es einem Geschäftsführer jedoch nicht, den sich ständig im Wandel befindenden menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die Verdrängung des Unternehmens vom Markt wäre deshalb die zwangsläufige Folge. Die Business Judgment Rule würde zu einer Verringerung der Haftungsgefahren beitragen, so dass bei deren Anwendbarkeit ein Anreiz zu risikoneutralem Handeln gegeben wäre. Da die GmbH als Rechtsform in Deutschland mit Abstand am weitesten verbreitet ist,97 gilt es hier umso mehr, risikoaverses Verhalten der Geschäftsführer zu verhindern, da die negativen Allokationswirkungen auf die Volkswirtschaft dementsprechend größer wären. Allerdings muss auch an dieser Stelle überprüft werden, ob der Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich risikoavers eingestellt ist und somit ein Anreiz zu risikoneutralem Verhalten durch die Business Judgment Rule überhaupt benötigt wird. Ein Geschäftsführer wird ebenso stark wie ein Vorstandsmitglied einer AG an die Gesellschaft gebunden sein, weil sein kaum diversifizierbares Humankapital in derselben gebunden ist. Freilich ist auch in der GmbH eine Beteiligung der Ge-
94
Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 96 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 97 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. 2018, Einl. Rn. 201; vgl. Kornblum, GmbHR 2014, 694 f.; vgl. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, Einl. Rn. 8. 95
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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schäftsführer am Gewinn durch variable Vergütungsstrukturen möglich,98 so dass diese auch in ihrem Interesse risikoneutrale Entscheidungen treffen könnten. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Geschäftsführer im Falle eines Misserfolges aus seinem Amt enthoben wird. Dies liegt in den Händen der Gesellschafter, vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG. Die Abberufung eines Geschäftsführers kann im Gegensatz zu einem Vorstand, § 84 Abs. 3 AktG, sogar grundsätzlich ohne Grund und zu jeder Zeit erfolgen, § 38 Abs. 1 GmbHG.99 Den Anstellungsvertrag, aus dem sich der Vergütungsanspruch ergibt,100 können die Gesellschafter im Grundsatz nur durch Kündigung beenden, wobei im Anstellungsvertrag geregelt sein kann, dass das Anstellungsverhältnis mit Widerruf des Organverhältnisses endet.101 Eine Beteiligung am Gewinn schützt den Geschäftsführer davor gerade nicht. Darüber hinaus bietet das GmbH-Recht keinen ausreichenden Schutz vor den immensen Haftungsgefahren.102 Daher ist der Geschäftsführer grundsätzlich risikoavers eingestellt, so dass auch in der GmbH die Business Judgment Rule benötigt wird, um dem Geschäftsführer einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen gewährleisten zu können.103 Folglich ist der Zweck der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten zu verhindern, damit negative Allokationswirkungen auf die Volkswirtschaft vermieden werden können, auf das GmbHRecht übertragbar. 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer im Interesse der GmbH-Gesellschafter Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert.104 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-)Aktionäre, die sich durch Diversifikation ein risikoeffizientes Portfolio zusammenstellen können, als auch der
98
Vgl. Jaeger, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 302; vgl. Schneider/ Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 350; vgl. Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 35 Rn. 349. 99 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 38 Rn. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 38 Rn. 2, 4; im Geltungsbereich der Mitbestimmungsgesetze wird § 84 Abs. 3 AktG allerdings für anwendbar erklärt, so dass hier die Abberufung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden ist, vgl. Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 38 Rn. 10, 28. 100 Vgl. Jaeger, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 302. 101 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 35 Rn. 209 ff.; Jaeger, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 249. 102 Vgl. dazu bereits Kap. 3 B. III. 103 s. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 204. 104 Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a).
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Blockaktionäre.105 Zu untersuchen ist, ob diese Legitimationsgrundlage des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht greift. Bereits festgestellt worden ist, dass die Business Judgment Rule dazu dienlich ist, dem grundsätzlich risikoavers eingestellten Geschäftsführer einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen zu bieten.106 Fraglich ist jedoch, ob GmbH-Gesellschafter in vergleicherbarer Weise zu den Aktionären ein Interesse an risikoneutralen unternehmerischen Entscheidungen der Geschäftsführung haben. Vorgetragen wird, dass GmbH-Gesellschafter im Grundsatz kein Interesse an risikoreichen Entscheidungen der Geschäftsführer hätten.107 Dies sei dem Umstand geschuldet, dass eine GmbH in der Regel personalistische Strukturen aufweist und die wenigen Gesellschafter einen Großteil ihres Vermögens in die Gesellschaft eingebracht hätten und somit über kaum Diversifikationsmöglichkeiten verfügen würden.108 Hinzu komme, dass die Gesellschafter einer GmbH stärker an das Unternehmen gebunden wären als Aktionäre, da sie nicht nur als Investoren, sondern auch als Unternehmer aufträten, und damit auch ihr nicht diversifizierbares Humankapital im Unternehmen gebunden hätten.109 Es mag zutreffen, dass die Gesellschafter einer personalistisch geprägten GmbH einen Großteil ihres Vermögens in der GmbH eingebracht haben und damit im Vergleich zu (Klein-)Aktionären nicht genauso gut diversifiziert sind. Damit geht auch eine Scheu der Gesellschafter vor allzu risikoreichen Entscheidungen einher. Allerdings beschreibt dies lediglich die Risikoeinstellung der Gesellschafter aus dem Blickwinkel einer personalistisch geprägten GmbH.110 Eine solch beschränkte Sichtweise wird dem Charakter der GmbH als Allzweckinstrument nicht gerecht.111 Die GmbH eignet sich als Vehikel für sämtliche Investmentaktivitäten.112 Dabei liegt es auf der Hand, dass GmbHGesellschafter grundsätzlich auch in der Lage sind, Risiken durch eine entsprechende Ausgestaltung ihres Portfolios auszugleichen.113 Doch auch den im Grundsatz stärker risikoavers eingestellten Gesellschaftern einer personalistisch geprägten 105
Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 3 B. V. 1. 107 Bachmann, NZG 2013, 1121 (1122); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122 f.); Fleischer, NZG 2011, 521 (523); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850). 108 Fleischer, NZG 2011, 521 (523); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850); Kuntz, GmbHR, 2008, 121 (122 f.); Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, 55. 109 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850). 110 Vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 199 f. 111 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 147; vgl. auch zum Charakter der GmbH als Allzweckinstrument Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, Einl. Rn. 11; Westermann, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, Einl. Rn. 28. 112 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 147; vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 200. 113 Grunewald/Hennrichs, in: FS Maier-Reimer, 2010, 147 (149 f.). 106
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
115
GmbH kann ein Interesse an risikoneutralen Entscheidungen des Geschäftsführers nicht gänzlich abgesprochen werden. Wie gezeigt gelingt eine Etablierung am Markt und damit ein Erfolg des Unternehmens nur, wenn der Geschäftsführer unter anderem auch risikoneutrale Entscheidungen trifft.114 Daher ist die Situation eines Gesellschafters, der einen Großteil seines Vermögens in die GmbH eingebracht hat, mit der eines Blockaktionärs vergleichbar, der über seinen Einfluss in der Gesellschaft unter Umständen versuchen kann, seine Risikopräferenzen durchzusetzen.115 Darüber hinaus haben die Gesellschafter genauso wie die Aktionäre aus haftungsrechtlicher Sicht vor den risikoreichen unternehmerischen Entscheidungen nichts zu befürchten, da sie grundsätzlich, wie bei juristischen Personen des Privatrechts typisch, nicht persönlich haften, vgl. § 13 Abs. 2 GmbHG.116 Festgehalten werden kann daher, dass die Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft in einer personalistisch geprägten GmbH in der Regel stärker ist als diese von (Klein-)Aktionären. Allerdings ist es GmbH-Gesellschaftern nicht von vornherein verwehrt, Risiken durch Diversifizierung auszugleichen. Zwar kann die Intensität des Interesses der Gesellschafter an risikoneutralen Entscheidungen des Geschäftsführers je nach Ausgestaltung der GmbH variieren. Allerdings haben alle Gesellschafter einer GmbH im Grundsatz ein Interesse daran, dass der Geschäftsführer unter anderem auch risikoneutrale unternehmerische Entscheidungen trifft, da diese für den langfristigen Erfolg des Unternehmens notwendig sind. Somit greift in der GmbH der Zweck der Business Judgment Rule, einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschafter zu verhindern. Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG greift dementsprechend auch im GmbH-Recht.117
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Festgestellt worden ist, dass dem Produktmarkt eine Disziplinierungswirkung des Vorstandshandelns zugeschrieben und dadurch die Business Judgment Rule gem. 114
Vgl. Kap. 3 B. V. 1. Vgl. zu den Blockaktionären Kap. 1 D. VI. 2. a); vgl. auch Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 200 f. 116 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 5; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 7. 117 Daher nicht überzeugend die gemachten Ausführungen von Taube, nach dem diese Legitimationsgrundlage zwar für die GmbH im Wesentlichen nicht anwendbar wäre, dieses Argument jedoch auch in der AG nur begrenzte Geltung hätte, weil es auch hier Großinvestoren gäbe und somit der Anwendung der Business Judgment Rule in der GmbH nicht entgegenstünde, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 200 ff., 215. 115
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG legitimiert werden kann.118 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass in Deutschland eine wettbewerbsintensive Marktsituation vorherrscht.119 Der Wettbewerbsdruck führt dazu, dass der Vorstand die Ressourcenallokation bestmöglich vornehmen muss, da ein opportunistisches Verhalten desselben zu höheren Produktionskosten und damit zwangsläufig zu einem Ausscheiden des Unternehmens am Markt führen würde.120 Da sich die Marktsituation in Deutschland generell als wettbewerbsintensiv darstellt, wird nicht nur der Vorstand einer AG mit dem Wettbewerbsdruck konfrontiert. Auch ein GmbH-Geschäftsführer muss daher die Ressourcenallokation bestmöglich vornehmen, um ein Ausscheiden am Markt zu verhindern. Folglich geht vom Produktmarkt sowohl für das Handeln des Vorstands einer AG als auch für das Verhalten eines Geschäftsführers eine Disziplinierungswirkung aus. Die Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann somit auf das GmbH-Recht übertragen werden. 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Der Arbeitsmarkt für Manager, der als wirksamer Kontrollmechanismus des Verhaltens des Vorstands einer AG dienlich ist, stellt eine Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dar.121 Zu untersuchen ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das GmbH-Recht übertragen werden kann. Dass auch GmbH-Geschäftsführer diesem Kontrollmechanismus unterliegen, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Zum einen ist ein amtierender Geschäftsführer stets der Gefahr ausgesetzt, durch einen externen, qualifizierteren Kandidaten ausgetauscht zu werden, sofern ersterer die Gesellschaft nicht im Sinne der Gesellschafter führt. Zwar ist die Wirksamkeit der externen Disziplinierung durch sogenannte Transaktionskosten eingeschränkt.122 Die Disziplinierung der Geschäftsführer ist trotzdem nicht ausgeschlossen. Diese Transaktionskosten werden GmbH-Gesellschafter in Kauf nehmen, wenn lediglich ein externer Kandidat das Anforderungsprofil erfüllt. Zum anderen muss sich ein Geschäftsführer ebenso wie ein Vorstandsmitglied gegen die interne Konkurrenz durchsetzen. Der interne Austausch der Geschäftsführer ist nicht mit Transaktionskosten verbunden.123 Somit wird die interne in einem stärkeren Maß als die externe Disziplinierung Geschäftsführer dazu verleiten, die Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter zu führen.124 Ferner ist auch das kaum diversifizierbare Humankapital der Geschäfts118 119 120 121 122 123 124
Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Hucke, Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, 1996, S. 116.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
117
führer in der Gesellschaft gebunden. Der vorzeitige Verlust seines Postens stellt für den Geschäftsführer genauso wie für den Vorstand einen finanziellen Einschnitt dar. Darüber hinaus greift in der GmbH die Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager insofern stärker, als die Gesellschafter den Geschäftsführer grundsätzlich ohne Grund und ohne Begründung aus dem Amt entheben können, vgl. § 38 Abs. 1 GmbHG. Mit der Abberufung kann zudem die Kündigung des Anstellungsvertrages verbunden sein.125 Der Austausch des Geschäftsführerpostens kann somit leichter vollzogen werden. Zudem kann durch die Möglichkeit der Abberufung schneller und kurzfristiger auf die Erfolglosigkeit des GmbH-Geschäftsführers reagiert werden als durch die gerichtliche Kontrolle.126 Folglich ist der Arbeitsmarkt für Manager auch in der GmbH ein wirksamer Kontrollmechanismus, so dass diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht übertragen werden kann. 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann weiterhin damit legitimiert werden, dass der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands einer börsennotierten AG haben.127 Im Rahmen des GmbH-Rechts muss konzediert werden, dass bei der GmbH als geschlossener Gesellschaft der Kapitalmarkt als externer Kontrollmechanismus fehlt.128 Hinsichtlich des Markts für Unternehmenskontrolle kann für die GmbH festgehalten werden, dass die Geschäftsanteile nicht an der Börse gehandelt werden. Die Veräußerung und Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen erfolgt gem. § 15 GmbHG und ist durch das Formerfordernis der notariellen Beurkundung erschwert, vgl. § 15 Abs. 3, 4 GmbHG. Zwar kann ein Investor über diesen Weg versuchen, Mehrheitsgesellschafter einer unterbewerteten GmbH zu werden. Den dadurch gewonnenen Einfluss könnte der Investor dazu verwenden, die Geschäftsführer auszutauschen, um die Gesellschaft so wieder auf die Schiene des Erfolges zu führen. Allerdings haben die Gesellschafter häufig kein Interesse an einer Veräußerung ihrer Anteile, da sie untereinander familiär verbunden sind oder in erheblichem Umfang firmenspezifische Investitionen getätigt haben.129 Folglich hat der Markt für Un125
Vgl. Kap. 3 B. V. 1. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 214. 127 Vgl. Kap. 1 D. VII. 3. 128 Bachmann, NZG 2013, 1121 (1122); vgl. Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123); vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 199. 129 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, 180. 126
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
ternehmenskontrolle, wenn überhaupt, nur eine sehr eingeschränkte Disziplinierungswirkung auf das Verhalten der Geschäftsführer. Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann folglich nur sehr eingeschränkt auf die GmbH übertragen werden.
VII. Ergebnis Im Ergebnis kann konstatiert werden, dass die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht weitestgehend auf das GmbH-Recht übertragen werden können. Im GmbH-Recht ist lediglich eine erhöhte Missbrauchsgefahr der actio pro socio nicht festgestellt worden. Zwar ist zu konzedieren, dass dieser Umstand die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule im GmbH-Recht in gewissen Zügen schmälert. Doch selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber hat die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt, was dadurch deutlich wird, dass missbräuchliche Aktionärsklagen mittlerweile in der Praxis kaum vorkommen.130 Demzufolge stellt diese Legitimationsgrundlage nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dar, so dass aus dem Nichtgreifen dieses Zwecks im GmbH-Recht nicht die Nichtanwendbarkeit der Business Judgment Rule für den GmbH-Geschäftsführer zu folgern ist. Auch die Unterschiede hinsichtlich der Kontrolldichte zwischen der AG und der GmbH, die durch die Möglichkeit der Notierung der AG an der Börse resultieren, vermögen es nicht zu rechtfertigen, dass die Business Judgment Rule nicht im GmbH-Recht in sachlicher Hinsicht anwendbar ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf börsennotierte AG beschränkt ist, sondern sich auch auf eine nicht an der Börse notierte AG erstreckt.131 Zudem kann die Gesellschafterversammlung mit ihren weitgehenden Befugnissen eine gewisse Substitutionsfunktion für den Kapitalmarkt übernehmen.132 Da weitestgehend eine Übereinstimmung zwischen Aktien- und GmbH-Recht zu notieren ist, ist die Business Judgment Rule folglich auch im GmbH-Recht in sachlicher Hinsicht anwendbar.133
130
Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226. Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 147. 132 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123). 133 Vgl. weitere dieses Ergebnis stützende Argumente bei Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 208 ff. 131
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in methodischer Hinsicht
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C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht in methodischer Hinsicht In methodischer Hinsicht erscheint eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht naheliegend. Dafür müssten die Voraussetzungen der Analogie vorliegen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.134
I. Planwidrige Regelungslücke Zu prüfen ist, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, planwidrig unvollständig ist.135 Der dem Gesetz zu Grunde liegende Regelungsplan lässt sich anhand der historischen und teleologischen Auslegung erschließen.136 Die dem Plan des Gesetzgebers widersprechende Lücke muss dabei nicht von Erlass des Gesetzes an bestehen, sondern kann sich auch später durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben haben.137 Eine Regelungslücke im GmbHG besteht, da § 43 GmbHG keine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vergleichbare Regelung beinhaltet. Fraglich ist allerdings, ob diese Regelungslücke planwidrig ist. Wenn die Gesetzesmaterialien zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durchleuchtet werden, dann lässt sich folgende Ausführung des Gesetzgebers finden: „Der Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen ist nicht auf den Haftungstatbestand des § 93 AktG und nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt, sondern findet sich auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung.“138 Daran anknüpfend wird vereinzelt die Planwidrigkeit der Regelungslücke verneint, da sich der Gesetzgeber der vergleichbaren Situation bei anderen Gesellschaftsformen bewusst gewesen sei, jedoch hier die Statuierung einer entsprechenden Regelung unterlassen habe.139 Diese Argumentation würde aber zu kurz greifen. Eine Analogie ist auch bei einer bewussten Regelungslücke möglich, sofern es der Gesetzgeber Rechtspre-
134 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993); BGH, Urt. v. 21. 01. 2010 – IX ZR 65/09, ZIP 2010, 739 (743) = BB 2010, 1431 (1434); Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 144 f. 135 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993). 136 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993). 137 BGH, Urt. v. 14. 12. 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 (191) = NJW 2007, 992 (993). 138 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12. 139 Haese, Unternehmensleitung und Überwachung in der GmbH, 2011, S. 95; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 220 f.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
chung und Wissenschaft überlassen hat, die Regelungslücke auszufüllen.140 Der Gesetzgeber hat es in diesem Fall ausdrücklich der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen, die Regelungslücke auszufüllen: „Das für das Aktiengesetz zu § 93 gefundene Regelungsmuster und die Literatur und Rechtsprechung dazu können aber als Anknüpfungs- und Ausgangspunkt für die weitere Rechtsentwicklung dienen.“141 Folglich liegt auch die Planwidrigkeit der Regelungslücke vor.142
II. Vergleichbare Interessenlage Zudem ist zu prüfen, ob eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Dafür muss die Interessenlage des geregelten Falles der des nicht geregelten Falles entsprechen und der Telos der Norm eine Anwendung derselben auf den nicht geregelten Fall fordern.143 Anhand der Überprüfung, ob die Legitimationsgrundlagen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht greifen, ist bereits festgestellt worden, dass die Interessenlage der Vorstandsmitglieder einer AG mit derjenigen von GmbH-Geschäftsführern vergleichbar ist.144 Folglich ist auch eine vergleichbare Interessenlage gegeben.
III. Ergebnis Die Voraussetzungen der Analogie liegen vor. Daher ist § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog im GmbH-Recht anzuwenden. Damit sich ein Geschäftsführer auf sein unternehmerisches Ermessen berufen kann, müssen somit auch die Voraussetzungen 140
Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 144; vgl. Fleischer, NZG 2011, 521 (524). 141 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12; vgl. auch Fleischer, NZG 2011, 521 (524). 142 Nicht zu folgen ist auch dem Ansatz von Scholz, nach dem mit Verweis auf die soeben dargestellte Beg. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12 eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das GmbH-Recht nicht möglich sei, weil dies der gesetzgeberischen Intention einer Rechtsentwicklung „ohne positivrechtliche Regelung“ abseits des Aktienrechts widerspräche, vgl. Scholz, AG 2018, 173 (181). Dies ist insofern nicht überzeugend, als in der Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12 nur festgehalten wird, dass sich der „Grundgedanke des Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen […] auch ohne positivrechtliche Regelung in allen Formen unternehmerischer Betätigung“ finde. Dass die weitere Rechtsentwicklung ohne positivrechtliche Regelung abseits des Aktienrechts erfolgen soll, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Dies wird dadurch bestätigt, dass zwischenzeitlich mit § 34 Abs. 1 S. 2 GenG eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift für das Genossenschaftsrecht durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BGBl. I, 2434 eingeführt worden ist. 143 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 145. 144 Vgl. Kap. 3 B.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
121
der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog, also eine unternehmerische Entscheidung, das Handeln zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information, frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen und das Handeln in gutem Glauben vorliegen. Allerdings zwingt eine Analogie nicht zu einer identischen Anwendung der Vorschrift, so dass Raum für mögliche Besonderheiten bei der Anwendung der Business Judgment Rule im GmbH-Recht besteht.145
D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH In dem folgenden Abschnitt wird herausgearbeitet, ob und wenn ja, welche GmbH-spezifischen Besonderheiten bei der Anwendung der Business Judgment Rule bestehen.
I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule 1. Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers In der GmbH sind die Gesellschafter die „Herren der Gesellschaft“.146 Die Geschäftsführer sind gem. § 37 Abs. 1 GmbHG an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden und haben diese zu befolgen. Durch die Weisungen darf den Geschäftsführern jedoch nicht der unentziehbare Teil der Geschäftsführerkompetenz entzogen werden.147 Sofern die wirksamen Weisungen befolgt werden, handeln die Geschäftsführer rechtmäßig.148 Ein unternehmerisches Ermessen der Geschäftsführer und damit die Business Judgment Rule sind in diesen Fällen ausgeschlossen.149 Je mehr Weisungen die Gesellschafter den Geschäftsführern erteilen, desto stärker reduziert sich das unternehmerische Ermessen von letzteren.150
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Fleischer, NZG 2011, 521 (524). Vgl. Kap. 3 vor A. 147 Vgl. Kap. 3 B. I. 148 Vgl. Kap. 3 B. I. 149 Lutter, ZIP 2007, 841 (848); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (123); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 73; so grundsätzlich auch Taube, nach dem darüber hinaus der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule aber trotz Weisung im Einzelfall eröffnet sein könne, wenn die Weisung einen eigenständigen Ermessensfreiraum offen lässt, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 228, 234 f; ein solcher Fall dürfte in der Praxis aber kaum vorkommen, da in Kap. 3 B. I. bereits festgestellt werden konnte, dass eine große Anzahl an Weisungen für die Führung der 146
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Allerdings dürfen die Geschäftsführer nicht jeder Weisung nachkommen. Die Weisung muss auf einem wirksamen Gesellschafterbeschluss beruhen, so dass Geschäftsführer Weisungen, die auf einem nichtigen Gesellschafterbeschluss basieren, nicht befolgen dürfen.151 Daraus folgt auch, dass Weisungen einzelner Gesellschafter grundsätzlich unbeachtlich sind.152 Die Weisungen der Gesellschafter haben auch nur dann freistellende Wirkung, sofern sie nicht zur Verletzung von Pflichten führen, die der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaftsgläubiger oder im Allgemeininteresse auszuführen hat.153 Zu differenzieren gilt es bei anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen. Sofern der Beschluss bereits angefochten worden ist, darf der Geschäftsführer die Weisung nicht mehr befolgen.154 Dagegen ist ein Geschäftsführer zur Ausführung verpflichtet, wenn der Beschluss unanfechtbar geworden ist.155 Wenn eine anfechtbare, aber noch nicht angefochtene Weisung gegeben ist, hat der Geschäftsführer die Konsequenzen abzuwägen und kann die Ausführung vorerst verweigern.156 2. Ungeschriebene Schranken Neben der Möglichkeit, über den Gesellschaftsvertrag bereits bestimmte Entscheidungen an die Zustimmung der Gesellschafter binden zu können,157 könnte es auch ungeschriebene Schranken geben, die das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführer einschränken.
Gesellschaft unpraktikabel ist, so dass, wenn also einmal eine Weisung erforderlich ist, die Gesellschafter den Handlungsbereich der Geschäftsführer genau abstecken werden. 150 Goette, DStR 2003, 887 (894); Fleischer, NZG 2011, 521 (524). 151 Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, HK-GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 37 Rn. 14 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 22; Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 19; Taube macht allerdings richtigerweise darauf aufmerksam, dass der Geschäftsführer bei einer, allein aufgrund formeller Fehler, nichtigen Weisung trotzdem den daraus ersichtlichen mutmaßlichen Willen der Gesellschafter zu befolgen hat und dadurch der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule beschränkt ist, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 236. 152 Vgl. Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 38; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, HK-GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 37 Rn. 14. 153 Vgl. Kap. 3 B. III. 3. 154 Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 19; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 22. 155 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 22; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 22. 156 Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 19; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 22. 157 Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 (618); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 17.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
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a) Der mutmaßliche Wille der Gesellschafter Es besteht Einigkeit darüber, dass der mutmaßliche Wille der Gesellschafter eine ungeschriebene Schranke der Geschäftsführungsbefugnis darstellt. Sofern die Geschäftsführer nach Lage der Dinge damit rechnen müssen, dass eine Maßnahme auf den Widerspruch der Mehrheit der Gesellschafter treffen würde, ist die Entscheidung der Gesellschafterversammlung gem. § 49 Abs. 2 GmbHG vorzulegen.158 Zu differenzieren ist jedoch bei der Frage, ob die Vorlagepflicht auch dann schon greift, wenn die Entscheidung lediglich auf den vermuteten Widerspruch einer Minderheit stößt. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn sich ein Minderheitsgesellschafter aufgrund der Anwendung von Stimmverboten gegenüber der Mehrheit durchsetzen würde.159 In anderen Konstellationen führt der vermutete Widerspruch einer Minderheit nicht zu einer Vorlagepflicht der Geschäftsführer, da dieser Grundsatz der Sicherung des Direktionsrechts der Mehrheit dienen soll und die Minderheitenbefugnisse gem. § 50 GmbHG abschließend geregelt sind.160 Somit ist der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule weiterhin dann eingeschränkt, wenn die Geschäftsführer die Maßnahme den Gesellschaftern aufgrund deren vermuteten Willen zur Entscheidung vorlegen müssen und letztere auch darüber tatsächlich entscheiden. b) Unternehmenspolitik Ob die Festlegung der Unternehmenspolitik den Geschäftsführern oder den Gesellschaftern zusteht, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.161 Überwiegend wird vertreten, dass die Festlegung der Unternehmenspolitik dem Entscheidungsbereich der Gesellschafterversammlung vorbehalten sei, so dass die Geschäftsführer in diesem Bereich zur Vorlage an die Gesellschafter verpflichtet seien.162 Dies folge zum einen aus einer Gesamtanalogie zu den bzw. einer wertenden 158 BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1461 (1462) = ZIP 1984, 310 (311); OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. 01. 2013 – 14 W 17/12, GmbHR 2013, 535 (540) = ZIP 2013, 1177; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 23; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 37 Rn. 134; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 37 Rn. 8; vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 10. 159 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. 01. 2013 – 14 W 17/12, GmbHR 2013, 535 (540) = ZIP 2013, 1177; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 23. 160 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 23; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 37 Rn. 134; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 37 Rn. 8. 161 Vgl. Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 9. 162 BGH, Urt. v. 25. 02. 1991 – II ZR 76/90, NJW 1991, 1681 = DStR 1991, 421; Stephan/ Tieves, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 37 Rn. 132; Lenz, in: Michalski/Heidinger/ Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 9; Schneider/Schneider, in: Scholz,
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Betrachtung der §§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1, 29 Abs. 2, 46 Nr. 5 und 7, 38, 46 Nr. 6 GmbHG, die die Finanz-, Bilanz-, Personal- und Überwachungskompetenz der Gesellschafter regeln.163 Zum anderen ergebe sich diese Kompetenz der Gesellschafter aus der hierarchischen Stellung der Gesellschafterversammlung.164 Des Weiteren spreche für dieses Ergebnis auch der oben beschriebene Grundsatz, nach dem die Geschäftsführer eine Vorlagepflicht gem. § 49 Abs. 2 GmbHG treffe, sofern sie nach Lage der Dinge damit rechnen müssen, dass eine Maßnahme auf den Widerspruch der Mehrheit der Gesellschafter treffen würde.165 Wenn die Gesellschafter allerdings von ihrer Entscheidungsprärogative keinen Gebrauch machen, seien die Geschäftsführer befugt, die Unternehmenspolitik selbst zu formulieren und festzulegen.166 Dem wird teilweise entgegengehalten, dass den Geschäftsführern die Befugnis der Festlegung der Unternehmenspolitik zukommen müsse, da sich diese Entscheidungen kaum rechtssicher von der laufenden Geschäftsführung abgrenzen lassen würden.167 Daneben wird gegen die überwiegende Ansicht angeführt, dass die Analogie zu § 46 Nr. 5 und 7 GmbHG bei einer mitbestimmten GmbH aufgrund der hier dem zwingenden Aufsichtsrat zustehenden Befugnis der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern nicht greife.168 Darüber hinaus würde die primäre Zuständigkeit der Gesellschafter für die Festlegung der Unternehmenspolitik der Grundkonzeption des Gesetzgebers widersprechen, nach der es den Gesellschaftern
GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (124 ff.); Hommelhoff, ZIP 1983, 383 (385); Priester, in: FS Westermann, 2008, 1281 (1286); Goette, DStR 1998, 938 (942); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 8; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 117. 163 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 8; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 5 ff.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (124 ff.); Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 9. 164 Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 9. 165 Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (125); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18. 166 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 8; Schneider/ Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 117. 167 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 13; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 37 Rn. 8; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1991, S. 64 ff. 168 Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 37 Rn. 8.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
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frei stünde, sich in die Geschäftsführung der Gesellschaft einzumischen oder sich auf eine rein kapitalmäßige Beteiligung zu beschränken.169 Die Argumentation mit der begrifflichen Unschärfe der Unternehmenspolitik ist wenig überzeugend, da deren Grundsätze sich immer auf die konkrete Gesellschaft beziehen und von den Gesellschaftern in einem Beschluss bestimmt werden.170 Anhand der festgelegten Grundsätze, die in Zukunft durch weitere Beschlüsse präzisiert werden können, wird dem Geschäftsführer deutlich, welche Maßnahmen zur Unternehmenspolitik gehören, so dass dieser sein Handeln danach ausrichten kann.171 Freilich kann der Gegenmeinung zwar insofern zugestimmt werden, als in einer mitbestimmten GmbH die Besetzungskompetenz dem Aufsichtsrat zufällt. Diese Kompetenz des Aufsichtsrats und die Position der Geschäftsführer sind jedoch nicht unvereinbar mit der sachlichen Entscheidungszuständigkeit der Gesellschafter, deren Sachkompetenzen unberührt bleiben.172 Bestätigt wird dies mit einem Blick auf den § 83 Abs. 2 AktG, nach dem gar der eigenverantwortliche und unabhängig handelnde Vorstand die Maßnahmen auszuführen hat, die die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossen hat.173 Auch wenn es den Gesellschaftern nach der Grundkonzeption des Gesetzgebers freistehen würde, sich entweder in die Geschäftsführung einzumischen oder sich auf eine kapitalmäßige Beteiligung zu beschränken, spricht dies nicht gegen die von der überwiegenden Meinung befürworteten Befugnis der Gesellschafter zur Festlegung der Unternehmenspolitik. Trotz dieser Befugnis haben die Gesellschafter gerade die Wahl, ob sie von ihrer Entscheidungsprärogative Gebrauch machen oder nicht. So haben die Gesellschafter immer noch die Möglichkeit, sich nicht in die Geschäftsführung bzw. Unternehmenspolitik einzumischen und sich auf ihre kapitalmäßige Beteiligung zu beschränken. Sofern letzteres der Fall ist, liegt es in der Hand der Geschäftsführer, die Unternehmenspolitik festzulegen. Dies wird von der Argumentation der Gegenansicht übersehen und kann somit nicht überzeugen. Mangels Überzeugungskraft der von der Gegenansicht vorgebrachten Argumente ist die Unternehmenspolitik von den Gesellschaftern festzulegen. Somit sind die Geschäftsführer in diesem Bereich zur Vorlage an die Gesellschafter verpflichtet. Folglich ist auch im Bereich der Unternehmenspolitik der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen, sofern die Gesellschafter darüber eine Entscheidung treffen.174 169 Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1991, S. 72 f.; Haese, Unternehmensleitung und Überwachung in der GmbH, 2011, S. 70. 170 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 8. 171 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 8. 172 Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (137); zustimmend Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18 Fn. 31. 173 Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (137); zustimmend Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 18 Fn. 31. 174 I. E. auch Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 228 ff.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
c) Außergewöhnliche Maßnahmen Streitig ist, ob sogenannte außergewöhnliche Maßnahmen in den Kompetenzbereich der Gesellschafter oder der Geschäftsführer fallen. Auch hier steht die überwiegende Ansicht auf dem Standpunkt, dass die Entscheidung über außergewöhnliche Maßnahmen den Gesellschaftern obliege, so dass die Geschäftsführer in diesem Bereich eine Vorlagepflicht treffe.175 Dies wird vornehmlich damit begründet, dass allein somit den Kompetenzabgrenzungen in der GmbH hinreichend Beachtung geschenkt würde, da die Geschäftsführer im Vergleich zum Vorstand einer AG die GmbH eben nicht in eigener Verantwortung führen.176 Dagegen wird jedoch angeführt, dass eine Vorlagepflicht der Geschäftsführer eine unzweckmäßige Unsicherheit herbeiführen und geschäftsmäßiges Handeln erschweren würde.177 Zudem gäbe es dafür keine Rechtsgrundlage, da § 116 HGB nicht auf das GmbH-Recht übertragbar und im GmbHG selbst keine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Maßnahmen zu finden sei.178 Zwar lässt sich § 116 Abs. 1, 2 HGB wohl nicht in das System des GmbHG eingliedern,179 jedoch ist dies auch nicht erforderlich. Dafür, dass die Geschäftsführer einer Vorlagepflicht im Bereich außergewöhnlicher Maßnahmen unterliegen, dient bereits § 49 Abs. 2 GmbHG als gesetzlicher Anknüpfungspunkt, nach dem Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einberufen müssen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint.180 Zudem können mögliche Rechtsunsicherheiten damit gering gehalten werden, dass der Kreis außergewöhnlicher Maßnahmen eng gezogen wird.181 Erforderlich erscheint eine Vorlage an die Gesellschafterversammlung lediglich bei Maßnahmen, die von hohem Umfang, 175 Bejahend BGH, Urt. v. 31. 05. 2011 – II ZR 109/10, GmbHR 2011, 922 (924) = NZG 2011, 902 (903); OLG Karlsruhe, Urt. v. 04. 05. 1999 – 8 U 153/97, NZG 2000, 264 (265); Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 37 Rn. 15; Priester, in: FS Westermann, 2008, 1281 (1286); Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 37 Rn. 3; vgl. Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 14; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37 Rn. 10; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (123 f., 126 f.); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 117 f.; Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 37 Rn. 10; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 19. 176 Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 37 Rn. 10; vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (123 f.). 177 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 7. 178 Kort, ZIP 1991, 1274 (1277 f.). 179 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rn. 7; vgl. Kort, ZIP 1991, 1274 (1277 f.); Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 231. 180 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 19; Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 14. 181 Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 14.
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hohem finanziellen Aufwand oder einem großen Risiko geprägt sind.182 Ob dies bezogen auf die konkrete Gesellschaft der Fall ist, müssen die Geschäftsführer nach pflichtgemäßem Ermessen aus der ex-ante-Perspektive beurteilen.183 Folglich ist es überzeugend, dass die außergewöhnlichen Maßnahmen in den Kompetenzbereich der Gesellschafter fallen. Die Geschäftsführer trifft daher eine Vorlagepflicht. Sofern die Gesellschafterversammlung über eine außergewöhnliche Maßnahme eine Entscheidung fällt und diese nicht im Rahmen der Beschlussfassung den Geschäftsführern überlässt, ist das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführer ausgeschlossen.184 3. Ergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Geschäftsführer einer GmbH stark an den Willen der Gesellschafter gebunden ist. Das Weisungsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG und die Vorlagepflichten der Geschäftsführer führen dazu, dass in der GmbH der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule oftmals ausgeschlossen ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die Geschäftsführer den Risikopräferenzen der Gesellschafter gerecht werden müssen, was insbesondere im Sinne der kaum diversifizierten und somit risikoavers eingestellten Gesellschafter einer personalistisch geprägten GmbH ist.185 Da es aber äußerst unpraktikabel wäre, wenn die Geschäftsführer vor jeder Entscheidung Weisungen einholen oder Vorlagepflichten erfüllen müssten,186 werden davon selbst risikoaverse Gesellschafter einer personalistisch strukturierten GmbH absehen.187 Dennoch kann konstatiert werden, dass die Weisungen und Vorlagepflichten zu einer nicht unbeachtlichen Einschränkung der Business Judgment Rule führen, da diese insbesondere bei riskanten Geschäften ihre eigentliche Bedeutung entfaltet.188
II. Interessenkonflikte Grundsätzlich muss der Geschäftsführer die unternehmerische Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Ei182 Lenz, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 37 Rn. 15. 183 Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 49 Rn. 21; Römermann, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 49 Rn. 83. 184 I. E. auch Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 230 ff. 185 Fleischer, NZG 2011, 521 (525). 186 Vgl. Kap. 3 B. I. 187 Fleischer, NZG 2011, 521 (525). 188 Bachmann, NZG 2013, 1121 (1123).
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
gennutz treffen, damit dieser in den Genuss der Business Judgment Rule kommt.189 Diese Voraussetzung der Business Judgment Rule könnte im GmbH-Recht seltener erfüllt sein als im Aktienrecht. An dieser Stelle ist zunächst hervorzuheben, dass im GmbH-Recht bezogen auf das sogenannte Insichgeschäft eine andere Ausgangslage vorherrscht als im Aktienrecht. Im Aktienrecht schreibt § 112 S. 1 AktG zwingend vor, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften zwischen ihr und Vorstandsmitgliedern vertritt. Mit § 112 S. 1 AktG wird der Zweck verfolgt, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, da die erforderliche Unbefangenheit den Vorstandsmitgliedern bei der eigenen Beteiligung an dem Rechtsgeschäft gerade fehlen wird.190 § 181 Alt. 1 BGB ist daher bei Insichgeschäften des Vorstands einer AG so gut wie gegenstandslos.191 Anders stellt sich die Lage im GmbH-Recht dar. Eine dem § 112 S. 1 AktG vergleichbare Vorschrift gibt es im GmbHG nicht. § 181 BGB kommt in der GmbH uneingeschränkt zur Anwendung.192 Der dadurch grundsätzlich gewährleistete Schutz vor Insichgeschäften des Geschäftsführers mit der GmbH darf jedoch nicht überschätzt werden, weil eine allgemeine Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Insichgeschäfts durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag gestattet werden kann193 und dies auch routinemäßig geschieht.194 Die allgemeine Gestattung ist zudem gem. § 10 Abs. 1 S. 2 GmbHG eintragungspflichtig.195 Die Befreiung vom Verbot des § 181 BGB hinsichtlich eines konkreten Geschäfts kann indes auch durch einen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter herbeigeführt werden.196 Für die Befreiung eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers reicht allerdings grundsätzlich
189 Vgl. Kap. 3 C. III.; vgl. zu dieser Voraussetzung der Business Judgment Rule auch Kap. 1 B. IV. 190 BGH, Urt. v. 08. 02. 1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213 (216) = NJW 1988, 1384 (1385); Fleischer, WM 2003, 1045 (1052). 191 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 337; Fleischer, WM 2003, 1045 (1052). 192 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 338; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 130. 193 BGH, Beschl. v. 08. 04. 1991 – II ZB 3/91, NJW 1991, 1731 ff. = DStR 1991, 782 ff.; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rn. 70; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 35 Rn. 76; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 134. 194 Fleischer, WM 2003, 1045 (1052); vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 130. 195 BGH, Beschl. v. 08. 04. 1991 – II ZB 3/91, NJW 1991, 1731 = DStR 1991, 782; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rn. 70; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 134. 196 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 35 Rn. 81; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rn. 70.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
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eine Regelung im Gesellschaftsvertrag und deren Eintragung im Handelsregister.197 Die Anwendbarkeit des § 181 BGB ist also regelmäßig ausgeschlossen, so dass ein Geschäftsführer in der Lage ist, Insichgeschäfte zwischen sich selbst und der GmbH vorzunehmen. Die eigene Beteiligung des Geschäftsführers an einem solchen Rechtsgeschäft führt dazu, dass dieser in einem Interessenkonflikt steht und folglich die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt sind.198 Daneben führen manche Stimmen als weitere GmbH-spezifische Modifikation der Business Judgment Rule an, dass Geschäftsführer auch Doppelmandate innehaben könnten und deswegen nicht frei von Interessenkonflikten handeln würden.199 Dass durch die Ausübung eines Doppelmandats der Geschäftsführer nicht frei von Interessenkonflikten handeln kann und somit die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt sind, soll nicht bestritten werden.200 Allerdings ist dies keine GmbH-spezifische Besonderheit der Business Judgment Rule. Dies ergibt sich daraus, dass auch Doppelmandate des Vorstands einer AG gesetzlich nicht verboten sind, vgl. § 88 Abs. 1 S. 2 AktG.201 § 88 Abs. 1 S. 2 AktG schreibt nur vor, dass der Aufsichtsrat der Ausübung eines Doppelmandats des Vorstands zustimmen muss. Folglich kann nicht davon gesprochen werden, dass die Ausübung eines Doppelmandats eine GmbH-spezifische Grenze der Business Judgment Rule ist.
III. Gesellschafter-Geschäftsführer Die GmbH-spezifischen Besonderheiten, die bislang behandelt worden sind, gelten sowohl für einen Fremd- als auch Gesellschafter-Geschäftsführer. Im folgenden Abschnitt werden allein Umstände beleuchtet, die möglicherweise zu Modifikationen der Business Judgment Rule bezüglich eines Gesellschafter-Geschäftsführers führen. Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen insofern einer Sonderstellung, als sie eine Doppelstellung einnehmen. Sie üben nicht nur das Amt des Geschäftsführers aus, sondern sind zugleich Gesellschafter. Nicht nur die Beziehung zwischen den Gesellschaftern und der GmbH, sondern vielmehr auch die Beziehung der Gesellschafter untereinander kann von der mitgliedschaftlichen 197
BGH, Beschl. v. 28. 02. 1983 – II ZB 8/82, BGHZ 87, 59 f. = NJW 1983, 1676; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 35 Rn. 78 m.w.N. 198 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 146; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 76; Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 272 f. 199 Vgl. Fleischer, NZG 2011, 521 (526); vgl. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 146. 200 Vgl. beispielsweise bezogen auf Doppelmandate im Konzern Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 276. 201 BGH, Urt. v. 09. 03. 2009 – II ZR 170/07, NZG 2009, 744 (745) = DStR 2009, 1322 (1324); Spindler, in: MüKo, AktG, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 49; Leuering/Rubner, NJWSpezial 2008, 495.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
Treuepflicht bestimmt sein.202 Fraglich ist, ob diese mitgliedschaftliche Treuepflicht, die die Gesellschafter untereinander einzuhalten haben, auf den unternehmerischen Ermessensspielraum des Gesellschafter-Geschäftsfühers Einfluss hat. Kuntz kommt bei der Untersuchung dieser Frage zu dem Ergebnis, dass die Business Judgment Rule in Bezug auf einen Gesellschafter-Geschäftsführer durch dessen mitgliedschaftliche Treuepflicht unter bestimmten Umständen eingeschränkt wird.203 Gestützt wird dieses Ergebnis auf einen Rechtsvergleich zur WilkesRechtsprechung204 hinsichtlich der US-amerikanischen Close Corporation.205 Nach der Wilkes-Rechtsprechung müssen die Mehrheitsgesellschafter, die im konkreten Fall alle Directors gewesen sind, für ihre Entscheidung, die den Minderheitsgesellschafter betrifft, den Nachweis für ein legitimes unternehmerisches Ziel („Legitimate Business Purpose“), erbringen.206 Dies ist laut dem Supreme Judicial Court of Massachusetts dem Umstand geschuldet, dass die Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern einer Close Corporation dasselbe Ausmaß haben wie in einer Partnership.207 Daraus folgt nach dem Standpunkt des Supreme Judicial Court zudem, dass es der Minderheit, auch wenn die Mehrheit das legitime unternehmerische Ziel nachgewiesen hat, offen steht, den Nachweis dafür zu erbringen, dass das gleiche Ziel ebenso mit anderen Mitteln, die für die Minderheit weniger schädlich gewesen wären, hätte erreicht werden können.208 Da auch das Personengesellschaftsrecht für die mitgliedschaftlichen Treuepflichten in der GmbH die dogmatische Grundlage bilde, könne trotz der Unterschiede zwischen GmbH und Close Corporation, so Kuntz, auf die Wilkes-Rechtsprechung, die eine Missbrauchskontrolle geschaffen habe, zurückgegriffen werden.209 Zum einen lasse sich der hiernach erforderliche Nachweis des „Legitimate Business Purpose“ der deutschen Treuepflichtdogmatik entnehmen, wonach Interessen von Mitgesellschaftern nur im Gesellschaftsinteresse beinträchtigt werden dürften.210 Dies spiegele sich auch in der gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehenen Voraussetzung des Handelns zum Wohle der Gesellschaft wider.211 Zum anderen müsse auch im deutschen Recht die Beeinträchtigung von Mitgliedsinteressen erforderlich und verhältnismäßig sein.212 Dieser Prüfungsmaßstab, nach dem das unternehmerische Ermessen insofern einer 202
BGH, Urt. v. 05. 06. 1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 (18) = NJW 1976, 191 – ITT. Vgl. Kuntz, GmbHR 2008, 121 (124 ff.). 204 Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657 (Mass. Supr. 1976). 205 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (125 ff.). 206 Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657, 663 (Mass. Supr. 1976). 207 Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657, 661 ff. (Mass. Supr. 1976); Donahue v. Rodd Electrotype Company of New England, Inc., 328 N.E.2d 505, 511 ff. (Mass. Supr. 1975). 208 Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657, 663 (Mass. Supr. 1976). 209 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (124 ff.). 210 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (126). 211 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (126). 212 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (126). 203
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
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inhaltlichen Kontrolle unterworfen sei, als es sich um das legitime Ziel der Maßnahme sowie ihrer Verhältnismäßigkeit handele, gelte für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seines großen Einflusses uneingeschränkt, da für die Minderheit nicht immer das vorteilhaft sei, was für die Mehrheit gut sei.213 Einer solchen Einschränkung der Business Judgment Rule hinsichtlich des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers bedürfe es nur dann, wenn die Minderheit in einer Position stehe, die es ihr ermögliche, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren.214 Unter diesen Umständen hätten die Mehrheitsgesellschafter gerade nicht das grundsätzliche Mittel zur Hand, über Weisungen dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer vorzuschreiben, wie er bei bestimmten Angelegenheiten oder Entscheidungen zu agieren hat.215 Dieser Ansatz von Kuntz, der die Business Judgment Rule für den GesellschafterGeschäftsführer einzuschränken versucht, kann nicht in Gänze überzeugen. Zunächst muss die dogmatische Grundlage der Treuepflicht in der GmbH und deren Intensität genauer durchleuchtet werden. Das Personengesellschaftsrecht hat für den BGH zwar den Anknüpfungspunkt zur Statuierung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht in der GmbH gebildet.216 Jedoch haben die personengesellschaftsrechtlichen Begründungsmuster der Treuepflicht aufgrund der Anerkennung derselben in der AG217 an Bedeutung verloren.218 Vielmehr ist die mitgliedschaftliche Treuepflicht mittlerweile ein allgemein verbandsrechtlich anerkanntes Prinzip.219 Daher beansprucht die Treuepflicht sowohl in einer personalistisch strukturierten als auch kapitalistisch strukturierten GmbH Geltung.220 Allerdings hängen der Umfang und die Intensität der mitgliedschaftlichen Treuepflicht von der Realstruktur der Gesellschaft ab.221 Dies ist der entscheidende Punkt, den Kuntz bei seiner Untersuchung nicht berücksichtigt. In einer kapitalistisch strukturierten GmbH ist die mitgliedschaftliche Treuepflicht weitaus weniger stark ausgestaltet als in einer personalistisch strukturierten GmbH.222 Hinsichtlich der Intensität der Treuepflicht gleicht die kapitalistisch strukturierte GmbH viel eher einer kapitalistisch ausgestalteten AG. Wenn aber für eine solch kapitalistisch ausgestaltete AG eine Einschränkung der Business Judg213
Kuntz, GmbHR 2008, 121 (126). Kuntz, GmbHR 2008, 121 (127 f.). 215 Kuntz, GmbHR 2008, 121 (128). 216 BGH, Urt. v. 05. 06. 1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 (18 f.) = NJW 1976, 191 – ITT. 217 BGH, Urt. v. 01. 02. 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 (194) = DNotZ 1989, 14 (18). 218 Fleischer, GmbHR 2008, 1121 (1127). 219 Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, § 14 Rn. 77; Seibt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 14 Rn. 50; Fleischer, GmbHR 2008, 1121 (1127). 220 Vgl. Seibt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 14 Rn. 50; vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 22. 221 Lutter, AcP 180 (1980), 84 (102 ff., 105 ff.); Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, § 14 Rn. 78; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 22. 222 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 22. 214
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
ment Rule hinsichtlich eines Vorstands, der gleichzeitig Aktionär ist, aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht nicht vorgenommen wird, dann kann dies auch nicht in einer vergleichbaren kapitalistisch strukturierten GmbH überzeugen.223 Die Wilkes-Rechtsprechung hat sich auf eine Close Corporation mit lediglich vier Gesellschaftern224 bezogen und eine kapitalistisch geprägte Gesellschaft damit nicht im Blick gehabt. Bereits aus diesem Grund kann die Einschränkung des unternehmerischen Ermessens des Gesellschafter-Geschäftsführers aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht von vornherein nur in einer personalistisch ausgestalteten GmbH Geltung beanspruchen.225 Nur hier erreicht die Treuepflicht ein Ausmaß, welches es rechtfertigt, die Business Judgment Rule einzuschränken. Unterstützend kann dafür angeführt werden, dass dadurch zumindest verhindert wird, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer kapitalistisch geprägten GmbH grundlos schlechter gestellt wird als ein Fremdgeschäftsführer. Etwaige Rechtsunsicherheiten, die bei der Abgrenzung von einer kapitalistisch zu einer personalistisch geprägten GmbH auftreten könnten, stehen dieser vermittelnden Lösung nicht entgegen. Denn die Konkretisierung der Treuepflicht kann gerade nur für jeden Einzelfall erfolgen.226 Ansonsten kann die von Kuntz vorgesehene Übertragung der Wilkes-Rechtsprechung auf das deutsche Recht hinsichtlich des Gesellschafter-Geschäftsführers einer personalistisch geprägten GmbH überzeugen. In der Voraussetzung des Handelns zum Wohle der Gesellschaft der Business Judgment Rule spiegelt sich tatsächlich das von der Wilkes-Rechtsprechung statuierte Erfordernis des Vorliegens eines legitimen unternehmerischen Ziels wider. Der Begriff des Wohls der Gesell223 Zwar nicht im Rahmen der Frage, ob die Wilkes-Rechtsprechung übertragbar ist, jedoch allgemein bezüglich der Treuepflichtproblematik wird auch bei Taube deutlich, dass zwischen einer kapitalistisch und einer personalistisch strukturierten GmbH Differenzierungen angezeigt sind, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 259 f. 224 Vgl. Wilkes v. Springside Nursing Home, Inc., 353 N.E.2d 657, 659 (Mass. Supr. 1976). 225 Um eine harmonische Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht im GmbHRecht gewährleisten zu können, muss die Differenzierung zwischen einer kapitalistisch strukturierten und einer personalistisch strukturierten GmbH zur Auflösung eines weiteren Konflikts herangezogen werden. Streitig ist, ob die mitgliedschaftliche Treuepflicht die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers gem. § 38 Abs. 1 GmbHG insofern einschränkt, als die Gesellschafterversammlung dafür einen sachlichen Grund anführen muss (Willkürkontrolle), bejahend Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 38 Rn. 20; Terlau, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. 2017, § 38 Rn. 37; verneinend Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 38 Rn. 17; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2014, § 38 Rn. 26. Zur Auflösung dieses parallelen Konflikts wird auch hier vermittelnd dafür plädiert, dass ein sachlicher Grund für die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers gem. § 38 Abs. 1 GmbHG aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht lediglich in einer personalistisch geprägten GmbH vonnöten ist, da in einer solchen Gesellschaft die Treuepflicht ein weitaus größeres Ausmaß annimmt als in einer kapitalistisch strukturierten GmbH. 226 Seibt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 14 Rn. 53; dies auch richtigerweise zur generellen Verteidigung seines Ansatzes betonend Kuntz, GmbHR 2008, 121 (128).
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der GmbH
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schaft wird synonym zum Unternehmensinteresse verwendet, wobei es vornehmlich auf die langfristige Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit ankommt.227 Dies ist durchaus mit dem Erfordernis des legitimen unternehmerischen Ziels gleichzusetzen. Daneben muss aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht bei Eingriffen in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter gerade das Interesse der GmbH und die Verhältnismäßigkeit beachtet werden.228 Insofern bleibt auch Raum für das zweite Erfordernis der von der Wilkes-Rechtsprechung vorgesehenen Missbrauchskontrolle, nach der die betroffenen Gesellschafter geltend machen können, dass das legitime unternehmerische Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Einleuchten vermag auch die Einordnung von Kuntz, nach der die Missbrauchskontrolle für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt gilt, wohingegen beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer eine solche Einschränkung der Business Judgment Rule nur greift, wenn die Minderheit in einer Position steht, die es ihr ermöglicht, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren. Lediglich wenn diese Umstände vorliegen, hat ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer annähernd dieselben Macht- und Kontrollbefugnisse wie ein Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer und kann die Geschäfte der GmbH nach seinen Vorstellungen führen. Daher ist auch in diesem Fall ein stärkerer Schutz der anderen Gesellschafter über die mitgliedschaftliche Treuepflicht in einer personalistisch strukturierten GmbH angezeigt.229 Zusammenfassend bedeutet dies, dass die Übertragung der Wilkes-Rechtsprechung zur US-amerikanischen Close-Corporation nur für eine personalistisch strukturierte GmbH überzeugend ist. Dies hat zur Folge, dass das unternehmerische Ermessen des Gesellschafter-Geschäftsführers einer solchen GmbH durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt wird. In Fällen, in denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft bzw. mitgliedschaftlichen Interessen anderer Gesellschafter eingreifen, muss zum einen der Gesellschafter-Geschäftsführer ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen. Doch selbst wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine 227
Vgl. Kap. 1 B. II. Vgl. nur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 14 Rn. 30; Seibt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 14 Rn. 53. 229 Zwar geht Taube im Rahmen seiner umfassenden Prüfung zur Treuepflichtproblematik nicht ausdrücklich darauf ein, ob die Wilkes-Rechtsprechung auf das GmbH-Recht übertragen werden kann, jedoch kommt auch dieser zumindest zu dem Ergebnis, dass bei hinreichender Konfliktintensität von Eingriffen in die mitgliedschaftlichen Interessen bzw. in die Mitgliedschaft der Gesellschafter unternehmerische Entscheidungen des Gesellschafter-Geschäftsführers anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips inhaltlich kontrolliert werden müssten, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 256 ff. 228
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur gilt, wenn die Minderheit in der Lage ist, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren.
IV. Beweislast Im Aktienrecht sind Vorstandsmitglieder darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, da sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf die Business Judgment Rule bezieht.230 Im GmbH-Recht wird nach allgemeiner Ansicht die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bejaht und insofern auch die Beweislastumkehr hinsichtlich der im GmbH-Recht anwendbaren Business Judgment Rule.231 Fraglich ist, ob diese aus dem Aktienrecht stammende Beweislastumkehr auf das GmbH-Recht übertragen werden sollte. Die für eine Analogie benötigte planwidrige Regelungslücke liegt vor, da eine dem § 93 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift im GmbHG nicht vorzufinden ist. Zu prüfen ist jedoch, ob die vergleichbare Interessenlage bejaht werden kann. Der in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zum Ausdruck kommende Gedanke, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft in einer Beweisnot wäre,232 müsste dafür auch im GmbH-Recht greifen. Dies muss allerdings kritisch überprüft werden. Bereits im Aktienrecht sind Stimmen zu finden, die eine Beweisnot der Gesellschaft insofern bezweifeln, als durch die voranschreitende Digitalisierung des Geschäftsverkehrs Sachverhalte aus der Vergangenheit leichter zu rekonstruieren seien.233 In der GmbH obliegt der Gesellschafterversammlung als oberstem Organ die Überwachung der Geschäftsführung.234 Diese Zuständigkeit der Überwachung verbleibt der Gesellschafterversammlung selbst wenn ein fakultativer oder ein nach dem MitbestG oder DrittelbG obligatorischer Aufsichtsrat vorgesehen ist.235 Zugleich verfolgt die Gesellschafterversammlung die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber der Geschäftsführung, vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG. Im Ausgangspunkt kann 230
Vgl. Kap. 1 A. IV. BGH, Beschl. v. 18. 02. 2008 – II ZR 62/07, NZG 2008, 314 = DStR 2008, 2026 (2027); Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 90, 270; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 43 GmbHG Rn. 57; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 36; so grundsätzlich auch Taube, allerdings differenzierend bei treuepflicht- und legalitätspflichtgerechtem Handeln, vgl. Taube, Die Anwendung der Business Judgment Rule auf den GmbH-Geschäftsführer, 2018, S. 304 ff. 232 Vgl. Kap. 1 A. IV. 233 Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2118). 234 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 111; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 46 Rn. 189. 235 Spindler, in: MüKo, GmbHG, Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 52 Rn. 265. 231
E. Ergebnis
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konstatiert werden, dass die Gesellschafterversammlung i.S.d. § 46 Nr. 6 GmbHG auf Informationsrechte zurückgreifen kann, die denen des Aufsichtsrats einer AG vergleichbar sind. Zu erwähnen ist das Recht auf Einsicht in alle oder einzelne Geschäftsbücher, auf Besichtigung und Prüfung von Gegenständen oder Anlagen, auf Auskunft und Abschriften, auf Festlegung eines Vorbehalts der Genehmigung oder eines Verbots bestimmter Geschäfte, auf periodische Berichterstattung und auf die Einsetzung von Sonderprüfern.236 Allerdings besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen der Gesellschafterversammlung einer GmbH und dem Aufsichtsrat einer AG. Der Gesellschafterversammlung steht gegenüber den Geschäftsführern ein Weisungsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG zu. Somit sind die Gesellschafter nicht nur auf die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt. Über die Ausübung des Weisungsrechts können die Gesellschafter aktiv an der Geschäftsführung teilnehmen. Daher sind die Gesellschafter viel stärker in die Entscheidungsprozesse der Geschäftsführung eingebunden als der Aufsichtsrat einer AG. Da die Gesellschafterversammlung einen viel besseren Einblick in die Abläufe der Geschäftsführung hat, muss für die GmbH negiert werden, dass die Gesellschaft bei einem Haftungsprozess gegen die Geschäftsführer in eine Beweisnot geraten würde. Darüber hinaus kann der Informationszufluss zwischen Geschäftsführung und Gesellschaft zusätzlich dadurch gestärkt werden, wenn ein Gesellschaftergeschäftsführer bestellt wird. Folglich greift der hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG stehende Gedanke im GmbHRecht nicht durch. Dementsprechend ist eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG mangels vergleichbarer Interessenlage abzulehnen. Dies bedeutet, dass die Darlegungs- und Beweislast nicht bei den Geschäftsführern, sondern vielmehr bei der Gesellschaft als Klägerin liegt.
E. Ergebnis Die Untersuchung hat ergeben, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog im GmbH-Recht anwendbar ist. Allerdings sind Besonderheiten der Business Judgment Rule im GmbH-Recht zu beachten. Die erste Besonderheit besteht darin, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im GmbH-Recht von vornherein eingeschränkt ist. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weisungsabhängig sind. Die Weisungen der Gesellschafter haben die Geschäftsführer zu befolgen, so dass hierbei ein unternehmerisches Ermessen nicht in Betracht kommt. Zum anderen gibt es ungeschriebene Schranken, die das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführer einschränken. Die Gesellschafter sind für die Festlegung der Unternehmenspolitik und die Entscheidung außergewöhnlicher Maßnahmen zuständig und die Geschäftsführer haben den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter 236 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 116; vgl. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 46 Rn. 30.
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Kap. 3: Business Judgment Rule im Recht der GmbH
zu beachten. Eine weitere Besonderheit ist darin zu sehen, dass Geschäftsführer vom Verbot des § 181 BGB befreit werden können. Aus der Möglichkeit, Insichgeschäfte mit sich und der Gesellschaft vorzunehmen, folgt, dass Geschäftsführer dabei in einem Interessenkonflikt stehen und die Voraussetzungen der Business Judgment Rule im GmbH-Recht deswegen seltener erfüllt sein werden. Eine dritte Besonderheit der Business Judgment Rule im GmbH-Recht bezieht sich auf den Gesellschafter-Geschäftsführer einer personalistisch strukturierten GmbH aufgrund der Übertragung der Wilkes-Rechtsprechung zur US-amerikanischen Close-Corporation. Dies hat zur Folge, dass das unternehmerische Ermessen des GesellschafterGeschäftsführers einer solchen GmbH durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt wird. In Fällen, in denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter eingreifen, muss der Gesellschafter-Geschäftsführer ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen. Doch selbst wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur greift, wenn die Minderheit in der Lage ist, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen blockieren zu können. Die letzte Besonderheit der Business Judgment Rule im GmbHRecht hat eine prozessrechtliche Folge. Danach liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht beim Geschäftsführer, sondern vielmehr bei der Gesellschaft.
Kapitel 4
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG Im Rahmen der kleinen Genossenschaftsnovelle 19731 sind die Leitungsbefugnisse des Genossenschaftsvorstands und die Haftungsordnung des GenG an die Bestimmungen des Aktienrechts angepasst worden.2 So ist nun „in § 27 Abs. 1 S. 1 GenG in Übereinstimmung mit § 76 Abs. 1 AktG bestimmt“,3 dass der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Daneben wurde § 34 GenG, die zentrale Haftungsnorm im Genossenschaftsrecht, durch die Genossenschaftsnovelle 1973 weitestgehend parallel zu § 93 AktG ausgestaltet. Dabei ist den Besonderheiten des Genossenschaftsrechts insofern Rechnung getragen worden, als es beispielsweise in § 34 Abs. 1 S. 1 GenG heißt, dass die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters „einer Genossenschaft“ anzuwenden haben.4 Insbesondere sind als Besonderheiten der genossenschaftliche Fördergrundsatz, § 1 Abs. 1 GenG, der Grundsatz der Selbstorganschaft und die daraus resultierende mitgliedschaftliche Treuebindung der Vorstandsmitglieder festzuhalten.5 Bedingt durch den Förderzweck hat auch der Vorstand einer eG trotz des Grundsatzes der Selbstorganschaft in erster Linie fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen.6 Wie § 93 Abs. 2 S. 1 AktG regelt § 34 Abs. 2 S. 1 GenG die auf dem Organverhältnis beruhende Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der eG.7 Aus den Reihen der Wissenschaft8 ist bereits im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 20069 erfolglos gefordert worden, dass die Regelung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 1 Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 09. 10. 1973, BGBl. I, 1451. 2 Begr. RegE zum GenG, BT-Drucks. 7/97, S. 22 f.; Keßler/Herzberg, BB 2010, 907; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 34 Rn. 2. 3 RegE zum GenG, BT-Drucks. 7/97, S. 22. 4 Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 1; Müller, GenG, Bd. 2, 2. Aufl. 1996, § 34 Rn. 1. 5 Keßler/Herzberg, BB 2010, 907; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 34 Rn. 5. 6 Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (50). 7 Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 62. 8 Keßler, BB 2005, 277 (280 f.); Keßler, BB 2006, 561 (563); Keßler, BB 2006, 1693 (1698). 9 Neufassung des Genossenschaftsgesetzes vom 16. 10. 2006, BGBl. I, 2230.
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
AktG auch in das GenG übertragen werden sollte.10 Mittlerweile hat der Gesetzgeber aber durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften11 in § 34 Abs. 1 S. 2 GenG eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift eingeführt. Unabhängig davon wird im Folgenden untersucht, ob die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG überhaupt gerechtfertigt ist.
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Genossenschaftsrecht Bereits vor der Einführung des § 34 Abs. 1 S. 2 GenG ist die Anwendung der Business Judgment Rule im Recht der eG überwiegend befürwortet worden. So hat der BGH im Jahre 2001 in einem Urteil festgehalten, dass die in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung festgelegten Grundsätze zum Geschäftsleiterermessen auf den Vorstand einer Genossenschaftsbank anwendbar seien.12 Diese Leitlinie bestätigt der BGH durch ein weiteres Urteil im Jahre 200513 und einen Beschluss am 03. 11. 2008.14 In der Literatur ist überwiegend vertreten worden, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog auf die eG angewendet werden könne.15 Einer anderen Ansicht nach ist § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch im Genossenschaftsrecht greift.16 Allein Jungmann steht dagegen generell auf dem Standpunkt, dass eine Anwendung der Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts und somit auch im Genossenschaftsrecht nicht in Betracht komme.17 Dies gilt seiner Ansicht nach sowohl für eine eG mit Nachschusspflicht als auch für eine eG, bei der die Nachschusspflicht ausgeschlossen ist, vgl. § 6 Nr. 3 GenG.18 Um überprüfen zu können, ob die Anwendung der Business Judgment Rule trotz der Einführung des § 34 Abs. 1 S. 2 GenG gerechtfertigt werden kann, wird in einem 10
Keßler/Herzberg, BB 2010, 907 (908); Cobe/Kling, NZG 2015, 48. Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BGBl. I, 2434. 12 BGH, Urt. v. 03. 12. 2001 – II ZR 308/99, NZG 2002, 195 (196) = DStR 2002, 597 (598). 13 BGH, Urt. v. 21. 03. 2005 – II ZR 54/03, ZIP 2005, 981 (982) = NZG 2005, 562 (563). 14 BGH, Beschl. v. 03. 11. 2008 – II ZR 236/07, NZG 2009, 117 = AG 2009, 117. 15 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 34 Rn. 9; Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 61; Keßler/Herzberg, BB 2010, 907 ff.; Cobe/ Kling, NZG 2015, 48 ff.; Lutter, ZIP 2007, 841 (848); Lehleiter/Hoppe, in: Schwerdtfeger, GesR, 3. Aufl. 2015, § 34 GenG Rn. 3. 16 Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 34 GenG Rn. 5; Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 95c; wohl auch Fandrich, in: Pöhlmann/ Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 34 Rn. 7. 17 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 ff.; Jungmann, WuB 2009, 193 ff. 18 Jungmann, WuB 2009, 193 (195). 11
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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ersten Schritt untersucht, ob die Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der eG übertragbar sind.
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird damit legitimiert, dass unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren unterliegen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen.19 Es liegen für unternehmerische Entscheidungen auch keine Handlungsmaximen vor, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung verringern könnten.20 Damit diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der eG übertragen werden kann, müsste der Vorstand der eG in vergleichbarer Weise zu einem Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen. Im Gegensatz zu Personen- und Kapitalgesellschaften, die zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden können, muss eine eG zwingend einem bestimmten Zweck, der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb, dienen, vgl. § 1 Abs. 1 GenG.21 Die Besonderheit des Förderzwecks einer eG ist darin zu sehen, dass deren Mitglieder in gemeinschaftlicher Selbsthilfe ein Unternehmen gründen und unterhalten, dem sie gleichzeitig als Kunden gegenüberstehen, um bestimmte, in der Satzung festgelegte Förderleistungen, zu erhalten.22 Mit diesem Identitätsprinzip geht die Beschränkung des Nichtmitgliedergeschäfts einher, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG.23 Mittels des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes tritt die eG am Markt nach zwei Seiten hin auf, zum einen im Fördergeschäftsverkehr mit den Mitgliedern (innerer Markt) und zum anderen in den Gegengeschäften mit der anderen Marktseite (äußerer Markt).24 Daher ist es nicht ausreichend, wenn die eG eine Förderung ihrer Mitglieder lediglich insofern betreibt, als sie nutzerunabhängig an diese einen Gewinn verteilt, der aus Geschäften mit einem beliebigen Personenkreis generiert worden ist, sogenanntes
19
Vgl. Kap. 1 D. I. Vgl. Kap. 1 D. I. 21 Helios, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 1 Rn. 9; Beuthien, AG 2006, 53. 22 Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 3; vgl. Helios, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 1 Rn. 9. 23 Helios, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 1 Rn. 10. 24 Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 4; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 11. 20
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
Verbot einer Dividendengenossenschaft.25 Allerdings kann diesem Verbot im Umkehrschluss nicht entnommen werden, dass eine eG keine Gewinne erzielen darf.26 Die eG muss insbesondere in den Gegengeschäften höchstmögliche Überschüsse erwirtschaften, um ihre Mitglieder bestmöglich bzw. marktgünstig fördern zu können.27 Hier ist die eG gerade wie jedes andere erwerbswirtschaftliche Unternehmen auf Gewinnmaximierung angelegt.28 Aber auch im Fördergeschäftsverkehr hat die eG, sofern dies nicht bereits durch die Gegengeschäfte gelingt, einen solchen Überschuss zu erzielen, der die Bildung der förderwirtschaftlich notwendigen Rücklagen ermöglicht.29 Es liegt auf der Hand, dass der Vorstand einer eG, der diese gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG eigenverantwortlich leitet, auch unternehmerische Entscheidungen treffen muss, um diese Gewinne generieren und den Förderzweck erfüllen zu können. Denn die Erfüllung des Förderzwecks ist über verschiedene Wege möglich, doch welche Wege tatsächlich erfolgsversprechend sind, ist aus der ex-ante-Perspektive in der Regel nicht mit Sicherheit zu sagen. Der Vorstand einer eG unterliegt hierbei genauso wie der Vorstand einer AG den unwägbaren Faktoren, die den unternehmerischen Entscheidungen immanent sind. Zudem sind auch keine Handlungsmaximen ersichtlich, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten. Folglich kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der eG übertragen werden.
II. Gefahr des Hindsight Bias Eine Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG besteht darin, dass durch sie die Gefahr des Hindsight Bias, der ein Richter bei der Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen aus der ex-ante-Perspektive unterliegen könnte, beschränkt wird.30 Diese Legitimationsgrundlage kann auf das Recht der eG übertragen werden, wenn die Gefahr des Hindsight Bias hier genauso bedenklich wie im Aktienrecht erscheint. Der Vorstand einer eG muss unternehmerische Entscheidungen fällen.31 Sofern ein Richter diese Entscheidungen des Vorstands einer eG in Kenntnis des Ergebnisses 25 Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 1 Rn. 23; Helios, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 1 Rn. 10. 26 Helios, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 1 Rn. 10; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10. 27 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 11; Beuthien, in: Beuthien/ Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 4. 28 Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 4. 29 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 11; Beuthien, in: Beuthien/ Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 4. 30 Vgl. Kap. 1 D. II. 31 Vgl. Kap. 4 B. I.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
141
aus der ex-ante-Perspektive inhaltlich vollumfänglich überprüfen müsste, sähe sich der Richter mit der Gefahr des Hindsight Bias genauso wie im Aktienrecht konfrontiert. Folglich greift diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auch im Recht der eG.
III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten Legitimiert werden kann die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG damit, dass durch deren Geltung die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG gesteigert wird.32 Diese Legitimationsgrundlage könnte auf das Recht der eG übertragbar sein. Hierfür müsste dem Vorstand einer eG bei der Ausübung seiner Tätigkeit ebenfalls eine große Haftungsgefahr drohen, die durch Regelungen des GenG nicht hinreichend ausgeglichen werden kann. Der Vorstand einer eG verfügt bei der Ausübung seiner Tätigkeit über eine weitreichende Leitungsbefugnis gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG. Dem steht die als Binnenhaftung ausgestaltete und an § 93 AktG angelehnte Haftungsordnung des § 34 GenG gegenüber. Aufgrund der Angleichung des § 34 GenG an das aktienrechtliche Haftungsregime kann, trotz der Berücksichtigung der genossenschaftlichen Besonderheiten,33 von einer „strenge[n] Haftung der Vorstandsmitglieder“34 einer eG gesprochen werden. Obwohl in einer eG gem. § 24 Abs. 3 S. 1 GenG die Möglichkeit besteht, die Vorstandstätigkeit haupt-, neben-, oder ehrenamtlich auszuüben,35 ist anzumerken, dass § 34 GenG grundsätzlich auf jedes Vorstandsmitglied Anwendung findet.36 Dass die strenge Organhaftung im Recht der eG auch in der Praxis relevant wird, zeigt gerade auch die vermehrte Befassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit dieser Thematik.37 Sofern bei dem Eingehen riskanter Geschäfte mit großen Volumina beispielsweise die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 S. 1 GenG erfüllt sind, kann dies Vorstandsmitglieder unter Umständen finanziell überfordern. Insofern besteht auch für den Vorstand einer eG eine große Haftungsgefahr. Somit ist zu untersuchen, ob im Recht der eG Regelungen vorzufinden sind, die diese Haftungsgefahren ausreichend reduzieren können. 32
Vgl. Kap. 1 D. IV. Vgl. zu den genossenschaftlichen Besonderheiten bereits Kap. 4 vor A. 34 Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (52). 35 Weber, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 43; Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 24 GenG Rn. 5, der mit Verweis auf § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KWG darauf aufmerksam macht, dass in Kredit- und Finanzdienstleistungsgenossenschaften ein Vorstandsmitglied nicht ehrenamtlich tätig sein darf. 36 BGH, Urt. v. 01. 12. 2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 486 (488) = DStR 2004, 513 (515); Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 6; Müller, GenG, Bd. 2, 2. Aufl. 1996, § 34 Rn. 10a. 37 Vgl. Keßler/Herzberg, BB 2010, 907. 33
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Zu prüfen ist, ob die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung38 auf den Vorstand einer eG anwendbar sind. Nach einer Ansicht kommt eine Anwendbarkeit der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf den Vorstand einer eG nicht in Betracht.39 Nach Weber seien diese Grundsätze dagegen zumindest auf neben- und ehrenamtliche Vorstandsmitglieder anzuwenden.40 Dies wird mit einem Verweis auf ein Urteil des BGH41 begründet, in dem der BGH die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf ein ehrenamtlich tätiges Vereinsmitglied für anwendbar erklärt.42 Die Urteilsbegründung passe auch auf ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied einer eG.43 Der BGH begründet sein Ergebnis damit, dass Vereine auf die ehrenamtliche Mitarbeit von Mitgliedern angewiesen seien.44 Hätten die ehrenamtlich tätigen Mitglieder, so der BGH im Weiteren, alle Risiken der ihnen übertragenen Aufgaben grundsätzlich alleine zu tragen, hätte dies zur Folge, dass ein erheblicher Teil von ihnen nicht mehr zur Mitarbeit bereit wäre, was mit einer erheblichen Störung des Vereinslebens verbunden wäre.45 Dieser Vergleich, den hier die zweitgenannte Ansicht zwischen neben- und ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern einer eG und ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern anführt, kann nicht überzeugen. Zunächst muss angemerkt werden, dass der angeführte Vergleich, wenn überhaupt, nur eine Begründung für die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf ehrenamtliche Vorstandsmitglieder einer eG liefern könnte. Dies konzediert Weber selbst, indem er im Weiteren lediglich festhält, dass die Urteilsbegründung des BGH auf ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied einer eG passe.46 Nebenamtliche Vorstandsmitglieder werden hierbei jedoch nicht mehr erwähnt, so dass Weber einer Begründung für nebenamtliche Vorstandsmitglieder einer eG schuldig bleibt. Doch auch für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder einer eG vermag dieser Vergleich mit ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern nicht zu überzeugen. Es mag noch zutreffen, dass eine eG auch auf ehrenamtliche Vorstandsmitglieder und deren Tätigkeit angewiesen 38
Vgl. dazu Kap. 1 D. IV. 1. BGH, Urt. v. 27. 02. 1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467 (469); Holthaus/Lehnhoff in: Lang, Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 24; vorsichtiger dagegen Beuthien, der jedenfalls für hauptamtliche Vorstandsmitglieder derselben Ansicht ist und damit implizit offen lässt, ob die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf neben- und ehrenamtliche Vorstandsmitglieder anwendbar sind, vgl. Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 34 Rn. 12. 40 Weber, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 4 Rn. 34. 41 BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (158 f.) = NJW 1984, 789 (790). 42 Weber, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 4 Rn. 34. 43 Weber, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 4 Rn 34. 44 BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (158 f.) = NJW 1984, 789 (790). 45 BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (159) = NJW 1984, 789 (790). 46 Vgl. Weber, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 4 Rn. 34. 39
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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sein kann. Allerdings kann die Stellung eines Vorstandsmitglieds einer eG nicht mit der eines ehrenamtlichen Vereinsmitglieds verglichen werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Vorstandsmitglied nur ehrenamtlich tätig ist. Der Vorstand hat unabhängig davon, ob er haupt- oder ehrenamtlich tätig ist, eine eG gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG eigenverantwortlich zu leiten. Deswegen sind auch ehrenamtliche Vorstandsmitglieder weder mit ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern noch mit Arbeitnehmern vergleichbar. Eine Haftungsaufweichung in Form der analogen Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ist somit mangels vergleichbarer Interessenlage für sämtliche, also haupt-, neben- und ehrenamtliche Vorstandsmitglieder einer eG abzulehnen. 2. Haftungserleichterungen für nebenamtlich und ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder Bereits vor Einführung von § 34 Abs. 2 S. 3 AktG durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften47 sind zumindest für nebenamtliche und insbesondere ehrenamtliche Vorstandsmitglieder auch andere Möglichkeiten der Haftungserleichterung diskutiert worden. Beuthien vertritt, dass ehren- und nebenamtliche Vorstandsmitglieder im Bereich der Gesamtverantwortung des Vorstands bei einer zulässigen Ressortverteilung nur für Fehler eines Vorstandskollegen haften sollten, für die es greifbare Anhaltspunkte gebe, die jedoch vernachlässigt worden seien.48 Vertreten wird des Weiteren der Standpunkt, dass sich aus der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds Gesichtspunkte ergeben würden, die für die Bestimmung des Fahrlässigkeitsmaßstabes relevant und insoweit Differenzierungen angezeigt seien.49 Bode steht auf dem Standpunkt, dass wegen des Prinzips der Selbstorganschaft und der neben- und ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit der Verschuldensmaßstab trotz des objektiv gefassten § 34 Abs. 1 S. 1 GenG nur auf das bezogen sein könne, was von dem Vorstandsmitglied einer eG der konkreten Art und mit dem konkreten Geschäftsumfang erwartet werden könne.50 Der BGH ist dagegen der Ansicht, dass der Grundsatz der Gesamtverantwortung auch im Verhältnis zu ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern gelte.51 Dabei lässt der BGH offen, ob für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder eine Reduzierung der Haftungsrisiken durch eine Berücksichtigung bei der internen Haftungsverteilung nach § 426 BGB in Betracht kommen könnte.52 Der von den 47 Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BGBl. I, 2434. 48 Beuthien, Genossenschaftsrecht: woher – wohin?, 1990, S. 58. 49 Müller, GenG, Bd. 2, 2. Aufl. 1996, § 34 Rn. 26. 50 Bode, in: FS Schaffland, 2008, 175 (187). 51 BGH, Urt. v. 01. 12. 2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 486 (488) = DStR 2004, 513 (515). 52 BGH, Urt. v. 01. 12. 2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 486 (488) = DStR 2004, 513 (515).
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
Ansätzen in der Literatur befürwortete individuelle Haftungsmaßstab für nebenamtliche und ehrenamtliche Vorstandsmitglieder einer eG kann richtigerweise nicht überzeugen. Auch wenn der Vorstandsposten für diese Gruppe von Vorstandsmitgliedern damit aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten äußerst attraktiv wäre, muss im Außenverhältnis der objektivierte Sorgfaltsmaßstab des § 34 Abs. 1 S. 1 GenG für alle Vorstandsmitglieder weiterhin Bestand haben. Dafür spricht, dass eine eG Formkaufmann gem. § 17 Abs. 2 GenG ist und genau wie andere Kapitalgesellschaften am Markt tätig ist und mit diesen im Wettbewerb steht, so dass § 34 GenG richtigerweise an § 93 AktG angelehnt worden ist.53 Die vom BGH angestellte Erwägung, dass eine interne Haftungsreduzierung über § 426 BGB in Betracht kommen könnte,54 erscheint wegen § 426 Abs. 1 S. 1 a.E. BGB zwar denkbar, ist aber ebenfalls abzulehnen. Eine unterschiedliche Behandlung von Vorstandsmitgliedern im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs wäre nicht zweckmäßig, da sie nicht zu verkennende Probleme bei der Zusammenarbeit auslösen würde, sofern der Vorstand sowohl aus hauptamtlichen als auch ehrenamtlichen Mitgliedern besteht.55 Mittlerweile ist aber in § 34 Abs. 2 S. 3 GenG vorgesehen, dass bei der Beurteilung der Sorgfalt eines Vorstandsmitglieds zu dessen Gunsten berücksichtigt werden muss, wenn es im Wesentlichen unentgeltlich tätig ist. Die Regierungsbegründung zum Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften führt aus, dass dadurch der Rechtsgedanke von § 31a Abs. 1 S. 1 BGB übernommen worden ist.56 Allerdings ist der Regierungsbegründung zufolge von einer vollständigen Übertragung der starren Ausnahmeregelung des § 31a Abs. 1 S. 1 BGB abgesehen worden, um mit einer flexibleren Regelung dem Einzelfall besser gerecht werden zu können.57 Aufgrund der vom Gesetzgeber mit § 34 Abs. 2 S. 3 GenG gewählten flexiblen Regelung ist aber anzumerken, dass sich ehrenamtliche Vorstandsmitglieder gerade nicht in jedem Fall auf eine Haftungserleichterung verlassen können. Da von einer generellen Lösung abgesehen worden ist, muss konstatiert werden, dass § 34 Abs. 2 S. 3 GenG die Haftungsgefahren für neben- und ehrenamtliche Vorstandsmitglieder zumindest nicht entscheidend reduzieren kann.
53
Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 6c; Cobe/ Kling, NZG 2015, 48 (53). 54 BGH, Urt. v. 01. 12. 2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 486 (488) = DStR 2004, 513 (515). 55 So auch zu Vereins- und Stiftungsvorständen Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (45); a.A. Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (53), die das Haftungskonzept des BGH auch in Bezug auf die Erwägungen zu § 426 BGB befürworten. 56 Begr. RegE zum Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BT-Drucks. 18/11506, S. 28. 57 Begr. RegE zum Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BT-Drucks. 18/11506, S. 28.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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3. D&O-Versicherung Der Abschluss einer D&O-Versicherung ist aufgrund des anerkennenswerten Bedürfnisses der Organmitglieder nach Versicherungsschutz auch im Recht der eG zulässig.58 Mangels planwidriger Regelungslücke ist die analoge Anwendung der Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG über den Selbstbehalt abzulehnen,59 so dass damit gleichzeitig ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit der D&OVersicherungspraxis im Recht der eG fehlt. Unabhängig davon, dass § 93 Abs. 2 S. 3 AktG analog im Recht der eG nicht zur Anwendung kommt, bietet die D&O-Versicherung aufgrund spezieller Regelungen, wie Haftungsausschlüsse und Deckungssummen, keinen hinreichenden Haftungsschutz für den Vorstand der eG.60 4. Ergebnis Das Recht der eG bietet folglich keine Regelungen, die die Haftungsgefahren für Vorstandsmitglieder ausreichend abfedern könnten. Daher ist der Vorstand einer eG auf die mit der Business Judgment Rule einhergehende Haftungserleichterung angewiesen, so dass deren Anwendbarkeit die Attraktivität des Vorstandspostens auch im Recht der eG steigern würde. Folglich kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der eG übertragen werden.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen von Mitgliedern der eG Ein weiterer Zweck der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG besteht darin, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.61 Möglicherweise könnte diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der eG übertragen werden. Dafür müssten im Recht der eG vergleichbare Missbrauchsgefahren anzutreffen sein. Grundsätzlich ist in der eG genauso wie im Aktienrecht allein der Aufsichtsrat gem. § 39 Abs. 1 GenG für die Geltendmachung der Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zuständig.62 Gem. § 39 Abs. 1 S. 3 GenG kann die Satzung aber bestimmen, dass über die Führung von Prozessen gegen Vor58
Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 78. Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 34 Rn. 164; Olbrich/ Kassing, BB 2009, 1659. 60 Vgl. zu diesen Modalitäten einer D&O-Versicherung bereits Kap. 1 D. IV. 5. 61 Vgl. Kap. 1 D. V. 62 BGH, Urt. v. 26. 06. 1995 – II ZR 122/94, NJW 1995, 2559 = DStR 1995, 1440; BGH, Urt. v. 28. 02. 2005 – II ZR 220/03, NZG 2005, 560 = DStR 2005, 1151. 59
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standsmitglieder die Generalversammlung entscheidet. Anzumerken ist, dass im Recht der eG eine dem § 148 AktG entsprechende Vorschrift fehlt. Sofern der Aufsichtsrat von einer Geltendmachung der Ansprüche der eG gegenüber dem Vorstand absehen sollte, können die Mitglieder diese Ansprüche dennoch subsidiär über die actio pro socio in Prozessstandschaft geltend machen, da auch im Recht der eG die actio pro socio existent ist.63 Die actio pro socio gegen Gesellschafter-Geschäftsführer wird im GmbH-Recht unproblematisch angenommen.64 Da im Recht der eG von vornherein der Grundsatz der Selbstorganschaft gem. § 9 Abs. 2 S. 1 GenG gilt, ist auch hier anzunehmen, dass die Mitglieder über die actio pro socio Ansprüche der eG gegen den Vorstand einklagen können. Fraglich ist aber, ob mit der sich für die Mitglieder ergebenden Möglichkeit, über die actio pro socio Ansprüche der Gesellschaft gegen die Organmitglieder geltend machen zu können, vergleichbare Missbrauchsgefahren wie im Aktienrecht einhergehen. Diese beruhen im Aktienrecht vornehmlich auf dem Umstand, dass in einer AG regelmäßig ein weitgestreuter Aktionärskreis anzutreffen ist und die Aktien frei veräußerbar sind. Aufgrund dessen ist eine Vielzahl der Aktionäre nicht sehr eng mit der Gesellschaft verbunden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Aktionäre gewillt sein könnten, die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand zugunsten ihres eigenen Vorteils auszunutzen, sehr hoch.65 Dafür, dass dies im Recht der eG auch der Fall ist, könnte sprechen, dass die eG gem. § 1 Abs. 1 GenG eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl ist. Somit kann eine eG durchaus einen breiten Mitgliederkreis aufweisen.66 Eine Vielzahl an Mitgliedern könnte nicht eng mit der eG verbunden sein. Dem muss jedoch entgegnet werden, dass für die eG der Förderzweck gem. § 1 Abs. 1 GenG charakteristisch ist. Dadurch sind die Genossenschaftsmitglieder nicht nur Mitglieder, sondern gleichzeitig Kunden der eG.67 Dementsprechend sind die Interessen der Mitglieder in Bezug auf den Förderzweck mit denen der Gesellschaft identisch. Die Gesellschaft versucht den Förderzweck so zu erfüllen, dass die Mitglieder als Kunden bestmöglich an diesem partizipieren können. Daher ist in aller Regel nicht von missbräuchlichen Klagen der Mitglieder, durch die die Gesellschaft Schaden nehmen würde und daraufhin den Förderzweck nicht mehr in der gleichen Weise erfüllen könnte, auszugehen. Dies wäre gerade auch für die Mitglieder nachteilhaft. Zwar muss konzediert werden, dass es in den Grenzen des § 8 Abs. 2 GenG investierende Mitglieder geben kann, die nicht vom Förderzweck partizipieren. Allerdings sind 63 Frank, Die actio pro socio in der eingetragenen Genossenschaft, 1996, S. 128; vgl. Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 34 Rn. 6. 64 Vgl. Kap. 3 B. IV. 65 Vgl. Kap. 1 D. V. 66 Zu konzedieren ist, dass die Satzung die Mitgliederzahl nach oben und nach unten unter Beachtung des § 4 GenG beschränken kann, vgl. Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 1 Rn. 17; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 19. 67 Vgl. bereits Kap. 4 B. I.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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auch diese an den Förderzweck gem. § 1 Abs. 1 GenG gebunden.68 Hinzu kommt, dass die Mitgliedschaft in der eG im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften wie der AG nicht in einem übertragbaren Gesellschaftsanteil verkörpert ist.69 Darüber hinaus müssen die Mitglieder, da sie bei Erhebung des Anspruches Partei des Prozesses sind, die Kosten des Rechtsstreits selbst tragen,70 so dass ein nicht zu unterschätzendes Kostenrisiko besteht. Folglich ist eine hohe Missbrauchsgefahr der actio pro socio durch die Mitglieder einer eG nicht zu befürchten. Es kann somit festgehalten werden, dass diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule nicht auf das Recht der eG zu übertragen ist.
V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Die aktienrechtliche Business Judgment Rule dient dem Zweck, einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder in der AG zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft zu verhindern.71 Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte auch im Recht der eG greifen. Unternehmen müssen sich an die ständig wandelnden menschlichen Bedürfnisse anpassen. Ansonsten besteht die Gefahr, vom Markt gedrängt zu werden.72 Die verschiedenen Genossenschaftsarten73 haben sich auch nach „den sich wandelnden Förderbedürfnissen“74 zu richten. Dies gelingt einem Vorstand einer eG ebenso wie einem Vorstand einer AG nur dann, wenn zumindest teilweise risikoneutrale Entscheidungen getroffen werden. Eine zu risikoaverse und zu statische Geschäftspolitik könnte diesen sich wandelnden Förderbedürfnissen auf Dauer nicht gerecht werden und ein Ausscheiden des Unternehmens am Markt wäre in Zukunft die zwangsweise Folge. Mit dem Ausscheiden am Markt eines solchen Unternehmens wären negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft verbunden. Die Business Judgment Rule würde dem Vorstand einer eG als Haftungserleichte68
Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 7. Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 2. 70 Frank, Die actio pro socio in der eingetragenen Genossenschaft, 1996, S. 127. 71 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 72 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 73 Vgl. zu den verschiedenen Genossenschaftsarten eine Aufzählung bei Hirte, DStR 2007, 2166 (2167 f.). 74 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 14. Aufl. 2004, § 1 Rn. 38. 69
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
rungsregelung einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen an die Hand geben. So könnte die Etablierung des Unternehmens am Markt besser bewerkstelligt und negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft verhindert werden. Der Business Judgment Rule bedarf es jedoch nur dann, wenn der Vorstand einer eG von Grund auf risikoavers eingestellt ist und somit einen Anreiz zu risikoneutralem Handeln benötigt. Dafür kann angeführt werden, dass der gesamte Vorstand einer eG dem strengen Haftungsregime des § 34 GenG ausgesetzt ist. Die damit einhergehenden großen Haftungsgefahren können nicht hinreichend ausgeglichen werden.75 Darüber hinaus kann im Vergleich zum Aktienrecht der Vorstand einer eG leichter aus seinem Amt enthoben werden. Eine Abberufung kann zu jeder Zeit durch Beschluss der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit erfolgen, wofür es weder einer Begründung noch eines wichtigen Grundes bedarf, vgl. § 24 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 GenG.76 Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses, das das Gehalt des Vorstands regelt, erfolgt durch Kündigung, wobei im fristlosen Abberufungsbeschluss im Zweifel auch die außerordentliche Kündigungserklärung liegt.77 Vor dieser Gefahr wird das Vorstandsmitglied auch nicht durch variable Vergütungsbestandteile, wie z. B. die Erfolgsbeteiligung,78 geschützt. Nur ein besoldetes, nebenamtlich tätiges Vorstandsmitglied kann die Gefahr der Abberufung und Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch ein diversifizierteres Humankapital in finanzieller Hinsicht in gewissen Maßen abfedern. Dadurch ist jedoch auch kein Schutz vor den großen Haftungsgefahren gewährleistet. Folglich sind Vorstandsmitglieder einer eG grundsätzlich risikoavers eingestellt. Daher bedarf es eines Anreizes zu risikoneutralem Verhalten. Diesen Anreiz könnten die mit der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule einhergehenden Haftungserleichterungen bieten. Somit kann diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der eG übertragen werden. 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder im Interesse der Mitglieder einer eG Eine Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der
75
Vgl. Kap. 4 B. III. Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 24 Rn. 20; Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 24 GenG Rn. 11; Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 24 Rn. 73. 77 Vgl. Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 24 Rn. 45, 70, 75. 78 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 24 Rn. 37; Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 53. 76
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Aktionäre verhindert.79 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-)Aktionäre, die durch ein diversifiziertes, risikoeffizientes Portfolio das unsystematische Risiko eliminieren können, als auch der Blockaktionäre.80 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der eG übertragen werden kann. Dafür müssten risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands einer eG im Interesse der Mitglieder sein. Konstatiert werden kann, dass der grundsätzlich risikoavers eingestellte Vorstand einer eG durch die Anwendung der Business Judgment Rule einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen erhalten würde.81 Dafür, dass risikoneutrale Entscheidungen auch im Interesse der Mitglieder einer eG sind, kann angeführt werden, dass § 2 GenG parallel zu § 1 Abs. 1 S. 2 AktG vorschreibt, dass für Verbindlichkeiten der eG den Gläubigern gegenüber nur das Vermögen der eG haftet. Somit ist eine unmittelbare Mitgliederhaftung gegenüber den Gläubigern der eG ausgeschlossen.82 Aufzuzeigen ist jedoch, dass, je nach Entscheidung in der Satzung, im Falle der Insolvenz der eG eine unbeschränkte Nachschusspflicht, eine auf eine bestimmte Summe beschränkte Nachschusspflicht oder keine Nachschusspflicht der Mitglieder bestehen kann, vgl. § 6 Nr. 3 Alt. 1 – 3 GenG. Sofern es sich um eine eG mit Nachschusspflicht handelt, ist Jungmann der Ansicht, dass die Business Judgment Rule und der damit einhergehende Anreiz für den Vorstand zu risikoneutralen Entscheidungen nicht mehr im Interesse der Mitglieder wären.83 Dies sei dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der dadurch bestehenden Haftungsgefahr der Mitglieder eine diversifizierte Investitionsstrategie das unsystematische Risiko nicht eliminieren könnte und jede weitere Beteiligung an einer solchen Gesellschaft das Haftungsrisiko steigern würde.84 Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass hoch riskante Entscheidungen, die die Existenz der Gesellschaft gefährden, von der Business Judgment Rule nicht generell, sondern nur im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller vorliegenden Umstände gedeckt wären.85 Darüber hinaus sind risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands einer eG gerade dafür erforderlich, dass das Unternehmen nicht vom Markt gedrängt wird und somit eine Insolvenz vermieden werden kann.86 Wenn aber risikoneutrale Entscheidungen auch zur Vermeidung der Insolvenz notwendig sind, dann sind solche Entscheidungen gerade im Interesse der Mitglieder einer eG. Denn nur so kann die bestehende Haftungsgefahr der Mitglieder in der Insolvenz überhaupt verhindert werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Argumentation Jungmanns als widersprüchlich dar. Allein der Umstand, dass die Satzung eine Nachschusspflicht vorsieht, führt demnach nicht 79 80 81 82 83 84 85 86
Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 4 B. V. 1. Geschwandtner, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 4 Rn. 90. Jungmann, WuB 2009, 193 (195). Jungmann, WuB 2009, 193 (195). Vgl. Kap. 1 B. II. Vgl. Kap. 4 B. V. 1.
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
dazu, dass Mitglieder einer eG kein Interesse an risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands haben. Des Weiteren führt Jungmann generell gegen die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG an, dass die eG eine Gesellschaftsform sei, für die das Gesetz nicht in typisierender Betrachtung von Mitgliedern ausgehe, die eine diversifizierte Investitionsstrategie verfolgen würden.87 Bei der eG stehe vielmehr der Förderzweck im Mittelpunkt, so dass das Recht der eG die Verbandsmitglieder ganz anders als im Aktienrecht nicht als Investoren typisiere.88 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Damit ein Mitglied die förderwirtschaftlichen Leistungen überhaupt erhält, müssen Kapitaleinlagen erbracht und Rücklagen gebildet werden.89 Dass das Wirtschaftsergebnis bei einer eG nicht wie bei einer AG in einer Dividende oder einer Kurssteigerung zum Ausdruck kommt, sondern in günstigen Konditionen, einer Rückvergütung oder einem sonstigen mitgliedschaftlichen Vorteil, ist dafür unerheblich.90 Dass die Art des erstrebten wirtschaftlichen Vorteils verschieden ist, ändert nichts daran, dass ein Mitglied einer eG Risikokapital investiert, um dafür eine wirtschaftliche Rendite zu erhalten und insofern die gleichen Anlegerinteressen wie ein Aktionär hat.91 Folglich sind risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands einer eG im Interesse der Mitglieder. Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann daher auf das Recht der eG übertragen werden.
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass der Produktmarkt eine Disziplinierungswirkung auf das Vorstandshandeln hat.92 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die in Deutschland vorherrschende, wettbewerbsintensive Marktsituation den Vorstand einer AG zur bestmöglichen Ressourcenallokation zwingt.93 Opportunistisches Verhalten desselben würde zu höheren Produktionskosten und damit zwangsläufig zu einem Ausscheiden des Unternehmens am Markt führen.94 Diese Legitimationsgrundlage könnte auf das Recht der eG übertragen werden. Das setzt jedoch voraus, dass der Produktmarkt 87 88 89 90 91 92 93 94
Jungmann, WuB 2009, 193 (195). Jungmann, WuB 2009, 193 (195). Beuthien, AG 2006, 53 (55); vgl. auch Kap. 4 B. I. Beuthien, AG 2006, 53 (55). Beuthien, AG 2006, 53 (55). Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
151
auch eine vergleichbare Disziplinierungswirkung auf den Vorstand einer eG entfaltet. Das Unternehmen einer eG ist ebenso wie das Unternehmen, das von einer AG geführt wird, der wettbewerbsintensiven Marktsituation in Deutschland ausgesetzt. Der Vorstand einer eG hat dafür zu sorgen, dass in den Gegengeschäften größtmögliche Überschüsse erzielt werden, damit die eG ihren Mitgliedern die Förderleistung zu marktgünstigen Preisen anbieten kann.95 Sofern dies nicht gelingen sollte, weil vom Vorstand nicht die bestmögliche Ressourcenallokation vorgenommen wird, werden sich die Mitglieder einer eG andere Unternehmen mit entsprechenden Leistungen zu besseren Konditionen suchen. Dies beruht auf dem Umstand, dass aufgrund des breiten Angebots an Waren und Dienstleistungen genossenschaftliche Unternehmen in Deutschland in der Regel keine „Kinder der Not“ mehr sind.96 Ein opportunistisches Verhalten des Vorstands würde daher zwangsläufig zum Ausscheiden des Unternehmens am Markt führen. Folglich sind Vorstände einer eG und einer AG einem vergleichbaren Wettbewerbsdruck und damit einer vergleichbaren Disziplinierungswirkung, die vom Produktmarkt ausgeht, ausgesetzt. Daher greift diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auch im Recht der eG. 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Dargestellt worden ist, dass die aktienrechtliche Business Judgment Rule damit legitimiert werden kann, dass von dem Arbeitsmarkt für Manager eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.97 Hierbei kann zwischen einer externen und einer internen Disziplinierung unterschieden werden.98 Möglicherweise könnte diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der eG übertragen werden. Dafür müsste der Arbeitsmarkt für Manager eine vergleichbare Disziplinierungswirkung auf den Vorstand einer eG haben. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass es eine externe und interne Disziplinierung der Vorstandsmitglieder durchaus auch in einer eG geben kann. Die Abberufung des Vorstands einer eG kann sogar im Vergleich zum Aktienrecht, vgl. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG, einfacher erfolgen. Nach § 24 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 GenG ist eine Abberufung jederzeit und ohne dass es dafür eines wichtigen Grundes oder überhaupt einer Begründung bedarf durch Beschluss der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit möglich.99 Die Satzung kann gem. § 24 Abs. 2 S. 2 GenG auch
95 96 97 98 99
Vgl. Kap. 4 B. I. Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, Einl. Rn. 18. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. Vgl. Kap. 4 B. V. 1.
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
vorsehen, dass beispielsweise der Aufsichtsrat für die Abberufung zuständig ist.100 Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses erfolgt durch Kündigung, wobei in der fristlosen Abberufung im Zweifel auch die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages liegt.101 Allerdings muss hinsichtlich der Wirksamkeit der Disziplinierung differenziert werden. In der Praxis überwiegt zwar die Zahl der besoldeten und hauptamtlich tätigen Vorstandsmitglieder, jedoch besteht in einer eG grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeit nebenberuflich oder ehrenamtlich ausüben, vgl. § 24 Abs. 3 S. 1 GenG.102 Bei besoldeteten und hauptamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern kann festgehalten werden, dass ihr Humankapital kaum diversifiziert ist. Die Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrages würden für solch einen Vorstand daher einen drastischen finanziellen Einschnitt darstellen. Neben der externen Disziplinierung wird hier insbesondere auch die interne Disziplinierung wirksam sein, da hauptamtliche Vorstandsmitglieder versuchen werden, unternehmensintern aufzusteigen. Hinsichtlich nebenamtlicher Vorstandsmitglieder muss konstatiert werden, dass zumindest deren Humankapital diversifizierter ist. Somit können finanzielle Einschnitte, die mit der Abberufung und der Kündigung des Anstellungsvertrages einhergehen, durch die gleichzeitige Ausübung eines weiteren Berufs zumindest in gewissen Maßen kompensiert werden. Insofern wird für Vorstandsmitglieder, die ihre Tätigkeit nebenberuflich ausüben, die Wirksamkeit der Disziplinierung auf deren Handeln eingeschränkt sein. Dagegen geht vom Arbeitsmarkt für Manager auf das Verhalten ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder von finanziellen und karrieretechnischen Aspekten aus betrachtet keine Disziplinierungswirkung aus. Folglich kann diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule nur mit Einschränkungen auf das Recht der eG übertragen werden. Hervorzuheben ist jedoch, dass diese Einschränkungen nicht für die in der Praxis regelmäßig anzutreffenden besoldeten und hauptamtlich tätigen Vorstandsmitglieder gelten. 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Eine Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule ist, dass der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands einer börsennotierten AG haben.103 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der eG übertragen werden kann.
100 Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 24 GenG Rn. 11; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 24 Rn. 20. 101 Vgl. Kap. 4 B. V. 1. 102 Weber, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 43. 103 Vgl. Kap. 1 D. VII. 3.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Eine Disziplinierungswirkung, die vom Kapitalmarkt auf das Handeln des Vorstands einer eG ausgeht, ist nicht ersichtlich. Daneben ist eine disziplinierende Wirkung auf das Vorstandshandeln ausgehend von dem Markt für Unternehmenskontrolle bezogen auf eine eG nicht wirklich existent. Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften wie der AG ist die Mitgliedschaft in der eG nicht in einem übertragbaren Gesellschaftsanteil verkörpert.104 Weder die Mitgliedschaft noch der Geschäftsanteil, sondern lediglich das Geschäftsguthaben kann gem. § 76 Abs. 1 S. 1 GenG an einen Erwerber übertragen werden, der bereits Mitglied ist oder Mitglied wird.105 Darüber hinaus hat jedes Mitglied, unabhängig davon wie hoch dessen Geschäftsanteil ist, nur eine Stimme und jede Stimme zählt grundsätzlich gleich, vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 GenG.106 So ist es einem Mitglied durch die Übernahme mehrerer Geschäftsanteile, sofern dies überhaupt durch die Satzung gem. § 7a Abs. 1 GenG erlaubt ist, grundsätzlich nicht möglich, einen beherrschenden Einfluss auf die eG auszuüben. Daher muss ein Vorstandsmitglied bei schlechter Führung der eG in der Regel auch nicht befürchten, dass es ein Mitglied der eG durch die Übernahme mehrerer Geschäftsanteile allein in der Hand hat, dass das entsprechende Vorstandsmitglied abberufen und ersetzt wird. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 S. 2 – 4 GenG kann die Satzung Mehrstimmrechte vorsehen. Zu konstatieren ist, dass die Erlangung eines solch entscheidenden Einflusses nur über § 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 GenG denkbar ist. Bei den hier in Rede stehenden, sogenannten Zentralgenossenschaften kann die Satzung vorsehen, dass das Stimmrecht nach der Höhe ihrer Geschäftsguthaben oder einem anderen Maßstab abgestuft werden kann.107 Allerdings kann auch in diesem Rahmen einzelnen Mitgliedern keine willkürliche Stimmenmehrheit aufgrund des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zugewiesen werden.108 Der Erwerb des Mehrstimmrechts muss daher an Kriterien geknüpft werden, die für jedes Mitglied abstrakt gleich sind, so dass sich auch solche Genossenschaften kraft Stimmenmehrheit kaum tatsächlich beherrschen lassen.109 Festzuhalten ist somit, dass diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf das Recht der eG übertragen werden kann.
104
Vgl. Kap. 4 B. IV. Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 76 GenG Rn. 2; Beuthien, in: Beuthien/Dierkes/Wehrheim, Die Genossenschaft, 2008, S. 2. 106 Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 169; Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 43 GenG Rn. 10; Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 43 Rn. 67. 107 Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 1 GenG Rn. 37. 108 Vgl. Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 43 Rn. 44; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 129. 109 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 129. 105
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
VII. Ergebnis Im Ergebnis kann konstatiert werden, dass die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bis auf zwei Ausnahmen auch im Recht der eG greifen. Da die Missbrauchsgefahr bezüglich der über die actio pro socio eröffneten Möglichkeit für Mitglieder, Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder subsidiär geltend zu machen, nicht so groß ist wie im Aktienrecht, kann diese Legitimationsgrundlage nicht auf das Recht der eG übertragen werden. Zudem können der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle das Vorstandshandeln als externe Kontrollmechanismen nicht disziplinieren und somit auch nicht als Legitmationsgrundlage der Business Judgment Rule im Recht der eG fungieren. Der Arbeitsmarkt für Manager kann das Handeln neben- und ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder nicht oder nur eingeschränkt disziplinieren. Die aufgezeigten Unterschiede zwischen dem Recht der eG und dem Aktienrecht hinsichtlich der Kontrollstrukturen führen nicht zur Nichtanwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG. Denn nach dem Aktienrecht findet die Business Judgment Rule sowohl auf eine börsennotierte als auch nicht börsennotierte AG Anwendung, obwohl auch hier unterschiedliche Kontrollstrukturen bestehen.110 Zuzugeben ist, dass die geringeren Missbrauchsgefahren, die im Recht der eG mit der actio pro socio einhergehen, die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule im Recht der eG etwas schmälert. Doch diese Legitimationsgrundlage kann nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellen, da selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt hat.111 Folglich führt auch dieser Umstand nicht zur Nichtanwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG. Demzufolge ist die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht im Recht der eG anwendbar.
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf das Recht der eG in methodischer Hinsicht Da mittlerweile in § 34 Abs. 1 S. 2 GenG eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift eingeführt worden ist, ist die Business Judgment Rule im Recht der eG in methodischer Hinsicht gem. § 34 Abs. 1 S. 2 GenG anwendbar. Es bedarf somit keiner analogen Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Für die Eröffnung des unternehmerischen Ermessens müssen eine unternehmerische Entscheidung, das Handeln zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemes-
110 111
Vgl. zu diesem Argument bereits Kap. 2 C. VII. und Kap. 3 B. VII. Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der eG
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sener Information, die Freiheit von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen und die Gutgläubigkeit vorliegen.
D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der eG Ob und wenn ja, welche Besonderheiten bei der Anwendung der Business Judgment Rule im Recht der eG zu beachten sind, wird im Folgenden untersucht.
I. Statutarische Weisungsgebundenheit Grundsätzlich hat der Vorstand die eG gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG unter eigener Verantwortung zu leiten, d. h. eigenverantwortlich und weisungsfrei. Allerdings schreibt § 27 Abs. 1 S. 2 GenG vor, dass der Vorstand dabei die Beschränkungen zu beachten hat, die durch die Satzung festgesetzt worden sind. Dies wirft die Frage auf, ob in der Satzung Regelungen, die den Vorstand von den Weisungen der Generalversammlung abhängig machen, festgelegt werden können. Wenn dies zu bejahen ist, dann käme dem Vorstand in den Fällen der Weisungserteilung kein unternehmerisches Ermessen mehr zu. Der Vorstand hätte die Weisung schlicht zu erfüllen. Somit wäre der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Vergleich zum Aktienrecht von vornherein eingeschränkt. Überwiegend wird die Möglichkeit der statutarischen Festlegung einer Weisungsbefugnis der Generalversammlung gegenüber dem Vorstand verneint.112 Die Gegenansicht vertritt, dass der Generalversammlung als dem obersten Willensorgan der eG durch die Satzung zugestanden werden könne, den Vorstand zur Vornahme bestimmter Geschäftsführungsakte anzuweisen.113 Für diese Ansicht könnte angeführt werden, dass der Wortlaut des § 27 Abs. 1 S. 2 GenG allgemein von „Beschränkungen“ spricht und somit grundsätzlich alle Formen von Beschränkungen, also auch Weisungen, in Betracht kommen könnten. Dies ist jedoch insofern nicht überzeugend, als § 27 Abs. 1 S. 2 GenG auch das Wort „dabei“ beinhaltet, dadurch unmittelbar an § 27 Abs. 1 S. 1 GenG anknüpft und somit die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands nicht aufhebt, sondern voraussetzt.114 Unterstützend dazu kann angeführt werden, dass der Vorstand die Beschränkungen lediglich „zu beachten“ hat, vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 GenG. Sofern von den Beschränkungen auch eine Weisungsbefugnis umfasst hätte sein sollen, wäre vielmehr der Ausdruck „zu befolgen“ 112 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 27 Rn. 9; Geßler, in: FS Reinhardt, 1972, 237 (243 f.); Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 27 GenG Rn. 5; Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 27 Rn. 12 m.w.N. 113 Müller, GenG, Bd. 1, 2. Aufl. 1991, § 27 Rn. 6; Westermann, in: FS Reinhardt, 1972, 359 (362). 114 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 27 Rn. 9.
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
angezeigt gewesen.115 Ferner hat der Rechtsausschuss der Bundesregierung die Neufassung des § 27 Abs. 1 GenG von 1973 damit begründet, dass die Wettbewerbsfähigkeit der eG erhalten werden soll und somit die Generalversammlung nicht über Einzelfragen der Geschäftsführung entscheiden kann.116 Die Intention dabei ist also, dass die Stellung der Generalversammlung als oberstes Organ der eG aufgegeben werden sollte.117 Diese Intention würde jedoch mittelbar durch eine statutarische Weisungsbefugnis der Generalversammlung unterlaufen. Die daher im Grundsatz zu verneinende Möglichkeit der statutarischen Festlegung einer Weisungsbefugnis der Generalversammlung kann auch mit einem Umkehrschluss zu dem durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften118 neu eingeführten § 27 Abs. 1 S. 3 GenG bestätigt werden. Nach § 27 Abs. 1 S. 3 GenG kann bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern die Satzung vorsehen, dass der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung gebunden ist. Einem Umkehrschluss zufolge ist diese Möglichkeit in allen Fällen, in denen eine eG mehr als 20 Mitglieder hat, ausgeschlossen. Folglich kann festgehalten werden, dass über die Satzung, abgesehen von § 27 Abs. 1 S. 3 GenG, keine Regelungen hinsichtlich einer Weisungsgebundenheit des Vorstands getroffen werden können. Die Business Judgment Rule im Recht der eG ist daher grundsätzlich nicht von vornherein in ihrem Anwendungsbereich beschränkt.
II. Interessenkonflikte Dafür, dass der Vorstand einer eG in den Genuss der Business Judgment Rule kommt, muss dieser die unternehmerische Entscheidung unter anderem unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz treffen.119 Möglicherweise könnte im Gegensatz zum Aktienrecht im Recht der eG aber ein Umstand vorliegen, wodurch der Vorstand einer eG diese Voraussetzung der Business Judgment Rule seltener zu erfüllen vermag. Im Aktienrecht ist gem. § 112 S. 1 AktG zwingend festgelegt, dass Insichgeschäfte zwischen einem Vorstandsmitglied und der AG nicht möglich sind.120 Im Recht der eG ist fraglich, ob § 39 Abs. 1 S. 1 GenG, der zwar nach dem Wortlaut mit § 112 S. 1 AktG übereinstimmt, ebenfalls ein Verbot des Insichgeschäfts zwingend festlegt oder ob es vielmehr auf § 181 Alt. 1 BGB ankommt. Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, ob § 39 Abs. 1 S. 1 GenG für alle 115
Geßler, in: FS Reinhardt, 1972, 237 (243). Vgl. Bericht und Antrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum RegE zum GenG (BT-Drucks. 7/97), BT-Drucks. 7/659, S. 4. 117 Vgl. Schultz, NJW 1974, 161 (163). 118 Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17. 07. 2017, BGBl. I, 2434. 119 Vgl. Kap. 4 C. 120 Vgl. Kap. 3 D. II. 116
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der eG
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Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern Geltung beansprucht, was von einer Ansicht befürwortet wird.121 Dieser Ansicht kann jedoch entgegengehalten werden, dass das die eG charakterisierende Identitätsprinzip, nach dem ein Mitglied immer zugleich Kunde der eG ist, auch für Vorstandsmitglieder gilt, da in der eG der Grundsatz der Selbstorganschaft gem. § 9 Abs. 2 S. 1 GenG gilt.122 Die Intention des § 39 Abs. 1 S. 1 GenG liegt nicht darin, die Geschäftsbeziehungen im Rahmen des täglichen Mitgliedergeschäfts von einer Mitwirkung des Aufsichtsrates als Vertreter der eG abhängig zu machen.123 Die Befugnis des Aufsichtsrats zur Vertretung bezieht sich in sachlicher Hinsicht nur auf sämtliche Angelegenheiten in Bezug auf die Anstellung als Vorstandsmitglied und auf die Führung der Prozesse der eG gegen den Vorstand.124 Dafür spricht vor allem die Systematik des § 39 GenG, nach der § 39 Abs. 2 S. 1 GenG überflüssig wäre, sofern die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder bereits unter § 39 Abs. 1 S. 1 GenG fallen würde.125 Somit kann konstatiert werden, dass sich die Reichweite des § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht auf alle Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern erstreckt. In den Bereichen, in denen § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht gilt, wie z. B. dem täglichen Mitgliedergeschäft, ist grundsätzlich § 181 Alt. 1 BGB maßgeblich. Denn § 181 BGB ist auch auf Vorstandsmitglieder einer eG anwendbar.126 In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, dass der Vorstand einer eG vom Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 BGB durch Gestattung der eG befreit werden kann.127 Die Gestattung kann insbesondere durch eine Satzungsregelung erfolgen.128 Sofern eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens erfolgt, sind Insichgeschäfte des Vorstands mit der eG in den Fällen möglich, in denen § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht eingreift. Dass für ein Vorstandsmitglied bei der Vornahme solcher Geschäfte ein Interessenkonflikt besteht und somit die Business Judgment Rule nicht eingreifen kann, ist zu bejahen. Folglich bietet das Recht der eG im Gegensatz zum Aktienrecht in bestimmten Fällen die Möglichkeit, dass Vorstandsmitglieder Insichgeschäfte mit der eG vor121
Vgl. Schwarz, ZfgG 2001, 277; Schwarz, ZfgG 2002, 61. Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 39 Rn. 14; KockSchwarz, in: FS Schaffland, 2008, 189 (190). 123 Kock-Schwarz, in: FS Schaffland, 2008, 189 (190). 124 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 39 Rn. 3; KockSchwarz, in: FS Schaffland, 2008, 189 (191). 125 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 39 Rn. 3. 126 Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 18; Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 25 Rn. 20. 127 Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 25 Rn. 20; KockSchwarz, in: FS Schaffland, 2008, 189 (190 ff.); a.A. Gätsch, in: Helios/Strieder (Hrsg.), BeckHdb. Genossenschaft, 2009, § 5 Rn. 18, der eine Befreiung lediglich von § 181 Alt. 2 BGB für möglich hält. Gätsch argumentiert damit, dass der Aufsichtsrat die eG gegenüber Vorstandsmitgliedern nach der zwingenden Bestimmung des § 39 Abs. 1 GenG vertrete. Diese Argumentation kann jedoch nur für die Bereiche überzeugen, in denen § 39 Abs. 1 S. 1 GenG auch eingreift. Dass das nicht bei allen Rechtsgeschäften der Fall ist, wurde soeben dargelegt. 128 Holthaus/Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 25 Rn. 20. 122
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
nehmen können. In diesen Fällen ist die Voraussetzung der Business Judgment Rule, dass der Vorstand einer eG eine unternehmerische Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz treffen muss, nicht erfüllt.
III. Grundsatz der Selbstorganschaft/Treuepflicht Grundsätzlich müssen Vorstandsmitglieder nach dem gem. § 9 Abs. 2 S. 1 GenG geltenden Grundsatz der Selbstorganschaft zugleich Mitglieder der eG sein. In der eG ist eine Treuepflicht der Mitglieder der eG untereinander anerkannt.129 Folglich sind auch die Vorstandsmitglieder den anderen Mitgliedern der eG gegenüber zur Treue verpflichtet. Möglicherweise könnte auch im Recht der eG in vergleichbarer Weise zum GmbH-Recht130 eine Einschränkung der Business Judgment Rule aufgrund der Treuepflicht, die die Mitglieder untereinander einzuhalten haben, angezeigt sein. Da der Umfang und die Intensität der Treuepflicht von der Realstruktur der Gesellschaft abhängen, ist der Umfang und die Intensität in einer personalistisch ausgestalteten GmbH sehr groß.131 Aus der Treuepflicht wird bei einer personalistisch geprägten GmbH eine Einschränkung der Business Judgment Rule hergeleitet, weil es zum einen der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer durch seinen großen Einfluss in der Hand hat, die Gesellschaft nach seinem Interesse zu führen und Entscheidungen zu Lasten der anderen Gesellschafter zu treffen.132 Zum anderen hat ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer bei bestehender Sperrminorität einen vergleichbaren Einfluss.133 Auch die eG trägt trotz ihrer körperschaftlichen Verfassung stets personalistische Züge, die sich insbesondere aus der Eigenart des Förderzwecks ergeben.134 Aufgrund dessen können der Umfang und die Intensität der Treuepflicht der Mitglieder einer eG untereinander unter Umständen auch sehr groß sein. Unabhängig davon muss allerdings konstatiert werden, dass das beschriebene Konfliktpotential bei einer GmbH so nicht bei der eG besteht. Der Vorstand einer eG ist zwar gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG zur eigenverantwortlichen und weisungsfreien Leitung der Gesellschaft berechtigt. Jedoch ist diese weitgehende Leitungsmacht
129 Müller, GenG, Bd. 1, 2. Aufl. 1991, § 18 Rn. 68; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 18 Rn. 52; vgl. Lehleiter/Hoppe, in: Schwerdtfeger, GesR, 3. Aufl. 2015, § 18 GenG Rn. 16. 130 Vgl. Kap. 3 D. III. 131 Vgl. Kap. 3 D. III. 132 Vgl. Kap. 3 D. III. 133 Vgl. Kap. 3 D. III. 134 Lehleiter/Hoppe, in: Schwerdtfeger, GesR, 3. Aufl. 2015, § 1 GenG Rn. 2; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 1 Rn. 3; Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 1 GenG Rn. 2.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der eG
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durch den Förderzweck nach § 1 Abs. 1 GenG begrenzt.135 Die Erfüllung des Förderzwecks ist im Interesse jedes Mitglieds, so dass dadurch die Gefahr, dass ein Vorstandsmitglied Entscheidungen zu Lasten anderer Mitglieder trifft, begrenzt ist. Zudem gilt im Recht der eG das Kopfstimmrecht; auch über die davon vorgesehenen Ausnahmen lässt sich eine eG kraft Stimmenmehrheit kaum beherrschen.136 Somit hat das einzelne Vorstandsmitglied in seiner Funktion als bloßes Mitglied der eG auch nicht die Möglichkeit, die Geschicke der Gesellschaft über die Generalversammlung entscheidend zu beeinflussen. Für das Recht der eG ist daher eine Einschränkung der Business Judgment Rule durch die Treuepflicht i.S.e. Missbrauchskontrolle wie bei einer personalistisch ausgestalteten GmbH nicht überzeugend. Eine Einschränkung der Business Judgment Rule durch den Grundsatz der Selbstorganschaft und der daraus resultierenden Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber den anderen Mitgliedern der eG kommt nicht in Betracht.
IV. Beweislast Ist streitig, ob der Vorstand die Sorgfalt gem. § 34 Abs. 1 S. 1 GenG angewendet hat, so trägt der Vorstand nach § 34 Abs. 2 S. 2 GenG die Beweislast für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht und für das Fehlen eines Verschuldens.137 Ebenso wie im Aktienrecht wird diese Beweislastumkehr durch die größere Beweisnähe des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat oder der Generalversammlung begründet.138 Der Aufsichtsrat einer eG ist für die Verfolgung der Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand gem. § 39 Abs. 1 GenG zuständig. Gründe dafür, die Beweislast in Bezug auf die Business Judgment Rule nicht zulasten der Organmitglieder auszugestalten, sind im Gegensatz zum Recht der monistischen SE und dem GmbH-Recht nicht ersichtlich.139 Der Aufsichtsrat der eG ist parallel zum Aktienrecht nicht derart in die Entscheidungsprozesse des Vorstands mit eingebunden, dass behauptet werden könne, dass der Vorstand gegenüber der Gesellschaft keinen Wissensvorsprung mehr hätte. Daher ist anzunehmen, dass sich § 34 Abs. 2 S. 2 GenG auch auf den neu eingeführten § 34 Abs. 1 S. 2 GenG bezieht und somit der Vorstand der eG das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule darlegen und beweisen muss. 135 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 27 Rn. 6; Holthaus/ Lehnhoff, in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2016, § 27 Rn. 19; Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 27 Rn. 5. 136 Vgl. Kap. 4 B. VI. 3. 137 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 34 Rn. 20; BGH, Urt. v. 15. 10. 1962 – II ZR 194/61, NJW 1963, 46. 138 Beuthien, in: Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 34 Rn. 19. 139 Vgl. zum Recht der monistischen SE Kap. 2 E. II. und zum GmbH-Recht Kap. 3 D. IV.
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Kap. 4: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG
Demzufolge ist eine Besonderheit im Recht der eG hinsichtlich der Darlegungsund Beweislast in Bezug auf die Business Judgment Rule nicht anzunehmen.
E. Ergebnis Die Untersuchung hat ergeben, dass die Business Judgment Rule sowohl aus sachlicher als auch methodischer Perspektive im Recht der eG anwendbar ist. Aus methodischer Sicht ist die Business Judgment Rule mittlerweile durch den neu eingeführten § 34 Abs. 1 S. 2 GenG anwendbar. Des Weiteren hat die Untersuchung gezeigt, dass bei der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der eG fast keinerlei Besonderheiten zu beachten sind. In einer eG mit weniger als 20 Mitgliedern ist lediglich zu beachten, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule von vornherein eingeschränkt sein kann, wenn in der Satzung geregelt ist, dass der Generalversammlung gem. § 27 Abs. 1 S. 3 GenG eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand zusteht. Daneben ist festzuhalten, dass der Vorstand einer eG im Gegensatz zum Vorstand einer AG in bestimmten Fällen die Möglichkeit hat, Insichgeschäfte mit der eG vornehmen zu können. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht für alle Rechtsgeschäfte Geltung beansprucht. In den Fällen, in denen § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht einschlägig ist, wie z. B. dem Mitgliedergeschäft, ist grundsätzlich das Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 Alt. 1 BGB maßgeblich. Davon kann der Vorstand der eG allerdings befreit werden. In diesen Fällen ist die Voraussetzung der Business Judgment Rule, eine unternehmerische Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz zu treffen, offensichtlich nicht erfüllt.
Kapitel 5
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung Die bundesgesetzlichen Regelungen zur Stiftung finden sich in den §§ 80 ff. BGB. Neben diesen nicht abschließend geregelten bundesgesetzlichen Vorschriften hält das Landesrecht insbesondere Regelungen zum Genehmigungsverfahren der Stiftung und der Stiftungsaufsicht bereit.1 Die rechtsfähige Stiftung i.S.d. §§ 80 ff. BGB wird definiert als eine von einem Stifter errichtete Organisation, die mit Hilfe des der Stiftung gewidmeten Vermögens den vom Stifter festgelegten Zweck dauernd verfolgen soll.2 Der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation sind die drei wesentlichen Elemente des Stiftungsbegriffes.3 Der Inhalt dieser drei Elemente wird vom Stifter festgelegt.4 Zentrale Funktion hat dabei der auf Dauer festgelegte Stiftungszweck, der den Stifterwillen konkretisiert, Maßstab für die künftige Stiftungstätigkeit ist und nach Anerkennung der Stiftung, abgesehen von den Ausnahmefällen des § 87 BGB, nicht mehr geändert werden kann.5 Anhand des Stiftungszwecks lassen sich private und öffentliche Stiftungen unterscheiden, wobei letztere altruistische Zwecke verfolgen, d. h. die Allgemeinheit begünstigen, und daher zumeist als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO gelten.6 Öffentliche Stiftungen dominieren in der Praxis zahlenmäßig. Sie machen knapp 94 % aller rechtsfähigen Stiftungen in Deutschland aus.7 Die öffentlichen Stiftungen stehen daher auch im Fokus der folgenden Untersuchungen. Die rechtsfähige Stiftung ist eine juristische
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Kiethe, NZG 2007, 810; v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 4. 2 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 1; v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 6; Meyn, in: Meyn/ Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 38. 3 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2011), v. §§ 80 ff. Rn. 4; Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 2. 4 Schlüter, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 80 BGB Rn. 10. 5 v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 9; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2011), v. §§ 80 ff. Rn. 5. 6 Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 39; v. Camphausen/Stumpf in: v. Camphausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 10. 7 Vgl. dazu die Statistik des Bundesverbands Deutscher Stiftungen vom Mai 2016, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018): https://www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/For schung_und_Statistik/Statistik_2016/Stiftungszwecke_2015.pdf.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
Person ohne Eigentümer, Mitglieder oder Gesellschafter.8 Die von der Stiftung begünstigten Personen, die sogenannten Destinatäre, sind auch keine Mitglieder, sondern lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens.9 Damit die Stiftung als juristische Person handlungsfähig ist, bedarf sie einer Organisation, die sich primär nach der Satzung und subsidiär nach den §§ 81, 86 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 BGB, die als Mindestvoraussetzung lediglich die Bildung eines Vorstands vorsehen, richtet.10 Allerdings sind in der Praxis nach der Organisationsstruktur neben dem Vorstand häufig auch Aufsichtsorgane vorgesehen.11 Das entscheidende Organ der Stiftung ist jedoch der Vorstand, der oberste Entscheidungsinstanz der Stiftung ist und in eigener Verantwortung handelt.12 Bei der Geschäftsführung, die sich nach den Regeln des Auftragsrechts richtet, vgl. § 86 S. 1 i.V.m. §§ 27 Abs. 3 S. 1, 664 – 670 BGB, ist der Vorstand insbesondere an die Erfüllung des Stiftungszwecks und die Vermögensverwaltung gebunden.13 Der Stiftungsvorstand ist zur treuhänderischen Vermögensverwaltung verpflichtet und ist dabei zunächst an den Grundsatz der Erhaltung des Grundstockvermögens, das der Stifter auf die Stiftung übertragen hat, gebunden.14 Nach § 86 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 2 BGB vertritt der Vorstand die Stiftung zudem gerichtlich und außergerichtlich. Die Haftung des Vorstands gegenüber der Stiftung richtet sich bei den vordergründigen Ansprüchen aufgrund von Pflichtverletzungen aus dem Organschaftsverhältnis oder aus dem Anstellungsvertrag maßgeblich nach § 280 Abs. 1 BGB.15 Dieses Innenhaftungskonzept der Stiftung ähnelt auf den ersten Blick nicht dem des Aktienrechts gem. § 93 AktG. Daher ist es fraglich, ob sich die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Stiftungsrecht übertragen lässt.
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung Im Rahmen der Diskussion um die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung wird begrifflich entweder von einem Ermessensspielraum oder explizit von der Business Judgment Rule gesprochen. 8 Schiffer/v. Schubert, DB 2000, 437; Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 40. 9 Kiethe, NZG 2007, 810. 10 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 4. 11 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 13. 12 Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 10. 13 Vgl. Werner, ZEV 2009, 366 (367); Kiethe, NZG 2007, 810. 14 Koschmieder/Seidemann, ZStV 2015, 126 (127); Schwake, in: Beuthien/Gummert/ Schöpflin (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 79 Rn. 274; Hof, in: v. Campenhausen/ Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 9 Rn. 70. 15 Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 547; vgl. Elmenhorst/ Dörfer, npoR 2015, 177; Schwintek, ZSt 2005, 108.
A. Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule
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In der Literatur gibt es Stimmen, die den Standpunkt vertreten, dass der Vorstand einer Stiftung einen Ermessensspielraum habe.16 Dieser Ermessensspielraum wird zum Teil auch mit einem Verweis auf ein Urteil des BVerwG aus dem Jahr 197217 begründet.18 Nach diesem Urteil des BVerwG dürfe „die Stiftungsaufsicht nicht ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Stiftungsorgane setzen“, erst wenn das Handeln der Stiftungsorgane „nicht mehr vertretbar, insbesondere mit einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtung unvereinbar“ sei, könne die Stiftungsaufsicht die Genehmigung von Verträgen ablehnen.19 Schwintek ist der Meinung, dass diese Urteilspassage des BVerwG sogar an die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH20 erinnere.21 Andere Stimmen räumen dem Stiftungsvorstand lediglich in Bezug auf die Vermögensanlage einen Ermessensspielraum ein.22 Hopt hat bereits vor der Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vertreten, dass im Rahmen der Sorgfaltspflicht „ein breites Stiftungstätigkeitsermessen (business judgement rule/foundation judgement rule) gelte […].“23 Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur kommt die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog auch für den Vorstand einer Stiftung zur Anwendung.24 Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Stiftungsrecht wird jedoch von einer anderen Ansicht abgelehnt.25 Dennoch könne dem Stiftungsvorstand nach Gollan ein Ermessensspielraum über eine autonom aus dem Stiftungsrecht hergeleitete Business Judgment Rule eingeräumt werden, wofür die §§ 86 S. 1 i.V.m. §§ 27 Abs. 3, 670 BGB und eine rechtsvergleichende Perspektive sprechen würden.26 Somit kann ein uneinheitliches Meinungsspektrum festgehalten werden. Im Folgenden wird die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht anhand der Legitimationsgrundlagen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG überprüft. 16 Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 624; Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (164). 17 BVerwG, Urt. v. 22. 09. 1972 – VII C 27/71, VerwRspr 1973, 668. 18 Hartnick, Kontrollprobleme bei Spendenorganisationen, 2007, S. 413 f. 19 BVerwG, Urt. v. 22. 09. 1972 – VII C 27/71, VerwRspr 1973, 668 (672 f.). 20 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 – ARAG/ Garmenbeck. 21 Vgl. Schwintek, Vorstandskonstrolle, 2001, S. 225. 22 Schwintowski, in: FS Hadding, 2004, 271 (284); Schauhoff, DStR 2004, 471 (476). 23 Hopt, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 243 (254). 24 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (39); v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, S. 167 ff.; Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 28; Burgard, in: GS Walz, 2008, 71 (75); Lüke, in: Beuthien/Gummert/Schöpflin (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 94 Rn. 8; so wohl auch Werner, ZEV 2009, 366 (368). 25 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 267 ff.; Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 392; Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 ff. 26 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 270 ff.; zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 392.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
Nur über eine solche Untersuchung kann ein fundiertes Ergebnis zu der Frage, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Stiftung übertragbar ist, gefunden werden. Gollan gelangt bei dieser Prüfung zu der Ansicht, dass die Unterschiede zwischen dem Aktien- und Stiftungsrecht zu groß seien, als dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Stiftung übertragbar wäre.27 Fraglich ist, ob dieses Ergebnis überzeugen kann.
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Stiftung in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Bei der Darstellung der Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule ist gezeigt worden, dass unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren unterliegen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen.28 Dabei existieren für unternehmerische Entscheidungen keine Handlungsmaximen, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten.29 Diese Legitimationsgrundlage könnte auf das Recht der Stiftung übertragbar sein. Dafür müsste auch der Vorstand einer Stiftung unternehmerische Entscheidungen treffen. An der Übertragbarkeit dieser Legitimationsgrundlage könnte aus dem Grund gezweifelt werden, dass die Tätigkeit einer Stiftung allgemein- bzw. gemeinnützig ausgerichtet ist und sich gerade darin von wirtschaftlich tätigen Unternehmen unterscheidet. Im Vergleich zum Vorstand einer AG hat aber auch der Vorstand einer Stiftung, trotz der Tatsache, dass die Tätigkeit der Stiftung der Allgemeinheit zugute kommen soll bzw. gemeinnützig ist, regelmäßig unternehmerische Entscheidungen zu treffen.30 Dies zeigt sich einmal bei der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke, wobei es keinen Unterschied machen kann, ob z. B. ein Krankenhausträger eine erwerbswirtschaftliche AG, GmbH oder aber eine Stiftung ist, da jede der Einrichtungen den wirtschaftlichen Unsicherheiten des Gesundheitsmarktes ausgesetzt ist.31 Daneben ist auch in Bezug auf die Mittelverwendung, wie beispielsweise bei einer Spenderwerbung, festzuhalten, dass der Vorstand einer Stiftung ex-ante vor der 27 Vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 140 ff., S. 267 ff.; a.A. v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (172 ff.). 28 Vgl. Kap. 1 D. I. 29 Vgl. Kap. 1 D. I. 30 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (38); vgl. Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 386; Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 142 f. 31 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (38).
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Schwierigkeit steht, die richtige Entscheidung bei mehreren Möglichkeiten zu treffen.32 Ferner lässt sich auch im Bereich der Vermögensverwaltung mit „mündelsicheren“ Anlagen nicht mehr das Ziel der Vermögenserhaltung i.S.e. Erhaltung des realen Wertes erreichen.33 Dies gilt in Zeiten der Niedrigzinspolitik und bei anziehender Inflation umso mehr. Daher müssen auch in diesem Rahmen in der Regel risikoreiche, unternehmerische Entscheidungen vom Vorstand einer Stiftung getroffen werden. Folglich hat auch der Vorstand einer Stiftung unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Dabei wird der Vorstand einer Stiftung ebenso wie der Vorstand einer AG mit unwägbaren Faktoren konfrontiert, für die keine Handlungsmaximen vorhanden sind. Somit kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Stiftung übertragen werden.
II. Gefahr des Hindsight Bias Die aktienrechtliche Business Judgment Rule verfolgt den Zweck, die Gefahr des Hindsight Bias bei der Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen einzudämmen.34 Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG könnte auf das Recht der Stiftung übertragen werden. Dargelegt worden ist, dass der Vorstand einer Stiftung ebenso wie der Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen zu treffen hat. Insofern stünde ein Richter, der eine unternehmerische Entscheidung eines Stiftungsvorstands in Kenntnis des Schadenseintritts aus der ex-ante-Perspektive inhaltlich uneingeschränkt beurteilen müsste, vor denselben Schwierigkeiten wie ein Richter, der über unternehmerische Entscheidungen des Vorstands einer AG urteilen müsste. Sofern der Richter die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands einer Stiftung überprüfen muss, droht dem Richter die Gefahr des Hindsight Bias ebenso wie im Aktienrecht. Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG greift daher auch im Recht der Stiftung.35
32 Vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 142; Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (38). 33 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 86 Rn. 20; Werner, ZEV 2009, 366 (367); vgl. auch Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 142. 34 Vgl. Kap. 1 D. II. 35 I. E. ebenso v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (174); Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 174 ff.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass durch deren Geltung die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG gesteigert wird.36 Diese Legitimationsgrundlage könnte auch im Recht der Stiftung greifen, wenn dem Stiftungsvorstand zum einen eine große Haftungsgefahr droht. Zum anderen dürften im Stiftungsrecht keine Regelungen vorzufinden sein, die die Haftungsgefahren abfedern und somit die Übernahme des Vorstandspostens einer Stiftung bereits ausreichend attraktiv erscheinen lassen. Dass der Stiftungsvorstand großen Haftungsgefahren ausgesetzt sein kann, zeigt exemplarisch ein Urteil aus der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung. In dem vom BGH zu beurteilenden Fall ging es um eine Schadensersatzklage einer Stiftung gegenüber ihrem Vorstand in Millionenhöhe aufgrund pflichtwidriger Vorstandstätigkeit.37 Solche Schadensersatzsummen können Vorstandsmitglieder finanziell überfordern. Zu prüfen ist also, ob es bereits genügend Regelungen im Stiftungsrecht gibt, die den Vorstandsposten ausreichend attraktiv erscheinen lassen. 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Diskutiert wird die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelten arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung38 auf den Stiftungsvorstand analog angewendet werden können. Zur Diskussion steht insbesondere die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage. Überwiegend wird die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den Stiftungsvorstand mit dem Argument, dass der Stiftungsvorstand mangels Weisungsabhängigkeit über einen besonders weiten Handlungsspielraum verfüge und somit nicht mit Arbeitnehmern vergleichbar wäre, abgelehnt.39 Zwar ist diese Argumentation zutreffend, sofern sich die Organisation einer Stiftung an der Mindestvorgabe der §§ 81, 86 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 BGB orientiert und lediglich einen Vorstand vorsieht. Denn unter diesen Umständen ist der Vorstand als einziges Organ nicht weisungsabhängig. Allerdings sind in der Praxis neben dem Stiftungsvorstand häufig fakultative Aufsichtsorgane vorgesehen.40 Rechtlich zulässig ist es, dass dem Aufsichtsorgan bzw. Stiftungsrat durch die Satzung eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand eingeräumt wird.41 Dies ist in der Praxis auch nicht unüblich.42 Folglich ist die oben 36
Vgl. Kap. 1 D. IV. BGH, Urt. v. 20. 11. 2014 – III ZR 509/13, npoR 2015, 28 ff. = DStR 2015, 237 ff. 38 Vgl. dazu bereits Kap. 1 D. IV. 1. 39 Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 197; Schwintek, ZSt 2005, 108 (114); Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 223. 40 Kiethe, NZG 2007, 810; Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 13. 41 So in überzeugender Weise Koch, WM 2016, 2105 (2106). 42 Vgl. mit Beispielen aus der Praxis Koch, WM 2016, 2105 (2106, Fn. 19). 37
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
167
genannte Argumentation zu pauschal. Daher sollte vielmehr auf den durchweg überzeugenden Gedanken, der auch in anderen Rechtsformen fruchtbar gemacht wird, rekurriert werden. Danach ist eine Aufweichung der Haftung nicht mit der Stellung des Vorstands, der im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer leitendes Organ ist, vereinbar.43 Eine vergleichbare Interessenlage kann daher nicht angenommen werden, so dass im Stiftungsrecht eine Haftungserleichterung i.S.d. arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung nicht angezeigt ist. Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung können daher nicht auf den Stiftungsvorstand übertragen werden und damit auch nicht zur Steigerung der Attraktivität des Vorstandspostens beitragen. 2. Haftungsprivilegierung durch Landesstiftungsgesetze Grundsätzlich haftet der Vorstand gem. §§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 S. 1 BGB bereits für jede Fahrlässigkeit, da im Auftragsrecht eine mildere Haftung nicht vorgesehen ist.44 Einige Landesstiftungsgesetze enthalten jedoch gegenüber dem Bundesrecht Haftungsprivilegierungen in Bezug auf die Vorstandshaftung. Diese Vorschriften beinhalten zumeist, dass der Stiftungsvorstand nur dann gegenüber der Stiftung zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn dieser seine Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, vgl. z. B. Art. 7 S. 2 BayStiftG, § 8 S. 2 HessStiftG, § 6 Abs. 1 S. 3 BremStiftG. Anzumerken ist allerdings, dass dem Landesgesetzgeber mit Blick auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 1 GG wegen der abschließenden Regelungen des BGB im Bereich des Schadensersatzrechts die Gesetzgebungskompetenz fehlt.45 Vor dem Hintergrund des § 85 BGB ergibt sich kein anderes Ergebnis,46 da nicht die satzungsrechtliche Beziehung der Organmitglieder zur Stiftung, sondern vielmehr die individualrechtliche Beziehung in Rede steht.47 Folglich haben die Landesgesetzgeber mit diesen Haftungsregelungen ihre Kompetenzen überschritten.48 Die so von den Landesgesetzgebern vorgesehenen Haftungsprivilegierungen sind daher nicht maßgeblich und können somit nicht zur Steigerung der Attraktivität des Vorstandspostens beitragen. 43
III. 1. 44
s. zu diesem Gedanken bereits Kap. 1 D. IV. 1, Kap. 2 C. III. 1, Kap. 3 B. III. 1, Kap. 4 B.
Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (92). Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 194; Schwintek, ZSt 2005, 108 (112); Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 553; Muscheler, NJW 2004, 713 (715); Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2011), § 86 Rn. 33; Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (36); a.A. Werner, ZEV 2009, 366 (369); Kiethe, NZG 2007, 810 (812 f.). 46 So aber Kiethe, NZG 2007, 810 (813). 47 Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 553; Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 195; Schwintek, ZSt 2005, 108 (112). 48 Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (91); Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 553; Muscheler, NJW 2004, 713 (715); Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (36). 45
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
3. Haftungsprivilegierung durch die Satzung Ob es möglich ist, eine Beschränkung der Haftung des Stiftungsvorstands in der Satzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken, ist umstritten. Eine Ansicht steht auf dem Standpunkt, dass die Lage eines Stifters mit der eines Erblassers im Rahmen der Testamentsvollstreckung vergleichbar sei.49 Dem Erblasser sei gem. §§ 2219, 2220 BGB eine Haftungserleichterung zugunsten des Testamentsvollstreckers verwehrt, so dass es auch dem Stifter aufgrund der Vergleichbarkeit der Umstände verwehrt sein müsse, haftungsmildernde Satzungsregelungen zu treffen.50 Dagegen wird nach vorherrschender Meinung der Standpunkt vertreten, dass eine Beschränkung der Haftung des Stiftungsvorstands durch eine Satzungsregelung möglich sei.51 Gollan lässt den Streitentscheid im Rahmen ihrer Untersuchung zunächst offen, da sie der Ansicht ist, dass dieser Streitentscheid davon abhängig sei, ob die Business Judgment Rule im Recht der Stiftung anwendbar sei oder nicht.52 Es ist jedoch verfehlt, die Streitigkeit an dieser Stelle offen stehen zu lassen, da, wenn überhaupt, nur ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis postuliert werden könnte. Dies ergibt sich aus Folgendem. Untersucht werden soll an dieser Stelle, ob generell die Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule und hier im Speziellen die Legitimationsgrundlage, nach der durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG gesteigert wird, auf das Stiftungsrecht übertragbar sind. Letzteres wäre zumindest dann nicht angezeigt, sofern im Stiftungsrecht bereits genügend Umstände gegeben sind, die den Vorstandsposten ausreichend attraktiv machen. Dies könnte möglicherweise gewährleistet sein, wenn Haftungsmilderungen durch Satzungsregelungen zulässig sind. Folglich ist die Ansicht von Gollan widersprüchlich und der Streit muss an dieser Stelle entschieden werden. Die erste Ansicht könnte nur dann überzeugen, wenn die §§ 2219, 2220 BGB analogiefähig wären. Eine analoge Anwendung der §§ 2219, 2220 BGB im Stiftungsrecht ist jedoch nicht möglich, da § 2220 BGB eine erbrechtliche Sonderregelung ist, die sich nicht auf andere treuhänderische Verhältnisse übertragen lässt.53 Zudem spricht gegen die erste Ansicht, dass der Wortlaut des § 86 S. 1 BGB Haftungsmilderungen in Bezug auf § 27 Abs. 3 BGB zulässt.54 Dies ist auch mit Blick auf die Gesetzessystematik überzeugend, da im anwendbaren Auftragsrecht, auf das § 86 S. 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB verweisen, der Haftungsmaßstab 49
Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, § 86 Rn. 21. Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, § 86 Rn. 21. 51 Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 303; vgl. Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 623; Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (93 ff.); Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 553; Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (45 f.). 52 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 227. 53 Schwintek, ZSt 2005, 108 (112); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 172; v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 93. 54 Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (94). 50
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des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB bereits dispositives Recht darstellt.55 Folglich kann konstatiert werden, dass für den Stifter grundsätzlich die Möglichkeit besteht, die Haftung des Vorstands in der Satzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Zu klären bleibt, ob die grundsätzliche Möglichkeit von Haftungsmilderungen durch Satzungsregelungen den Posten des Stiftungsvorstands als bereits ausreichend attraktiv erscheinen lassen kann. Hierzu muss angemerkt werden, dass es gängige Praxis sein müsste, dass der Stifter die Haftung in der Satzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Dass solch eine Haftungsbeschränkung jedoch in der Regel im Interesse des Stifters ist, kann nicht bestätigt werden. Im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Leitung der Stiftung durch den Vorstand wird der Stifter nur ausnahmsweise haftungsmildernde Satzungsregelungen vorsehen.56 Denn fahrlässiges Handeln des Vorstands ohne Sanktionsmöglichkeiten wird nicht im Sinne des Stifters sein. Festgehalten werden kann daher, dass der Gebrauch der Möglichkeit, haftungsmildernde Satzungsregelungen zu statuieren, in der Praxis die Ausnahme darstellen wird. Somit kann hierdurch die Attraktivität des Vorstandspostens in der Stiftung nicht entscheidend gesteigert werden. 4. Haftungsprivilegierung für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder Im Stiftungsrecht besteht die Möglichkeit, dass Vorstandsmitglieder lediglich ehrenamtlich tätig sind.57 Für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder sieht § 86 S. 1 i.V.m. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber § 276 Abs. 1 S. 1 BGB im Grundsatz eine Haftungserleichterung vor. Danach haften Vorstandsmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine 720 E jährlich nicht übersteigende Vergütung erhalten, der Stiftung gegenüber für Pflichtverletzungen nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Diese Regelung würde die Attraktivität zumindest des ehrenamtlichen Vorstandspostens einer Stiftung steigern, sofern die Regelung nicht abdingbar wäre. Im Vereinsrecht ist § 31a Abs. 1 S. 1 BGB wegen der ausdrücklichen Regelung des § 40 BGB nicht abdingbar. Eine Auffassung vertritt, dass die Unabdingbarkeit von § 31a Abs. 1 S. 1 BGB auch im Stiftungsrecht gelte, da § 31a BGB in § 86 S. 1 Hs. 1 BGB aufgelistet sei und damit nicht zu den nach § 86 S. 1 Hs. 2 BGB durch die Satzung abdingbaren Vorschriften gehören würde.58 Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass § 86 S. 1 Hs. 2 BGB primär als Konzession des historischen Gesetzgebers an das heute nicht mehr bestehende Recht des Landesgesetzgebers zu 55 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (45 f.); Schwintek, ZSt 2005, 108 (112); Lüke, in: Beuthien/Gummert/Schöpflin (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 94 Rn. 22. 56 Vgl. Burgard, ZIP 2010, 358 (364), der dies hinsichtlich ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern im Zusammenhang mit § 31a BGB betont. 57 Vgl. Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 12. 58 Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (107 f.); Leuschner, NZG 2014, 281 (287).
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
verstehen ist, Stiftungen in die öffentliche Verwaltung zu integrieren.59 Aufgrund dessen können aus § 86 S. 1 Hs. 2 BGB keine Folgerungen bezüglich des zwingenden Charakters der dort nicht aufgezählten Vorschriften gezogen werden.60 Darüber hinaus ist anzumerken, dass der Wortlaut des § 86 S. 1 BGB zwar auf § 31a BGB, nicht jedoch auf § 40 BGB verweist. Daraus, dass § 86 S. 1 BGB einen Verweis auf § 40 BGB nicht beinhaltet, ist richtigerweise zu folgern, dass abweichende Satzungsregelungen zulässig sind.61 Sofern der Gesetzgeber das Gegenteil hätte verfolgen wollen, hätte dieser in § 86 S. 1 BGB einen entsprechenden Verweis auf § 40 BGB aufgenommen. Daher ist § 31a Abs. 1 S. 1 BGB im Stiftungsrecht dispositiv. Somit ist eine Haftungserleichterung für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder über § 86 S. 1 i.V.m. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB nicht in jedem Fall gewährleistet. Vielmehr kommt es auf den Stifterwillen an, der die Satzungsregelungen bei der Gründung der Stiftung trifft. Es ist zu bezweifeln, dass der Stifter generell an einem gemilderten Verschuldensmaßstab interessiert ist.62 Folglich wird es die Ausnahme sein, dass § 31a Abs. 1 S. 1 BGB in der Praxis greift, so dass über diese Regelung die Attraktivität des ehrenamtlichen Vorstandspostens nicht durchgreifend gesteigert werden kann. 5. D&O-Versicherung Eine D&O-Versicherung ist für Vorstandsmitglieder einer Stiftung denkbar. Für den Abschluss einer D&O-Versicherung bedarf es einer Ermächtigung in der Satzung.63 Unabhängig davon kann eine D&O-Versicherung den Stiftungsvorstand aufgrund spezieller Regelungen, wie Haftungsausschlüsse und Deckungssummen,64 auch nicht ausreichend vor den großen Haftungsgefahren schützen. 6. Durchsetzungsdefizit Es wird geltend gemacht, dass niemand aufgrund der Fremdnützigkeit der Stiftung, die das Fehlen von Eigentümern bedingt, eigene Anreize habe, Schadensersatzansprüche gegen den Stiftungsvorstand durchzusetzen und somit ein Durch-
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Burgard, in: FS Reuter, 2010, 43 (47). Burgard, in: FS Reuter, 2010, 43 (47). 61 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 171; Burgard, ZIP 2010, 358 (364). 62 Vgl. Burgard, ZIP 2010, 358 (364), der unter anderem deswegen sogar vertritt, dass für bereits bestehende Stiftungen, die vor Inkrafttreten des § 31a BGB keinerlei Satzungsregelung in Bezug auf die Haftung getroffen haben, eine Pflicht bestehe, den alten Rechtszustand durch eine Satzungsänderung wieder herzustellen, also § 31a Abs. 1 S. 1 BGB abzubedingen. 63 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 86 Rn. 28; Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 173. 64 Vgl. Kap. 1 D. IV. 5. 60
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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setzungsdefizit bestehe.65 Daher wird zum Teil vertreten, dass das tatsächliche Haftungsrisiko des Stiftungsvorstands sehr gering und unter anderem deswegen die aktienrechtliche Business Judgment Rule nicht auf das Stiftungsrecht übertragbar sei.66 Ausgehend von den Mindestvorgaben des Gesetzes ist das einzig zwingende Stiftungsorgan der Vorstand, der dementsprechend auch für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen Vorstandsmitglieder zuständig ist.67 Dass hierbei die Gefahr besteht, dass der Vorstand aus falscher Rücksicht an der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen seine eigenen Mitglieder nur ein geringes oder keinerlei Interesse hat, ist offensichtlich.68 Insofern besteht durchaus ein Durchsetzungsdefizit im Stiftungsrecht. Allein die Fremdnützigkeit, aus der das Durchsetzungsdefizit folgen solle, kann jedoch nicht zur Ablehnung der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht führen, da auch eine AG fremdnützig sein kann.69 Der Gesetzgeber hat es jedoch unterlassen, hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zwischen verschiedenen Formen der AG zu differenzieren.70 Daneben unterstehen Stiftungen zum Ausgleich der Mitgliederlosigkeit der staatlichen Stiftungsaufsicht.71 Kraft einiger Landesstiftungsgesetze ist eine grundsätzlich subsidiäre Berechtigung der Stiftungsaufsichtsbehörde, im Namen der Stiftung selbst den Schadensersatzanspruch geltend zu machen, vorgesehen.72 In Bezug auf öffentliche Stiftungen kommt nach § 11 S. 1 StiftG NRW für solche Fälle die Einsetzung eines besonderen Vertreters in Betracht.73 Anzumerken ist, dass die Stiftungsaufsicht auch dazu berechtigt ist, den Vorstand bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit abzuberufen bzw. dessen Abberufung zu verlangen.74 Regelmäßig geht damit auch die Befugnis der Stiftungsaufsicht einher, 65
Vgl. v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (174 f.); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 181; Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (167 ff.). 66 Vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 184 ff., 203 f., die das Durchsetzungsdefizit bzw. fehlende Klagebefugnisse im Rahmen der Gefahr missbräuchlicher Klagen betont. 67 Werner, ZEV 2009, 366 (370); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 180. 68 Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 560; Werner, ZEV 2009, 366 (370 f.). 69 v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (175). 70 v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (176). 71 Vgl. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 282. 72 Vgl. Art. 15 S. 1 BayStiftG; § 16 NdsStiftG; § 11 Abs. 3 BWStiftG spricht nicht von einer subsidiären Zuständigkeit, sondern ordnet die Zuständigkeit der Stiftungsaufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Ansprüche gegen die Stiftungsorgane sogar generell an. 73 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (48); Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 180 Fn. 2. 74 Vgl. z. B. § 15 Abs. 1 S. 1 HessStiftG; Art. 13 S. 1 BayStiftG; § 12 Abs. 1 S. 1 BWStiftG; § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StiftG NRW; § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 NdsStiftG; § 6 Abs. 3 HbgStiftG; § 7 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 SächsStiftG.
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einen neuen Vorstand zu bestellen.75 So hat es die Stiftungsaufsicht zusätzlich mittelbar in der Hand Schadensersatzansprüche durchsetzen zu lassen, da der neue Vorstand, um seinen Pflichten gerecht zu werden, ein Interesse daran hat, Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen den alten Vorstand zu realisieren.76 Auch wenn die Effektivität der Kontrolle durch die Stiftungsaufsichtsbehörde zum Teil bezweifelt wird,77 kann nicht bestritten werden, dass die Möglichkeit besteht, dass die Stiftungsaufsichtsbehörde doch im Einzelfall einschreitet und von ihren Befugnissen Gebrauch macht. Darüber hinaus zeigt ein Blick auf die interne Stiftungsorganisation in der Praxis, dass die Gefahr des Durchsetzungsdefizits nicht so groß ist, wie angenommen. Denn bei der Mehrzahl der deutschen Stiftungen hat der Stifter eine Organisation gewählt, die neben dem Vorstand ein zusätzliches Aufsichtsorgan vorsieht.78 Sofern ein Aufsichtsorgan vorgesehen ist, ist dieses unabhängig von einer ausdrücklichen Zuweisung gem. § 30 S. 2 BGB analog für die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand zuständig.79 Daher besteht bei der Mehrzahl der Stiftungen die oben beschriebene Gefahr, dass der Vorstand Ansprüche der Stiftung nicht gegen seine eigenen Mitglieder geltend macht, nicht. Aufgrund dessen ist die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche der Stiftung auch nicht maßgeblich von dem subsidiären Einschreiten der Stiftungsaufsicht abhängig. Ferner könnte den Destinatären ein Klagerecht zustehen, das die Destinatäre zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand berechtigt. Eine Destinatärsklage hat das Reichsgericht bezogen auf eine Familienstiftung preußischen Rechts angenommen.80 Die herrschende Ansicht nimmt dagegen eine solche Befugnis nur an, wenn der Stifter den Destinatären dieses Recht in der Satzung eingeräumt hat.81 Dabei wird betont, dass die Entscheidung des Reichsgerichts durch Besonderheiten des preußischen Familienstiftungsrechts be-
75
Vgl. z. B. § 15 Abs. 1 S. 1 HessStiftG; § 12 Abs. 1 S. 2 BWStiftG; § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StiftG NRW; § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 NdsStiftG; § 7 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 SächsStiftG. 76 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 188 f. 77 Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (167 ff.); Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 278. 78 Vgl. die Stifterstudie 2015, S. 101, nach der mehr als die Hälfte der Stifter (sowohl natürliche als auch juristische Personen als Stifter zusammengenommen) neben dem Vorstand ein weiteres kontrollierendes und beratendes Gremium in der Satzung festgelegt haben; herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 01. 05. 2018): https://shop.stiftungen.org/media/mconnect_uploadfiles/s/t/stifterstudie_rgb_fi nal.pdf; vgl. auch Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 13. 79 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 180; Werner, ZEV 2009, 366 (371). 80 RG, Urt. v. 04. 02. 1909 – 251/08 IV, JW 1909, 160. 81 Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 563; Werner, ZEV 2009, 366 (371); Blydt-Hansen, Die Rechtsstellung der Destinatäre der rechtsfähigen Stiftung Bürgerlichen Rechts, 1998, S. 164 ff.
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einflusst sei und nicht auf das gegenwärtige Recht übertragen werden könne.82 Daneben spräche gegen die generelle Anerkennung einer Destinatärsklage, dass Destinatäre keiner Treuepflicht unterliegen würden.83 Letzteres kann keine Überzeugungskraft entfalten, da dieser Einwand denklogisch auch gegen die Möglichkeit des Stifters sprechen würde, Destinatären durch die Satzung ein entsprechendes Klagerecht einzuräumen.84 Zudem sind die Ausführungen des Reichsgerichts, nach denen Familienmitglieder in keinem gewöhnlichen Gläubigerverhältnis, sondern in einem besonderen Verhältnis zur Stiftung stünden,85 in gewisser Weise verallgemeinerungsfähig und auch für öffentliche Stiftungen fruchtbar zu machen.86 Denn der Destinatär erhält durch den Stifterwillen eine besondere Ausweisung und ist damit gerade kein quivis ex populo.87 Darüber hinaus streitet das Gebot effektiven Rechtsschutzes für die Anerkennung einer von der Satzung unabhängigen Destinatärsklage; dies gilt nicht nur für private Stiftungen,88 sondern auch für öffentliche Stiftungen. Zwar ist für private Stiftungen im Gegensatz zu öffentlichen Stiftungen grundsätzlich keine Stiftungsaufsicht vorgesehen. Jedoch wird auch für die öffentlichen Stiftungen, wie bereits angemerkt, die Effektivität der Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht zum Teil bezweifelt. Daher gewinnt das Argument des Gebots effektiven Rechtsschutzes erst recht an Überzeugungskraft, sofern der Stifter nach der internen Organisation kein Aufsichtsorgan vorgesehen hat, auch wenn dies mittlerweile nicht mehr die Mehrzahl der Stiftungen betrifft.89 Bekräftigt werden kann dies zusätzlich damit, dass durch die Befürwortung der actio pro socio rechtsformübergreifend der Gedanke der subsidiären Vertretung juristischer Personen in Ausnahmesituationen verwirklicht wird.90 Somit sprechen die besseren Argumente für die Anerkennung einer Destinatärsklage unabhängig von einer Satzungsregelung. Überzeugend ist es dabei, die Destinatärsklage im Wege einer Rechtsfortbildung als Notzuständigkeit für einen individualisierbaren Kreis an Destinatären anzusehen, sofern die Verfolgung der Ansprüche weder über die Stiftungsorgane noch extern über die Stiftungsaufsichtsbehörde erfolgt.91 82 Blydt-Hansen, Die Rechtsstellung der Destinatäre der rechtsfähigen Stiftung Bürgerlichen Rechts, 1998, S. 165; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2011), § 85 Rn. 44. 83 Vgl. Blydt-Hansen, Die Rechtsstellung der Destinatäre der rechtsfähigen Stiftung Bürgerlichen Rechts, 1998, S. 81 f. 84 Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (173); Kersting, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 57 (62). 85 RG, Urt. v. 04. 02. 1909 – 251/08 IV, JW 1909, 160. 86 Kersting, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 57 (62). 87 Kersting, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 57 (62). 88 Vgl. für private Stiftungen bzw. Familienstiftungen Wernicke, ZEV 2003, 301 (306). 89 In der Mehrzahl der Fälle ist in der Praxis ein Aufsichtsorgan vorgesehen, vgl. dazu auch bereits Kap. 5 vor A. 90 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 24. 91 Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (172 ff.); Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 24.
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Folglich kann festgehalten werden, dass das Durchsetzungsdefizit in Stiftungen nicht so groß ist, wie zum Teil angenommen. Denn bei der Mehrzahl der Stiftungen ist ein vom Vorstand unabhängiges Aufsichtsorgan vorhanden, das zur Durchsetzung der Ansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand zuständig ist. Daneben besteht zumindest die Möglichkeit, dass auch die Stiftungsaufsichtsbehörde von ihren zumeist subsidiären Befugnissen Gebrauch macht und die Ansprüche der Stiftung durchsetzt. Darüber hinaus ist auch die Anerkennung einer Destinatärsklage im Sinne einer Notzuständigkeit überzeugend. Somit kann das nur teilweise in Erscheinung tretende Durchsetzungsdefizit letztendlich die Attraktivität des Vorstandspostens in der Stiftung auch nicht wesentlich steigern. 7. Ergebnis Im Recht der Stiftung können Umstände vorliegen, die die Haftung des Vorstands erleichtern. Allerdings kann, wie gezeigt, keiner dieser Umstände die Attraktivität des Postens des Stiftungsvorstands in Anbetracht der großen Haftungsgefahr, die Millionenbeträge umfassen kann, durchgreifend steigern. Daher wird auch im Stiftungsrecht die Business Judgment Rule benötigt, um den Vorstandsposten für geeignete Kandidaten ausreichend attraktiv zu machen. Somit ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Stiftung zu übertragen.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Destinatärsklagen Die aktienrechtliche Business Judgment Rule dient dem Zweck, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.92 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Recht der Stiftung übertragen werden kann. Dies erscheint bereits aus dem Grund ausgeschlossen, dass die Stiftung keine Gesellschafter bzw. Mitglieder hat, die eine Klage erheben könnten. Allerdings gibt es die Destinatäre. Zwar sind auch Destinatäre keine Gesellschafter oder Mitglieder der Stiftung. Jedoch ist festgestellt worden, dass im Wege der Rechtsfortbildung eine Destinatärsklage i.S.e. Notzuständigkeit anzuerkennen ist. Dadurch haben Destinatäre die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand subsidiär geltend zu machen.93 Möglichweise könnten damit auch Gefahren missbräuchlicher Klagen einhergehen. Anzumerken ist jedoch, dass zumeist die wirtschaftlichen Interessen der Destinatäre mit denen der Stiftung identisch sind.94 Des Weiteren müssen Destinatäre für die Zulässigkeit der Klage den Nachweis erbringen, dass die Stiftungsaufsicht ein Einschreiten pflichtwidrig verweigert hat, und 92 93 94
Vgl. Kap. 1 D. V. Vgl. Kap. 5 B. III. 6. Kilian, in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Kap. 11 Rn. 563.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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tragen darüber hinaus das Prozess- und Prozesskostenrisiko.95 Daher ist es weitestgehend ausgeschlossen, dass von Destinatärsklagen Missbrauchsgefahren ausgehen. Die Lage im Stiftungsrecht ist damit nicht mit der des Aktienrechts vergleichbar. Folglich ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf das Stiftungsrecht übertragbar.
V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Die aktienrechtliche Business Judgment Rule erfährt ihre Legitimation dadurch, dass mit ihr ein Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft verhindert werden kann.96 Untersucht werden muss, ob diese Legitimationsgrundlage auf das Stiftungsrecht übertragen werden kann. Unternehmen haben sich ständig an die wandelnden menschlichen Bedürfnisse anzupassen, um nicht Gefahr zu laufen, vom Markt gedrängt zu werden.97 Dafür bedarf es unter anderem auch unternehmerischer Entscheidungen, die in der Regel mit Risiken verbunden sind, um z. B. neue Innovationen hervorbringen zu können.98 Sofern solche Entscheidungen aufgrund einer Risikoaversion des Vorstands nie getätigt werden, ist dies auf Dauer mit dem Ausscheiden am Markt und gleichzeitig mit negativen Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft verbunden.99 Diese Gegebenheiten können nur auf eine Stiftung übertragen werden, wenn von dieser zur Erfüllung des fremdnützigen Zwecks ein Unternehmen geführt wird. Hierbei kann die Stiftung als Unternehmensträgerstiftung oder als Beteiligungsträgerstiftung, d. h. als reine Funktionsstiftung mit Anteilen an einer unternehmenstragenden Gesellschaft, auftreten.100 Insbesondere im ersten Fall hat auch ein Stiftungsvorstand unmittelbar dafür Sorge zu tragen, dass sich das Unternehmen in der beschriebenen Weise an die sich wandelnden menschlichen Bedürfnisse anpasst. Nur dadurch kann 95 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 24; Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 195 f. 96 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 97 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 98 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 99 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 100 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 147; Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 105.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
das Stiftungsvermögen erhalten, der fremdnützige Zweck erfüllt und negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft verhindert werden. Daher muss zumindest in diesen Fällen ein Anreiz zu risikoneutralem Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft geschaffen werden. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule würde durch die damit einhergehenden Haftungserleichterungen für den Stiftungsvorstand zu einem Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen führen. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht ist in dieser Hinsicht jedoch nur erforderlich, wenn die Vorstandsmitglieder einer Stiftung grundsätzlich risikoavers eingestellt sind. Hauptberufliche Vorstandsmitglieder einer Stiftung haben ebenso wie Vorstandsmitglieder einer AG ein kaum diversifiziertes Humankapital, so dass eine Amtsenthebung einen großen finanziellen Einschnitt darstellen würde. Das trifft auf ehrenamtliche Vorstandsmitglieder nicht und auf nebenamtliche Vorstandsmitglieder einer Stiftung nicht in der gleichen Weise zu. Jedoch sind alle Vorstandsmitglieder einer großen Haftungsgefahr ausgesetzt, die unter Umständen Schadensersatzklagen in Millionenhöhe mit sich bringen kann.101 Aufgrund dieser Umstände sind Stiftungsvorstände von Grund auf risikoavers eingestellt. Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest eingeschränkt auf das Stiftungsrecht übertragen werden, da nicht bei jeder Stiftung ein Unternehmen einen Teil oder das gesamte Vermögen ausmacht. 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse des Stifters Eine Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule ist, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert.102 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-)Aktionäre, die durch ein diversifiziertes Portfolio das unsystematische Marktrisiko eliminieren können, als auch der Blockaktionäre.103 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Stiftungsrecht übertragen werden kann. Dafür müsste es in der Stiftung einen Prinzipal geben, der von risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands profitieren kann. Auf den ersten Blick scheint diese Legitimationsgrundlage im Stiftungsrecht nicht zu greifen. Zwar wird genauso wie im Akienrecht ein Anreiz dafür benötigt, dass der Vorstand, der grundsätzlich risikoavers eingestellt ist, risikoneutrale Ent-
101 102 103
Vgl. Kap. 5 B. III. Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a).
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scheidungen trifft.104 In einer Stiftung gibt es im Gegensatz zum Aktienrecht aber keine Gesellschafter, die Anteile an derselben erwerben könnten und sich davon eine wirtschaftliche Rendite in Form von einer Kurssteigerung oder einer Dividende erhoffen. Bereits im Recht der Genossenschaft ist festgestellt worden, dass ein Unterschied hinsichtlich der Art des erstrebten wirtschaftlichen Vorteils nicht von Belang ist.105 Im Stiftungsrecht muss ein zusätzlicher Wechsel der Perspektive insofern vorgenommen werden, als aufgrund der Fremdnützigkeit der Stiftung nicht wirtschaftliche bzw. materielle, sondern vielmehr immaterielle Vorteile im Vordergrund stehen. Ausgehend davon kann neben dem Stiftungsvorstand als Agenten richtigerweise der Stifter als Principal i.S.d. Principal-Agent-Theory festgehalten werden.106 Denn ein Principal i.S.d. Principal-Agent-Theory muss Ziele und eine Nutzenfunktion verfolgen und somit natürliche Person sein.107 Dagegen ist Gollan der Ansicht, dass der Stiftungszweck als Prinzipal einzuordnen sei, da es hinsichtlich der Business Judgment Rule nicht auf menschliche Reaktionen des Prinzipals, sondern auf das Handeln des Agents, also des Stiftungsvorstands, ankäme.108 Dies kann zum einen deswegen nicht überzeugen, da, wie gezeigt, die Principal-AgentTheory auf natürliche Personen ausgerichtet ist. Zum anderen kommt es auch hinsichtlich der Business Judgment Rule durchaus auf die menschlichen Reaktionen des Prinzipals an. Dies zeigt sich daran, wie die aktienrechtliche Business Judgment Rule unter anderem legitimiert werden kann. Dies offenbart die hier diskutierte Legitimationsgrundlage, nach der die Business Judgment Rule einen Anreiz für risikoneutrale Entscheidungen des Vorstands im Interesse der Aktionäre als Prinzipale bietet. Das Interesse der Aktionäre an risikoneutralen Entscheidungen stellt gerade eine menschliche Reaktion dar. Der Stifter als Prinzipal überträgt ein gewisses Kapital auf die Stiftung. Mit der Verfolgung des fremdnützigen und vom Stifter festgelegten Stiftungszwecks durch den Stiftungsvorstand erlangt der Stifter eine Nutzenmehrung, die insbesondere in immateriellen Vorteilen besteht.109 Der Stifter müsste jedoch dabei auch von risikoneutralen Entscheidungen des Stiftungsvorstands profitieren können. Der Stiftungsvorstand muss bei der Erfüllung des Stiftungszwecks unter anderem unternehmerische Entscheidungen, die in der Regel mit Risiken verbunden sind, treffen.110 Dementsprechend profitiert der Stifter von risikoneutralen Entscheidungen des Stiftungsvorstands, die zur Erfüllung des Stiftungszwecks erforderlich sind. Würde der Vorstand diese Entscheidungen nicht fällen, wäre die Erfüllung des Stiftungs104
Vgl. Kap. 5 B. V. 1. Vgl. Kap. 4 B. V. 2. 106 v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 55; Koss, in: Hopt/ v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 197 (205 ff.). 107 Koss, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 197 (205). 108 Vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 127. 109 v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 55; Koss, in: Hopt/ v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 197 (205 ff.). 110 Vgl. Kap. 5 B. I. 105
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
zwecks nur erschwert zu bewerkstelligen, so dass auch die Nutzenmehrung des Stifters in Gefahr wäre. Der Stifter hat zwar nicht dieselbe Möglichkeit wie Aktionäre, gewisse Risiken durch Diversifikation auszugleichen. Dies erscheint insofern auch nicht erforderlich, als ein Stiftungsvorstand bei der Vermögensverwaltung zur Vermögenserhaltung verpflichtet ist.111 Zudem hat der Stifter die Option, Einfluss auf die Stiftung auszuüben, indem er sich das Recht in der Satzung vorbehält, bestimmte Maßnahmen des Vorstands an seine Zustimmung zu binden.112 Über diesen Weg kann der Stifter seine Risikopräferenzen ähnlich wie Groß- bzw. Blockaktionäre in einer AG steuern.113 Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Stiftungsrechts, nach denen der Stifter insbesondere an immateriellen Vorteilen bei der Übertragung des Kapitals auf die Stiftung interessiert ist, kann diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der Stiftung übertragen werden.
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Legitimiert werden kann die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dadurch, dass dem Produktmarkt aus deutscher Sicht eine Disziplinierungswirkung des Vorstandshandelns zugeschrieben werden kann.114 Diese Legitimationsgrundlage könnte auch auf das Recht der Stiftung übertragen werden. Zumindest wirtschaftlich tätige Stiftungen, die Marktprodukte oder Dienstleistungen anbieten, sind der Kontrolle des Produktmarkts ausgesetzt.115 Hier müssen auch Stiftungsvorstände eine bestmögliche Ressourcenallokation vornehmen, um nicht vom Markt gedrängt zu werden. Denn wirtschaftlich tätige Stiftungen stehen nicht nur mit anderen Nonprofit-Organisationen im Wettbewerb, sondern auch mit erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, die verstärkt Leistungen anbieten, die zuvor ausschließlich von Nonprofit-Organisationen angeboten wurden.116 Somit hat der Produktmarkt eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Stiftungsvorstands
111
Vgl. Kap. 5 vor A. Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 99; Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 348; vgl. Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 142; Jeß, Das Verhältnis des lebenden Stifters zur Stiftung, 1991, S. 76; Saenger, ZStV 2012, 94 (97). 113 Vgl. zu den Blockaktionären Kap. 1 D. VI. 2. a). 114 Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. 115 Hopt, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 243 (252); Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 98; Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 246 ff. 116 Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 246. 112
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einer wirtschaftlich tätigen Stiftung.117 Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine gewisse Relativierung insofern vorgenommen werden muss, als sich eine Stiftung nicht ausschließlich dem Markt zuwenden wird, da zunächst der Stiftungszweck vom Vorstand zu beachten ist.118 Folglich ist festzuhalten, dass der Produktmarkt zumindest auf das Handeln des Stiftungsvorstands einer wirtschaftlich tätigen Stiftung Disziplinierungswirkung entfaltet. Dieser externe Kontrollmechanismus kann daher eingeschränkt auf das Stiftungsrecht übertragen werden.
2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass von dem Arbeitsmarkt für Manager eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.119 Möglicherweise ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch auf das Recht der Stiftung übertragbar. Anzumerken ist, dass nicht nur in der Erwerbswirtschaft ein Arbeitsmarkt für Manager existiert, sondern sich auch Vorstandsmitglieder einer Stiftung auf einem wachsenden Markt für Stiftungsvorstände beweisen müssen.120 Beweis für die Existenz dieses Marktes ist unter anderem auch, dass Stiftungen Schwierigkeiten bekommen können, geeignete und qualifizierte Personen für das Vorstandsamt zu gewinnen, sofern der Stifter Gehaltshöchstgrenzen für den Vorstand festlegt.121 Für hauptamtliche Vorstandsmitglieder wirkt dieser Kontrollmechanismus stärker als für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder.122 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Humankapital von hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern nicht diversifiziert ist, so dass eine Entlassung aus dem Amt einen starken finanziellen Einschnitt darstellen würde und zudem auch aus karrieretechnischen Gründen nicht besonders hilfreich wäre. Dagegen sind ehrenamtliche Vorstandsmitglieder einer Stiftung zumindest nicht aus finanziellen oder karrieretechnischen Gründen auf das Vorstandsamt angewiesen. Unabhängig davon ist fraglich, ob die disziplinierende Wirkung, die vom Arbeitsmarkt für Manager auf das Handeln von Vorstandsmitgliedern einer Stiftung 117 Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 247; Thymm, Das Kontrollproblem der Stiftung und die Rechtsstellung der Destinatäre, 2007, S. 120. 118 Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 98. 119 Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. 120 Hopt, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 243 (252); v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 325; Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 248; Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 98. 121 Vgl. Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2002, 157 (159) mit einem Beispiel aus der Praxis. 122 Vgl. auch Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 248.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
ausgeht, gewisse Einschränkungen erfährt. Zum einen ist hier die generelle Abberufungsmöglichkeit im Stiftungsrecht zu beleuchten. Es wird geltend gemacht, dass der Stiftungsvorstand nicht so einfach abberufen werden könne wie der Vorstand einer AG, so dass dadurch die Disziplinierungswirkung des Arbeitsmarkts für Manager eingeschränkt sei.123 § 86 S. 1 BGB verweist nicht auf § 27 Abs. 2 S. 1 BGB, so dass ein Widerruf der Bestellung des Stiftungsvorstands zu jeder Zeit nicht möglich ist. Daher ist grundsätzlich von der Möglichkeit der Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, z. B. Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder grobe Pflichtverletzung, auszugehen.124 Dieser Umstand unterscheidet sich nicht vom Aktienrecht, da auch § 84 Abs. 3 S. 1 AktG eine Abberufung aus wichtigem Grund vorsieht. In Stiftungen ist neben dem Vorstand mehrheitlich ein Aufsichtsorgan vorgesehen,125 so dass die Abberufung von dem Aufsichtsorgan bereits intern vorgenommen werden kann.126 Hinzu kommt die subsidiäre Befugnis der Stiftungsaufsichtsbehörde, die die Abberufung des Vorstands anweisen oder schlussendlich selbst vornehmen kann und muss.127 Durch die mittlerweile gestiegene Anzahl der Aufsichtsorgane in Stiftungen kann daher auch nicht mehr von einem derart großen Defizit hinsichtlich der Abberufungsmöglichkeit als solchem gesprochen werden.128 Es wird auch geltend gemacht, dass die Wirksamkeit der Abberufung im Gegensatz zum Aktienrecht durch Rechtsbehelfe hinausgezögert werden könne.129 Zwar ist § 84 Abs. 3 S. 4 AktG im Stiftungsrecht nicht analog anwendbar,130 so dass diese Möglichkeit tatsächlich besteht. Allerdings kann dies insofern relativiert werden, als entsprechende Satzungsregelungen möglich sind.131 Somit kann zwar eine gewisse Einschränkung der Abberufungsmöglichkeit des Stiftungsvorstands im Vergleich zu einem Vorstand einer AG festgehalten werden. Diese Einschränkung ist jedoch nicht so groß, wie zum Teil angenommen. Zum anderen wird die Effektivität der Disziplinierung des Handelns eines Stiftungsvorstands durch den Arbeitsmarkt für Manager aus einem anderen Grund angezweifelt. Es wird zu bedenken gegeben, dass sich die Messbarkeit des Erfolges 123 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 153; Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 248. 124 Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 365; Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 180; Lüke, in: Beuthien/Gummert/Schöpflin (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 92 Rn. 27. 125 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 126 Üblicherweise ist in mehrgliedrigen Stiftungen vorgesehen, dass das Aufsichtsorgan die Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands hat, vgl. Lunk/Rawert, in: Non Profit Law Yearbook 2001, 91 (96, 98); Saenger, ZStV 2012, 94 (95). 127 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 128 So aber noch Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 153. 129 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 153. 130 Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 86 Rn. 9; Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 184. 131 Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 184; vgl. Saenger, ZStV 2012, 94 (97).
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eines Stiftungsvorstands als schwierig gestalte, da in einer Stiftung keine Gewinnmaximierung angestrebt werde.132 Diese Problematik ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings gibt es auch im Stiftungsrecht die Möglichkeit der erfolgsabhängigen Vergütung, so dass die Leistung des Vorstands einer Stiftung, die beispielsweise ein Unternehmen führt, danach bemessen werden kann, wie rentabel gewirtschaftet wird.133 Eine gewisse Relativierung ist insofern möglich. Im Vergleich zum Aktienrecht ist demzufolge nur eine abgeschwächte Disziplinierungswirkung anzunehmen, die vom Arbeitsmarkt für Manager auf das Handeln des Stiftungsvorstands ausgeht. Folglich kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur eingeschränkt auf das Recht der Stiftung übertragen werden. 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands einer börsennotierten AG haben.134 Fraglich ist, ob dieser externe Marktmechanismus auch im Recht der Stiftung greift. Für Stiftungen gibt es im Grundsatz keinen Kapitalmarkt, der disziplinierend auf das Handeln des Vorstands wirken könnte, da der Stiftungszweck grundsätzlich aus den Vermögenserträgen der Stiftung erzielt wird und dieselbe somit nicht vom Kapitalmarkt abhängig ist.135 Zudem ist eine Stiftung auch nicht börsenfähig. Bedingt könnte jedoch von einem Kapitalmarkt i.S.e. Spendenmarkts gesprochen werden, der disziplinierend auf das Handeln des Stiftungsvorstands wirken könnte, sofern eine gewisse Abhängigkeit vom Spendenmarkt gegeben ist.136 Es hat sich ein Spendenmarkt etabliert, auf dem verschiedene Nonprofit-Organisationen miteinander im Wettbewerb um Spenden stehen.137 Aufgrund des Umstandes, dass die Spender als „Gegenleistung“ immaterielle Vorteile, wie z. B. gesellschaftliche Anerkennung oder Freude an der eigenen Großzügigkeit, erlangen, kann auch in diesem
132
Vgl. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 325. Vgl. dazu v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 325. 134 Vgl. Kap. 1 D. VII. 3. 135 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 159; vgl. Thymm, Das Kontrollproblem der Stiftung und die Rechtsstellung der Destinatäre, 2007, S. 108. 136 Vgl. Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 242; vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 160; vgl. Thymm, Das Kontrollproblem der Stiftung und die Rechtsstellung der Destinatäre, 2007, S. 108 f. 137 Hartnick, Kontrollprobleme bei Spendenorganisationen, 2007, S. 258; v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 324; Mühlenkamp, Externe Rechenschaftslegung und Berichterstattung spendenfinanzierter Organisationen, 2000, S. 50, 162. 133
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Rahmen von einem Markt gesprochen werden.138 Aggressive Praktiken bei der Spendensammlung und die zunehmende Zahl an Organisationen und Publikationen, die Spendern dabei helfen können, eine spendenwürdige Organisation zu finden, bestätigen einen scharfen Wettbewerb auf dem Spendenmarkt.139 Fraglich ist, inwieweit Stiftungen auf diesem Spendenmarkt involviert sind. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BGB muss die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks als gesichert erscheinen. Da dafür eine ausreichende Vermögensausstattung erforderlich ist, wird geltend gemacht, dass eine Stiftung grundsätzlich auch von Spenden und somit von einem Kapitalmarkt i.S.e. Spendenmarkts unabhängig sei.140 Der Umstand, dass eine Stiftung ein gewisses Grundstockvermögen benötigt, ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, dass die Stiftung nicht zusätzlich Zuwendungen in Form von Verbrauchsspenden zur Zweckerfüllung einnehmen darf.141 Zudem steht der Gesetzgeber auf dem Standpunkt, dass für § 80 Abs. 2 BGB nicht bereits ein zur Zweckerfüllung ausreichendes Anfangsvermögen vorliegen müsse, sofern mit gewisser Sicherheit weitere Zuwendungen zu erwarten seien.142 Somit legt die Gesetzesbegründung nahe, dass sogenannte Sammelstiftungen, wie beispielsweise Bürgerstiftungen, die auf weitere Zuwendungen bzw. Spenden, also auf die Spendenwerbung, angewiesen sind, zulässig sind.143 Folglich kann eine Stiftung durchaus vom Spendenmarkt abhängig sein. Bereits eine Studie aus dem Jahre 2007 hat gezeigt, dass immerhin 44,4 % der befragten Stiftungen Spenden sammeln, wobei es sich vermehrt um Kapital- bzw. Förderstiftungen handelte.144 Allerdings wird die anhaltende Niedrigzinsphase Stiftungen dazu bewegen, in Zukunft vermehrt auf die Möglichkeit der Spendensammlung zurückzugreifen, um Finanzierungslücken ausgleichen zu können.145 Die finanzpolitischen Gegebenheiten werden daher Stiftungen in den scharfen Wettbewerb des Spendenmarkts drängen, so dass Stiftungen in Zukunft stärker vom Spendenmarkt abhängig sein werden als zuvor. Somit kann 138 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 160; Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 242. 139 Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 243 f.; Hopt, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 243 (252); v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 324 f., der anmerkt, dass die Zunahme des Wettbewerbs auf dem Spendenmarkt insofern negative Folgen haben kann, als der Wettbewerb zu einer sogenannten Fundraising Spirale führt und somit immer weniger Spenden für den tatsächlich vorgesehenen Zweck verwendet werden können. 140 Thymm, Das Kontrollproblem der Stiftung und die Rechtsstellung der Destinatäre, 2007, S. 109; Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 161. 141 Hartnick, Kontrollprobleme bei Spendenorganisationen, 2007, S. 122. 142 Begr. RegE zum Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts, BT-Drucks. 14/8765, S. 8. 143 Begr. RegE zum Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts, BT-Drucks. 14/8765, S. 8; vgl. Hartnick, Kontrollprobleme bei Spendenorganisationen, 2007, S. 123 f. 144 Sandberg, Stand und Perspektiven des Stiftungsmanagements in Deutschland, 2007, S. 30. 145 Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 245 f.; vgl. Berndt/ Skiadas, WPg 2017, 586 ff.
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auch das Verhalten einer immer größer werdenden Zahl von Stiftungsvorständen durch den Kapitalmarkt i.S.e. Spendenmarkts diszipliniert werden. Darüber hinaus hat eine Stiftung allerdings keine Mitglieder bzw. Gesellschafter, so dass der Markt für Unternehmenskontrolle im Stiftungsrecht denklogisch nicht greifen kann.146 Daher ist zu konstatieren, dass dieser Kontrollmechanismus, der die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG legitimiert, zumindest insofern auf das Stiftungsrecht übertragen werden kann, als hier der Kapitalmarkt i.S.e. Spendenmarkts greift. 4. Zwischenergebnis Die Kontrollmechanismen der externen Märkte, die das Handeln des Vorstands einer AG disziplinieren, können nur bedingt auf das Stiftungsrecht übertragen werden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Transparenz im Stiftungssektor nicht sehr stark ausgeprägt ist.147 Allerdings könnten weitere, speziell dem Recht der Stiftung zugeordnete, externe Kontrollmechanismen gegeben sein, die zusätzlich das Handeln eines Stiftungsvorstands disziplinieren. Dies wird im Folgenden untersucht. 5. Kontrolle durch die Stiftungsaufsichtsbehörde Bereits mehrfach erwähnt wurde die Stiftungsaufsicht. Die Stiftungsaufsicht wird von der Stiftungsaufsichtsbehörde wahrgenommen, die auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt ist, so dass die Behörde ihr Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Stiftungsorgane setzen darf.148 Die Rechtsaufsicht dient primär dazu, dass die Stiftungsorgane insbesondere entsprechend der Satzung und des Stifterwillens handeln, um somit die Stiftung vor ihren eigenen Organen schützen zu können.149 Dabei erfolgt die Aufsicht über die Stiftungen nicht nur im Interesse der Stiftungen selbst, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit und des Staates.150 Überblicksartig können die Mittel der Stiftungsaufsicht zur Kontrollausübung wie folgt 146
v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 315; vgl. Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 98; vgl. Hopt, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 243 (252). 147 Vgl. Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 249 f. m.w.N. 148 BVerwG, Urt. v. 22. 09. 1972 – VII C 27/71, VerwRspr 1973, 668 (672 f.); Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 631; Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 49. 149 BGH, Urt. v. 03. 03. 1977 – III ZR 10/74, NJW 1977, 1148. 150 BGH, Urt. v. 22. 01. 1987 – III ZR 26/85, NJW 1987, 2364 (2365); Weitemeyer, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 50.
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zusammengefasst werden:151 Neben Berichtspflichten, Informations- und Prüfungsrechten können Befugnisse, wie z. B. die Beanstandung, Aufhebung und Anordnung von einzelnen Maßnahmen der Stiftungsorgane, aber auch Genehmigungsvorbehalte oder die Bestellung besonderer Vertreter oder Sachwalter festgehalten werden. Daneben sind bereits die Befugnisse der Stiftungsaufsicht zur Bestellung und Abberufung und zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand aufgezeigt worden.152 Die Mittel der Stiftungsaufsicht können jedoch grundsätzlich nur subsidiär ausgeübt werden und bei deren Ausübung muss auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.153 Dass die Kontrolle des Vorstandshandelns durch die Stiftungsaufsichtsbehörde in der Praxis effektiv ist, wird bestritten.154 Dennoch ist ein Eingreifen der Stiftungsaufsichtsbehörde im Einzelfall nicht ausgeschlossen, so dass der Stiftungsaufsicht zumindest eine geringfügige Kontrollwirkung nicht abzusprechen ist. 6. Kontrolle durch die Steuerbehörde Wie bereits dargestellt, sind knapp 94 % aller Stiftungen in Deutschland öffentliche Stiftungen, die in der Regel auch gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO sind und damit das steuerrechtliche Gemeinnützigkeitsrecht beachten müssen.155 Bei gemeinnützigen Stiftungen überlagern sich die Pflichten, die der Stiftungsvorstand nach dem Stiftungs- und Steuerrecht zu erfüllen hat, in wichtigen Fällen.156 Somit könnte die Tätigkeit der Finanzbehörden einen effektiven Kontrollmechanismus für das Handeln des Stiftungsvorstands darstellen. Denn die Finanzbehörde hat in diesen Fällen aus steuerrechtlicher Sicht auch ein Interesse daran, zu überprüfen, ob der Vorstand die Stiftung nach Gesetz und Satzung ordnungsgemäß geleitet hat.157 Von der Steuerbehörde wird mit Hilfe der Steuererklärungen regelmäßig überprüft, ob die steuerbegünstigten Zwecke, §§ 52 – 55, 59 AO, mit den vorhandenden Mitteln verfolgt worden sind, wofür die Stiftung die tatsächliche Geschäftsführung zum steuerrechtlichen Nachweis zu dokumentieren hat, § 63 Abs. 3 AO.158 Es gibt insbesondere bei der Verfolgung des Stiftungszwecks durch Einsatz der Vermögenswerte Überschneidungen vom Stiftungs- und Steuerrecht. Zunächst gilt das 151 Vgl. zu diesem Überblick Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 635. 152 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 153 Hof, in: v. Campenhausen/Richter, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl. 2014, § 10 Rn. 11, 13; Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 636. 154 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 155 Vgl. Kap. 5 vor A. 156 Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 330; vgl. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 209. 157 Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 331. 158 Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 316; Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 330 f.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
185
Gebot der Ausschließlichkeit, d. h. es dürfen nur die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt werden, vgl. § 56 AO. Bei der fremdnützigen bzw. gemeinnützigen Mittelverwendung ist zudem hervorzuheben, dass der Stiftungsvorstand die steuerrechtliche Pflicht der Selbstlosigkeit gem. § 55 AO zu beachten hat. Es dürfen demnach in erster Linie keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgt und zudem die Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO. Beispielsweise dürfen auch keine unverhältnismäßig hohen Vergütungen gezahlt werden, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO. Klassifiziert werden kann die Pflicht der selbstlosen Mittelverwendung als Ausprägung einer Treuepflicht.159 Aus der Pflicht zur Selbstlosigkeit folgt die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 AO. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO gegeben, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Vom Stiftungsvorstand nicht zeitnah verwendet werden müssen Mittel, die durch Gesetz, Satzung oder Zweckbindung, wie z. B. das Stiftungsvermögen, gebunden sind.160 Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 AO ist dies auch für Vermögensgegenstände, die angeschafft oder hergestellt worden sind und dem satzungsmäßigen Zweck dienen, zu beachten. Aus gemeinnütziger Sicht bislang möglich ist allerdings, dass in Holding-Fällen eine Kapitalgesellschaft Gewinne thesauriert und reinvestiert und nicht an die gemeinnützige Stiftung als Gesellschafterin derselben ausschüttet.161 So kann sich eine Beteiligungsträgerstiftung zumindest solange der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung entziehen, wie Rücklagenbildungen und Investitionen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entsprechen.162 Falls der Stiftungsvorstand Mittel unzulässig angesammelt und nicht rechtzeitig verwendet hat, kann das Finanzamt der Stiftung eine angemessene Frist für die Verwendung der Mittel setzen, vgl. § 63 Abs. 4 AO. § 63 Abs. 4 AO regelt einen vergleichsweise milden Verstoß, da keine Mittelfehlverwendung, sondern nur eine zeitlich verspätete Einsetzung der Mittel für den Zweck gegeben ist, so dass eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit hier nicht angemessen wäre.163 Mit der Frist ist der Hinweis auf das rechtswidrige Handeln verbunden, so dass der Stiftungsvorstand angehalten wird, die Mittel ordnungsgemäß zu verwenden, zumal ein Zuwiderhandeln eine grobe Pflichtverletzung darstellen würde und der Vorstand somit ab-
159 Vgl. v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (177); Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 319. 160 Thiel, DB 1992, 1900 (1901); Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 335. 161 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 166; v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 210; Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 354. 162 Vgl. BFH, Urt. v. 15. 07. 1998 – I R 156/94, NZG 1998, 1007 ff. = DStR 1998, 1710 ff.; Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 354. 163 Schauhoff, in: Schauhoff (Hrsg.), Hdb. der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 9 Rn. 34.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
berufen werden könnte.164 Sofern in einem Veranlagungszeitraum die tatsächliche Geschäftsführung zeitwillig nicht auf den steuerbegünstigten Zweck gerichtet gewesen ist, geht die Steuerbefreiung für diesen Zeitraum gem. § 63 Abs. 1 AO i.V.m. § 60 Abs. 2 AO verloren und sämtliche steuerbaren Einkünfte werden steuerpflichtig.165 Bei einer dauerhaften Fehlverwendung der Mittel kann die Stiftung sogar ihren Status als gemeinnützige Stiftung verlieren.166 Trifft eines der beschriebenen Szenarien ein, stehen der Stiftung Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand aufgrund organschaftlicher Pflichtverletzung zu.167 Geltend gemacht wird, dass diese mittelbare Kontrolle über die Steuerbehörde nicht effektiv sei, da die Durchsetzung der zivilrechtlichen Haftung in der Stiftung mit erheblichen Defiziten verbunden sei.168 Dem ist jedoch zu widersprechen, da mittlerweile bei mehr als der Hälfte der Stiftungen ein Aufsichtsorgan vorgesehen ist, das das interne Durchsetzungsdefizit ausgleichen kann.169 Zudem ist neben der Möglichkeit, dass die Stiftungsaufsicht von ihren subsidiären Durchsetzungsbefugnissen Gebrauch macht, auch eine Destinatärsklage i.S.e. Notzuständigkeit im Wege der Rechtsfortbildung anzuerkennen.170 Von einem erheblichen Durchsetzungsdefizit kann keinesfalls gesprochen werden. Ferner kann es, wenn im betreffenden Veranlagungszeitraum Spenden eingenommen worden sind, nach der Veranlasserhaftung gem. § 10b Abs. 4 S. 2 Alt. 2, S. 4 EStG, § 9 Abs. 3 S. 2 Alt. 2, S. 3 KStG zur subsidiären Spendenhaftung des Stiftungsvorstands kommen.171 Die sich aus der bezeichneten Spendenhaftung und einer möglichen Haftung nach § 69 AO ergebenden Ansprüche gegen den Stiftungsvorstand macht die Finanzbehörde selbst geltend.172 Des Weiteren sollte die oben aufgezeigte Möglichkeit einer Beteiligungsträgerstiftung, sich insbesondere dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung zu entziehen, indem die Kapitalgesellschaft, an der die Stiftung Anteile hält, Gewinne thesauriert und reinvestiert, nicht überschätzt werden. Zum einen ist nicht jede gemeinnützige Stiftung eine Beteiligungsträgerstiftung. Zum anderen läuft der Stiftungsvorstand leicht Gefahr, die zulässigen Grenzen der Thesaurierung zu überschreiten, so dass der Stiftungsvorstand in diesem Fall ebenfalls gem. § 69 164
Vgl. Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 339 f. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 167 f.; Schauhoff, in: Schauhoff (Hrsg.), Hdb. der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 9 Rn. 35. 166 Vgl. Schauhoff, in: Schauhoff (Hrsg.), Hdb. der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 9 Rn. 36. 167 Vgl. Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 339; Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 168. 168 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 168 f. 169 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 170 Vgl. Kap. 5 B. III. 6. 171 Brandl, in: Blümich, Bd. 2, 140. Aufl. 2018, § 10b EStG Rn. 148; Brandl, in: Blümich, Bd. 4, 140. Aufl. 2018, § 9 KStG Rn. 135; Schauhoff, in: Schauhoff (Hrsg.), Hdb. der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 9 Rn. 35. 172 Vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 168 f. 165
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
187
AO und der Stiftung gegenüber wegen Verletzung der organschaftlichen Pflichten haften würde.173 Darüber hinaus ist anzumerken, dass die steuerrechtlichen im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Pflichten zwingend sind. Der zwingende Charakter verbietet vornehmlich eine Befreiung oder Entlastung des Stiftungsvorstands, womit durch das Steuerrecht Lücken im Bereich des Zivilrechts geschlossen werden können.174 Folglich kann der Kontrolle des Handelns des Vorstands einer gemeinnützigen Stiftung durch die Steuerbehörde durchaus eine effektive Wirkung zugesprochen werden.175 Die Disziplinierung des Vorstands durch diesen Kontrollmechanismus ist allerdings nicht umfassend, sondern auf die gemeinnützigkeitsrelevanten Tatbestände begrenzt.176 7. Kontrolle durch die Öffentlichkeit Das Handeln eines Stiftungsvorstands könnte durch die Öffentlichkeit diszipliniert werden. Stiftungen sind auf öffentliches Vertrauen in die Integrität derselben angewiesen, das sich z. B. dadurch äußert, dass von der Politik Steuervergünstigungen für Stiftungen aufrechterhalten und diese von der Bevölkerung akzeptiert werden.177 Die Öffentlichkeit kann somit durchaus Stiftungen kontrollieren. Allerdings betrifft diese Kontrolle nicht den Stiftungsvorstand als solchen, sondern vielmehr den gesamten Stiftungssektor, wenn beispielsweise die Politik für Stiftungen nachteilige Regelungen treffen würde, was zusätzlich mit einer erheblichen Zeitverzögerung verbunden wäre.178 Somit stellt die Kontrolle durch die Öffentlichkeit keine Möglichkeit dar, das Handeln des Stiftungsvorstands zu disziplinieren. 8. Ergebnis Das Handeln des Stiftungsvorstands wird im Vergleich zum Aktienrecht nur eingeschränkt durch den Produktmarkt und Arbeitsmarkt für Manager diszipliniert. Der Kapitalmarkt greift als Kontrollmechanismus für Vorstandsmitglieder einer Stiftung lediglich i.S.e. Spendenmarkts. Die Marktkontrolle wird im Stiftungsrecht 173
Vgl. Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 354. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 210. 175 I. E. ebenso Walz, JZ 2002, 268 (271 f.); Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 344; v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (177); v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 210. 176 Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 344. 177 Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 254 ff.; Walz, Rechnungslegung und Transparenz im Dritten Sektor, 2004, S. 6. 178 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 162; vgl. auch Schmidt-Schmiedebach, Stiftung und Governance Kodex, 2016, S. 258. 174
188
Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
durch weitere externe Kontrollmechanismen ergänzt. Hier steht aus den besagten Gründen weniger die Kontrolle durch die Stiftungsaufsichtsbehörde, sondern vielmehr die Kontrolle durch die Steuerbehörde im Vordergrund. Somit kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest eingeschränkt auf das Recht der Stiftung übertragen werden.
VII. Ergebnis Im Rahmen der Untersuchung, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht auf das Recht der Stiftung übertragen werden kann, ist Folgendes festgestellt worden. Der Stiftungsvorstand muss ebenso wie der Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen und unterliegt somit auch den damit einhergehenden unwägbaren Faktoren. Zudem ist auch hier die Gefahr des Hindsight Bias existent. Des Weiteren wird parallel zum Aktienrecht die Business Judgment Rule im Recht der Stiftung benötigt, um die Attraktivität des Vorstandspostens zu steigern. Ferner ist der durch die Business Judgment Rule gewährleistete Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen zur Verhinderung negativer Allokationswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft zumindest eingeschränkt auch auf das Stiftungsrecht übertragbar. Daneben ist die Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten im Interesse des Stifters. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieses Interesse des Stifters nicht wie bei Aktionären auf lediglich wirtschaftlichen Erwägungen beruht, sondern vielmehr auch auf immaterielle Vorteile abzielt. Nicht übertragbar ist dagegen die Erwägung, dass die aktienrechtliche Business Judgment Rule damit legitimiert werden kann, dass diese zur Vermeidung missbräuchlicher Aktionärsklagen beiträgt. Zwar ist im Stiftungsrecht eine Destinatärsklage anzuerkennen, jedoch konnte aufgrund der Interessenlage nicht festgehalten werden, dass von Destinatärsklagen erhöhte Missbrauchsgefahren ausgehen. Die Kontrolle des Vorstandshandelns durch externe Marktmechanismen greift zumindest eingeschränkt im Stiftungsrecht. Die geringe Missbrauchsgefahr, die von Destinatärsklagen ausgeht, verringert zwar die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht in gewisser Weise. Doch aufgrund dessen, dass selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt hat,179 kann diese Legitimationsgrundlage nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellen. Somit ist der Umstand, dass von den Destinatärsklagen kaum Missbrauchsgefahren ausgehen, nicht entscheidend dafür, dass die Business Judgment Rule nicht im Stiftungsrecht angewendet werden kann. Die eingeschränkte Kontrolle des Vorstandshandelns durch die Marktmechanismen kann auch nicht ausschlaggebend dafür sein, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht nicht auf das Stiftungsrecht übertragbar 179
Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in methodischer Hinsicht
189
ist. Dafür spricht, dass auch in verschiedenen Formen der AG, wie z. B. in der börsennotierten und nicht börsennotierten AG, unterschiedliche Kontrollstrukturen vorliegen. Die unterschiedlichen Kontrollstrukturen haben den Gesetzgeber jedoch nicht dazu veranlasst, hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zwischen verschiedenen Formen der AG zu differenzieren.180 Zudem wird die Kontrolle durch Marktmechanismen im Recht der Stiftung durch weitere externe Kontrollmechanismen ergänzt. Insbesondere die Kontrolle des Vorstands einer gemeinnützigen Stiftung durch die Steuerbehörde erweist sich im Rahmen der stiftungsrechtlichen und steuerrechtlichen Pflichten, die sich überschneiden, als effektiv. Folglich ist die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht im Recht der Stiftung anwendbar.
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Stiftung in methodischer Hinsicht Aus methodischer Perspektive könnte eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Stiftungsrecht angezeigt sein. Dafür sind eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vonnöten. Zunächst stellt sich die Frage, ob im Recht der Stiftung tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. Dagegen könnte möglicherweise § 670 BGB sprechen, der gem. § 86 S. 1 BGB i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB im Stiftungsrecht anwendbar ist. Zwar lässt der Wortlaut des § 670 BGB auf einen gewissen Ermessensspielraum schließen, jedoch regelt § 670 BGB lediglich den Ersatz von Aufwendungen, wohingegen es bei der Business Judgment Rule um pflichtgemäßes Vorstandshandeln im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit geht.181 Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke wird somit durch die Vorschrift des § 670 BGB nicht ausgeschlossen. Daher ist auch im Recht der Stiftung eine bewusste Regelungslücke anzunehmen, da der Gesetzgeber festgehalten hat, dass der Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens nicht auf das Aktienrecht beschränkt ist.182 Eine bewusste Regelungslücke steht der Planwidrigkeit jedoch nicht entgegen, da es der Gesetzgeber ausdrücklich der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat, 180 So zu Recht v. Hippel, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, 167 (176); vgl. zu diesem Argument auch Kap. 2 C. VII., Kap. 3 B. VII. und Kap. 4 B. VII.; dagegen wird zum Teil dem Funktionieren der Marktmechanismen eine entscheidende Bedeutung zugemessen, vgl. Thymm, Das Kontrollproblem der Stiftung und die Rechtsstellung der Destinatäre, 2007, S. 172 ff.; vgl. Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 269. 181 Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, 2009, S. 268. 182 Vgl. Kap. 3 C. I.
190
Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
die Regelungslücke außerhalb des Aktienrechts zu füllen.183 Folglich kann eine planwidrige Regelungslücke festgehalten werden. Dass eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, ist bereits bei der Untersuchung, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht auf das Stiftungsrecht übertragbar ist, festgestellt worden. Somit ist die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in methodischer Hinsicht analog auf das Recht der Stiftung übertragbar. Damit sich ein Stiftungsvorstand auf das unternehmerische Ermessen berufen kann, müssen daher auch die Voraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog vorliegen. D. h. der Stiftungsvorstand muss eine unternehmerische Entscheidung treffen, zum Wohle der Stiftung handeln, die Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information und frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen fällen und zudem in gutem Glauben sein.
D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung Ob und wenn ja, welche Besonderheiten bei der analogen Awendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Stiftungsrecht beachtet werden müssen, wird im Folgenden untersucht.
I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule 1. Statutarische Rechte des Stifters Der Stifter hat die Möglichkeit, sich in der Satzung das Recht vorzubehalten, bestimmte Maßnahmen des Stiftungsvorstands an seine Zustimmung zu binden, um so Einfluss auf die Stiftung zu nehmen.184 Sofern der Stifter von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist im Rahmen der Maßnahmen, die von dem Zustimmungsvorbehalt des Stifters erfasst sind, der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen. In diesen Fällen kann dem Stiftungsvorstand kein unternehmerisches Ermessen zugestanden werden, da dieser die Maßnahme dem Stifter zur Entscheidung vorlegen muss.
183 184
Vgl. Kap. 3 C. I. Vgl. Kap. 5 B. V. 2.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
191
2. Statutarisches Weisungsrecht des Aufsichtsorgans Derzeit sind bei mehr als der Hälfte der Stiftungen Aufsichtsorgane vorgesehen.185 Dem Aufsichtsorgan können in der Satzung Weisungsbefugnisse bzw. auch Zustimmungsvorbehalte gegenüber dem Stiftungsvorstand zugestanden werden, was in der Praxis auch nicht unüblich ist.186 Die Weisungsbefugnis lässt sich auf eine Letztentscheidungskompetenz zuspitzen, wobei allerdings zu beachten ist, dass durch eine solche Regelung die Geschäftsführung des Vorstands nicht faktisch auf das Aufsichtsorgan übertragen werden darf.187 Wenn das Aufsichtsorgan von dessen Weisungsbefugnis Gebrauch macht, hat der Stiftungsvorstand die Weisungen auszuführen. Da die Weisungen schlicht auszuführen sind, steht dem Stiftungsvorstand hier auch kein unternehmerischer Ermessensspielraum zu, so dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen ist. Allerdings ist bei rechtmäßigen Weisungen eine Haftung des Stiftungsvorstands sowieso ausgeschlossen.188
II. Interessenkonflikte Der Stiftungsvorstand muss die unternehmerische Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz treffen, damit er in den Genuss der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog kommt.189 Diese Voraussetzung der Business Judgment Rule könnte ein Stiftungsvorstand aufgrund bestimmter Gegebenheiten im Stiftungsrecht seltener erfüllen als der Vorstand einer AG. Genauso wie der Vorstand einer AG die AG gem. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG vertritt, hat auch der Stiftungsvorstand die Stiftung nach § 86 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Im Aktienrecht legt § 112 S. 1 AktG zwingend fest, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften zwischen ihr und Vorstandsmitgliedern vertritt, so dass § 181 Alt. 1 BGB so gut wie gegenstandslos ist.190 Eine dem § 112 S. 1 AktG entsprechende Regelung ist im Stiftungsrecht allerdings nicht vorgesehen. Dafür gilt für Rechtsgeschäfte zwischen der Stiftung und den Vorstandsmitgliedern der Stiftung § 181 Alt. 1 BGB.191 Die Vorstandsmitglieder können jedoch allgemein oder einzelfallbezogen von dem Verbot des Selbstkontrahierens
185 186 187 188 189 190 191
Vgl. Kap. 5 B. III. 6. Vgl. bereits Kap. 5 B. III. 1.; vgl. auch Schwintek, Vorstandskontrolle, 2001, S. 370. Sieger/Bank, NZG 2010, 641 (643); Saenger, ZStV 2012, 94 (97). Vgl. Koch, WM 2016, 2105 (2109). Vgl. Kap. 5 C. Vgl. Kap. 3 D. II. Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 594.
192
Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
durch eine Regelung in der Satzung befreit werden.192 Wenn eine solche Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens gegeben ist, kann ein Vorstandsmitglied zwischen ihm selbst und der Stiftung ein Rechtsgeschäft abschließen. Dass bei solchen Rechtsgeschäften ein Interessenkonflikt besteht, ist offensichtlich. Aufgrund dessen wird bei einem Stiftungsvorstand häufiger ein Interessenkonflikt vorzufinden sein als bei dem Vorstand einer AG. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog nicht erfüllt.
III. Handeln auf Grundlage angemessener Information Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog setzt voraus, dass der Stiftungsvorstand auf Grundlage angemessener Information handelt. Möglicherweise könnten die Anforderungen an die angemessene Information für den Stiftungsvorstand höher ausfallen als für den Vorstand einer AG. Stürner wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob sich die Geschäftsleitung einer NonprofitOrganisation als Treuhänderin für ideelle, fremdnützige Zwecke eingesetzten Vermögens noch eingehender und noch präziser informieren müsse als ihr For-ProfitPendant.193 Bereits mit einem Blick in die Praxis lässt sich dem entgegnen, dass nach Ansicht des BGH der Vorstand einer AG alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen muss.194 Auch wenn diese Ansicht nicht überzeugend erscheint,195 hält der BGH bislang daran fest. Somit ist es derzeit in der Praxis von vornherein nicht möglich, dass sich ein Stiftungsvorstand noch eingehender und präziser informieren könnte als der Vorstand einer AG. Doch abgesehen davon, stehen der Überlegung auch grundsätzliche Bedenken gegenüber. Mit dieser Erwägung sind zum einen nur schwer genauere Verhaltensvorgaben festzuhalten.196 Somit würden Rechtsunsicherheiten entstehen. Zum anderen ist es nicht plausibel, den Grad der Informiertheit pauschal an den zu verfolgenden Zweck zu koppeln. Unabhängig davon, ob eine Stiftung einen fremdnützigen Zweck oder eine AG einen nicht fremdnützigen Zweck verfolgt, kann es vielmehr nur auf die anstehende Entscheidung selbst ankommen, nach der sich der Grad der angemessenen Information richtet. Dabei sind die Umstände der Entscheidung, wie z. B. der Faktor Zeit, die Art und Bedeutung der Entscheidung, die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Informationsgewinnung sowie die Abwägung der Kosten und Nutzen maßgeblich.197 Dass hierbei der verfolgte Zweck unter anderem auch eine gewisse 192 Schwake, in: Beuthien/Gummert/Schöpflin (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 79 Rn. 315; Meyn, in: Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, 3. Aufl. 2013, Rn. 594. 193 Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 390. 194 Vgl. Kap. 1 B. III. 195 Vgl. Kap. 1 B. III. 196 Dies konzediert selbst Stürner, Geschäftsleitung in fremdnützigen Organisationen, 2014, S. 390. 197 Vgl. Kap. 1 B. III.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
193
Bedeutung haben kann, soll nicht ausgeschlossen werden. Doch kann nicht allein die Art des verfolgten Zwecks maßgeblich sein. Demzufolge kann nicht pauschal anhand des verfolgten, fremdnützigen Zwecks festgehalten werden, dass sich ein Stiftungsvorstand eingehender informieren muss als der Vorstand einer AG. Somit ergibt sich daraus keine Modifikation, die bei der analogen Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Stiftungsrecht zu beachten wäre.
IV. Beweislast Im Aktienrecht sind Vorstandsmitglieder darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, da sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf die Business Judgment Rule bezieht.198 Möglicherweise ist § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Stiftungsrecht analog anwendbar. Falls dies bejaht werden kann, hätte der Stiftungsvorstand darzulegen und zu beweisen, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat und dass ihn auch kein Verschulden trifft. Der Stiftungsvorstand hätte so auch die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darzulegen und zu beweisen. Dafür müssten eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Anzumerken ist, dass die zentrale Anspruchsgrundlage bei Schadensersatzansprüchen der Stiftung gegenüber dem Vorstandsmitglied § 280 Abs. 1 BGB darstellt.199 An der planwidrigen Regelungslücke könnte gezweifelt werden, da § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bereits eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens normiert. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift lediglich vor Augen gehabt hat, das allgemeine Leistungsstörungsrecht sachgerecht zu regeln. Dass der Gesetzgeber damit auch sämtlichen Besonderheiten des Stiftungsrechts abschließend gerecht werden wollte, kann nicht angenommen werden. Folglich ist festzuhalten, dass § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Beweislast zumindest hinsichtlich des Stiftungsrechts nicht abschließend regelt und somit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Zudem müsste eine vergleichbare Interessenlage gegeben sein. Hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG steht der Gedanke, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft in einer Beweisnot wäre.200 Damit eine vergleichbare Interessenlage bejaht werden kann, müsste dies auch auf die Stiftung zutreffen. Hier muss allerdings differenziert werden. Nach der Grundkonzeption des Gesetzes ist in einer Stiftung als einziges Organ nur der Vorstand vorgesehen. Der Vorstand ist damit auch für die Verfolgung der Scha198 199 200
Vgl. Kap. 1 A. IV. Vgl. Kap. 5 vor A. Vgl. Kap. 1 A. IV.
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Kap. 5: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Stiftung
densersatzansprüche der Stiftung gegenüber Vorstandsmitgliedern zuständig.201 In diesem Fall liegt offenkundig kein Wissensvorsprung des Vorstandsmitglieds gegenüber der Stiftung vor und auch die Stiftung wäre in keiner Beweisnot. Mittlerweile ist jedoch bei der Mehrzahl der Stiftungen ein Aufsichtsorgan vorgesehen, dem sodann auch die Befugnis obliegt, die Ansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand geltend zu machen.202 Grundsätzlich ist das Aufsichtsorgan nicht in die Entscheidungsabläufe des Stiftungsvorstands eingebunden, so dass daher in dieser Konstellation durchaus von einer Beweisnot der Stiftung bei der Anspruchsverfolgung gesprochen werden kann. Nicht übersehen werden darf allerdings, dass eine Regelung in der Satzung, nach der dem Aufsichtsorgan eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Stiftungsvorstand zusteht, rechtlich zulässig ist.203 Über ein in der Satzung verankertes Weisungsrecht kann sich das Aufsichtsorgan genauso wie beispielsweise die Gesellschafterversammlung in der GmbH204 aktiv an der Geschäftsführung der Stiftung beteiligen. Dadurch ist das Aufsichtsorgan viel stärker in die Entscheidungsprozesse der Stiftung eingebunden als der Aufsichtsrat einer AG, so dass in diesem Fall eine Beweisnot der Stiftung nicht angenommen werden kann. Definitiv in einer Beweisnot befindet sich die Stiftung, wenn deren Ansprüche gegenüber dem Vorstand subsidiär von der Stiftungsaufsichtsbehörde oder über die Destinatärsklage geltend gemacht werden. Daher ist zu konstatieren, dass eine vergleichbare Interessenlage nur vorliegt, wenn ein Aufsichtsorgan ohne Weisungsbefugnis und die Stiftungsaufsichtsbehörde oder Destinatäre subsidiär die Ansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand geltend machen. Hier ist eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG möglich und angezeigt. In allen anderen Fällen trägt der Stiftungsvorstand nicht die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Pflichtwidrigkeit und damit auch nicht für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog.
E. Ergebnis Die aktienrechtliche Business Judgment Rule ist sowohl in sachlicher als auch methodischer Hinsicht auf das Stiftungsrecht übertragbar. In methodischer Hinsicht kommt die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog zur Anwendung. Bei der analogen Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Stiftungsrecht sind Besonderheiten zu beachten.
201 202 203 204
Vgl. Kap. 5 B. III. 6. Vgl. Kap. 5 B. III. 6. Vgl. Kap. 5 B. III. 1. Vgl. Kap. 3 D. IV.
E. Ergebnis
195
Die erste Besonderheit ist, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht von vornherein eingeschränkt sein kann. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Stifter in der Satzung das Recht vorbehalten kann, dass bestimmte Maßnahmen des Stiftungsvorstands an die Zustimmung des Stifters gebunden sind. Zudem kann die Satzung vorsehen, dass der Stiftungsvorstand an die Weisungen oder Zustimmungsvorbehalte eines Aufsichtsorgans gebunden ist. In diesen Fällen ist der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen. Eine weitere Besonderheit ist darin zu sehen, dass Mitglieder des Vorstands einer Stiftung über die Satzung vom Verbot des § 181 BGB befreit werden können. Aus der Möglichkeit, Insichgeschäfte mit sich und der Stiftung vorzunehmen, folgt, dass die Vorstandsmitglieder dabei in einem Interessenkonflikt stehen und deswegen die Voraussetzungen der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht seltener erfüllt sein werden. Eine dritte Besonderheit betrifft die Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen der Business Judgment Rule. Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ist nur möglich, wenn ein Aufsichtsorgan ohne Weisungsbefugnis und die Stiftungsaufsichtsbehörde oder Destinatäre subsidiär die Ansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand geltend machen. In allen anderen Fällen trägt der Stiftungsvorstand nicht die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Pflichtwidrigkeit und damit auch nicht für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog.
Kapitel 6
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins Das BGB gibt eine Definition des Begriffes des Vereins nicht vor. Rechtsprechung und Literatur definieren den Verein als eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist.1 In §§ 21, 22 BGB wird zwischen einem nicht wirtschaftlichen und einem wirtschaftlichen Verein differenziert.2 Der nicht wirtschaftliche Verein nach § 21 BGB wird auch als Idealverein bezeichnet.3 Der Verein ist als juristische Person des Privatrechts rechtsfähig, wobei sich der Erwerb der Rechtsfähigkeit beim Idealverein nach § 21 BGB durch Eintragung ins Vereinsregister und beim wirtschaftlichen Verein nach § 22 BGB durch staatliche Verleihung vollzieht.4 Entscheidend für die Einordnung als nicht wirtschaftlicher oder wirtschaftlicher Verein ist, ob der zu verfolgende Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist oder nicht, vgl. §§ 21, 22 BGB. Die Abgrenzung erfolgt nach der heute herrschenden Meinung gem. eines typologischen Ansatzes,5 nach dem drei Typen wirtschaftliche Vereine darstellen, zum einen der Volltypus des unternehmerischen Vereins,6 zum anderen Vereine mit unternehme1 RG, Urt. v. 18. 01. 1934 – IV 369/33, RGZ 143, 212 (213); Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 25; Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 44; vgl. Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 22 Rn. 1. 2 Auf den nicht rechtsfähigen Verein i.S.d. § 54 BGB wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht Bezug genommen. 3 Vgl. Lutter, ZIP 2007, 841 (848); vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 8. 4 Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 8; Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 22 Rn. 53. 5 Entwickelt von K. Schmidt, vgl. z. B. K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1 (16 ff.); dem folgend BayObLG, Beschl. v. 08. 04. 1998 – 3 Z BR 302/97, NZG 1998, 606; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 12. 1997 – 3 Wx 488/97, 273 f.; KG, Beschl. v. 26. 10. 2004 – 1 W 269/04, NJW-RR 2005, 339 (340); Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 24 ff.; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 93 ff.; Weick, in: Staudinger (2005), § 21 Rn. 5 ff. 6 Der Volltypus des unternehmerischen Vereins ist dadurch gekennzeichnet, dass er an einem äußeren Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet, vgl. K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1 (16); Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7.
A. Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule
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rischer Tätigkeit an einem inneren Markt7 sowie Vereine zum Zwecke der genossenschaftlichen Kooperation.8 Allerdings gilt das sogenannte Nebenzweckprivileg, wonach diese drei Betätigungsformen für den idealen Charakter eines Vereins unschädlich sind, sofern sie lediglich als Nebentätigkeit wahrgenommen werden.9 Der Verein hat mit der Gesamtheit der Mitglieder und dem Vorstand, vgl. §§ 26 ff. BGB, zwei notwendige Organe, wobei daneben fakultativ weitere Organe gebildet werden können.10 Das Leitungsorgan des Vereins ist der Vorstand, dem insbesondere die Aufgaben der Geschäftsführung, vgl. § 27 Abs. 3 BGB, und Vertretung, § 26 Abs. 1 S. 2 BGB, des Vereins obliegen.11 Für die Geschäftsführung des Vorstands kommen die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 ff. BGB entsprechend zur Anwendung, vgl. § 27 Abs. 3 BGB.12 Anzumerken ist, dass das BGB für das Vereinsrecht keine den §§ 93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG entsprechende Regelung über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit des Vorstands gegenüber dem Verein (Innenhaftung) enthält.13 Die maßgebliche Haftungsgrundlage für die organschaftliche Innenhaftung des Vorstands gegenüber dem Verein ist daher §§ 27 Abs. 3, 664 ff. BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB.14 Ob sich in dieses Innenhaftungssystem des Vereinsrechts die Anwendung der Business Judgment Rule rechtfertigen lässt, wird im Folgenden untersucht.
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins Die überwiegende Ansicht in der Literatur steht auf dem Standpunkt, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins anzu7 Dieser Typus kann in Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 5 GenG a.F. durch eine planmäßige, entgeltliche, anbietende Tätigkeit an einem Binnenmarkt, d. h. der Markt, an dem die Leistungen des Vereins angeboten werden, besteht nur aus Mitgliedern des Vereins, charakterisiert werden, vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 28; K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1 (17). 8 Zu Vereinen zum Zwecke der genossenschaftlichen Kooperation zählt insbesondere ein Verein mit ausgelagerten Teilfunktionen der an ihm beteiligten Unternehmen, vgl. K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1 (17); Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 103. 9 Reuter, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 22 Rn. 8; vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 33 ff. 10 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 3. 11 Ehlers, NJW 2011, 2689; Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 3. 12 Unger, NJW 2009, 3269 (3270); Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (90). 13 Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (707); vgl. Unger, NJW 2009, 3269 (3270); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 7. 14 Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (90 f.); Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (36); Unger, NJW 2009, 3269 (3270).
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
wenden sei.15 Dabei wird zum Teil angemerkt, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Ausstrahlwirkung auf das gesamte Zivilrecht habe und eine analoge Anwendung im Vereinsrecht in Betracht komme.16 Weitere Stimmen sprechen von einer entsprechenden Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG,17 wohingegen andere schlicht von einer Anwendung der Business Judgment Rule im Recht des Vereins ausgehen, ohne dies methodisch näher zu begründen.18 Zur sachlichen Begründung wird insbesondere angeführt, dass kein Grund ersichtlich sei, warum Vereinsvorstände im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen schärfer haften müssten als der Vorstand einer AG.19 Zudem seien auch die Zwecke des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, wie die Vermeidung der Risikoaversion der Organmitglieder und die schwierige gerichtliche Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen, bei denen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen, auf Vereinsvorstände übertragbar.20 Ohne begrifflich auf die Business Judgment Rule einzugehen, vertritt auch eine weitere Auffassung, dass dem Vereinsvorstand ein Ermessensspielraum zustünde.21 Dagegen vertritt Jungmann, dass eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG außerhalb des Aktienrechts und somit auch im Recht des Vereins nicht in Betracht komme.22 Ob eine Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins sowohl in sachlicher als auch methodischer Hinsicht überzeugend ist, wird im Folgenden untersucht. Zunächst wird geprüft, ob in sachlicher Hinsicht die Legitimationsgrundlagen der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Vereinsrecht übertragen werden können.
15
Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 28; Heermann, NJW 2016, 1687 (1689); Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (37 f.); Unger, NJW 2009, 3269 (3272); Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (95 f.); Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 41; Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (710); Lutter, ZIP 2007, 841 (848), der anmerkt, dass die Business Judgment Rule sowohl auf den wirtschaftlichen Verein nach § 22 BGB und den „echten“ Idealverein nach § 21 BGB anwendbar sei. 16 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 28. 17 Heermann, NJW 2016, 1687 (1689); Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (37 f.). 18 Unger, NJW 2009, 3269 (3272); Arnold, in: Non Profit Law Yearbook 2009, 89 (95 f.); Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (710); Leuering/Keßler, NJW-Spezial 2017, 335. 19 Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (710); Heermann, NJW 2016, 1687 (1689). 20 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (37 f.). 21 Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 207 f. 22 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (850).
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Bei der Darstellung der Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist gezeigt worden, dass unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren unterliegen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen.23 Dabei existieren für unternehmerische Entscheidungen keine Handlungsmaximen, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten.24 Dafür, dass diese Legitimationsgrundlage auf das Recht des Vereins übertragbar ist, müsste der Vereinsvorstand in vergleichbarer Weise zu dem Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen. Geht es insbesondere um die Art und Weise der Verwirklichung der satzungsmäßigen Zwecke, hat auch der Vereinsvorstand gleichermaßen wie der Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen zu treffen.25 Allerdings wird zum Teil geltend gemacht, dass bei einem Idealverein nach § 21 BGB unternehmerische Entscheidungen eher selten seien.26 Doch auch hier hat die Zahl der unternehmerischen Entscheidungen, vorwiegend in Großvereinen, aufgrund der großzügigen Anwendung des bereits erwähnten Nebenzweckprivilegs zugenommen.27 Zudem ist unabhängig davon, ob der Verein wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich tätig ist, festzuhalten, dass sich der Erfolg von Leitungsmaßnahmen des Vereinsvorstands nicht mit Sicherheit vorhersehen lässt.28 Somit kann durchaus festgehalten werden, dass der Vereinsvorstand in vergleichbarer Weise zu dem Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen auf der Grundlage unwägbarer Faktoren treffen muss. Demzufolge greift diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch im Vereinsrecht.
II. Gefahr des Hindsight Bias Eine Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist, dass durch deren Geltung die Gefahr des Hindsight Bias eingedämmt 23 24 25 26 27 28
Vgl. Kap. 1 D. I. Vgl. Kap. 1 D. I. Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (38). Lutter, ZIP 2007, 841 (848). Heermann, NJW 2016, 1687 (1689). Vgl. Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 207.
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
wird.29 Diese Legitimationsgrundlage könnte auf das Recht des Vereins übertragbar sein. Vereinsvorstände müssen in vergleichbarer Weise zu dem Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen.30 Daher würde dem Richter, der den Schadenseintritt kennt, die Gefahr des Hindsight Bias bei der inhaltlich uneingeschränkten Überprüfung jener Entscheidungen im Vereinsrecht aus der ex-antePerspektive in einer Weise, die der des Aktienrechts entspricht, drohen. Dementsprechend würde die Anwendung der Business Judgment Rule auch im Vereinsrecht zur Eindämmung der Gefahr des Hindsight Bias beitragen. Somit ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Vereinsrecht übertragbar.
III. Steigerung der Attraktivität von Vorstandsposten Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass durch deren Geltung die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG gesteigert wird.31 Diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule könnte auch im Recht des Vereins greifen. Dafür müssten den Vereinsvorständen erhebliche Haftungsgefahren drohen, die nicht bereits durch entsprechende Regelungen des Vereinsrechts ausgeglichen werden können. Die Innenhaftung des Vorstands gegenüber dem Verein richtet sich maßgeblich nach den §§ 27 Abs. 3, 664 ff. BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB.32 Im Rahmen der Innenhaftung ist zum einen zu konstatieren, dass die Regressmentalität im Vereinsrecht immer stärker zunimmt, so dass parallel dazu die Haftungsrisiken der Vereinsvorstände steigen.33 Die dabei geltend gemachten Haftungssummen erreichen selbst bei kleineren Vereinen Beträge, die die Vorstandsmitglieder, die oftmals lediglich ehrenamtlich tätig sind, „Haus und Hof“ kosten34 bzw. für die Vorstandsmitglieder existenzgefährdend35 sein können. Beispielhaft kann dies ein Urteil des LG Kaiserslautern verdeutlichen, nach dem der Vorstand gegenüber dem Verein wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Rahmen seiner Vorstandstätigkeit zu einer Zahlung von 521.239 E verpflichtet worden ist.36 Demzufolge sind Vorstandsmitglieder eines Vereins großen Haftungsgefahren ausgesetzt. Daher ist im 29 30 31 32 33 34 35 36
Vgl. Kap. 1 D. II. Vgl. Kap. 6 B. I. Vgl. Kap. 1 D. IV. Vgl. Kap. 6 vor A. Ehlers, NJW 2011, 2689; vgl. Heermann, NJW 2016, 1687. Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 3. Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (706). LG Kaiserslautern, Urt. v. 11. 05. 2005 – 3 O 662/03, VersR 2005, 1090 (1092).
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
201
Folgenden zu prüfen, ob im Vereinsrecht bereits Regelungen vorzufinden sind, die diese erheblichen Haftungsgefahren ausreichend reduzieren können. 1. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Diskutiert wird die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelten arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung37 auf den Vereinsvorstand analoge Anwendung finden.38 Eine Anwendung dieser Grundsätze könnte zu einer ausreichenden Steigerung der Attraktivität des Vorstandspostens im Verein führen. Von einer Meinung wird angeführt, dass die analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf Vorstandsmitglieder, die eine arbeitnehmerähnliche Stellung haben, in Betracht komme.39 Eine andere Ansicht steht auf dem Standpunkt, dass diese Grundsätze weder für einen haupt- noch ehrenamtlichen Vereinsvorstand analog angewendet werden könnten.40 Dagegen wird teilweise angeführt, dass eine analoge Anwendung zumindest auf ehrenamtliche Vorstandsmitglieder überzeugend sei.41 Die erste Meinung ist aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, da für die Frage, ab wann von einer arbeitnehmerähnlichen Stellung gesprochen werden kann, nicht für jeden Fall geltende Voraussetzungen vorgetragen werden. Für die Ansicht, die die analoge Anwendung generell ablehnt, spricht, dass Vereinsvorständen die Aufgabe obliegt, den Verein zu leiten, also die Geschäftsführungsaufgaben zu erledigen und den Verein zu vertreten.42 Dies gilt auch für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, so dass auch diesbezüglich eine Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern nicht in Betracht 37
Vgl. dazu Kap. 1 D. IV. 1. Zumindest für ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder hat der BGH eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bejaht, vgl. BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (158 f.) = NJW 1984, 789 (790). 39 LG Bonn, Urt. v. 10. 04. 1995 – 10 O 390/94, NJW-RR 1995, 1435; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 20. 40 Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 214 ff.; Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (713 f.); Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (42 f.); derselben Ansicht ist wohl auch der BGH, der betont, dass sein Urteil darüber, dass die arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung analog auf ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder anwendbar seien, nicht im Widerspruch zu einem früheren Urteil des BGH, nach dem die arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht auf den Vorstand einer eG anwendbar seien, stünde, vgl. BGH, Urt. v. 05. 12. 1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (159) = NJW 1984, 789 (790) mit Verweis auf BGH, Urt. v. 27. 02. 1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467. 41 Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 20; Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 27 Rn. 23; K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 14 V 1; Weick, in: Staudinger (2005), § 26 Rn. 25. 42 Den Leitungsaspekt betont auch Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 215. 38
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
kommt. Zudem hat das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vereinsvorstand gem. § 27 Abs. 3 BGB i.V.m. § 665 BGB nicht dieselbe Intensität wie das Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer.43 Folglich ist eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf sämtliche Vorstandsmitglieder eines Vereins mangels vergleichbarer Interessenlage nicht überzeugend. 2. § 31a Abs. 1 S. 1 BGB § 31a BGB könnte zumindest zu einer Steigerung der Attraktivität des ehrenamtlichen Vorstandspostens in einem Verein führen. Nach § 31a Abs. 1 S. 1 BGB haften Vorstandsmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 720 E jährlich nicht übersteigt, erhalten, dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Mit § 31a BGB ist sowohl die Begrenzung des Haftungsrisikos ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder als auch die Stärkung des Engagements zur ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit in Vereinen bezweckt.44 Von § 31a Abs. 1 S. 1 BGB ist der gesamte Bereich der Innenhaftung der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder gegenüber dem Verein erfasst.45 Im Wege eines Umkehrschlusses muss daher, dass § 40 S. 1 BGB lediglich auf § 31a Abs. 1 S. 2 BGB verweist, gefolgert werden, dass § 31a Abs. 1 S. 1 BGB von zwingender Natur ist.46 Allerdings liegt es in der Hand des Vereins, diese Vorschrift, die eine Schadensverlagerung zu Lasten des Vereins und dessen Mitglieder mit sich bringt,47 auszuschließen, indem in der Satzung geregelt wird, dass Vorstandsmitglieder eine jährliche Vergütung von mehr als 720 E erhalten.48 § 31a BGB lässt somit den ehrenamtlichen Vorstandsposten grundsätzlich attraktiver erscheinen. Der Verein hat jedoch, wie beschrieben, die Möglichkeit, diese Vorschrift zu umgehen. Vereine haben ein Interesse an sorgfältigem Vorstandshandeln. Insofern werden Vereine gewillt sein, auch Schadensersatzansprüche gegen ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, die auf einfacher Fahrlässigkeit seitens des Vorstands beruhen, verfolgen zu können. Daher wird nicht jeder Verein vorschnell 43 Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (713); vgl. auch Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 215. 44 Vgl. Begr. GesetzE des Bundesrates zum Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen, BT-Drucks. 16/10120, S. 1. 45 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 63; vgl. Ehlers, NJW 2011, 2689 (2690). 46 Burgard, ZIP 2010, 358 (364); vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 31a Rn. 2. 47 Vgl. Begr. GesetzE des Bundesrates zum Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen, BT-Drucks. 16/10120, Anlage 2, S. 10. 48 Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 31a Rn. 2; vgl. Burgard, ZIP 2010, 358 (364).
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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von solch einer Satzungsregelung absehen. Angesichts der potentiell hohen Schadenssummen, für die eine Regressmöglichkeit des Vereins ausscheiden würde, und der dazu im Vergleich gering erscheinenden jährlichen Vorstandsvergütung von zumindest mehr als 720 E, die für jeden Verein aus finanziellen Gesichtspunkten im Bereich des Möglichen liegen sollte, sind derartige Satzungsregelungen nicht unwahrscheinlich. Aufgrund der Umgehungsmöglichkeit wird durch § 31a BGB die Haftung für ehrenamtliche Vorstandsmitglieder nicht pauschal in jedem Verein beschränkt. Somit ist mit § 31a BGB eine ausreichende Steigerung der Attraktivität des ehrenamtlichen Vorstandspostens nicht gewährleistet. 3. Milderung des Haftungsmaßstabs Der Haftungsmaßstab des Vereinsvorstands kann auch außerhalb des Geltungsbereichs des § 31a BGB im Vorhinein bis zur Grenze des § 276 Abs. 3 BGB gemildert werden.49 Solche Milderungen des Haftungsmaßstabs können insbesondere durch Regelungen in der Satzung, aber auch durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung oder Regelungen im Anstellungsvertrag vorgenommen werden.50 Ob Milderungen des Haftungsmaßstabs die Attraktivität des Vorstandspostens entscheidend steigern können, ist fraglich. Dagegen spricht, dass solche Regelungen nicht vom Vereinsrecht, abgesehen von § 31a BGB, von vornherein vorgesehen sind. Ob der Vorstand also in den Genuss einer Milderung des Haftungsmaßstabs kommt, ist einzelfallabhängig und liegt auch nicht in der Hand des Vorstands. Dass zudem ein Interesse an fahrlässigem Vorstandshandeln besteht, welches zu einem Schaden des Vereins führen könnte und so dann von letzterem im Wege des Innenregresses nicht verfolgbar wäre, muss bezweifelt werden.51 Somit ist eine ausreichende Abfederung der Haftungsgefahren des Vereinsvorstands über die Möglichkeit, den Haftungsmaßstab im Vorhinein zu mildern, nicht gewährleistet. Über mögliche Milderungen des Haftungsmaßstabs kann die Attraktivität des Vorstandspostens nicht entscheidend gesteigert werden.
49 Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 42; vgl. Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 58; Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 239 ff.; Segna, in: GS Walz, 2008, 705 (715 f.). 50 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 59; vgl. Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 230 ff. 51 Dies betont auch Küpperfahrenberg, indem er anmerkt, dass es für Vorstandsmitglieder in der Praxis schwierig sein dürfte, den Verein zu solchen Beschränkungen zu bewegen, vgl. Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 240.
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
4. D&O-Versicherung Der Verein kann zugunsten des Vorstandsmitglieds eine D&O-Versicherung abschließen.52 Falls der Abschluss einer D&O-Versicherung zugunsten des Vereinsvorstands vorgenommen wird, ist damit jedoch noch keine ausreichende Reduzierung der großen Haftungsgefahren gewährleistet. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass im Versicherungsvertrag regelmäßig Deckungssummen und Haftungsausschlüsse verankert sind.53 Darüber hinaus stellt gerade die D&O-Versicherung einen solventen Schuldner dar. Dies führt zu einer vermehrten Anspruchsverfolgung, was mit einer erhöhten Haftungsgefahr des Vereinsvorstands bezüglich des über die Deckungssumme hinausgehenden Schadens einhergeht.54 5. Weisungsabhängigkeit des Vorstands Der Vorstand des Vereins untersteht gem. § 27 Abs. 3 BGB i.V.m. § 665 BGB der Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung, deren Weisungen genereller Natur oder einzelfallbezogen sein können.55 Abgesehen von Vorstandspflichten, die im öffentlichen Interesse stehen, gibt es keinen weisungsfreien Bereich.56 Sofern der Vorstand eine rechtmäßige Weisung der Mitgliederversammlung durchführt, entfällt seine Haftung.57 Wenn der Vereinsvorstand daher rechtmäßige Weisungen befolgt, besteht für diesen keine Haftungsgefahr, so dass bereits dadurch die Haftungsgefahren ausreichend reduziert sein könnten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Mitgliederversammlung von ihrer Weisungsbefugnis in der Praxis nicht all zu oft Gebrauch machen wird, da der Vorstand ansonsten seine Leitungsaufgaben nur schwerfällig erfüllen könnte.58 Aufgrund dieser Sachlage trägt auch die Weisungsabhängigkeit des Vorstands nicht zu einer wesentlichen Entschärfung der Haftungsgefahren und damit auch nicht zu einer ausreichenden Steigerung der Attraktivität des Vereinsvorstandspostens bei.
52 Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 42; Unger, NJW 2009, 3269 (3273); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 68. 53 Vgl. bereits Kap. 1 D. IV. 5. 54 Vgl. Kap. 1 D. IV. 5. 55 Unger, NJW 2009, 3269 (3272); Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 19 f. 56 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, § 6 Rn. 21. 57 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (41); Unger, NJW 2009, 3269 (3272). 58 Vgl. zu dieser üblichen Praxis Kap. 2 C. I. und Kap. 3 B. I.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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6. Durchsetzungsdefizit? Nach der im Grundsatz geltenden Vertretungsordnung könnte der Vorstand selbst primär dafür zuständig sein, die Schadensersatzansprüche des Vereins gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend zu machen.59 Dass der Vorstand jedoch an der Durchsetzung von Ansprüchen des Vereins gegenüber Vorstandsmitgliedern aufgrund kollegialer Bindungen und der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder kein großes Interesse haben wird, ist offensichtlich.60 Von einem sich aus diesem Umstand möglicherweise ergebenden Durchsetzungsdefizit im Vereinsrecht könnte allerdings dann nicht die Rede sein, wenn die Mitgliederversammlung als oberstes Willensbildungsorgan gem. § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG analog durch Beschluss über die Geltendmachung der Ansprüche gegen den Vorstand zu entscheiden hätte.61 Eine dem § 46 Nr. 8 GmbHG entsprechende Vorschrift fehlt im Vereinsrecht, so dass eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen ist. Für die vergleichbare Interessenlage könnte sprechen, dass der hinter § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG stehende Gedanke, nach dem es dem obersten Gesellschaftsorgan vorbehalten sein soll, ob ein Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung belangt und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse in Kauf genommen wird,62 auf das Vereinsrecht übertragbar ist.63 Gegen dieses Argument wird angeführt, dass die mit der Aufdeckung von Vereinsinterna ergebende abträgliche Wirkung von Verbandsinteressen insbesondere in einem Idealverein geringer sei als in einer Handelsgesellschaft.64 Zudem seien die Mitglieder und der Vorstand in einem mitgliederstarken Verein nicht in demselben Maße auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen wie Geschäftsführer und Gesellschafter in einer personalistisch strukturierten GmbH.65 Selbst wenn den vorgenannten Gegenargumenten eine gewisse Überzeugungskraft beigemessen werden würde, könnten die folgenden Ausführungen dadurch nicht relativiert werden. Ebenso wie die Gesellschafterver59
So BGH, Urt. v. 21. 03. 1957 – II ZR 172/55 – BGHZ 24, 47 (54). Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 194; Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36; Grunewald, ZIP 1989, 962 (964). 61 Eine analoge Anwendung des § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG bejahend Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36; Reichert (Hrsg.), Hdb. Vereins- und VerbandsR, 12. Aufl. 2010, Rn. 2727 ff.; die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung für die Geltendmachung der Ansprüche des Vereins gegenüber dem Vorstand ohne Verweis auf § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG befürwortet Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 20; a.A. BGH, Urt. v. 21. 03. 1957 – II ZR 172/55 – BGHZ 24, 47 (54); Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 195 f.; Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (47); Stöber/Otto (Hrsg.), Hdb. zum VereinsR, 11. Aufl. 2016, Rn. 496. 62 BGH, Urt. v. 14. 07. 2004 – VIII ZR 224/02, NJW-RR 2004, 1408 (1410) = NZG 2004, 962. 63 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36; vgl. Reichert (Hrsg.), Hdb. Vereins- und VerbandsR, 12. Aufl. 2010, Rn. 2728 f. 64 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 196. 65 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 196. 60
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
sammlung in der GmbH ist die Mitgliederversammlung des Vereins für die Bestellung und Abberufung, für die Entlastung der Vorstandsmitglieder sowie deren Kontrolle zuständig, so dass es widersprüchlich wäre, die Zuständigkeit über die Durchsetzung der Ansprüche des Vereins gegenüber dem Vorstand nicht in die Hände der Mitgliederversammlung zu legen.66 Folglich ist auch eine vergleichbare Interessenlage und somit die analoge Anwendung des § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG im Vereinsrecht zu bejahen. Ein einzelnes Vereinsmitglied hat auch das Recht, die Ansprüche des Vereins gegenüber dem Vorstand im Wege der actio pro socio subsidiär geltend zu machen.67 Darüber hinaus spricht gegen ein Durchsetzungsdefizit, dass die Regressmentalität in Vereinen immer stärker zunimmt.68 Aufgrund der genannten Umstände kann ein Durchsetzungsdefizit im Vereinsrecht grundsätzlich nicht festgehalten werden, so dass eine hierdurch etwaige Steigerung der Attraktivität des Vorstandspostens im Verein nicht in Betracht kommt. 7. Ergebnis Zu konstatieren ist, dass die großen Haftungsgefahren, die dem Vereinsvorstand drohen, nicht ausreichend durch Regelungen im Vereinsrecht ausgeglichen werden können. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass Regelungen, die die Haftung des Vereinsvorstands ausnahmslos beschränken, nicht existieren. Demnach ist die Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, nach der die Attraktivität des Vorstandspostens einer AG gesteigert wird, auf das Recht des Vereins übertragbar.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Vereinsmitglieder Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dient dem Zweck, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.69 Untersucht werden muss, ob diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Vereinsrecht übertragen werden kann.
66 So zu Recht Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36. 67 Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 40; vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84 (135 ff.); Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 256 ff. 68 Vgl. Kap. 6 B. III. vor 1. 69 Vgl. Kap. 1 D. V.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Jedes einzelne Vereinsmitglied hat das Recht, die Ansprüche des Vereins gegenüber dem Vorstand im Wege der actio pro socio subsidiär geltend zu machen.70 Die Missbrauchsgefahr ist im Aktienrecht aufgrund des oft weit gestreuten Aktionärskreises und der freien Übertragbarkeit der Aktien sehr hoch.71 Vereine können durchaus einen großen Mitgliederkreis haben.72 Allerdings ist anzumerken, dass eine Übertragbarkeit der Mitgliedschaft nicht möglich ist, vgl. § 38 S. 1 BGB. Zudem tragen die Mitglieder bei Erhebung der Klage im Wege der actio pro socio das volle Prozesskostenrisiko eigenständig.73 Im Gegensatz zu der Vielzahl der Aktionäre, denen es um reine Investitionen bei der Beteiligung an einer AG geht, sind Vereinsmitglieder tendenziell stärker an den Verein gebunden. Dies kann auch auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sein, wobei insbesondere Vereine mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren Markt genannt werden können, bei denen die Mitglieder zugleich Kunden des Vereins sind.74 Aufgrund dieser Umstände erscheint die Gefahr missbräuchlicher Mitgliederklagen zur Verfolgung von Eigeninteressen nicht derart hoch wie dies im Aktienrecht der Fall ist. Demzufolge ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf das Vereinsrecht übertragbar.
V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder des Vereins 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vereinsvorstands zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dient dem Zweck, einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Vorstandsmitglieder in der AG zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft zu verhindern.75 Fraglich ist, ob der hinter dieser Legitimationsgrundlage stehende Gedanke auf das Vereinsrecht übertragen werden kann. Hiernach müssen sich Unternehmen an die wandelnden Bedürfnisse der Menschen anpassen, um nicht Gefahr zu laufen, vom Markt gedrängt zu werden.76 Letzteres wäre mit negativen Allokationswirkungen für 70
Vgl. Kap. 6 B. III. 6. Vgl. Kap. 1 D. V. 72 Vgl. hierzu Zahlen bei Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 1. 73 Vgl. zu dieser Prozesskostenrisikoverteilung bei der actio pro socio z. B. Kap. 3 B. IV. 74 Vgl. zu Vereinen mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren Markt Kap. 6 vor A. 75 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 76 Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 71
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
die gesamte Volkswirtschaft verbunden. Dieser Umstand tritt ein, sofern eine zu risikoaverse Unternehmensführung verfolgt und die mit unternehmerischen Entscheidungen verbundenen Chancen zur Weiterentwicklung des Unternehmens aufgrund etwaiger Risiken nicht wahrgenommen werden würden.77 Übertragen lässt sich dies nur auf wirtschaftliche Vereine.78 Sofern beispielsweise der Volltypus des unternehmerischen Vereins seine Leistungen, die er an einem äußeren Markt anbietet, nicht an die wandelnden Bedürfnisse der Menschen anpassen kann, wird eine Verdrängung vom Markt unausweichlich sein. Abträgliche Wirkungen für die Volkswirtschaft würden damit einhergehen. Daneben müsste es zutreffen, dass auch der Vereinsvorstand grundsätzlich risikoavers eingestellt ist. Dem Vereinsvorstand kann eine existenzgefährdende Haftung bei Pflichtverletzungen im Rahmen der geschäftsführenden Tätigkeit drohen. Allein diese Haftungsrisiken, die nicht bereits durch die Regelungen des Vereinsrechts ausreichend ausgeglichen werden können, führen dazu, dass die Vorstandsmitglieder eines Vereins risikoavers eingestellt sind. Somit bedarf es auch für Vorstandsmitglieder eines Anreizes, um risikoaverse Entscheidungen verhindern zu können. Einen solchen Anreiz würde die Anwendung der Business Judgment Rule bieten können. Daher ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest auf wirtschaftliche Vereine übertragbar. 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vereinsvorstands im Interesse der Vereinsmitglieder Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert.79 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-)Aktionäre, die durch ein diversifiziertes, risikoeffizientes Portfolio das unsystematische Risiko eliminieren können, als auch der Blockaktionäre.80 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht des Vereins übertragen werden kann. Konstatiert worden ist, dass die Vorstandsmitglieder eines Vereins im Grundsatz risikoavers eingestellt sind und die Anwendung der Business Judgment Rule einen Anreiz für risikoneutrale Entscheidungen bieten würde.81 Die Verhinderung des risikoaversen Handelns eines Vereinsvorstands müsste aber auch im Interesse der Vereinsmitglieder sein.
77 78 79 80 81
Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. Vgl. zu den wirtschaftlichen Vereinen Kap. 6 vor A. Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 6 B. V. 1.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Um dies klären zu können, wird zunächst ein Blick auf mögliche Haftungsgefahren der Vereinsmitglieder geworfen. Aus diesem Blickwinkel könnte für ein Interesse an risikoneutralen Entscheidungen sprechen, dass der Verein als juristische Person selbst für dessen Verbindlichkeiten haftet und grundsätzlich nicht die hinter ihm stehenden Vereinsmitglieder.82 Anzumerken ist aber, dass ein Vereinsmitglied eine über die reguläre Beitragsschuld hinausgehende finanzielle Belastung gegenüber dem Verein treffen kann.83 Solche Nachschusspflichten bzw. Sonderbeiträge müssen jedoch zum Schutze der Mitglieder vor einer schrankenlosen Pflichtenmehrung nicht nur eindeutig aus der Vereinssatzung hervorgehen, sondern auch deren Höhe muss bestimmt oder objektiv bestimmbar sein.84 Ein Interesse der Vereinsmitglieder an risikoneutralen unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands kann im Vereinsrecht vergleichbar zum Genossenschaftsrecht85 nicht durch etwaige in der Satzung vorgegebene Nachschusspflichten, wie z. B. im Falle der Insolvenz, beseitigt werden. Eine über die Beitragsschuld hinausgehende finanzielle Belastung bzw. Haftungsgefahr der Vereinsmitglieder kann damit nicht ausgeschlossen werden. Jedoch sind unter anderem auch risikobehaftete unternehmerische Entscheidungen des Vereinsvorstands erforderlich, um beispielsweise den Satzungszweck zu erreichen oder im Falle des wirtschaftlichen Vereins eine Verdrängung vom Markt und damit eine mögliche Insolvenz zu vermeiden.86 Um beim Beispiel der durch die Vereinssatzung vorgegebenen Nachschusspflichten im Falle der Insolvenz zu bleiben, wird deutlich, dass gerade unternehmerische Entscheidungen des Vereinsvorstands zur Vermeidung der Realisierung der Nachschusspflicht beitragen. Daneben spielt in diesem Rahmen die etwaige Haftung von Vereinsmitgliedern gem. § 31b BGB keine Rolle. Diese Haftung gegenüber dem Verein kommt nur dann in Frage, wenn das Vereinsmitglied selbst einen Schaden bei der ehrenamtlichen Wahrnehmung der diesem übertragenen satzungsgemäßen Vereinsaufgaben verursacht, vgl. § 31b Abs. 1 S. 1 BGB. In keinem Zusammenhang damit stehen unternehmerische Entscheidungen bzw. ein risikoneutrales Handeln des Vereinsvorstands. Die haftungsrechtliche Situation der Vereinsmitglieder spricht somit für ein Interesse derselben an risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands. 82
BGH, Urt. v. 08. 07. 1970 – VIII ZR 28/69, BGHZ 54, 222 (224) = NJW 1970, 2015 (2016); BGH, Urt. v. 10. 12. 2007 – II ZR 239/05, ZIP 2008, 364 (365) = NZG 2008, 670 (672); eine Durchbrechung dieses Trennungsgrundsatzes ist nur dann zulässig, „wenn die Anwendung dieses Grundsatzes zu Ergebnissen führen würde, die mit Treu und Glauben nicht in Einklang stehen, und wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen einen Rechtsmi[ss]brauch bedeutet.“, vgl. BGH, Urt. v. 08. 07. 1970 – VIII ZR 28/69, BGHZ 54, 222 (224) = NJW 1970, 2015 (2016), vgl. ausführlich zu dieser Durchgriffshaftung Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 18 ff. 83 BGH, Urt. v. 24. 09. 2007 – II ZR 91/06, NJW-RR 2008, 194 (195) = NZG 2008, 38 (39); BGH, Urt. v. 02. 06. 2008 – II ZR 289/07, ZIP 2008, 1423 (1425) = NJW-RR 2008, 1357 (1359). 84 BGH, Urt. v. 24. 09. 2007 – II ZR 91/06, NJW-RR 2008, 194 (195) = NZG 2008, 38 (39); BGH, Urt. v. 02. 06. 2008 – II ZR 289/07, ZIP 2008, 1423 (1425) = NJW-RR 2008, 1357 (1359). 85 Vgl. Kap. 4 B. V. 2. 86 Vgl. Kap. 6 B. I. und Kap. 6 B. V. 1.
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
Des Weiteren ist zu überprüfen, inwiefern Vereinsmitglieder von risikoneutralen Entscheidungen des Vereinsvorstands profitieren können. Aufzuzeigen ist, dass sich ein Vereinsmitglied durch die Mitgliedschaft und der Zahlung der regelmäßigen Beitragsschuld persönliche Vorteile erhofft. Dass diese Vorteile nicht identisch mit der Rendite in Form von Kurssteigerungen und einer möglichen Dividende, die ein Aktionär erzielen kann, sind, ist bei der Beurteilung, ob ein Vereinsmitglied von unternehmerischen Entscheidungen des Vereinsvorstands profitieren kann, nicht erheblich.87 Mit Blick auf den Volltypus des unternehmerischen Vereins kann der Vorteil des Vereinsmitglieds beispielsweise in einer Gewinnausschüttung an das Mitglied liegen.88 Bei Vereinen mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren Markt wird der Vorteil, den die Vereinsmitglieder aus der Mitgliedschaft und Beitragsschuld generieren können, in dem Angebot der Leistungen zu günstigen Konditionen zu sehen sein. Gewinnausschüttungen oder Leistungen zu günstigen Konditionen sind jedoch nur bei erfolgreich geführten Vereinen möglich, wofür der Vereinsvorstand unter anderem auch risikoneutrale bzw. unternehmerische Entscheidungen treffen muss.89 Dabei kann eine Diversifikationsstrategie durch die Mitgliedschaft in mehreren Vereinen verfolgt werden. In Bezug auf Idealvereine wird regelmäßig ebenso wie im Stiftungsrecht90 ein Wechsel der Perspektive vorzunehmen sein. Hier kommt es den Vereinsmitgliedern für gewöhnlich nicht auf wirtschaftliche Vorteile, sondern vielmehr auf immaterielle Vorteile an. Vereinsmitglieder möchten ihren Altruismus „befriedigt bekommen“ und aus der Anerkenntnis des eigenen Engagements einen Nutzen ziehen.91 Die Nutzenmehrung tritt insbesondere dann ein, wenn die Satzungszwecke optimal verwirklicht werden. Zur Verwirklichung der Satzungszwecke muss der Vereinsvorstand auch zum Teil unternehmerische Entscheidungen treffen.92 Somit können Vereinsmitglieder von risikoneutralen Entscheidungen des Vereinsvorstands profitieren. Demzufolge greift diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch im Vereinsrecht.
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Der wettbewerbsintensiven Marktsituation in Deutschland geschuldet trägt der Produktmarkt zur Disziplinierung des Vorstandshandelns bei, so dass dadurch die 87
Vgl. dazu bereits Kap. 4 B. V. 2. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. 05. 1971 – 8 W 174/71, OLGZ 1971, 465 ff.; vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 27. 89 Vgl. Kap. 6 B. V. 1. 90 Vgl. Kap. 5 B. V. 2. 91 Koss, in: Hopt/v. Hippel/Walz, Nonprofit-Organisationen, 2005, 197 (204 f.). 92 Vgl. Kap. 6 B. I. 88
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG legitimiert werden kann.93 Geprüft werden muss, ob diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auch im Vereinsrecht greift. Zumindest wirtschaftliche Vereine, die Produkte oder Dienstleistungen am Markt anbieten, sind ebenso der wettbewerbsintensiven Marktsituation ausgesetzt wie beispielsweise das von einer AG geführte Unternehmen.94 Der Vorstand eines wirtschaftlichen Vereins hat daher Sorge zu tragen, dass die Produkte oder Dienstleistungen zu marktgünstigen Konditionen angeboten werden können, um nicht vom Markt gedrängt zu werden. Insbesondere hauptamtliche Vorstandsmitglieder eines Vereins haben auch im eigenen finanziellen Interesse dafür Sorge zu tragen, ein Ausscheiden am Markt zu verhindern, weil ansonsten auch ihr eigener Arbeitsplatz in Gefahr wäre. Im Grundsatz geht es hier auch um den „Wettbewerb um die Mitglieder als Kunden“, da das Mitglied aufgrund seines freien Austrittsrechts den Verein verlassen und Leistungen eines anderen Anbieters in Anspruch nehmen kann, sofern die Leistungen des derzeitigen Vereins schlechter sind.95 Somit kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur auf wirtschaftliche Vereine übertragen werden. 2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass vom Arbeitsmarkt für Manager eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.96 Zu prüfen ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Vereinsrecht übertragbar ist. Häufig sind die Vorstandsmitglieder eines Vereins ehrenamtlich tätig.97 Aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit ist eine vom Arbeitsmarkt für Manger ausgehende Disziplinierung dieser Vorstandsmitglieder aus finanziellen oder karierretechnischen Gründen nicht anzunehmen.98 Dagegen kann dies in Bezug auf hauptamtliche Vorstandsmitglieder eines Vereins nicht von vornherein verneint werden. Denn die Vorstandsbestellung kann von der Mitgliederversammlung grundsätzlich jederzeit, d. h. ohne besondere Gründe, widerrufen werden, vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 BGB.99 Das Bestellungs- und Anstellungsverhältnis sind zwar im Grundsatz voneinander unabhängig, vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 BGB, können jedoch durch Bedingung miteinander 93
Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 326. 95 Dazu v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 327. 96 Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. 97 Vgl. Kap. 6 B. III. vor 1. 98 In Bezug auf ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder eines Vereins i.E. ebenso Franck, Die ökonomischen Institutionen der Teamsportindustrie, 1995, S. 214. 99 Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 27 Rn. 17 f.; Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 24. 94
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
verknüpft werden, so dass sie gleichzeitig erlöschen.100 Zudem kann der (wichtige) Grund für den Widerruf der Bestellung, sofern ein solcher gem. § 27 Abs. 2 S. 2 BGB benötigt wird, gleichzeitig Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses sein.101 Somit drohen hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern in diesen Fällen auch finanzielle Einschnitte, die aufgrund des kaum diversifizierbaren Humankapitals nicht ohne weiteres ausgeglichen werden können. Darüber hinaus ist der unfreiwillige Verlust des Vorstandsamts mit Blick auf weitere Schritte auf der Karriereleiter wenig hilfreich. Insofern kann eine vom Arbeitsmarkt für Manger ausgehende externe und interne Disziplinierung auf das Handeln hauptamtlicher Vorstandsmitglieder eines Vereins nicht von der Hand gewiesen werden. Allerdings wird die Disziplinierungswirkung ähnlich wie im Stiftungsrecht dadurch eingeschränkt sein, dass die Transparenz im Vereinssektor im Vergleich zum Aktienrecht weniger stark ausgeprägt sein wird. Zudem ist es schwierig, den Erfolg eines Vereinsvorstands zu messen, da in einem Verein nicht unbedingt eine Gewinnmaximierung angestrebt wird.102 Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur eingeschränkt auf das Vereinsrecht übertragen werden.
3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann dadurch legitmiert werden, dass vom Kapitalmarkt und dem damit einhergehenden Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands einer börsennotierten AG ausgeht.103 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Vereinsrecht greift. Die Mitgliedschaft ist grundsätzlich nicht übertragbar, vgl. § 38 S. 1 BGB, wodurch weder Stimmrechte veräußert noch Anteile gehandelt werden können, mit der Folge, dass eine Übernahmegefahr für Vereine nicht existent ist.104 Daher kann vom Kapitalmarkt und dem damit einhergehenden Markt für Unternehmenskontrolle auf das Handeln des Vereinsvorstands keine disziplinierende Wirkung ausgehen. Diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule greift dementsprechend nicht im Vereinsrecht. 100
Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 27 Rn. 8. Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 27 Rn. 13. 102 Vgl. zur Einschränkung der Disziplinierungswirkung wegen mangelnder Transparenz und nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Organisationen bereits Kap. 5 B. VI. 2. und 4. 103 Vgl. Kap. 1 D. VII. 3. 104 Vgl. v. Hippel, Grundprobleme von Nonprofit-Organisationen, 2007, S. 315; vgl. in Bezug auf Vereine, die im Lizenzsport aktiv sind Franck, Die ökonomischen Institutionen der Teamsportindustrie, 1995, S. 214. 101
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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VII. Ergebnis Es ist in sachlicher Hinsicht festgestellt worden, dass der Vereinsvorstand vergleichbar zum Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen muss und somit auch den damit einhergehenden spezifischen Besonderheiten unterliegt. Daneben hätte die Anwendung der Business Judgment Rule im Vereinsrecht ebenso wie im Aktienrecht die Folge, dass die Gefahr des Hindsight Bias vermieden und die Attraktivität des Vorstandspostens gesteigert werden kann. Zumindest auf wirtschaftliche Vereine übertragbar ist der durch die Business Judgment Rule gewährleistete Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen zur Verhinderung negativer Allokationswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Eine Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten des Vorstands ist ferner im Interesse der Vereinsmitglieder, die von risikoneutralen Entscheidungen des Vereinsvorstands profitieren können. Aufgrund geringer Missbrauchsgefahren, die von Klagen der Vereinsmitglieder ausgehen, ist die Legitimationsgrundlage des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, nach der mit der Business Judgment Rule missbräuchliche Aktionärsklagen verhindert werden können, nicht übertragbar. Dies schränkt die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule im Vereinsrecht in gewisser Weise ein. Doch selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber hat die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt,105 so dass diese Legitimationsgrundlage nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellen kann. Daher folgt auch aus den geringen Missbrauchsgefahren, die von Klagen der Vereinsmitglieder ausgehen, nicht die generelle Verneinung der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Vereinsrecht. Zu konzedieren ist weiter, dass im Vereinsrecht die Kontrolle durch externe Marktmechanismen nur in begrenztem Umfang greift. Dass unterschiedliche Kontrollstrukturen ausschlaggebend dafür sein könnten, dass die Business Judgment Rule im Vereinsrecht nicht anwendbar ist, ist zu verneinen. Denn § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist sowohl auf eine börsennotierte als auch eine nicht börsennotierte AG anwendbar, obwohl hier auch unterschiedliche Kontrollstrukturen vorherrschen.106 Zudem muss betont werden, dass die Mitgliederversammlung des Vereins eine Substitutionsfunktion für die externen Marktmechanismen übernehmen kann.107 Die Mitgliederversammlung hat ein weitgehendes Weisungsrecht und kann den Vereinsvorstand somit ausreichend steuern bzw. kontrollieren. Daher kann die nur bedingte Kontrolle des Vereinsvorstands durch externe Märkte bereits hinreichend durch die interne Kontrolle über die Mitgliederversammlung kompensiert werden. Unter Verweis auf die Ausführungen zum Stiftungsrecht kann in ähnlicher Weise für das Handeln des Vorstands eines gemeinnützigen Vereins erwähnt werden, dass bezogen auf die gemeinnützigen Tatbestände 105
Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226. Vgl. zu diesem Argument auch Kap. 2 C. VII., Kap. 3 B. VII., Kap. 4 B. VII. und Kap. 5 B. VII. 107 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die parallele Substitutionsfunktion für die externen Märkte, die die Gesellschafterversammlung einer GmbH aufgrund deren Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer übernehmen kann, vgl. Kap. 3 B. VII. 106
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
eine effektive Kontrolle durch die Steuerbehörde existiert.108 Demzufolge können die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG weitestgehend auf das Vereinsrecht übertragen werden. Zudem werden fehlende externe Kontrollmechanismen durch interne Kontrollmechanismen kompensiert. Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist daher im Vereinsrecht in sachlicher Hinsicht anwendbar.
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht des Vereins in methodischer Hinsicht In methodischer Hinsicht wird geprüft, ob eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Vereinsrecht überzeugen kann. Der für eine analoge Anwendung zunächst erforderlichen planwidrigen Regelungslücke könnte § 670 BGB entgegenstehen. Im Rahmen der geschäftsführenden Tätigkeit des Vereinsvorstands verweist § 27 Abs. 3 S. 1 BGB unter anderem auf § 670 BGB. Der Wortlaut des § 670 BGB lässt auf einen gewissen Ermessensspielraum schließen. Allerdings regelt § 670 BGB lediglich den Ersatz von Aufwendungen, wohingegen es bei der Business Judgment Rule um pflichtgemäßes Vorstandshandeln im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit geht.109 Somit steht § 670 BGB einer planwidrigen Regelungslücke nicht entgegen. Im Vereinsrecht ist demzufolge eine bewusste Regelungslücke anzunehmen, da der Gesetzgeber angemerkt hat, dass der Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens nicht auf das Aktienrecht beschränkt ist.110 Die bewusste Regelungslücke steht der Planwidrigkeit nicht entgegen, weil der Gesetzgeber die Ausfüllung dieser Regelungslücke außerhalb des Aktienrechts ausdrücklich der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat.111 Eine planwidrige Regelungslücke liegt folglich vor. Dass eine vergleichbare Interessenlage zwischen Vereins- und Aktienrecht gegeben ist, ist bereits bei der Untersuchung, ob die Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht auf das Vereinsrecht übertragen werden kann, festgestellt worden. Im Ergebnis ist § 93 Abs. 1 S. 2 AktG daher im Vereinsrecht analog anwendbar. Damit der Vorstand in den Genuss des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog kommt, müssen grundsätzlich dessen Voraussetzungen erfüllt sein. D. h. der Vereinsvorstand muss 108
Vgl. zur Kontrolle durch die Steuerbehörde im Stiftungsrecht Kap. 5 B. VI. 6.; vgl. zu der steuerlichen Haftungsproblematik des Vorstands eines gemeinnützigen Vereins Ehlers, NJW 2011, 2689 (2691 f.). 109 Vgl. hierzu bereits Kap. 5 C. 110 Vgl. Kap. 3 C. I. 111 Vgl. Kap. 3 C. I.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Vereinsrecht
215
eine unternehmerische Entscheidung treffen, zum Wohle des Vereins handeln, die Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information und frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen fällen und zudem in gutem Glauben sein.
D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Vereinsrecht I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule Anders als der Vorstand einer AG ist der Vereinsvorstand weisungsabhängig. Der Vereinsvorstand ist an die Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden, vgl. § 27 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 665 BGB.112 Sofern die Mitgliederversammlung dem Vereinsvorstand eine rechtmäßige Weisung erteilt, hat letzterer die Weisung grundsätzlich zu befolgen.113 Bei schlichter Weisungsausführung verbleibt dem Vereinsvorstand kein unternehmerischer Ermessensspielraum, so dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule in diesen Fällen von vornherein ausgeschlossen ist. Da es bis auf die Vorstandspflichten, die im öffentlichen Interesse stehen, keinen weisungsfreien Bereich gibt,114 könnte der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Vereinsrecht durchaus sehr weit eingeschränkt werden. Allerdings wird die Mitgliederversammlung in der Praxis das Weisungsrecht im Normalfall zurückhaltend ausüben, da der Vereinsvorstand die Leitungsaufgaben ansonsten nur schwerfällig erfüllen könnte.115 Die Weisungsgebundenheit des Vereinsvorstands schränkt demzufolge den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog im Vereinsrecht ein.
112
Vgl. Kap. 6 B. III. 5. Nur wenn sich die Sachlage nicht mehr mit den Annahmen der Mitgliederversammlung deckt, eine diesbezügliche Information der Vereinsmitglieder durch den Vorstand sowie das Abwarten einer Entscheidung seitens der Mitglieder eine Gefahr für die Interessen des Vereins bedeuten würde, ist der Vereinsvorstand, ausgehend von der Annahme, dass sein Handeln bei Kenntnis von der Mehrheit gebilligt werden würde, berechtigt, sich über den Weisungsbeschluss hinwegzusetzen, vgl. Burgard, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 19 f. 114 Vgl. Kap. 6 B. III. 5. 115 Vgl. Kap. 6 B. III. 5. 113
216
Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
II. Interessenkonflikte Damit der Vereinsvorstand in den Genuss der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog kommt, muss dieser unter anderem unternehmerische Entscheidungen unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz treffen.116 Diesbezüglich muss angemerkt werden, dass eine dem § 112 S. 1 AktG entsprechende Vorschrift im Vereinsrecht fehlt, wonach zwingend vorgeschrieben ist, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften zwischen der AG und einem Vorstandsmitglied vertritt. Im Vereinsrecht greift dafür § 181 BGB, so dass grundsätzlich auch Insichgeschäfte zwischen dem Vereinsvorstand und dem Verein ausgeschlossen sind.117 Allerdings ist § 181 BGB im Gegensatz zu § 112 S. 1 AktG dispositiv, so dass in der Satzung oder durch Beschluss der Mitgliederversammlung eine Gestattung von Insichgeschäften im Vereinsrecht möglich ist.118 Dafür bedarf es zudem einer Eintragung ins Vereinsregister.119 Ist eine Gestattung solcher Geschäfte erfolgt, liegt auf der Hand, dass der Vereinsvorstand bei Geschäften zwischen ihm selbst und dem Verein, den der Vorstand zu vertreten hat, in einem Interessenkonflikt steht. Folglich kann sich der Vereinsvorstand in diesen Fällen nicht auf die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog berufen.
III. Beweislast Vorstandsmitglieder einer AG sind darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, da sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf die Business Judgment Rule bezieht.120 Fraglich ist, ob § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch im Vereinsrecht anwendbar ist. Muss dies bejaht werden, würde sich die Darlegungsund Beweislast des Vereinsvorstands nicht von derjenigen des Vorstands einer AG unterscheiden. Eine Ansicht bejaht die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Vereinsrecht.121 Dies wird unter anderem damit begründet, dass auch im Vereinsrecht das Vorstandsmitglied die Umstände seines Verhaltens besser überschauen könnte, wohingegen der Verein schnell in einer Beweisnot wäre, sofern
116
Vgl. Kap. 6 C. Vgl. Stöber/Otto (Hrsg.), Hdb. zum VereinsR, 11. Aufl. 2016, Rn. 449; Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 22. 118 Vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 22; Stöber/Otto (Hrsg.), Hdb. zum VereinsR, 11. Aufl. 2016, Rn. 449. 119 Wagner, in: Schimke/Dauernheim (Hrsg.), Reichert, Hdb. Vereins- und VerbandsR, 14. Aufl. 2018, Rn. 2445; Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 22. 120 Vgl. Kap. 1 A. IV. 121 Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (48 f.); Burgard, in: Krieger/ Schneider (Hrsg.), Hdb. Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 6 Rn. 43. 117
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Vereinsrecht
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dieser die vollständige Darlegungs- und Beweislast zu tragen hätte.122 Die Gegenansicht vertritt, dass die in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG normierte Beweislastumkehr mangels Vergleichbarkeit der Interessenlagen nicht zu Lasten der Vorstandsmitglieder von Vereinen analog angewendet werden könne.123 Eine Begründung dafür, dass eine Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht gegeben sein soll, wird allerdings nicht erbracht. Welche Ansicht überzeugend ist, muss anhand dessen überprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Analogie vorliegen oder nicht. Zunächst ist eine planwidrige Regelungslücke erforderlich. Eine dem § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vergleichbare Vorschrift ist im Vereinsrecht nicht zu finden. Die im Innenhaftungsregime des Vereinsrechts maßgebliche Vorschrift ist § 280 Abs. 1 BGB,124 so dass auch § 280 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar ist. Doch selbst § 280 Abs. 1 S. 2 BGB steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke, wie bereits im Rahmen des Stiftungsrechts gezeigt worden ist, nicht entgegen.125 Eine planwidrige Regelungslücke ist daher zu bejahen. Fraglich ist jedoch die vergleichbare Interessenlage. Hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG steht der Gedanke, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft in einer Beweisnot wäre.126 Genau genommen ist das von der erstgenannten Ansicht angeführte Argument nichts weiter, als die Wiederholung dieses hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG stehenden Gedankens. Doch damit ist dieser Ansicht noch keine Begründung dafür gelungen, warum die Umstände im Vereinsrecht genauso wie im Aktienrecht liegen sollten. Ob die Umstände identisch sind, wird im Folgenden überprüft. Die Mitgliederversammlung hat die grundsätzliche Befugnis darüber zu entscheiden, ob Schadensersatzansprüche des Vereins gegen den Vorstand geltend gemacht werden.127 Dafür notwendige Informationen können über § 27 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 666 BGB eingeholt werden, da der Vereinsvorstand danach der Mitgliederversammlung gegenüber berichts-, auskunfts- und rechenschaftspflichtig ist, so dass letztere ihre Zuständigkeiten sinnvoll wahrnehmen kann.128 Insoweit ist die Sachlage noch identisch, da auch im Aktienrecht der Aufsichtsrat Informationsrechte gegenüber dem Vorstand hat. Allerdings besteht zwischen dem Vereinsrecht und dem Aktienrecht ein gewichtiger Unterschied. Im Gegensatz zum Aufsichtsrat einer AG ist die Mitgliederversammlung gegenüber dem Vereinsvorstand weisungsbefugt.129 Durch die Wahrnehmung ihres Weisungsrechts ist die Mitgliederversammlung viel stärker in die Prozesse der Geschäftsführung eingebunden als der Aufsichtsrat einer AG. Dass somit eine Beweisnot entstehen würde, wenn ein Schadensersatzanspruch 122 123 124 125 126 127 128 129
Hüttemann/Herzog, in: Non Profit Law Yearbook 2006, 33 (48 f.). Küpperfahrenberg, Haftungsbeschränkungen für Verein und Vorstand, 2005, S. 198. Vgl. Kap. 6 vor A. Vgl. Kap. 5 D. IV. Vgl. Kap. 1 A. IV. Vgl. Kap. 6 B. III. 6. Vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 39. Vgl. Kap. 6 B. III. 5.
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Kap. 6: Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht des Vereins
des Vereins gegen den Vorstand durchzusetzen ist, muss verneint werden. Der hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG stehende Gedanke greift daher im Vereinsrecht nicht. Damit ist der zweitgenannten Ansicht im Ergebnis zu folgen. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ist im Vereinsrecht mangels einer vergleichbaren Interessenlage nicht möglich. Demzufolge greift die Beweislastumkehr zulasten des Vereinsvorstands nicht.
E. Ergebnis Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist sowohl in sachlicher als auch methodischer Hinsicht im Vereinsrecht anwendbar. Bei der analogen Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Vereinsrecht sind bestimmte Besonderheiten zu beachten. Zum einen ist der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Vereinsrecht von vornherein eingeschränkt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Vereinsvorstand an die Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden ist. Bei schlichter Ausführung der Weisungen ist ein unternehmerisches Ermessen ausgeschlossen. Zum anderen ist eine weitere Besonderheit darin zu sehen, dass der Vereinsvorstand vom Verbot des § 181 BGB befreit werden kann. Wenn eine Befreiung erfolgt ist, ist ein Interessenkonflikt des Vorstands gegeben, sofern dieser mit sich selbst und dem Verein, den der Vorstand zu vertreten hat, Geschäfte abschließt. Somit kann sich der Vereinsvorstand in diesen Fällen nicht auf die Business Judgment Rule berufen. Darüber hinaus ist eine letzte Modifikation im Rahmen der Beweislast zu beachten. Da § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nicht analog im Vereinsrecht angewendet werden kann, trifft den Vereinsvorstand auch keine Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule.
Kapitel 7
Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht Wenn von Personengesellschaften die Rede ist, sind die Grundtypen der GbR, die oHG, die KG, die stille Gesellschaft und die Partnerschaftsgesellschaft zu nennen.1 Bei der zu untersuchenden Frage, ob die Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft anwendbar ist, wird lediglich auf die drei erstgenannten Grundtypen der Personengesellschaft Bezug genommen. Daneben werden jedoch auch etwaige Unterschiede beleuchtet, die sich bei einer Publikumspersonengesellschaft ergeben könnten. Die GbR ist ebenso wie die oHG und KG ein auf einem Gesellschaftsvertrag beruhender Zusammenschluss von Personen in gesamthänderischer Verbundenheit.2 Häufig ist in Personengesellschaften eine kleine Anzahl von Gesellschaftern anzutreffen. Das wesentliche Merkmal von Personengesellschaften ist die Personenbezogenheit des Gesellschaftsverhältnisses, die vornehmlich durch das für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft geltende Prinzip der Selbstorganschaft zum Ausdruck kommt.3 Daher sind es grundsätzlich die Gesellschafter, die zur Geschäftsführung und Vertretung der Personengesellschaften berufen sind, vgl. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB, §§ 114, 125 HGB. Dies gilt in einer KG allerdings nur für die Komplementäre, vgl. § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. §§ 114, 125 HGB, und nicht für die Kommanditisten, vgl. §§ 164, 170 HGB. Die geschäftsführenden Gesellschafter, die ihre Geschäftsführungspflichten sorgfaltswidrig verletzen und dadurch einen Schaden der Gesellschaft verursachen, sind der Gesellschaft gegenüber gem. § 280 BGB schadensersatzpflichtig.4 Tritt eine KG in der Form der GmbH & Co. KG auf, bleibt anzumerken, dass die Komplementär-GmbH von dem GmbH-Geschäftsführer
1 Schiffers, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 1; van Randenborgh, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 1 Rn. 5. 2 Vgl. Weipert, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 161 Rn. 1; vgl. Thouet/Fleischhauer, in: Eckhardt/Hermanns (Hrsg.), Kölner Hdb. GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 432. 3 Schiffers, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 17; vgl. Heinze, in: Eckhardt/Hermanns (Hrsg.), Kölner Hdb. GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 88; vgl. Thouet/Fleischhauer, in: Eckhardt/Hermanns (Hrsg.), Kölner Hdb. GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 432. 4 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 50; vgl. v. Ditfurth, in: Gummert/ Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 7 Rn. 58.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
vertreten wird, der dadurch mittelbarer Geschäftsführer der KG ist.5 Eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers lässt sich nicht nur gegenüber der GmbH, sondern auch gegenüber der KG begründen. Die KG kann den Schadensersatzanspruch auf den Anstellungsvertrag stützen, wenn dieser ausnahmsweise zwischen dem Geschäftsführer und der KG geschlossen worden ist.6 Sofern der Anstellungsvertrag, wie üblich, mit der GmbH zustande gekommen ist, steht der KG dennoch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, da der Anstellungsvertrag in diesem Fall Schutzwirkungen zugunsten der KG entfaltet.7 Darüber hinaus kann der KG ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG zustehen, wobei sich die Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG aus einer GmbH & Co.spezifischen Fortbildung des § 43 GmbHG zu einem Sonderrechtsverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten der KG ableiten lässt.8 Werden daneben die Regelungen zur Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten betrachtet, zeichnen sich ebenfalls markante Unterschiede des Personengesellschaftsrechts im Vergleich zum Aktien- bzw. dem gesamten Kapitalgesellschaftsrecht ab. Für eine oHG wird in § 128 S. 1 HGB explizit geregelt, dass sämtliche Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich haften. Anerkannt ist, dass § 128 HGB auf eine Außen-GbR analog anzuwenden ist.9 Bei einer KG ist zwischen Komplementären und Kommanditisten zu differenzieren. Nach § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 128 HGB haften die Komplementäre für die Gesellschaftsverbindlichkeiten ohne Einschränkungen persönlich.10 Kommanditisten haften gem. §§ 171 f. HGB im Grundsatz nur in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme.11 Sofern der Kommanditist seine Einlage in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme erbracht hat, ist seine Haftung gem. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ausgeschlossen. Vor Eintragung haften
5 Vgl. Gummert, in: Gummert/Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 52 Rn. 1; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 48. 6 K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 56 IV 3 b; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 56. 7 BGH, Urt. v. 12. 11. 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 = NJW 1980, 589; BGH, Urt. v. 25. 02. 2002 – II ZR 236/00, NJW-RR 2002, 965 (966) = GmbHR 2002, 588 (589). 8 K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (279); K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 56 IV 3 b; dem folgend BGH, Urt. v. 18. 06. 2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021 (1022) = NJW 2013, 3636 (3637); Henze/Notz, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, Anh. A nach § 177a Rn. 270; Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 54; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 58. 9 BGH, Urt. v. 29. 01. 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 (1061) = NZG 2001, 311 (315); Habersack, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 128 Rn. 6; Hillmann, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 128 Rn. 5. 10 Boesche, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 128 Rn. 9; K. Schmidt, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 4. 11 Hillmann, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 128 Rn. 2; Habersack, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 128 Rn. 3.
Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
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jedoch auch Kommanditisten unbeschränkt, vgl. § 176 HGB.12 Die daher im Personengesellschaftsrecht grundsätzlich geltende unbeschränkte Gesellschafterhaftung macht Vorschriften über ein festes Mindestkapital und die Kapitalerhaltung entbehrlich.13 Zudem ist anzumerken, dass viele Regelungen im BGB und HGB über die Personengesellschaften dispositiver Natur sind, so dass die Gesellschaften im Einzelfall äußerst flexibel gestaltet werden und durchaus auch kapitalistische Merkmale aufweisen können.14 Die Publikumspersonengesellschaft stellt keinen selbstständigen Gesellschaftstyp dar, sondern ist die Bezeichnung für Personengesellschaften, die der Ansammlung und Verwaltung von Kapitalmitteln einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern dienen.15 Für eine Publikumspersonengesellschaft nicht charakteristisch ist die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter, da diese lediglich auf eine kapitalistisch strukturierte Beteiligung unter weitgehender Anonymität abzielen.16 Publikumspersonengesellschaften treten regelmäßig in der Form der GbR und der KG, oft auch als GmbH & Co. KG, auf.17 Der Fokus der Untersuchung wird auf der Publikums-KG liegen. Hierbei sind die Anleger entweder unmittelbar Gesellschafter oder es tritt ein Treuhandgesellschafter, häufig ein Treuhandkommanditist, auf, der den Anteil für die Anleger hält.18 Während sich die Initiatoren der Publikumsgesellschaft als Komplementäre beherrschenden Einfluss vorbehalten, sind die Rechte der Kapitalanleger häufig stark eingeschränkt.19 Die eingeschränkten Rechte der Kapitalanleger können sogar oft nur über ein Vertretungsorgan (Beirat, Ausschuss) ausgeübt werden.20 Allein dieser einleitende Überblick zeigt, dass das Personengesellschaftsrecht gegenüber dem Aktienrecht zum Teil deutliche Unterschiede aufweist. Im Rahmen 12 K. Schmidt, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 4; vgl. van Randenborgh, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 1 Rn. 32. 13 Schiffers, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 18. 14 Vgl. Schiffers, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 2, 11 ff.; vgl. van Randenborgh, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 5 Rn. 28 ff. 15 Schmidt/v. Holst, in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Aufl. 2010, Rn. 1822; vgl. Haas/Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 107. 16 BGH, Urt. v. 22. 10. 1979 – II ZR 151/77, BB 1980, 546 (547); Watermeyer/Knobbe, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 1; Schmidt/ v. Holst, in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Aufl. 2010, Rn. 1822. 17 Henze/Notz, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, Anh. B nach § 177a Rn. 9; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 110. 18 Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 110. 19 Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 161 Rn. 123; Haas/Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 108. 20 Haas/Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 108; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 110.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
der Untersuchung bleibt abzuwarten, ob hinsichtlich der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule zwischen dem gesetzgeberischen Leitbild einer Personengesellschaft und einer Publikumspersonengesellschaft differenziert werden muss.
A. Der Meinungsstand zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft In einem Urteil aus dem Jahr 2013 hat der BGH ein unternehmerisches Ermessen jedenfalls hinsichtlich einer GmbH & Co. KG anerkannt.21 Eine Ansicht in der Literatur steht auf dem Standpunkt, dass die Business Judgment Rule entsprechend § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht aller Personengesellschaften Anwendung finde.22 In der Kommentarliteratur wird zu dieser Problematik insbesondere in Bezug auf die oHG und KG Stellung bezogen. Hier wird überwiegend vertreten, dass dem Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen zukommen müsse und die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verankerten Grundsätze übertragbar bzw. analog anwendbar seien.23 Teilweise wird jedoch auch nur ein unternehmerischer Ermessensspielraum angenommen, ohne dabei auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einzugehen.24 Ausdrücklich in Bezug auf die GbR wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass bei der unternehmenstragenden GbR die Business Judgment Rule für die Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen entsprechend gelte.25 Jungmann ist dagegen der Ansicht, dass die analoge Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG außerhalb des Aktienrechts nicht in Betracht komme und somit auch im Recht der Personengesellschaft ausgeschlossen sei.26 Daneben führt eine weitere Meinung an, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GbR auf eine Business Judgment Rule nicht angewiesen sei, da dieser wirtschaftlich in eigenem Interesse handele.27 Festzuhalten ist, dass nach der überwiegenden Ansicht die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft befürwortet wird. 21
BGH, Urt. v. 18. 06. 2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021 (1023) = NJW 2013, 3636 (3638). 22 Kebekus/Zenker, in: FS Maier-Reimer, 2010, 319 (327); Podewils, BB 2014, 2632 (2633); Schäfer, ZGR 2014, 731 (734); Bachmann, NZG 2013, 1121 (1122); vgl. Fleischer/ Danninger, NZG 2016, 481 (490). 23 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 40, 55; Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 114 Rn. 31; Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 114 Rn. 32. 24 Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 56; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 27. 25 Servatius, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 713 BGB Rn. 19. 26 Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (846). 27 Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (49).
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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Fraglich ist, ob dem zuzustimmen ist. Dies wird auch in diesem Rahmen in einem ersten Schritt anhand dessen untersucht, ob die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht auf das Recht der Personengesellschaft übertragbar sind.
B. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Personengesellschaft in sachlicher Hinsicht I. Die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen Die aktienrechtliche Business Judgment Rule kann damit legitimiert werden, dass unternehmerische Entscheidungen unwägbaren Faktoren unterliegen, die in dieser Art bei anderen Entscheidungen nicht bestehen.28 Für unternehmerische Entscheidungen liegen auch keine Handlungsmaximen vor, die die Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Entscheidung beseitigen könnten.29 Diese Legitimationsgrundlage könnte auf das Recht der Personengesellschaften übertragen werden, sofern die Geschäftsführer wie der Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen müssen. Geschäftsführer von Personengesellschaften sind zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks verpflichtet, wobei sie unter anderem unternehmerische Entscheidungen zu treffen haben.30 So werden auch die Geschäftsführer mit den unternehmerischen Entscheidungen immanenten unwägbaren Faktoren konfrontiert. Sie müssen ohne Vorliegen einer Handlungsmaxime geschäftliche Risiken eingehen. Da sowohl Geschäftsführer von Personengesellschaften als auch die Vorstandsmitglieder einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen müssen, kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden.
II. Gefahr des Hindsight Bias Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass durch sie die Gefahr des Hindsight Bias bei der Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen eingedämmt wird.31 Diese Legitimationsgrundlage 28
Vgl. Kap. 1 D. I. Vgl. Kap. 1 D. I. 30 Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 114 Rn. 32; vgl. Fleischer/Danninger, NZG 2016, 481 (490); vgl. Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 56. 31 Vgl. Kap. 1 D. II. 29
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
der aktienrechtlichen Business Judgment Rule könnte auch im Recht der Personengesellschaften greifen. Geschäftsführer von Personengesellschaften müssen in vergleichbarer Weise zu dem Vorstand einer AG unternehmerische Entscheidungen treffen.32 Damit geht einher, dass einem Richter bei der inhaltlich uneingeschränkten Beurteilung solcher Entscheidungen in Kenntnis des Ergebnisses aus der ex-ante-Perspektive die Gefahr des Hindsight Bias in derselben Weise wie im Aktienrecht drohen würde. Deshalb muss die Gefahr des Hindsight Bias auch im Recht der Personengesellschaft eingedämmt werden.33 Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden.
III. Steigerung der Attraktivität von Geschäftsführerposten Eine weitere Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist, dass durch deren Geltung die Attraktivität des Vorstandspostens gesteigert werden kann.34 Zu untersuchen ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft zu übertragen ist. Dies wäre naheliegend, wenn die Haftungsgefahren, die den Geschäftsführern einer Personengesellschaft drohen, nicht bereits durch Regelungen des Rechts der Personengesellschaft ausreichend ausgeglichen werden. Die Haftungsgefahren dürften nicht ein so großes Ausmaß annehmen, dass für die Geschäftsführung geeignete Personen bzw. Gesellschafter abgeschreckt sind, die Geschäftsführungsaufgaben einer Personengesellschaft zu übernehmen. Die geschäftsführenden Gesellschafter, die ihre Geschäftsführungspflichten sorgfaltswidrig verletzen und dadurch einen Schaden der Gesellschaft verursachen, sind der Gesellschaft gegenüber gem. § 280 BGB schadensersatzpflichtig.35 In der Regel dürften hier die Haftungssummen geringer ausfallen als im Aktienrecht, da die getätigten Geschäfte oder Investitionen von Personengesellschaften ein vergleichbares Volumen nicht erreichen werden. Werden die Haftungssummen in Relation zu dem Einkommen von Geschäftsführern einer Personengesellschaft, welches geringer ist als das eines Vorstands einer börsennotierten Publikums-AG, gesetzt, wird jedoch deutlich, dass auch hier eine finanzielle Überforderung drohen kann. Fraglich ist demnach, ob bereits Regelungen des Rechts der Personengesellschaft diese Haftungsgefahren ausreichend abfedern können. 32 33 34 35
Vgl. Kap. 7 B. I. Ebenso Schäfer, ZGR 2014, 731 (734). Vgl. Kap. 1 D. IV. Vgl. Kap. 7 vor A.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
225
1. § 708 BGB Gem. § 708 BGB ist ausdrücklich geregelt, dass ein Gesellschafter bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Die innenrechtliche Regelung des § 708 BGB findet bei der Wahrnehmung spezifisch gesellschaftsvertraglicher Pflichten, wie z. B. auf die Geschäftsführung, Anwendung.36 § 708 BGB verweist auf die Vorschrift des § 277 BGB, nach dem der Gesellschafter zumindest von der Haftung wegen einfacher Fahrlässigkeit befreit wird.37 Möglich erscheint es daher, dass die Vorschrift des § 708 BGB die Haftungsgefahren für Geschäftsführer ausreichend ausgleicht. Doch muss geprüft werden, ob § 708 BGB generell im Personengesellschaftsrecht anwendbar ist. a) Personalistisch strukturierte Personengesellschaften Grund für die Haftungsbeschränkung des § 708 BGB ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass sich die Gesellschafter in einer engen persönlichen Verbundenheit befinden und sich deshalb „so nehmen müssen, wie sie nun einmal sind“.38 Aufgrund dieser gesetzgeberischen Intention ist § 708 BGB nicht nur auf eine personalistisch strukturierte GbR, sondern über die Verweisung in §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB auch auf eine personalistisch ausgestaltete oHG und KG anwendbar.39 b) Publikumspersonengesellschaften und weitere kapitalistisch strukturierte Personengesellschaften Ausgehend von dem beschriebenen Zweck des § 708 BGB ist diese Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion nicht auf Publikumspersonengesellschaften anzuwenden, da es hier an der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter fehlt.40 Darüber hinaus passt der Zweck von § 708 BGB auch nicht auf weitere kapitalistisch 36 Stürner, in: Jauernig, BGB, 16. Aufl. 2015, § 708 Rn. 1; vgl. Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 708 Rn. 6 f. 37 Vgl. Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 708 Rn. 16; Stürner, in: Jauernig, BGB, 16. Aufl. 2015, § 708 Rn. 1. 38 Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 105 Rn. 66; Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 222; v. Ditfurth, in: Gummert/Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 7 Rn. 58. 39 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 62; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 708 Rn. 5; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 708 Rn. 5. 40 BGH, Urt. v. 04. 07. 1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (208 ff.) = NJW 1977, 2311 f.; BGH, Urt. v. 12. 11. 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 (327 f.) = NJW 1980, 589 (591); Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 708 Rn. 6; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 26.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
strukturierte Personengesellschaften, bei denen weder eine enge persönliche Verbundenheit der Gesellschafter noch gegenseitiges Vertrauen anzutreffen sind.41 c) GmbH & Co. KG Nicht eindeutig geklärt ist, welcher Haftungsmaßstab in einer GmbH & Co. KG anzuwenden ist, wenn es um das Verhältnis zwischen GmbH-Geschäftsführer und KG geht. Der GmbH-Geschäftsführer ist mittelbarer Geschäftsführer der KG.42 Unstreitig ist, dass für den GmbH-Geschäftsführer einer Publikumspersonengesellschaft in Form der GmbH & Co. KG nicht der Sorgfaltsmaßstab gem. § 708 BGB, sondern § 43 Abs. 1 GmbHG greift.43 Umstritten ist die Anwendbarkeit des § 708 BGB jedoch bei einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG. Diesbezüglich wird von einer Ansicht vertreten, dass sich der Haftungsmaßstab des GmbH-Geschäftsführers nach der Haftung der GmbH als Komplementärin richte, also stets § 708 BGB zur Anwendung komme.44 Eine weitere Meinung erachtet eine Anwendung des § 708 BGB zumindest dann für richtig, wenn der GmbH-Geschäftsführer zugleich Kommanditist sei.45 Die überwiegende Ansicht steht dagegen auf dem Standpunkt, dass eine einheitliche Anwendung des § 43 Abs. 1 GmbHG vorzugswürdig sei.46 Der Meinung, die danach differenziert, ob der GmbH-Geschäftsführer gleichzeitig Kommanditist der KG sei oder nicht, kann nicht gefolgt werden. Dagegen kann angeführt werden, dass eine solche Differenzierung im Rahmen der Organhaftung eines GmbH-Geschäftsführers vor dem Hintergrund, dass ein Kommanditist gar nicht geschäftsführungsbefugt ist, nicht überzeugen kann.47 Daneben spricht gegen eine Anwendung von § 708 BGB, dass für das Geschäftsführungsorgan einer GmbH im Geschäftsverkehr eine andere als die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht plausibel ist.48 Daher ist es nicht überzeugend, § 708 BGB in Bezug auf den GmbH-Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG anzuwenden. Der überwiegenden Ansicht ist dementsprechend zu folgen, so dass auch für den GmbH-Geschäftsführer einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG gilt.
41 Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 708 Rn. 5; vgl. auch Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 63. 42 Vgl. Kap. 7 vor A. 43 BGH, Urt. v. 12. 11. 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 (327 f.) = NJW 1980, 589 (591); Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 55. 44 Henze/Notz, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, Anh. A nach § 177a Rn. 87, 273. 45 Martens, in: Schlegelberger, HGB, Bd. 3/2, 5. Aufl. 1986, § 164 Rn. 13. 46 Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 83; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 61; Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 55; Haas/ Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 83. 47 Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 61. 48 Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 55.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
227
d) Ergebnis Festzuhalten ist, dass die Regelung des § 708 BGB von ihrem Zweck her nur auf personalistisch strukturierte Personengesellschaften Anwendung findet. Die Haftungsbeschränkung nach § 708 BGB kann daher von vornherein nicht zu einer generellen Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens im Recht der Personengesellschaften führen. Zudem muss weiterhin relativierend angeführt werden, dass die Regelung des § 708 BGB dispositives Recht darstellt und sich die Gesellschafter somit z. B. auch vertraglich verpflichten können, die allgemeine Haftungsvorschrift des § 276 Abs. 1 BGB einzuhalten.49 Daher kommt auch § 708 BGB in personalistisch strukturierten Personengesellschaften nicht zwingend zur Anwendung. Darüber hinaus ist die von § 708 BGB ausgehende Haftungsbeschränkung, die erst auf Verschuldensebene ansetzt, nicht mit einer haftungserleichternden Regelung, die bereits auf der Ebene der Pflichtverletzung greift, wie es der Fall wäre, wenn die Business Judgment Rule anwendbar wäre, vergleichbar.50 Unabhängig von der realen Struktur einer GmbH & Co. KG kann § 708 BGB nicht hinsichtlich des GmbH-Geschäftsführers, der mittelbarer Geschäftsführer der KG ist, greifen. Für diesen gilt § 43 Abs. 1 GmbHG. Folglich kann die Vorschrift des § 708 BGB nicht entscheidend dazu beitragen, dass die Haftungsgefahren für die Geschäftsführer bereits ausreichend eingeschränkt sind. 2. Milderung der Geschäftsführerhaftung Wie bereits dargestellt, ist das Recht der Personengesellschaft weitestgehend dispositiv.51 Den Gesellschaftern verbleibt daher grundsätzlich die Möglichkeit im Gesellschaftsvertrag beispielsweise zu vereinbaren, dass die Haftung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft auf Vorsatz beschränkt ist.52 Solche Regelungen könnten durchaus zur Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens beitragen. Denkbar ist das aber nur in dem Fall, in dem die Gesellschafter regelmäßig von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würden. Dies ist jedoch zu bezweifeln, da den Gesellschaftern grundsätzlich kein Interesse an fahrlässigen Geschäftsführungsmaßnahmen, für die die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft nicht haften müssten, zugesprochen werden kann. Folglich werden solche Regelungen in der Praxis die Ausnahme darstellen, so dass daher eine entscheidende
49
Fleischer/Danninger, NZG 2016, 481 (485); Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 708 Rn. 3. 50 Kebekus/Zenker, in: FS Maier-Reimer, 2010, 319 (327). 51 Vgl. Kap. 7 vor A. 52 Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 231; Wertenbruch, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 105 Rn. 184.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführungspostens über Milderungen der Geschäftsführerhaftung nicht gewährleistet ist. 3. Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Fraglich ist, ob die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung53 auf Geschäftsführer von Personengesellschaften analog Anwendung finden. Canaris ist der Meinung, dass die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf dem Prinzip der Risikozurechnung bei Tätigkeit in fremdem Interesse beruhen würden und somit auch außerhalb des Arbeitsrechts greifen könnten.54 Damit wird aber nicht explizit die Behauptung aufgestellt, dass die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch auf die Geschäftsführer einer Personengesellschaft Anwendung finden.55 Deutlich wird dies vor dem Hintergrund des im Personengesellschaftsrecht in der Regel geltenden Prinzips der Selbstorganschaft.56 Danach sind es die Gesellschafter selbst, die zur Geschäftsführung verpflichtet sind, und diese werden somit nicht nur in fremdem, sondern vielmehr auch in eigenem Interesse tätig. Die überwiegende Ansicht vertritt den Standpunkt, dass eine analoge Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht in Betracht komme.57 Dafür kann angeführt werden, dass der zumindest in personalistisch strukturierten Personengesellschaften anwendbare § 708 BGB zur Berücksichtigung der individuellen Umstände in der Person des jeweiligen Geschäftsführers ausreicht.58 Darüber hinaus ist eine Haftungsbeschränkung nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen mit der grundlegenden Bedeutung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung nicht vereinbar.59 Dies ist überzeugend. Somit kommen diese Grundsätze auch auf die geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft mangels vergleichbarer Interessenlage nicht analog zur Anwendung. Folglich kann dadurch auch keine Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführeramtes konstatiert werden.
53
Vgl. dazu Kap. 1 D. IV. 1. Canaris, RdA 1966, 41 (45 ff.). 55 So aber Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 60, Fn. 165; Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 114 Rn. 39, Fn. 129; Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 114 Rn. 37, Fn. 128. 56 Vgl. Kap. 7 vor A. 57 Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 114 Rn. 39; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 60; Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 114 Rn. 37; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 26; Martens, in: Schlegelberger, HGB, Bd. 3/1, 5. Aufl. 1992, § 114 Rn. 35; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 62. 58 Vgl. Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 60; Martens, in: Schlegelberger, HGB, Bd. 3/1, 5. Aufl. 1992, § 114 Rn. 35. 59 Martens, in: Schlegelberger, HGB, Bd. 3/1, 5. Aufl. 1992, § 114 Rn. 35. 54
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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4. Durchsetzungsdefizit Die Verfolgung der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern obliegt in der GbR, oHG sowie in einer KG grundsätzlich der Geschäftsführung selbst.60 In einer oHG und KG stellt die Klage gegen ein Geschäftsführungsmitglied in der Regel ein außergewöhnliches Geschäft dar, so dass hierfür ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter vorliegen muss, vgl. § 116 Abs. 2 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB).61 Bei dieser Beschlussfassung ist der Geschäftsführer, dem die Pflichtverletzung vorgeworfen wird, von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen.62 Im Rahmen der bestehenden Zuständigkeitsregelungen bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass Durchsetzungsdefizite in Personengesellschaften drohen. Dies zeigt beispielsweise der Fall, wenn der einzige geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter einer GbR verklagt werden soll.63 Dass aber auch Schwierigkeiten bestehen können, die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in einer oHG oder KG zu erreichen, ist offensichtlich. Aufgrund der grundsätzlich gegebenen Durchsetzungsdefizite in Personengesellschaften könnten die geschäftsführenden Gesellschafter ausreichend vor den drohenden Haftungsgefahren geschützt sein. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn keine weiteren Möglichkeiten zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern bestehen. Nichtgeschäftsführende Gesellschafter können die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft im Wege der Prozessstandschaft über das Institut der actio pro socio, das gerade seinen Ursprung im Personengesellschaftsrecht hat, subsidiär geltend machen.64 In Publikumspersonengesellschaften ist die actio pro socio selbst Anlegern zuzugestehen, die lediglich mittelbar über einen Treuhandkommanditisten an der Gesellschaft beteiligt sind.65 Sofern die Publikumsgesellschaft einen Beirat hat, sieht der Gesellschaftsvertrag regelmäßig vor, dass das den Gesellschaftern bzw. Anlegern 60 Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 225; v. Ditfurth, in: Gummert/Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 7 Rn. 63, § 53 Rn. 31; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 67. 61 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 16; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 67; Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 225. 62 Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 114 Rn. 43; v. Ditfurth, in: Gummert/ Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 53 Rn. 31. 63 Vgl. Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 21. 64 Vgl. umfassend Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 536 ff.; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 204, 208; Stengel, in: Prinz/ Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 225. 65 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 571.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
grundsätzlich zustehende Recht der actio pro socio auf den Beirat übertragen wird.66 Innerhalb einer oHG oder KG könnte die Anwendbarkeit der actio pro socio jedoch gewissen Einschränkungen ausgesetzt sein. Fraglich ist, ob nicht auch hier die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter gem. § 116 Abs. 2 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer entsprechenden Beschlussfassung wird zum Teil mit dem Hinweis darauf bejaht, dass das Gesetz keine Anhaltspunkte dafür biete, dass der Sonderfall der actio pro socio abweichend vom Normalfall der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gehandhabt werden könne.67 Die überwiegende Ansicht lehnt dagegen das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter im Fall der actio pro socio ab.68 Dafür kann angeführt werden, dass es den weiteren Gesellschaftern ansonsten möglich wäre, die zügige Prozessführung zu blockieren.69 Der einzelne Gesellschafter müsste daher zunächst die Mitgesellschafter auf Herbeiführung des Beschlusses nach § 116 Abs. 2 HGB verklagen, womit verfahrensunökonomische Hürden aufgestellt würden.70 Das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter würde damit die Rechtsnatur und den Zweck der actio pro socio, dem einzelnen Gesellschafter ein, zwar subsidiäres, aber eigenes Kontrollrecht an die Hand zu geben, konterkarieren.71 Um nicht Gefahr zu laufen, dass die Kontrollmöglichkeit, die sich dem einzelnen Gesellschafter durch die actio pro socio bietet, obsolet wird, ist der überwiegenden Meinung zu folgen. Folglich ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter gem. § 116 Abs. 2 HGB im Fall der actio pro socio nicht erforderlich. Infolgedessen besteht im Personengesellschaftsrecht die Möglichkeit, dass der einzelne Gesellschafter die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer über die actio pro socio durchsetzt. Dabei ist die actio pro socio weder in der GbR noch in der oHG oder KG von der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter abhängig. Alternativ dazu können die Gesellschafter von Personengesellschaften in entsprechender Anwendung von § 46 Nr. 8 Hs. 2 GmbHG, § 147 Abs. 2 S. 1 AktG einen besonderen Vertreter zur Durchsetzung von Ersatzansprü-
66 Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 208; vgl. Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 140. 67 Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 53; unter Betonung der Treuepflicht des einzelnen Gesellschafters war auch das RG noch derselben Ansicht, vgl. RG, Urt. v. 01. 04. 1943 – II 138/42, RGZ 171, 51 (53 ff.). 68 BGH, Urt. v. 27. 06. 1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47 (50) = NJW 1957, 1358; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 562 ff.; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 68; K. Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, § 21 IV 4 a; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 16. 69 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 564. 70 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 564. 71 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 16; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 564.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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chen bestellen.72 In einer Publikumspersonengesellschaft kann der besondere Vertreter beispielsweise der Beirat sein.73 Hiermit bestehen also wichtige Kontrollrechte der Gesellschafter, die die im Grundsatz bestehende Gefahr eines Durchsetzungsdefizits in Personengesellschaften ausgleichen können. Der Umstand, dass im Personengesellschaftsrecht grundsätzlich Gefahren eines Durchsetzungsdefizits gegeben sind, führt daher nicht dazu, dass die geschäftsführenden Gesellschafter ausreichend vor den Haftungsgefahren geschützt sind. 5. Ergebnis Die Untersuchung hat ergeben, dass im Recht der Personengesellschaft keine Regelungen vorliegen, die die Haftungsgefahren der geschäftsführenden Gesellschafter ausreichend reduzieren können. Folglich kann die Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, nach der die Business Judgment Rule zur Steigerung der Attraktivität des Vorstandspostens dient, auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden.
IV. Vermeidung missbräuchlicher Klagen der Gesellschafter Die aktienrechtliche Business Judgment Rule dient dem Zweck, missbräuchliche Aktionärsklagen zu vermeiden.74 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden kann. Der einzelne Gesellschafter hat die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber geschäftsführenden Gesellschaftern über die actio pro socio subsidiär geltend zu machen.75 Fraglich ist, ob von dieser Klagemöglichkeit vergleichbare Missbrauchsgefahren ausgehen, wie sie im Aktienrecht festgestellt worden sind. Die Missbrauchsgefahr ist im Aktienrecht aufgrund des oft weit gestreuten Aktionärskreises und der freien Übertragbarkeit der Aktien sehr hoch.76 Ein weitgestreuter Gesellschafterkreis ist zumindest nicht in einer dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenden Personengesellschaft zu finden, da hier nur wenige Gesellschafter anzutreffen sind. Dagegen, dass hier Missbrauchsgefahren vorzufinden sind, spricht zum einen, dass der kleine Gesellschafterkreis auf einem Band 72
BGH, Beschl. v. 07. 06. 2010 – II ZR 210/09, AG 2011, 26 = DStR 2010, 2588; Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 225; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 68. 73 BGH, Beschl. v. 07. 06. 2010 – II ZR 210/09, AG 2011, 26 = DStR 2010, 2588. 74 Vgl. Kap. 1 D. V. 75 Vgl. Kap. 7 B. III. 4. 76 Vgl. Kap. 1 D. V.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
engen Vertrauens basiert77 und zum anderen, dass der klagende Gesellschafter das vollständige Prozesskostenrisiko alleine zu tragen hat.78 In einer dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenden Personengesellschaft sind daher Missbrauchsgefahren im Rahmen der actio pro socio nicht zu erwarten. In Publikumspersonengesellschaften könnte die Situation jedoch abweichend zu bewerten sein. Solch eine Gesellschaft ist nicht von der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter geprägt. Vielmehr stellt eine Publikumspersonengesellschaft eine Möglichkeit zur Ansammlung und Verwaltung des Kapitals von einer Vielzahl von Anlegern dar.79 Diese Anleger zielen lediglich auf eine kapitalistisch strukturierte Beteiligung unter weitgehender Anonymität ab.80 Hier ist daher ein weitgestreuter, anonymer Gesellschafterkreis anzutreffen, der mit der Gesellschaft selbst nicht stark verwurzelt und nicht auf eine Mitunternehmerschaft aus ist. Dies spricht zunächst dafür, dass in Publikumspersonengesellschaften die Klagemöglichkeit des einzelnen Gesellschafters über die actio pro socio mit Missbrauchsgefahren verbunden sein könnte. Relativiert werden kann dies jedoch dadurch, dass der Gesellschaftsvertrag, sofern ein Beirat existiert, regelmäßig vorsieht, dass das dem einzelnen Gesellschafter zustehende Recht der actio pro socio auf den Beirat übertragen wird.81 In diesem Fall wird es für den einzelnen Gesellschafter schwierig, missbräuchliche Klagen im eigenen Interesse zu verfolgen. Auch wenn der Gesellschaftsvertrag solch eine Regelung nicht vorsieht, steht den missbräuchlichen Klagen hier ebenso das bestehende, vollständige Prozesskostenrisiko entgegen. Darüber hinaus ist die Lage im Vergleich zu der freien Übertragbarkeit von Aktien nicht dieselbe. Die Übertragung von Anteilen an einer Publikumspersonengesellschaft ist in der Regel von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig.82 Trotz des weitgestreuten Gesellschafterkreises spricht aufgrund der genannten Umstände mehr dafür, auch in Publikumspersonengesellschaft nicht von einer mit der actio pro socio einhergehenden Missbrauchsgefahr auszugehen, die mit der Situation im Aktienrecht vergleichbar wäre. Folglich ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf das Recht der Personengesellschaft übertragbar.
77
Vgl. Kap. 7 vor A. und Kap. 1 B. III. 1. a). Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 60; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997, S. 657 f. 79 Vgl. Kap. 7 vor A. 80 Vgl. Kap. 7 vor A. 81 Vgl. Kap. 7 B. III. 4. 82 Weisner/Lindemann, ZIP 2008, 766 (767); Haas/Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 139; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 144. 78
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
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V. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer 1. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft Legitimiert werden kann die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG damit, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands verhindert, um negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft vermeiden zu können.83 Überprüft werden muss, ob diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden kann. Unternehmen müssen sich an die ständig wandelnden menschlichen Bedürfnisse anpassen, da ansonsten die Gefahr besteht, vom Markt gedrängt zu werden.84 Die Rechtsformen der oHG und KG bzw. GmbH & Co. KG bieten sich typischerweise zum Betrieb mittelständischer Unternehmen an,85 wobei aber auch eine GbR Trägerin eines Unternehmens sein kann.86 Würden die Geschäftsführer solcher Personengesellschaften eine zu risikoaverse und zu statische Geschäftspolitik verfolgen, könnten die sich wandelnden, menschlichen Bedürfnisse auf Dauer nicht befriedigt werden. Wäre dies der Fall, würden die Kunden konkurrierende Unternehmen präferieren, so dass damit zwangsläufig die Verdrängung des Unternehmens vom Markt einhergehen würde. Das betroffene Unternehmen könnte nicht mehr zur Fortentwicklung der Volkswirtschaft beitragen. Die Geschäftsführer solcher Personengesellschaften müssen daher vergleichbar mit dem Vorstand einer AG auch risikoneutrale Entscheidungen treffen, um auch in Zukunft eine Etablierung des Unternehmens am Markt bewerkstelligen zu können. Einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen könnte den Geschäftsführern von Personengesellschaften bei Anwendbarkeit der Business Judgment Rule geboten werden, da deren Anwendbarkeit eine Haftungserleichterung darstellen würde. Ob die Geschäftsführer von Personengesellschaften tatsächlich einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen benötigen, wäre nur dann zu bejahen, wenn die Geschäftsführer grundsätzlich risikoavers eingestellt wären. Dass die Geschäftsführer bei ihrer geschäftsführenden Tätigkeit großen Haftungsgefahren gegenüber der Gesellschaft ausgesetzt sind, ist bereits festgestellt worden.87 Zudem muss an83
Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. Vgl. Kap. 1 D. VI. 1. 85 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, vor § 105 Rn. 9 ff.; vgl. Schiffers, in: Prinz/ Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 28. 86 Vgl. van Randenborgh, in: Sudhoff, Personengesellschaften, 8. Aufl. 2005, § 5 Rn. 31; Reiff, Die Haftungsverfassungen nichtrechtsfähiger unternehmenstragender Verbände, 1996, S. 165. 87 Vgl. Kap. 7 B. III. 84
234
Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
gemerkt werden, dass die geschäftsführenden Gesellschafter auch in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter über die Vorschrift des § 128 HGB (analog) persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen haben. Allein diese Haftungsgefahren führen dazu, dass Geschäftsführer bei Fällen der anstehenden Entscheidungen im Grundsatz risikoavers eingestellt sind. Folglich greift diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest für unternehmenstragende Personengesellschaften und kann daher eingeschränkt auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden. 2. Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer im Interesse der Gesellschafter Eine weitere Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert.88 Dies ist im Interesse sowohl der (Klein-) Aktionäre, die durch ein diversifiziertes Portfolio das unsystematische Marktrisiko eliminieren können, als auch der Blockaktionäre.89 Fraglich ist, ob risikoneutrale Entscheidungen der Geschäftsführer einer Personengesellschaft im Interesse der übrigen Gesellschafter sind. Wenn dies zutrifft, kann diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden. Die Geschäftsführer sind aufgrund der ihnen drohenden Haftungsgefahren im Grundsatz risikoavers eingestellt und benötigen somit einen Anreiz zu risikoneutralen Entscheidungen.90 Zu untersuchen ist nun, ob risikoneutrale Entscheidungen tatsächlich im Interesse der übrigen Gesellschafter einer Personengesellschaft sind. Dagegen wird vorgetragen, dass risikoneutrale Entscheidungen der Geschäftsführung aufgrund der drohenden Gesellschafterhaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gem. § 128 HGB (analog) nicht im Interesse der Gesellschafter sein könnten.91 Als Begründung wird angeführt, dass Diversifikation, hier also die Gesellschafterstellung in mehreren Personengesellschaften, nicht zur Eliminierung des unsystematischen Risikos, sondern zu dessen Steigerung führen würde.92 Entgegen dem Grundsatz der unbeschränkten, persönlichen Gesellschafterhaftung gilt jedoch für den Kommanditisten einer KG gem. §§ 171 f. HGB eine beschränkte Gesellschafterhaftung in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme.93 Die Haftung des Kommanditisten ist sogar gem. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ausgeschlos88 89 90 91 92 93
Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 1 D. VI. 2. a). Vgl. Kap. 7 B. V. 1. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (846). Vgl. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 2009, 831 (846). Vgl. Kap. 7 vor A.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
235
sen, sofern dieser eine Einlage geleistet hat, die in vermögensrechtlicher Hinsicht der Höhe der eingetragenen Haftsumme entspricht.94 Ist dies der Fall, trifft die aufgezeigte Argumentationslinie nicht auf Kommanditisten zu. Publikumspersonengesellschaften treten sogar überwiegend in der Form der KG bzw. GmbH & Co. KG auf.95 Hier können die Anleger daher als Kommanditisten ohne persönliche Haftungsgefahr auf eine kapitalistisch strukturierte Beteiligung abzielen, sich an einer oder mehreren Großinvestitionen beteiligen und dabei ihr Investitionsportfolio streuen.96 Vergleichbar mit Aktionären können sich also Kommanditisten an verschiedenen Gesellschaften beteiligen und von risikoneutralen Entscheidungen der Geschäftsführung profitieren. Darüber hinaus ist in einer GmbH & Co. KG keine natürliche Person dem unbeschränkten Haftungsrisiko ausgesetzt, sofern die GmbH der einzige Komplementär der Gesellschaft ist. Dagegen kann es durchaus zutreffen, dass die persönlich haftenden Gesellschafter einer dem Leitbild entsprechenden, personalistischen Personengesellschaft risikoaverser eingestellt sind. Wie bereits zum GmbH-Recht festgestellt, treten solche Gesellschafter nicht nur als Investoren, sondern auch als Mitunternehmer auf und bringen damit ihr nicht diversifiziertes Humankapital in die Gesellschaft ein.97 Aufgrund der stärkeren Verbundenheit mit der Gesellschaft werden diese Gesellschafter auch insgesamt nicht so diversifiziert sein, wie das z. B. bei (Klein-)Aktionären der Fall ist. Anzumerken ist jedoch, dass sich auch die Geschäftsführung aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft regelmäßig aus persönlich haftenden Gesellschaftern zusammensetzt, was diese ohnehin zu einem gewissen Maß an Vorsicht und Zurückhaltung bei Risikoentscheidungen veranlassen dürfte.98 Folglich wird die Gefahr der persönlichen Haftung der Gesellschafter als Aspekt im Rahmen der Entscheidungsfindung nicht außer Acht gelassen. Darüber hinaus sind risikoneutrale Entscheidungen unter anderem erforderlich, um die Entwicklung der Gesellschaft voranzutreiben und beispielsweise beim Betrieb eines Unternehmens die Gefahr der Verdrängung vom Markt zu vermeiden.99 Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist festzuhalten, dass auch persönlich haftende Gesellschafter ein gewisses Interesse an risikoneutralen Entscheidungen der Geschäftsführung haben. Diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann folglich eingeschränkt auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden. Zwar sind Kommanditisten einer KG in ihrer Rolle als Investoren aufgrund ihrer rechtlichen Stellung mit (Klein-)Aktionären vergleichbar. Jedoch werden 94 Gummert, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 172 HGB Rn. 6; Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 171 Rn. 36; vgl. Strohn, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 171 Rn. 38 ff. 95 Vgl. Kap. 7 vor A. 96 Vgl. Watermeyer/Knobbe, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 1. 97 Vgl. Kap. 3 B. V. 2. 98 Kebekus/Zenker, in: FS Maier-Reimer, 2010, 319 (327). 99 Vgl. Kap. 7 B. V. 1.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
insbesondere persönlich haftende Gesellschafter einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft risikoaverser eingestellt sein, wobei auch diesen Gesellschaftern ein gewisses Interesse an risikoneutralen Entscheidungen nicht abgesprochen werden kann.
VI. Kontrolle durch Marktmechanismen 1. Kontrolle durch den Produktmarkt Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit legitimiert werden, dass der Produktmarkt eine Disziplinierungswirkung auf das Vorstandshandeln hat.100 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die in Deutschland vorherrschende, wettbewerbsintensive Marktsituation den Vorstand einer AG zur bestmöglichen Ressourcenallokation zwingt.101 Opportunistisches Verhalten desselben würde zu höheren Produktionskosten und damit zwangsläufig zu einem Ausscheiden des Unternehmens am Markt führen.102 Diese Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule könnte auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden, wenn von dem Produktmarkt eine vergleichbare Disziplinierungswirkung auf das Geschäftsführerhandeln ausgeht. Zumindest hinsichtlich der Personengesellschaften, die Träger eines Unternehmens sind, kann kein Unterschied in Bezug auf das wettbewerbsintensive Marktumfeld ausgemacht werden. Um sich gegen die konkurrierenden Unternehmen durchsetzen zu können, müssen hier die geschäftsführenden Gesellschafter ebenfalls die bestmögliche Ressourcenallokation vornehmen, damit das Angebot eigener Produkte oder Dienstleistungen zu marktgünstigen Preisen ermöglicht werden kann. Wenn dies auf Dauer nicht gelingt und ein Ausscheiden des Unternehmens am Markt droht, würden sich daraus auch negative Konsequenzen für die geschäftsführenden Gesellschafter der Personengesellschaft ergeben. Sofern eine Verdrängung vom Markt nicht verhindert werden könnte, wäre der Arbeitsplatz der Geschäftsführer in Gefahr. Demzufolge hat der Produktmarkt auch im Recht der Personengesellschaft eine disziplinierende Wirkung auf geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften, die Träger eines Unternehmens sind. Zu konzedieren ist jedoch, dass es auch Fälle gibt, bei denen nicht von einer disziplinierenden Wirkung vom Produktmarkt auf das Handeln der Geschäftsführer auszugehen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Personengesellschaft kein Unternehmen betreibt bzw. keine Produkte oder Diensleistungen am Markt anbietet.
100 101 102
Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1. Vgl. Kap. 1 D. VII. 1.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
237
Daher ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur eingeschränkt auf das Recht der Personengesellschaft übertragbar.
2. Kontrolle durch den Arbeitsmarkt für Manager Dargelegt worden ist, dass die aktienrechtliche Business Judgment Rule damit legitimiert werden kann, dass vom Arbeitsmarkt für Manager eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln des Vorstands ausgeht.103 Untersucht werden muss, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch im Recht der Personengesellschaft greift. Der Arbeitsmarkt für Manager müsste dafür auch auf das Handeln der Geschäftsführer einer Personengesellschaft in effektiver Weise disziplinierend wirken. Im Personengesellschaftsrecht kann der Gesellschaftsvertrag oder ein entsprechender Beschluss neben der normalen Gewinnbeteiligung eine darüber hinausgehende Geschäftsführervergütung vorsehen.104 Eine zusätzliche Geschäftsführervergütung, die zu niedrig angesetzt oder im Laufe der Geschäftsführungstätigkeit nicht entsprechend erhöht wird, könnte beispielsweise dazu führen, dass eine Gesellschaft ihren um die Entwicklung des Unternehmens verdienten geschäftsführenden Gesellschafter durch Kündigung verliert.105 Demzufolge kann die Geschäftsführerposition aus finanziellen Gesichtspunkten attraktiv sein. So kann eine Konkurrenz um den Geschäftsführerposten insbesondere in Personengesellschaften, in denen nicht sämtliche Gesellschafter auch Geschäftsführer sind, vgl. § 710 S. 1 BGB, § 114 Abs. 2 HGB, nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden. Die disziplinierende Wirkung sollte umso stärker ausfallen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter sein ohnehin schon kaum diversifizierbares Humankapital voll in der Gesellschaft gebunden hat und gleichzeitig eine hohe zusätzliche Geschäftsführervergütung vorgesehen ist. Jedoch ist daran zu zweifeln, ob die disziplinierende Wirkung tatsächlich effektiv ist. Zum einen muss festgehalten werden, dass die geschäftsführenden Gesellschafter vor der Entziehung der Geschäftsführung in gewisser Weise geschützt sind. In einer GbR bedarf es für die Entziehung der Geschäftsführung grundsätzlich eines einstimmigen Beschlusses bei gleichzeitigem Vorliegen eines wichtigen Grundes, vgl. § 712 Abs. 1 BGB. Im Recht der oHG oder KG wird gem. § 117 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) ein noch stärkerer Schutz des geschäftsführenden Gesellschafters verfolgt, da dieser die Geschäftsführung in der Regel hauptberuflich ausüben wird und unter Einsatz persönlichen Risikos oft ein erhebliches Vermögen in die Ge103
Vgl. Kap. 1 D. VII. 2. BGH, Urt. v. 21. 05. 1955 – IV ZR 7/55, BGHZ 17, 299 (301) = NJW 1955, 1227; BGH, Urt. v. 10. 06. 1965 – II ZR 6/63, BGHZ 44, 40 = NJW 1965, 1960; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 78; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 32. 105 Vgl. BGH, Urt. v. 10. 06. 1965 – II ZR 6/63, BGHZ 44, 40 (42) = NJW 1965, 1960. 104
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
sellschaft eingebracht hat.106 Nach § 117 HGB kann die Geschäftsführungsbefugnis nur entzogen werden, wenn auf Antrag der übrigen Gesellschafter eine gerichtliche Entscheidung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ergeht. Zu konzedieren ist allerdings, dass § 117 HGB auf Publikumspersonengesellschaften wegen deren körperschaftlichen Struktur keine Anwendung findet, so dass hier ein mit einfacher Mehrheit getroffener Beschluss der Gesellschafter ausreichend ist.107 Zum anderen ist vornehmlich für personalistisch strukturierte Personengesellschaften anzumerken, dass hier die Personenbezogenheit der Gesellschafter charakteristisch ist.108 Diese engen persönlichen Bindungen werden mitunter auch dafür ursächlich sein, dass in personalistisch strukturierten Personengesellschaften mehr die Zusammenarbeit der Gesellschafter als das Konkurrieren untereinander im Vordergrund steht. Zudem ist aufgrund dieser Umstände anzunehmen, dass die externe Disziplinierung ebenso kaum eine Rolle spielen wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in personalistisch strukturierten Personengesellschaften eine disziplinierende Wirkung vom Arbeitsmarkt für Manager, wie sie im Aktienrecht besteht, nicht angenommen werden kann. Aber auch in kapitalistisch strukturierten Gesellschaften, mit Ausnahme der Publikumspersonengesellschaften, ist der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis rechtlich eingeschränkt. Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur in engen Grenzen auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden. 3. Kontrolle durch den Kapitalmarkt Eine Legitimationsgrundlage der aktienrechtlichen Business Judgment Rule besteht darin, dass der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Wirkung auf das Handeln des Vorstands einer börsennotierten AG haben.109 Fraglich ist, ob diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden kann. Mangels eines liquiden Sekundärmarktes für Gesellschaftsanteile einer Personengesellschaft kann eine Personengesellschaft am Kapitalmarkt kein Eigenkapital aufnehmen.110 Im Gegensatz zu Aktionären können die Gesellschafter einer Perso-
106
Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 117 Rn. 2; Jickeli, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 117 Rn. 1. 107 Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 117 Rn. 3; Jickeli, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 117 Rn. 5; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 117 Rn. 5. 108 Vgl. Kap. 7 vor A. und Kap. 1 B. III. 1. a). 109 Vgl. Kap. 1 D. VII. 3. 110 Haar, Die Personengesellschaft im Konzern, 2006, S. 146.
B. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in sachlicher Hinsicht
239
nengesellschaft ihre Anteile auch nicht ohne Zustimmung veräußern.111 Von einer Disziplinierung des Handelns des Geschäftsführers einer Personengesellschaft durch den Kapitalmarkt ist daher im Gegensatz zum Vorstand einer AG nicht auszugehen.112 Auch eine disziplinierende Wirkung, die von dem Markt für Unternehmenskontrolle auf das Handeln des Vorstands einer AG ausgeht, kann deswegen für die geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht ausgemacht werden. Demzufolge ist diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf das Recht der Personengesellschaft übertragbar.
VII. Ergebnis Im Rahmen der Untersuchung, ob die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht auf das Recht der Personengesellschaft übertragen werden können, kann Folgendes festgehalten werden. Genauso wie im Aktienrecht greifen im Personengesellschaftsrecht sowohl die Spezifika unternehmerischer Entscheidungen als auch die Gefahr des Hindsight Bias. Zudem werden die Haftungsgefahren, die geschäftsführenden Gesellschaftern drohen, nicht durch bestehende Regelungen ausreichend abgefedert, so dass die Anwendung der Business Judgment Rule auch zur Steigerung der Attraktivität des Geschäftsführerpostens dienlich wäre. Dass die Anwendung der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht erforderlich wäre, um missbräuchliche Gesellschafterklagen zu verhindern, konnte hingegen nicht festgestellt werden. Eine Missbrauchsgefahr, die der Gefahr, die mit den Aktionärsklagen einhergeht, entspricht, ist nicht gegeben. In unternehmenstragenden Personengesellschaften könnte die Anwendung der Business Judgment Rule einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft verhindern. Zudem ist die Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsführer insbesondere im Interesse der Kommanditisten einer KG, die nach Leistung ihrer Einlage, sofern diese in finanzieller Hinsicht der eingetragenen Haftsumme entspricht, keiner persönlichen Haftungsgefahr ausgesetzt sind. Daneben kann allerdings auch persönlich haftenden Gesellschaftern von Personengesellschaften ein gewisses Interesse an risikoneutralen Entscheidungen der Geschäftsführer nicht abgeschrieben werden. Im Gegensatz zum Aktienrecht haben die externen Marktmechanismen kaum eine Disziplinierungswirkung auf das Handeln der geschäftsführenden Gesellschafter. Der Kapitalmarkt und der damit einhergehende Markt für Unternehmenskontrolle strahlen keinerlei Disziplinierungswirkung aus. Dem Arbeitsmarkt für Manager kann, wenn über111 Vgl. K. Schmidt, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 105 Rn. 213; Heine, in: Theorien der Ordnungen, 1999, 135 (150). 112 Vgl. Heine, in: Theorien der Ordnungen, 1999, 135 (150).
240
Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
haupt, auch nur eine geringe Kontrollfunktion des Verhaltens der geschäftsführenden Gesellschafter beigemessen werden. Für unternehmenstragende Personengesellschaften, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, ist zumindest dem Produktmarkt eine disziplinierende Wirkung zuzuschreiben, die mit derjenigen vergleichbar ist, die auf das Handeln des Vorstands einer AG wirkt. Fraglich ist, ob der Umstand, dass die externen Marktmechanismen kaum oder nur in eingeschränkter Weise disziplinierend auf das Verhalten der Geschäftsführung wirken, ausschlaggebend dafür ist, dass die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht nicht auf das Recht der Personengesellschaft angewendet werden kann. Dem muss entgegengehalten werden, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG trotz unterschiedlicher Kontrollstrukturen sowohl auf eine börsennotierte als auch nicht börsennotierte AG anwendbar ist.113 Zudem ist anzumerken, dass interne Kontrollmechanismen im Recht der Personengesellschaft eine Substitutionsfunktion übernehmen können. Zum einen kann hier die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter, somit auch der geschäftsführenden Gesellschafter, einer Personengesellschaft genannt werden. Die unbeschränkte persönliche Haftung fungiert als Kontrollmechanismus, da hierdurch die geschäftsführenden Gesellschafter ohnehin zu einem gewissen Maß an Vorsicht und Zurückhaltung bei Risikoentscheidungen veranlasst werden.114 Zum anderen ist eine interne Kontrolle insofern möglich, als in Bezug auf eine GbR und oHG sich die Gesellschafter, die grundsätzlich alle zur Geschäftsführung berechtigt sind, vgl. § 709 Abs. 1 BGB, § 114 Abs. 1 HGB, und zudem als Mitunternehmer auftreten, unmittelbar gegenseitig kontrollieren können.115 Dieser Punkt trifft allerdings nicht auf solch eine GbR und oHG zu, bei denen nicht jeder Gesellschafter auch Geschäftsführer ist, vgl. § 710 S. 1 BGB, § 114 Abs. 2 HGB. In einer KG greift dies zwar von vornherein nicht, da die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind.116 In diesen Fällen ist lediglich eine gegenseitige Kontrolle der geschäftsführenden Gesellschafter möglich, sofern mehrere vorgesehen sind. In einer Publikumspersonengesellschaft ist häufig ein Beirat vorgesehen, dem bei leichtfertigen und risikoreichen Geschäften der Geschäftsführung eine gesteigerte Überwachungspflicht zukommt.117 Somit ist zu konstatieren, dass im Recht der Personengesellschaft interne Kontrollmechanismen bestehen und je nach Ausgestaltung bestehen können, die das weitestgehende Fehlen externer Marktmechanismen in gewisser Weise ausgleichen. Demzufolge kann dieser Umstand nicht ausschlagebend dafür sein, dass die Business Judgment Rule 113 Vgl. zu diesem Argument auch Kap. 2 C. VII., Kap. 3 B. VII., Kap. 4 B. VII., Kap. 5 B. VII und Kap. 6 B. VII. 114 Vgl. bereits Kap. 7 B. V. 2.; vgl. in Bezug auf eine oHG Niederöcker, Finanzierungsalternativen in kleinen und mittleren Unternehmen, 2002, S. 137. 115 Vgl. in Bezug auf eine oHG Niederöcker, Finanzierungsalternativen in kleinen und mittleren Unternehmen, 2002, S. 137. 116 Vgl. Kap. 7 vor A. 117 Vgl. Jaletzke, in: Gummert/Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 2, 4. Aufl. 2014, § 68 Rn. 16; vgl. Henze/Notz, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, Anh. B nach § 177a Rn. 148.
C. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule in methodischer Hinsicht
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gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht nicht auf das Recht der Personengesellschaft angewendet werden kann. Vor dem Hintergrund, dass so gut wie keine missbräuchlichen Klagen der Gesellschafter im Personengesellschaftsrecht drohen, wird zwar die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht in gewissen Zügen eingeschränkt. Doch auch dieser Umstand führt nicht zur generellen Verneinung der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht. Dies beruht darauf, dass selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt hat118 und diese Legitimationsgrundlage somit nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellt. Folglich ist eine Anwendung der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft in sachlicher Hinsicht gerechtfertigt.
C. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Recht der Personengesellschaft in methodischer Hinsicht In methodischer Hinsicht könnte im Recht der Personengesellschaft eine Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog in Betracht kommen. Die analoge Anwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Eine Regelungslücke ist gegeben, da eine dem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift im Recht der Personengesellschaft nicht existiert. Diese Regelungslücke müsste auch planwidrig sein. Da dem Gesetzgeber bewusst gewesen ist, dass in anderen Rechtsformen eine hinsichtlich § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vergleichbare Situation bestehen könnte, liegt eine bewusste Regelungslücke vor.119 Doch eine bewusste Regelungslücke schließt in diesem Fall die Planwidrigkeit nicht aus, weil der Gesetzgeber es der Rechtsprechung und Literatur überlassen hat, die Regelungslücke auszufüllen.120 Daher ist eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen. Dass eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, ist bereits bei der Untersuchung, ob die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in sachlicher Hinsicht auf das Recht der Personengesellschaft übertragbar ist, festgehalten worden. Demzufolge liegen die Voraussetzungen der Analogie vor, so dass die Business Jugdment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog auf das Recht der Personenge118 119 120
Vgl. Kap. 1 D. V. Fn. 226. Vgl. Kap. 3 C. I. Vgl. Kap. 3 C. I.
242
Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
sellschaft anzuwenden ist. Somit muss dafür, dass ein geschäftsführender Gesellschafter in den Genuss des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog kommt, eine unternehmerische Entscheidung, das Handeln zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information, frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen und das Handeln in gutem Glauben vorliegen. Die analoge Anwendung führt jedoch nicht zwingend zur identischen Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, sondern bietet Raum für etwaige Besonderheiten.121
D. Die Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft Ob und wenn ja, welche Besonderheiten bei der analogen Awendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Personengesellschaft beachtet werden müssen, wird im Folgenden untersucht.
I. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule 1. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in der oHG und KG Grundsätzlich sind geschäftsführende Gesellschafter nicht an die Zustimmung oder Weisung anderer Gesellschafter gebunden.122 § 116 HGB begrenzt im Recht der oHG jedoch den Umfang der Geschäftsführung. Alle Handlungen der Geschäftsführung, die über das, was der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt, hinausgehen, bedürfen eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter, vgl. § 116 Abs. 1, 2 HGB. Die mit § 116 Abs. 1, 2 HGB vorgenommene Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften verfolgt den Zweck, dass insbesondere nicht geschäftsführungsbefugte Gesellschafter geschützt werden.123 Angesichts des mit der persönlichen Haftung verbundenen Risikos haben die nicht geschäftsführenden Gesellschafter gem. § 116 Abs. 2 HGB ein Mitentscheidungsrecht über Geschäfte, die wegen ihrer Art und ihres Umfangs von besonderer haftungsrechtlicher Be-
121
Vgl. Kap. 3 C. III. Vgl. BGH, Urt. v. 11. 02. 1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160 (164) = NJW 1980, 1463 (1464); v. Ditfurth in: Gummert/Weipert, MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 53 Rn. 36. 123 Jickeli, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 116 Rn. 2; vgl. Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 116 Rn. 1. 122
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft
243
deutung sind.124 Wenn die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zu einem außergewöhnlichen Geschäft vorliegt, sind die Geschäftsführer zur Vornahme dieses Geschäfts berechtigt und verpflichtet.125 Somit wird der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule durch die Regelung des § 116 Abs. 2 HGB eingeschränkt bzw. modifiziert.126 Den Geschäftsführern kommt in Fällen außergewöhnlicher Geschäfte kein unternehmerisches Ermessen zu, da diese den Beschluss der übrigen Gesellschafter abwarten müssen und schlussendlich schlicht auszuführen haben. Im Recht der KG ist gem. § 164 S. 1 Hs. 2 HGB vorgesehen, dass Kommanditisten einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen können, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Auch wenn die Regelung den Kommanditisten im Falle eines außergewöhnlichen Geschäfts nur ein Widerspruchsrecht zu gewähren scheint, ist mittlerweile anerkannt, dass damit ein dem § 116 Abs. 2 HGB inhaltsgleicher Zustimmungsvorbehalt gemeint ist.127 Ein bloßes Widerspruchsrecht wäre nicht interessengerecht, da Kommanditisten angesichts ihres Ausschlusses von der Geschäftsführung und dem begrenzten Informationsrecht nach § 166 HGB oftmals gar nicht von außergewöhnlichen Geschäften erfahren würden.128 Daher ist auch im Recht der KG der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule durch diesen Zustimmungsvorbehalt eingeschränkt. Darüber hinaus können sich Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule insofern ergeben, als im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, dass weitere Geschäfte an die Zustimmung der übrigen Gesellschafter gebunden sind.129 2. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in der GbR Zu prüfen ist, ob im Recht der GbR vergleichbare Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule durch Zustimmungsvorbehalte vorzufinden sind. Eine Beschränkung des Umfangs der Geschäftsführung ist durch eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften, 124 Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 2; Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 116 Rn. 2; Drescher, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 116 Rn. 1. 125 Jickeli, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 116 Rn. 43; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 18, 23. 126 Podewils, BB 2014, 2632 (2633); vgl. auch Kebekus/Zenker, in: FS Maier-Reimer, 2010, 319 (327). 127 Weipert, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 164 Rn. 6; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 2, 12 f.; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 164 Rn. 9. 128 Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 12; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 164 Rn. 12. 129 Vgl. Podewils, BB 2014, 2632 (2633).
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
wie in §§ 116 Abs. 2, 164 S. 1 Hs. 2 HGB geregelt, im dispositiven Recht der GbR nicht vorgesehen.130 Die geschäftsführenden Gesellschafter einer GbR haben daher im Grundsatz die Befugnis, auch außergewöhnliche Geschäfte vorzunehmen, sofern diese nicht dem Gesellschaftszweck widersprechen.131 Möglich ist es jedoch, dass der Gesellschaftsvertrag derartige Beschränkungen in Form von Zustimmungsvorbehalten vorsehen kann, wobei die Gesellschafter frei festlegen können, wo die Grenze zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften zu ziehen ist.132 Wenn Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich außergewöhnlichen Geschäften vorgesehen sind, dann ist damit das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführer ausgeschlossen und somit der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule eingeschränkt. 3. Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule in einer Publikumspersonengesellschaft Der für eine oHG geltende § 116 Abs. 2 HGB und der für eine KG geltende § 164 S. 1 Hs. 2 HGB sind in Publikumspersonengesellschaften nicht praktikabel und werden häufig ausgeschlossen, wobei der Gesellschaftsvertrag dann vorsehen kann, dass diese Rechte auf einen Beirat übertragen werden.133 Trifft letzteres zu, wird durch die dem Beirat zustehenden Zustimmungsvorbehalte nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis, sondern auch der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule eingeschränkt. Dieselben Zustimmungsvorbehalte können dem Beirat einer Publikumsgesellschaft in Form der GbR auch über den Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden. Im Grundsatz ist es auch möglich, dem Beirat Weisungsbefugnisse gegenüber den Geschäftsführern einzuräumen.134 Sofern dem Beirat Weisungsbefugnisse gegegenüber der Geschäftsführung zustehen, haben die geschäftsführenden Gesellschafter die Weisungen lediglich auszuführen. Demzufolge ist in diesen Fällen ein unternehmerisches Ermessen nicht gegeben und der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund des Prinzips der Selbstorganschaft könnten jedoch trotz Einräumung einer Weisungsbefugnis Besonderheiten bestehen, wenn sich der Beirat aus Personen zusammensetzt, die nicht 130 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 709 Rn. 15; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 24; Westermann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 15. Aufl. 2017, § 709 Rn. 5. 131 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 709 Rn. 15. 132 Westermann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 15. Aufl. 2017, § 709 Rn. 5; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 24. 133 Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 205; vgl. Oetker, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 164 Rn. 62. 134 Schmidt/v. Holst, in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Aufl. 2010, Rn. 1938; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 159; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 213.
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft
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gleichzeitig Gesellschafter sind. Vertreten wird, dass in diesem Fall die geschäftsführenden Gesellschafter eine als geschäftsschädigende oder als rechtswidrig empfundene Weisung nicht ausführen müssten, bis die Gesellschafterversammlung darüber entschieden hätte.135 Eine weitere noch einschränkendere Ansicht steht auf dem Standpunkt, dass die geschäftsführenden Gesellschafter nur angemessen geschützt wären, wenn diese gemeinsam jede Maßnahme auch gegen den Willen des Beirats unterlassen könnten.136 Dies solle jedoch dann nicht gelten, wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter gehe und auch nicht, wenn der geschäftsführende Gesellschafter eine juristische Person sei.137 Die erste Ansicht kann insofern nicht überzeugen, als in einer Publikumspersonengesellschaft das mögliche Abwarten einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung unpraktikabel und langatmig wäre. Gegen die zweite Ansicht spricht, dass die Möglichkeit der Geschäftsführung, abgesehen von den zwei genannten Ausnahmen, gegen jede Weisung des Beirats handeln zu können, zu weitreichend ist. Hiermit wären die dem Beirat eingeräumten Weisungsbefugnisse obsolet. Der Beirat könnte die diesem im Grundsatz zukommende, starke Kontrollstellung zugunsten der Anleger nicht wirklich ausüben. Daher wird an dieser Stelle vermittelnd dafür plädiert, dass die geschäftsführenden Gesellschafter nur dann gemeinsam gegen die Weisung des Beirats handeln können, wenn diese als geschäftsschädigend oder als rechtswidrig erachtet wird. Eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung bedarf es hierfür nicht. Damit wird das Prinzip der Selbstorganschaft ausreichend berücksichtigt. Sofern eine solch starke Stellung des Beirats, der durch Dritte besetzt ist, nicht mehr gewollt ist, sind die Gesellschafter nicht mittellos. Aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft müssen es die Gesellschafter immer noch in der Hand haben, dem Beirat die eingeräumte Rechtsstellung jederzeit entziehen zu können.138
II. Interessenkonflikte Der Geschäftsführer einer Personengesellschaft muss, um in den Genuss der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog zu kommen, unter anderem frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen handeln.139 Im Recht der Personengesellschaft könnten Umstände vorliegen, die dazu beitragen, dass diese Voraussetzung der Business Judgment Rule seltener erfüllt ist als im Aktienrecht. 135
Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 213. Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 159; Schmidt/v. Holst, in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Aufl. 2010, Rn. 1938. 137 Vgl. Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 159. 138 Vgl. BGH, Urt. v. 20. 09. 1993 – II ZR 204/92, WM 1994, 237 (238). 139 Vgl. Kap. 7 C. 136
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
Dargelegt worden ist, dass im Aktienrecht § 112 S. 1 AktG zwingend festlegt, dass Insichgeschäfte zwischen einem Vorstandsmitglied und der AG nicht möglich sind.140 Eine spezielle Regelung, die mit § 112 S. 1 AktG vergleichbar ist, ist im Recht der Personengesellschaft nicht vorzufinden. Für Geschäftsführer von Personengesellschaften gilt bei der Vertretung grundsätzlich § 181 BGB.141 Jedoch kann im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, dass die geschäftsführenden Gesellschafter vom Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 BGB befreit werden.142 In einer GmbH & Co. KG ist es möglich, neben der GmbH als Komplementärin auch deren organschaftlichen Vertreter, d. h. die GmbH-Geschäftsführer, von § 181 BGB zu befreien.143 Sofern die Befreiung von § 181 BGB vorliegt, kann der Geschäftsführer einer Personengesellschaft mit sich und der Gesellschaft ein Rechtsgeschäft abschließen und dabei letztere auch vertreten. Werden solche Rechtsgeschäfte geschlossen, ist offensichtlich, dass sich der Geschäftsführer in einem Interessenkonflikt befindet, so dass die Berufung auf die Business Judgment Rule in diesem Rahmen nicht möglich ist. Im Recht der Personengesellschaften besteht demzufolge die Möglichkeit, dass Geschäftsführer mit der Gesellschaft selbst Insichgeschäfte schließen können. Beim Abschluss solcher Geschäfte können Interessenkonflikte auf Seiten des Geschäftsführers nicht von der Hand gewiesen werden, so dass sich dieser nicht auf die Business Judgment Rule berufen kann.
III. Geschäftsführende Gesellschafter einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft Im Recht der GmbH ist festgehalten worden, dass die Übertragung der WilkesRechtsprechung zur US-amerikanischen Close-Corporation für eine personalistisch strukturierte GmbH überzeugend ist.144 Dies hat zur Folge, dass das unternehmerische Ermessen des Gesellschafter-Geschäftsführers einer solchen GmbH durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt wird.145 In Fällen, in denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter eingreifen, muss der Ge-
140
Vgl. Kap. 3 D. II. Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 321; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 29. 142 Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 29; vgl. Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 116 Rn. 6; Schmidt/v. Holst, in: Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Aufl. 2010, Rn. 1916. 143 Vgl. BGH, Urt. v. 11. 02. 1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160 ff. = NJW 1980, 1463 ff.; Casper, in: Staub, HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 204. 144 Vgl. Kap. 3 D. III. 145 Vgl. Kap. 3 D. III. 141
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft
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sellschafter-Geschäftsführer ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen.146 Doch auch wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können.147 Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur greift, wenn die Minderheit in einer Position steht, die es ihr ermöglicht, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren.148 Möglicherweise könnte diese Einschränkung der Business Judgment Rule auch für personalistisch strukturierte Personengesellschaften greifen. Aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft sind in Personengesellschaften grundsätzlich auch Gesellschafter für die Geschäftsführung zuständig.149 Die Gesellschafter sind nicht nur im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern auch untereinander zur Treue verpflichtet.150 Da sich der Umfang und die Intensität der Treuepflicht nach der Realstruktur der Gesellschaft richten,151 ist die Treuepflicht in einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft sehr stark ausgestaltet.152 Ausgehend davon könnte die mitgliedschaftliche Treuepflicht auch in personalistischen Personengesellschaften zu einer Missbrauchskontrolle von unternehmerischen Entscheidungen, die in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter eingreifen, im oben beschriebenen Sinn führen. Diese Missbrauchskontrolle ist im GmbH-Recht gerade deswegen angezeigt, weil der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer und der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität die Geschicke der Gesellschaft in ihrem Interesse lenken können. Fraglich ist jedoch, ob der damit einhergehende Schutz der weiteren Gesellschafter auch in einer Personengesellschaft angezeigt ist. Abweichend von dem im Grundsatz geltenden Prinzip der Einstimmigkeit kann in einer oHG oder KG gem. § 119 Abs. 2 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) eine Mehrheitsklausel für Gesellschafterbeschlüsse vorgesehen werden, wobei die Mehrheit im Zweifel nach Köpfen berechnet wird.153 Gleiches gilt, sofern Gesell-
146
Vgl. Kap. 3 D. III. Vgl. Kap. 3 D. III. 148 Vgl. Kap. 3 D. III. 149 Vgl. Kap. 7 vor A. 150 Servatius, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 705 BGB Rn. 41; K. Schmidt, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 105 Rn. 188; Grunewald, in: MüKo, HGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 30. 151 Vgl. dazu bereits Kap. 3 D. III. 152 Vgl. K. Schmidt, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 105 Rn. 190; vgl. Servatius, in: Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl. 2016, § 705 BGB Rn. 42. 153 Freitag, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 119 Rn. 44; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 49. 147
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
schafter einer GbR im Gesellschaftsvertrag Mehrheitsbeschlüsse festlegen.154 Daher haben grundsätzlich alle Stimmen der Gesellschafter den gleichen Zählwert, so dass es im Ausgangspunkt für einen geschäftsführenden Gesellschafter nicht ohne weiteres möglich ist, die Gesellschaft sowohl als Geschäftsführer als auch Gesellschafter in seinem Interesse zu steuern. Allerdings ist es im Recht der Personengesellschaft auch möglich, dass im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird, dass sich der Zählwert der Stimmen nach Kapitalanteilen der Gesellschafter bemisst.155 Erst in solch einem Fall kann die Stellung eines geschäftsführenden Gesellschafters entweder mit der eines Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers oder mit der eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers mit Sperrminorität einer GmbH verglichen werden. Anzumerken ist jedoch, dass im Rahmen von Mehrheitsentscheidungen bereits ein gewisser Minderheitenschutz gewährleistet ist. Hier ist insbesondere die Kernbereichslehre zu nennen. Aufgrund der Kernbereichslehre kann ohne die Zustimmung des überstimmten Gesellschafters nicht in den sogenannten Kernbereich der Mitgliedschaft dieses Gesellschafters eingegriffen werden.156 Zum Kernbereich der Mitgliedschaft, der bislang keine einheitliche Definition erfahren hat, gehören vor allem das Stimmrecht, Gewinnrecht, Geschäftsführungsrecht oder das Recht über eine Vermehrung der Beitragspflicht zu entscheiden.157 Somit ist die unternehmerische Entscheidungen einschränkende Missbrauchskontrolle aufgrund der stark ausgestalteten Treuepflicht nur erforderlich, wenn die Entscheidung zwar die Rechtsstellung des betroffenen Gesellschafters schmälert, aber nicht den Kernbereich der Mitgliedschaft betrifft. Diese Einschränkung harmonisiert auch mit dem vom BGH festgelegten Grundsatz, dass auf einer Mehrheitsklausel beruhende Entscheidungen im Einzelfall einer inhaltlichen Prüfung zugunsten eines sachgerechten Minderheitenschutzes unterzogen werden könnten.158 Doch sollte sich die Begrenzung des unternehmerischen Ermessens, wie ausgeführt, lediglich auf personalistisch strukturierte Personengesellschaften beziehen. Nur in diesem Rahmen erscheint es aufgrund der stark ausgeprägten Treuepflicht überzeugend, unternehmerische Entscheidungen einer inhaltlichen Überprüfung im Sinne der Missbrauchskontrolle zu unterziehen. Dabei ist insofern wie im GmbH-Recht zu verfahren, als diese Einschränkung der Business Judgment Rule für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt greift. Dagegen greift eine solche 154
Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 96 f.; Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 709 Rn. 32. 155 BGH, Urt. v. 24. 11. 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 (19 f.) = NJW 2009, 669 (670); Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 50; Freitag, in: EBJS, HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014, § 119 Rn. 44; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 709 Rn. 32. 156 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2012, § 709 Rn. 35, 38; Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 98. 157 Schäfer, in: MüKo, BGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 98; vgl. Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 40 f. 158 Vgl. BGH, Urt. v. 24. 11. 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 (20 f.) = NJW 2009, 669 (671).
D. Spezifika der Business Judgment Rule im Recht der Personengesellschaft
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Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur, wenn die Minderheit in der Lage ist, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren.
IV. Beweislast Im Personengesellschaftsrecht wird allgemein die Ansicht vertreten, dass für die Beweislastverteilung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer die in § 93 Abs. 2 AktG kodifizierten Grundsätze entsprechend gelten würden.159 § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bezieht sich auch auf die Business Judgment Rule, so dass Vorstandsmitglieder einer AG darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sind.160 Wenn der allgemeinen Ansicht zu folgen ist, wären auch die Geschäftsführer einer Personengesellschaft analog § 93 Abs. 2 S. 2 AktG für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule darlegungs- und beweispflichtig. Fraglich ist, ob dies überzeugen kann. Der hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG stehende Gedanke ist, dass das Vorstandsmitglied aufgrund seines Wissensvorsprungs gegenüber der Gesellschaft die Umstände seines Verhaltens besser überschauen und bewerten kann, wohingegen die Gesellschaft, deren Ansprüche der Aufsichtsrat verfolgt, in einer Beweisnot wäre.161 Einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG steht § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegen, da der Gesetzgeber mit dieser Regelung nur das allgemeine Leistungsstörungsrecht sachgerecht geregelt hat, ohne damit den Besonderheiten des Personengesellschaftsrechts abschließend gerecht werden zu wollen.162 Eine planwidrige Regelungslücke ist demnach gegeben. Im Recht der Personengesellschaft müsste allerdings der hinter § 93 Abs. 2 S. 2 AktG stehende Gedanke auch durchweg greifen, um eine vergleichbare Interessenlage bejahen zu können. Im Grundsatz hat in einer Personengesellschaft zunächst die Geschäftsführung Ansprüche der Gesellschaft gegenüber einem geschäftsführenden Gesellschafter durchzusetzen.163 In diesem Fall liegt offenkundig keine Beweisnot der Gesellschaft vor, da die geschäftsführenden Gesellschafter die Ansprüche der Gesellschaft selbst geltend machen müssen und die notwendigen Informationen aus dem Geschäftsführungsbereich kennen. Allerdings ist hingegen von einer Beweisnot zu sprechen, wenn einzelne Gesellschafter, die nicht zur Geschäftsführung berechtigt sind, die Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Geschäftsführer im Wege der actio 159 Stengel, in: Prinz/Hoffmann (Hrsg.), BeckHdb. Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 227; vgl. v. Ditfurth, in: Gummert/Weipert (Hrsg.), MHdb. GesR, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 7 Rn. 64, § 53 Rn. 32; Rawert, in: MüKo, HGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2016, § 114 Rn. 69; Schäfer, in: Staub, HGB, Bd. 3, 5. Aufl. 2009, § 114 Rn. 64; Lieder, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 114 Rn. 39. 160 Vgl. Kap. 1 A. IV. 161 Vgl. Kap. 1 A. IV. 162 Vgl. zu diesem Argument bereits Kap. 5 D. IV. 163 Vgl. Kap. 7 B. III. 4.
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Kap. 7: Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht
pro socio geltend machen. Das Gleiche gilt in einer Publikumsgesellschaft. Hier ist regelmäßig ein Beirat vorgesehen, dem zumeist das Recht der actio pro socio übertragen wird.164 Da einem Beirat auch Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung einberaumt werden können, muss in einem solchen Fall jedoch konstatiert werden, dass der Gedanke des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nicht greifen kann. Hier ist der Beirat wie die Gesellschafterversammlung im GmbH-Recht durch die Weisungsbefugnisse in die Abläufe der Geschäftsführung stärker eingebunden als der Aufsichtsrat einer AG und somit nicht in einer Beweisnot. Demzufolge ist eine Analogie des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Recht der Personengesellschaft nicht in jedem Fall möglich. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG kommt nur in Betracht, wenn Gesellschafter, die nicht geschäftsführungsbefugt sind, oder der Beirat einer Publikumsgesellschaft ohne Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern geltend machen.
E. Ergebnis Als Ergebnis der Untersuchung ist zu konstatieren, dass die analoge Anwendung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Recht der Personengesellschaft überzeugend ist. Bei der Anwendung der Business Judgment Rule sind jedoch Besonderheiten zu beachten, die zum Teil auch je nach Ausgestaltung der Personengesellschaft variieren. Der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im Personengesellschaftsrecht ist von vornherein eingeschränkt. Dies ist im Recht der oHG und der KG dem Umstand geschuldet, dass die geschäftsführenden Gesellschafter außergewöhnliche Geschäfte gem. §§ 116 Abs. 2, 164 S. 1 Hs. 2 HGB nur mit der Zustimmung aller Gesellschafter vornehmen können. Dabei ist ein unternehmerisches Ermessen ausgeschlossen, was zudem auch der Fall sein kann, wenn der Gesellschaftsvertrag weitere Geschäfte von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig macht. Im Recht der GbR ist eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften nicht vorgesehen. Allerdings können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen treffen, so dass das unternehmerische Ermessen der geschäftsführenden Gesellschafter auch hier eingeschränkt sein kann. In einer Publikumspersonengesellschaft ist in der Regel ein Beirat vorgesehen, dem ebenfalls Zustimmungsvorbehalte oder Weisungsbefugnisse übertragen werden können, wodurch der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule eingeschränkt wird. Sofern sich der Beirat aus Personen zusammensetzt, die nicht Gesellschafter sind, können die geschäftsführenden Gesellschafter allerdings aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft gemeinsam gegen die Weisung des Beirats handeln, wenn diese als geschäftsschädigend oder als rechtswidrig erachtet wird. Eine weitere Besonderheit im Rahmen der Anwendung der Business 164
Vgl. Kap. 7 B. III. 4.
E. Ergebnis
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Judgment Rule ist darin zu sehen, dass im Gesellschaftsvertrag geregelt werden kann, dass die geschäftsführenden Gesellschafter vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB befreit werden können. Wenn der Geschäftsführer in diesem Fall mit sich und der Gesellschaft Geschäfte abschließt, ist ein Interessenkonflikt auf Seiten des Geschäftsführers nicht von der Hand zu weisen. Dadurch kann sich der geschäftsführende Gesellschafter in diesen Fällen nicht auf die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog berufen. Als dritte Besonderheit ist herausgearbeitet worden, dass die Business Judgment Rule in einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt werden kann. Die mögliche Einschränkung kommt in Betracht, wenn Mehrheitsbeschlüsse vorgesehen sind und die Berechnung der Mehrheit nach Kapitalanteilen erfolgt. In Fällen, bei denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter eingreifen, muss der geschäftsführende Gesellschafter ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen. Doch selbst wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur bejaht werden kann, wenn die Minderheit in einer Position steht, die es ihr ermöglicht, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren. Allerdings sind die beschriebenen Einschränkungen des unternehmerischen Ermessens nur dann überzeugend, wenn die unternehmerische Entscheidung nicht in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingreift, weil in einem solchen Fall die betroffenen Gesellschafter bereits ausreichend durch die Kernbereichslehre geschützt sind. Hinsichtlich der Beweislastverteilung ist eine weitere Besonderheit zu beachten. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG kommt nur in Betracht, wenn Gesellschafter, die nicht geschäftsführungsbefugt sind, oder der Beirat einer Publikumsgesellschaft ohne Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern geltend machen. In allen anderen Fällen sind die geschäftsführenden Gesellschafter nicht für die fehlende Pflichtwidrigkeit und damit auch nicht für das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule darlegungs- und beweispflichtig.
Kapitel 8
Schlussbetrachtung Durch die Untersuchung anhand unterschiedlichster Rechtsformen ist dargelegt worden, dass die sachlichen Legitimationsgrundlagen, die hinter der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG stehen, überwiegend nicht aktienrechtsspezifisch sind. Zentral für die Anwendbarkeit der haftungsprivilegierenden Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts spricht folgender Aspekt, der auf jede andere Rechtsform übertragbar ist. Wie der Vorstand einer AG müssen auch Geschäftsleiter anderer Rechtsformen, um insbesondere die Satzungszwecke überhaupt erreichen zu können, grundsätzlich unternehmerische Entscheidungen treffen. Unternehmerische Entscheidungen werden regelmäßig von Risiken und Unsicherheiten begleitet, da sie auf der Grundlage unwägbarer Faktoren getroffen werden müssen. Unabhängig davon, ob von einem GmbH-Geschäftsführer, dem Vorstand einer eG, dem geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft etc. die Rede ist, sind alle Geschäftsleiter unwägbaren Faktoren ausgesetzt. Dabei kann nicht auf Handlungsmaximen zurückgegriffen werden, mit Hilfe derer Unsicherheiten bezüglich der Wahl der richtigen Entscheidung eliminiert werden könnten. Verallgemeinerungsfähig ist auch der hinter der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG stehende Zweck, nach dem durch die Business Judgment Rule die Gefahr des Hindsight Bias eingedämmt wird. In Bezug auf unternehmerische Entscheidungen, die Geschäftsleiter sämtlicher Rechtsformen zu treffen haben, ist die Gefahr des Hindsight Bias, der ein Richter bei der inhaltlich uneingeschränkten Überprüfung einer solchen Entscheidung aus der ex-ante-Perspektive unterliegen könnte, sehr groß. Die Business Judgment Rule führt zu einer Eindämmung der Gefahr des Hindsight Bias, da durch deren Geltung die inhaltliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen durch die Gerichte eingeschränkt wird. Die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule führt auch außerhalb des Aktienrechts dazu, dass sich die Attraktivität des Postens des Geschäftsleiters der entsprechenden Rechtsform steigert. Denn unabhängig von der Rechtsform drohen den Geschäftsleitern große Haftungsgefahren, die durch andere Regelungen nicht ausreichend reduziert werden können. Daher ist die Notwendigkeit, die Attraktivität des Geschäftsleiterpostens für qualifizierte Personen zu steigern, nicht aktienrechtsspezifisch.
Kap. 8: Schlussbetrachtung
253
Insbesondere der weitgestreute Aktionärskreis und die freie Übertragbarkeit der Aktien, führen in einer börsennotierten Publikums-AG zu Missbrauchsgefahren im Zusammenhang mit der Aktionärsklage. Die aktienrechtliche Business Judgment Rule trägt zu der Verhinderung missbräuchlicher Aktionärsklagen bei. Festgestellt worden ist, dass in anderen Rechtsformen, eine monistisch verfasste SE mit weitgestreutem Aktionärskreis ausgenommen, von Gesellschafter-, Mitglieder- oder Destinatärsklagen grundsätzlich keine Missbrauchsgefahren ausgehen. Auch wenn diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG daher nicht auf andere Rechtsformen übertragbar ist, spricht dies nicht gegen die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts per se. Zu konzedieren ist, dass dieser Umstand die Notwendigkeit der Anwendung der Business Judgment Rule in anderen Rechtsformen in gewissen Zügen schmälert. Doch selbst der aktienrechtliche Gesetzgeber hat die Missbrauchsgefahren im Aktienrecht überschätzt, was dadurch deutlich wird, dass missbräuchliche Aktionärsklagen mittlerweile in der Praxis kaum vorkommen. Demzufolge kann diese Legitimationsgrundlage nicht den Kern der Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellen. Legitimiert werden kann die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG damit, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands verhindert, um negative Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft zu vermeiden. Bei der Frage, ob diese Legitimationsgrundlage auch außerhalb des Aktienrechts greift, ist aufgezeigt worden, dass jeder Geschäftsleiter der untersuchten Rechtsformen genauso risikoavers ist wie der Vorstand einer AG. Dies ist insbesondere den großen Haftungsgefahren geschuldet. Zumindest ist die Verhinderung eines Anreizes zu risikoaversem Verhalten der Geschäftsleiter anderer Rechtsformen dann zur Vermeidung negativer Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft erforderlich, wenn die entsprechende Gesellschaft Trägerin eines Unternehmens ist. Die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann damit gerechtfertigt werden, dass sie einen Anreiz zu risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse der Aktionäre verhindert. Dargelegt worden ist, dass dieser Aspekt nicht die einzige Legitimation der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darstellen kann. Insbesondere werden hier (Klein-)Aktionäre genannt, die durch Diversifikationsstrategien das unsystematische Risiko eliminieren und somit von risikoneutralen Entscheidungen des Vorstands in Form von Kurssteigerungen optimal profitieren können. Unternehmerische Entscheidungen sind aber auch im Interesse von sogenannten Blockaktionären. Solche Aktionäre sind zwar nicht in derselben Weise diversifiziert wie (Klein-)Aktionäre, jedoch können sie ihre Risikopräferenzen über ihren Einfluss in der Gesellschaft durchsetzen. Die Untersuchung hat ergeben, dass auch außerhalb des Aktienrechts Prinzipale vorhanden sind, die von risikoneutralen Entscheidungen der Geschäftsleiter profitieren können. Nicht relevant ist, ob der Gesellschafter einer GmbH, das Genossenschaftsmitglied, Aktionäre einer monistisch verfassten SE, das Vereinsmitglied, der Stifter, der Gesellschafter einer Personengesellschaft als Beispiel dient. Jeder von ihnen erhofft
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Kap. 8: Schlussbetrachtung
sich als Prinzipal über die Investition eines „Risikokapitals“ einen Vorteil. Profitiert werden kann nur, wenn die Satzungsziele bestmöglich verfolgt werden. Für das Erreichen der Satzungsziele werden unter anderem riskoneutrale Entscheidungen der Geschäftsleiter benötigt. Genau dies ist auch der Grund, warum unterschiedliche Diversifikationsmöglichkeiten oder etwaige persönliche Haftungsgefahren der Prinzipale das Interesse an risikoneutralen Entscheidungen der Geschäftsleiter nicht gänzlich unterbinden. Dass der Profit bzw. Vorteil nicht mit dem von Aktien, also einer potenziellen Kurssteigerung oder Dividende, identisch ist, ist nicht entscheidend. Der Vorteil muss auch nicht wirtschaftlicher Natur, sondern kann, wie es insbesondere der Stifter oder teilweise auch Vereinsmitglieder anstreben, immaterieller Natur sein. Somit ist auch diese Legitimationsgrundlage der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht aktienrechtsspezifisch. Der unternehmerische Ermessensspielraum, der dem Vorstand einer AG durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gewährt wird, kann damit legitimiert werden, dass das Verhalten des Vorstands durch die Kontrolle von externen Marktmechanismen diszipliniert wird. Die Kontrolle geht vom Produktmarkt, dem Arbeitsmarkt für Manager sowie dem Kapitalmarkt und dem damit einhergehenden Markt für Unternehmenskontrolle aus. Diese externen Marktmechanismen greifen in anderen Rechtsformen weitestgehend nicht mit der gleichen Intensität wie in der AG. Dennoch können unterschiedliche Kontrollstrukturen nicht generell zu einer Verneinung der Anwendung der Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts führen. Zum einen bestehen zwischen einer börsennotierten und nicht börsennotierten AG auch Unterschiede innerhalb der Kontrollstrukturen. Trotzdem hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf eine börsennotierte AG beschränkt. Des Weiteren dienen in anderen Rechtsformen vielfach andere Kontrollmechanismen als Substitutionsfunktion, womit der Mangel an externen Kontrollmechanismen ausgeglichen werden kann. Hervorzuheben sind Weisungsrechte, die beispielsweise der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer in einer GmbH oder der Mitgliederversammlung gegenüber dem Vorstand in einem Verein zustehen. In der monistisch verfassten SE hat zumindest der Verwaltungsrat gegenüber den geschäftsführenden Direktoren ein Weisungsrecht. In einer Stiftung hat der Stifter die Möglichkeit, bestimmte Geschäfte an seine Zustimmungspflicht zu binden. Darüber hinaus ist in einer Stiftung oft ein Aufsichtsorgan vorgesehen, dem häufig Weisungsrechte oder Zustimmungsvorbehalte gegenüber dem Stiftungsvorstand eingeräumt werden. In einer Stiftung können auch der Spendenmarkt und die Steuer- sowie die Stiftungsaufsichtsbehörde das Verhalten des Stiftungsvorstands disziplinieren. In der Personengesellschaft führt bereits die persönliche Gesellschafterhaftung dazu, dass die geschäftsführenden Gesellschafter bei unternehmerischen Entscheidungen mit besonderen Risiken ein gewisses Maß an Vorsicht walten lassen. Zudem sind in einer GbR oder oHG grundsätzlich alle Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt. Die Gesellschafter sind regelmäßig auch Mitunternehmer, so dass hier eine intensive gegenseitige Kontrolle im Rahmen der Geschäftsführung stattfinden wird. In einer Publikumspersonengesellschaft ist der
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häufig vorgesehene Beirat bei risikoreichen Geschäften zu einer gesteigerten Überwachung verpflichtet. Die beispielhaft angeführten Kontrollmechanismen zeigen, dass das Handeln der Leitungsorgane trotz eines durch die Anwendung der Business Judgment Rule gewährten unternehmerischen Ermessensspielraums dennoch kontrolliert werden könnte. Folglich ist zu schlussfolgern, dass die zentralen Aspekte, die die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Aktienrecht rechtfertigen, nicht aktienrechtsspezifisch sind. Vielmehr hat die beispielhafte Untersuchung in der monistischen SE, GmbH, Genossenschaft, Stiftung, dem Verein und der Personengesellschaft gezeigt, dass die Legitimationsgrundlagen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG überwiegend auch in den unterschiedlichsten Rechtsformen greifen. Insofern ist dem Gesetzgeber zuzustimmen, dass „[d]er Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen […] nicht auf den Haftungstatbestand des § 93 AktG und nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt“ ist.1 Bereits an verschiedenen Stellen der Untersuchung ist deutlich geworden, dass die These von Jungmann, nach der die Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts nicht angewendet werden könne, nicht überzeugend ist. Die für diese These angeführte Begründung, dass die Business Judgment Rule nur damit legitimiert werden könne, dass unternehmerische Entscheidungen im Interesse diversifizierter Aktionäre seien, kann abschließend noch einmal mit den folgenden Ausführungen widerlegt werden. Den Geschäftsleitern wird aufgrund der Business Judgment Rule und deren Voraussetzungen eine Richtschnur für ihr Verhalten an die Hand gelegt.2 Nach dieser Richtschnur gilt, dass eine unternehmerische Entscheidung nur zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information, frei von Interessenkonflikten oder sonstigen sachfremden Erwägungen und in gutem Glauben getroffen wird. Diese Gebote sind allerdings keine Spezifika der Geschäftsführung in einer Gesellschaft mit diversifiziert investierenden Gesellschaftern, sondern können in sämtlichen Gesellschaften greifen.3 Aufgrund der vorgenommenen Untersuchung kann der Schluss gezogen werden, dass die Business Judgment Rule in sämtlichen Rechtsformen anzuwenden ist. In methodischer Hinsicht ist die Anwendung der Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts grundsätzlich durch eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG möglich. Bei der monistischen SE ist die entsprechende Anwendbarkeit von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG methodisch allerdings durch die Verweise in §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG geregelt. Im Genossenschaftsrecht kommt die Business Judgment Rule in methodischer Hinsicht gem. dem mittlerweile eingeführten § 34 Abs. 1 S. 2 GenG, der § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entspricht, zur Anwendung.
1 2 3
Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12. Merkt, ZGR 2017, 129 (143). Merkt, ZGR 2017, 129 (143).
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Kap. 8: Schlussbetrachtung
Im Rahmen der untersuchten Rechtsformen ist festgehalten worden, dass bei der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule außerhalb des Aktienrechts Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Im Recht der monistisch verfassten SE besteht die Besonderheit, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule hinsichtlich der geschäftsführenden Direktoren aufgrund deren Weisungsabhängigkeit gegenüber dem Verwaltungsrat eingeschränkt ist. Eine weitere Besonderheit bezieht sich auf die Beweislastverteilung für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule. Aufgrund der engeren Verflechtung der Organe im monistischen System wird die Gesellschaft nicht mit einer Beweisnot bei der Verfolgung ihrer Schadensersatzansprüche gegenüber den Verwaltungsratsmitgliedern oder geschäftsführenden Direktoren konfrontiert. Daher greift der Gedanke des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Recht der monistischen SE im Regelfall, nach dem die Ansprüche der SE gegenüber ihren geschäftsführenden Direktoren vom Verwaltungsrat und die Ansprüche der SE gegenüber dem Verwaltungsrat von den geschäftsführenden Direktoren geltend gemacht werden, nicht. In diesen Fällen ist der Verweis von §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG insofern, als dieser § 93 Abs. 2 S. 2 AktG umfasst, teleologisch zu reduzieren. Dementsprechend ist hier eine Beweislastverteilung zulasten der Organe der monistischen SE nicht anzunehmen. Im GmbH-Recht gilt auch die Besonderheit, dass der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule im GmbH-Recht von vornherein eingeschränkt ist. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weisungsabhängig sind. Zum anderen gibt es ungeschriebene Schranken, die das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführer einschränken. Die Gesellschafter sind für die Festlegung der Unternehmenspolitik und die Entscheidung außergewöhnlicher Maßnahmen zuständig und die Geschäftsführer haben den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter zu beachten. Eine weitere Besonderheit ist darin zu sehen, dass Geschäftsführer vom Verbot des § 181 BGB befreit werden können. Aus der Möglichkeit, Insichgeschäfte mit sich und der Gesellschaft vorzunehmen, folgt, dass Geschäftsführer dabei in einem Interessenkonflikt stehen und die Voraussetzungen der Business Judgment Rule im GmbH-Recht deswegen seltener erfüllt sein werden. Eine dritte Besonderheit der Business Judgment Rule im GmbH-Recht bezieht sich auf den Gesellschafter-Geschäftsführer einer personalistisch strukturierten GmbH aufgrund der Übertragung der Wilkes-Rechtsprechung zur US-amerikanischen Close-Corporation. Dies hat zur Folge, dass das unternehmerische Ermessen des Gesellschafter-Geschäftsführers einer solchen GmbH durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt wird. In Fällen, in denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft anderer Gesellschafter eingreifen, muss zum einen der Gesellschafter-Geschäftsführer ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen. Doch selbst wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesell-
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schafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur gilt, wenn die Minderheit in der Lage ist, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren. Als letzte Besonderheit ist im GmbH-Recht zu beachten, dass der Gedanke von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG aufgrund der stärkeren Einbindung der Gesellschafterversammlung in die Geschäftsführung durch die Weisungsbefugnis nicht greift. Somit ist die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im GmbH-Recht und die Darlegungs- und Beweislast zulasten der Geschäftsführer abzulehnen. Im Recht der eG ist zu beachten, dass in einer eG mit weniger als 20 Mitgliedern der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule von vornherein eingeschränkt sein kann, wenn in der Satzung geregelt ist, dass der Generalversammlung gem. § 27 Abs. 1 S. 3 GenG eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand zusteht. Daneben ist zu konstatieren, dass der Vorstand einer eG im Gegensatz zum Vorstand einer AG in bestimmten Fällen die Möglichkeit hat, Insichgeschäfte mit der eG vornehmen zu können. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass § 39 Abs. 1 S. 1 GenG nicht für alle Rechtsgeschäfte Geltung beansprucht. In diesen Fällen, wie z. B. dem Mitgliedergeschäft, ist grundsätzlich das Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 Alt. 1 BGB maßgeblich. Davon kann der Vorstand der eG allerdings befreit werden. Sofern eine Befreiung erfolgt und der Vorstand mit der eG ein Insichgeschäft abschließt, ist die Voraussetzung der Business Judgment Rule, eine unternehmerische Entscheidung frei von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und unmittelbarem Eigennutz zu treffen, nicht erfüllt. Im Stiftungsrecht kann es ebenfalls zu Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule kommen. Der Stifter kann sich in der Satzung das Recht vorbehalten, dass bestimmte Maßnahmen des Stiftungsvorstands nur mit der Zustimmung des Stifters erfolgen können. Zudem kann die Satzung vorsehen, dass der Stiftungsvorstand an die Weisungen oder Zustimmungsvorbehalte eines Aufsichtsorgans gebunden ist. In diesen Fällen ist der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausgeschlossen. Eine weitere Modifikation ist darin zu sehen, dass Mitglieder des Vorstands einer Stiftung über die Satzung vom Verbot des § 181 BGB befreit werden können. Aus der Möglichkeit, Insichgeschäfte mit sich und der Stiftung vorzunehmen, folgt, dass die Vorstandsmitglieder dabei in einem Interessenkonflikt stehen und deswegen die Voraussetzungen der Business Judgment Rule im Stiftungsrecht häufiger nicht erfüllt sein werden. Eine dritte Besonderheit betrifft die Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen der Business Judgment Rule. Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ist nur möglich, wenn ein Aufsichtsorgan ohne Weisungsbefugnis und die Stiftungsaufsichtsbehörde oder Destinatäre subsidiär die Ansprüche der Stiftung gegenüber dem Vorstand geltend machen. In allen anderen Fällen trägt der Stiftungsvorstand nicht die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Pflichtwidrigkeit und damit auch nicht für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog.
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Im Vereinsrecht ist der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule von vornherein dadurch eingeschränkt, dass der Vereinsvorstand an die Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden ist. Bei schlichter Ausführung der Weisungen ist ein unternehmerisches Ermessen ausgeschlossen. Eine weitere Besonderheit ist darin zu sehen, dass der Vereinsvorstand vom Verbot des § 181 BGB befreit werden kann. Sofern dieser mit sich selbst und dem Verein, den der Vorstand zu vertreten hat, Geschäfte abschließt, ist ein Interessenkonflikt des Vorstands gegeben. Somit kann sich der Vereinsvorstand in diesen Fällen nicht auf die Business Judgment Rule berufen. Darüber hinaus ist eine letzte Besonderheit im Rahmen der Beweislast zu beachten. Da § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nicht analog im Vereinsrecht angewendet werden kann, trifft den Vereinsvorstand auch keine Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Business Judgment Rule. Im Personengesellschaftsrecht sind auch Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule gegeben. Dies ist im Recht der oHG und der KG dem Umstand geschuldet, dass die geschäftsführenden Gesellschafter außergewöhnliche Geschäfte gem. §§ 116 Abs. 2, 164 S. 1 Hs. 2 HGB nur mit der Zustimmung aller Gesellschafter vornehmen können. Dabei ist ein unternehmerisches Ermessen ausgeschlossen, was zudem auch der Fall sein kann, wenn der Gesellschaftsvertrag weitere Geschäfte von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig macht. Im Recht der GbR ist eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften nicht vorgesehen. Allerdings können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen treffen, so dass das unternehmerische Ermessen der geschäftsführenden Gesellschafter auch hier eingeschränkt sein kann. In einer Publikumspersonengesellschaft ist in der Regel ein Beirat vorgesehen, dem ebenfalls Zustimmungsvorbehalte oder Weisungsbefugnisse übertragen werden können, wodurch der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule eingeschränkt wird. Sofern sich der Beirat aus Personen zusammensetzt, die nicht Gesellschafter sind, können die geschäftsführenden Gesellschafter allerdings aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft gemeinsam gegen die Weisung des Beirats handeln, wenn diese als geschäftsschädigend oder als rechtswidrig erachtet wird. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass im Gesellschaftsvertrag geregelt werden kann, dass die geschäftsführenden Gesellschafter vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB befreit werden können. Wenn in diesem Fall der Geschäftsführer mit sich und der Gesellschaft Geschäfte abschließt, ist ein Interessenkonflikt auf Seiten des Geschäftsführers nicht von der Hand zu weisen. Dadurch kann sich der geschäftsführende Gesellschafter in diesen Fällen nicht auf die Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog berufen. Als dritte Besonderheit ist festzuhalten, dass die Business Judgment Rule in einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft durch eine Missbrauchskontrolle aufgrund der hier stark ausgestalteten mitgliedschaftlichen Treuepflicht eingeschränkt werden kann. Die mögliche Einschränkung kommt in Betracht, wenn Mehrheitsbeschlüsse vorgesehen sind und die Berechnung der Mehrheit nach Kapitalanteilen erfolgt. In Fällen, in denen unternehmerische Entscheidungen in die Mitgliedschaft
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anderer Gesellschafter eingreifen, muss zum einen der geschäftsführende Gesellschafter ein legitimes unternehmerisches Ziel nachweisen. Doch selbst wenn ein legitimes unternehmerisches Ziel nachgewiesen worden ist, können die betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit geltend machen, dass das Ziel für sie auch mit weniger schädlichen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Einschränkung der Business Judgment Rule greift für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer uneingeschränkt, wohingegen eine solche Einschränkung beim Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur gilt, wenn die Minderheit in der Lage ist, durch Verweigerungshaltungen Entscheidungen zu blockieren. Allerdings ist diese Einschränkung des unternehmerischen Ermessens nur dann anzunehmen, wenn die unternehmerische Entscheidung nicht in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingreift, weil in einem solchen Fall die betroffenen Gesellschafter bereits ausreichend durch die Kernbereichslehre geschützt sind. Hinsichtlich der Beweislastverteilung ist eine weitere Besonderheit zu beachten. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG kommt nur in Betracht, wenn Gesellschafter, die nicht geschäftsführungsbefugt sind, oder der Beirat einer Publikumsgesellschaft ohne Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern geltend machen. In allen anderen Fällen sind die geschäftsführenden Gesellschafter nicht für die fehlende Pflichtwidrigkeit und damit auch nicht für das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule darlegungs- und beweispflichtig. Im Ergebnis ist die Business Judgment Rule somit unter Beachtung der in der jeweiligen Rechtsform bestehenden Besonderheiten als typübergreifendes Institut zu deklarieren.
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Stichwortverzeichnis Actio pro socio 110 f., 118, 146 f., 154, 173, 206 f., 229 ff., 250 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 27 f., 30, 34, 99 f., 138, 163 Beweislast 31, 95 f., 134 ff., 159 f., 193 ff., 216 ff., 249, 257 f. Business Judgment Rule – Anwendbarkeit in methodischer Hinsicht 91 f., 119 ff., 154, 189 f., 214 f., 241 f., 255 – Anwendbarkeit in sachlicher Hinsicht 42, 76 ff., 101 ff., 139 ff., 164 ff., 199 ff., 223 ff. – im Aktienrecht 24 ff. – im Recht der Genossenschaft 137 ff. – im Recht der GmbH 98 ff. – im Recht der monistischen SE 71 ff. – im Recht der Personengesellschaften 219 ff. – im Recht der Stiftung 161 ff. – im Vereinsrecht 196 ff. – Legitimation des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG 41 ff. – Rechtsnatur und Rechtswirkungen 39 ff. – Tatbestandsvoraussetzungen 31 ff. D&O-Versicherung 52 f., 79 f., 108 f., 145, 170, 204 Durchsetzungsdefizit 80 ff., 170 ff., 186, 205 f., 229 ff. Externe Kontrollmechanismen – Arbeitsmarkt für Manager 64 ff., 69 f., 88 f., 116 f., 151 f., 154, 179 ff., 187, 211 f., 237 ff., 254 – Kapitalmarkt 66 ff., 89 f., 117 f., 152 ff., 181 ff., 187, 212, 238 f., 254 – Markt für Unternehmenskontrolle 66 ff., 89 f., 117 f., 152 ff., 181 ff., 212, 238 f., 254
– Produktmarkt 64, 69 f., 88, 115 f., 150 f., 178 f., 187, 210 f., 236 f., 240, 254 – Spendenmarkt 181 ff., 187, 254 – Steuerbehörde 184 ff., 188 f., 214 – Stiftungsaufsichtsbehörde 172, 184 f. Haftungsgefahren – der geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft 224 ff., 233, 252 – des GmbH-Geschäftsführers 103 ff., 113, 252 – des Vereinsvorstands 200 ff., 208, 252 – des Verwaltungsrats und geschäftsführenden Direktoren 78 ff., 86, 252 – des Vorstands einer AG 47 ff., 58, 70, 252 – des Vorstands einer Genossenschaft 141 ff., 148, 252 – des Vorstands einer Stiftung 166 ff., 176, 252 Hindsight Bias 44 ff., 70, 78, 102 f., 140 f., 165, 188, 199 f., 213, 223 f., 239, 252 Interessenkonflikte 36 ff., 92, 121, 127 ff., 154, 156 ff., 160, 190, 191 f., 215, 216, 242, 245 f., 255, 257 Kontrolldefizit
80 f.
Missbräuchliche Aktionärsklage 54 ff., 70, 84 f., 90, 109, 118, 145, 174, 188, 206, 213, 231, 253 Risikoaverses Verhalten – der geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft 233 ff., 239, 253 – des GmbH-Geschäftsführers 112 ff., 253 – des Vereinsvorstands 207 ff., 213, 253 – des Verwaltungsrats und geschäftsführenden Direktoren 85 ff., 253
Stichwortverzeichnis – des Vorstands einer AG 56 ff., 70, 253 – des Vorstands einer eG 147 ff., 253 – des Vorstands einer Stiftung 175 ff., 188, 253 Spezifika der Business Judgment Rule – im Recht der eG 155 ff. – im Recht der GmbH 121 ff. – im Recht der monistischen SE 92 ff. – im Recht der Personengesellschaften 242 ff. – im Recht der Stiftung 190 ff. – im Vereinsrecht 215 ff.
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Treuepflicht 25, 32, 110, 129 ff., 158 f., 173, 185, 246 ff., 251, 256, 258 Unternehmerische Entscheidung – Filterfunktion 31 f. – Spezifika unternehmerischer Entscheidungen 42 ff., 70, 76 ff., 101 f., 139 f., 164 f., 199, 223, 239 Weisungsgebundenheit 121 f., 155 f., 215
92 ff., 101 f., 104,