Ägyptische heilige Orte II: Zwischen den Steinen des Pharao und islamischer Moderne. Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta: Fuwa - Sa al-Hagar (Sais): Mit ägyptologischen Studien von Silvia Prell. Fotografische Begleitung von Axel Krause [1. Aufl.] 9783839404324

Dieser zweite Band zu alten heiligen Orten in Ägypten liefert Untersuchungen zum islamischen Umgang mit Relikten aus vor

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German Pages 246 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Teil I
1. Einleitung
2. »Spätantike« als Problem moderner Kultur?
3. Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?
4. Passagen am westlichen Nil
5. Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame
6. Sa al-Hagar – das alte Sais
7. Epilog
Teil II
1. Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten
2. Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta)
3. Zur Forschungsgeschichte von Sais/Sa el-Hagar
Anhang
Liste der Abbildungen
Bibliographie
Glossar arabischer Termini
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Ägyptische heilige Orte II: Zwischen den Steinen des Pharao und islamischer Moderne. Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta: Fuwa - Sa al-Hagar (Sais): Mit ägyptologischen Studien von Silvia Prell. Fotografische Begleitung von Axel Krause [1. Aufl.]
 9783839404324

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Ägyptische heilige Orte II

2008-03-03 16-13-15 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 017d172516257756|(S.

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) T00_01 Schmutztitel - 432.p 172516257804

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) T00_02 seite 2 - 432.p 172516257836

Georg Stauth

Ägyptische heilige Orte II Zwischen den Steinen des Pharao und islamischer Moderne. Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta: Fuwa – Sa al-Hagar (Sais) Mit ägyptologischen Studien von Silvia Prell Fotografische Begleitung von Axel Krause

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) T00_03 Titel.p 172516257876

Die Drucklegung dieser Publikation wurde unterstützt aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Sarah Neumann, Mainz Satz: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-432-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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) T00_04 impressum - 432.p 172516257884

Inhalt

Vorwort

.....................................................

7

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

2. »Spätantike« als Problem moderner Kultur?

33

Teil I

..................

3. Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?

...............

43

4. Passagen am westlichen Nil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

5. Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame

67

6. Sa al-Hagar – das alte Sais 7. Epilog

....................

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Teil II 1. Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

. . . . . . . . . . 171

2. Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Zur Forschungsgeschichte von Sais/Sa el-Hagar

. . . . . . . . . . . . . . 213

Anhang Liste der Abbildungen Bibliographie

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Glossar arabischer Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

2008-03-05 11-53-11 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 0323172673451356|(S.

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) T00_05 inhalt.p - Seite 5 172673451372

2008-03-03 16-13-16 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 017d172516257756|(S.

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) vakat 006.p 172516257956

Vorwort Im Gegensatz zu Band I, Ägyptische Heilige Orte im Nildelta,1 werden in diesem Buch nicht die Orte eines einzelnen Heiligen betrachtet, die Untersuchung zielt hier auf den breiteren landschaftlichen Kontext des westlichen Nilarms. Deshalb sind in diesem Band die Bilddokumentationen von Axel Krause in die Textteile eingebaut. Auch dieser Band gliedert sich in zwei Teile: Teil I fokussiert in der exemplarischen Gegenüberstellung zweier Formen der islamischen Heiligenverehrung im Umgang mit pharaonischen oder insgesamt heidnischen Relikten der vorislamischen Zeit: die Stätten von Fuwa (das – sehr unwahrscheinlich – als das alte Metelis vorgestellte) und Sa al-Hagar (Sais). Teil II wird von ägyptologischen Untersuchungen von Silvia Prell, Mainz, bestritten, die mich über einige Strecken dieser Arbeit im Feld begleitet hat. Wir haben uns hier – wie im Sonderforschungsbereich der DFG angeregt – auf eine besondere Form der Zusammenarbeit verständigt, die über die Grenzen der reinen Fachorientierung hinausreicht. Die Ägyptologin und Archäologin breitet das historisch-archäologische Feld über die Landschaft des westlichen Nilarms in seiner pharaonischen Gestalt aus. Sie stellt darüber hinaus die lokalen Befunde aus ägyptologischer Sicht in den aktuellen Forschungszusammenhang. Teil I und Teil II beziehen sich so gegenseitig ergänzend, manchmal in durchaus widersprüchlicher, ja manchmal gegensätzlicher Sicht auf einen lokalen historischen Korpus, der heute Gegenstand lokaler Interpretationen ist. Sie signalisieren von differenten Blickwinkeln aus die unterschiedlichen Fronten, die im aktuellen innerägyptischen Streit um moderne – islamische und ägyptische – Kultur gezogen werden und zugleich die Spannungen erzeugen, die den gesellschaftlichen Wandel begleiten. Während der erste Band auf die moderne Bedeutung eines einzigen Heiligen im Kontext von verschiedenen Stätten (Tempelbauten und Siedlungen) des Altertums begrenzt blieb, geht es hier um Heilige und ihre Stätten im breiteren Kontext einer Nillandschaft. Zwei wichtige Dimensionen der Heiligenverehrung und des modernen Umgangs mit den Relikten der Alten werden hervorgehoben. Der Nil als Ort, als Symbol, als Gegenstand der Verehrung (Wasser, Wallfahrten, Ökonomie, Netzwerke) und der Umgang mit pharaonischen Artefakten in Moscheen und Maqamen (Schreinen). Die aktuellen Dynamiken des gesellschaftlichen Wandels sind von der Suche nach Authentizität beherrscht, und hier geht es vor allem eben um unterschiedliche Fronten der Suche nach der modernen islamisch-ägyptischen Authentizität. Fuwa, der alte Nilhafen, mit seinen kunstvollen Rekonstruktionen der Heiligenmoscheen und Maqamen, einschließlich einiger wunderbarer Exemplare pharaonischer Steine, stellt einen offenen, toleranten Fall des Umgangs mit den alten Denkmälern dar. Sa al-Hagar, ein Fella-

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1 | Stauth, Abdallah.

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chendorf am alten Sais, hat mit der Verbannung alles Pharaonischen aus seinen Moscheen und der offenen Unterdrückung des Sufismus mit seiner eigenen Geschichte gebrochen. In der Nähe eines alten, berühmten Heiligtums, das immer große Beachtung durch Regierung und fremde Equipen fand, dauert ein kulturpolitischer Diskurs zwischen islamischen Reformisten und Sufis an, der die Heiligen marginalisiert und den Tell zum »Feind« gemacht hat. Durch einen aktuellen konfliktreichen Sufi-Salafi-Diskurs über die islamischen Wurzeln, ist hier ein zweiter, ein trauriger Fall des Umgangs mit vorislamischer (nichtislamischer) Kultur und ihren Denkmälern gegeben. So sehr die wissenschaftliche ägyptologische Forschung um die Authentizität einzelner Relikte bemüht ist, so sehr entwickeln lokale Akteure vor Ort über Legenden und Vorstellungen eigene oft sehr divergierende Ansichten darüber, wie sie mit diesen Dingen umzugehen haben. So wird die Präsenz pharaonischer Relikte an heiligen Orten oft auf rivalisierende Vorstellungen von Geschichte und Religion hin organisiert. Einerseits ist der Islam der Bruch mit der vorislamischen Geschichte, andererseits überliefert er aber auch ein Bewusstsein von Kontinuität. Wenn hierin auch unterschiedliche Authentizitätsformen miteinander konkurrieren, so bleibt die Präsenz der Zeichen der pharaonischen Geschichte vor Ort immer ein Rätsel. Die alten Steine fordern Widersprüche heraus, auf die Antworten zu suchen sind. Die ägyptische Altertümerverwaltung und die mit ihr arbeitenden Archäologen stoßen vor Ort auf von unterschiedlichen, politisch rivalisierenden Vorstellungen von Religion geleitete Akteure. Sie stehen in einem Spannungsfeld des Kulturkontakts ganz eigener Art. Einerseits der offene Umgang, wie zum Beispiel Archäologie und Altertümerverwaltung ihn erfordern, anderseits die verdeckten Versuche, einen symbolischen oder rituellen Umgang zu pflegen. Bei ihrer Präsenz in Moscheen z.B. ist es aber grundsätzlich ein dauerhaft angelegtes Betrachten der pharaonischen Steine und Relikte, dem religiösen Blick fremd und bedrohlich, nicht denen aber die sich Wunder erhoffen. In Zeiten schnellen, allgemeinen Kulturwandels entzünden sich daran Konflikte. Leider sind an »archäologischen« Brennpunkten fließende und tolerante Formen des Umgangs mit »dem Authentischen« durch orthodoxe Monopolisierungen und Versuche, die Gegensätze zwischen traditionellem ländlichen Sufismus und reformistischem Fundamentalismus zu glätten, verbaut. In Fuwa allerdings, wo man sich über das »Authentische« aus der Marginalität katapultieren will, sind Rekonstruktionen und das Spiel darüber Teil einer neuen Weltoffenheit. Im ersten Band über meine Untersuchungen in den Provinzen des Nildeltas, erstaunte die Lage mancher islamischer Heiligengräber am Tell, am übrig gebliebenen Resthügel der antiken Kultur. Wie ist sie zu deuten? Wollte man damit ursprünglich die Überlegenheit der neuen Zivilisation demonstrieren? Und heute, handelt es sich um eine anerkennende Referenz gegenüber der untergegangenen Zivilisation der Alten? Wir werden hier

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9 Vorwort

zeigen wie unterschiedlich die modernen Zugänge zu pharaonischen Relikten sein können. Deutlicher noch als in Thmuis und Mendes im Ostdelta, finden wir in Sa al-Hagar (Sais) ein intensives kulturelles Kontaktmuster vor, das den Bruch mit dem Pharaonismus und die Pflege der Stücke aus einer nicht-islamischen Welt auf das Strengste in Gegensatz bringt. Andererseits finden wir in Fuwa, in einer von den Mamelucken zur Blüte gebrachten Stadt am westlichen Nilarm, ein Szenario des offenen und integrierenden Wiederanknüpfens an die Kontinuität der ägyptischen Kultur im Islam. Überlegenheit, das ist das Wissen um den Einen Gott. Aber in Fuwa wurde die Präsenz der Zeugnisse der untergegangenen großen Zivilisation durchaus wiedererweckt, Kontinuität neu erschaffen. Authentizität, sie wird hier mittels des national-ägyptischen Selbstverständnisses, mittels Tradition, Fortgestaltung der Landschaft, ja durch Kultpraxis am Ort, nicht zum offenen Programm der Negation. Es wird in diesem Band sehr deutlich, dass durch das Wiedereinbauen von alten, mit den in sie gemeißelten Hieroglypheninschriften oder Ornamenten versehenen Granitsteinen in die Moscheen und Grabmale, die Widersprüche nicht aufgehoben werden. Auch hier wird die konfliktreiche Unterdrückung möglich, auch hier versuchten Islamisten, die Gegenwärtigkeit des Pharao durch das Wegnehmen und Vergessenmachenwollen von Zeugnissen zu verdecken. Ein neues, reines islamisches Bewusstsein sollte vorherrschen. Trotz dieser Hindernisse, kann doch wenn nicht von einer Belebung des kulturellen Umgangs mit den Relikten der Alten, so doch von einer gewissen Toleranz gesprochen werden. Das ist das Ergebnis der beharrlichen Arbeit von Ingenieuren und Beamten, die sich das Heft ihrer Arbeit nicht ganz von den Protagonisten des reformistischen Salafi-Diskurses der letzten 20 Jahre aus der Hand nehmen ließen. Es ist einer Reihe von Personen und Institutionen für geneigte Unterstützung zu danken: Zunächst der DFG und dem Sonderforschungsbereich (SFB 295) »Kulturelle und sprachliche Kontakte« an der Universität Mainz. Den Sprechern dieses SFBs den Herrn Professoren Walter Bislang und Thomas Bierschenk, insbesondere auch Frau Professor Ursula Verhoeven, möchte ich herzlich dafür danken, dass sie dieses Unternehmen zwischen Ethnologie/Soziologie, Islamwissenschaft und Ägyptologie so vorbehaltlos unterstützten. Unter der Regie von Frau Verhoeven war es schließlich möglich Frau Prell in dem gebotenen Umfang in diese Arbeit mit einzubinden. Es ist mir ein besonderes Anliegen, Frau Prell auch an dieser Stelle für Ihre Mitarbeit zu danken. Dass diese möglich wurde, fand auch von einer dritten Seite Unterstützung. Herrn Dr. Edgar Pusch, dem Leiter der Ausgrabungen in Qantîr im Ostdelta, sei besonders dafür gedankt, dass er Frau Prell zu gegebenen Zeiten ins Westdelta entlassen konnte. Am »langen Tisch« in Qantîr sind auch so manch bereichernde Gespräche geführt worden, auch hierfür herzlichen Dank. Dankend möchte ich erwähnen, dass das Interesse, das Professor Rüsen als Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen diesem Unter-

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nehmen entgegenbrachte, sich fördernd und in jeder Hinsicht hilfreich auf das Projekt auswirkte. Die Idee, meine Forschungen über die Orte des westlichen Nils auf Fuwa und Sa al-Hagar als Brennpunkte eines islamischen Authentizitätsbezugs zu konzentrieren, habe ich erstmals auf der Tagung »Saintly Places in Egypt« vom 20-23 Juni 2006 im Haus »Nothgottes« im Rheingau dargestellt, bei den Teilnehmern der Tagung bedanke ich mich für Anregungen, Kritik und Kommentar. Die hier geführten Diskussionen werden ihren Niederschlag in dem von Dr. Samuli Schielke und mir herausgegebenen Band 8 des Yearbook of Sociology of Islam finden.2 Schließlich möchte ich wieder und nochmals betonend die Zusammenarbeit mit ägyptischen Kollegen dankend erwähnen. Mit Professor Mahmoud Auda, damals noch Vize-Präsident der Ain Shams Universität in Kairo und noch heute eine führende Figur der ägyptischen Soziologie, verbindet mich eine in der Feldzusammenarbeit gewonnene Freundschaft. Das gilt gleichermaßen für Professor Ahmad Zayed, den Dekan der Philosophischen Fakultät der Kairo Universität in Gizeh. Nicht nur in Ägypten ist die Last der Ämter normalerweise ein Hindernis für laufende Forschungsarbeiten. Es konnte aber trotz aller Hindernisse eine kleine Forschergruppe zusammenkommen, die unsere Arbeit begleitete. Sarah Neumann, die in Mainz die Erstellung des Manuskripts koordinierte, sei für ihre ausgezeichnete Arbeit besonders gedankt. Frankfurt am Main, im September 2007

Georg Stauth

2 | Schielke/Stauth, Locality.

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Teil I

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) T01_01 RESPEKT I.p 172516257972

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1. Einleitung Lokaler Raum ist kulturell verdichteter Raum und immer auch symbolisch besetzt. Es handelt sich durchaus um »Landnahme« im Sinne Carl Schmitts, wenn neue Ideen in Welt und Leben praktisch durchgesetzt werden. In Analogie zur »Landnahme« nähern sich Sufis und Pilger den heiligen Orten nicht offen oder direkt unter dem Zeichen der Besitznahme des Ortes. Für Sufis gilt das – wie ich es nennen möchte – »Überall Sein« des Ortes des Heiligen, für Pilger, die ins Transzendente gehobene »Frömmigkeitsannäherung« an den Ort. Beide entwickeln dabei kaum einen Begriff von Territorialität, der Schmitts »Landnahme« rechtfertigte. Doch versuchen religiös inspirierte Eliten immer auch ein neues Bewusstsein von Raum und Ort umzusetzen, auch Sufis und Pilger sind davor nicht gefeit. Insofern ist der in den 1990er Jahren sich in der ländlichen Gesellschaft Ägyptens durchsetzende Islamismus auch eine »Raumrevolution« mit großen Wandlungen des geschichtlichen Bewusstseins unter Einschluss aller sozialen Gruppen.3 Denn mit der islamischen modernen »Reform« spitzt sich die Frage auf die Duldung von Vor-Islamischem oder Nicht-Islamischem im islamisch bestimmten Raum zu. Der Umgang mit dem »Pharao« und seinen Relikten am Ort zeigt dabei aber durchaus kein einheitliches Vorgehen und bleibt widersprüchlich. In diesem zweiten Band über die »Ägyptischen Heiligen Orte« liegt die Betonung auf dem Ort selbst und seiner Ausstattung, nicht auf der Hagiographie eines einzelnen Heiligen. Hier interessieren die unterschiedlichen Gestaltungen des Ortes oder des Raumes, in dem sich Heiligenstätten befinden oder die als Ganzes solche beherbergen. Über die beiden ausgewählten Orte am westlichen Nilarm und die hier vorgefundenen Relikte vermittelt sich, wie sich der Rückgriff in vorislamische Geschichte und Kultur lokal gestaltet. Die Hügel und Kalksteine, später auch die Marmorsteine, die heute in der ägyptischen Landschaft (auch des Deltas) noch pharaonische Kultur repräsentieren, sind – so schon im Mittelalter unter islamischen Gelehrten diskutiert – durchaus im Sinne der Rückbesinnung auf ein »Goldenes Zeitalter« der Ahnen anzuerkennen und zu pflegen. Dem widersetzen sich auch im Prinzip nicht die Vertreter der »Reform-Orthodoxie« an der al-Azhar-Universität, an der es schließlich ja auch eine Abteilung für Ägyptische Archäologie gibt. Der ägyptische Staat übernimmt die Pflege der nicht-islamischen Denkmäler auf den unterschiedlichen Ebenen in der lokalen und zentralen Kulturverwaltung, ägyptische und ausländische Grabungs-Equipen unterstützen ihn dabei. Hier liegt jedoch das Interesse der internationalen Öffent-

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3 | Man kann sich in der Untersuchung des islamistischen Kulturwandels durchaus von Carl Schmitts Betrachtung der calvinistischen Steigerung des Kulturbewusstseins inspirieren lassen. Aber was war die neue freigesetzte »Raumordnung« hier mehr als die symbolische Einschnürung von Körpern und Orten? Vgl. Schmitt, Land und Meer, S. 55f.; S. 79-85.

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lichkeit und dementsprechend auch das Staats-Interesse vor allem bei den spektakulären Orten südlich von Kairo. Die Orte im Delta gelten weitgehend als unbedeutend und marginal. Soweit dort noch Ruinenstätten erkennbar sind, bleiben sie weitgehend dem Raubbau anheim gegeben, Bevölkerungsexplosion und der sich ständig erweiternde Wohnungsbedarf tun ein weiteres. Wo sie doch noch geschützt und erhalten werden, sind die Orte allerdings auch im Leben der Bevölkerung präsent, nicht immer als Glücksfall. Für die Menschen vor Ort sind die finsteren Stätten, die an ihre Äcker angrenzen, mit vielen Rätseln behaftet. Einerseits werden sie streng bewacht, und die Ausländer, die dort wissenschaftlich arbeiten, bauen Grabungshäuser und werden polizeilich geschützt, andererseits führen oft die Wege zum eigenen Feld in der Morgen- wie in der Abenddämmerung mit Vieh und Pack über die Hügel, und die Eindrücke von den an manchen Stellen von Geheimnis umwobenen Vertiefungen und Höhlen sind durchaus nicht ohne Grausen. Die Tells bergen oft Horden von Hunden, die Eindringlinge ungern sehen, und eine Vogelwelt ganz eigener Art. Falken und kleine Adler sind hier neben Schwärmen von Kleinvögeln in der Dämmerung zu beobachten. Einzelne Fellachen, die Ärmsten, versuchen, wenn es die Wärter erlauben, den gabal, den Berg, zu nutzen und lassen hier ein paar Ziegen und Schafe grasen. Immer aber sind die Räume am Kûm, an der Ruinenstätte, auch Gegenstand von Geschichten und Legendenbildungen, in denen die Leute in vagen symbolischen Anspielungen an den Koran und an auch im Islam (oft mündlich) überlieferte, darunter auch auf biblische Prophetengeschichten zurückgehende Erzählungen, den Ort in einen offenen Bezug zur großen aber dunklen Vergangenheit des Landes am Nil stellen. Die Legenden bilden eine Grundlage dafür, wie die Leute sich den Tell erklären und in ihren Alltag einbeziehen.4 Andererseits und gerade aus orthodox islamischer Sicht erinnern die Stätten aber auch »an jenen Pharao aus dem Koran, der bis zum Tode ungläubig blieb und die Botschaft des Propheten Mose verwarf, jenes Propheten Mose, der nicht etwa selber eine falsche Religion brachte, das Judentum, sondern einen Urislam, der erst später von den Juden entstellt wurde.«5 Wie immer man es vom »Text« der Religion herkommend sieht, die Menschen müssen mit den Relikt-Orten leben, sie müssen eine Form des Zusammenspiels mit ihnen finden, und dabei liegt immer auch eine Art religiöser, islamischer Bann auf allen Formen der figurativen Präsenz des Magischen. Für jene aber, die an das Weiterwirken des Magischen glauben, vollzieht sich hier eine ambivalente, oft affirmativ genutzte, und in Momenten der Erschütterung und des Zweifels doch auch angstvoll umgesetzte Anziehungskraft.

4 | Ich habe das in Band I bereits näher beschrieben, vgl. Stauth, Abdallah, insbes. S. 6872. 5 | Van Ess, Religion und Gesellschaft, S. 27.

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15 Einleitung

Wie ich unten noch näher beschreiben werde, konzentriert sich dieses Zusammenspiel auf zwei Ebenen des herkömmlichen Umgangs. Man aktiviert Mittel und Wege, die auch der islamischen Öffentlichkeit den symbolischen Akt der Anerkennung erlaubt: Man baut Heiligengräber und Moscheen über, oder auf, oder an den Rand von Ruinen oder Ruinenstätten. Das bekannteste, und vielleicht sinnfälligste und deshalb offiziell anerkannte Beispiel hierfür ist die Grabesmoschee des Abû al-Haggâg im Luxortempel. Wer dagegen mit dem Zug von Alexandria nach Kairo fährt, kann ein anderes, weniger bekanntes Beispiel finden, das für Hunderte solcher Qubbas an pharaonischen Orten steht. Man sollte hinter der Bahnstation von Abû Dawâr den Blick nach rechts gerichtet halten und wird dann bald den Abû Hummus6 sehen und seine Qubba mit grüner Fahne, die oben auf einem gabal, auf einer wie eine Sanddüne aus dem Agrarland aufsteigenden, heute mit einem Friedhof besiedelten Ruinenstätte liegt. Abû Hummus ist das Paradebeispiel eines »Fellachenheiligen« – wie ich sie in Anspielung an Goldziher nenne7 – gewissermaßen namenlos und geschichtslos, aber auf geschichtsträchtigem Ort. Mögen sich die Ägyptologen weiter darüber streiten, ob nicht unter Fuwa, oder an anderen Orten der westlichen Nillandschaft vor Alexandria, etwa gar am Abû Hummus, eventuell das sagenumwobene Métélis liegt.8 Es kann nicht bezweifelt werden, dass auch Fuwa zunächst an und dann über einem antiken Ort errichtet wurde, auch wenn die dort in den Moscheen des 17. und 18. Jahrhunderts noch verbauten Steine selbst wohl aus dem älteren Sais kommen. Ein wichtiges Mittel ist offenbar auch die symbolische Beachtung, Eingliederung, ja, Überlagerung der Schriftsteine der Alten, der Spolien, wie die Archäologen sie nennen, Bruchreste von Säulen, Stelen, Tempelschwellen und -sockeln. In der Nüchternheit, mit der solche Relikte ihren Einbau in Moscheen finden, symbolisiert sich zweierlei, die Überwindung alter finsterer Mächte und der Stolz auf eine große Vergangenheit. Für die ländliche Bevölkerung, die ihre eigenen, in der Fellachen-Kultur wurzelnden Traditionen pflegt, stellen die Stätten andererseits – ich habe das oben angedeutet – auch eine magische Bedrohung dar, die rituell genutzt und überwunden werden kann. Hier ist die Schatzsuche und an islamischen Festtagen das Reiten über die Hügel gängige Praxis. Die Frauen erhalten sich die alten Fruchtbarkeitsriten, indem sie diese neu gestalten und mit dem islamischen Ritus in nahebei liegender Moschee und Maqam verbinden. Denn es waren zunächst die Scheichgräber, die mit ihren Qubbas, kleinen Kuppeln, welche die Landschaft am pharaonischen Tell neu prägten, dann wurden daraus Moscheen mit den, die braunrote Erdmasse übersteigenden Minaretten.

6 | Ich wage eine Übersetzung: »Vater der Kichererbse«. 7 | Zum »Fellachenheiligen« vgl. meinen Band I, Stauth, Abdallah, S. 46, Anm. 66ff. 8 | Vgl. Bernand, Métélis.

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Der Ort wird mit Symbolen und einer habituellen islamischen Repräsentation besetzt. Symbol und Habitus verkörpern sich am Ort durchsetzende Ideen. Das Wechselspiel von unterschiedlichen Vorstellungen darüber, was islamische Kultur zu sein hat, beherrscht heute die ägyptische Gesellschaft als Ganzes, doch sind »Heilige Orte« – wie schon in Band I gezeigt – Brennpunkte, hier werden die repräsentativen Gegensätze von heidnischen, pharaonischen Symbolwelten und modern islamistischen Vorstellungen besonders deutlich. Sie scheinen einen Dauerkontakt scheinbar feindlicher Kulturmomente widerzuspiegeln. Die moderne Mediengesellschaft setzt ihre eigenen Regeln durch, so dass auch im mikrosozialen Raum die Ordnungsprobleme der Moderne aufbrechen: die Suche nach authentischer Kultur kann sich zur Obsession verschärfen. Es wäre falsch nur den Konflikt zwischen konkurrierenden Kulturen, Islam, Moderne, Volkstradition zu betonen. In der vorliegenden Studie kann gezeigt werden, dass es durchaus vermittelnde Strömungen gibt, den virtuell bereits überhistorisch und innerkulturell angelegten Konflikt zwischen Präsenz des Urauthentischen, das sich mit der religiös authentischen symbolischen Ordnung nicht verträgt, zu lösen. Wie bereits angezeigt, hebe ich in dieser Studie zwei miteinander verbundene Fälle hervor, welche die Modifikationen des potentiellen konfliktbeladenen Umgangs mit der allseits gegenwärtigen Welt der pharaonischen Geschichte Ägyptens und der des modernen Islams deutlich werden lassen. Wohlgemerkt, man kann durchaus darüber streiten, ob das Aufeinandertreffen dieser Kulturwelten so grundsätzlich konfliktträchtig ist.9 Bei den hier gewählten Fällen handelt es sich aber um zwei einander bewusst gegenübergestellte Extrempole: Im Tempelbereich des alten Sais, in dem gewissermaßen auf ihm liegenden Dorf Sa al-Hagar, sind die Zeichen fortdauernder kultureller Verwüstung unübersehbar. In Fuwa dagegen, das in großen Teilen auf einer versunkenen antiken Stadt steht,10 hat man sich, wenn auch hier in der Tat nicht konfliktfrei, bei der Restaurierung der islamischen Altstadt und ihrer Heiligtümer pflegend der pharaonischen Relikte angenommen, sie wiedereingebaut oder einfach belassen. Die islamistisch-modernistische Besetzung des öffentlichen Raums ist, wie wir sehen werden, Ausdruck einer Ordnungsrevolution, die in ihren Wirkungen in einem weiten Feld globaler Konflikte steht. Doch verläuft sie, und das scheint mir wichtig, nicht einfach nach einem konflikt-initiativen Muster. Das bedarf der Beschreibung und der Erklärung, aber vor allem auch der Hervorhebung. Die Relikte sind Teil einer lokalen Sinngeschichte des »Heiligen«. Als islamische Orte sind die Heiligenschreine oft »über« die Dinge gestellt, die

9 | Vgl. hierzu meine Ausführungen unten, Kap. 3, S. 43-52; s.a. Bd. I. S. 33-59. 10 | Wohl weiß man heute, dass es sich nicht um das sagenumwobene, bisher nicht eindeutig lokalisierbare Metélis handelt. Vgl. Bernand, Métélis.

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von den Zeiten des Pharaos her selbst eine eigene überhistorische Dimension der Formation des Heiligen ansprechen. Mehr als auf die Person einzelner Heiliger richtet sich so der Blick dieser Studien auf unterschiedliche kulturelle Verdichtungen, die in der Raumgestaltung und Raumordnung am heiligen Ort selbst angezeigt werden. »Authentizität«, wie man heute in der amerikanischen Soziologie zu sagen pflegt, ist das »Museum« oder der »Tempel« der Moderne. Daran ist zumindest soviel wahr, dass in der zeitgenössischen Kultur nichts zählt, nichts existiert, ja an Bedeutendem nichts existieren darf, was nicht registriert, identifiziert und musealisiert, kurz authentisch gemacht worden ist. Wenn »Moderne« das ist, dann sind am Ort ausgetragene Konflikte über die »Authentizität« von Relikten, etwa der unten geschilderten Art, nicht vom Kontakt zweier verschiedener Kulturen geprägt, sondern von der Moderne selbst und ihrem Hang nach selektiver Authentizität. Es handelt sich also um einen Kampf unterschiedlicher Vorstellungen über das, was eigene authentische Kultur sein kann, bzw. zu sein hat. Das heißt im praktischen Prozess, dass es sich hier um moderne Kultur selbst handelt, wenn auch im Zeichen des Islams. Paradoxerweise bringen lokale Kämpfe um moderne Kultur immer auch Vorstellungen von differenter Kultur ins Spiel: Das absolut Andere ist irgendwie immer, und sei es als Teufelswerk, präsent. Was dem Einen als nicht-, weil vor-islamische Ketzerei erscheint, gilt dem Anderen als eine »heilige« Tradition. Worin sich der eine als moderner, weil »authentischer« Muslim versteht, gilt dem anderen als ein Tradition vergessender, verwestlichter, amerikanisierter oder fremder salafitischer Islam. So könnte man die heutigen Bedingungen des lokalen Kampfes um islamische Authentizität umschreiben, er bricht in der Marginalität der Dörfer und Kleinstädte heftiger, intensiver, ja radikaler aus, aber es handelt sich immer um in den Metropolen ausgehandelte und vorgegebene Richtungen in ein und dem selben »Kampf« um die Teilhabe am »Tempel« der Moderne. Ich möchte mit dieser Studie zur Erhellung dieses Paradoxons beitragen. Der Blick richtet sich auf den Brennpunkt »heiliger Ort« als einer Art spezifischer, neuer Plattform des globalen Diskurses über Religion und hegemoniale Macht. Es handelt sich gewissermaßen um eine Art neuer Belichtung der Kontakt- und Konfliktsituationen, die vorgeben lokale Authentizität herzustellen. Schon im ersten Band dieser Reihe über »Heilige Orte in Ägypten« habe ich, bezogen auf die Figur eines einzelnen Heiligen, die Wirkungen widerstreitender Blickwinkel in der Konstruktion und Inszenierung des Heiligen beschrieben, hier folgt nun in der Perspektive der religiösen Archäologie des Ortes eine Verschärfung des »Blicks von unten«: Der alltägliche Umgang und die Widersprüche zwischen gelebter Tradition und Religion als Vorstellung stehen im Vordergrund. Damit sind also weniger die Heiligen in ihrer Person ins Blickfeld gerückt. Ich verzichte hier weitestgehend auf hagiographische Studien. Aber auch in der Orts-Perspektive »von unten« ist der »Ort« ohne die Vorstellung

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vom Körper des Heiligen nicht zu denken, wenn auch die islamische Orthodoxie mit dem Begriff des mashhad ru‘ya (Ort des Zeugnisses) die Frage der Präsenz des bezeugenden, toten Körpers am Ort ins Visionäre verklärt und damit durchaus auch eine Lösung für die Berechtigung der vielen Orte ohne Grabes-Körper gefunden hat.11 Die Ortperspektive hat – jenseits der Frage nach dem Grad der Präsenz des Körpers des Heiligen – mit dem Einfachsten, dem Konkreten, dem Fassbaren zu beginnen. Zunächst ist es der Ort selbst, der Rätsel birgt und Fragen aufwirft. Seine Lage ist nicht von ungefähr. Oft hat hier etwas stattgefunden, was sich in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt hat oder einprägen sollte, Kämpfe unter Heroen, Kämpfe mit Tieren, eine Schlacht zwischen Gruppen, Stämmen oder Heeren, einsetzende Visionen eines Mannes, ein Naturbild, das sich (oft auch über Träume) zum Sinnbild verfestigt, wie etwa die Silhouette eines von Wind und Sonne erodierenden Felsenzugs in der Wüste. Dann auch ganz Nützliches, wie ein Schatten bietender Baum, eine Quelle, ein gezähmtes Tier oder sein Gegenteil das unzähmbare, bedrohliche, wilde Tier. Erstaunlich ist es zu sehen, wie ähnlich sich Ergebnisse der ägyptologischen Forschung zur Vorgeschichte der Orte pharaonischer Tempel12, und Beschreibungen klassischer Islamwissenschaftler, wie Wellhausen und Chelhod, zur Geschichte der Bildung der Heiligtümer in Wüstenorten unter heidnischen Beduinen und Arabern sind. Der Ort, das gilt es festzuhalten, hat immer eine historische Tiefendimension, die ihn gewissermaßen in einem doppelten Sinn auszeichnet: Er ist erstens Ereignis-Ort, er ist zweitens Kommunikations- und Kontakt-Ort. Mythen und Legenden kultivieren das historische Ereignis. Über seine außergewöhnliche Lage als Anziehungspunkt realisieren sich Kommunikation und Kontakt. Ist der Ort erst einmal »besetzt«, so kommen sekundäre Momente hinzu, spielen die Phänomene der Gestaltung des Ortes eine Rolle, die durch die Religionsgeschichte vorgezeichnet sind: Tempel, Kirche, Moschee, Grabmal, Gelehrtenschule etc. Letztere bringen natürliche eine hohe Gestaltungswirksamkeit des Ortes mit sich: Raumaufteilungen, die sich auf graduelle Annäherungen an das Heiligtum beziehen. Es sind dies Aspekte der unterschiedlichen Verdichtung von Räumen und von Bezirken. Dies äußert sich meist in symbolischen Darstellungen, welche die Grenzen der Zuwendung oder Abwendung markieren. Die Gestaltungen in Architektur, Inventar und Kultgerät werden entsprechend dieses Differenzierungsbedarfs getroffen. Durch Symbole aber auch Intensivierungen der rituellen Praxis wird Geschlossenheit und Grad der Durchorganisiertheit des Raumes bemessen. Zugleich werden Bruch und in Ausschließungsgrenzen auch habituell in der Verbindung spiritueller und körperlicher Haltungen offengelegt und Differenzmuster angezeigt. Im heutigen Ägypten und seinem islamischen Kontext – wir werden uns hiermit im Folgenden noch genauer auseinandersetzen –

11 | In Bezug auf Kairener Schreine hierzu s. Mittermaier, Why Walk? 12 | Diesen Hinweis verdanke ich einer Diskussion mit Frau Professor Verhoeven, Mainz.

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spielen dabei auch umstrittene Formen der Absetzung oder der Nähe von Heiligengrab und Moschee eine entscheidende Rolle13, noch gravierender sind die Unterschiede, Konflikte und kulturellen Akzentuierungen, die sich in der Präsenz pharaonischer Relikte am Ort, in der Moschee und am Heiligengrab ergeben. Umgekehrt aber sind u.U. auch die Qubbas der Volksheiligen Gegenstand von Geringschätzung und damit auch von Konflikten. In den Berichten von Archäologen sind Heiligen-Qubbas aber auch Fixpunkte der Orientierung und haben damit einen festen Platz in der Grabungsgeschichte einzelner Orte.14 Wie schon gezeigt, hängt die Konstitution des Ortes von Bedingungen ab, die jenseits des »Heiligen« liegen, ja ganz weltliche, diesseitige Notwendigkeiten und an diese gebundene Interessen widerspiegeln. Diese betreffen den weiten Bereich der Aufrechterhaltung und institutionellen Verankerung des Heiligen Ortes: Er muss gewissermaßen in einem ganz praktischen Sinne »vertreten« werden, und das heißt, dass für Unterhalt und Pflege der Einrichtungen und Dinge, ja selbst der Geschichte, der Insignien und der Legenden gesorgt, Termine verwaltet und angekündigt, die Ausstattung erweitert werden muss, alles Dinge, die den sozialen Erfolg des Heiligen erst sicher stellen und die sehr stark von Engagement lokaler Gruppen, Familien, Verwaltungen und Stiftungen abhängen. Diese Interessengebundenheit zeigt sich auch am Festhalten oder gar an der Neuschöpfung von Hierarchien der Heiligen und ihre Übertragung auf andere Orte. Der Rang der Orte bemisst sich eben auch an der Größe der Jahrmärkte, der beteiligten Zünfte und religiösen Bruderschaften. Es zeigt sich hier insbesondere, wie wichtig reziproke Formen des Tauschs – wirtschaftliche wie symbolische – für den manifesten Hintergrund der Gesamtbedeutung eines Ortes sind. Nicht nur Devotionalien-Produktion sowie symbolische und Votiv-Gegenstände machen das Wesentliche, etwa des Wirtschaftens, aus, sondern auch Handwerk und Handel und die damit eng verbundene soziale Repräsentation durch Zünfte, Bruderschaften, politische und kirchliche Institutionen. Aber die Basarökonomie wuchs schnell zur modernen Kapitalwirtschaft aus. Orte wurden zu Dörfern und Dörfer zu Städten, ja zu Großstädten. Wo aber nur Wachstum, Geld und Ehre das Ziel ist, wo reiner Zweck spürbar wird, scheint sich die Kraft des Heiligen nicht zu bewähren, und dann ist alles leicht schon wieder in Frage gestellt. Nichts ist zwangsläufig. Die Diesseitigkeits- und Verkörperungsproblematik, die Präsens des Heiligen, bezieht sich also nicht nur auf die spirituelle Erfahrung, sie ist immer auch zu verhandelnder Gegenstand im Prozess ihrer »Verwirklichung«.

13 | Hierzu meine Erläuterungen in Bd. I, Stauth, Abdallah, S. 14f. 14 | Vgl. meinen Hinweis im Falle der alten Qubba des Abdallah b. Salam am Tell Thmuis in Band I, Stauth, Abdallah, S. 83, Anm. 166; für Sa al-Hagar s. Wilson, Survey, S. 54, S. 59-60.

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Der Ort selbst trägt – wie wir gesehen haben – zur Konstitution des Heiligen bei, wie aber wirkt das Heilige konstitutiv in den Ort hinein? Immer ist der Drang zur Außeralltäglichkeit im Spiel. Sie ist die Folie, vor deren Hintergrund erst der »andere« Zustand möglich wird, der Selbsterfahrung auf eine neue Stufe hebt. Die Präsenz des Heiligen am Ort ermöglicht ein Über-Sich-Selbst-Hinausblicken. Paradoxerweise wirkt dieses wieder zurück. Der nach Außen orientierte Blick kann – wenn er die Erfahrung des Andern ermöglicht – nach Innen wirken, dies zeigt sich konkret am Körper. Die Präsenz des Körpers des Heiligen überträgt sich auf den Körper des Teilhabenden. Man könnte hier von Performanzen sprechen, die eine innere Transformation des Körpers im Erleben des Körpers des anderen anzeigt. Im Ritus und den Akzentuierungen des Habitus werden solche Ausdrucksformen des Anderen virulent. Prozessionen, das Gebet, Reinigungsrituale (sie sind oft mit dem Gebet verbunden) aber auch Tanz, Musik und Trance, das ekstatische Vermögen insgesamt, sind die Mittel der Transmission solcher Erfahrungen. Wir haben es beim Phänomen »Heiliger Ort« mit einer doppelten, parallel angelegten Dimension des Transzendenz zu tun: Das Heilige muss nicht »hier« sein, um »hier« sein zu können, es muss aber präsent gedacht werden können, d.h. es muss immanent gemacht werden können, es muss das Potential zur Inklusion haben, auch wenn es auf exklusiver spiritueller Transzendenz-Erfahrung beruht. Um diese Frage der Präsenz des Heiligen sind mit dem Monotheismus die heftigsten aller Streite über den »Ort« (Erscheinung, Ding, Land, Volk, Einzelmensch) als Präsenz des Heiligen ausgebrochen. Nie aber, ja selbst nicht in den »pilgerlosen« Religionen konnte sich die manifeste Ortsgebundenheit des Heiligen – und sei es nur als »Idee« – auflösen. Das Problem der Partizipation am Heiligen ist also doppelt gelagert. Es stellt sich nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Heiligen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Ort. Hier geraten die vor Ort handelnden Individuen in das Blickfeld. Es ist viel über die Frage nachgedacht worden, warum so viele Menschen, ja oft Millionen, auch unter modernen Bedingungen die Mühen nicht scheuen, an heiligen Orten aufzutreten. Sind es innere, tief angelegte Dispositionen, wie Glaubensüberzeugungen und Tradition, sind es Dispositionen zur Selbstveränderung, zum Außeralltäglichen, zum Wandel in der Selbsterfahrung, die eine Wallfahrt etwa erfordern, oder sind es einfach nur weltliche Interessen an Teilnahme sowie Neugier? Wie oben bereits angedeutet, sind heilige Orte aus Sicht des Teilnehmenden Orte der Entäußerung des Frömmigkeitsgefühls, es führt zur Intensivierung der Selbsterfahrung im präsenten Anderen des Heiligen, bis hin zu einem grundlegenden Wandel der Persönlichkeit, die eine Autonomisierung des Selbst (ja auch der Gruppe) beinhalten kann, eine vorgestellte Übertragung des Einzelnen (oder der Gruppe) auf einen anderen (auf eine andere). Es handelt sich dabei nicht nur um Erbauung, sondern auch um Erhöhung der Teilnehmenden, sie bedürfen der unmittelbaren Erfahrung am

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geteilten Ort. Man sieht sich dort gewissermaßen auf einer neuen, »höher« angesiedelten Plattform stehen. Nur darin wird Erlösungserfahrung möglich, die neue Handlungspotentiale schafft. Was in der Ethnologie seit den Arbeiten von Victor Turner15 als Moment der persönlichen Entgrenzung (Liminalität) bezeichnet wird, wäre heute noch einmal anders unter kultursoziologischen Gesichtspunkten der modern aktualisierten, religiösen Massengesellschaft zu untersuchen (soweit allerdings kann sich diese Studie nicht vorwagen). Auf die in neueren Studien zur politics of piety (Politik der Frömmigkeit) angelegten Essentialisierungsprobleme des modernen Subjekts will und kann sie in diesem Kontext nicht eingehen.16 Am Ort sind die bereits angesprochenen Formen der charismatischen Selbstentäußerung, wie etwa auch antagonistisch ausgelegte Ausdrucksformen von Ekstase einerseits und Askese andererseits, wichtig. Beide aktualisieren unterschiedliche Vorstellungen von Teilnahme, Dauer, Stabilisierungen, Balance. So sehr es sich um gegensätzliche Haltungen handelt, so sehr sind beide gleichermaßen Momente der inneren, auf das Selbst bezogenen Konstitution des Heiligen. Ekstase und Askese, sind Momente des gleichen Erlösungswillens: auf das Innen bezogene Differenz-Erfahrung zu sich selbst. Erst in den Versuchen, diese auch zu neuen, intensiveren moralischen Repräsentationen hinzuführen, sie mit Anderen zu teilen, werden Absolutsetzungen des »richtigen Wegs« in transzendental begründete Moral umgesetzt, die geteilt werden will, und so in einen intensiven Austausch mit anderen, auch mit anderer Moral, treten. Heilige Orte sind dadurch kulturell aufgeladene Orte, da sie u.U. Millionen von Menschen anziehen können. Wer aber sind die anderen dort auftretenden Menschen? Sie unterscheiden sich oft beträchtlich unter dem Aspekt ihrer Beziehung zum Ort selbst. Da sind zunächst einmal die virtuosi und Gelehrte, die Scheichs und Imame, an den großen Grabstätten und Moscheen. Diese sind meist Staatsbedienstete, niedere und höhere Beamte der staatlichen Religionsverwaltung (awqâf), die für die rituelle und räumliche Ordnung verantwortlich sind. Zur öffentlichen Verwaltung gehören auch die Türschließer und Wächter (hâris), dann aber auch die Herden der in den Moscheen lagernden Handreicher, Wasserträger, Bettler und Krüppel, die damit ein Leben fristen, das sie von Ort zu Ort, von Fest zu Fest treibt. An einfachen und (noch) nicht öffentlich verwalteten Grabmälern sind es aber meist nur Familienmitglieder oder Sufi-Bruderschaften, die sich um die Stätte kümmern.

15 | Turner, Vom Ritual. 16 | Vgl. hier etwa die Studien über den emergenten islamisch-feministischen Pietismus insbesondere, von Nökel, Personal Identy; dies. Töchter der Gastarbeiter; Mahmood, Politics of Piety; Jouili, Devenier pieuse. Einzelne Beiträge des demnächst erscheinenden Bandes zur Locality nehmen sich dieser Problematik intensiver an, s. Schielke/Stauth, Locality.

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Die verschiedenen Aspekte unter denen Lokalität im Umbruch der Globalisierung der Kulturen an Bedeutung gewinnt, sollen hier einführend kurz beleuchtet werden. Im islamischen Kontext ist das konstruieren und rekonstruieren von den Orten der Heiligen ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung, der historischen, wie der modernen. Ägypten ist ein Sonderfall, »Ägypten« bedeutete als Ganzes schon für die Alten eine Art der Selbst-Bestätigung und Legitimation, die durch die Rückkehr zum Ursprung gewonnen wird und schon im Hellenismus, so Assmann, ging es im Bezug auf das »Alte« darum, wie die endogenen Traditionen transparent und übersetzbar gemacht werden.17 Für die ägyptischen Muslime ist – über die islamische orthodoxe Form der Authentizität im Hadîth hinaus – von Bedeutung, welche Rolle sie, den Begegnungen mit ihrer Geschichte beimessen, und wie sie diese in ihr Leben als moderne Muslime einbauen. Wie die Europäer, so sind auch die modernen Muslime von der überwältigenden Kohärenz und Kontinuität, in der sie Mensch, Welt und Gott, bei den »Alten« zu einer integrierten semantischen Teilhabe am Ganzen aufgerufen sahen, beeindruckt, und in der islamischen Mystik und in der Heiligenverehrung sind viele Formen dieser Bewunderung lebendig. Der Ort ist dabei – wie in allen Kulturen – so etwas wie die Möglichkeit der Konkretisierung überhistorischer Kontinuität, ja wenn nicht selbst ein Stück Ewigkeit. Und wenn auch das sprachliche und symbolische Universum der alten ägyptischen Religion mit der Heraufkunft der monotheistischen Offenbarungsreligionen aufhörte zu existieren, so spielen noch in ganz islamisch verstandenen Traditionen und Riten, einzelne überkommene Momente pharaonischer Kultur im ägyptischen Islam eine Rolle. Soziologisch gesehen bleibt also die Frage, wie geht man in Vorstellung und Leben und in Vollzug der religiösen Pflichten mit dem lokalisierbaren pharaonischen Erbe um, bleibt im Selbstverständnis der modernen Muslime von großer Wichtigkeit. Wenn es in der Literatur die Pyramiden und alten Monumentalbauten waren und sind18, so bilden auch die kleinen Momente des Spiels mit der Kultur der großen »Alten« – al-qâdim – im Alltag vor Ort eine beträchtliche Rolle. Überhaupt übernimmt in den monotheistischen Religionen, im Judentum, Christentum und im Islam, der Bezug zum Ort des Ursprungs eine grundlegende und zugleich reflexive, oft genug auch eine ideologische Funktion: das »Heilige Land«, Jerusalem, Mekka, die »heilige Stadt« stehen – anders als Athen, das die Aufklärung für sich reklamiert hat – für mehr als nur der Ort als Metapher erfassen. Die moderne Archäologie und Anthropologie und die Philologien, erweiterten die kontinuierliche Beschäftigung mit Ursprung und Authentizität, indem sie »Fakten« und neue Interpretationen für die ursprüngliche Bedeutung einzelner Orte und örtlicher Artefakte lieferten oder Mythen der Alten auf ihren funktionalen Kern reduzierten. In

17 | Assmann, Mind of Egypt, S. 424. 18 | Vgl. Fodor, Origins; Haarmann, Islam and Ancient Egypt.

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Ägypten, wie anderswo auch, griffen über eine lange Tradition der staatlichen Intervention schließlich die religiösen Institutionen ein und verfolgten mit ihren Projekten der Modernisierung und islamischen Reform die Reinigung der Religion. Bis hin zur Verneinung des Blicks, der die Dinge in ihrer nicht-islamischen Realität begreifen wollte, gab es eine Purifizierung und Neuinterpretation von Riten und Orten. So konnte es zu einem geradezu symptomatisch ambivalenten Prozess kommen, der Konflikte und Wetteifern über die Restaurierung, die Akzeptanz des Ritus und über die ordnungspolitische Kontrolle der »Heiligen Orte« in sich vereinte. Es galt darüber zu bestimmen, wie die Milieus des muslimisch-ägyptischen Selbstverständnisses sich zu gestalten hätten. Es brauchte die Anstrengung einer eigenständigen Ethnographie des Verhältnisses zwischen Archäologen und den im Kontext ihres »Feldes« agierenden »realen« Ägyptern.19 An einer Archäologen-Persönlichkeit wie Petrie ließe sich eventuell schon historisch sehr gut zeigen, wie sehr auch der Erfolg von Archäologen vom Wissen und lokalen Vorstellungen über die Geschichte am Ort von hier lebenden Menschen abhängig war. Umgekehrt sind natürlich auch die lokalen Legenden selbst vom eingefilterten Wissen der Fremden beeinflusst. Es ist aber nicht nur das gegenseitig vermittelte Wissen, das eine Rolle spielt, sondern auch die Präsenz der fremden Wissenschaftler vor Ort, die sogenannten inter-face relations. Die Bedeutungen, die Wissenschaftler allein durch ihre Alltagsarbeit in das lokale Leben hinein transportieren, wecken das Nachdenken. Sie tragen zur Bildung eines »zweiten Blicks« auf die eigene Kultur bei, nicht immer schafft dieser Blick über die Schultern der Fremden eine kulturproduktive Instanz: Reflexivität des Eigenen. Darüber hinaus wurden natürlich auch die Debatten über die historischen Verwandlungen der Orte und Kulte von den Archäologen und Ägyptologen gespeist. So sind – wie wir das schon in Band I beschrieben haben – alte Kultstätten mit ursprünglich verschiedener kultischer Bedeutung in Orte der islamischen Heiligenverehrung verwandelt worden, ja sie wurden erst durch die Arbeit der Fremden wieder als Orte des kollektiven Gedächtnisses gepflegt. Die Art des Wechselspiels zwischen Ungewissheit und Fakt, das sich über die Suche nach Authentizität des Ortes entspinnt, meist eben durch die wissenschaftliche Betrachtung hervorgehoben, zog Auseinander-

19 | Der in dieser Hinsicht sensibelste unter den klassischen Ägyptologen ist Flinders Petrie, dies zeigen seine vielen Bemerkungen über den Charakter der »Fellaheen«, mit denen er sich auf das Beste verstand. Der Erfolg, den er in seinen Entdeckungen hatte, ist denn auch stark auf die intensive Kommunikation mit der Bevölkerung zurückzuführen. Vgl. hierzu a. Flinders Petries emphatische und zugleich sehr ambivalente »Ethnographie« des Fellachen, seiner ärmlichen Lebensbedingungen, seines Charakters, seines Heiligenglaubens und Gottvertrauens, seiner Gastfreundschaft in Petrie, Ten Years’ Digging, S. 167-186.

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setzungen über die Akzeptanz des Ortes und die Berechtigung von bestimmten kultischen Praktiken nach sich. In Ägypten, wie überall in der islamischen Welt, beherrschte der SufiSalafi-Diskurs in den letzten 30 Jahren den lokalen Streit über Authentizität. Überall gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen traditionellen Sufis und sogenannten »Reformisten«, die die Szene vor Ort beherrschte. Nicht nur der Streit der Parteien, der fast immer zumindest äußerlich und öffentlich zu Gunsten der sogenannten »Reformisten« (sprich hard core Fundamentalisten) ausging, ist ausschlaggebend. Behörden und Politiker hatten zu reagieren und zu schlichten. Die Allianz derer, die bestimmen was »modern« im Sinne der »Religion« ist, reicht hier von wissenschaftlich gebildeten Bürgern, Behörden bis hin zu Fundamentalisten, solange sie sich nicht offen als oppositionell und regierungsfeindlich zeigen. So tritt vor Ort die Moderne als disziplinierende und exkludierende Kraft auf und unterwirft die Tradition einem Zivilisationsprojekt, das darauf ausgelegt ist, dem Volk die Volkstraditionen zu nehmen, und sie neu zu definieren, oder gänzlich abzuschaffen. Weiterhin an solchen Traditionen hängende Menschen finden sich schnell in eine marginale Szene verbannt. Dies bedingt auch in einer gesellschaftlichen Situation, wo es sich strukturell um einen von Oben nach Unten verlaufenden Prozess der autoritären Modernisierung handelt, die Produktion von Milieus, in denen eine explosive soziale und kulturelle Spannung vorherrscht. Es gelang aber nicht, die Orte und Landschaften der Heiligenverehrung und die entsprechenden religiösen Vorstellungen und Handlungsmuster aufzuheben. Oft wurden über die Projekte der islamischen »Reform« und der Modernisierung und der nachgelagerten Konflikte, ein Prozess des äußeren Wandels initiiert, indem man etwa die Heiligen aus der Moschee verbannt, draußen aber neben der Moschee ihre Qubbas wieder neu errichtete. Diese Politisierung der modernen Bedeutung und der Gestaltung der Orte hat aber auch zu einer Stärkung der Heiligenverehrung geführt, wenn auch in verwandelten Strukturen, in Neu-Erfindungen, in den öffentlichen Raum neu kontrollierenden Formen. Es scheint, als habe der modernistische Diskurs der Reform und die Salafi-Bewegung eine gewisse Intensität in die neue Heiligenverehrung gebracht.20 Das Thema heilige Orte in Ägypten gewinnt noch eine besondere Nuance darin, dass paradoxerweise die fließenden Wasser des Nil in gewissermaßen statischer Wiederkehr als das Heilige schlechthin betrachtet wurden. So oft die Ägypter im agrarischen Zyklus verhaftet, Saat und Ernte vornahmen, waren sie auf die alles bedingende Kraft des Nils angewiesen. So waren ihnen die Fluten des Nils nicht nur ein dauerndes aus dem Jenseits herrührendes Rätsel, sondern auch ein ganz praktisches Element der immer wiederkehrenden Befruchtung und des Heils. Von prähistorischen Zeiten an war

20 | Diese Zusammenhänge hat Samuli Schielke in seiner erhellenden Dissertation zu den Mawlids umfassend dargestellt. Vgl. Schielke, Snacks and Saints.

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der Nil, genauer, waren die jährlichen Überflutungen des Nils, Gegenstand kultischer Verehrung und ritueller Praxis. Doch obwohl der Nil sich gerade in dieser Einzigartigkeit seiner jährlich wiederkehrenden, ja, zeitlich zu bestimmenden Überflutung für den ganzen Mittelmeerraum bis in die Spätantike hinein, außergewöhnlicher Verehrung erfreute, stand er im Pantheon der alten Ägypter nicht an erster Stelle. Vielleicht ist es diese Eigenart der alt-ägyptischen Religion, den ersten Gott jenseits der Erde zu halten, den zweiten aber in mehreren Gesichtern (der Wasser des Nils) ganz in das Diesseits ihres täglichen Lebens zu stellen, die erst ein Aufkommen der Idee des einzigen und absolut anderen Gottes ermöglichte. Die Metapher des Ägyptologen Alfred Hermann, »die Ankunft des Nil«,21 ist also eine Art Ausgangspunkt zum Verständnis des kulturell Spezifischen des ägyptischen »heiligen Ortes«: Fließend zwischen Antike und Moderne, zwischen Orient und Okzident, ist der »Nil« im Grund eine unerschließbare Macht. Er ist so auch eine den soziologischen Aspekten des Zusammenspiels von Islam und Moderne unterliegende Folie. Stellt man sich dem Problem »Heilige Orte«, so kommt man um das Dilemma von Ursprünglichkeit und historischer Kontinuität einerseits, und von Verbindung, Inszenierung und Wandel andererseits, nicht herum. Die Vorstellung von der Ortsgebundenheit und die in vielfältiger Weise sich wandelnde, ausbreitende und verlagernde, rituelle und symbolische Praxis erscheinen als widersprüchliche Dimensionen der Heiligenverehrung. Ritus und Symbol sind flexibel und bedingen einen Wandel, der soweit führen kann, dass der »Ort« ein und desselben »heiligen« Namens aufgehoben und an andere Stätten wandern kann. Im Fall des »Nils« hat Hermann belegt, wie weit verzweigt in der gesamten hellenistischen Welt die Orte seiner Verehrung waren – auch wenn der Nil selbst immer in Ägypten bleibt. Und gerade diese Tatsache des Verharrens – im Falle des Nils noch verstärkt durch die alljährliche Wiederkehr der lange Zeit hin unerklärlichen Flut – ist ein wichtiges Element der Vorstellungen von seiner Originalität und Authentizität. Kulturell, so möchte man meinen, bedeutet diese verharrende Kontinuität der Verehrung am »Ort« also etwas anderes als der symbolische Akt, der die örtliche Bindung im Ritus nur nachvollziehen kann. »Heilige Orte« haben und am Ort den Ritus der Verehrung pflegen, ist etwas anderes als das Wallfahren, oder »Orte« in der eigenen Umwelt als »Heilige Orte« nachzuspielen, nachzumachen, neu zu erfinden. Im Falle der monotheistischen Weltreligionen, Judentum, Christentum, Islam, – wie überhaut auch schon früher im Beispiel vieler griechisch-römischer Kulte – liegen die heiligen Ursprungsorte weit ab von den Regionen, in denen die Mehrheit ihrer Anhänger lebt oder lebte, in Ägypten, in Palästina, in Arabien. Was die Frage des Ursprungs und der darin angelegten Mythen anlangt, so kann man die Tatsache, dass sie alle – in unterschiedlicher Weise –

21 | Vgl. Hermann, Ankunft.

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auf innere Entwicklungen in den alten orientalischen Hochkulturen reagierten, nicht verleugnen. Das gilt für den Ägypten-Exodus des Moses auf den Sinai, das Jerusalem des Christus und Mekka, Medina und das Arabien des Muhammad gleichermaßen. Wie schon gesagt, stehen die Gründungsmythen der Weltreligionen im Zeichen dieser »Orte« und der Spannungen, die sich an ihnen gegenüber den alten Reichen entwickelten. Unzweifelhaft ist mit diesen »Orten« des Monotheismus – und ihren unendlichen Erweiterungen – eine Art kulturelle Festlegung getroffen, die in den Vorstellungswelten der altorientalischen Hochkulturen ruht. Spätere Entwicklungen haben diese Bindung aufzuheben oder zu negieren versucht, aber in der Negation selbst werden die alten Themen erneut wichtig. Auch wird man sich heute erst zögernd bewusst, wie stark verbreitet etwa »ägyptische« Religion (in den Serapis- und Isis-Kulten, die mit den Mysterien des Nils verbunden waren) in Europa vor dem Aufstieg des Monotheismus und der Verbreitung der Offenbarungsreligion im Christentum und im Islam waren. Das moderne Authentizitätsdenken hat diesen Orten der Alten wieder eine hohe Priorität zugewiesen.22 Wo im Dienste von Neuerungen und von neuem Modernitätsbewusstsein die alten Orte und Riten zurückgewiesen werden, stehen diese selbst nicht weniger im Zentrum des kulturellen Diskurses, als wenn sie wie Manifeste von Kontinuität, Bindung und Tradition behandelt werden. Indem der Ort das »reine« Moment des Bezugs zum Alten darstellt, bleibt also alles andere als ein beziehungsloses Ganzes. Nichts weniger ist gemeint, wenn wir in den folgenden Ausführungen von einem ambivalenten Dualismus der kulturellen Produktionen des »heiligen Ortes« sprechen, ein Dualismus, der sowohl der spirituellen Kontinuität des »Ortes« als auch seinen beziehungsreichen, »hypersozialen Vernetzungen« gerecht wird. So ist die, wie immer vorgestellte oder wissenschaftlich untermauerte, lineare Geschichte des Ortes zugleich auch Wirkungsgeschichte, die den Rahmen für die manifeste Sozialität des Ortes absteckt, die durch ihn bedingten Kulturkontaktformen, die relationalen Konstruktionen und Inszenierungen von Kontinuität und Bruch sowie die liminalen Erfahrungswerte. »Ägypten« ist, was »Europa« und den »Islam« angeht, nur ein Epitome der historischen Kontinuität als Fakt des Lokalen. Mir scheint, dass hier die Frage, wie moderne Kultur mit diesem Fakt umgeht, von besonderer Bedeutung ist, eine Bedeutung, die gerade für jene, die am »Ort« leben, nur als schicksalhaft begriffen werden kann. Mir scheint, dass der »Kulturkampf«

22 | Wenn es möglich wurde, dass die Bibel als Mittel der Authentisierung des Orts zur Landkarte gemacht, dass nationalstaatliche Grenzen oder katasteramtliche Besitzansprüche über sie geltend gemacht werden können, dann ist dies Ausdruck einer modern wirksamen, monotheistischen Heilsgeschichte über die »Ort« und »Land« erst zum Fakt wird. Vgl. hierzu die interessanten Ausführungen von Aziz al-Azmeh in einem Kommentar zu S.N. Eisenstadts Thesen zu Macht und Kultur, s. Al-Azmeh, Comments.

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von heute politisch theologische Fragen wieder hervorgezogen hat, die Geschichte und kulturelle Kontinuität dieses Landes einseitig an die Zukunft Europas und des Westens binden. Es könnte so sein, dass die letzten tausend Jahre Menschheitsgeschichte vergessen sind, und Europa und der Westen wieder bereit sind Judaismus und Islam als Geiseln für eine erneute exzentrische Selbstfindung zu halten, eine Selbstfindung, die sich ganz einseitig nur auf das Europa der »Latinizität« beruft.23 Erst in diesem Kontext ist verständlich, wie sehr Ägypten heute nicht wieder der einseitig marginalisierte, der orientalisierte »Ursprungsort« der »Anderen« sein darf, als welcher er klassischer Weise betrachtet wurde.24 Zwischen Überlegenheit, Anerkennung und Tradition bewegen sich in unterschiedlichen Abstufungen die heutigen Formen der Heiligenverehrung, die durch die Spannungen des Kulturkontakts zwischen Antike, Moderne und Islam geprägt sind. Mit diesen Spannungen fertig zu werden, ist, wie bereits im ersten Band in einem anderen Kontext beschrieben, für die heute lebenden Muslime nicht ganz einfach. Die Heiligenfeste und Wallfahrten finden nach wie vor großen Zulauf, vor allem auch unter den ärmeren Volksschichten. Aber sie werden zugleich von vielen als un-islamisch bekämpft, unterdrückt oder neu organisiert und umgedeutet und wurden dabei oft Orte unaufhebbar scheinenden Konflikts. Wenn es ein modernes islamisches Selbstverständnis gibt, dann hat es sich in den Heiligenfeiern und Wallfahrten und im Umgang mit den – in den Festen nur beiläufig erscheinenden – Parallelen und Repräsentationen des Pharaonismus, des Judentums und des Christentums geschärft. Mehr noch aber in der religiösen Praxis, im Umgang mit den stummen Zeugnissen vor Ort, wie in der religiösen Theorie und im Umgang mit den alten Quellen. Wie aber gestaltet sich der moderne Kontakt mit der Antike? Läuft man durch einen Bauernflecken im ägyptischen Delta so findet man mit Sicherheit, meist am Friedhof angesiedelt, das Grabmal, Maqam, eines Dorfheiligen, doch beherbergt der Friedhof nicht notwendigerweise irgendwelche Spuren von antiken Kultstätten. In Tanis etwa, einer aktiven archäologischen

23 | Das Selbstbild Europas (und des Westens) war immer schon auf den Hellenismus und die römische Vermittlung als Urquellen der »Zivilisation« gerichtet. Dass »Latinizität« nunmehr zur Hauptquelle westlicher Selbstbemächtigung gemacht wird, darf durchaus als katholischer Angriff auf den protestantisch bestimmten, im 19. Jahrhundert begründeten, modernen Religionsbegriff gewertet werden. Vgl. Rémi Braques Theorie zur exzentrischen Kultur Europas, s. Braque, Eccentric Culture. 24 | Dass eine Reihe von zeitgenössischen Ägyptologen die kulturelle Bedeutung »Ägyptens« auf eine sehr eigenständige, in sich geschlossene, modern wichtige Bedeutungswelt hin auslegen, wie etwa bei DuQuesne ausgearbeitet wird, soll erst für Band III ein ergänzender perspektivischer Ansatzpunkt sein, vgl. z.B. DuQuesne, Ancient Egyptian Religion; ders., Egypt’s Image; s.a. Morenz, Zauberflöte; Hornung, Der Eine.

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Grabungsstätte im Delta, findet man auf den ersten Blick überhaupt keine islamischen Heiligengräber. Wie so oft bin ich gefragt worden, hier ist ein Tell, aber einen islamischen Heiligen gibt es nicht, wo ist er also? Deine These stimmt nicht! Die Antwort lautet einfach, nicht jeder Ort der Antike, nicht jede der alten Kult- und Ruinenstätten beherbergt einen islamischen Heiligen, so wie umgekehrt nicht jeder Heilige, der Referenz eines antiken Ortes bedarf. Doch darf man getrost an der These festhalten: Die islamischen Heiligen suchen die Nähe der Alten. Offensichtlich wird das auch an einem so wichtigen Ausgrabungsort wie Tanis, wo sich die Qubba des Abû Yûsuf am Rande des Ortes des Ausgrabungsfeldes befindet (vgl. Abb. 1 und 2). Kürzlich bin ich durch Zufall auf einen mir bis dahin unbekannten, riesigen Tell im Delta gestoßen, der kahl und rot-grau aus dem freien grünen Agrarland herausragt: Kûm al-Ghuraf (bei Dairut). Ich frage den obersten Scheich aus dem entfernten Dorf, der den Tell bewachen soll, »und wo sind eure Heiligen? (feen al-awliyâ betaetkum?)« Ich bekam mit der bekannten ägyptischen Ironie und Freundlichkeit, eine ebenso kurze wie deutliche, den Sachverhalt sehr genau treffende Antwort: »lessa, mâ arafnâsch an al-muhimma hâdhihi tell. Hayegû! (Noch nicht! Wir kennen ja die Bedeutung des Tells nicht. Sie, die Heiligen, werden schon noch kommen)« (vgl. Abb. 3). Wie schon im ersten Band beschrieben, ist eine Form, über die sich das Wissen über die Bedeutung des Ortes vermittelt, die »beobachtete Beobachtung«, der »zweite Blick« über den Rücken des fremden Beobachters hinweg. Es ist also auch der Blick der Fremden, der eine Bedeutung spielt. Die Fremden suchen im Erdhügel nach historischen Wissensbefunden. Der Hügel birgt nicht nur den Schatz, sondern auch ein Wissen über die Geschichte. Für die Menschen am Ort ist es das Vorrecht der Religion, solches Wissen zu vermitteln. Die Fremden, die Religionslosen, schaffen Wissen anders, haben anderes Wissen. Das erregt Neugier und Verdacht. Je mehr die Fremden die historische Bedeutung eines Ortes erkennen, Artefakte aus dem Boden ziehen, die ihre Thesen belegen, je mehr widmen sich auch die Muslime am Ort dem Tell, desto wichtiger wird er für sie. Eine vom religiösen Standpunkt her unzulässige, psychologische Erklärung wäre denn auch, dass die symbolische Präsenz eines Heiligen oft die Funktion erfüllt, über alle lokale Geschichte hinweg, über alle aktuelle fremde Beobachtung hinweg, ein deutliches Zeugnis für den Islam abzulegen. Je intensiver das über die Fremden vermittelte Wissen sich auch im lokalen Kontext durchsetzt, je deutlicher fällt die Antwort aus. Die Antwort ist aber nie einfach oder eindeutig, sie bleibt zwischen den Stimmungen lokaler, privater und kollektiver Frömmigkeit und Reinheitsprinzipien der öffentlichen, staatlichen, politischen Religion, zwischen orthodoxen, an institutionelle Macht gebundene, und heterodoxen, aus der Spannung kultureller Alltags- und Selbsterfahrung gewachsenen Strömungen gefangen.

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1 Tanis (Photo Silvia Prell)

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2 Tanis

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3 Kûm al-Ghuraf bei Dairut (Photo Silvia Prell)

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) vakat 032.p 172516258076

2. »Spätantike« als Problem moderner Kultur? Die vorliegende Studie beschränkt sich auf zwei »Modelle« des modernen islamischen Umgangs mit pharaonischen Relikten am Ort, Zurückweisung und Integration. Wichtig ist, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Arten des Umgangs mit »Geschichte« handelt, ja konkreter noch, um verkörperte Geschichte am Ort. Meine einleitenden Überlegungen möchte ich mit dem Hinweis ergänzen, dass die Soziologie der Moderne, der Kultur der Spätantike in Hinsicht auf die Zivilisationsgeschichte eine eigenartige Rangstellung beimisst. Ich meine, dass dies für die Analyse des heutigen lokalen Zusammenspiels von Antike, Islam und Moderne in doppelter Hinsicht von Bedeutung ist. Dass moderne Theorie sich auf die Umwälzungen der Spätantike stützt, ist sicher auch eine transkulturelle Hypothek, die sich auf die Vorstellungen von moderner sozialer Ordnung auswirkt. Darüber hinaus sind Bruch mit dem Alten und Kontinuität der Tradition als Bezug zum Alten, Formen, in denen der Monotheismus das antike Zeitalter beendete. Das ist von aktueller soziologischer Bedeutung. Gesellschaft und Kultur des heutigen Ägypten sind in einer schicksalhaften Verknüpfung auf konkrete Momente von Bruch und Kontinuität zugleich geworfen. Mir scheint, dass zeitgenössische Theorien der Moderne dem nicht gerecht werden können. Die Szenarien des aktuellen Kulturkontakts können von hier aus nur schlecht beobachtet und ausgelegt werden. In der zivilisationsvergleichenden Soziologie Shmuel N. Eisenstadts ist modernes Ordnungsbewusstsein über die Strukturbedingungen des modernen Nationalstaats hinweg noch Ausfluss des vorherrschenden religiösen Selbstverständnisses.25 An die Stelle der weltlichen Utopien des 19. und 20. Jahrhunderts treten am Ende des letzteren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts Projekte der Wiederherstellung von z.T. vor mehr als vor zwei Jahrtausenden begründeten Religionen, von Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus. Sie werden nun unter dem soziologischen Schirm der vergleichenden Zivilisationstheorie affirmativ als Projekte gesellschaftlicher Ordnung verstanden, als verschiedene Kulturformen der Moderne selbst. Wer dem folgt, für den ist es unausweichlich, vornehmlich authentisch gemachtes Transzendenz-Bewusstsein als Gradmesser der Unterscheidung unterschiedlicher ziviler Ordnungen und darin gefangener ökonomischer und politischer Interessen auszuweisen. Unterentwicklung, Konditionierung von Armut und Produktionen von sozialem Chaos basieren auf falschem Ordnungsverständnis, d.h. auf nicht ausreichend radikaler Bestimmung des Authentischen. So bilden nicht-authentische Kulturen Gegenpole auf dieser Skala des Vergleichs. Bis hinein in die beginnenden Differenzierungen in Ost- und West-Lagen der Antike geht es um authentisch sich versichernde Ordnung, um Nähe zum Mittelmeer zum Beispiel, wo man sich

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25 | Vgl. etwa Eisenstadt, Theorie und Moderne, S. 141-252.

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vom Stigma des »Nicht-Westlichen« trennen kann.26 Erst vom Mittelmeer aus sind westlich-authentische Ordnungen, auf »Funktion« und »Differenzierung« basierende, neutralisierte Interessenslagen denkbar. Dass jede so begründete »Ordnung« selbst system-rationale Universalität des modernen Selbstverständnisses aufhebt, vor allem aber Gegenseitigkeit, Empathie, ja erreichte Formen post-kolonialen, ja metropolitanen Zusammenlebens unmöglich macht, wird mit den neuen Invokationen der »Spätantike« im wiederentdeckten Werk von Jacob Taubes, wie überhaupt im ideengeschichtlichen Diskurs der Verortung von Athen, Jerusalem und Mekka sehr deutlich.27 Auf die Widersprüche dieser »Theorie-Lagen« kann hier nur hingewiesen werden. Doch in ihrer ideologie-geschichtlichen Bedeutung sind sie nicht zu unterschätzen. Wie in den Zeiten des Kalten Krieges geht es um programmatisch konkurrierende Ordnungsvorstellungen, nur werden sie jetzt vornehmlich religiös und kulturell ausgedeutet. Islam gilt aber im Allgemeinen als der Moderne gegenläufig und ist noch wie bei Weber Anathema28 der Moderne. So sehr sich paradoxer Weise modernes islamisches Denken selbst in diesem Paradigma bewegt, so sehr bleibt es im Rahmen der Soziologie der eigentliche Casus von Unterentwicklung und Rückständigkeit. Dass es sich, wie etwa in Ländern wie Ägypten, auch um Armutskultur handelt, wird ausgeblendet. Als seien die sich gegenseitig vermittelnden Eigenkräfte gesellschaftlicher Entwicklung und Unterentwicklung im modernen Kapitalismus vergessen, heißt es nun, was gesellschaftliche Realität ist, habe als Ausfluss der Religion zu gelten. Es wird behauptet, die Religion entscheide über die Formen der Nutzung gesellschaftlichen Reichtums und Macht. Die gesellschaftliche Dynamik der globalisierten Welt erklärt sich plötzlich in einfachen Begriffen der Soziologie vorkapitalistischer Imperien: Zentrum – Peripherie; Orthodoxie – Heterodoxie; Unmittelbarkeit von Kultur und Macht. Dieses neue, post-Foucault’sche, post-Weber’sche Weltbild erklärt sich in einer hegemonialen Rangordnung der Kulturen und Gesellschaften.29 Formen der »außerweltlichen« Orientierung und die bestimmenden Erlösungs-Vorstellungen werden im Zusammenhang mit Stufen des Übergangs von holistischen Strukturen und Kulturmustern segmentärer oder traditionaler Gesellschaften gesetzt. Dagegen sollen sublim umschriebene, umstrittene, umkämpfte, nie völlig eindeutige aber immer sehr bestimmt zuzuordnende »in-

26 | Ein Begriff, den Edward Said aufgegriffen hat, nicht um die These vom »Konflikt der Kulturen« zu bestätigen, sondern um kritisch aufzuzeigen, wie wenig im Prinzip, Freud ist das Beispiel, westliche Zivilisationstheorie sich um innere kulturelle Belange kümmerte, es sei denn, wenn es um die Authentizität des Eigenen ginge, cf. Said, Freud. 27 | Vgl. etwa Taubes, Paulus; Taubes, Messianismus; s.a. Braque, Athens. 28 | Paradoxerweise auch, wie bei Leo Strauss sich andeutet, Kontinuität wirklich antiken Wissens und von daher Geheimschlüssel eines elitären modernen Wissensverständnisses, vgl. Braque, Athens. 29 | Vgl. Eisenstadt, Culture and Power.

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nerweltliche« Orientierungen von Religion den Weg hin zur modernen, funktional differenzierten Gesellschaft gewiesen haben. Die »Überweltlichkeit des einen Schöpfergottes«, die gewissermaßen auch eine »Herrenreligion« begründet und das »Problem der Heilsgewissheit« des Muslims eher in den Zusammenhang einer »motivationalen Quelle seiner Unüberwindlichkeit bringt« als in den der diesseitig inneren Ungewissheit, stellen den frühen Islam als eine Welteroberungs- und Kriegerethik dar, während im Sufismus durch die Weiterführung »von plebejischen Techniken der Orgiastik« das Aufkommen von innerweltlicher Askese gänzlich verhindert wird. Dieses von Schluchter affirmierte »Weberbild« des Islams ist Diskurs-prägend geworden.30 Kultur und Religion gelten dabei als die eigentlichen Grundprobleme des Übergangs von holistischen zu individualistischen und modern geprägten Gesellschaften. Weniger soziologisch bestimmt könnte man auch von einer Protestantisierung des Religionsbegriffs im Zuge der Aufklärung sprechen, eine Protestantisierung, die alle Weltreligionen einschließt.31 Doch zugleich ist zu vermerken, dass seit den 1980er Jahren, als die sogenannte Islam-Revolution im Iran bereits stattgefunden hatte, der klassische, protestantische, wissenschaftlich standardisierte Religionsbegriff,32 mit dem zumindest das »Morden im Namen Gottes« (ohne freilich anderes und Schreckliches, weil Systematischeres zu verhindern) gebannt schien, abhanden gekommen ist. Die säkulare Selbstversicherung, mit einem soziologischen Wort, die säkulare Wertrationalisierung, ist als Zugang zum Begriff der Religion verloren gegangen, Neues noch nicht gefunden. Greift man deshalb auf alte Macht- und Imperien-Ideen zurück? Haben wir es mit einer anderen Moderne zu tun? Die iranische Revolution war der Anstoß zu Selbstreflexionen auch im Westen. Die alten Themen wurden wiederentdeckt. Von den Arbeiten Louis Dumonts über Indien angeregt, stellte sich die Frage, ob der moderne Individualismus mit dem Untergang holistischer Ordnungsvorstellungen wirklich fertig geworden ist.33 Spielen heilsgeschichtliche Ursprungs-Visionen keine Rolle im säkularen Begriffsapparat der regulierenden und verwaltenden Institutionen und der Menschen, die in ihnen wirken? Solche »modernen«

30 | Schluchter, Webers Sicht des Islams, hier insbesondere S. 36-48. Der Versuch einer leichten Revision dieses »Weberbildes« ergibt sich in Hellmut Ritters Analyse der frühislamischen Dogmatik und Lebenshaltung des Hasan al-Basrî. Vgl. meine Ausführungen hierzu in Stauth, Hellmut Ritter, S. 34-48. 31 | Vgl. meine Aufsätze Globalisierung, Modernität, nicht-westliche Zivilisation und Islam als Selbstbegriff nicht-westlicher Modernität in Stauth, Islamische Kultur, S. 85-102; 103-130. 32 | Vortrag und Diskussion zu Protestantisierung des Religionsbegriffs von Reinhard Schulze bei der »Summer Academy. Repostioning of Religion« am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen im Juli 2006. 33 | Vgl. Eisenstadt, Transcendetal Visions. Vgl. auch die Diskussionen in der Zeitschrift Religion 12, 1982, und 13, 1983. Vgl. a. Dumont, Homo Hierarchicus; ders., Individualismus.

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Fragen werden heute leicht nur auf die sogenannten islamischen Gesellschaften projiziert. Während man etwa im Ägypten der 1960er Jahre den Begriff »islamische Gesellschaft« gar nicht kannte, sind es heute einzig und allein die heute so bezeichneten Gesellschaften, denen man ihre unüberbrückbaren Gegensätze zwischen transzendentalen Vorstellungen und praktisch weltlicher Ordnung vorhält. Die grundlegenden Strukturen der säkularen Maschine der ägyptischen Gesellschaft – etwa der an den agrarischen Produktions- und SubsistenzFormen vorbeilaufende, aber in sie hinein wirkende Konsumismus, der unkontrollierbare Bevölkerungszuwachs mit einer ebenso unkontrollierten Semi-Urbanisierung des gesamten Deltas, die an früh-industrielle Zustände gemahnende Verschmutzung von Erde, Wasser und Luft, und ein geheimpolizeilich forcierter, korrupter Apparat öffentlicher Verwaltung34 – geraten mit dem fast als Rechtfertigung der Zustände erscheinenden Begriff als »islamische Gesellschaft« aus dem Blick. Es kann nicht einfach nur darum gehen, die Religion des Islams für öffentliche Zustände verantwortlich zu machen, die allein aus der Entwicklung in lokalen oder religiösen Kontexten heraus nicht zu erklären sind. Meine Fragen richten sich dieses Dilemmas eingedenk auf das weite Gebiet der rituellen Geschichtlichkeit des wirklichen Lebens der Menschen am Nil, das sich in der daseinshungrigen, ja, ganz unmittelbar auf Selbstmaximierung ausgerichteten Welt der modernen Gegenwartskultur neue Wege sucht. Die Religion des Islams erlaubt die Aufnahme der uralten Riten, die für den Lebenszyklus bedeutsam sind, und die Traditionen der islamischen Heiligenverehrung sind Mittel, nicht Hindernisse der Lebensvermehrung. Raum- und Zeitdimensionen des alten Ägyptens sind hier auch zu inneren Formen des islamischen Selbstverständnisses geworden. Die Zeit der Spätantike, die aus christlicher Sicht mit der Durchsetzung des Christentums als Staatsreligion endet, besiegelt ein Zeitalter von großen Umwälzungen politischer und kultureller Art, die letztlich als eine Art Vorgeschichte der Moderne betrachtet werden könnte, als Beginn jener »Entzauberung«, die unter Hinweis auf »Sodom und Gomorra« den orgiastischen Kulturen des Hellenismus den Todesstoß versetzten. Wo auch immer man genau zeitlich ansetzt, im Bruch mit den »holistischen« traditionellen Grundgesellschaften sieht man die Grundsteine gelegt für die spätere Moralgeschichte bis hin zum modernen Individuum und demokratischen Staat. Der amerikanische Altertumsforscher Benjamin Schwarz sprach vom age of negation (Zeitalter der Negation): Transzendental monotheistische Gottesvorstellungen beginnen die gesicherten Lebensverhältnisse der alten Reiche zu zerstören. In der historischen Soziologie spricht man von der Achsenzeit und wenn man hier »orthodox« sein wollte, müsste man die Zeit dieser Umwälzungen auf eine Epoche zwischen 800 BC und 200 AC begrenzen. Folgt man

34 | Vgl. Stauth, Islamische Kultur, S. 155-216.

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Karl Jaspers’ Begriff der Achsenzeit, so vollziehen sich diese Entwicklungen nicht nur in Vorderasien, Rom (mit dem später nachfolgenden Christentum) sondern, auch in den asiatischen Reichen, wo sich im Hinduismus und Konfuzianismus ähnliche Konstellationen ergaben.35 Wie immer man den zeitlichen und ideologischen Rahmen dieser welterschütternden Bewegungen ansetzt, der Islam scheint zumindest aus dem zeitlichen Kontext herauszufallen. Wenn man den Islam als Spätkommer akzeptiert, so wäre fragend auf drei Ebenen des Bruchs anzuzeigen, wie er in eine Reihe mit den achsenzeitlichen Bewegungen zu stellen sei. Vor dem Hintergrund der ambivalenten kulturellen und politischen Bedeutung Ägyptens für die spätantike Entwicklung werden ein paar Fragen aufgeworfen, die zur Erhellung des »ägyptischen Problems« und der Formen des modernen islamischen Umgangs mit dem pharaonischen Erbe beitragen können. Erstens: Der frühe Islam ist durch Brüche gekennzeichnet, die in starkem Gegensatz zu den wieder aufgegriffenen, altertümlichen, politischen Institutionsvorstellungen stehen: Die islamische Idee vom unerreichbaren absoluten Gott, das Aufkommen bindender religiöser Rechtsvorstellungen, die Etablierung einer ihrem Begriffe nach eigenverantwortlichen religiösen Gelehrtenschicht und die zunehmende soziale und zivile Kraft des methodisierten Sufismus stellten eine Einschränkung der weltlichen Macht dar. Der Offenbarungskontext, der in die Begründung dieser drei Bereiche der religiösen Erweiterung der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung mündet, stellt einen entscheidenden Bruch mit den Zivilisationen des Altertums dar, wenn auch – hier in Reaktion auf und im Diskurs mit dem Christentum und dem Judentum – mit der Radikalisierung der Stellung des Einzelnen vor Gott, wenig zu seiner Selbstsicherung getan war, ja, ihm die weltliche institutionelle Verantwortung wieder genommen schien: Das affirmative Ich löst sich aus der Verantwortung gegenüber den Institutionen. Glaube, Ehre, Gesetz bieten das Potential zur individuellen, ja physisch rituellen Affirmation aber keinen Schutz vor Willkür der Macht. Zweitens: Die schrittweise Herausnahme der Wissenschaft und Philosophie aus dem religiösen Diskurs führte zu einer Bewahrung und Kontinuität des alten Wissens, die im Mittelalter fruchtbar war und später in der Renaissance – durch Wiedereingliederung in den religiösen Diskurs auf neuer Stufe – fruchtbar gemacht wurde. Begleitet war dies allerdings auch von einer Übertragung mythischen und technischen Wissens. Legenden, Mythen und Geschichten der alten Ägypter, Assyrer, Juden wurden aufgezeichnet, ja als Vorformen göttlichen Wissens in die Offenbarungen des Muhammad und in den Hadith übertragen. Magisches und kosmologisches Wissen der Alten wurde im islamischen Mittelalter sehr gepflegt. Die Kunst

35 | Vgl. Jaspers, Achsenzeit.

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und Pflege der Legenden und Wundergeschichten wurde zu einem Teil des öffentlichen religiösen Lebens. Drittens: Die offene Form der Integration nicht-arabischer und nicht-islamischer Ethnien, Gruppen und religiöser Gemeinschaften unter ein übergreifendes Verwaltungs- und sozialpolitisches System, war zumindest der Idee nach eine co-existente Ordnung verschiedener Kulturen, die sich an der Basis der Gesellschaft vollzog und großen Einfluss auf die Entwicklung der politischen und religiösen Ideen hatte. Die Orientalistik und die Islamwissenschaft haben diesen Dimensionen unterschiedliche Bedeutung beigemessen, wobei meist einzelne politische und religiöse Ereignisse und Entwicklungen hervorgehoben wurden. Eine Abstimmung dieser Dimensionen des Bruchs und der Kontinuität und Versuche einer synthetischen Betrachtung der Entfaltung der islamischen Zivilisation sind, seit dem Versuch von Marshall Hodgson’s Vernture of Islam, das für Islamologen und Orientalisten kaum Wirkung zeigte, jedoch unterblieben. Eine historisch soziologische Würdigung des unendlichen Materials, das Josef van Ess seit den 1990er Jahren zusammengetragen hat, steht noch aus.36 Trotz aller großen wissenschaftlichen Anstrengungen der letzen Jahre, mit denen unsere Kenntnis über früh-islamischen Entwicklungen bereichert wurde, mangelt es bis heute an einer grundlegenden Darstellung der historischen und kulturellen Bedeutung, insbesondere auch im Vergleich mit entsprechenden Entwicklungen im Judentum und Christentum, dessen, was wir heute Frühislam nennen. Wir haben es im 7. Jahrhundert mit einer Zeit zu tun, in der Lösungen auf christliche und jüdische Fragen der Offenbarung gesucht wurden, und zugleich handelt es sich um ein Ende des mythischen Zeitalters, das bei gleichzeitigem Fortleben mythischen Wissens abrupt herbeigeführt wurde. Hier wurden auch andere als die christlichen und jüdischen Lösungen versucht, sowohl in Hinsicht auf neue Kosmologien, als auch in Hinsicht auf moralische Lösungen, rechtliche, moralische und politische Einheit. Es wurde bisher versäumt, so schwierige Fragen, nach den inneren Motiven und moralischen Orientierungen der verschiedenen oft miteinander in Streit liegenden religiösen Intellektuellen zu stellen. Wer sind die Konvertiten, die diese Diskurse oft tragen und über institutionelle Lösungen mitbestimmen, so wie etwa Kab al-Ahbar, der nach Ibn Abd al-Hakam Umar dem Califen in Jerusalem dazu riet, die neue Moschee auf den Tempelberg zu stellen.37 Gibt es mit der schrittweisen Durchsetzung des Islams in seiner Frühzeit einen »Zeitgeist«, der jene Ideen beflügelte, die den Durchbruch achsenzeitlicher Formationen nicht einfach abschlossen, sondern ihn als Dauerkonflikt im politik-religiösen Diskurs etablierten? Es ging nicht einfach um die letztendliche Etablierung des neuen »Pathos der Negation«, sondern

36 | Vgl. hierzu Arnason/Salvatore/Stauth, Islam in Process. 37 | Vgl. Ibn Abd al-Hakam, Futuh Misr, S. 157f.

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auch um Reaktionen der »Kräfte des menschlichen Stolzes und Leidenschaft«, die das Projekt der aristokratischen Moralen fortführen wollten.38 Hier boten Judentum und Christentum keine Lösungen, und auch im Islam blieb es nur bei neuen Versuchen und widersprüchlichen Anwendungen. Die »pharaonische Frage« gehört in diesen Zusammenhang, so wenig wie auf der moralisch-theologischen, so wenig ist sie auch auf der Ebene des Politischen gelöst. Lange genug interessierte man sich – wenn es um die Bedeutung der islamischen Zivilisation ging – nur für das sogenannte »klassische Erbe«, was am deutlichsten noch bei Franz Rosenthal auf den Punkt gebracht wurde.39 Aber schon die großen Islamwissenschaftler wie Ignaz Goldziher and C.H. Becker, H.H. Schaeder und später in Amerika G.E. von Grunebaum legten die Grundsteine in diese Richtung. Rosenthal spricht vom »Fortleben« und setzt damit die Zeichen mehr auf Kontinuität als auf Bruch oder eben als Möglichkeit der ideellen Erneuerung im Islam. Im breiteren Kontext ist natürlich auch die Frage von Bedeutung, ob es nicht in der ganzen Region bereits seit dem 5. Jh. vor Christus eine verbreitete Aura überkommener religiöser, narrativer und metaphorischer Sprache gab, welche die aufkommenden Ideen beeinflussten? Wie weit waren Mekka und Medina und ihre kleinen Kulturwelten eigentlich von den Hochkulturen entfernt, die die arabische Halbinsel umgaben? Auch das ist eine bleibende Frage der Islamwissenschaft und man würde von hier aus weiter fragen, wie weit Muhammad und der frühe Islam von den bestimmenden religiösen und kulturellen Ideen der Hellenistischen Welt – Gnostizismus, Christentum, Judentum, griechisch-römische Philosophie und Wissenschaft beeinflusst waren. So gelten vor allem griechische, römische und – von geringerer Bedeutung – persische Einflüsse als vorherrschend für das, was man als den frühislamischen religiösen und philosophischen Diskurs bezeichnen könnte. Bei all dieser Betonung der Abhängigkeit von den religiösen und intellektuellen Quellen des Hellenismus und der späten Antike bringt eine dritte Dimension immerhin neue, über intellektuelle Quellensuche hinausreichende Einsichten, sie hebt die Originalität der Offenbarungen Muhammads hervor, ja Offenbarung und Form ihrer Verteidigung selbst als eine ganz eigenständige Quelle spirituellen und intellektuellen Neubeginns und somit auch radikaler Bruch mit allen heraufgekommenen Kulturbezügen.40 In gewisser Weise läuft diese Sichtweise durchaus parallel zu arabischen Selbstbezügen, die hervorheben, dass die Araber weniger die Philosophie als Rhetorik und Poesie interessierten.41

38 | Vgl. Schwarz, Age of Transcendence, S. 5. 39 | Rosenthal, Classical Heritage. 40 | Vgl. Amman, Die Geburt des Islam. 41 | So die Gewichtung des ägyptischen Philosophiegeschichtlers El-Ehwani in den 1950er

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Natürlich war dabei auch der Mythos und das hieratische Denken der Beduinen ein inneres bestimmendes Motiv, nicht der philosophische oder logische Bezug, den man den Griechen nachsagt. In Metaphorik und Bildsprache waren die zentral-arabischen Mythen, wo sie pure arabische Stammesgeschichte überschritten, auf den Kontakt mit dem Judentum und dem ägyptischen Pharaonentum – und vielleicht über den Jemen auch mit dem Persertum – angewiesen. Insgesamt ging es aber mit dem Hellenismus und dem erwachenden Christentum um Zurückweisung der hieratischen Gebundenheiten des Denkens und der Kampf des Christentums gegen »Ägypten« darf durchaus als eine der »ungelösten« Probleme des christlichen Kulturwandels betrachtet werden. In Praxis und Vorstellung, in Symbol und Schrift, ja selbst in der Verdammung lebte das alte Ägypten weiter. »Ägypten« ist aber auch in den frühislamischen Narrativen eine zentrale Kulturmacht, wobei oft die dogmatischen Kämpfe des – alexandrinischen – Christentums mit pharaonischer Kultur – mit deren Überbleibsel Juden, Griechen und Römer viel weniger Probleme hatten – sich auch im frühen Islam als dogmatisch bestimmend für den weiteren Verlauf des institutionellen und praktischen Lebens im Islam erwiesen. Die erste Welle der islamischen Eroberungen in Palästina, Syrien und Ägypten (632-641) galt weitestgehend hellenisierten Gebieten.42 Die Araber blieben dabei von den beherrschten Bevölkerungen durch Sprache und Religion getrennt und kümmerten sich als herrschende Elite zunächst wenig um die Kulturen und Religionen der Unterworfenen, denen sie ihre Sprache und Religion als das herrschende – wenn auch nicht als das alleinige – Muster vorschrieben. Schnell nahmen sie doch die Leistungen der eroberten Völker zur Kenntnis und – in einem Akt einmaliger Assimilation der Herrschenden an lokale Bedingungen – nahmen sie schnell alles auf, was der Förderung einer neuen Zivilisation dienlich schien.43 Dass Ägypten im Hellenismus eines der wichtigsten Länder gewesen ist, ist nicht nur allein auf die Eroberung durch Alexander und die Gründung der Stadt Alexandria als Hafen zurückzuführen. Griechische Reisende, Geographen und Philosophen, aber auch Handelsniederlassungen und die über sie laufenden Kontakte hatten das Land kulturell schon früh in das hellenistische Weltbild einbezogen. Pythagoras lebte in Ägypten, Plato verbrachte einige Zeit dort unter seinen Studenten, bevor er nach Sizilien reiste und dann nach Athen zurückkehrte.44 Ägypten war für die großen griechischen

Jahren: »that their race did not share in philosophy, although they surpassed other nations in rhetoric and poetry«, El-Ehwany, Islamic Philosophy, S. 1. 42 | Rosenthal, Classical Heritage, S. 2. 43 | Ibid. 44 | Rosenthal, Classical Heritage, S. 28.

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»Es gibt tausend Schwarze, so schwarz wie ich, unter unseren Gefährten. Ich und sie sind bereit, dass jeder es mit hundert Feinden aufnimmt und mit ihnen kämpft. Wir leben nur, um für Gott zu kämpfen und seinem Willen zu folgen. Wir kümmern uns nicht um Reichtum, solange der Allmächtige uns hilft, unseren Hunger zu bändigen und unser Körper zu kleiden. Diese Welt gehört uns nicht, die nächste Welt ist alles.«46

41 »Spätantike« als Problem moderner Kultur?

Gelehrten eine kaum zu umgehende Größe, eine Reise dorthin für sie ein Muss.45 Das allgemeine und, wenn man so will, das eigentlich bewegende Problem – das sich im Islam gewissermaßen verlängerte – war die Durchsetzung des Monotheismus und die Form und der Grad der Radikalität der monotheistischen Antworten auch der Gleichstellung der Menschen vor Gott. Die Offenbarungen Muhammads boten hier Lösungen an, die den monotheistischen Vorläufern – Judentum und Christentum – in der Erlösungsrhetorik weit voraus waren. Auf das einfachste ausgedrückt kann hier die Begegnung des schwarzen Heerführers der muslimischen Eroberer Ägyptens zeigen, welche Kraft der Umwälzung menschlicher Verhältnisse freigesetzt wurde: Ubâdah b. as-Sâmit, der Führer des arabischen Heeres konfrontierte den alexandrinischen Erzbischof und byzantinischen Gouverneur von Ägypten Cyrus, der es ablehnte mit ihm als »Schwarzen« zu verhandeln, mit einer theologisch einfachen, religiös bedeutsamen Antwort:

Der Islam hat – wenn nicht schon in den Lehren der Offenbarungen Muhammads selbst, dann doch im Verlauf des weiteren dogmatischen Diskurses – vor allem auch auf das »ägyptische Problem« reagiert, mit dem sich – das Christentum viel mehr noch als das Judentum – abplagten: das Fortleben lokaler Kulttraditionen. Das alte »Ägypten« steht hier für dieses Fortleben, gewissermaßen auf hoher zivilisatorischer Ebene. Wenn wir aber die Entwicklung des Islam ausschließlich in den Kontext einer native North-Arabian prophetic tradition, a native monotheistic tradition, stellen, dann unterdrücken wir die Bedeutung des Phänomens »Ägypten« für die dogmatische Auseinandersetzung im inneren und äußeren Kontakt des Islams da selbst.47 Man mag die Tatsache des Rückgriffs auf den vorprophetischen Stammvater Abraham, als ein Moment des Ressentiments Muhammads gegenüber Moses und Jesus zu erklären versuchen.48 Doch dies zeigt auch, 45 | Fowdon, Hermes, passim. 46 | Butler, Arab Conquest, S. 257: »There are a thousand blacks, as black as myself, among our companions. I and they would be ready each to meet and fight a hundred enemies together. We live only to fight for God, and to follow His will. We care not for wealth, so long as we have wherewithal to stay our hunger and to clothe our bodies. This world is not to us, the next world is all.« 47 | Gibb, Islam, S. 26f. 48 | Muhammad »went back behind both to the figure of Abraham ›the Hanif‹«. Ibid., S. 31.

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dass hier nach klarerer Form des Monotheismus gesucht wurde, gerade weil der Islam nicht sogleich als eine neue Religion begriffen wurde.49 Es ist festzuhalten, dass das wissenschaftliche Interesse heute ganz einseitig auf den Einfluss Ägyptens auf das Judentum und das Christentum zielt.50 Der Islam und die ersten 200 Jahre seiner dogmatischen Entwicklung fallen hier noch ganz aus dem Bild. Dies hat z.T. seine Berechtigung darin, dass das islamwissenschaftliche Hauptinteresse auf Erklärungen der politischen Bewegungen, Sektenentwicklung und der dogmatischen Differenzen gerichtet war und die »Kampfplätze« hierfür zunächst fast ausschließlich in Palästina, Syrien und dem Irak lagen. Für die spätere Entwicklung gilt auch der Iran als wichtig. Die »ägyptischen Dinge« standen dagegen in einem eher marginalen Verhältnis zum Geist des frühen Islam – wie die Quellenlage insgesamt zu bezeugen scheint. Die Bedeutung des ägyptischen Einflusses darf sich aber nicht lediglich an dieser Bedingung messen. Das ägyptische Problem liegt weniger auf der Ebene des Einflusses der Schriftkultur oder des Skripturalismus überhaupt, vieles ist erst über die erzählten, vorgestellten, i.e. gelebten Traditionen eingedrungen und weitergeführt worden.

49 | »Islam appeared, not as a new religion, but as a revival of pure Abrahamic monotheism, purified at once of the accretions of Judaism and Christianity and superseding them as the final revelation.« Ibid., p. 32. 50 | Vgl. etwa Assmann, Axial Breakthroughs; Stroumsa, Cultural Memory.

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3. Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«? Eine dritte Dimension der Betrachtung ist mit der Frage nach der »islamischen Archäologie« zu verfolgen. Sie ist im Zusammenhang mit dieser Studie insofern von Bedeutung, als ganz offenbar neben der religiös-fundamentalistischen, gegenüber allem Pharaonischen feindlichen, nicht nur eine volkstraditionsbedingte, sondern auch eine wissensbetonte freundliche Haltung der öffentlichen Kultur gegenüber pharaonischen Relikten am Ort ins Spiel kommt. Diese kann man durchaus als eine in der historischen »Archäologie« islamischer Gelehrter bereits angelegte Haltung bezeichnen, an die auch die lokalen Ingenieure und Archäologen heute anknüpfen können. Unter diesem Aspekt ist die Tatsache wichtig, dass die Zeugnisse der pharaonischen Kultur schon im Mittelalter unter islamischen Gelehrten auf die vielfältigste Weise Beachtung fanden. Allerdings ist die Frage, ob die alten Denkmäler schon damals im Ansatz eine sachlich-historische und methodische Behandlung erfuhren, wie später in der westlichen Wissenschaft, durchaus offen. Über einen unter diesem Wissensaspekt potentiell vergleichbaren, »archäologischen« Zugang wird heute im Diskurs über die historische Bedeutung der arabisch-islamische Wissenschaft gestritten. Ohne Zweifel ist die Frage für die moderne ägyptische Archäologie von großer Bedeutung. Denn es wird hier über die Anerkennung der islamisch-arabischen Leistungen auf dem Gebiet der Kenntnis und der Übermittlung des Wissens der Alten gestritten. Es ist nicht mein Anliegen, in diese Debatte einzugreifen, doch scheint mir die Verwendung altägyptischer Spolien in aus der späten Mameluckenzeit stammenden Moscheebauten von besonderer Bedeutung, denn es lassen sich Parallelen zu einem stark politisch motivierten »Pharao«-Diskurs in dieser Zeit ziehen. Die aus dieser Zeit stammenden islamischen Bauten in Fuwa (Madrassen, Moscheen, Schreine), in denen Reste solcher Einbauten den Wandel der Zeit überdauert haben, sprechen sowohl von einem Geheimnis umwitterten, als auch von einem repräsentativen Umgang mit pharaonischen Steinen. Es liegt deshalb nahe, den Einbau von Spolien als Ausdruck einer bestimmten in unterschiedliche Richtungen wirkenden und deutbaren, dennoch zugleich modischen und politisch-symbolischen Neigung der Zeit zu verstehen, die sich das pharaonische Erbe bewusst zum Gegenstand macht. Wenn auch der direkte Einfluss der arabisch-islamischen Wissenschaft auf den praktischen Geist der Zeit beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht eindeutig zu bestimmen ist, so scheint mir doch wichtig, eine solche Perspektive anzuzeigen, denn die heutige Lage am Ort legt in der Tat nahe, dass die spätmittelalterlichen Islam-Diskurse über Wissen und Kultur des Pharao auf verschiedene Weise, wie bereits oben angedeutet, Geschmack, kulturelle Orientierungen und Formen des Umgangs mit den alten »Steinen« vorgegeben haben. Historisch lassen sich mehrere Wellen der Beachtung des »Pharao« bestimmen: Erstens die Beschreibungen und Betrachtungen der klassischen

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islamischen Geographen bis in die frühe Mameluckenzeit hinein (al-Masûdî; al-Kindî, al-Idrîsî; al-Maqrîzî). Zweitens die systematischen Ortsbestimmungen, die im 19. Jahrhundert ägyptische Geschichte aus dem einseitig islamischen Kontext herauszulösen beginnen (Ali Mubarak Pascha; Tousson); drittens die Betonung der ägyptischen Nationalkultur in Geographie (Galal Hamdan), Ethnologie (al-Gawhary), Archäologie (Gaballa) u.a.m. Aus soziologischer Sicht wäre es unverzeihlich, wenn in diesem Zusammenhang nicht auch darauf hingewiesen würde, wie stark die religiösfundamentalistische Linie im heutigen Islamdiskurs selbst durch westliche Diskurse beeinflusst ist. Denn so sehr wie der »Pharao« in der Bibel als Inbegriff weltlich-heidnischer Macht gilt, die im Antlitz des »Einen Gottes« ihrer Verdammnis sicher ist, so sehr erhärteten sich im Zeichen der Fundamentalisierung und Revitalisierung des Islams in den 1980er und 1990er Jahren Vorstellungen von modern säkularer Herrschaft, die im Bild des Pharao, des altorientalischen Despoten schlechthin, gipfelten. Der Prophet andererseits, der Heilige, der den Pharao oder den König herausfordert, wurde zum Symbol einer neuen modern-islamischen Revolte.51 In diesem Zusammenhang weist der französische Historiker der Mameluckenzeit Jean-Claude Garcin auf das spätmittelalterliche Modell hin, und zeigt die Ambivalenzen, mit denen die Person des Pharao im Islam dieser Zeit belegt wurde: einerseits der dem Gott entgegenstehende, ungläubige Herrscher, andererseits eine geistige Tradition, die durchaus die sainteté, d.h. auch die durch Gott verliehene Macht anerkennt. In dieser Tradition der Ambivalenz von militärisch-weltlicher und transzendenter Macht des »Pharao« scheinen die Mamelucken durchaus ein Modell der islamischen Präsenz des Pharao begründet zu haben, ein Bild in dem sie sich kulturell gespiegelt und mit dem sie ihre Macht legitimiert haben, nicht ohne sehen zu müssen, wie sehr dies im frommen Denken breiter Schichten, und im mystisch bewegten Spiritualismus einzelner wichtiger Intellektueller auf Zurückweisung stieß.52 Für die Moderne war das Duell zwischen der weltlich mächtigen Maschinerie des Despoten und dem »mit bloßen Händen« kämpfenden Heiligen aber von dem französischen Philosophen Michel Foucault schon längst als Aporie des nunmehr, nicht nur in orientalischen Ländern wichtigen, sondern auch im »modernen« Begriff der Macht herrschenden, religiös begründeten Begriffs des Politischen angekündigt worden.53 Auch daran ist hier zu erinnern.

51 | Siehe Kepel, The Prophet and the Pharao. 52 | Vgl. Garcin, Sultan et Pharaon. 53 | Foucault, Wovon träumen die Iraner?, bes. S. 864; vgl. Stauth, Revolution in Spiritless Times. S.a. Stauth/Otto, Méditerranée, S. 34-39. Die Ideengeschichte der im Geist der NachZeit zur Iranischen Revolution Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Ost und in West wiedererweckten Begriffs der »Politischen Theologie« wäre noch zu schreiben und kann

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45 Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?

Der »Pharaonismus« spielt im heutigen öffentlichen Leben in Ägypten weiterhin eine bedeutende Rolle. Der »Pharao« ist hier mehr als nur das »Gegenbild« zur gottgeleiteten Religion, sondern gerade auch eine legitime Quelle des Symbolismus der Repräsentanz des modernen Staates, wie in neueren Staatsbauten (z.B. Universitätsportalen etwa der Ain Shams Universität in Kairo und Gerichtsbauten in Maadi) sichtbar wird. Der sogenannte »Neopharaonismus« drückt sich auch, daran ist zu erinnern, im Phänomen »Zahi Hawass« aus: Der zu einer Art oberster »Zauber-Beamter« aufgestiegene Leiter der ägyptischen Altertümerverwaltung, trägt in vielen Veröffentlichungen, die die magische Verbindung der modernen mit den pharaonischen Landschaften Ägyptens herausstellt, einer neuen kulturpolitischen und öffentlichen Rolle seines Amtes Rechnung.54 Doch ist für diese Studie die politisch-symbolische Seite des aktuellen modernen »Pharaonismus«55 nur insofern von Interesse, als im Spiegel dieses kulturpolitischen Phänomens die widersprüchliche Akzeptanz pharaonischer Spolien an heiligen Orten in Maqams und Moscheen verständlich wird, gerade auch weil sie sich in einer sonst islamistisch geprägten Umgebung besonderer Herausforderung gegenüber sieht. Im Zentrum dieser Studie stehen die Formen des alltäglich-islamischen Umgangs mit vor-islamischen Altertümern aus der Zeit der Pharaonen ebenso, wie aus der griechisch-römischen Epoche. Gerade die religiös-politischen und philosophischen Diskurse spielen für den Alltag der Akteure in ihrem Umgang mit Spolien eine Rolle, sie setzen – wenn auch oft genug widersprüchliche – Orientierungspunkte. Deshalb möchte ich hier kurz auf diese Diskussion eingehen, die im Bezug auf islamische Geschichte, Altertumsforschung, moderner Archäologie und Islamwissenschaft kulturelle Pointierungen setzt, die für den Umgang mit pharaonischen Relikten heute, und auch im Alltagsleben vor Ort, an heiligen Orten wie an Stätten des Altertums, von Wichtigkeit ist. Die Frage, ob es in der offiziellen islamischen Geschichte und Geschichtsschreibung noch heute wirksame Traditionen gibt, die den Umgang mit dem »Erbe des Pharaos« vorzeichnen, ist in diesem Zusammenhang besonders interessant. Allzu leicht ließe sich die Frage zuspitzen, indem man den religiös-fundamentalistischen, in der neuen vergleichenden Zivilisationssprache »barbarisch« genannten, feindlichen Umgang, als den einzig möglichen islamischen Umgang, einem westlich beeinflussten oder wissenschaftlich »zivilisierten« Umgang gegenüberstellte. Ich enthalte mich des Urteils über solche Vorgaben, die im Muster des gegenseitig vergleichenden

hier nicht geleistet werden, obwohl auch natürlich Momente des Bedeutungswandels der »Heiligen Orte« in diesem diskursiven Kontext zu bestimmen wären. 54 | Vgl. unter Vielen etwa Hawass, Secrets from the Sand. 55 | Einen schemenhaften aber dennoch sehr anregenden Einblick in den kulturellen »Pharonismus« des modernen Ägypten liefert Sattin, Pharao’s Shadow.

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»Orientalismus« austauschbar werden. Sie enthalten eine perspektivische Einseitigkeit, die es zu überwinden gilt, gerade auch weil – wie diese Studie im weiteren Verlauf zeigt – solche Einseitigkeiten durchaus im Alltag richtungsweisend und kulturell formativ sind. Es ist für unsere Betrachtung wichtig zu wissen, dass die bis dato offenbar vorherrschende Meinung der Orientalisten, die Muslime seien mit den Altertümern und dem historischen Wissen der Alten nur »barbarisch« (nämlich durch Negation oder Zerstörung) umgegangen, in neuerer Zeit ins Wanken geraten ist. Mit allen Anforderungen der methodischen Reflexion haben eine Reihe von Autoren Materialien zusammengetragen, die dieses Bild zumindest relativieren.56 Damit ist die Frage, inwieweit die islamischen Gelehrten des Mittelalters z.B. nicht nur eine eigene Wissenschaftsgeschichte hatten, sondern auch erste Formen der modernen Archäologie vorwegnahmen, ins Blickfeld gestellt worden. Hatten frühe islamische Gelehrte schon durch eine eigenständige islamische Geschichtsschreibung eine »neue Orientierung für die Gesamtheit der Muslime« geschaffen57, so zeigten etwa die Geographen und Geschichtsschreiber der Mameluckenzeit, dass sie im Angesicht der »Pyramiden« ihr Geschichtsbild vom Heidentum zu relativieren bereit waren und bereits über Methoden des wissenschaftlichen Umgangs mit ihnen nachdachten. Zunächst ist daran zu erinnern, dass »Geschichte« im Rückblick auf die Zeitläufe der Menschheit als Ganzes ein relativer Begriff ist. Es hat durchaus auch im Laufe der islamischen Geschichte sich wandelnde Formen des Geschichtsbewusstseins gegeben. Die Frage, welche die alten Ägypter bewegt haben mag, ob nämlich Bauwerke oder Texte höhere, weil unvergänglichere Zeugnisse des menschlichen Heils sind,58 ja, die über die Zeiten hinweg das Spiel zwischen Herrschern, Heiligen und Propheten immer wieder anheizte, ist bis heute nicht entschieden. Wenn es um Kultur- und Ewigkeitsfragen geht, sind eben »Steine« (und Architekturen) immer mit dabei. Schon im Verlauf der dynastischen Geschichte des alten Ägyptens zeigt sich, dass im unmittelbaren Umgang die »Steine«, die Denkmäler aus früherer Zeit immer Gegenstand vielseitiger Beachtung gewesen sind. So werden die Orte und Denkmäler aus älterer Zeit immer wieder neu angeeigenet und bereits in pharaonischer Zeit wie in der Antike geradezu unter touristischen Aspekten besucht, wie erhaltene Graffiti allenthalben anzeigen. Hierin hat der muslimische Umgang mit Orten des Altertums und mit Spolien aus älteren Gebäuden, als Kontinuität heischende Kulturattitüde, durchaus schon seine Vorläufer in der über 3.000 Jahre alten Geschichte pharaonischer

56 | Vgl. Haarmann, Regional Sentiment; Haarmann, Islam and Ancient Egypt. s.a. Sezgin, Al-Masûdî u. insbesondere Al-Daly, Egyptology. Vgl. in Band I meine diesbezüglichen Ausführungen, Stauth, Abdallah, S. 16-22. 57 | Gaube, Geschichte, Altertümer, S. 88. 58 | Hornung, Geschichtsbewusstsein, S. 14f. und passim.

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47 Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?

Baukunst selbst. Das Wort Erik Hornungs von den kulturellen »Usurpationen« ist für den Kontext unserer Studie als unmittelbar zutreffend und kontextuell bezeichnend anzusehen, insbesondere deshalb, weil Hornungs Begriff der »Usurpation« auch Suche nach »Authentizität«, d.h. den inneren und äußeren Bezug zum historisch Authentischen einschließt. Das gilt gerade in der Ambivalenz, die beide Begriffe in Bezug auf die alten Denkmäler haben, natürlich auch im Lichte dieser Studie für die Moderne ganz besonders. Bildstürmerei hat es auch schon damals geben und es gibt sie noch heute. Auch darin drückt sich die Ambivalenz von »Usurpation« und »Authentizität« aus, ist doch Bildstürmerei, wenn auch in negativem Sinne, selbst Ausdruck davon. Solche »Usurpationen« bestehender Denkmäler sind selbst in den Blütezeiten der ägyptischen Geschichte durchaus gebräuchlich und bedeuten in aller Regel keinen feindseligen Akt gegenüber den Vorgängern. Ob aus dem Mittleren oder Neuen Reich, oder aus ptolemäischer und römischer Zeit – wo immer Bauten auseinandergenommen und bis in ihren Kern untersucht werden, treten ältere, wiederverwendete Blöcke zutage. Es scheint, dass man ganz bewusst und im Sinne einer Kontinuität Bauteile aus vergangenen Blütezeiten in neue Denkmäler eingefügt hat, als Illustration der Textaussagen, wonach der König über das hinausgeht, was frühere Könige getan haben.59 Für den Kontext dieser Studie gilt, beispielhaft an den Spolien in Fuwa dargestellt, dass auch der zeitgenössische islamische Geist im Zuge moderner Renovation, sicherlich »im Sinne einer Kontinuität«, Bauteile aus pharaonischer Zeit in Moscheen einfügen und pflegen kann. Mag es hier auch um die Bestätigung eines Zeugnisses gehen, das schon die Mamelucken von der Größe der Vorgeschichte belegen wollten, und dass die islamische Religion mit Großmut durchaus und mit Achtung, den Kreationen der Alten gegenübertritt. Wie andererseits eines der ehemals wichtigsten Zentren im Westdelta seiner »Steine« beraubt, in Bedeutungslosigkeit versank und nie wieder zur Blüte gelangen konnte, wird am zweiten Beispiel, am Ort des alten Sais deutlich werden, das die Jahrhunderte zwar als verwüsteter, aber dennoch von großem Mythos umlagerter Ort überdauerte. Das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwachte, ägyptische National-Interesse am pharaonischen Kulturerbe weckte das Bewusstsein darüber, dass es Vorläufer gegeben hat. Das klassische mittelalterliche Gelehrtentum trat gewissermaßen in einen eigenen wissenschaftlichen Umgang mit der pharaonischen Geschichte ein, und könnte so einer später kaum noch geschätzten Manier vorschub geleistet haben, den Madrassen, Grabmalen und Moscheen Reststeine der Altertümer einzufügen. Man kann dabei durchaus den Thesen des »islamischen Archäologen« Al-Daly folgen,

59 | Hornung, Geschichtsbewusstsein, S. 15.

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denn die moderne Ägyptologie und Islamwissenschaft hat noch zu wenig unternommen, die Dimension der wissenschaftlichen und kulturellen Beobachtung der pharaonischen Kultur seit dem Spätmittelalter zu erforschen, geschweige denn ihr u.U. vergleichend Gehör zu schenken.60 Die entflammte Diskussion ist keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel mit klar durchschaubaren methodischen Alternativen. Auch steht sie noch – zu Recht oder zu Unrecht – außerhalb der großen Debatte, die sich über die zivilisatorische Wirkungsgeschichte der Spätantike entwickelt hat,61 denn gerade in dieser Debatte zeigt sich, wie wichtig die weitere Entfaltung des philosophisch-theologischen Diskurses über »Wissenschaft«, die undogmatische Haltung gegenüber dem »Wissen« der Alten, der Heiden, im Islam war. Erstaunlich ist nur, dass sich in den älteren modernen Aktualisierungen der Debatte über die moderne Bedeutung der Antike durch Eric Voegelin und Leo Strauss bereits abzeichnete, wie sehr das politik-philosophische Projekt »Antike« auf das Prägen von Mustern des strategischen Umgangs mit der »Religion« angelegt war, ja auf eine Kulturressource für den modernen Intellektuellen zielte. Strauss fand im exklusiven, esoterischen Umgang mit »Wissenschaft« gegenüber Glauben und Dogma im frühen Islam den Beleg für die Notwendigkeit einer exklusiven, modernen politischen Philosophie der intellektuellen Eliten.62 Auch darin liegt eine Seite der Erfahrung des mittelalterlichen Islams gegenüber den kulturellen Relikten der Pharaonenzeit, er war exklusiv wissenschaftlich. Die Frage wie Islamwissenschaft und Ägyptologie heute mit der islamisch-arabischen Wissenschaft und Kulturgeschichte umgehen, eine Frage, die Okashi Al-Daly und Ursula Sezgin, aber auch so wichtige Exponenten der ägyptischen Archäologie, wie der ehemalige Direktor der Altertümerverwaltung, Gaballa Ali Gaballa,63 in unterschiedlichen Interessen und Blickwinkeln miteinander teilen, fällt nicht in das Gebiet dieses Bandes. Doch es ist erstaunlich, dass die herkömmliche modern-wissenschaftliche »Nicht-Beachtung« hier durchaus Parallelen zur salafitischen »Unterdrückung« der pharaonischen Präsenz, wie des islamisch-wissenschaftlichen Umgangs mit ihr, aufweist. Die Behauptung, dass es eine prinzipielle religiös motivierte Zurückweisung jeglicher Kenntnis der pharaonischen Geschichte und Kultur im Islam gegeben habe, lässt sich nicht halten, doch darf man sich über die Exklusivität des hier produzierten und erhaltenen Wissens keiner Täuschung hingeben. Soziologisch betrachtet liegt das heutige Problem der mo-

60 | Al-Daly, Egyptology. 61 | Vgl. Arnason/Eisenstadt/Wittrock, Axial Civilizations and World History; Arnason/Salvatore/Stauth, Islam in Process. 62 | Braque, Athens. 63 | Al-Daly ist hierin auch von Gaballa beeinflusst worden. Gaballa hat seine Position in vielen persönlichen Diskussionen und in seinen Vortägen in Essen (KWI) und Mainz (SFB 295) im Jahre 2005 bestätigt. S.a. Al-Daly, Egyptology, Preface.

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49 Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?

dernen Muslime gegenüber den pharaonischen Relikten jenseits des Bereichs der Exklusivität der (alten wie der modernen) Wissenschaft. Es ist eine Frage des alltäglichen – religiösen und auch rein praktischen – Umgangs. Es ist ein Problem dieses Alltags, denn die modernen muslimischen Haltungen werden sowohl von dogmatischen als auch wissenschaftlichen Überzeugungen beeinflusst, wenn sie nicht im instinktiven, habituellen, ja lebensweltlichen Kontakt schon längst ein Verständnis ganz eigener Art verkörpern. Ulrich Haarmann, der aus Sicht der »islamischen Archäologie« soviel Kritik auf sich zog, hatte aber durchaus ein Bewusstsein von Wissensinteresse der islamischen Gelehrten, was zu schnell übersehen wurde. Er hat ihre »Archäologie« nicht grundsätzlich negiert. Obwohl er ausschließlich über Texte aus einem anderen Zeitalter, dem späten islamisch-arabischen Mittelalter, arbeitete, war ihm auch die aktuelle Bedeutung dieser Werke bewusst. Während er durchaus eine einfache Bewunderung, ja eine wissenschaftliche Neugier unter den, die Pyramiden besuchenden Arabern dieser Zeit feststellte, beobachtete er andererseits aber auch den auf Stolz bedachten Bezug der mittelalterlichen Ägypter und Araber auf »ihre« Altertümer – so etwa in alKîndîs al-Fadâ‘il, in Idrîsîs Anwar und al-Qalqashandîs Subh64 – und ebenfalls Bewegungen, die sich auf die Zerstörung richteten. Nicht vergessen hat er das fast institutionalisierte Schatzsuchen (eine Haltung, die die Araber ja durchaus auch mit den Modernen gemein haben, obwohl letztere – wie Haarmann auch – den Hinweis auf solche Motivation gerne auslassen, oder hinter wissenschaftlichen Interessen verschleiern). Haarmanns kritische Wissenschaft richtet sich auf die phantastische Literatur über Sphinx und Pyramiden, welche die Spannung zwischen Staunen und Ehrfurcht vor den Weltwundern immer auch mit einer zurückhaltenden Kraft des religiösen Glaubens verbindet. Letztere, so scheint er sagen zu wollen, ist auch für das Vergessen gegenüber der alten Geschichte verantwortlich. Für Haarmann ist es der Durchbruch des Monotheismus in Christentum und Islam, der diese ägyptische Verdrängung erforderte. Er bestätigt primär den Bruch.65 Danach war eine moralisierende Haltung trennend gegenüber den Altertümern aufgebaut, die das islamische Glaubens- und Rechtssystem bedingte. Sie war aber nicht primär auf die Verhinderung eines neutralen methodischen Zugangs beschränkt. Die islamischen Gelehrten, das weiß auch Haarmann, erkannten durchaus den wissenschaftlichen Genius der Alten, ihren Reichtum an technischem Wissen. Schon die islamischen Gelehrten – und das ist der andere Teil ihrer aufgeklärten Perspektive – sahen im antiken Ägypten eine exotische und verhexte Kultur, das Land, das als

64 | Haarmann, Regional Sentiment; Al-Daly, Egyptology. 65 | »Any continuity from ancient to Islamic Egypt was irretrievably and doubly cut off, first by the adoption of Christianity in the fourth century and then, three centuries later, by the Islamic conquest.« Haarmann, Islam and Ancient Egypt, S. 191.

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das Wunderland per se galt, und sie wendeten sich auch gegen die dort weiterlebenden und von dort kommenden Wundervorstellungen.66 Haarmann hat also nicht gänzlich und einseitig die phantastischen, legendären und magischen Aspekte im Blick der Araber auf das Pharaonentum betont, sondern durchaus den wissenschaftlichen und religiösen Entzauberungsblick der Araber erkannt. Diese Dimension ist für die heutige Haltung der Muslime im Alltag wie im orthodoxen dogmatischen Umgang wichtig. Die mittelalterlichen Gelehrten scheinen die heutige Problematik vorweggenommen zu haben: Die islamischen Historiker des Mittelalters haben versucht die heidnische Vorgeschichte in den umfassenden religiösen und historischen Kontext der koranischen Offenbarung zu stellen und so auch heilsgeschichtlich zu integrieren, ja es als den – gewissermaßen antinomischen – Teil der allgemeinen historischen religiösen Beachtung göttlicher Fügung und weltlichen Lebens zu betrachten.67 Erstaunlicherweise erkennt Haarmann plötzlich gegen diesen Hintergrund oder über ihn hinaus ein weiter reichendes Feld von Funktionen der Altertümer in imaginären und alltäglichen Verhaltensmustern und im Leben der mittelalterlichen Muslime, die sich kaum nur aus den historischen Quellen ableiten lassen. Er arbeitet vier Funktionen der Altertümer heraus: (1) Sie waren Gegenstand der an ihnen erprobten Stigmatisierung der Götzendienerei, die leicht zur überfrommen Bilderstürmerei führen konnte, gerade weil ja Bilder im Islam tabuisiert sind; (2) sie zogen Schatzsucher an; (3) sie versorgten mit billigem und ausgezeichnetem Baumaterial; (4) sie waren immer auch bevorzugte Orte des Tourismus.68 Haarmans ambivalente – ja wenn nicht einseitig abschätzende – Zusammenfassung muslimischer Haltungen gegenüber den Altertümern, die heute so vehement von Ursula Sezgin und Okashi Al-Daly kritisiert wird, bewegt sich zwischen starkem Hervorheben der Rückweisung des ägyptischen Heiden-

66 | »In medieval Islamic sources, exoticism and weirdness were the dominant attributes associated with Egyptian antiquity. Ancient Egypt was turned into a repository of miracles, magic, treasures, yet also into a land of technical ingenuity and scientific wisdom – a double image that is familiar to us from Hellenistic hermeticism, the renaissance, as well as Enlightenment Europe.« Ibid. 67 | »In stark contrast to the new Muslim morality ancient Egypt – the ›Babel of the sorcerers‹ – epitomized idolatry and paganism; its gigantic monuments; its many gods (some even in animal shape) its mummified bodies of humans, animals and birds, its uninhibited pictoral splendor, and many more characteristics that weight against Islamic tenets provided the Muslims of Egypt and of other countries the strong negative foil that served to make them aware of their own proper religious and legal prescriptions.« Haarmann, ibid. 68 | Haarmann, Islam and Ancient Egypt, S. 193.

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51 Die Frage nach der »Islamischen Archäologie«?

tums, wie sie von den Altertümern verkörpert wurde, einerseits, eine Haltung, die auch den Raubau erst ermöglichte. Andererseits aber sieht er auch jene Versuchung der Muslime, die majestätische Würde und architektonische Urvaterschaft der Altertümer zu erhalten, ja darin Wissen und Stolz mit dem islamischen Geschichtsbild zu versöhnen. Danach aber schafft die Moderne für Haarmann eine völlig andere Situation. Er beharrt darauf, dass es eine grundlegende Differenz zwischen den mittelalterlichen und modernen islamischen Haltungen gebe: das Heraufkommen einer reflektierten und gezielten Zurückweisung durch den islamischen Fundamentalismus.69 Während die frühen Muslime durchaus vorurteilslos im Schatten der Pyramiden beten konnten und sich eben auch nicht daran störten, ihre Gräber in der Nähe pharaonischer Stätten anzulegen, so erkennt Haarmann im modernen Umgang eine wachsende Spannung der islamischen Tradition gegenüber dem ägyptischen heidnischen Erbe. Die Spannungen, die sich heute aus der Präsenz pharaonischer Relikte ergeben, sind nicht literarischer, auch nicht rein skriptureller Natur. Die »Wahrheiten«, die hier aufeinander treffen, sind, anders als das bei Haarmann gesehen wird, habitueller und ritueller Natur. Die Kontaktsituationen am Ort und die interaktiven Wechselspiele im unaufhebbaren praktischen Umgang mit pharaonischen Relikten rücken eine weit umfassendere – in vieler Hinsicht auch ganz anders gelagerte – Ebene des Dialogs des Islams mit der pharaonischen Kultur in den Blick. Die Muslime konnten auch im religiösen Alltag nicht darauf verzichten, sich unmittelbar mit den präsenten Hinterlassenschaften der alten Kulturen auseinander zu setzen, ja die Spannungen und Wechselspiele am Ort sind überhistorisch, und – wie im Band I dieser Folge beschrieben – liegen hier Konstruktions-, Integrations- und Inszenierungsmerkmale vor, die auf dem Willen zur Harmonisierung und zur Zurückweisung in wechselseitiger Beziehung zueinander beruhen. Wo der Glaube als Bruch und Gegensatz mit dem Alten verstanden wird, werden auch die islamischen Heiligen in der Nähe der Alten zurückgewiesen. Der überschwängliche Gebrauch von alten Relikten beim Bau von Moscheen und Schreinen bezog sich eben nicht nur auf pharaonisches Material als billiges und gutes Baumaterial, sondern als Mittel der Pracht, des Glanzes, der äußeren Repräsentation von Macht und ihrer religiösen Erleuchtung, während zugleich geheime Zugänge für die wirklich Wissenden unter der Erde möglich gemacht wurden. Erst wo die alten Bildzeichen selbst Gegenstand von selbständiger Verehrung werden, ja sogar unter normalen Muslimen Anklang finden, oder Gegenstand magischer Verehrungspraktiken

69 | Haarmann, ibid.: »Only since the 1980s, did the incompatibility of certain Egyptological and certain rival Islamic ›truths‹ about Pharaonic Egypt reemerge as an increasingly serious problem in Islamic fundamentalist quarters.«

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und Wunderlegenden sind, konnte solches Verhalten von offizieller und orthodoxer Seite nicht geduldet und nicht einfach nur unter dem toleranten Muster der mutaaqadât shaabî abgehandelt werden. Dann setzten und setzen Zurückweisung und Unterdrückung ein, und wenn diese erst einmal breiter Fuß gefasst haben, die Verbannung alles Pharaonischen.

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4. Passagen am westlichen Nil Seit den ältesten Zeiten der ägyptischen Religion wurde das Jenseits mit dem Nil verbunden. Gerade durch die Ungewissheit über die Ursachen für die jährliche Wiederkehr der Flut und Furcht vor ihrer Macht, gewann der Gedanke an eine jenseitige Welt an Vorstellungskraft. In allen Epochen der Antike galt die Nilflut als das größte Wunder, ja als der reale Beweis von Wunder und Wunderkraft überhaupt. Die Pharaonen und Könige begrüßten das Anschwellen der Flut mit Schiffsprozessionen zu den Schreinen und Tempeln der Götter entlang des Nils. Die Nilprozessionen waren mit Feierlichkeiten sowie dem Darbringen von Opfern verbunden. Insbesondere am Westzweig des Nils sind eine Reihe solcher alter Orte versammelt, von denen Sais und Buto schon zu Zeiten des Griechen Herodot als wohlbekannte Kultund Orakelplätze der Alten im 19. Jahrhundert wieder als Gegenstand des »europäischen«, aber eher imaginären Ägypten-Tourismus berühmt waren.70 Schon die griechischen Siedler, die lange vor Alexanders ägyptischen Eroberungszügen Handelsstützpunkte im westlichen Delta unterhielten, entwickelten ein durch den Blick des Fremden geschärftes Bild vom Nil, der mit seinen Wassermassen alles überstieg, was man von Griechenland her an Flüssen kannte, durch die Breite seines Deltas beeindruckte, dessen Quellen verborgen waren, und der ihnen auch durch seine jährlich wiederkehrende Flut ein Mysterium blieb.71 Wie sehr bis in die Neuzeit hinein der sich wandelnde Verlauf der Nilarme Rätsel aufgibt und Archäologen im Blick auf das West-Delta noch immer glauben müssen, zu wenig über den wirklichen Verlauf des Nil in antiker Zeit zu wissen72, so präzise und der heutigen Lage fast entsprechend, konnte Herodot schon den westlichen Nil-Arm von der Küste bis hinunter nach Heliopolis (Kairo) beschreiben73. In der Liste der von Herodot besuchten Orte fehlen allerdings Boulboutine (Rashid/Rosetta) und Metelis, das oft mit dem heutigen Fuwa identifiziert wurde, völlig. Sie tauchen in der Liste des Ptolemaeus durchaus auf, bleiben jedoch ohne nähere Beschreibung.74

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70 | Novalis, Paralipomena zu den Lehrlingen zu Sais. 71 | Ball, Egypt in the Classical Geographers, S. 8. 72 | Nibbi, Some Geographical Notes, S. 128: »We need to know more about ancient water courses.« Silvia Prell versucht einen Überblick anhand einer Zusammenstellung des zugänglichen Materials. 73 | Ball, Egypt in the Classical Geographers, S. 14: »The Delta itself is described by Herodotus as being flat and full of swamps (II,7) and he gives the length of the route from the sea to Heliopolis as 15 hundred stades (287 kilometers) which as probably not much in excess of the truth, as the distance from the sea to Cairo, as measured along the Rosetta-Branch of the present-day Nile is about 259 kilometers.« 74 | Ball, Egypt in the Classical Geographers, S. 120.

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A Karte des westlichen Nil-Deltas

Danach war Metelis, die Hauptstadt eines ptolemäischen Gaus mit dem Namen Bechis, wobei hier noch Unklarheit darüber besteht, ob der bei Fuwa zu besichtigende Kûm al-Akhmar oder der nahebei auf der anderen Seite des Nil liegende Tell al-Nigîlî oder der von hier nach Norden liegende Tell alGhuraf mit Metelis gleich gesetzt werden können. Die alten Kultstätten, religiösen Zentren und heiligen Orte waren ursprünglich vom Nil geprägte Gaustädte und bis in die 1960er und 1970er Jahre Zeit hinein waren die nach Norden sich ausbreitenden und vom Norden her zu erreichenden Flussarme die wichtigsten Verkehrswege. Die Schiffer und Fischer bestimmten das Bild des Flusses und dieser Städte. Erst durch die de facto Abschaffung der Nilschifffahrt in den 1970er Jahren gingen die über den Fluss verlaufenden alten Handels- und Handwerksnetzwerke verloren. Die bis dahin von Rashid aus über die Seitenkanäle, etwa den Baguriyya, bis nach Minufiyya schiffenden Feluken-Fahrer verteilten noch bis etwa 1975 Salz und Fisch in den Dörfern, während sie gleichzeitig die Spitzen der Palmen ausputzten und die Palmzweige mitnahmen, aus denen in Rashid dann wieder Obstkisten gefertigt wurden. An den Festtagen der Heiligen, den Mawlids, wurden entlang des Nil und seiner Arme die Tausch-

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netzwerke bekräftigt oder neue geschaffen. Über den Nil verlief also ein reger Tausch-Handel, der stark mit den religiösen Bedürfnissen der Händler, Nilschiffer etc. verwoben war. Der Mahmudiyya-Kanal hatte schon im 19. Jh. die alten Städte Rosetta (Rashid) und Fuwa von den großen traditionellen Handels- und SchiffahrtsRouten über das Mittelmeer nach Alexandria hin abgeschnitten, denn nun wurden Kairo und Alexandria über einen direkten Wasserweg miteinander verbunden. Die Städte Atf, Rahmaniyya (Mahmudiyya) und Damanhur stiegen als neue Umschlagplätze auf. Die weiterhin noch auf dem nördlichen Arm fahrenden Händler, Kleinhandwerker und Fischer wurden seit dem letzten Viertel des 20. Jh. zunehmend durch landfahrende Händler und Transportunternehmer verdrängt, die Straße setzte sich durch und mit ihr der »Toyota«. Was von den alten Bezügen zum Fluss blieb, ist das Fischen, das sich in den Dorfgrenzen hielt. Zu den jährlichen Wallfahrten, etwa nach Disuq oder zu den in großer Vielfalt auftretenden kleinen islamischen Stätten, die sich in den alten, heute weitgehend marginalisierten Kleinstädten am Nil gebildet haben (Fuwa, Mitubis, Rashid), fuhr man nur noch mit Bussen und Autos. An den großen religiösen Festtagen (großer und kleiner Bayram; Mawlid al-Nabî; in geminderter Bedeutung Mawlids lokaler Heiliger) verschafft sich die »Nilfahrt« als Feiertagsausflug noch Gehör, die Netzwerke der Sufis zwischen den einzelnen Zentren dieser alten Nillandschaft haben noch mühsam Bestand. Der Tell von Bolbotiné südlich von al-Rashid (Rosetta) und das Maqam des Abû Mandûr bilden den Ausgangspunkt der klassischen Nilpassage, man kam von Alexandria über Land nach Rashid (Rosetta). »Von der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts an geht der übliche Weg von Kairo nach Alexandria auf dem Nil bis Rosetta und von da ab zu Lande. Diesen Weg nehmen die abendländischen Reisenden in den folgenden Jahrhunderten fast ausnahmslos.«75

Bei Abû Mandûr – wie überhaupt auch bei allen Lokalheiligen am westlichen Nilarm – haben wir es mit einer, in doppelter Hinsicht gegenüber den in unserem ersten Band geschilderten Bedingungen abgemilderten Kultintensität zu tun. Im Gegensatz zu Abdallah b. Salâm (st. 43 H.) ist Abû Mandûr ein eher jüngerer Lokal-Heiliger (etwa 16./17. Jh., Realgeschichte eher ungewiss) aus der osmanischen Blütezeit des heutigen Rashid (Rosetta), dessen Bedeutung in der islamischen Geschichte sehr gering zu veranschlagen ist. Noch bis zur Mitte des 9. Jh. segelten die Mittelmeerschiffe an Rashid vorbei, das nur eine Garnisonsstadt (kulluhum murâbitûn) Heeresaußenposten war, direkt hinunter nach Fuwa. Erst als es dort zu Schlammablagerungen kam, wird Rosetta zur Hafenstadt. Aber noch im 13. Jh. soll es kleiner als Fuwa gewesen sein. Der eigentliche Aufstieg Rashids als Handelsstadt beginnt mit der Eroberung Ägyptens durch die Osmanen (1517), es beginnt – an Alexan75 | Kahle, Alexandria, S. 78.

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dria vorbei – der direkte Überseehandel von Rashid nach Istanbul. In der Stadt entstehen die vielen Khans und Funduks, die, in den letzen 10 Jahren restauriert, noch heute die Stadt zieren. Mit dem Bau des Mahmudiyya Kanals wendete sich das Blatt wieder, Alexandria erhielt erneut direkten Zugang zum Nil-System und Rashid degeneriert zur marginalen Fischerstadt. 1907 hatte Rashid etwa 16.000 Einwohner.76 Abû Mandûr ist eine eher marginale Figur – und auch als lokal lebendigen Heiligen kann man ihn sich in der lokalen Tradition als »Zuarbeiter« zum großen islamischen Heiligen Ibrâhîm al-Disûqî vorstellen. Dessen Maqam liegt etwa 40 km südlich am gleichen Nil-Arm. Schon für das frühe 19. Jh. ist belegt, dass sich am direkt am Nilufer liegenden Maqam des Abû Mandûr die Schiffer und Fischer der rashidischen Region zur gemeinsamen Fahrt zur Mawlid des Ibrâhîm trafen. Zusätzlich handelt es sich um den hinter dem Maqam liegenden Tell von Bolbotine um einen archäologisch schlecht belegten Ort, der offenbar nur für die späte Ptolemäer-, und RömerZeit und mit mäßigen Funden als »Werftort« belegt ist und in der Antike keine Kultrealität besesssen hat. Von Edward William Lane ist eine Zeichnung des Maqams von Abû Mandûr aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts erhalten. Was Lane uns über die religiöse Bedeutung des Abû Mandûr im Leben der lokalen Bevölkerung berichtet, gilt noch heute, und auch die Vorstellungen über seine Macht über den Tell und das Wasser leben weiter: »Sein Grab steht in hohem Ansehen für Talisman-ähnliche Kräfte, die den Wüstensand davon abhalten in den Fluss zu rieseln und die Gärten am Flussufer zuzudecken. Man glaubt ebenfalls daran, dass der hilfreiche Einfluss des Scheichs auch eine andere Art der Unfruchtbarkeit verhindere, und viele Frauen, die vom Aberglauben geleitet sind, besuchen fromm sein Grabmal.«77

Fast ein halbes Jahrhundert vor Lane zeichnete aber der französische Reisende Sonnini ein eindrucksvolles Bild der Nillandschaft um das Maqam des Abû Mandûr (vgl. Abb. 4). Wenige Jahre später übermittelt uns Mayer eine ganz andere Ansicht des Maqams, sehr dem Stich des Edward William Lane ähnlich (vgl. Abb. 5). Gegenüber dem in den 1830er Jahren reisenden Mayer und Lane haben wir es heute mit einer sehr »neuen« Kultrealität zu tun, die gegenüber der traditionellen Praxis durch sekundäre Mechanismen an Bedeutung gewinnt:

76 | Vgl. EI/1, Bd. III, S. 1258-1259. 77 | »His tomb is reputed to possess a talismanic influence, preventing the sands of the desert from pouring into the river and overwhelming the gardens which adorn its bank. It is also believed that the benign influence of the Scheich is extended to the prevention of another kind of barrenness; and many women, actuated by superstitious faith, piously visit his shrine.« Lane, Description, S. 50.

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Passagen am westlichen Nil

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4 Sonninis Kupferstich des Abû Mandûr etwa um 1777 (Sonnini, Reisen, S. 454)

5 Abû Mandûr nach Mayer (Mayer/Milton, Views, Tafel gegenüber Seite 43)

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Abû Mandûr wird zunehmend ein touristischer Ausflugsort, der von Stadt und Regierung mehrmals renoviert wurde, und im allgemeinen an Feiertagen als Lustpark dient. Bis 2005 war der Ort nur über den Nil zu erreichen. Erst jüngst ist eine Straße gebaut worden, was dem Ort nicht gerade zur Verschönerung diente.78 Südlich von Rashid und Fuwa liegt Disuq, ein Dorf, das durch seinen Heiligen Ibrâhîm in den letzten hundert Jahren zu einer kleinen Großstadt anwuchs. Lane sprach schon von seiner überragenden Bedeutung. »Eine Woche nach diesen (der Winter-, der Sommer, der Herbst GS) Mawlids von Tanta, wird die Mawlid des Sayyid Ibrâhîm al-Disûqi, in der Stadt Disûq, an der Ostseite des westlichen Nilarms gefeiert. Sayyid Ibrâhîm war ein berühmter Heiliger, im Rang dem Sayyid al-Badawî am nächsten. Diese Mawlids, die des Sayyid al Badawî und des Sayyid Ibrâhîm, sind große Jahrmärkte und religiöse Feste zugleich. Bei dem letzteren bleiben die meisten Besucher in ihren Booten und einige der Derwische des Saadiyya Ordens aus Rashid feiern ihre Feste mit Schlangen: Einige tragen Schlangen mit Silberringen im Maul, damit sie nicht beißen können, andere gehen mit diesen Reptilien ganz lebendig um.«79

Auch heute noch gibt es Pilger, die während der Festtage aus umliegenden Dörfern etwa nach Disuq und Fuwa in ihren Booten kommen und darin hausen. Nur eben aus weiter entfernten Orten reist man so nicht mehr an, und Schlangen sind auch heute keine Seltenheit bei den festlichen Umzügen der Sufis. In den Legenden und Geschichten über die alten Heiligen am westlichen Nilarm sind die Pilgerfahrten zu ihren Festen Fahrten über den Nil und wurden noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein als solche weitgehend von Bootsleuten bestritten. Auch war die Abfolge der Feste von Tanta, dann nach Disuq, dann nach Fuwa, dann nach Rashid und weiter nach Alexandria gewissermaßen selbst durch die Nilfahrt auf dem Rosetta-Arm bestimmt. Wer von Lane angeregt nun die umgekehrte Richtung fährt, wird mit Eindrücken reichlich belohnt. Ich fuhr mit Axel Krause im Frühjahr 2002 mit einem kleinen Diesel-Kutter in der Morgendämmerung von Rashid aus über Mitubis und Fuwa nach Disuq. Diese unvergessene Tagesreise führte uns auf 78 | Zur Einbindung des Maqams in die orthodoxe Verwaltung und den neuen Islamismus, vgl. Stauth, Der Drang zum Heiligen(2), S. 376-379. 79 | »One week after each of these (the winter, the summer, and the autumn-mawlids of Tanta GS), is celebrated the moolid of the seyyid Ibráheem Ad-Dasookee, at the town of Dasook, on the east bank of the western branch of the Nile. The seyyid Ibraheem was a very famous saint; next in rank to the seyyid El-Bedawee. These moolids, both of the seyyid El-Bedawee and of the seyyid Ibráheem, are great fairs, as well as religious festivals. At the latter, most of the visitors remain in their boats; and some of the Saadeeyey darweeshes of Rasheed exhibit their feasts with serpents: some carrying serpents with silver rings in their mouths, to prevent their biting: others partly devouring these reptiles alive.« Lane, The Modern Egyptians, S. 247.

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dem von Schiffen sonst entleerten Fluss zunächst zur Schleuse an der Barrage von Mitubis, wo wir mehrere Stunden über unsere Weiterfahrt verhandeln mussten. Schließlich ging es weiter, machten in Fuwa Halt und erreichten am Nachmittag Disuq. Später ging es mit dem Taxi am Nilufer hinunter nach Sais. Lanes »Orte« am westlichen Nilarm blieben für mein weiteres Arbeitsvorhaben prägend. Wenn auch bei Lane schon von einem Ineinanderspielen von antiken Orten und islamischen Heiligen die Rede war, so ging es dabei auch um die »moderne« Bedeutung der Maqams und Moscheen im Leben der lokalen Bevölkerung. Wenn ich im folgenden die modernen Formen dieses Zusammenspiels vor allem in den beiden Nil-Städtchen Fuwa und Sa al-Hagar herausstelle, so bleibe ich nicht unbedingt dem »Orientalismus« des Blickes von Lane verpflichtet. Doch ist die Sinngeschichte des Nils an den Orten so präsent, dass der Nil gerade in seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung außer Acht gelassen werden kann. Nichts scheint die Lebensfreude der Ägypter mehr angeregt zu haben als der Nil. Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, dass der Nil in einem ganz immanenten Sinne auch die Heilsvorstellungen in den drei Buch- und Erlösungsreligionen in positivem wie im negativen Sinne beeinflusst hat. Alfred Herman erinnert am Beispiele des »Nilhymnus« aus dem mittleren Reich an die ausufernden Rituale und Symbole des Nilkults, seine Rekonstruktionen im griechisch-römischen Altertum bis hin zum Islam,80 ja sogar an seine imaginären kulturhistorischen Dimensionen im Denken des aufsteigenden modernen Europas.81 Im Zentrum stehen Ursprung und Wasser, Fruchtbarkeit und Erde, Tierwelt und Menschenwelt. Hermann weist auch auf islamische Umformungen des alten Nil-Ritus hin, wie sie von Enno Littmann anhand eines Beispiels von der Roda-Insel Kairo eingefangen wurden.82 Er sieht die Unterschiede, er findet aber auch überraschende Übereinstimmungen zwischen den antiken und den islamischen Hymnen und Riten. Hermann vergleicht Lanes und Littmanns Beschreibungen moderner Nilfeste im 19. Jahrhundert mit Darstellungen aus der römischen Kaiserzeit und kommt zu erstaunlichen Entsprechungen, wie er sagt: »neben einzelnen Abweichungen überraschende Übereinstimmungen.«83 Er fährt fort: »Das heidnische Götzenbild, der triumphal einziehende Nil, musste in einer monotheistischen Ära natürlich von vornherein wegfallen; dies ist wohl nicht erst in islamischer Zeit, sondern schon auf Grund christlicher Nilkultverbote, von denen wir seit dem 4. Jh. wissen, geschehen (vgl. Hermann, Der Nil und die Christen). Trotzdem blieb genug des Alten.«84 80 | Hermann, Ankunft. 81 | Hermann, Rilke. 82 | Littmann, Nilschwelle. 83 | Hermann, Ankunft, S. 40. 84 | Hermann, Ankunft, S. 41.

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Die Freude am Nil ist auch in islamischer Zeit eine wichtige Komponente des sozialen Lebens geblieben, auch wenn die Feste ihres rituellen, auf die »Ankunft des Nils« ausgerichteten Sinns durch die Staudämme, Baragen und Schleusen längst beraubt wurden. Wie tief der Nil die Instinkte der Menschen beherrscht, soll ein kleiner Text zeigen.85 Die Freude am Nil ist hier in die islamisch-religiösen Momente der öffentlichen Moral eingewoben. Das kollektive Bad im Nil, die außermoralische Befreiung vom Regelungswerk der Religion, steht hier am Ende selbst als Topos der Bestätigung der großen Religion und ihrer Heiligen: »Am Mittwoch dem 24. Hujja des Jahres 1147 H. (ca. 1735) verbreitete sich unter den Leuten von Kairo die Gewissheit, dass am kommenden Freitag, dem 26., der Tag des Gerichts (al-yaum al-qiyama) gekommen sei. Unter allen – sogar in den Dörfern und auf dem Land – verbreitete sich darüber die Rede, und die Leute wurden einer nach dem andern davon überzeugt. So sagte ein Mann zu seinem Freund, es bleiben uns in unserem Leben nur noch zwei Tage! Viele Ungeduldige und Unverantwortliche liefen auf die Straßen und Plätze heraus und sagten, lasst uns Freude haben, und die Welt vergessen bevor der Tag des Gerichts kommt. Leute aus Gizeh (bei Kairo), Männer und Frauen, kamen zusammen und begannen mit Bädern im Nil. Aber es gab auch Leute von höherer Trauer und es befiel sie der Selbstzweifel. Und einige begannen damit, ihren Sünden abzuschwören, Gott anzurufen, in Andacht zu verfallen und zu beten. Und sie waren fest davon überzeugt und versicherten sich gegenseitig die Wahrheit (von dem bevorstehenden Ereignis). Wenn jemand etwas Abweichendes sagte oder sagte, das sei eine Lüge, so gaben sie dem keine Beachtung. Sie sagten stattdessen, nein, das ist wahr. Das wurde auch von einem Juden und irgendeinem Kopten vertreten, die beide die Weissagung und das Offenlegen von Fälschungen beherrschten und nie in einer Sache logen, sie bestätigten es. Und irgend jemand unter ihnen berichtete, dass ein Sturm an diesem und dem Tag ausbrechen würde. Jemand ging zum Emir und berichtete davon. Er sagte ihm, halte mich bis zum Freitag gefangen, und wenn der Tag des Gerichts nicht kommt, töte mich! – Dieser Art gab es viele Gerüchte. Viele davon bestätigten nur Konfusion und Tumult, die bis zu besagtem Tag hin herrschten. Dann, als nichts geschah, und der Freitag vorüberging und es Samstag wurde, standen die Leute auf, und sagten, einer von den Gelehrten hat gesagt, Sidi Ahmad al-Badawî und al-Desouqi, und al-Shafii haben in dieser Sache interveniert und Gott hat ihre Fürsprache angenommen. Die anderen sagten: Bei Gott, wir haben von ihnen profitiert, mein Bruder, wir haben noch nicht genug von der Welt, sie haben uns auferlegt, uns weiterhin zu vergnügen.« (Jabartî, Tarîkh, I, 152 -al-tabaa al-ahâliyya-).86

85 | Stauth, Hybris, S. 161f. 86 | Übersetzt aus Abdel-Latif, Sayyid al-Badawî, S. 5-6. In leicht veränderter Version erscheint die Geschichte in der französischen Übersetzung des Werkes von Jabarti (1888 II: 12). s.a. Goldziher (1889 II: 339), der hier eine sehr verkürzt auf den Glauben an die Kraft der Führsprache bezogene Zusammenfassung liefert.

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Die Geschichte bezieht sich auf das Jahr 1735, sie wird von dem Historiker al-Jabartî etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts wiedererzählt wird. Auf Modernisten, wie Goldziher und Abd al-Latîf werden hier die Obskuritäten des Glaubens an die Heiligen offensichtlich. Sie betrachten sie Zeichen der Kontinuität des Heidentums, der Rückständigkeit und des Anti-Modernismus. Die Geschichte handelt nicht nur über das »Weltende« oder das »Jüngste Gericht«, sie handelt auch über den Nil, in dem die Menschen, nun noch am Leben, sich – mit ihren Kleidern alle Gesetze der Religion ablegend – baden und erst einmal noch ganz »diesseitig« erlösen wollen. Es handelt sich auch um ein Beispiel, an dem die kollektive Kreativität im Umgang mit den Heiligen deutlich wird, indem Bestrafung und der Zorn der Orthodoxie abgewendet werden. Hier wird auch gewissermaßen das »nackte Leben«, das Überleben, ja die pure Lust als »Erlösung« von den »Dogmen der Wahrheit« legitimiert. Dabei ist erstaunlich, wie doch die Weisheit der Nicht-Muslime, der orthodoxen Gelehrten und der Heiligen gleichermaßen zu Zeugen herangezogen werden, um ein Stück kollektiv-autonomes Leben, »nacktes Leben« im Kollektiv, zu verteidigen. Ich hebe diese Geschichte hier noch einmal hervor, weil sie so deutlich die material-religiöse Natur des Nils im Alltag der Ägypter umschreibt, ohne die zu verstehen, man sich kaum ein Bild von der in städtischen Volksvierteln und in Dörfern vorherrschenden Alltagsfrömmigkeit, aber auch Alltagsfreude, machen kann. Der Nil prägt dieses Leben so sehr, dass er zum ganz normalen Bestand des kollektiven Handelns und von da her auch der inneren Frömmigkeit der Volksseele wird. Das ist es, was noch einige Riten, Geschichten und Wundervorstellungen belebt, die auch heute an den Nil geknüpft werden. Bräuche der Nilfeste in islamischer Zeit, wie sie Littmann aufgezeichnet fand, waren in der Mameluckenzeit auch unter Kopten noch lebendig: Ein koptischer Beamter unter Baibar, wollte ein Wort zur Minderung der Steuern und der Unterstützung des Nilfestes einlegen, mit dem Ausruf: »Wenn dieses Fest nicht gefeiert wird, wird der Nil nicht ansteigen, und das Wegbleiben der Flut wird die Felder Ägyptens zerstören.«87

Und es heißt hier interessanterweise: Gott habe das Herzen des Baibar bestätigt und ihm die notwendige Kraft gegeben, allen schönen Parolen, die man ihm aufsagte, zu widerstehen und habe darauf bestanden, die Feier des Festes zu untersagen. Er antwortete dem Beamten:

87 | »Si cette fête n’est pas célébrée, le Nil ne montera pas et le manque inondation détruira les campagnes de l’Égypte.« Maqrizi, Description, S. 195.

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»Wenn der Nil nicht ansteigen darf, wenn man darauf schwört, dass er nicht ansteigt. Aber wenn Gott ihn leitet, dann werden wir den Christen ein Dementi abverlangen.«88

62 Das Fest wurde schließlich vom 30. Juli 1337 an bis zum 20. Juli 1338 verboten.89 Die Nilflut erreicht schon seit einiger Zeit Ägypten nicht mehr, der Bau der Assuan Staudämme (1902, 1964, 1970) hat sie schrittweise vermindert und schließlich ganz eingestellt. Doch es gibt noch die Flut, welche die Legenden und Geschichten beschreiben, es gibt noch die Wasser des Nils, die Fruchtbarkeit und Lebensglück bringen. Auch der Gedanke der »Prozession« – heute wird er nur noch bei den Heiligenfesten, den Mawalid, und bei den Hochzeiten gepflegt (zaffa) – ist lebendiges Volksgut, wobei es offenbar eine Verbindung zwischen der spirituellen laila kabira der Sufis und der »Nacht« des Paares gibt, auch diese hat ihr Urbild gewissermaßen in den alten Nil-Prozessionen. Im modernen Ägypten gerät der westliche Nilzweig, wie überhaupt das Delta insgesamt, als stumpfe Fellachen-Landschaft fast völlig ins Abseits. Im 20. Jahrhundert war der Nil im Delta und der Rosetta-Arm im besonderen kein Weg mehr auf den großen Handels- und Tourismusrouten, man versuchte so schnell wie möglich von Alexandria nach Kairo zu kommen. Händler und Touristen bewegten sich nun mit der Bahn und dem Auto. Zurück blieben die kleinen Alltagsfischer und Fährboote. Solange die Nilflut noch ein Ereignis und die Nilschifffahrt lebendig war, gehörte der Nil noch zum Kommunikationsnetz der ländlichen Sufi-Gruppen, was sowohl religiöse Bedürfnisse befriedigte, als auch Handwerk, Handel, Fischen und Freizeitlust einbezog. Noch in den 1970er Jahren versammelte man sich bei den »kleinen« Heiligen am Nil, um von dort aus die Wallfahrten der »großen« Heiligen in Tanta und Disuq zu unternehmen. Züge solcher Gruppen wurden schon von William Edward Lane im ersten Teil des 19. Jahrhunderts beobachtet. Sayyid al-Badawî eröffnet in Tanta die Saison der Mawlid (Heiligenfeste), eine Woche danach folgt das Fest des Ibrâhîm al-Disûqî in Disuq, das etwa 60 km nördlich von Tanta gelegen ist. Weitere 20 km flussabwärts folgt Abu al-Makârim in Fuwa. Es wundert nicht, dass es keine Mawlid in Rashid, dem alten Rosetta gibt, denn die letzte große Mawlid ist in Alexandria. Sie erreichten Alexandria konnte direkt über das Mittelmeer oder über den Umweg durch den Mahmudiyya Kanal erreicht werden: Wenn man von Rashid kam zunächst hinunter nach Mitubis, Dairut oder Fuwa, wo man, wie überhaupt immer, bei kleineren Heiligen einfach nur Station machen konnte (ziyâra). Man könnte sicher vergleichbare Routen am östlichen Nilzweig, dem Dumyat-Arm, verfolgen. In den 1980er and 1990er Jahren wurden die Nilfahrten abgeschafft, an die Stelle der Boote trat der Toyota (nach wie vor 88 | Ibid.: »Si le Nil ne doit monter que si on y jette le doigt, qu’il ne mont pas! Mais si c’est Dieu qui le dirige, nous infligerons un démenti aux chrétiens.« 89 | Maqrizi, Description, S. 195.

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63 Passagen am westlichen Nil

ergänzt durch den Eselskarren für diejenigen, die es sich anders nicht leisten können). Die Orte und die Festdaten blieben weitgehend die gleichen, immer schon glichen sie sich den Notwendigkeiten des islamischen Kalenders (keine Mawlid im Ramadan) und den lokalen und materialen Bedürfnissen in sehr flexibler Weise an. Mehr und mehr jedoch, wie Schielke zeigt90, gerieten sie unter die Fuchtel des Salafi-Geschmacks, des öffentlich herrschenden Begriffs von Islam und neuen Verwaltungsvorstellungen dessen, was öffentliche Ordnung in Ägypten sein kann. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass die Schiffspassage im Sufismus noch immer von symbolischer Bedeutung ist, eine Metapher für den Übergang zur nächsten Welt. Am deutlichsten zeigt sich dies durch das auf der Spitze des Maqams von ash-Shâfîî in der Kairoer Totenstadt angebrachte Boot. Doch auch die vielen kleinen Modelboote, die oft als Devotionalien (nuzûr) in den Maqams so vieler lokaler Scheichs hinterlegt und ausgestellt werden, legen davon ein lebendiges Zeugnis ab. Nicht zu vergessen sind auch die alten, ungebrochen parallelen Vorstellungen zu Wasser und Wein, denn am westlichen Nil war Wein das Hauptprodukt des Ackerbaus.91 Feiern der Ankunft des Nils sind die eigentlichen Vorläufer der heutigen Heiligenfeste. Das Wasser des Nils galt den Alten nicht nur als heilig, es hatte auch einen weltweiten Ruf als das beste Trinkwasser überhaupt, und noch im 19. Jh. hat man es noch am Hof in Istanbul getrunken, und als einziges Wasser des Sultans benutzt.92 Die Nilflut selbst galt ja als ein Akt der Befruchtung, gleichermaßen die befruchtende Wirkung des Nilwassers symbolisch vorwegnehmend. Die Feste, die den Nil als ewigen Strom des Werdens feiern, tragen zur Übermittlung eines uralten Lebensgefühls bei und verbinden dieses mit den religiösen Anforderungen, bzw. stimmen diese mit den Lebens- und Bildungs-Bedürfnissen der Menschen ab. Wo früher die Götter wirklich lebten und sich in der Natur und in Bildern und Statuen als eine ewige Größe des menschlichen Daseins zeigten, ist nun der Alltag durch den geregelten Gottesdienst dauerhaft und bändigend durchdrungen und scheint vor den zerfließenden Kräften des bloßen Lebens zu schützen. Immer schon galt aber, und jetzt im Islam besonders und in besonderer Form, den Einklang des Lebens mit den Regeln des Gottes herzustellen: Riten, Legenden, lebendige Mythen, Schrift, Gesetz und Predigt sind diese Mittel (vgl. Abb. 6 bis 9).

90 | Schielke, Snacks and Saints. 91 | Montet, Géographie I, S. 67. Montet bezieht sich hier auf den Gau, das »Nomen des Westens«, Imnt, südöstlich des Mareotis Sees. Man darf insgesamt annehmen, dass das Agrarland in griechisch-römischer Zeit nicht weiter westlich als das heutige Damanhûr reichte. 92 | Bonneau, La Crue, zitiert den Orientreisenden Nerval: »la seule qui boive le sultan«, S. 109, Fn. 1.

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6 Darîh in Maqam und Moschee des Sîdî Ibrâhîm al-Disûqî

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Passagen am westlichen Nil

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7-9 Das Fest (mawlid) des Ibrâhîm

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5. Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame Fuwa war im 15. und 16. Jahrhundert eine glanzvolle Stadt, heute sieht man sich in Fuwa an den Rand gedrängt und doch hält man das Bild von einer Art »heiligen Stadt« mit mehr als 365 Moscheen oder auch als besondere Stadt des Handwerks und der Kunst aufrecht. In das Selbstbild eingefügt werden Mythen über eine »Stadt unter der Stadt«, über die sich ein »goldenes islamisches Zeitalter« gelegt habe. Auch die ersten modernen westlichen Reisenden, von Rashid oder von Kairo kommend, priesen Fuwa, und der berühmte Reisende C.S. Sonnini, der Vieles aus Alexandria und Rashid berichtet, ja die Naturwelt des Deltas (und den Charakter der Frauen des Landes) beschreibt, hat in einem Kupferstich eine Ansicht der Moschee und das Grabmal, das Maqam, des bereits mehrfach erwähnten Abû Mandûr von Rashid abgebildet,93 auch erwähnt er Fuwa:

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»Wir kamen bald auf dem westlichen Ufer Rahmanié zu Gesicht, das an der Mündung des Kanales von Damanhur liegt, der bloß zur Zeit des Wachstums des Nils schiffbar ist. Ich blieb einige Stunden zu Fuah. Als der Nil noch mit seinem den Handel und den Überfluß befördernden Wasser die Kanäle anfüllte, als die Fahrzeuge mit den Waren von Europa und Asia beladen noch sicher auf dem Kanal von Alexandrien fahren konnten und weder die Wuth und das Toben des Meeres noch des Boghas zu fürchten brauchten, war Fuah, das diesem Kanal gegenüber liegt, eine beträchtliche blühende Stadt. Die Europäer hatten daselbst ihre Handelshäuser errichtet: als aber durch eine barbarische Sorglosigkeit der Tyrannen Ägyptens eine reiche Quelle von Wohlstand vertrocknete, indem sie in dem Bette der Kanäle den Schlamm, der ihre Beschiffung unmöglich macht, anhäufen ließ, so musste der Handel das Ufer von Fuah verlassen und seine Hülfsquellen und Reichtümer nach Raschid verlegen, wo zahlreiche Gefahren seinen Gang sehr ungewiss machen. Fuah hat daher auch gar sehr von seinem ehemaligen Glanz verlohren. Sein Umfang ist kleiner geworden; der größte Theil seiner alten Gebäude fällt in Trümmern, das Uebrige wird durch das Elend untergraben und verkündigt einen nahen und allgemeinen Verfall. Aber die Natur, die mächtiger und zugleich edelmüthiger ist, breitet noch immer daselbst ihre Reichthümer aus. Die um Fuah herumliegenden Gefilde sind sehr fruchtbar und prangen mit ihrem Reichthum, und die herrlichen Gärten bringen Früchte hervor, die wegen ihrer vorzüglichen Güte allgemein gesucht werden.

93 | Sonnini, Reisen, (am Ende des Teil I), S. 454ff.

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B Von höheren Schülern in Fuwa gemalte Stadtkarte mit Moscheen und heiligen Gräbern

10 Ansicht von Fuwa nach Mayer (Mayer/Milton, Views, S. 45, Tafel gegenüberliegende Seite)

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Ähnlich äußert sich mehr als fünfzig Jahre später der englische Reisende und Orientalist Edward William Lane: »Die Stadt Fuwa, wenn man sie näher betrachtet, hat eine erfreuliche Erscheinung und enthält viele wohl gebaute Häuser und zahlreiche Moscheen mit weißen Minaretten und vielen Gärten in der Umgebung.«96

In der modernen Marginalität Fuwas spiegeln sich die verschiedenen Kontexte, die strategische Anbindung des Ortes, die Handels- und Handwerksspezialisierungen, der Bruch mit der Antike und Kontinuitäten der lokalen Geschichte wider. Südlich von der heute durch einen einzigen islamischen Heiligen viel wichtiger und größer gewordenen Stadt Disuq liegt noch mehr im Abseits die alte Tempelstadt Sais, und fast alles, was in dieser Landschaft an pharonischen Spolien vernutzt und verbaut wurde, scheint von da unten aus dem alten Sais zu kommen. Sais liegt heute etwas abseits vom Nil und ist von dort heute kaum noch sichtbar. Das anliegende Dorf Sa al-Hagar scheint mit der glorreichen Stadt aus dem Altertum, von der wenig geblieben ist, immer noch zu kämpfen. Nach Norden sind Mitubis und Rashid wie das südlich liegende Disuq dynamisch wachsende Kleinstädte. Einst war die ganze Landschaft des Westnils über zeitlich aufeinander folgende Wallfahrten in ein kommunikatives und wirtschaftliches Netzwerk einbezogen. Solche Netze sind heute nur noch schwach erkennbar. Organisation und Verwaltung der Heiligenstätten und Wallfahrten bedingen auch heute noch eigene Formen der Vernetzung. Die Zusammenarbeit staatlicher, religiöser Institutionen, freier lokaler Gruppen und religiöser Bruderschaften blieb bestehen, doch gewinnen rein wirtschaftliche Aspekte auch in Bezug auf die

69 Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame

Mehrere glauben, diese Stadt sey das alte Metelis, das ich bei Raschid gesetzt habe: Fuah würde also Naukratis seyn, das die Milesier erbauet haben und das das Vaterland des berühmten Grammathikers Athenäus ist, der die Bemerkung macht, daß man zu seiner Zeit daselbst irdene Gefäße verfertigte, deren Deckel wie Silber aussah. Ist meine Meinung irrig, so theile ich diesen Irrthum mit dem gelehrten Pococke. Vor Fuah bildet der Nil in seiner Mitte eine Insel, die den Namen Geziret el-Dahab (Goldinsel)94 führt. Wir reisten zu Mittage von hier ab und langten um Mitternacht zu Raschid an.«95

94 | Anm. d. Übers.: Diese Insel hat Fruchtbäume aller Art, auch viel Zucker und Reis, den man für den besten in Ägypten hält, auch andere Hülsenfrüchte und Gartengewächse, die man nach Kairo zu Markte bringt. 95 | Sonnini, Reisen, II, S. 7-8. 96 | Lane, Description, S. 54: »The town of Foo’weh, viewed from a little distance, has a pleasing appearence; containing many well-built houses, and numerous mosques with whitewashed ma’d’nehs, and having several gardens in its vicinity.«

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geographische Lage zunehmend an Bedeutung. In der Marginalität an dem von Schifffahrt verlassenen Nilarm signalisieren Fuwa, und in ganz anderer Weise auch Sa al-Hagar, wenig mehr als alte Fixpunkte in der sich wandelnden Glaubensgeschichte der Ägypter. Die Stadt Fuwa ist heute der Verwaltung des Gouverneurs der Provinz von Kafr el-Scheich unterstellt. Sie sticht von den anderen Nilorten am Westarm südlich von dem bekannteren Rashid (Rosetta) und nördlich von Tanta und Basyun durch ein von vielen Minaretten und Kuppelbauten geprägtes Panorama ab, ja sie verfügt, wenn man hier vom Nil her anlegt sogleich sichtbar, über eine begrünte und gepflegte Uferstraße mit einem eigenartigen historischen Flair. Franzosen und Engländer, wenn sie hier auf dem Weg nach Kairo vorbeischifften, waren gleichermaßen von Fuwa beeindruckt. Es war Anlaufstelle für die den Nil hinunter oder hinauf Reisenden und Gegenstand eindrucksvoller Bilddrucke in der nach-napoleonischen Reise-Ära. So etwa zeichnet Lane ein Bild von »Fooweh«,97 ähnlich, wie zuvor schon der Franzose Jollois in seinem Teil der napoleonischen Description.98 Wir können hier ganz dem Stil der Zeit entsprechend aus Mayers, ebenfalls ein Ägypten-Reisender dieser Zeit eine ähnliche Reproduktion liefern (vgl. Abb. 10). Fuwa hat in all seinen historischen Vierteln die Aura einer alten, im ländlichen Treiben versunkenen Metropole. Es gibt hier so etwas wie eine sich um das Erscheinen des Stadtbildes bemühende Öffentlichkeit. Zumindest in den am Nil gelegenen Vierteln beeindrucken Ruhe und Sauberkeit. Das Straßenbild, beherrscht von Boutiquen und Moscheen, strahlt sowohl Offenheit als auch Zurückhaltung aus, die Menschen verfügen über eine Art Bürgerlichkeit, die man in anderen Städten und Dörfern im Delta vermisst. Während man in Tanta, Disuq, in Rashid, und vor allem in Damanhur vom bekannten Massentreiben in der Enge ägyptischer Provinzstädte überwältigt wird, sieht man hier Verantwortung des Einzelnen am Werk, Kinder werden im öffentlichen Raum zurecht gewiesen, Straßen gekehrt, der Fremde wird nicht angepöbelt. Dass man sich untereinander kennt, und doch individuell handelt, die Dichte ägyptischer Stadtgemeinschaft hier öffentlich gestaltend zu wirken scheint, während man z.B. in Damanhur oder in Disuq, ja selbst im kleinen nördlich liegenden Mitubis den Eindruck hat, Masse und Hektik wirkten nicht erst seit dem aus Indien eingeführten tuktuk (dreirädrige Kleintaxis) destruktiv. Zwei Faktoren scheinen zu dieser, auf den ersten Blick auffallenden Besonderheit Fuwas beigetragen zu haben: Erstens ist das lokale Bürgertum stark in der Region aber auch nach Alexandria und Kairo hin vernetzt, zieht also Wohlstand nicht vor allem aus der Stadt selbst. Ohne den Ort selbst aufzugeben, bleiben die meisten der in den anderen Städten Tätigen mit

97 | Lane, Description, Fig. 11, S. 194ff. 98 | Anderson/Fawzy, Egypt in 1800, Plate 114, S. 130.

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71 Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame

Stolz weiterhin zumindest zeitweise in Fuwa wohnen. Zweitens ist die Vorstellung von einer islamischen Stadt, die ihren Höhepunkt in der Zeit der Mamelucken und Osmanen hatte, und zugleich nach immer noch vorherrschender lokaler Ansicht auf den Ruinen der Hauptstadt des 7., des westlichen pharaonischen Gaues gebaut ist, so lebendig gehalten99, dass man sich der Pflege dessen, was davon übrig ist, sehr engagiert verschreibt. Es gab in Fuwa keine Grabungskampagnen von westlichen Archäologen, wie überhaupt Fuwa in der Welt draußen wenig Beachtung findet, in Kairo kennt man auch unter Gebildeten nicht seinen Namen, weiß nicht, wo es liegt. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden viele der alten Moscheen, der Madrassen und Qubbas einer gezielten Renovierung unterzogen. Das ist allerdings insofern keine Besonderheit, als es damals im allgemeinen religiösen Aufbruch überall Geld für Moscheen gab. Der südöstlich unweit der Stadt angesiedelte Kûm al-Akhmar, eine einsame ins Grün stechende Ruinenstadt in rotbrauner Masse, hat nur kurze und wenig erfolgreiche Kampagnen ägyptischer Archäologen gesehen und liegt sonst so brach und roh, als wäre er immer unangetastet geblieben. Doch auch Fuwa selbst verfügt über eine Ruinenstadt, die Bürger reden davon, als läge da eine »Stadt unter der Stadt« (balad taht al-balad). Die Thesen des französischen Ägyptologen Bernand, der Fuwa als Ort der Gaustadt »Métélis« ausschloss und es nach Nordwesten in das Dreieck zwischen Alexandria, Idku und das heute el-Rahmaniyya einverleibte Atf, eventuell Abu Hummus, lokalisieren möchte, haben dem lokalen Mythos kein Ende bereitet, umso mehr, als Bernand keine genaueren Aussagen über die wirkliche Lage von Metelis treffen konnte.100 Auch nimmt das 1989 erstmals veröffentlichte lokale Buch zur Stadtgeschichte von Khalid M. Azab keine Notiz von der Arbeit des Ägyptologen Bernand. Azab sieht in Fuwa noch die Nachfolge-Stadt des sagenumwobenen Metelis. Unter den Bürgern ist heute allerdings bekannt, dass es Zweifel gibt, und ein Teil der Gesprächspartner will die Stadt kaum noch über das Mittelalter hinaus zurückverfolgen. So bringt die Vorstellung über den ungewissen pharaonischen Ort unter der Erde auch Verunsicherung mit sich. In der Altstadt über dem Nil aber wird nicht bezweifelt, dass hier eine Stadt aus der Antike unter der Erde liegt, und allenthalben wird von geheimen Funden beim Bau von Fundamenten berichtet. Doch ein Weiteres hält die Antike

99 | 1989 erschien eine kleine Dokumentation über die Madrassen, Moscheen und Bürgerhäuser Fuwas, die noch heute wiedergedruckt wird und auf den Bücherregalen von Scheichs und Bürgern der Stadt gehalten wird. Unter Bezug auf klassische und moderne arabische Autoren wird hier diese Vorstellung der mit der Zeit versunkenen Kapitale in einer sehr offenen Form entwickelt. Vgl.: Fuwa abr al-usûr (Fuwa über die Zeiten hinweg), und darin besonders Madîna Fuwa al-nashâ‘ wal-tatawur (Die Stadt Fuwa – Ursprung und Entwicklung), Azab, Fuwa, S. 11-18. 100 | Bernand, Métélis.

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unter der Erde zumindest in Stücken wach, wenn über die Stadtgeschichte geredet wird. Mittels Legenden und Geschichten wird am Bild der großen Vergangenheit der Stadt gearbeitet. Das schafft eine stabile, offene Kulturatmosphäre (nur manchmal durch Eifer unterbrochen), und man ist beständig bereit sich für Touristen zu rüsten, wenn es auch noch keine Hotels gibt101 und die Touristen weitgehend ausgeblieben sind. So müssen die Produkte des lokalen Kunsthandwerks (Teppiche, Kupfertöpfe, Möbelstücke) nach Scharm al-Scheich, Alexandria und Kairo zum Verkauf gebracht werden, in Fuwa gibt es keinen Markt für sie. Auch die neuere Geschichte der Stadt lässt uns mit offenen Fragen zurück. Es besteht kein Zweifel, dass Fuwa in koptischer Zeit eine Diozöse102 und schon im 9. Jahrhundert eine der größten Städte Ägyptens war, wenn nicht überhaupt die zweitgrößte Stadt und der einzige große und wichtige Hafen zum Mittelmeer in dieser Zeit. Rashid war damals nur ein kleiner Militärstützpunkt der murâbitûn, der Grenzschützer.103 Wie die Stadt mit dem damals nur militärisch wichtigen Rashid verbunden war, ist unklar. Wichtig ist, dass das Schicksal beider Städte stark von den oben beschriebenen Wandlungen des Nils und seines Zugangs zum Mittelmeer abhingen. Schon die Ptolemäer kannten den Ort, an dem das heutige Rashid liegt, sie sprachen von der »Bolbotine-Mündung« oder vom bolbotinischen Nil-Arm104, aber im Mittelalter war Rashid vor allem ein Wachposten am Mittelmeer. In den Köpfen der heutigen »Alten« von Fuwa spukt der Gedanke, dass Fuwa einmal selbst am eigentlichen Mittelmeer gelegen habe, und dass der heute nach Norden anschließende Teil des Deltas erst durch zunehmendes Schwemmland entstanden sei und sich so der »Hafen« (mînâ) schrittweise nach Norden verlegt habe, zuerst nach Mitubis, dann nach Biranmal, dann nach Rashid. Solche Einsichten der oralen Überlieferung am Ort werden durch den Bericht eines Teilnehmers des napoleonischen Expeditionscorps, Jean-Baptiste Jollois (1776-1842), in der Description de l’Égypte bestätigt. Ein Hinweis findet sich auch in einem späteren Dokumentationsband der Description, wonach Fuwa durchaus als Vorläufer von Rashid (Rosetta) eingestuft wurde. Danach soll aber Rosetta schon im 9. Jahrhundert an seine Stelle getreten sein. Vernehmlich die Schlammablagerungen des Nil und die durch sie verursachte Ver-

101 | Von einem Hotel-Projekt auf der Nilinsel Gezira al-Dhahab werden im Jahr 2007 erste Gerüchte im Kreis meiner Bekannten ausgetauscht. 102 | Daressy, Les grandes villes, S. 199: »Dantua a cessè d’être habitué; mais le nom est resté attaché à la butte Kûm Dantuwa, qui se dresse entre Dessouq et Damrou. C’est bien l’emplacement qui convient pour la ville Buto, puisque Ptolémée la mettai au sud-ouest de Pachnamunis, tout près et au nord de Cabasa, tandis qu’au moyen âge Dantoua faIsait partie du diocèse de Fouah.« 103 | EI/1, Bd. III, S. 1258. 104 | Bernand, Métélis, S. 120.

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73 Fuwa – Stadt der Moscheen und Maqame

sandung habe die Nordwanderung des Hafens in die Nähe der Mündung des Westarms in das Mittelmeer notwendig gemacht, und Fuwa galt so im Jahre 1798 als die Franzosen hier passierten als wenig mehr, denn als eine kleine Marktstadt, die sich, wie ganz offen bemerkt wird, allerdings durch die Vielfalt und Eleganz ihrer Moschen auszeichnete.105 Vor Ort aber spricht man von einem späteren Zurückgang der Bedeutung Fuwas. Diese These wird von arabischen Historikern gespeist, und könnte doch derjenigen von Jollois entsprechen, wenn man von einer zweiten Welle des Niedergangs spricht. Dann verdankte Fuwa seinen Niedergang der Verlagerung der Schifffahrt am Nil und der sich wandelnden Verbindung nach Alexandria, markiert durch einen im 15. Jh. erfolgten zweiten Niedergang der Stadt, weil seefahrende Schiffe nicht mehr nach Fuwa gekommen seien.106 Im 18. Jh. sei dann durch den Aufstieg Alexandrias und seines neuerlichen Anschlusses an das Nil-System ein weiterer Niedergang, diesmal der Niedergang beider Städte, Rashid und Fuwa, zu verzeichnen. Seit dem Bau der »Barrage« bei Mitubis und Idfina, 1948, ist denn auch die Schifffahrt auf dem oberen westlichen Nil für fast alle Schiffe zum erliegen gekommen. Danach fuhren auf diesem Arm neben den kleinen Markabs der Fischer fast nur noch Segelboote (falûkas). Wie immer die einzelnen Faktoren historisch zu gewichten sind, es ist deutlich der Niedergang der Nilschifffahrt, der in etwa auch das Ende der Handelsstadt Fuwa besiegelte. Weil es keine anderen Alternativen gab, hat man sich in Fuwa auf das alte Handwerk besonnen, sich auf Kupferarbeiten, insbesondere auf das Fertigen von Kupfertöpfen – zu jeder Ausstattung (afsh) der Fellachen-Braut damals noch gehörig (sanaât al-nahâs) konzentriert. Aber auch die Zeit des Kupfers ging, mit dem durch die Revolution Nassers besiegelten Untergang des alten Feudal-Regimes, zu Ende. Die Bauern konnten sich jetzt nur noch die einfachen Aluminium-Töpfe leisten, die man dann vor allem in Kairo produziert hat.107 In Fuwa wollte man solche Massenware aber nicht fertigen. Man verlegte sich auf das Teppich-Knüpfen an alten Webstühlen, das Fertigen von Wolle auch aus alten Stoffresten (ghazn as-sûf) und auf die Möbelschreinerei (sanaât al-mûbîlyâ). Das sind heute noch die vorwiegenden Handwerke der Stadt. In dieser relativen Abgeschiedenheit von Basarökonomie und Landwirtschaft rühmt man sich heute in traditionsreich mythenumwobener Sicht seiner 365 (oder auch 375, je nach Gutdünken) Moscheen und Heiligengräber. Viele der Moscheen, von denen die meisten zugleich Heiligengräber bergen, wurden in den 1990er Jahren renoviert. Die Stadtgeschichte von

105 | Anderson/Fawzy, Egypt in 1800, S. 130. 106 | Vgl Azab, Fuwa, S. 18 107 | Vgl. hierzu Semsek/Stauth, Gamaliyya; Stauth, Gamaliyya; s.a. Stauth/Otto, Méditerranée, S. 151-160.

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Azab108 hebt die Besonderheiten dieser zu seiner Zeit noch unberührten Baudenkmäler hervor, die Höhe der Minarette, die Qualität und Höhe der angelegten Fenster, die Verarbeitung der Holzträger mit antiken Säulen, die originellen Farbgestaltungen (letztere kann man heute, evtl. mit Ausnahme der Kûrâniyya-Moschee, kaum noch nachvollziehen).109 Aber nichts erinnert daran, dass hier mit der Pracht religiöser Bauten auch wirtschaftliche Kraft angeregt werden konnte. In Disuq, in Tanta, in Shuhada dagegen, wurden in den 1990er Jahren die Moscheen und Maqams der Heiligen erweitert und prächtig erneuert. Die Heiligen konnten hier eine Massenwirkung entfalten, die weit über das Mawlid im Herbst jedes Jahres hinaus wirkt, ja auch wirtschaftlichen Aufschwung mit sich brachte. Strahlend wie die Macht ihrer Heiligen, Sayyid Ibrâhîm, Sayyid al-Badawî, Sîdî Shibl, wurden dort die Grabstätten und Moscheen renoviert, die Mawlids immer größer, die Einzelbesuche (ziyâra), und plötzlich auch die religiösen Hochzeitsfeiern immer häufiger. Die Heiligen regten das Wirtschaftsleben an und so wuchsen auch die Einwohnerzahl der Städte und ihre wirtschaftliche Bedeutung.110 Vergleichbares geschah in Fuwa nicht. Man rühmt sich hier, dass man in den Wirren der 1990er Jahre Ruhe und Ordnung bewahrt habe und bis heute einer ruhigen traditionellen islamischen Ordnung folge.111 Von der heutigen Vorstellung von islamischer Ordnung – im Gegensatz zu den vielen anderen großen und kleinen Provinzstädten, die wir gesehen haben – kann trotz aller Skepsis gegenüber der rein religiösen Begründung noch viel Lobendes gesagt werden: Der Ort hat eine innere Ausstrahlung der Ruhe und der Sauberkeit, wie man sie heute kaum noch in Ägypten antreffen kann, auch im schön gelegenen historischen Rashid nicht, wo man die Stadt wegen des in der Altstadt liegenden Marktes (auch des Fischmarktes) nicht sauber halten kann. Es ist überhaupt diese Aura des Ortes, die mich schon bei meinem ersten Besuch in Fuwa in ihren Bann gezogen hat. Fuwa, das ca. 45 km südlich von Rashid (Rosetta) liegt, wies nach Habachi »viele Blöcke in Häuser und Moscheen verbaut« auf. Auch Habachi deutet die verlorene Vorstellung von Fuwa an. Zeitweise, so Habachi, wurde sie mit Metelis, der Hauptstadt des 7. u. 8. Gaues identifiziert, doch wird

108 | Azab ist hier völlig von der ebenso verschwommenen Kurzbeschreibung von Saad Mâhir Muhammad, Masâjid Misr, IV, S. 144-145, abhängig, die er fast wörtlich abschreibt. 109 | Azab, Fuwa, S. 21-35. 110 | Vgl. Schielke, Snacks and Saints. S.a. Mayeur-Jaouen, Histoire d’un pèlerinage. 111 | Das widerspricht dem Bild das uns Lane vom Fuwa der Mitte des 19. Jh. zeichnet: »In Foo’weh there is a quarter exclusively inhabited by courtesans; many of whom are constantly seen lounging upon the bank of the river or sitting under the booz’zeh-sheds.« (Bûza ist ein verdünnter aus verkochtem Roggenbrot hergestellter Schnaps, und davon wollen heutigen Bürger natürlich nichts mehr wissen. Fuwa ist heute in diesem Sinne eine absolut »trockene« Stadt). Vgl. Lane, Description, S. 55.

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»Fuwa als ›Stadt‹ scheint in pharaonischer Zeit keine Bedeutung gehabt zu haben, war aber im 15. Jh. n. Chr. eine bedeutende arabische Stadt; ein Block von Necho II. ist in die Eingangsplattform von der Moschee von Abu el-Makarem112 verbaut, auch diese Blöcke könnten aus Sais stammen.«113

Fuwa gibt uns ein eigenartiges Beispiel zum Verständnis der sonderbaren Form, wie die Mamelucken und Osmanen im Ägypten des ausgehenden Mittelalters und der ansetzenden Neuzeit Zeugnisse pharaonischer Kultur in ihre Moscheen und Heiligengräber einbauten, ohne Not, und eher wohl aus Stolz auf das fremdartig Schöne und als wundersame Bereicherung aus der Vorgeschichte des Islams. Zur gleichen Zeit als die Muslime im späten Mittelalter ehrerbietig ihre Gebete im Schatten der Pyramiden vollzogen, wurden hier in Fuwa etwa im 15. Jh., offenbar auch noch später, ganz unvoreingenommen Bildsteine des Altertums in Moscheen, Madrassen und Grabstätten der Mameluckenemire gesetzt. Es gab aber auch hier offenbar, wie an anderer Stelle besser belegt, Maßnahmen, das »Erbe des Pharaos« zu tabuisieren, zu geheimen unterirdischen Zeugnissen zurückzulagern oder zu unterdrücken.114 Das dialogische Zusammentreffen des Islams mit dem pharaonischen Ägypten, ich habe darauf oben bereits hingewiesen,115 ist komplex, in der konkreten Erscheinung offenbar viel komplexer als im schriftlichen oder literarischen Zeugnis. Ein Rundgang in den Moscheen und Maqamen von Fuwa lehrt schnell, dass es bewundernde Haltungen im Umgang mit pharaonischen und antiken Relikten gab, und dass die einfache Anwendung von Glaubensvorschriften und islamisches Gesetz demgegenüber gar nicht griffen. Offenbar hängt in

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Metelis jetzt in der Nähe von al-Mahmudiyya (vielleicht der nahegelegene Kûm el-Medineh) angesiedelt. Habachi verfolgt daher die These, die pharaonischen Relikte in Fuwa stammten alle aus Sais:

112 | Dort ist dieses Stück heute nicht auffindbar. Es könnte sich aber auch um eine Verwechslung mit der Nasrallah-Moschee, wo es einen Schwellenblock, der auf Necho II. zurückgeht, gibt. Es könnte also sein, dass gerade bei den Renovierungen und Umbauten jener Block den Habachi an der al-Qinâ‘i Moschee verortet, hier neu verbaut wurde. Vgl. auch im Teil II von Silvia Prell, S. 193-212 sowie Abb. 69 und 70. 113 | Habachi, Sais, 394f. 114 | Von eigenartigem Charakter ist dabei das esoterische, geheimnisvolle, unterirdische Postionionieren einer großen Tempelschwelle mit pharaonischen Opferlisten gradlinig unter dem Minarett im Fundament der aus gleicher Zeit stammenden Haupt-Moschee in Dairut, einem Nachbarort von Fuwa am westlichen Nilufer. Dies ist nur mit der Vorstellung erklärbar, dass der ausführende Architekt in einem »geheimen« symbolischen Akt, seine Baukunst auf die stützende Kraft der Alten zurückführen wollte. Vgl. auch S. 84-86. 115 | Vgl. oben Kap. 3, S. 43-52.

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der Tat die Form des Zusammenspiels zwischen alter Kultur und modernem Islam von lokalen Bedingungen ab, insbesondere auch davon, wie kulturspezifisch Geschichte an einem bestimmten Ort gewirkt hat. Die großen Moscheen und Maqame am Nilufer in Fuwa, eine Stadt, die im ausgehenden Mittelalter für Handwerk und Handel bis nach Istanbul hin bekannt war, wurden erst in der späten Mamelucken- und frühen OsmanenZeit gebaut, etwa zwischen dem 14. und 17. Jh. Sie wurden aber offenbar im 18. und 19. Jahrhundert in ihrer heutigen Gestalt erneuert, in den 1990er Jahren wurden sie von Grund auf renoviert. Bei der Renovierung wurden in höchst sorgfältiger und zugleich versöhnlicher Weise die Säulen und Schwellen aus Assuan-Granit freigelegt (oder auch ausgebaut und wieder eingebaut), auch solche, die noch Reliefs und hieroglyphische Inschriften trugen. Haarmanns und Garcins Untersuchungen,116 legen ein spezifisches Interesse der Mamelucken gegenüber pharaonischer Kultur nahe. Man könnte fragen, ob der stolze Einbau pharaonischer und griechisch-römischer Blöcke sowie Säulen in die Moscheen und Heiligengräber damals im Delta eine Folge dieses Interesses gewesen ist, gewissermaßen eine modische Erscheinung im Geist der Zeit. Eine umfassende Studie über die in Moscheen verbauten und heute noch vorhandenen Bildsteine aus pharaonischer oder überhaupt antiker Zeit gibt es nicht. Umso mehr, so hoffe ich, ist dies ein Anfang, wenn er auch noch ganz von dem Interesse geleitet ist, aktuelle Typen des spezifischen islamischen Umgangs mit pharaonischen Spolien als moderne Form des Kulturkontakts zu dokumentieren. Der allgemein vorherrschenden Abneigung der europäischen Ägyptologen solches Material systematisch zu erfassen, ist Silvia Prell mit dem angefügten Beitrag entgegengetreten.117 Ich nehme im Weiteren auf das von ihr beschriebene Material Bezug. Vorweg liefere ich eine Aufzählung der wichtigsten Nil-Moscheen und Maqame in Fuwa, die antikes Material beherbergen118:

116 | Vgl. loc. cit. 117 | Das allgemeine Desinteresse wurde nur durch eine Studie des Ägyptologen Habachi über die »Steine« von Sais durchbrochen. Habachi suchte von Dibi über Fuwa bis Basyun auch die Moscheen nach Bildsteinen ab, Nahariyya und Sanhur z.B. waren aber kaum Gegenstand seiner, aus heutiger Sicht doch er oberflächlich erscheinenden Suche. Vgl. Habachi, Sais. 118 | In ägyptologischer Sicht liefert Silvia Prell einen informativen Überblick über die in den Moscheen und Maqamen gefundenen Stücke aus pharaonischer und griechisch-römischer Zeit, die einen spannenden Hintergrund für die legendären Zugänge aus heutiger Zeit liefern, insbesondere auch, weil sie die Annahme bestätigen, die hier eingebauten Blöcke seien eher von Sais hierhergebracht, als lokal vorgefunden worden. Vgl. auch S. 193-212 im Teil II von Frau Prell.

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In allen vier Moscheen ist der weite Gebetsraum mit alten Säulen aus Assuan-Granit oder mit weißen griechisch-römischen Marmorsäulen abgestützt. Es handelt sich dabei nicht nur um unmittelbar am Nil liegende Moscheen. Die kleine al-Kûrâniyya-Moschee liegt im alten Marktzentrum (sûq al-kabîr). Anders als bei den großen Moscheen am Nil, sind hier (wie auch bei anderen Moscheen dieses Viertels) die Granit-Säulen noch nicht freigelegt. Sie tragen hier noch den Putz, der ihnen etwa in den 1930er Jahren bei ersten »modernen« Renovierungen aufgelegt wurde.122 In der Verwendung solcher Säulen liegt nicht etwa eine Besonderheit von Fuwa, denn in fast allen größeren Moscheen des Deltas aber auch in Kairo und Alexandria befinden sich solche Säulen, wenn sie nicht eben, wie oft genug geschehen, unter den Augen von selbsternannten islamischen Authentizitätshütern verbannt oder überputzt wurden. Aber Fuwa und Rashid kann man als Orte des Westdeltas nennen, an denen der Erhalt und die Restaurierung solcher Säulen zumindest in einem Teil der Moscheen gelungen sind. In Dairut, nordwestlich auf der Fuwa gegenüberliegenden Seite des Nils gelegen und deshalb einer anderen Provinzverwaltung, der von Bahaiyra, unterstellt, konnten wir in der Hauptmoschee eine sehr schöne Tempel-

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1) Die Nasrallah-Moschee und Madrasa (17. Jh.) mit einer Granitschwelle mit hieroglyphischer Inschrift, die auf Necho II., einen saitischen König der 24. Dynastie verweist.119 2) Die al-Qinâ‘î-Moschee (18. Jh.)120, am Nil gelegen, mit einem Relief auf einer der alten Säulen, die in Teilen die Szene einer Prozession wiedergibt, bildlich werden abwechselnd ein Nilgott und eine Gau-Göttin dargestellt. 3) Die Abû al-Makârim-Moschee (19. Jh.) mit einer symbolischen Darstellung aus griechisch-römischer Zeit an einer der Hauptsäulen.121 4) Die al-Kûrâniyya Moschee (18. Jh.) mit einem großen, im Waschraum (mîdâ) freiliegenden Granitblock, auf dem eine Fruchtbarkeitsgötterprozession abgebildet ist, und der früher als sibîl waqf, (gestiftete Wasserstelle) benutzt wurde.

119 | Vgl. im Beitrag von Silvia Prell, S. 194f. und Abb. 69 und 70. 120 | Der Lokalhistoriker von Fuwa, Khalid Muhammad Azab gibt konkrete Daten für Bau und Fertigstellung dieser Moscheen an, die sich nur auf ihre Neubauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert beziehen. Die Vorläufer-Bauten bezieht er nicht oder nur unsystematisch, wie im Falle der Abû-Nagâ-Moschee, mit ein. Vgl. Azab, Fuwa, S. 57. 121 | Zu den an diesen Orten angetroffenen pharaonischen Bildsteinen siehe den Beitrag von Silvia Prell. 122 | Man darf hier auf die Ergebnisse der bereits konkret geplanten Renovierungen durch die Altertümerverwaltung gespannt sein.

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schwelle finden, die senkrecht in das Fundament des Minaretts der Moschee verbaut wurde. Glücklicherweise ist der große Stein über ein kleines Loch im Boden neben minbar (»Kanzel«) und einem davor angelegten kleinen Kellerraum noch zugänglich.123 An den genannten Beispielen lassen sich eine Reihe von Charakteristika hervorheben, welche die Art, in der in Fuwa mit den in die Moscheen eingebauten Zeugnissen aus pharaonischer und überhaupt vorislamischer Zeit umgegangen wird, beschreiben. Dairut ist dabei sicher ein besonders delikater Fall. In einem Kellerloch wird der Zugang auch nach der z.Zt. laufenden Renovierung der Moschee ermöglicht. Sonst aber ist der Block nichts anderes als ein unter der Erde gehütetes Geheimnis.124 Bei den Einbauten handelte sich um – in unterschiedlichen Graden und Zeiten öffentliche oder öffentlich gemachte – symbolische Kultanschlüsse, die wir heute in pharaonischen Türschwellen, antiken Säulen in Moscheen und Maqamen identifizieren können, aber auch alte verehrte Bäume in Moscheegärten und neben Maqamen, und in der Nähe aufgebaute Qubbas kleiner Scheichs spielen eine Rolle. Das Beispiel Fuwa zeigt zunächst, dass selbst in der Zeit der islamistischen Bewegung, alle Hauptmoscheen wurden in der Zeit von 1992 bis 1999 renoviert, das Wieder-Einbauen und Einordnen von pharaonischen oder antiken Bildsteinen im Verlauf der Renovierung möglich war. Auseinandersetzungen, wenn sie auftraten, blieben Einzelakte, es handelte sich nicht um Zerstörungswut oder systematischen Widerstand gegen Volkstraditionen. Es ist dabei immer auch eine Frage des Ortes: Die kleinen Moscheen im alten Marktzentrum sind stärker in den religiösen und materiellen Rhythmus des Alltagslebens eingebunden, während die großen alten Moscheen am Nil Repräsentationscharakter haben, und dem Zeit-Geschmack von Staat und Verwaltung Rechnung tragen. An den Bauten gab es Versuche, einzelne alte Stücke zu entwenden und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Offen herumliegende Stücke wie die an der al-Qinâwî-Moschee, von denen Habachi berichtet, waren offenbar – so wurde von Anwohnern berichtet – noch bis 1985 vorhanden, wurden dann aber von staatlichen Behörden abtransportiert. Historisch muss man die These der Orientalisten widerlegen, dass die Säulen ursprünglich allein aus Not und Mangel an lokal vorfindbarem Baumaterial benutzt wurden. Sicher kann man keine allgemeinen Orientierungs-Linien erkennen, nach denen die Relikte positioniert wurden. Die alten Granit-Säulen sind wohl am häufigsten, aber sie wären, wenn es um

123 | S. auch oben S. 75, Anm. 114. Vgl. auch Teil II, Abb. 76 und 77. 124 | Diese hat durchaus Parallelen zu den Berichten über die heute unzugänglichen pharaonischen »Untergründe« an der Nasrallah-Moschee in Fuwa. Ich komme weiter unten darauf zurück.

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rigide Verbannung der Vergangenheit gegangen wäre, durch den allseits beliebten Beton, durch Holzbalken oder durch Rundmauern mit gebrannten Ziegeln zu ersetzen gewesen. Denn gerade in den Beschreibungen des arabischen Baugeschichtlers Azab wird deutlich, mit welch großer Anstrengung und Qualität sonst diese Materialen verbaut wurden.125 Verwendung aus der Not heraus ließe sich nicht erklären, denn bei der sonst auf Stileinheit und Großzügigkeit gegründeten Architektur, ist nicht zu erkennen, dass die Säulen nur für das Füllen von Lücken platziert wurden oder überhaupt aus Knappheit von gängigem Baumaterial verwendet wurden. Man kann also auch nicht annehmen, dass sie gar einfach als insgesamt billigeres Baumaterial betrachtet wurden.126 Schwellen und Säulen sind an repräsentativen Orten angebracht. Man hat den Eindruck, dass es sich um Ornamentierung handelt und dabei um den Versuch, an eine in der ägyptischen Antike verankerte Aura anzuknüpfen.127 Die die Moscheen durchwaltende Form der ästhetischen Gestaltung ist von den Granit- und Marmorsäulen nicht einfach nur beherrscht, die über sie aufgetragenen Holzträger sind entsprechend abgestimmt verarbeitet. Die erhaltene altertümliche Geschichtlichkeit der Stücke zeugt eher von feiner, durchaus von kulturellem Stolz getragener Verarbeitung. Es scheint, dass dies durchaus eine islamischen Form belegt – wenn nicht systematisierend und durchgängig, so doch unmittelbar und am Einzelstück arbeitend – wie sehr die Pflege einzelner pharaonischer Artefakte in der Mameluckenzeit, offenbar bei Arbeiten in späterer Zeit fortgeführt, nun in den Kontext eines ägyptisch islamischen Selbstverständnisses eingetaucht war. Vielleicht kann man darin Parallelen zur besonderen Beachtung bzw. wissenschaftlichen Bearbeitung entdecken, welche den Pharaonen und ihren Bauten insgesamt in der historischen und geographischen Literatur der Mameluckenzeit beigemessen wurde. Offenbar wurde dieser Habitus in der osmanischen Zeit bis in die frühe Moderne hinein fortgeführt. Dies scheint sich in der Form des ästhetischen Umgangs mit dem aus alter Zeit heraufgekommenen Material abzuzeichnen und in den geschliffenen Säulen und Bildsteinen auch zu bewahrheiten. Es ist daran zu erinnern, dass die letzte Renovierung der Stätten in der Hitzezeit des fundamentalistischen Aufbegehrens und der kultur-sozialen

125 | Azab, Fuwa, S. 21ff. 126 | Vgl. Haarmann, Islam and Ancient Egypt, S. 193. 127 | Vgl. Haarmann, Regional Sentiment, S. 10: »In 750/1350 the monolithic so-called ›green chapel‹ of Memphis was destroyed. Its Soils were re-used as thresholds in amîr Shaykhû’s khânaqâh in Cairo, as a symbol of the victory of Islam over the old pagan spirits, yet obviously also as an invocation of their help for the new, Islamic sanctuary. The attitude of contemporary chronicles toward these zealous activities is ambiguous. They dare not flatly deny the continuing power of the old idols. Rather, they report triumphantly and with obvious relief that no visible damage ensued after the destruction, and that the evil eye lost its power.«

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Bewegung stattfand, etwa von 1992-1998. Sie unterstand der ganz fachlichweltlich ausgerichteten Denkmäler-Verwaltung (im lokalen Sprachgebrauch verkürzt: al-Athâr, Denkmäler, genannt).128 Es gibt auch eine eigens den religiösen Denkmälern gewidmete Verwaltung, deren lokales Büro dem Ministerium für religiöse Stiftungen (awqâf) und der al-Azhar-Universität mit ihren vielen lokalen Verwaltungszweigen untersteht. Die Freilegung der Säulen scheint auf die Initiative der ersteren zurückzugehen, während sich die zweite offensichtlich den lebendigen Zeugnissen mit den entsprechenden Problemen widmet. So sehr hier widersprüchliche Vorstellungen – ganz offensichtlich auch architektonischer Art – auftreten, so deutlich hat man sich doch auch hinsichtlich der entscheidenden Fragen wieder arrangiert: Die pharaonischen Säulen und Blöcke werden erhalten, wiedereingebaut und gepflegt, die Heiligengräber, soweit sie nicht in alten Moscheen fest verankert sind, werden offenbar wie am Beispiel des Abû Nagâ sichtbar aus dem Moscheebau selbst ausgegliedert. Ich komme weiter unten auf diese Problematik noch im Detail zu sprechen. Wichtig ist, es gab hier keinen lokalen Widerstand, die vom Putz befreiten Säulen wieder in den Moscheeraum einzubauen. Wie gesagt, die populären Moscheen, die al-Kûrâniyya-Moschee und die Abû-Îsa-Moschee, nicht am Nil, sondern im alten heruntergekommenen Markt-Viertel (al-sûq al-kabîr) liegend, blieben bisher von der Renovierung verschont, es ist geplant diese in den nächsten Jahren vorzunehmen. Ich komme weiter unten auf beide Moscheen zurück. Bezeichnend für die Probleme, die sich mit dem Umbau und der Renovierung in dieser Zeit ergaben, sind zwei Vorfälle, über die ich zunächst berichten will. Sie sind heute nur noch über Legenden-bildende Geschichten der Bewohner vor Ort nachzuvollziehen. In der Umbauphase entzündeten sich offenbar heftige Konflikte an zwei Orten: an der Nasrallah-Moschee und an der in ihrer Nachbarschaft liegenden Qubba des Dabâb.129 Die Nasrallah-Moschee liegt an einer Stelle der Stadt, der gegenüber sich früher der Hafen oder zumindest die Hauptanlegestelle befunden hat und im 19. Jahrhundert lagen dort noch in den Nil hineintauchend einzelne Granitsäulen. In den 1960er und 1970 Jahren wurden dort, ein städtischer Jugendclub und ein Wohnhaus angelegt, der alte Hafen verschwand, die Anlegestelle wurde vor die Moschee des Abû al-Makârim verlegt (vgl. Abb. 11 bis 14).

128 | In den hier mit den Beamten geführten Gesprächen wird deutlich, dass eine neue Welle der Renovierungen bevorsteht. Insbesondere sind Renovierungen an der al-Kûrâniyya- und der Abû-Îsâ-Moschee im alten Marktviertel geplant. 129 | Vielleicht auch an der Abû-Nagâ-Moschee über die Frage der Auslagerung und des Neubaus des Maqams, aber darüber wollte ja offen niemand sprechen. Vgl. unten S. 101.

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11 Begleittext zu den Kupferstichen nach Mayer (Mayer/Milton, Views, S. 45)

12 Vor der Nasrallah-Moschee am Nil nach Mayer (Ausschnitt aus Abb. 10)

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13 Nasrallah-Moschee heute: Ansicht vom Nil

14 Nasrallah-Moschee: Schwelle zum Haupteingang

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Al-Amîr Hasan b. Nasrallah wurde 766 H./1364 in Fuwa als Sohn armer Eltern geboren und starb nach einem wechselreichen Leben, das ihn nach der Erziehung an der al-Azhar-Universität in Kairo zu großen Militär- und Ministerialposten (und entsprechendem Reichtum und Grundbesitz in Fuwa) führte, 809 H./1408 in Kairo. Die ursprüngliche Moschee wurde wohl noch zu Lebzeiten Nasrallahs als ein Devotionsakt an seine Heimatstadt begonnen, dann immer weiter ausgebaut und von vielen Mamelucken Sultanen mit Stiftungsland zum Erhalt und zur Erneuerung (waqf) versehen.130 Der Bau wurde in seiner heutigen Form im Jahr 1119 H./1707 fertig gestellt.131 Am Haupteingang befindet sich der von Azab nicht erwähnte Block von Necho II. als Schwelle. Das Minarett ist schon in der Zeichnung von Lane deutlich zu erkennen.132 Auf der Erinnerungstafel zur Einweihung nach der Renovierung wird Nasrallah al-Amîr genannt. Es soll – so wurde uns 2004 erzählt – von hier einen sirdâb, Kellergang, unter dem Nil her zur jazîra, der Nilinsel, führen. Neben dem minbar, Kanzel, ist eine große wertvolle venezianische Uhr aus dem 18. Jh. in die Wand eingebaut. Die Moschee wurde 1997/1418 H. erneuert. Vor der Moschee lag der alte Hafen, der aber jetzt zugebaut wurde mit einem staatlichen Jugendclub. Von einer erhobenen Seitennische, die wie eine Art Fenstergalerie, mit großen Arabesken verschlagen, angelegt ist, hat man einen wunderbaren Blick auf den Nil. Licht dringt auf eigene bezaubernde Art von allen Seiten in diese Moschee, besonders hell ist es in dieser Nische, die, über den Nil blickend, morgens von Osten und Süden her direkten Sonneneinfall hat. Bei den Renovierungsarbeiten wurde im linken Teil unter der Nasrallah-Moschee ein Tunnelgang gefunden. Es wurde zur Bezeichnung immer wieder das Wort sirdâb, Kellergewölbe, oder -höhle gebraucht. Er verlaufe unter der Moschee direkt hinunter zum Nil, dies berichteten mehrere Leuten am Ort und im Viertel, am ausführlichsten und deutlichsten aber der Wärter der Moschee (al-hâris). Der Tunnel sei mit von Hieroglyphen beschrifteten Granitsteinen ausgelegt gewesen (andere wiederum meinten, sicher über-

130 | Vgl. Hierzu Saad Mâhir Muhammad, Masâjid, IV, 144-146. Es hat sich danach im 18. Jh. um eine der bedeutensten Rechtsschulen gehandelt, an der sowohl malikitisches als auch shafiitisches Recht gelehrt wurden. 131 | In der Gebäudebeschreibung und -geschichte, die uns Khalid M. al-Azab liefert, werden zwar die Art, in der antike Granitsteine und antike Säulen in der Madrassa und Moschee des Nasrallah verbaut sind, beschrieben, doch über den Tunnel unter einem Teil der Bibliothek und über die Hieroglyphen-Beschriftung der Schwelle, spricht Azab nicht. Allerdings bemerkt er, dass das alte Gebäude als eine Art riwâq (College) an den Rand des Tells einer am Ufer des Nils gelegene Ruinenstadt erbaut wurde. Vgl. Azab, Fuwa, S. 41f. 132 | Vgl. Lane, Description, Fig. 11, S. 194ff.

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treibend, der Gang sei unter dem Nil weiter verlaufen bis hinüber zur Nilinsel, der Jazîra al-Dhahab).133 Die Öffnung in der Moschee sei hinter einer Wand aus Ziegelsteinen verborgen gewesen. Man habe dann die Wand wiedererrichtet. Dann aber verbreitete sich unter Bürgern der Nachbarschaft Unruhe, die immer weitere Kreise zog. Es scheint, dass es zu offenen Konflikten gekommen war. Niemand wollte mir sagen, wer nun konkret den Aufstand schürte und sich vom sirdâb betroffen fühlte. So wie erzählt wurde konnte man den Eindruck gewinnen, dass es einfach nur die Leute waren, die den Bann der Geschichte, die magischen Kräfte im Gang unter der Erde fürchteten Es könnten auch lokale Fachleute der Altertümerverwaltung, der Athâr, gewesen sein, die mit der Renovierung der Moschee betraut, viel Aufhebens von dem Fund machten. Wie auch immer, der Gang wurde geschlossen. Wahrscheinlich ist auch, dass Gruppen der islamistischen Jugend eingriffen. Sie nutzten damals noch ungehindert die Nasrallah-Moschee – wie ehemals vor drei hundert Jahren die Scheichs der al-Azhar – als madrasa (Koranschule, religiöse Bildungs- und Beratungsstätte). Sie traten überall als Gegner des Pharaonismus und des Sufismus auf. Es ergab sich in vielen Diskussionsrunden eine intensive Auseinandersetzung um den sirdâb an der Nasrallah-Moschee, in der ich mich öfters aufhielt. Es ist in der Diskussion nicht herauszufinden, ob infolge der kursierenden Legenden über den sirdâb die Altertümerverwaltung tätig wurde, oder ob durch die Streitereien unter den Nachbarn, oder mit den Islamisten über die Legenden, eine allgemeine Aufmerksamkeit hervorgerufen wurde. Der sirdâb soll etwa nur 10 Meter lang sein und zum Nil hinunterführen. Die Wände und Stufen sollen Malereien und Hieroglyphen tragen. In allen unseren Gesprächen wurde immer wieder auf den sirdâb, die Stufen am Nilufer, und die Beziehung zur Nil-Insel hingewiesen.134 In diesem Zusammenhang spielt die Insel eine besondere Rolle, denn in der Mitte der Insel, wo der Tunnel wieder ans Tageslicht gelangen soll, wurden immer wieder Schlangen gefunden. Nil-Fischer sagen aber, der Gang käme nur unter Wasser herüber. An die entsprechende Stelle gerudert, wird auf eine unsichtbare

133 | Es wurde hier auch in sachlicher Sprache von einem Tunnel (nafaq), der von Sîdî Nasrallah zum Shaykh al-Jazira von unten min takht hinführe, gesprochen. Sirdâb ist ein geheimnisumwobenes Wort, das in den alten Legenden häufig benutzt wird. Man ist an zwei Topoi erinnert, einmal an den Nilometer, der auch später noch in den Serapeen gebaut wurde, hier eherum das heilige Wasser des Nil an den heiligen Ort heranzuführen. Dann aber erinnert es auch an, die vielen Geschichten zu Kellergewölben in denen sich Schätze und geheimes Wissen finden. Vgl. z.B. Bd. I, Stauth, Abdallah, S. 28-29; 68-72. 134 | Der Fund in Dairut lässt diese Berichte in einem neuen Licht erscheinen, denn er legt nahe, dass unter Umständen in der Mameluckenzeit es durchaus Praxis war, in Fundamenten von Moscheen und Grabmälern pharaonische Steine zu verbauen und den Zugang zu ihnen durch geheime Zugänge offen zuhalten.

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Säule hingewiesen, es sei die Statue einer Königin, es sei für Fischer sehr gefährlich in ihrer Nähe zu fischen. So sehr die Hinweise auf den Tunnel glaubhaft sind135, so sehr darf man die Hinweise auf die Schlangen und die Statue als aus dem Reich der alten Fabeln und Überlieferungen übernommene Beispiele betrachten. Im Verlauf einer solchen Diskussion wird auch erzählt hier seien in einer Nacht- und Nebelaktion mehrere Lastwagen voll Handschriften aus der Bibliothek vor dem Kellereingang kurz vor der Zeit der Renovierung der Moschee abtransportiert wurden. In der Art, wie es erzählt wird, ist offen gehalten, ob es sich um Diebe handelte oder um die staatliche Altertümerverwaltung, eine unter einfachen Leuten oft typische Gleichstellung. Doch nach weiterem Nachforschen reduziert sich der Umfang der Handschriftensammlung auf einen großen Kasten (sandûq), der seitlich in einem kleinen Zimmer neben der maqsûra am Grab gestanden habe. Es war in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, dass die Ereignisse an der Nasrallah-Moschee dazu führten, dass die Gruppe von fundamentalistischen jungen Männern, die die Moschee als Treffpunkt nutzten, aufgrund behördlicher Anordnung ausgewiesen wurde. Sie treffen sich jetzt in einer kleinen Neubau-Moschee in einer Seitenstraße zum Nil. Sicher ist, so kann man aus den vielfältigen und in verschiedene Richtungen interpretierbaren Nachrichten schließen, dass die Wand kurze Zeit später wieder aufgerissen, der Gang mit Erde vollständig zugeschüttet und dann wieder zugemauert wurde. Erst danach, so scheint es, hatte man in der Nasrallah-Moschee und der näheren Umgebung wieder Ruhe. Heute wird die Moschee nur zu den Gebetszeiten aufgeschlossen, der Waschraum (mîdâ) ist über einen Seiteneingang erreichbar und dadurch immer zugänglich. Der Prachtbau kann von dieser Ruhe nur profitieren und die Moschee ist eine der schönsten, die einem in Ägypten begegnen und ein ruhiger Platz am Nil mit einem phantastischen Panorama zur Nilinsel hinüber. Die Leute im Viertel auf dem sich anschließenden gabal, dem »Berg«, beklagen sich darüber, dass Häuserbau hier an der Nasrallah-Moschee nicht möglich sei, man könne keine Fundamente bauen und finde dort keinen festen Boden, man sei auf Qubbas und Gräber (turub) gestoßen, die zusammenfielen.

135 | Es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass es sich um einen uralten Nilometer gehandelt hat, der mit dem Bau der Moschee selbst ins Unsichtbare verbannt werden sollte. Alte Nilometer nachempfindende Nilwasserzugänge spielen bei der Konstitution heiliger Orte im Hellenismus und bei den Römern eine Rolle, hierzu hat Frau Kathrin Kleibl eine Reihe von erhellenden Materialien zusammen getragen, vgl. Kleibl, Wasserkrypten und dies., Raumgestaltung.

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Wie spannend die Geschichten um die Moschee sind, zeigt auch eine Diskussion unter Gebildeten über das sirdâb-Problem. Man widerspricht sich sehr. Einige meinen, es wäre gut, den Tunnel wieder zu öffnen. Dann würden viele Touristen kommen. Eine Stellungnahme, die von den Anderen nur belacht wird. Dann einigt man darauf, dass die jinn136 das sirdâb bewachen und dass da unten niemand langgehen kann. Deshalb ist es richtig, dass das alles zugeschüttet ist. Das sirdâb spielt in allen zur Vorstellungen zur Geschichte des Ortes, auf dem die Moschee des Nasrallah steht, eine wichtige Rolle, dem Ort wird auch äußerlich eine Pflege zu Teil, wie ich sie sonst selten gesehen habe. Dass die Geschichte selbst durchaus glaubwürdig sein muss, habe ich erst in der Haupt-Moschee des Nachbarortes Dairut erfahren können, dort findet sich eine Tempelschwelle tief unter das Minarett gesetzt, und ist nur über ein verdecktes Loch in der Moschee zugänglich.137 Ein zweiter offensichtlich sehr konfliktreicher Zwischenfall hat sich in dieser Zeit der Renovierungen und Bewegungen an der kleinen, unweit der Nasrallah-Moschee und ebenfalls an der Nilstraße gelegenen Qubba des Abû Dabâb138 ereignet. Es war nicht zu rekonstruieren, ob dies im Zusammenhang des erstgenannten Ereignisses, und evtl. mit der Vertreibung der Islamisten aus der Nasrallah-Moschee, in Verbindung stand. Es wird erzählt, dass die Islamisten die kleine Qubba des Abû Dabâb zerstören wollten. Offenbar fühlten sie sich dazu aufgerufen, weil immer wieder die Leute des Viertels die eigenartigsten Dinge über in oder hinter der Qubba erscheinende Schlangen oder verschwindende Katzen erzählen. Der Abû Dabâb und seine Qubba wurden aber von den Leuten des Viertels verteidigt, die Qubba hat die fundamentalistische Zerstörungswut überlebt. Es kam ihr offenbar dabei eine ihren nationalen Wert steigernde Legende zur Hilfe. Danach blieb Fuwa von den Franzosen, als sie 1798 den Nil hinunter nach Kairo segelten, verschont. Abû Dabâb soll das Wunder vollbracht haben, Nebel über die Stadt zu legen, so dass sie von den Franzosen nicht gesehen wurde. Mit dem Ruf, »Vernebele sie, oh Abû Dabâb« (bedabbhum yâ Abû Dabâb), hatten die Menschen aus Fuwa sich an den Wâlî gewandt, er soll ihnen, so die Legende, den Wunsch erfüllt haben (vgl. Abb. 15). Die Franzosen müssen aber irgendwann Fuwa doch erreicht, und es sogar als schön empfunden haben. Davon zeugt der Kupferstich, den Jollois vom Nilufer hergestellt hat.139

136 | Vgl. Wieland, Studien. 137 | S. unten in Teil II S. 206-211 sowie Abb. 76 und 77. 138 | Diese Qubba, klein und von ihrer Entstehungsgeschichte her im weltlich populären Kontext des Viertels zwischen den beiden alten Moscheen des Nasrallah und des Abû al-Makarim verwurzelt, ist nicht unter den von Khâlid Azab aufgelisteten Qubbas. Vgl.‘Azab, Fuwa, S. 61-75. 139 | Anderson/Fawzy, Egypt in 1800, Plate 114, S. 130.

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Die Al-Qinâ‘i-Moschee dürfte sowohl von ihrer Lage her als auch durch ihren Bau mit dem höchsten Minarett und ihrer sehr großen von antiken Säulen getragenen Halle als die eigentliche Hauptmoschee von Fuwa betrachtet werden. Das Maqam ist mit einem großen Kuppelbau aus der Moschee selbst ausgelagert. Die Halle wird von 34 Säulen getragen, darunter eine antike Säule mit einem Relief mit sich abwechselnden Darstellungen von Fruchtbarkeitsgöttern und -göttinnen.140 Diese Säule war bis zur Renovierung 1998 von den Behörden nicht registriert und bei den Umbauten, wie mir von einem interessierten Mann erzählt wurde, lag sie noch wie alle anderen, meist römischen Marmorsäulen vor der Moschee. Er habe den Bauunternehmer beobachtet, wie er Anstalten machte, die Säule wegzuschaffen und zu ersetzen. Er sei damals noch ein Junge gewesen, aber er habe die Säule bei der Behörde (al-Athâr) gemeldet. Jetzt sei sie registriert und wurde mit den anderen Säulen wieder in die Moschee eingebaut. In der gleichen Gesprächsrunde mit Männern aus dem Stammcafé gegenüber der Moschee, wurde berichtet, dass noch bis etwa 1985 (nach langem Rätseln) neben dem Moschee-Eingang ein großer rechteckiger Granitblock mit Hieroglypheninschriften gelegen hat. Dies könnte jener Block gewesen sein, den Habachi erwähnt.141 Am hinteren (Nord-)Eingang der Moschee besteht die Eingangschwelle aus einem Kalksteinblock mit ornamentaler Dekoration (vgl. Abb. 16 bis 18).142 Sîdî Abû al-Makârim Zahîr ad-Dîn (vgl. Abb. 19 bis 21) ist der Hauptheilige der Stadt, dessen Mawlid 2004 wegen des Fastenmonats Ramadân erst am 12. Dezember 2004 (sonst im Oktober/November) stattfand. Sie liegt immer eine Woche nach der Mawlid des Ibrahîm al-Disûqî. Der Mawlid-Kalender hat sich dann nach dem islamischen Kalender zu richten, wenn Überschneidungen mit dem Ramadân drohen. Zu Mawlid-Zeiten ist die Corniche voller Zeltstände, auf dem Platz vor der Moschee und in den Seitenstraßen werden auch Karusells der verschiedensten Art aufgebaut, auf dem Nil verdienen die Fischer ein Zubrot, indem sie Pärchen, Familien und Gruppen auf dem Nil hinauf und hinab rudern.

140 | Vgl. die Dokumentation von Silvia Prell in Teil II, Abb. 73 und 74 und S. 201-204. 141 | S.o. S. 75. 142 | S. unten Abb. 75.

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15 Abû Dabâb im Ramadan: Qubba des Grabes des Nebelheiligen

16 Al-Qinâ‘î-Moschee

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18 Al-Qinâ‘î-Moschee

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19 Abû al-Makârim-Moschee

20 Abû al-Makârim, Darîh der Moschee

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21 Abû al-Makârim, Stadtseite der Moschee und Bibliothek der thaqâfa

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Im November 2005 wurde die Mawlid von der Polizei auf das Ärgste begrenzt, um 22 Uhr die Lichter ausgeschaltet. In einer Diskussion im Kreis des Scheich Magdi, beschwert sich Karim, ein junger Mann mit vielversprechenden Handelsprojekten, darüber und sieht darin eine unberechtigte Benachteiligung des Platzes Fuwa. Der Scheich aber nimmt die Regierung in Schutz, weil, wie er meint, die Leute sich oft nicht richtig benehmen. Das Problem der Mawlid, ist nur in zweiter Reihe ein religiöses. Es geht um öffentliche Ordnung und einen von der islamischen Öffentlichkeit aufgesetzten öffentlichen Moral-Kodex. Es ist dies das eigentliche Problem der Gesellschaft, weil es nie an einer gewissen Zweideutigkeit fehlt. Der Widerspruch zwischen der tief in der alten orgiastischen Kultur verankerten Lebenslust der Menschen143 und der islamistisch inspirierten modernen Öffentlichkeit scheint kaum auflösbar. Die Regierung selbst handelt nur, wenn sie Konflikt fürchtet. »Unmoral« auf der Seite der Kultur der Leute ist selbst noch nicht bedrohlich. Nie ist ein Aufklärungsdiskurs an die Vorstellung durchgängiger Regulierung gebunden. Das Herrschaftsverständnis bleibt spezifisch und lokal, allgemein reglungsbedürftig und »islamisch« werden Ordnungsdiskurse nur, wenn Konflikt antizipiert und angenommen und von einer »Mehrheit« der Bevölkerung getragen wird. So kann es auch passieren, dass Maqame demoliert oder beschädigt werden, ohne dass eingeschritten wird, weil es dem scheinbar mehrheitlichen Gusto des »Volkes« entspricht. Es ist eigentlich verwunderlich, dass Khalid Azab dem Bau des Abû al-Makârim keine eigene Beschreibung widmet, obwohl er die Moschee mehrfach nennt.144 Das Gebäude ist zum Nil hin mit einem schönen Garten versehen, zur Stadt hin vor dem Haupteingang gibt es einen großen Platz mit einem osmanischen Händlerhaus (wakâla) gegenüber. An die Moschee angeschlossen ist eine kleine Bibliothek, die von der Stadtverwaltung unterhalten wird. Auf einer Säule in der Halle unweit des Haupteingangs findet sich ein aller Wahrscheinlichkeit nach griechisch-römisches Relief, Blumen und Früchte miteinander verschlingend, auf einer der weißen Marmorsäulen.145

143 | Man darf heute ja nicht mehr an solche lebendigen Beschreibungen erinnern, die Lane von den Bauchtänzerinnen aus dem Fuwa des 19. Jahrhunderts noch lieferte. Lane, Descriptions, S. 55. 144 | Azab, Fuwa, listet die Moschee nur in einer insgesamt sehr unsystematisch ausgelegten Tabelle, vgl. S. 57. 145 | S.u. und Teil II von Silvia Prell.

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22 Al-Kûrâniyya-Moschee

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23 Moscheeraum der al-Kûrâniyya-Moschee

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24 Qubba im Hof der al-Kûrâniyya-Moschee

25 Waschraum in der al-Kûrâniyya-Moschee

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26 Ritus in der al-Kûrâniyya-Moschee

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27 Ritus in der al-Kûrâniyya-Moschee

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Die al-Kûrâniyya-Moschee ist eine kleine lebendige Nachbarschaftsmoschee, sie ist nach dem Sufi-Heiligen (wâli) Muhammad al-Kûrânî, einem aus der Ukraine hierher gezogenen Scheich benannt. Nach Azab wurde sie 1726 gebaut.146 Die Erinnerungstafel aus Stein, die in der Moschee angebracht ist, spricht dagegen vom Jahr 736 H., ca. 1367: »Bismî-llâh al-rahmân al-rahîm«, dieses ist das Heiligengrab des Gotteskenners Ahmad Muhyiddîn al-Kûrânî und er baute diese Moschee im Jahre 736 Hijra (ca. 1367).147 Azab nennt in der Beschreibung des Baus weder diesen rechts vor der Gebetsnische (mihrâb) und der Kanzel (minbar) beschrifteten Stein, noch die Tatsache, dass sich hier ein großer Quader aus Quarzit befindet. Man sieht hier in den sich widersprechenden Angaben, wie unsicher die historische Datenlage ist. Können Jahr des Baus der Moschee mit dem Geburtsjahr des al-Kûrâni verwechselt sein? Diese Moschee ist das lebendige Beispiel dafür, welche überaus große Bedeutung kleine Stadtteil-Moscheen für das Leben der Bewohner über Jahrhunderte hinweg haben können. Sie ist in leicht leuchtenden, bunten und zugleich stilvoll aufeinander abgestimmten Farben gehalten. Man trifft hier immer Leute, und nicht nur zur Gebetszeit. Auch über den ganzen Tag hinweg kommen sie, um sich zu waschen und zu beten, aber auch um Ruhe zu finden, sich von den Streitereien in Familie und Nachbarschaft in der Nachbarschaft und aus dem Treiben im Viertel zu erholen (vgl. Abb. 22). Im Ramadân 2004, finde ich ein Plakat in der Moschee angebracht, mit folgendem Aufruf: »Wenn Du den Ramadân (wirklich) fasten willst, dann beteilige Dich am Projekt ›Ramadân-Korb‹.«148

Dies erinnert an die ernsteren Bedingungen im Stadtviertel und an die Aufgabe sich am Almosen zu beteiligen, aber auch daran wie stark die zivile Rolle der Religion zu betonen ist. Sie ersetzt wohlfahrtsstaatliche Funktionen und wird damit auch zum Spielball fundamentalistischer Strömungen, die hier am Fundament in das soziale Leben eingreifen. Es werden Essensgaben aber auch Kleidungsstücke in Körben oder Taschen gesammelt und an den Türen der Armen und Bedürftigen abgestellt. Insgesamt ist dies aber ein Projekt, das wenig fundamentalistische Strömungen zeigt (vgl. Abb. 23). In der Moschee gibt es einen großen, eigens den Frauen vorbehaltenen Gebetsraum, der hinaus auf den Hof zu den kleine Qubbas der Heiligen führt

146 | Azab, Fuwa, S. 57. 147 | Hadhâ darîh al-ârif bi-llâh Ahmad Muhyiddin al-Kûrânî. Fa-am bi-banâ‘ hadhâ al-masjid sanna 768 H. (ca. 1367). 148 | Hal turîd tasûm Ramadân shârik fî mashrû ›Shanta Ramadân‹.

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und aus den vielen, sich widersprechenden Nachrichten ist kaum zu bestimmen, wie viele Gräber von Männern und Frauen hier wirklich als Heiligengräber gelten. Sie liegen alle unter mehreren kleinen Qubbas, wenn man aus der Moschee kommt, die Frauen links, die Männer rechts, alle in dürftigem Zustand (vgl. Abb. 24). Im rechts vor der Moschee vorgebauten, offenen doch teilweise überdachten Hofraum für die Waschungen (al-mîdâ), im Allgemeinen den Männern vorbehalten, gibt es einen großen rechteckigen Stein aus Assuan-Granit, der innen ausgehöhlt ist und oben eine kreisrunde Öffnung hat.149 Er war über Jahrhunderte als sibîl (Brunnen) zur wohltätigen Nutzung, der Öffentlichkeit überlassen. Wasser wurde aus einem heute verschütteten Brunnen geschöpft und in den ausgehöhlten Stein geschüttet. An der rechten Seite des Steins findet sich ein Relief, das aufgrund des Stils wahrscheinlich in saitische Zeit datiert werden kann. Es handelt sich um eine Gaugötterprozession, solche Steine befanden sich normalerweise im untersten Register der Sockelzone einer Tempelwand (vgl. Abb. 25).150 Ein Mann aus dem Viertel führt uns vor, wie dieser Stein auch heute noch genutzt wird und bestätigt, dass es immer die sozialen und psychischen Spannungen sind, welche die Leute des Viertels hier her treiben: Nach einem Unglück oder nach Irritationen, wie bei übergroßer Angst vor Neid der anderen, oder bei nicht zu bändigendem eigenen Neid (hasad), bei Angst vor bösen Geistern (afârîd), bei plötzlichem Zorn und Hass, eilen sie hierher an den Stein. Sie vollziehen dann eine kleine rituelle Übung über die sie ihre Ruhe wiederzufinden, alte Energie und Fähigkeit wieder herzustellen hoffen: Sie nennen das tâqa (Kraft wiederfinden). Es wird vor der runden Öffnung oben auf den Stein etwas Wasser geschüttet. Dann mit einer Zitrone mehrmals von einem Ende des Steins zum andern über das Wasser gefahren. Dann mit der Zunge über die auf dem Stein liegende Feuchtigkeit drei Mal oder sieben Mal hin und her gezogen. Viele machen das dann auch an drei Tagen hintereinander. Ob dieser Ritus an uralte, pharaonische Praxis des Libationsopfers erinnert, sei dahingestellt. Hier wird von liquid offerings gesprochen. Beschreibungen von Hibbs, scheinen entsprechende Parallelen zu liefern, die sich auf Libationsopfer in griechisch-römischer Zeit auf dekorierten Opfertischen beziehen, die auch eine in den ägyptischen Hauskulten spielten (vgl. Abb. 26 und 27).151

149 | Den Stein hat Habachi bei seinem Besuch in Fuwa offenbar nicht gesehen, jedenfalls ist er in seinem Bericht, Habachi, Sais, nicht aufgeführt. 150 | Siehe Teil II von Silvia Prell; vgl. Abb. 71 und 72 sowie das Titelbild. 151 | »Through centuries the ornamentation of the tables varied according to the period. In general, those in the Old Kingdom Period were rectangular blocks with vertical oblique sides, sometimes with an engraved text on a flat band surrounding the upper surface. The latter was decorated with basins and vases to signify the liquid offerings and plates and or the hetep

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Nachdem man den Frauen vorbehaltenen Teil der Moschee durchlaufen hat, findet man im Hinterhof rechts das – wie schon gesagt – verwahrlost daliegende Scheichgrab mit einer nicht zu entziffernden Inschrift auf Arabisch. Es sollen sich hier in einem unterirdischen Gang (sirdâb) sieben weitere Gräber befinden. Im Gang selbst – so wird gesagt – seien in die Wände ebenfalls pharaonische Zeichen und Reliefs dekoriert.152 Es wird hierzu die Geschichte gesponnen, dass ein an der Moschee beschäftigter Wächter, der auch Fotograf sei, Fotos von diesen Zeichen gemacht und versucht habe, über die Fotos Leute in Kairo zu finden, die an der Regierung vorbei die Blöcke aus dem Grab holen sollten. Gegen Geld natürlich. Daraus scheint aber nichts geworden zu sein. Auch die Verabredung zu einem Gespräch mit dem betreffenden Fotographen kam nicht zustande. Ich erwähne dies, um anzuzeigen, wie sehr die Welt unter der Stadt – real oder fiktiv – die Menschen noch beschäftigt. Folgend soll noch eine Auswahl von weiteren Moscheen unterschiedlichen Stils vorgestellt werden. Zunächst die kleinen Nachbarschaftsmoscheen, die von Leuten des umliegenden Viertels genutzt werden oder von bestimmten Berufs- oder Altersgruppen sowie Frauen. Zunächst ist die Moschee des Sîdî Mûsâ zu nennen.153 Sie liegt zentral am Nil und ist doch auch eine alte nicht renovierte Moschee an der Einfahrt zur Altstadt, mit einer Schrifttafel im Osmanisch-Türkischen.154 Sonst macht sie einen sehr verfallenen Eindruck. Hier scheinen vor allem alte Nilfischer zu lagern, denn die Qubba des Abu Nagâ ist nicht weit und die dazu gehörige große Moschee ist ihnen zwar nicht verwehrt, so aber doch seit der Renovierung nicht der richtige Ort. Azab führt sie als 1824 gebaut (vgl. Abb. 28).155 Eine ähnliche soziale Morphologie wie in der Kûrâniyya findet sich auch in der Moschee mit Maqam des Sîdî Abd al-Azîz Abû Îsâ, eine offene den Alltagsnöten und Sorgen geöffnete Moschee im Marktviertel. Man erreicht sie auf dem Weg vom Nil zur Kûrâniyya. Das Maqam ist in einem schlechten Zustand, das darîh, die eigentliche Grabstätte, ist entfernt, die Awqâf-Verwaltung habe das schon vor 15 Jahren etwa 1992 abgebaut. Offen-

sign to evoke solid food offerings. From the predominance of basins it appears that the liquid offering played the most important role during this period.« Hibbs, Mendes Maze, S. 37-38. 152 | Ich bin nicht sicher, ob der Erzählende nicht zuvor davon gehört hatte, wie sehr mich die Geschichte vom sirdâb unter der Nasrallah-Moschee interessiert hatte. Er mag sie hier nochmals wiederholt haben, um auch seine Moschee in ein entsprechend gutes Licht zu stellen. 153 | In vielen Dörfern gibt es kleine Maqams die den Namen Sidi Mousa tragen. So eines fanden wir zum Beispiel in der Nähe des Kums (ca. 2 km nördlich am Kanal) von as-Saada bei Mitubis. 154 | Die hier einst vorherrschen Grundeigentümer, Ragab, gelten als Türken. Auch soll der türk. Großgrundbesitzer oder -verwalter Fam. Muhammad Farahat einst 5.000 Feddân (1 F. entspr. etwa 4.000 qm) in der Gegend gehabt haben. 155 | Azab, Fuwa, S. 57.

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bar, das Wort fiel, aber niemand wollte es bestätigen, war Feuer gelegt worden. Hier hat der reformistische Kampf gegen die lokale Heiligenverehrung zugeschlagen und die offiziellen religiösen Institutionen haben durch eine Neugestaltung der Moschee reagiert. Ein Brunnen, bîr, war zugeschüttet worden, ein Becken, in dem Kinder baden konnten, wurde abgebaut. Ein kleiner Kanal, der nach draußen zur Straße führte, wo man sich nach dem Gebet oder im Vorbeigehen das Wasser ins Gesicht, an die Brust und Stirn spritzten konnte (sibîl), wurde zugeschüttet, die Gläubigen der Kraft des heiligen Wassers beraubt. »Warum?« fragten die Leute, im Wasser liegt der Segen (fî mâya braka). Solche Fragen seien ihnen so beantwortet worden: Es gibt keinen Segen im Wasser, nur bei Gott (fî mâya ma fîsh baraka, baraka min anda llâh …). Der ältere Mann, der uns hierher führt, weist auf zwei Säulen am mihrâb (Gebetsnische) der Moschee hin. Sie liegen unter grünem Putz. Er sagt, alle sind unter Putz und alle aus römischem Marmor, manche sind mit Bildschriften (lukha) versehen. Es bestehen Pläne die Moschee noch in diesem Jahr zu renovieren, man will sie so herstellen, wie die Nasrallah-Moschee, das wird uns von den Beamten der Denkmälerverwaltung (Athâr) versichert. Wie man sieht, wird hier ein völlig anderer, neutral sachlicher Diskurs über die Renovierung geführt. Bei einem weiteren Besuch im Oktober 2006 erscheint die Moschee wie verwandelt in einem anderen Bild. Mein Besuch fällt in den Ramadân, den Fastenmonat, und nach dem Nachmittagsgebet (al-asr), treffe ich etwa 20-30, meist alte Männer im kleinen Moscheeraum. Sie liegen mit ihren braunen Winter-Galabeyyen in der Moschee verstreut und schlafen oder führen auf dem Boden liegend miteinander Gespräche, eine insgesamt sehr ruhig wirkende Stimmung. Die Männer liegen murmelnd im Raum auf dem grünen Teppich. Ihre meist braunen Kleider stechen in der etwa in den 1970er Jahren »modernistisch« grün und weiß überall übertünchten Moschee ab. Alle Anzeichen von Rückbesinnung auf die Kultur der Alten fehlen, die alten Säulen ruhen unter grünem Putz. Vereinzelt liegen oder sitzen auch junge Männer im Raum. Ein jüngerer, etwas dicklicher Mann sitzt neben dem mihrâb und singt ununterbrochen den Koran, es ist Nachmittag, etwa 16 Uhr, man wartet auf das Gebet des maghrib und das Fastenbrechen (al-fitâr). Ein junger, großer, schlanker Bärtiger, sehr aufgeschlossen und überzeugend, tritt vom midâ kommend in die Halle, weicht aber vor dem ihm sich bietenden Bild zurück. Es scheint, dass er als Nachzügler sein aus der Zeit gefallenes Asr-Gebet mit den Alten nicht vollziehen wollte, er zog sich nach unten auf eine Fläche vor dem Waschraum zurück, und betete hier inbrünstig und allein und mit körperlicher Eleganz. In diesem Zusammentreffen von Alltagsbrauch und spiritueller Pietät am Ort der Moschee tritt eine Art der kulturellen Konfrontation zu Tage, das

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fast zufällige Aufeinandertreffen unterschiedlicher Formen des religiösen Bedürfnisses. Offensichtlich ist das Ausmaß an religiöser Innigkeit in der modernsten Form, in der diese jungen Muslime auftreten, junge Bürger, Professionelle vielleicht oder Staatsdiener und Beamte, nur für den Außenstehenden überwältigend. Niemand unter den in der Moschee herumliegenden Männern reagierte auf den jungen Mann, hätte er aber versucht, die für ihn maßgebliche religiöse Ordnung im Raum durchzusetzen, so wäre es unweigerlich zum Konflikt gekommen. Aus der Perspektive des Fremden ist die spirituelle Körperlichkeit und der Habitus dieser Menschen, der sich so stark von demjenigen der vom Alltagsleben getriebenen Leute unterscheidet, störend. Dieser junge Mann stört nicht, obwohl er sich seinen Glaubensbrüdern gegenüber überlegen fühlt, tritt er ihnen nicht offen oder arrogant gegenüber, vielmehr trat er zurück und betete doch, als trüge ihn eine aristokratische Gelassenheit vor das Antlitz der Ewigkeit. Auch dies gehört zu einer in die moderne ägyptische Gesellschaft hineinwirkenden islamischen Öffentlichkeit. Wie gezeigt, muss es nicht zur Konfrontation kommen, religiöse Gelassenheit und körperlich Ich-bezogene Frömmigkeit können gerade im Ramadân tolerant nebeneinander stehen. Das heißt aber nicht, dass die Konflikt-Momente dieser getrennten Welten des Religiösen nur im Stillen wirken, sie werden von Zeit zu Zeit durchaus auch öffentlich ausgetragen. Die As-Sabaa-Sâdat-Moschee (im Volkmund in verschiedenen Kontexten auch Sadât as-Sibâ‘ oder as-Sabaa Banât oder as-Sadîqa as-Sabaa genannt) wird vor allem von Frauen des umliegenden Viertels benutzt. Die Moschee stammt aus dem 18. Jahrhundert, nach Azab, dem wir hier vielleicht mehr trauen können als in Bezug auf die anderen Moscheen. Da das Datum weil die Zahl an einer Inschrift über dem Portal entzifferbar ist, wurde der Bau 1144 H. also ca. 1726, abgeschlossen. Sie ist heute noch ganz dem Treiben und den Bedürfnissen der Leute aus der Nachbarschaft überlassen. Sie wird kaum von der städtischen Öffentlichkeit wahrgenommen, obwohl sie von Azab mit einer fast zweiseitigen Beschreibung bedacht wurde.156 Ich treffe auf eine alte Frau, die im midâ ihr Geschirr spült und es dann auf dem Kopf davonträgt. Sie sagt, die Qubba und das darîh seien vor einem Jahr entfernt worden. Bezeichnend, dass sie nicht irgendjemanden für das Entfernen verantwortlich macht, sie sagt, dass es zu eng gewesen wäre, da konnte man kaum den Gang um den Sarg machen (tûf). Auch in dieser Moschee sind noch alle Säulen, im Kern aus antikem Baumaterial, mit Putz verkleidet. Bei einer späteren Gelegenheit wird der darîh geöfffnet, der Scheich erklärt, dass 2005 über Nacht alles zerstört worden sei, die Särge entfernt, und auch sonst alles zerbrochen worden sei.

156 | Azab, Fuwa.

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28 Moschee des Sîdî Mûsâ

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29 Maqam und Moschee des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa

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30 Eingang zum Maqam des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa

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31 Darîh mit Modellboot im Maqam

32 Maqam und Moschee des Sîdî Abû Nagâ mit Becken unten vom Nil aus nach oben betrachtet

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33 Vor der Moschee des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa am Ufer des Nils

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34 Moschee des Sayyidnâ Ahmad Dâ‘î ad-Dâr

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35 Scheich Magdi in Fuwa

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Im modernen Leben der islamischen Öffentlichkeit ist die Sîdî-Abû-Nagâ-Moschee die wirklich große, öffentliche, unter den alten Nil-Moscheen in Fuwa. Abû Nagâ gilt in der Tradition als von hohem Rang. Als der Großvater des Sîdî Ibrahîm al-Disûqî steht er in der Bedeutung der Heiligen von Fuwa ganz oben, sein Maqam liegt am Nil. Es ist eine große Moschee am Eingang der Altstadt. Die Moschee war der Ort an dem Sufis der Burhâmiyya- und Rifâiyya-Orden ihre hadras und dhikrs (Versammlungen und Meditationen) hielten. Sie wurden aber auf Anweisung der Sicherheitspolizei, Amn ad-Dawla, an die Moschee des ad-Dai und deren Imâm, Scheich Magdî, verwiesen. Vor der Renovierung war das Maqam des Heiligen im Innern des MoscheeBaus. Es wurde im Verlauf der Renovierung aus der Moschee herausgenommen und steht jetzt erneuert, ein Bau eigener Prägung, auf einem kleinen Platz hinter der Moschee, näher zum Nil hin. Eigenartig, dass auch hier das midâ ganz draußen in einem sparsam modernen Bau am Maqam liegt. An der zum Nil hin gewandten Seite der Moschee gegenüber dem Maqam findet sich eine Steintafel mit osmanischer Inschrift, die jenen in der Moschee des Nasrallah angebrachten Tafeln ähnelt. Das ganze nimmt sich wie ein Lehrstück von angewandter Modernisierungstheorie aus: eine hoch modernistische Moschee-Halle als Gebetsraum, alle Insignien der Tradtion dagegen sind ausgelagert. Man sieht dieser eigenartigen Baustruktur nicht an, dass dies noch bis in die Mitte der 1990er Jahre eine geschlossene alte Moschee war, der das Maqam einverleibt gewesen ist. Hier gab es einen langen Streit, den die Scheichs der al-Azhar-Universität gewannen, die auf Ausbau des Maqams aus der Moschee bestanden hatten. Das Maqam des Abu Nagâ selbst wurde nun nicht mehr von der al-Azhar, sondern von einem offiziellen Sufi-Scheich betreut, zugleich wurde jetzt die Renovierung des Maqams durch die AthârVerwaltung betrieben, während die Moschee den awqâf (Stiftungen) unterstellt und dann zu einer, an deren lokalen Verwaltungsbauten angebundene »Riesenhalle« erweitert wurde (vgl. Abb. 29). Es ist durchaus bemerkenswert, dass vor dieser sehr großen Moschee das Gebäude der al-Azhar-Verwaltung und den awqâf, Verwaltung religiöser Stiftungen angeschlossen sind, und erst am anderen, am hinteren Ende, fast unsichtbar zwischen der großen Moscheehalle und dem neuen glänzenden Gebäude der Banque Misr, sich das uralte Maqam des Abu Nagâ befindet, ebenfalls renoviert, glänzt auch in neuem Lichte. Und wieder tauchen auch hier die Boote über dem Sarg auf, Devotionalien für die Nil-, See-, die FischerHeiligen (vgl. Abb. 30 und 31).157 Dies erklärt, dass die Moschee über kein Minarett verfügt. Der amtlich bestätigter Rifâ’î-Scheich, der es versorgt und behegt, hat große Pläne mit Abu Nagâ, für den er sich ganz verantwortlich fühlt. Er will demnächst eine

157 | Vgl. hierzu auch in Band I das Maqam des Abdallah b. Salam im Manzala-See, Stauth, Abdallah, S. 154.

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Mawlid für ihn beantragen. Wundergeschichten hat er schon bereit, er erzählt:

Wundersam ist auch, dass aus der Zeit des Umbaus unten am Hang zum Nil zwischen Maqam und Moschee Wasser austrat, als wäre unter dem Maqam des Abû Nagâ eine Quelle, die sehr gemächlich aber beständig Wasser in den Nil spendet. Erst kürzlich vor dem Ramadan ließ der Sufi-Scheich die Quelle zu einem Brunnen ausbauen, wo das Wasser zunächst in einem weißen Becken eingefangen wird, bevor es zum Nil weiterfließt. Eine rot gestrichene Brunnenpumpe (trumba) wurde auch installiert. In die Rinde des nebenan stehenden Baumes wurden Kerben geschnitzt, der Stamm leicht mit roter Farbe betupft, so als träte Blut aus (vgl. Abb. 32 und 33). Auf den kleinen zwischen den am Ufer verstreut herumliegenden Fischerbooten vor dem Maqam machte ein anderes Mitglied aus der Runde um Scheich Magdi, der Hochzeitsgestalter, darauf aufmerksam, dass das Wasser heilende Wirkung habe. Als ich zufällig sagte, meine Augen seien nicht gut und meine Brille sicher verschmutzt, empfahl er, sie mit dem Wasser dieses Brunnens auszuwaschen. Schließlich fand sich am Abend eine Gruppe – darunter auch ich – am Brunnen ein, und alle wuschen Gesicht und Augen mit dem Wasser, über dessen Quelle man sich keine Klarheit verschaffen konnte. Es handelt sich um einen marginalen, aber sehr frequentierten Ort am Nil. Hier ziehen die Fischer ihre Boote an Land und lagern sie vor dem Maqam. Das midâ zur Moschee, ein modernes Waschhaus mit vielen Bädern und Toiletten, steht daneben und wird ständig besucht. Zur Hauptstraße hin schließt sich das moderne, glanzvolle Gebäude der Banque Misr an, und gegenüber liegt der große Eingangsplatz zur Stadt, mit dem mawqif, der Station für die Sammeltaxen über Land in Richtung Disûq. Diese eigenartige Raumgestaltung, hier eine modern gestaltete Moschee mit Gebäuden der religiösen Verwaltung, dort ein Bankgebäude, gegenüber ein verkehrsreicher Stadtplatz mit Bus- und Taxistation, und dazwischen das kleine, alte und nun verziert herausgeputzte Maqam, das aber auf den ersten Blick gar nicht auffällt, ist Ergebnis von verhandelter Tradition, und man trifft sie heute nicht selten in ägyptischen Städten an. Es findet hier eine stille, deutlich – wenn auch nicht ohne Widerspruch – purifizierte Tradition ihren Weg in die islamische Moderne. Die Moschee des ad-Dâ‘î ist renoviert, aber sonst wenig auffällig, eine Viertel-Moschee mit einer besonderen Klientel. Sie hat weder ein besonderes

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»Als einer der Arbeiter bei Renovierungen glaubte mit Schuhen das Maqam betreten zu können (es ist im alten Volksstil nebst Holz-Maqsûra wunderschön renoviert und im Ramadan 2006 entsprechend beleuchtet), wurde er von einem Knall und starkem Wind wieder zur Tür hinausgeblasen, er rannt zur nächsten Polizeistation und brachte dann einen Polizisten mit, bevor er ohne Schuhe weiterarbeitete.«

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Maqam (der Sarg des Heiligen befindet sich noch in der Moschee hinter einer hölzernen Absperrung [maqsûra]). Es gibt dort weiter keine Zeugnisse aus dem Altertum, ich erwähne sie, weil sie durch ihre Eigenart in einer Mischung zwischen sozialem Zentrum für Arme und Alte, Pflege eines aufgeklärten Volks-Sufismus und intellektuellem Zentrum hervorsticht. Sie ist mehr vom lebendigen Wirken des heutigen Scheichs und Imams als vom Gesicht des Heiligen geprägt. Der Sayyidnâ Ahmad Dâî ad-Dâr, nach dem die Moschee benannt ist, war ein Gefolgsmann der Sayyida Zainab aus den Tagen der futûh al-arab, der arabischen Eroberung. Seine Geschichte ist mit der Fuwas verbunden, er war einer der Heerführer, des von Sharqiyya – der Ostprovinz – vordringenden arabischen Heeres. Über die langen Zeiten meiner Aufenthalte in Fuwa fand ich immer auch Aufnahme im Kreis der Schüler und Freunde des Scheich Magdi Muhammad, dem derzeitigen Imam al-Khatîb (azharî) dieser Moschee (vgl. Abb. 34 bis 36). Hier traf ich zuerst den weit über 80 Jahre alten Scheich Husain Hasan Abd al-Azîz an. Er stellte sich gleich als ein mit der ijâza ausgestatter Scheich vor: Ijaza min khulafâ‘mudiriyya Kafr al-Shaykh (Zeugnis von den Kalifen des Distrikts Kafr Scheich), den Gefolgsmännern des Sayyidnâ Husain Ahmad al-Qâdirî, der ägyptischen Qâdiriyya-Tarîqa. Er weiß viel über die Geschichte der Sufi-Orden der Gegend und die Mawâlid von Tanta, Disuq und Alexandria. Er erzählt, wie sein Vater noch die Schiffe für die Fahrt der SufiBrüder aus Fuwa zur Mawlid nach Disuq gemietet habe. Scheich Husain Hasan gehörte zum Inventar der Moschee des ad-Dâ‘î und gilt insgeheim als Lehrer des Imams Scheich Magdi Muhammad, dessen ständiger Begleiter er war. Scheich Hussain starb im Jahr 2005, seine Stelle nahm Scheich Muhammad al-Gazari (al-Agûs) ein, irgendwie ein jüngerer Nachfolger für Scheich Husain, der gerade erst seine offizielle ijâza als Burhâmiyya Scheich erhalten hat und einer der Vorstehr der maqif, der Taxi-Station von Fuwa ist. Scheich Magdi ist ein großer breit gebauter Mann. Er ist weitgehend blind – man hat den Eindruck, dass er nicht ganz blind ist, weil er sich sehr geschickt bewegt, andererseits merkt man aber auch, dass jeder Handgriff gelernt sein muss. Er ist trotz dieser schweren Behinderung so guten Mutes, dass man sie ihm nicht anmerkt, und er spricht in einem deutlichen Arabisch, die Azhar-Ausbildung immer präsent, nicht ohne mit vielen Wendungen den Geschmack der alten und jungen Männer um ihn herum zu treffen. Es ist ein geschicktes Spiel mit der Sprache des Koran und des Hadîth in die Logik des Alltags einzugreifen und doch auch den Geschmack des Volkes, der Straße, zu treffen. Er wendet sich gegen die Unterdrückung des Volksgeschmacks, ist gegen das Verbannen pharaonischer Tradition und Relikte, setzt sich für das Abhalten der Mawlid vor der Abu al-Makarim-Moschee am Nil ein. Scheich Magdi gehört dem sich auf Ibrâhîm al-Disûqi zurückführenden Burhâmiyya-Orden an. Nach den Unterschieden der einzelnen Orden gefragt, sagt er, es gäbe keinen Unterschied. »Worin?« Und er wiederholt – unter den bestätigenden Exklamationen des neben ihm sitzenden alten Scheich Husain

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– die gängigen Floskeln, dass die sharîa (islam. Recht) und das marifa des Sufismus (geistiges Erkennen) sich gegenseitig ergänzen. Danach gibt es auch keinen Unterschied in den Methoden (mâ fî ikhtilâf manhaj). Es gibt aber einen Unterschied im ilm (religiöses Wissen). Dieser zeige sich darin, dass der hifz al-qur‘ân (Auswendigwissen des Koran) nur eben auf Training und Schulung (khibr) aufbaue, während im Sufismus die Inspiration (ilhâm) und Interpretation (tawîl) vorherrschen. Nur mit den letzteren könnte das Geheimnis der Wissenschaft zur Wahrheit (ilm al-haqîqa) gelüftet werden. Der Versuch ihn aus dieser Floskelwelt zu entführen und ihn etwa auf die Beziehung des Nils und der vielen Maqame an seinen Ufern anzusprechen schlug fehl. Er spricht hier zunächst mit Koranzitaten: … athar makhlukat illahi … hiya al-mâ‘ (so etwa schreibe ich mir auf: die Denkmäler sind Gottesschöpfungen … so auch das Wasser). Dann spricht er von den bevorzugten Plätzen für Friedhöfe am Nil (da wird ihm widersprochen) und dann von den ajâ‘ib al-hawâ (den Annehmlichkeiten der Luft, des Windes). Auf die Pharaonenzeit der Stadt angesprochen, erklärt er, unter der ganzen Stadt Fuwa, gebe es eine zweite Stadt (takhtahâ balad thanyâ) und er spricht dann das Wort matlîs aus, das alte Metelis. Scheich Magdi spricht sich ganz deutlich gegen die jungen Leute mit weißen Galabeyyen und langen Bärten aus. Er nennt sie Sunniyyîn. Er weist auf ein kürzlich eingetretenes Ereignis hin. Die Jugendlichen griffen die Qubba des Scheich Dabâb an. Schon der Name Dabâb (Nebel) weist auf einen Scheich aus der natürlichen Phantasiewelt der Fellahîn hin. Es handelt sich um einen kleinen, eigentlich kaum auffallenden Kuppelbau an der Niluferstraße ganz in der Nähe der Moscheen des Nasrallah und des Abu Makârim. Sie haben Steine auf das Maqam geschmissen und wollten es zerstören. Als Scheich Magdi mit ihnen sprach, bekam er zur Antwort, dass das Heilige von früher seien (awliyâ‘ min zaman) und dass wir heute sie nicht kennen, (nichts mehr davon wissen wollen) (wa nahnû mâ arafûnâ). Das sei Götzendienerei (shirk) und ketzerische Neuerung (bida). Am meisten aber regte sich Scheich Magdi darüber auf, dass die Leute der Stadt das alles ohne jeden Widerspruch hinnahmen (kullu sâkit). Immer wieder drehen sich die Gespräche mit Scheich Magdi um Fragen des Sufismus, der Heiligenverehrung und der Reste pharaonischer Kultur. Im Gegensatz zu meinen Unterredungen mit anderen Sufi-Scheichs, wo die Frage des Verhältnisses zu Gott immer als Frage des singulären Ichs gestellt und auch beantwortet wurde, stellt Scheich Magdi, der Blinde, der Orthodoxe, die Frage des Wissens, des Sehens und des Zugangs zur Welt (und Gott) in den Vordergrund seines Sufitums. Dabei ist ilm auch die Hierarchie des Wissens und den Wissenden ein wichtiges Anliegen, das geht soweit, dass er irgendwann ausruft, man taaqid fi hagar al-farûniyya shayy? (Wer kann sich schon in den Steinen der Pharaonen versichern? Im Sinne von, wer kann überhaupt etwas davon wissen) fi thurûfhu (das hängt ja von seinen jeweiligen geistigen Bedingungen dem Wissensstatus der Suchenden ab).

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Im Gegensatz zum modernistischen Sufismus des Scheich Khallaf158, wird hier ein orthodoxistischer Begriff des Sufismus als Wissenschaft vetreten, letztlich dann wieder als Selbstvervollkommnung im orthodoxen Sinn. Es ist im Zusammenhang mit dem sozialen Klima der Stadt interessant, einen Blick auf ausgewählte Mitglieder des Kreises um Scheich Magdi zu werfen. In wechselnder Besetzung trifft sich diese Runde meist abends je nach Jahreszeit vor oder nach dem maghrib: 1. Fast jeden Abend trifft man hier einen alten Herrn mit ergrautem Haar, weißem langem Bart und Brille, er gilt als hâfiz al-qur‘ân, einer der den Koran auswendig kann. Er weiß viel, auch über die kleinen Dinge, spricht aber kaum. Irgendwann fühlt er sich gezwungen, Teile seiner Familiengeschichte zu erzählen. Er ist türkischer Abstammung, aus ursprünglich ganz reichem Hause mit viel Grundbesitz, dem ein Onkel mit vielen Frauen und wechselndem Schicksal vorstand. Er selbst sitzt hier als Einzelmensch im Frieden mit sich und Frieden suchend in der Runde. 2. Ein Mann mittleren Alters, mit herausragenden, eher italienischen Gesichtszügen. Er unterhält ein kleines Büro im Zentrum am Marktplatz und organisiert, wie er sagt, alles, was sich um die Hochzeit (farrah) dreht. Zur Zeit habe er keine Arbeit, weil die Schule noch nicht zu Ende sei und erst nach den (Abitur-)Prüfungen die Hochzeiten gehalten werden. Warum er keine azzâ‘, Trauerfeiern, organisiere, die wären doch über das ganze Jahr anfallend? Er antwortet, das interessiert mich nicht. Er kommt aus einem kleinen Dorf Ezbat Urbân, dort hat er noch ein kleines Haus mit 5 Feddân Land, und so wird er in der Runde nur Urbân genannt. Er ist sehr unruhig, irgendwie unzufrieden, will mehr Kultur, es ist nicht so ganz auszumachen welche. Er scheint nachts auch in anderen Runden zu verkehren, fällt am Tag wieder ganz auf den Islam zurück, hat sonst eine sehr direkte, materielle, linke heterodoxe Kultur. Es macht den Eindruck, dass es gerade solche ungewöhnlichen Charaktere sind, die zu Scheich Magdi finden. Urbân, ist schlagfertig, ja oft zynisch, sein Islam ein Mittel der Selbstzähmung. Es stellt sich heraus, dass er einen Streit mit dem zâbit, Polizeioffizier, bei den Wahlen 2000 hatte, geschlagen wurde und dies bis heute nicht verkraftet hat. 3. Ein Maler und Designer, der Autodidakt ist, sehr groß, grüne Augen, ebenfalls herausragend scharfe Gesichtzüge, sehr zurückhaltend, aber lieb in seinen Äußerungen. Liebt Heilkräuter, Holzschnitzereien, stellt dies in Zusammenhang mit Vorlieben des Propheten. 4. Ein mufatish (Inspektor) der Moscheen der Gegend, gut genährt und beleibt, man sieht ihm die weltlichen Interessen an, die er mit denen der Religion verbindet, spricht nur über Dinge, die er erledigen will, meist in ganz persönlichem Interesse.

158 | Vgl. Stauth, Drang zum Heiligen (1), S. 377ff.

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5. Ein azharî, der an einer mâhad dînî (al-Azhar-Kolleg) in Damanhur als Lehrer tätig ist, sonst in Disuq lebend. Auch er ein sehr beleibter Herr, der anders als der mufatish aber viel und laut redet. Vor allem durch den Koran spricht und seine Lebensinteressen ganz durch den Text organisiert. Es ist immer wieder der Text der das moderne Leben dieses Mannes bestätigen soll, und umgekehrt scheinen für ihn die Fragen der modernen Welt, wie überhaupt alle Wissensfragen, schon im Text vorgegeben. 6. Machmal kommt ein kleiner dicker, offenbar geistig Behinderter hinzu, setzt sich dazwischen, ruft Worte aus, lacht, wird beruhigt, oder gar auch mal wieder zum Lachen ermuntert. 7. Ein Händler, gestanden, ökonomisch, weltmännisch. 8. Muhammad, ein kleiner flinker Kristallhändler, der oft nach Kairo fährt und dort viel herumkommt. Er macht einen sehr hellen Eindruck, ist bewandert in Computerdingen und dabei auch dem Scheich behilflich. Er hat eine eigene e-mail-Adresse und ist gerade dabei seine Reise nach China vorzubereiten, um neue Geschäftsverbindungen zu knüpfen. 9. Ein Rifâî-Scheich, der ein gar nicht so alter mawqif-Vorstehr ist. Er organisiert dort die Lizensen und Fahrten der Sammeltaxis, was ihm viele Verbindungen und einen hohen Bekanntheitsgrad in der Stadt und darüber hinaus verschafft. Wie der Hochzeitsorganisator (2.), gilt auch er als ein offener freilebender Mensch. Zugleich ist er Scheich des burhâmiyya mit offizieller ijâza. Er ist der Schlüsselwalter am Maqam des Abu Nagâ, das gegenüber dem mawqif (Taxistation) liegt. 10. Ein mudîr idâra al-talîm, ein Direktor am lokalen Schulamt, ist ein sehr freundlicher Mann, sehr offiziell zunächst, dann doch sehr zugänglich, allen Mitgliedern der Gruppe gegenüber offen, trotz einer Stellung und Bildung. In seinem Büro finde ich ihn vermittelnd und kompetent, schroffe Zurückweisungen vermeidend. Wir waren einmal allein während des Unterrichts, den Scheich Magdi im Frage-Antwort-Spiel abends in der Moschee gibt, saßen im Büro (maktab) das Scheich, während draußen gesprochen und gebetet wurde. Der Mudîr sprach jedes Wort, das lâ illâh illa lâh und die Koaranzitate einzeln nach. Tiefe Gottesangst (taqwa) wird hier sichtbar. Er ist ein sehr schüchterner, frommer und zugleich hilfreicher Mann als müsste er für etwas büßen, im Kreis der Gruppe fast selbstlos. Es handelt sich hierbei um die Aufzählung der prägnantesten Männer in der eigenartigen Welt von Scheich Magdi, miteinander verbunden durch die Achtung vor dem Scheich. Der Rifâî-Scheich zum Beispiel fuhr einmal den Scheich mit dem Auto nachts zur nadwa (Vorlesung) eines Azhar-Professors aus Tanta nach Kafr Scheich. Sie kamen erst spät um 3 Uhr morgens zurück. Immer auch sind sie zu jahreszeitlich bedingten Ereignissen zusammen, organisieren z.B. das Fastenbrechen in der Moschee während des Ramadân, fahren gemeinsam zur Mawlid des Sîdî Ibrahîm al-Disûqî. Sie disku-

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tieren die politischen Ereignisse draußen in der Welt und die kleinen drinnen in der Stadt mit Energie und Ausgelassenheit, der Scheich hat das letzte Wort, wenn auch nicht immer das überzeugendste. Es handelt sich um eine Art Partei der Kleinen, religiös aus innerer Überzeugung, die Heiligen (awliyâ) achtend, die Mawlids durch ihre Teilnahme unterstützend. Sie sind gegen die Bärtigen, gegen die Militanten, gegen die ihwat (die Muslim-Brüder – die sich im lokalen Apparat festgesetzt haben) aber selbst verkörpern sie auf ihre Art unpolitisch eine Bruderschaft. Nicht umsonst wurden hierher die Hadras der Sufis auf Anordnung von oben verlegt. Die Tatsache, dass einmal ein über 80jähriger, großer Mann hereinkommt, den Schlüssel für einen kleinen Schrank in der Moschee fordert, um sich einen Koran zu holen, ist bezeichnend für den Umgang im Büro des Scheich. Der blinde Scheich, der den Schlüssel sofort am Bund greift, dann aber Unsicherheit zeigt, ihn schließlich abtastet und ihn dem Alten anzeigend gibt. Dieser bringt den Schlüssel zurück und sagt, er habe den Schrank sofort öffnen können (baraka – Segen, Charisma, des Scheich). Bei dem ersten Eintreten des Mannes, war er über seine Gesundheit befragt worden, und er begann zu jammern. Er werde bald sterben. Der Scheich wünscht ihm ein langes Leben. Er stellte eine Frage, die ich nicht richtig verstehen konnte, die aber anzeigte, er wolle wissen, ob er wohl ins Paradies komme, der Scheich antwortet schnell mit zwei kurzen Zitaten aus dem Koran, die den Mann völlig zufrieden stellten. Scheich Magdi will über den Islam wal-Gharb (Islam und der Westen) arbeiten, liefert schließlich 2006 eine Schrift, die er im Computerdruck verteilt. Anregung hierzu war, dass der gebildete Mudîr (10.) ihm das Buch eines deutschen Autors, Murad Hofmann, ehem. Deutscher Botschafter in Rabat, Dr. der Rechte, Harvard University, brachte. Das Buch ist auf Arabisch geschrieben, und fasst die Zivilisationskritik des Westens aus islamischer Sicht zusammen.159 Dass weder der Scheich, noch der Mudîr (10.) Fundamentalisten sind, ist offensichtlich, dass sie einer von Konvertiten und westlichen Islam-Instituten, mit zweifelhaftem Ruf, initiierten Islamismus-Maschinerie aufsitzen, ist eher Zufall. Der Erwerb des Buches war für den Scheich ein Bildungs- kein politisches Ereignis. Am Ende meiner Bekanntschaft mit dem Zirkel um Scheich Magdi an der Moschee des ad-Dâ‘î steht eine Geschichte, die für die Vorstellungswelt von vielen unter der marginalen, ländlichen Bevölkerung steht und für ihren Umgang mit pharaonischen Steinen bezeichnend ist. Urbân (2) erzählt von einem von der Polizei aufgedeckten Raub von pharaonischen Steinen an dem Fuwa nahe liegenden Kûm al-Akhmar. Die Leute nennen ihn nach dem nahen Dorf auch Kûm al-Qabrît. Alle kennen ihn in Fuwa, das ist für sie der Kum von Fuwa. Er bildet ein großes Gelände, ein roter gabal mit nur einigen wenigen Lehmziegelmauerresten (tûb nayy). Ab und an scheinen Archäologen hier ein-

159 | Druck: Islamisches Zentrum München, 1993.

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mal mit dem Graben angefangen zu haben. Ohne Ergebnisse. Bis auf wenige Quadrate finden sich keine Ausgrabungsspuren, auch keine Fundstücke. Es stellt sich denn auch heraus, dass die besagten Stücke nicht von Kûm hier stammten. Sie waren vom nördlich in Mitubis am Nil liegenden Tell, der ebenfalls Kûm al-Akhmar genannt wird, hierher nach Ruda verbracht worden. Zwei junge Männer wurden von der Polizei hier also im Dorf Rûda am Kûm al-Akhmar bei Fuwa aufgegriffen. Sie hatten mit einem Lastwagen drei große runde Steine aus Assuan-Granit – ganz offenbar zu Mühlsteinen verarbeitete Säulentrommeln – am Kûm al-Akhmar bei Mitubis auf einen Lastwagen geladen und nach Ruda gebracht. Die Steine liegen in der Ezba, einer kleinen Fellachen-Siedlung bei Ruda. Es sind schon in alten Zeiten Säulen zu Mühlsteinen verarbeitet, ja gewissermaßen »recycled« worden, und hier handelte es sich aus Säulen geschnittene ca. 20 cm dicke Scheiben, von denen es in der ganzen Gegend offenbar noch viele gibt.160 Die Männer wurden zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt. Wir sprachen hier mit einer Gruppe unter den armen Leuten der Ezba, alles Landarbeiter. Es ist schwer zu erfahren, was die Antriebe sind, so etwas zu tun und ein so großes Risiko einzugehen. Urbân ist wie immer sehr beredt, macht viele Witze. Jetzt kann man ja in Rûda schon um diese Steine im Kreis herum gehen (khantûfû al-hagar). Was für ein Schatz (kanz)! Die Denkmäler-Polizei (shurta al-athâr) hat die Steine hier gelassen, sie weiß wohl selbst nicht, was sie damit anfangen soll. Je länger wir um die Steine herumstehen, fallen dann doch auch die darin glitzernden Quarzverbindungen auf. Ein Mann sagt, zay al-nugûm, wie die Sterne (vgl. Abb. 37).

37 Zu Mühlsteinen verarbeitete Säulenscheiben

160 | So z.B. habe ich in Sanhur solche Steine auch noch im Hof eines Bauern lagernd gefunden. Vgl. auch bei Habachi, Sais, etliche solcher Hinweise.

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) vakat 116.p 172516258124

6. Sa al-Hagar – das alte Sais Schon von seinem Namen her kann das heutige Sa al-Hagar (»Sais am Stein«) gewissermaßen nur als Anhängsel zur alten Tempelstadt Sais begriffen werden. Im Ort selbst drückt sich ein eher klägliches Dasein aus. Es liegt am Rande eines über Jahrtausende hinweg von Fremden beachteten, besuchten, beschriebenen und ausgeplünderten Ruinenkomplexes. Da hatte es kaum eine Chance zu eigenem Glanz. In gewisser Weise ist es ein Gegenstück zum etwa 15 km nördlich liegenden Disuq, das seinen Aufstieg vom Dorf zur Stadt einem einzigen islamischen Heiligen verdankt. Während Disuq, ein ursprünglich unbedeutender Ort, sich über den islamischen Heiligen Sîdî Ibrahîm fast zur Großstadt wandelte, blieb Sa al-Hagar ein Dorf. Der Pilgertourismus mit den Nilfesten und nachgelagerten »Industrien« (Süßigkeiten, Spielzeug, Ausflugsboote etc.) trieben in Disuq Blüten, die Bevölkerung wuchs auf über 60.000 (vgl. Abb. 38). Dagegen leben die ca. 30.000 Einwohner von Sa al-Hagar noch heute weitgehend von der Landwirtschaft, genauer von einer zwar agrartechnisch modernisierten, im kulturellen Kern aber erhaltengebliebenen Fellachenwirtschaft.161 Der berühmte Kum aus pharaonischer Zeit, der noch den Griechen ein wichtiges Heiligtum war, hat den dort lebenden Menschen nichts gebracht, außer die Unbill ständiger polizeilicher Überwachung und vielleicht auch den neidischen Blick, den sie durchaus gelegentlich auf die zu den fixen Zeiten ihrer Frühjahrs- oder Herbstkampagnen und in wechselnder Größe der Besetzung einfallenden Equipen ägyptischer und ausländischer Archäologischer Vereinigungen und Institutionen werfen. Dieser Widerspruch zwischen alter Weltbedeutung des Ortes und moderner Nichtigkeit schlägt sich im Gebaren der lokalen Bevölkerung nieder. Von dem Dauereingriff der Fremden und des diese unterstützenden Staates fühlen sich die stolzen Bauern leicht erniedrigt. Ihnen bleibt nur die Waffe der Affirmation des Selbst und die Kraft der eigenen Religion und, wenn es der Zufall des Glückes so will, der eigene, der geheime Fund. Eine große Spannung liegt über dem Ort, die sich aus dem Dauerkontakt von Islam, Antike und Moderne ergibt. Die Ruinen im Blick, können die Lokalen in der »Archäologie« kaum etwas anderes sehen, als »Schatzsuche« der Fremden. Auch wenn in den Ruinen nun wieder eine britische Archäologin unter Einsatz neuester Methoden weiterarbeitet und mit großer Empathie und Einfühlsamkeit mit der Welt des Dorfes kommuniziert, es ändert dies nichts an dieser Grundhaltung der Leute gegenüber dem Gelände am Dorfrand und den Fremden.

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161 | Vgl. Müller-Mahn, Fellachendörfer.

2008-03-05 11-54-40 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 0323172673541012|(S. 117-156) T01_06 kap 06.p - Seite 117 172673541020

Sykomore

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Scheich Shâbîn

Torso

»Great Pit« SCA-Office, Museum und Wärterhäuschen as-Sab´a Scheich al-Ghuzzî Wohnbebauung

Sykomore

neue Moschee Scheich Shâdâd Hauptmoschee Abû ´Îsâ Rosetta-Nilarm Scheich Îbrâhîm Scheich ´Abbâs

C Skizze von Sais (nach Aufzeichnungen von Silvia Prell)

In den 1990er Jahren brachen offene Konflikte zwischen Sufis (Mystikern) und Salafiyyin162 (Fundamentalisten, unter sauditisch-amerikanischem Einfluss allgemein apologetisch als Reformisten bezeichnet) über die, dem alten Ort angelagerten Heiligengräber aus. Die Schärfe der Konflikte – man spricht von Toten – ist überall im Dorf in Erinnerung, man spricht darüber, eine Haltung, wie sie sonst in der Region kaum verzeichnet werden konnte. Hier ist es nicht nur die Rede und die Erinnerung von den Konflikten, man verhält sich so, als könnten sie sofort wieder aufflammen.

162 | Das sind so durchaus auch vor Ort gebrauchte Termini.

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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38 Maqam und Stadt Disuq

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39 Übersicht über Sais

40 Maqam des al-Ghuzzî

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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41 Al-Shâhîn

42 Shadât mit Kûm im Hintergrund

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Das überzieht das Dorf mit einer eigenartig spannungsgeladenen Aura, so als läge die in wenigen Blöcken und Fundamenten am Platz noch sichtbare historische Größe des Ortes, wie ein Fluch auf den lebenden und arbeitenden Nachkommen (vgl. Abb. 39). Es kann deshalb nur bewunderungsvoll erwähnt werden, dass Penelope Wilson, »Bînî«, wie sie nicht ohne einen touch von freundschaftlicher Vertrautheit, von Polizisten, Wächtern und immer wieder auch von Leuten im Dorf genannt wird, sich nun mehr schon seit über 10 Jahren auf völlig unspektakuläre Weise als Archäologin an diesem Ort bewegt, ja, wie sie ihr »Grabungshaus« mit den Familien teilt, die sie in ihren Häusern bewirten. Dass hier ein neuer Geist der Archäologie eingezogen war, wurde mir durch die Erzählungen der Leute in Sais bewusst, aber aufgrund der durch Zufall in ihrem Haus zustande gekommene Begegnung im Frühjahr 2007 nur bestätigt. Einem weiteren Zufall verdanken wir die Kenntnis des gerade Ende 2006 erschienen Buches, in dem Penelope Wilson ihre Forschungen und Berichte – bis auf die Anfangszeit ihrer Grabungen zurückgehend – zusammenfasst und zudem einen ausführlichen Blick auf die Forschungsgeschichte des Ortes legt. Die Bibliothek des Instituts für Ägyptologie in Mainz hatte es gerade angeschafft, als auch schon Frau Sandra Sandri dankenswerter Weise darauf aufmerksam machte. Im DAI in Kairo konnte Frau Prell dann Lagepläne aus diesem Buch kopieren und mit ins Feld bringen. Das Buch ist denn auch ein dauernder Begleiter meiner Ausführungen und eine großartige Ergänzung zu meinen vor Ort getroffenen Aufzeichnungen. Bedauernswert ist, dass solche Zufälle sich oft zu spät, ja, manchmal – wie hier – gewissermaßen in letzter Minute ereigenen.163

163 | Silvia Prell hat in Ergänzung zu den entsprechenden Teilen des Wilson-Buches in einer kurzen Übersicht die Ausgrabungsgeschichte von Sais dokumentiert, die in Teil II angefügt ist. Vgl. unten S. 213-218.

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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43 Sadîqa as-Saba mit Great Pit davor

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Die verschiedenen vor allem in ägyptischer Regie geführten Ausgrabungswellen haben nicht mehr als ein großes Wasserloch, fast nur einen Tümpel hinterlassen – the Great Pit, wie es unter Archäologen genannt wird. Ein paar Steine und Säulen liegen verstreut herum und werden von der Polizei und mehreren sich in Schichten abwechselnden Wächtern (hâris, pl. hurâsa) bewacht. Während die Polizisten alle aus den umliegenden Dörfern stammen, wohnen die Wächter am Kum im Dorf und sind offensichtlich aus Familien der besser gestellten, weil selbst in bescheidenem Maß grundbesitzenden Schicht ausgewählt. Sie alle stehen im Sold der Altertümerverwaltung und haben nur mittelbar Kontakt zur örtlichen Polizeistation im Dorf. Etwa um das Jahr 2001 herum wurden aus den Moscheen der umliegenden Gegend alle »Steine« verbannt, ausgelagert in Museen oder aber nach Sais gebracht. So liegt ein schwarzer Stein, ein »Würfelhocker« (einen Höfling bzw. Beamten darstellend), der aus der alten Hauptmoschee von Basyûn kommt (ca. 10 km südlich vor Sa al-Hagar).164 Er wurde am bewachten »Museums-Platz« am Tell niedergelegt, wie auch ein Stein aus rotem Granit, der aus der Hauptmoschee von Sa al-Hagar entfernt wurde, ja alle Granitsäulen wurden aus dem hinteren Teil der Moschee und dem al-mîdâ (Waschraum) herausgenommen und auf den Platz gebracht und praktisch zur Abgrenzung des Raumes zwischen Wächterhütte und offizieller Polizei-Station ausgelegt. An den Tell angelagert sind im Osten und Norden zwei Friedhöfe. Wie überhaupt das ganze Gebiet des Tells fast quadratisch in allen vier Himmelsrichtungen von je einem Lokalheiligen abgeschirmt wird. Im Westen (Nilrichtung) das as-Saba oder Sadîqa as-Saba oder as-Sâdât as-Sâqa, im nördlichen Friedhof der Shâhîn, im östlichen Friedhof der Azab oder al-Ghuzzî, sowie im Süden schon ins Dorf reichend der Shâdâd. Es handelt sich um Qubbas der einfachsten Art, sie sind aber alle durchaus von beträchtlichem Alter. Am Maqam des al-Ghuzzî hat es etwa um das Jahr 2001 herum tragische Kämpfe zwischen Salafiyyîn und Sufiyyîn gegeben, bei denen es nach Berichten offenbar mehrere Tote gab. Seitdem sind alle Mawlids im Dorf abgeschafft. Nur nach weiterem Nachbohren erfahre ich, dass es doch noch eine Art laila kabîra gibt, also keine volle, sondern die kleine Mawlid mit dhikrs am Maqam des Shâdâd und zwar nur am Abend vor der mawlid annabi (dem Geburtstagsfest des Propheten) (vgl. Abb. 40 bis 43).165

164 | Beschrieben von Hanachi, Sais, S. 369f. 165 | Dies ist ein Schicksal, das das Maqam des Shâdâd mit vielen anderen Maqams von Fellachenheiligen teilt. Wo noch bis in die 1990er Jahre hinein auf Feldern und an Dorfrändern stehende kleine Maqams ihre Mawlid hatten, wurden diese zu den alten Daten abgeschafft. Man erlaubte den Dörflern dann – natürlich auch im Sinne einer orthodoxen Waffe gegen die Sunniyyîn wie die Reformisten und Fundamentalisten auch genannt werden – zum offiziellen Feiertag des Prophetengeburtstags dort zu feiern.

2008-03-03 16-13-48 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 017d172516257756|(S. 117-156) T01_06 kap 06.p 172516258164

125 Sa al-Hagar – das alte Sais

Im Dorf selbst erscheint die Masjid al-Kabîr zunächst von außen als großer traditioneller Moschee-Bau, dessen sehr beeindruckendes Minarett noch gut erhalten ist. Auch hier handelt es sich um eine Moschee aus der Mameluckenzeit. Doch welch ein Unterschied zu Fuwa. Von der Gestaltung des Innenraums der Moschee her könnte man meinen, hier sei alles getan worden, um jeden Anklang an Tradition verschwinden zu machen. In Fuwa gab es kleine, ähnlich schlecht bearbeitete Moscheen, aber hier handelt es sich um eine bekannte Haupt-Moschee, die mehrere hundert Jahre alt ist. Man kann aber nur von einer in Wellen der Renovierung verwüsteten Moschee sprechen. Die Säulen sind dick mit einem scheußlichen Putz in Terrazzo-Art grün überzogen. Man hat solche dicken Säulen sonst in so alten Moscheen nicht. Die Decken sind grün, eher verschmiert als lackiert. Es fehlte an fachlichem Grundwissen und handwerklichem Können. Vor dem verbauten Haupteingang (warum geschlossen wurde, konnte uns niemand sagen) lagerte eine Gruppe von alten Männern, die sich alle in ihren Aussagen über Alter, Renovierung, und Veränderungen an der Moschee widersprachen. Wir benutzen einen Nebeneingang und treffen auf einen Moschee-Angestellten (hâris), der wenig weiß, weil er aus einem Nachbardorf stammt. Ein paar Männer kommen hinzu, alle geben widersprechende Angaben über das Jahr der Renovierung. Am überzeugendsten ist noch die Aussage eines älteren Mannes mit einem weißen Burnus (taqiyya) auf dem Kopf, der sagt, ein großer, mit Hieroglyphen beschrifteter, roter Stein sei vor etwa 30 Jahren aus der Moschee entfernt worden. Die genannte Jahreszahl ist sicher völlig ungenau, und so könnte es sich um den Stein handeln, den Habachi aufgezeichnet hat, ja dass infolge seiner Aufzeichnungen von Regierungsseite gehandelt und der Stein zum Platz verbracht wurde.166 Der »Stein« habe an der maqsûra (Abtrennung, Verkleidung des Sargs) vor dem darîh (Grab) gestanden. Ich notiere nicht den Namen des Heiligen, denn von dem darîh ist in der Moschee nichts zu sehen, auch keine maqsûra.167 Er bestätigt, ja, auch diese seien beim Umbau entfernt worden. Unser Gespräch wird erst einmal vom amtierenden Imam der Moschee unterbrochen. Es handelt sich um einen etwa 40jährigen alten Mann mit schwarzem eckig über das Kinn geschnittenen Bart. Für ihn gab es keine Renovierung der Moschee, nicht in den letzten 30 Jahren. Es habe hier nie einen Stein (hagar) gegeben, nun vielleicht noch im 19. Jahrhundert, aber davon wisse er nichts. Er tritt sehr bestimmt und selbst-überzeugt auf, so als

166 | Vgl. Abb. 59. 167 | Wie überhaupt der Verlauf der Kontakte und Gespräche an diesem Ort höchst unfreundlich verliefen, ich habe ihn dann auch daraufhin beständig gemieden.

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wäre das seine Moschee, und die habe sich eben seit hundert Jahren nicht verändert. Als ich ihn frage, ob es hier in der Moschee hadras und dhikrs (Versammlungen und Meditationsübungen) von Sufi-Orden gibt, tritt seine salafitische Haltung ganz offen zu Tage: oh, nein, wir haben sie seit langem entfernt (ikhnâ shâlnâhum min zamân). Damit zeigt er offen seine Gegnerschaft zu den Sufis. Der von uns als Sufi erkannte und so freundliche Mann mit dem Burnus schweigt und will sich stillschweigend zurückziehen, während der Imam auf platte Art behauptet, dass es im ganzen Dorf keine Sufis und tarîqas mehr gebe. Doch er kommt zurück, nachdem der Imam gegangen ist. Es ergibt sich eine ausführliche Diskussion mit ihm und der übriggebliebenen Gruppe von Herumstehenden. Es wird mir mitgeteilt, dass die tarîqas zwar aus der Moschee verbannt wurden, dass sie aber noch ihre hadras durchführten, nur eben nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern in den Häusern der murîdûn (Schüler, Unterwiesene). Es habe zuviel Streit im Dorf gegeben, und da habe die Regierung (sprich hier die Awqâf-Verwaltung) den Sufis die Moscheen verwehrt. In dieser quasi öffentlichen Diskussionsrunde in der Moschee wird auch deutlich, dass niemand bereit ist, mir eine Moschee zu nennen, in der noch Sufi-hadras stattfinden. Später aber finde ich eine solche Moschee.168 Unweit der Hauptmoschee, eingelagert in ein enges Wohnviertel, befindet sich ein kleines Maqam, das nicht älter als etwa 150 Jahre sein dürfte. Es war bis 2005 von der jüngsten salafitischen Renovierungswelle verschont geblieben, wohl weil man die dort noch vorhandenen Assuan-Granitschwellensteine und die weißen römischen Marmorsäulen schon lange vorher mit grüner Farbe übertüncht hatte. Ein älterer, sich als Sufi (burhâmiyya) ausweisender Mann, sagt uns, dass die Sufi-hadras, die man früher hier immer hatte, heute in allen Moscheen und Maqamen nicht mehr geduldet würden, und dass sich die tarîqas nur noch privat in den Häusern der murîdûn treffen. Ich wurde von einem Mann auf diese Moschee aufmerksam gemacht, der offenbar still die etwas schief gelaufenen Diskussionen in der Haupt-Moschee verfolgt hatte und mich nun aus der Moschee kommend persönlich ansprach. Es ist das Maqam und Moschee des Sîdî Îsâ al-Ansârî, welche unweit der Großen Moschee in einer Seitenstraße liegt. Die Moschee ist hier offensichtlich später an die Qubba des Heiligen angebaut worden. Das Alter der Moschee und des Maqams sind nicht genau zu bestimmen. Sufi-Aktivitäten werden bei konkreter Nachfrage verneint, aber der Habitus, der hier aktiven älteren Männer, lässt ahnen, dass sich hier eine besondere Gruppe von Männern um die Moschee kümmert. Sie wird offensichtlich von ein paar alten Sufis unterhalten (dass sie z.T. kleine Awqâf-Angestellte sind, steht dazu

168 | Zumindest gab es sie noch zum Zeitpunkt unseres Gesprächs im Frühjahr 2005. 2006 schon sah das anders aus, die Moschee war renoviert und den Awqâf unterstellt.

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127 Sa al-Hagar – das alte Sais

keineswegs im Widerspruch), aber auch sie sagen, dass es keine hadras hier gibt. Im Innenraum der Moschee befinden sich zwei römisch anmutende Säulen. Es wird behauptet, dass eine der Säulen aus Marmor sei. Das aber lässt sich nicht nachvollziehen, denn sie sind dünner von Gestalt und mit dicker grüner Farbe übermalt. Es sieht eher so aus, als wären es Imitationen. Doch die Türschwellen, die z.T. mit nun abblätternder Farbe, ebenfalls übermalt waren, sind unbeschriftete rohe Blöcke aus Assuan-Granit: einer am Türeingang zum darîh, der andere am Eingang zur Moschee. Es ging früher einmal darum, sie unsichtbar zu machen, sie islamisch zu übertünchen, heute steht man dazu, so dachte ich jedenfalls 2005, denn 2006 waren sie bereits wieder mit neuer Farbe überstrichen. Insgesamt machte die Moschee einen heruntergekommenen Eindruck, der dem der kleinen alten StadtteilMoscheen in Fuwa vergleichbar war. Der darîh musste aufgeschlossen werden und war völlig heruntergekommen und verfallen. Es sind alte Sufis, die sich hier treffen, wenn das auch nur nebenbei gestanden wird, und vom Charakter glich dies eher einer ahâli-, koopertiv unterhaltenen, nichtoffiziellen, Moschee. Beim zweiten Besuch im Frühjahr 2007 sieht die ganze Moschee wieder anders aus: Sie ist vollständig renoviert, die Granitschwellen nochmals mit neuer Farbe überstrichen und wieder ganz Grün und der darîh ist so neu gestaltet und mit neuen Stoffdecken überzogen, dass der Anblick davon fast genießbar wird. Diesmal konnte ich ohne Prozeduren des Aufschließens und des »Warum?« in das der Moschee angeschlossene Maqam eintreten (vgl. Abb. 44 und 45).169 In alten Zeiten war Sais, bereits seit der ersten Dynastie belegt, ein Wallfahrtsort der »Kriegsgöttin« Neith.170 Es kann aber kaum behauptet werden, dass das Maqam des Abbâs, das südlich auf gerader Linie zum Dorf hin auf dem Feld draußen ganz nahe am Nil liegt, mit dem Mythos der Neith in irgendeiner Verbindung steht. Dass es sich hier an diesem wunderbar gelegenen Ort, um das Maqam eines Kriegshelden aus der Zeit der Ausbreitung des Islams und um einen Prophetengenossen, den Vater eines berühmten frühislamischen Gelehrten, Abdallâh b. Abbâs, handelt, ist wohl eher zufällig.

169 | Diese Ambiguität im Umgang mit den Granitschwellen in Moscheen, Madrassen oder Heiligengräbern hat sicher mehrere Ursachen, wie Haarmann, Regional Sentiments, zeigt, hier ist es aber auch nicht nur ein Fortleben aus mittelalterlicher Zeit unter islamistischen Bedingungen, vielmehr geht es in einem ganz modernen Sinne darum historische Bezüge auszutilgen. Nun, Haarmann scheint anzuzeigen, dass es auch das – wenn auch sehr äußerlich – schon in mittelalterlicher Zeit gab. 170 | Vgl. Teil II von Silvia Prell, S. 213-216.

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44 Abû Îsâ-Moschee

45 Schwellenblöcke am Eingang zur Abû Îsâ-Moschee

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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46 Maqam des Abbâs

47 Alte Frau am darîh des Ibrâhîm

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48 Maqam des Abbâs mit darîh, maqsûra und »modernisierten« nuzûr

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49 Darîh des Ibrâhîm

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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50 Auf dem Weg zur Sab‘a Qubba

51 Moscheeneubau am Tell

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Seit etwa 2001, »seit 5 Jahren«, so heißt es bei einem Besuch in 2005, gibt es keine Mawlid des Abbâs mehr. Eine alte Frau, die das Maqam des Ibrâhîm in der traditionellen Art des Fellachenheiligen pflegt, klärt uns auf: »Abbâs, das war ein Krieger unter den Prophetengenossen und deshalb haben die auch hier kriegerisch gekämpft (Abbâs da kân harbî min al-ashâb, ashein kedha humma herebu bad hinne).«

Das humma zeigt an, dass es für sie »andere« waren, nicht die hier Wohnenden, die an den Kämpfen um die Mawlid am Maqâm beteiligt waren. Das Maqam des Abbâs wirkt auf den ersten Blick roh und ungepflegt. Doch es wird sauber gehalten und es sind auf dem darîh Votationen ganz besonderer Art sichtbar, die mir so in der ganzen Gegend nicht begegnet sind: das Palästinenser-Tuch und die Bücher (Koran und Hadith-Texte) als Hinweis auf die Geltung der »Schrift«. Diese habituelle Gestaltung des Ortes darf als manifestes Zeichen dafür gewertet werden, dass hier – bei aller Skepsis – ein »Heiliger« auch unter fundamentalistischen Vorzeichen erhalten bleibt und die Kontinuität seiner Verehrung in die neue religiös-politische Stimmungslage eingebettet werden kann, auch die Schals der Frauen sprechen davon (vgl. Abb. 46 und 48). Doch am Maqam des verwaisten Fellachenscheichs Ibrâhîm ohne Maqsûra am darîh hält einsam und allein die alte Frau Wache (vgl. Abb. 47 und 49). Zwischen den beiden Maqamen befindet sich eine kleine Siedlung von landlosen Bauern (izba), die hier draußen, an diesem zum Nil hin wunderbar offenen Ort, ein ruhiges Leben führen. Kein Vergleich zur Enge im Dorf. Kurz vor der Siedlung steht noch eine zweite uralte Qubba, die des Ibrahîm, sie beherbergt eindeutig einen »Bauernheiligen«, dem bisher die offizielle Anerkennung verweigert bleibt, und der doch von der alten Frau liebenswürdig umhegt wird. Die Leute leben hier vom Fischen und gewinnen dem Nil einen kleinen Streifen Land ab, auf dem sie Bananen pflanzen, Klee fürs Vieh und Gemüse. Alle haben Handys, alle sind sehr marktvernetzt. Wie marginal und zugleich frei die Verhältnisse hier sind, kann man nur erahnen. Ich spreche mit einem Mann aus Alexandria, man merkt, dass er irgendwie nicht dazu gehört, aber er hilft beim Fischen. Es stellt sich heraus, dass er hier verheiratet ist, seine zweite Frau. Er selbst treibt Handel mit kleinen Produkten, die in Alexandria Absatz finden, wie z.B. lîfa, ein ausgetrocknetes Gurkengerippe, das in Ägypten zur Köperpflege gern genommen, ja heute auch international vermarktet wird. Eine Woche im Monat ist er hier, und dann wieder drei Wochen bei der ersten Frau in Alexandria. Die Männer liegen wortkarg auf den Booten, die am Ufer unter den Bäumen und Stauden vertakelt sind. Hier findet nicht weit auch eine gamûsa (Wasserbüffelkuh) Schatten. Zum Mittagsgebet (dhuhr) löst sich die Gruppe auf.

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135 Sa al-Hagar – das alte Sais

Im Gegensatz zu Fuwa blieb Sa al-Hagar, obwohl es mit seinen ca. 30.000 fast ebenso viele Einwohner hat wie Fuwa, immer nur der dem Kûm angegliederte Dorfflecken. Ökonomisch tritt das traditionale Handwerk gar nicht in Erscheinung, alles nur Landwirtschaft und kleine nachgelagerte Versorgungs- und Reparaturbetriebe. Sonst steht hier, wie überall im Delta, Haus an Haus. Die Bauern können sich noch heute nur ungern von ihrem Vieh trennen (das hatte schon Herodot beobachtet)171 und halten es in der überkommenen Form in ihren Häusern, selbst da wo diese heute gar als Betonbauten mit gefliesten Fluren ausgestattet sind, in denen oft genug Kühlschränke und Waschmaschinen quasi ausgestellt sind. Auch kulturell repräsentiert Sa al-Hagar – wie schon gesagt – einen Extrem-Pol zu Fuwa. Das Ganze hat eine gewachsene Aura der marginal ländlichen Notwendigkeiten mit einer fast offenen Feindlichkeit zum Kum, zur Antike, zum traditionellen Sufitum. Es gibt keinen Reichen hier, der es nicht durch Fundstücke geworden wäre, die er unter seinem Haus oder am Kum gefunden hätte, wird erzählt. Man steht also durchaus in einem heimlichen, auf die Schätze unter der Erde setzenden Kontakt mit der Antike. Das hindert aber andererseits nicht, vor der offen ausgetragenen Attitüde des feindlichen, ja wenn nicht gar zerstörerischen Umgangs mit pharaonischen Relikten am Kum selbst. Es ist eben auch noch nicht lange her, dass eine Reihe im mîdâ (Waschraum) der Hauptmoschee noch übriggebliebene Granit-Säulen ausgebaut und an die Polizei-Station (offenes Museum) gebracht wurden. Offensichtlich wollte man alle Stücke der Antike, die in Moscheen oder sonst im dörflichen Raum ausgestellt waren oder noch sind, aus dem unmittelbar zugänglichen Umkreis des Dorflebens verbannen, oder einfach unsichtbar machen (vgl. Abb. 50 und 51). Die Leute spielen offenbar ein Doppel-Spiel mit unsichtbaren Karten. Sicher sind sie an geheimer Schatzsuche interessiert, sicher pflegen die Frauen noch rituellen Umgang mit den »Steinen«, und sicher sind es nicht nur die Frauen, sondern es sind Männer, die gerne pharaonische Steine um sich haben. Doch gegenüber der öffentlichen Welt des Kum mit Archäologen, Touristen und Polizisten, von der sie ausgeschlossen sind, schließen sie sich selbst noch einmal in der stillen, unausgesprochenen Annahme ihrer der kulturellen Exklusion aus. Die Geschichte und die Relikte der antiken Welt am Ort sind so nicht Gegenstand lokaler kultureller Pflege, denn das ist ja doch nur das Spielfeld der Regierung und der in- und ausländischen Equipen.

171 | Herodot, Bücher, S. 79: »Die anderen Völker leben getrennt von ihren Tieren, die Ägypter aber mit ihren Tieren zusammen.«

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So ist das Dorf Sa al-Hagar ein exkludierter und in islamistischer Affirmation sich selbst exkludierener Komplex am Tell des alten Sais, der ägyptischen Hauptstadt der 26. Dynastie, und der alten Tempelstadt der Göttin Neith. Mit modernen Ausgrabungen in großem Umfang, die Daressy 1901 begann, geriet Sais in den Blick der archäologischen Öffentlichkeit. Es ist hier nicht der Ort die Geschichte der Ausgrabungen im einzelnen zu beschreiben.172 Für den hier entwickelten Zusammenhang des spezifischen kulturellen Zugangs zu diesem Ort in der Zeit der islamistischen Reformbewegung der letzten 30 Jahre ist aber gerade das Faktum dieser spezifisch modernen Vorgeschichte am Ort wichtig. Bereits Mariette’s Untersuchungen 1859, die sich noch vor allem an Berichten von antiken Autoren wie Strabon und Herodot orientierten, bis zu Daressy’s Kampagne mit systematischeren Ausgrabungen 1901, wurde sie Stätte immer wieder von spontanen und momenthaften Kampagnen ausländischer Equipen heimgesucht. Seit etwa den 1930er Jahren steht Sa al-Hagar unter der strengen Beobachtung der ägyptischen Altertümerverwaltung. Penelope Wilson hat eine Zusammenstellung der Unterlagen über sporadische Kampagnen aus der Behördenfiliale in Tanta geliefert.173 Sie selbst arbeitet seit 1997 in Sa al-Hagar mit einem sehr sensitiven, auf Einbettung in den modernen sozialen und kulturellen Kontext bestehenden Anspruch. Und doch ist auch hier die Dauer-Präsenz der staatlichen Ordnungshüter, vor allem aber der Altertumspolizei, unvermeidlich. Spätestens seit den 1930er Jahren gibt es neben den gängigen Stationen im Dorf das police office mit dem Büro des Supreme Council of Antiquities (SCA).174 Es gilt festzuhalten, dass anders als an vielen Orten im Delta, wo große Kums oft weitgehend unbewacht sind oder nur einen Dorf-Ghafîr haben, in Sa alHagar seitens der Behörden immer eine besondere und beständige offizielle Beachtung gegeben war. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gebildeten in Kairo sich der Bedeutung des Ortes bewusst waren, denn seit dem Griechen, Herodot (ca. 450 v. Chr.), und dem Römer, Strabon (ca. 25 vor Chr.), haben Araber wie Ibn Hauqal und al-Maqrizi den Ort erwähnt, aber mehr noch sind seit dem frühen 18. Jh. in beständiger Reihe immer wieder europäische Reisende an diesen Ort gekommen und haben sich seiner angenommen, nicht zu vergessen die literarische Beachtung, die Sais in Europa hatte. Die Griechen insbesondere zogen viel Philosophisches aus dem alten Sais das gerade von daher so imaginär bedeutungsvoll wurde. So gelangten z.B. die Übersetzungen eines ägyptischen Priesters von Hieroglyphen-Texten, die in den »Tempeln von Sais« gefunden wurden, ins Griechische, und Plato selbst hat erläutert, dass griechische Terminologie stark von diesen ägyptischen Priester-Quellen und ihrer Überlieferung abhängig war.175

172 | Vgl. Wilson, Survey, S. 87-96. S. a. Prell im Teil II, S. 213-218. 173 | Wilson, ibid., S. 91-96. 174 | Wilson, Survey, S. 154, Figure 40.

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»Einem gelang es – er erhob den Schleier der Göttin zu Sais. Aber was sah er? Er sah – Wunder des Wunders – sich selbst.«178

Hellmut Ritter, der dieses Zitat seinem Freund, dem Istanbuler Germanisten Traugott Fuchs179 verdankt, verbindet hier über die deutsche Früh-Romantik die »Göttin zu Sais« mit seiner Theorie des Sufismus.180 Silvia Prell macht auf Jan Assmanns Aufgreifen einer Ballade Friedrich Schillers aus dem Jahre 1795 Das verschleierte Bild zu Sais aufmerksam.181 So ist Sais noch heute ein im Geiste des Hellenismus fest verankerter Anziehungspunkt für die geistigen Wanderer in die Geschichte ebenso, wie für Archäologen und jene spärliche und besondere Art von Delta-Touristen, die es als festen Ort in ihrer Landkarte vorgemerkt haben. Das Dorf Sa al-Hagar selbst aber blieb für die Besucher immer so etwas, wie ein zu vernachlässigendes, modern ägyptisches, zurückweisendes und zurückzuweisendes, nicht zu betretendes Lebensgewirr, wie gesagt ein Anhängsel zum »Ort« der Antike. Die Bewohner hatten das zu verkraften, in ihrem Alltag immer in die historische Bedeutung des Ortes hineingerissen, hatten sie mit dem Faktum der überwältigenden Präsens des Alten an ihrem Ort umzugehen. Sie blieben zugleich eine Art orientalische Staffage im Blick der Fremden, die sie andererseits auch zu vielseitigen Hilfsleistungen heranzogen. Seit den rein ägyptischen Ausgrabungsanstrengungen, vor allem in der Zeit nach der Revolution von 1952, kamen die Leute aber auch unter die strenge Knute der Altertümerverwaltung, ja sie wurden gewissermaßen unter den dauerndem, nicht immer zu beweisenden Verdacht gestellt, Schatzräuber zu sein, und auf eigene Faust nach Relikten zu graben und mit diesen über den Schwarzmarkt in die eigene Tasche zu wirtschaften.

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Neben seiner gewissermaßen »touristischen« und legendären Berühmtheit, die sich bereits durch die Reisen Herodots abzeichnete, war Sais möglicherweise schon in griechisch-römischer Zeit dem Raubbau ausgeliefert gewesen. Später, in der Neuzeit war es dann Gegenstand wissenschaftlichen, historischen und archäologischen Interesses. Die europäischen Ägyptenreisenden, wie z.B. Niebuhr176 und Lane, mochten den Ort nicht missen.177 Zu erinnern ist auch hier an die literarische Berühmtheit, die Novalis dem Ort verleiht:

175 | Fowden, Hermes, S. 30, Fn. 105; vgl a. ibid. S. 140, 150 176 | Niebuhr, Voyage, S. 78f. 177 | Vgl. a. Wilson, Survey, S. 35-85. 178 | Novalis, Paralipomena zu den Lehrlingen von Sais, (zit. n. Ritter, loc. cit. Anm. 19). 179 | Ritter, Meer der Seele, S. 631. 180 | Vgl. zu Ritter und Fuchs als »Orientalisten«: Stauth/Birtek, Istanbul. 181 | Siehe Teil II von Silvia Prell, S. 215.

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Ja, sie verdächtigen sich noch heute untereinander der Schatzsuche. So wurde mir etwa bei einem Gespräch am Maqam des Shâdât von einem Dorfbewohner gesagt, hier gäbe es keinen Reichen, der seinen Reichtum seiner Arbeit verdanke, alles käme von geheimen Funden unter seinem Haus. Man muss solche Behauptungen nicht überbewerten, da wir sie überall in Ägypten, auch in Fuwa, zu hören bekommen. Doch Sa al-Hagar ist etwas Besonderes: Allein schon durch die alten Beschreibungen in der antiken Literatur gewann der Ort eine überdimensionale Bedeutung, die kaum mit einem Blick über das Feld und die wenigen Blöcke neben der Polizei-Station eingeholt werden kann. Wer mit literarischen Vorstellungen beladen nach Sais kommt, kann von den »Steinen« und dem von Müllhalten umgebenen Tümpel nur enttäuscht sein. Penelolpe Wilson betont den Gedächtnis-Charakter des Namens »Sa al-Hagar« als das Sa des Steines. Der Name scheint im 18. Jahrhundert von europäischen Besuchern erfunden worden zu sein und beklagt zugleich, dass das was in moderner Zeit an Steinen von Sa gefunden und gesammelt wurde, gemessen an den riesigen Tempelbauten, die hier vor allem in saitischer Zeit entstanden sind, nur von geringem Umfang ist (vgl. Abb. 52 bis 55).182

182 | Wilson, Survey, S. 266: »The name Sa al-Hagar, ›Sa of the Stone‹, is a memory, which appears from the eighteenth century onwards, possibly having been invented by visitors to the site. If the ›Great Pit‹ (der Große Teich, GS) and Northern Enclosure together had contained a major cult temple, ancillary buildings, tombs and tomb chapels of the elite Saite families and a number of smaller temples, then the granite blocks in the ›Great Pit‹, the forty or so stone blocks collected at the SCA office, the few noted by Habachi in the region, and the few statues and blocks or objects in the Museums with definite provenance from Sa al-Hagar, are an extremely small proportion of objects that once must have been at the site.«

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52 The Great Pit nach Süden

Sa al-Hagar – das alte Sais

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53 Blick vom Tell nach Norden

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54 Alltag am Tell mit Blick nach Norden

55 Alltag am Tell mit Blick nach Westen mit Blick auf die Qubba des Sab‘a

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Sa al-Hagar – das alte Sais

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56 SCA-Wächterhaus mit Hofmuseeum

57 Freilichtmuseeum in Sais

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58 Wächter

59 Spolien aus Moscheen

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Sais wurde so in realer Gestalt zu einem erbärmlichen, bedeutungslosen Ort, wie das Dorf selbst – und doch wird er polizeilich über das ganze Jahr streng bewacht. Nur in Umrissen sind Grundmauern aus der alten Zeit noch zu erkennen. Das Dorf hatte immer nur einen Grundstock an Arbeitern, Wächtern und Lokalführern für die Ausgrabungs-Kampagnen der Equipen zu liefern. Größer wurde das Dorf nicht durch die Bedeutung des Ortes, sondern als einfaches Ergebnis der allgemeinen Bevölkerungsexplosion im Ägypten des 20. Jahrhunderts. Die Landreform brachte die Aufteilung des Großgrundbesitzes der Familie Faid u.a., die hier alles dominierten, und bewirkte eine einfache Ausweitung der Kleinbauernwirtschaft überall, ohne Aussicht auf ökonomisches Wachstum durch Industrialisierung und Urbanisierung. Die wichtigsten Funde wurden nach Tanta, Kairo oder nach Europa in Museen verbracht. Das »Museum« am Ort besteht aus dem alten local office des Supreme Council of Archeology und dem »Freilichtmuseum«, das dort eingerichtet wurde, und dem ihm vorgelagerten kleinen ummauerten Hof, sowie einer auf etwa 30 Metern gegenüber liegenden Wächterhütte, die durch eine kleine Baumfront und zwei Reihen von antiken Granitsäulen zu einer Art Areal off limits angeschlossen ist, ein Bereich, der obwohl relativ offen, Unbefugten und besonders Frauen und Kindern aus dem Dorf verschlossen ist. Größere Fundstücke liegen auf der linken hinteren Seite der Station. Im ummauerten Hof finden sich unter schattenspenden Tut-Bäumen willkürlich verstreut ein paar alte Steine mit Inschriften, von denen die meisten nicht aus Ausgrabungen herrühren, sondern aus den Moscheen der umliegenden Dörfer hierher verbracht wurden, so etwa auch aus Basyun und der dörflichen Hauptmoschee. Sa al-Hagar blieb das einsame und verlassene Dorf am Nil, das es immer war (vgl. Abb. 56 bis 59). Die islamische Szene in und um das Dorf Sa al-Hagar bedarf unter Gesichtspunkten des symbolischen Kulturkontakts besonderer Beachtung, wenn sie auch auf den ersten Blick die gleiche kulturelle Armut reflektiert, wie die Relikte am Kûm. Das war offenbar nicht immer so. Es muss bereits im 18. und 19. Jahrhundert eine Art kultureller Aufschwung gegeben haben, der sich besonders der »Behegung« von Geschichte und ihrer kunstvollen und kulturellen Zeugnisse gewidmet hat. Hat das nur mit den Entdeckungen der ägyptischen Kulturmacht des Pharaos in der Zeit der Mamelucken zu tun, oder spielte nicht auch die neue Beachtung durch die Fremden während und nach der napoleonischen Wiederentdeckung »Ägyptens« eine Rolle? In vier in etwa den Himmelsrichtungen entsprechenden Positionen entstanden in dieser Zeit die Maqams der vier bereits genannten islamischen Heiligen, die mit ihre Qubbas das Zeugnis des Einen Gottes über der Tempelstadt der Heiden ablegen. Sie sind alle in der Form der klassischen ländlichen Qubbas gehalten, und zeugen doch schon in ihrer Anordnung von einem symbolischen Umgang mit dem antiken Ort, wie er in heutiger Zeit nicht mehr zu finden ist.

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In den Gesprächen vor Ort wurde die Frage nach der höheren Ordnung der islamischen Bauten um das Great Pit herum angesprochen. Die vier Gräber, so wird behauptet, reflektieren eine höhere Ordnung des Islams. Die Anordnung sei al-muraba’a (quadratisch, oder auf vier Teile ausgerichtet) und dies bezeichnet, sowohl den Bezug auf die vier Himmelsrichtungen als auch auf die vier Säulen des sufitischen Islams (al-Rifâî, al-Jîlânî, Ahmad al-Badawî, Ibrahîm al-Disûqî). Meine erstaunte Frage, warum sie dort stünden und nicht woanders, wurde von einem der Wächter des Kum so beantwortet. Nach Süden hin über das Dorf hinweg schließen sich fast auf einer Linie liegend drei weitere Heiligengräber an: das Maqam das Azab183, das des Ibrâhîm, dann das des Abbâs. Letzteres liegt auf der alten südlichen Stadtgrenze am Nil, das letzte Glied einer Nord-Süd-Linie, die sich über Kum und Dorf hinwegzieht und al-hadd al-mustaqim (die gerade, direkte Linie oder auch richtige, ewige Linie) bezeichnet wird. Als Wegstrecke gedacht, handelt es sich um die direkte Verbindung nach Süden zum Nil. So liegen sich etwa die Maqame von Abbâs und Shâhîn auf einer direkten Nord-Süd Geraden gegenüber.184 Die islamische Behegung dieses Raumes aus pharaonischer und griechisch-römischer Zeit ist mehr als deutlich. Geschichten kommen hinzu: So wird etwa von einem Gang unterhalb einer mächtigen Mauer, vielleicht ehemals Umfassungsmauer des Tempels – von Ost nach West verlaufend – berichtet, der irgendwie als bedrohlich und geheimnisvoll empfunden wird. Wer hineingeht, ist, wie von einem Fall erzählt wird, vom Tod bedroht. Eine andere Geschichte bezieht sich auf einen in Gold gekleideten Faun, der in der Nähe des Grabmals von Shâhîn erschienen sein soll. Der Prophet Mohammad soll hier einmal angereist sein, eine Ziege versperrte ihm den Weg. Da habe er durch einen Akt die Erde geöffnet und sei in dem geöffneten Schacht verschwunden. Dies sind in Inhalt und Metaphorik an die qisas an-nabawî anlehnende Volkslegenden185, die als wahre Erzählungen von Vorfahren in der Familie – sich dauernd verändernd – weitergegeben werden, ohne dass dabei allerdings die wichtigsten Topoi (wie hier: der Gang in der (zur?) Unterwelt, der goldene Faun, der vorbeikommende Prophet) verloren gingen. Im Unterschied zu den Zeiten, in denen die qisas noch zum Erzählgut tradierender Spezialisten gehörten, gelten die Geschichten in den Familien als wahre Begebenheiten und werden auf den Ort selbst bezogen, der dadurch in eine

183 | Al-Ghuzzi und al-Azab sind entweder identisch oder werden oft verwechselt, so ist es mir gegenüber oft passiert, dass die Qubba des al-Ghuzzi auch als die des al-Azab bezeichnet wurde. Allerdings ist es durchaus möglich, dass nach Süden in dem engen Wohnviertel ein weiteres Maqam steht, wie bei Wilson angezeigt wird, vgl. Fn. 183 bei Wilson, Survey. 184 | Vgl. die deutlichste Karte hierzu: Wilson, Survey, S. 98, Fig. 24. 185 | Ich habe in Band I die besondere Bedeutung der Prophetengeschichten, ihrer Erzähler und ihre besondere Rolle in der jüdisch islamischen Tradition hingewiesen. Vgl. Stauth, Abdallah b. Salâm, S. 68-72.

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»Diese letztere Stadt enthält eine Haupt-Moschee, zahlreiche Kirchen, einen Beamten der Qâdî-Polizei und einen Gouverneur, der hier residiert, und man sieht Märkte und ein Bad, das über eine Quelle verfügt, die unter dem Namen ›Brunnen des Moses‹ – Gottes Gruß sei ihm sicher – bekannt ist, und man gibt vor, dass er hier (in diesem Brunnen) eingekerkert war.«187

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mysteriöse, antik fremde Bedeutungswelt versetzt wird. Die »Geschichten« erscheinen »zerrissen« und entstellt, und dass die Metaphorik aus den qisas stammt, ist natürlich niemanden mehr bewusst. In diesen Kontext gehört auch die Geschichte, die Penelope Williams, die Archäologin am Ort, aufgreift, sie handelt über den etwa an der Stelle des heutigen Römischen Bads liegenden »Brunnen des Moses«, auf den Ibn Hawqal hingewiesen haben soll. Dass Moses hier im Gefängnis gesessen hätte, ist sicher ebenfalls eine aus den Prophetengeschichten übernommene Nachricht.186 Bei Ibn Hauqal, einem arabischen Geographen und Reisenden aus dem 10. Jahrhundert lesen wir in der französischen Übersetzung von Kramer und Wiet über Sa:

Die Hauptmoschee (al-masjid al-kabîr) neueren Datums spielt in der Ordnung der alten islamischen Vorstellungswelt, die pharaonische Geschichte als Vorgeschichte des Heils einbeziehend, keine Rolle mehr. Sie ist aller Installationen von Relikten aus pharaonischer Zeit beraubt. Doch in der kleinen daneben liegenden Grabmoschee des Abû Îsâ, in der Assuan-Granitsteinen als Schwellen verbaut sind, scheint sie gegenwärtig. Diese Moschee ist aber nun seit einem Jahr (und es kann nicht vermutet werden, dass dies bloß eine Reaktion auf unseren Besuch, auf den Besuch der Fremden war) der Awqâf (dem Ministerium für Religiöse Stiftungen) unterstellt, dann neu renoviert, die grüne Farbe über dem Granit erneuert, und evtl. antike Säulen nicht freigelegt worden. Der Tell mit dem Tümpelloch in der Mitte, das übrig geblieben ist, ist also von vier Heiligengräbern umgeben, eines an jeder Himmelsrichtung. Deren Namen ist auch ein Anzeichen für ihre Unbedeutsamkeit in der islamischen Geschichte: Al-Ghuzzî, (handelt es sich um einen Ghuzz-Türken oder um einen Mann aus Ghaza?) aber unter Fellachen heißt er einfach al-Azab188 – und die

186 | Vgl. Wilson, Survey, p. 41; Ibn Hauqal, Configuration, ed. Kramer/Wiet S. 150 und Karte 4. 187 | Ibn Hauqal, Configuration, ed. Kramer/Wiet, S. 140: »Cette dernière ville contient une mosquée cathédrale, de nombreuses églises, un officier de police judicaire et un haut gouverneur y résident, et on y voit des marchés et un bain; il y a une source connue sous le nom de Fontaine de Moise, – que le salut de Dieu soit sur lui! – et l’on prétend qu’il y fut emprisonné.« 188 | Vgl. Anm. 183.

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Qubba des Shâhîn189 liegen den Friedhöfen des Dorfes angegegliedert, die sich an der nördlichen und östlichen Seite an den Tell anschließen. Dem stehen im Westen Sadât Assâqa – oder Sadât as-Sabaa, oder auch Sabaa Banât, oder Sayidnâ Safîkha190 – und im Süden ash-Shâdât191 gegenüber, letzterer ist heute schon fast ganz in die Gebäudemasse des anschließenden Dorfes eingebunden und vom Tell her kaum noch sichtbar.192 Es sind in den westlichen Kulturwissenschaften in den vergangenen Jahrhunderten viele Anstrengungen unternommen worden, den mythologischen Charakter von mathematischen Anordnungen von Pyramiden und Tempelhallen und -säulen etc. zu bestimmen. Natürlich ist die quadratische Anordnung von vier islamischen Heiligen am Great Pit von Sais nichts Vergleichbares. Hier sind um den Tell herum vier Maqams über einem Achsenkreuz zur Mitte angeordnet, sicher nicht auf Grundlage von mathematischen Berechnungen und auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang miteinander erbaut worden, sondern in der Zeit gewachsen, einfach den Tell umstellend. So stehen sich auch die uralten riesigen Sykomoren auf einer NordSüd-Achse über dem Tell gegenüber. Ohne Zweifel zieht sich auf eine ganz unspektakuläre Weise über die visuelle Beziehung über den Tell hinweg eine »islamische Ordnung« mit der Aura eines sakralen Raumes, welcher die in sich ruhende Atmosphäre von säkularen Elementen aus Natur und Geschichte in sich aufnimmt. Und jeder weiß, Kinder wie alte Leute, wo und mit welchem Namen ein Heiliger am Tell liegt. Wenn man sich fragte, ist dies eine uralte Form des »kollektiven Gedächtnisses«, eine Form der lokal-islamischen Anerkennung der Historizität des alten Ortes, eines pharaonischen Heiligtums, so wird man sich nur der einen Hälfte der Wahrheit nähern. Die andere Wahrheit ist, dass offensichtlich vor der modernen Entdeckungs- und Ausgrabungsgeschichte, die Bevölkerung des Modern Village of Sa el Haggar, so bezeichnet im 1841 publizierten Plan of Sais von John Gardener Wilkinson,193 aus Richtung des Dorfes ein Maqâm, nämlich das des Shâdât kannte. Es liegt eben da, wo Wilkinson es vermerkt, und dazu noch ein zweites Grab, das sich mehr noch zum alten

189 | »Falke«, wenn so gemeint – es könnte aber auch mundartlich qazab (Zuckerrohr) sein. 190 | Dies sind die in Gesprächen genannten, durchaus verschiedenen Namen für ein und das gleiche Maqam, das heute völlig verlassen und nur noch als Qubba steht. Penelope Wilson, die ihr Grabungshaus heute in der Nähe hat, nennt es Sidiqa Saba, vgl. Survey, S. 99 Fig. 25. Es werden in fast jedem ägyptischen Dorf die sabaa banât verehrt, die Sieben Heiligenfrauen, machmal auch die sabaa akhwât, die Sieben Heiligenbrüder. Über die »Sieben« als heilige Zahl in der ägyptischen Volkskultur hat Ahmad Amin, Qamûs, S. 300f. eine Notiz, die aber selbst wieder nur auf die koranische Verwendungen zurückweist. 191 | Gemeinhin »Kamelsattel«, wenn man ihn jedoch, wie Wilson es hat, als Scheich Shadeed (shadîd) bezeichnet, ist die Bedeutung »der Starke«. 192 | Nach Wilson, Survey, S. 154, S. 98, 99. 193 | Vgl. Wilson, Survey, S. 59.

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Dorf hin neigt, ein heute offenbar nicht mehr zu identifizierendes Grab. Wie Penelope Wilson zu dem Befund kommt, dass es sich hier um die beiden heutigen Gräber des »Shahîn« und des »al-Ghuzzî« handelt (also die Maqams im Osten und Norden), ist mir schleierhaft. Wer heute auf der offenen Zugangsstraße von Osten den Ort betritt, wird al-Ghuzzî zu seiner Rechten haben, Shâhîn ebenfalls zur Rechten aber viel weiter nördlich, Shâdât – man muss ihn, wie gesagt, hinter Neubauten suchen – liegt im Dorf leicht südwestlich. Man wird dann die offenbar völlig neue as-Sabaa Banât vor sich im Westen haben. Die beiden ältesten Gräber (Wilson sagt uns nicht, ob sie so schon im Plan von Champillion eingezeichnet oder von ihr nachgezeichnet wurden) wären sodann al-Ghuzzî und ash-Shadât.194 Diese These von der älteren Existenz der beiden mehr zum Dorf hin liegenden Maqams entspricht durchaus deren bauliche Struktur und Substanz. Ganz klar und deutlich kann man aber nicht von einer übergelagerten islamischen mentalen Ordnung in bezug auf das alte Sais sprechen, wenn hier auch eine Zug um Zug angelegte Annäherung der islamischen Heiligenverehrung an die Stätte der Alten anzusprechen wäre. Doch wenn man von einer balancierenden Ruhe der Heiligengräber über dem alten Ort sprechen wollte, so ist diese These zugleich auf eigenartige Weise gefährdet. Im Blick des heutigen Besuchers sind auch die Rauchwolken der Müllhalden, die ungezügelten Ausweitungen der quadratisch in den Himmel ragenden Baublöcke an der Süd-Seite, der Dorfseite, des Tells und jetzt auch noch das Monstrum einer großen Moschee im Rohbau, die ein letztes tun wird, das Maqam des Shâdât völlig aus dem Blickfeld zu nehmen, ein Wohnblock für Regierungsbeamte war da schon in den 1960er Jahren erbaut worden. Offensichtlich war es noch das antikes Land, aber es war öffentlicher Grundbesitz und daher aus Sicht der Staatsbeamten billig und

194 | »On a smaller plan Wilkinson drew in ›remains of crude brick houses‹ in the area now coverd by the ›Great Pit‹ and, clearly, the excavation of this area had not yet begun. The position of this material is confirmed by the two Scheichs‹ tombs to the north (Scheich Shaheen) and to the east (Scheich Ruzi) and by the position of the mosque to the whole area.« Wilson, Survey, 59-60. Man beachte, dass auf dem Plan von Wikinson beide Gräber fast auf einer Linie von Süden nach Norden (Nord-West) liegen, im Süden liegt offensichtlich ein heute nicht mehr zu identifizierendes Grab. Durch die verkehrte Oben/Unten Lage des Wilkinson-Plans, 1821 (Osten oben, Süden recht, Westen unten, Norden links) mag diese Beurteilung verursacht sein. In der Tat, der frühere und ähnlich gesetzte Sketch nach Champollion, 1828, (ibid. S. 54, fig. 7) weißt ebenfalls zwei islamische Grabmale aus, die auf einer OstSüdwest-Linie liegen, es wären sodann zu vermuten: Shadât (eher südwestlich), al-Ghuzzi (eher östlich). Champollion (vielleicht) 7 Jahre später als Wilkinson hätte die beiden heutigen Maqams (al-Ghuzzi, al-Shadât) »richtig« vermutet, Wilkinson nur den al-Ghuzzi, ein anderer im Osten zwischen Moschee und Ghuzzi wäre verschwunden, dafür zwei weitere in unmittelbarer Nähe zu archäologischen Bemühungen am Great Pit (Sabaa Banât) und zur Nothern Enclosure (Shâhîn) hin wären hinzugekommen.

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einfach zu verplanen. Noch allerdings besteht wenig Aussicht, dass die Moschee sich einmal in das Bild der ursprüchlichen, der sakralen Behegung des Ortes, das die Qubbas der Heiligen vermittelte, wird einreihen können. Woher also diese Unruhe, diese Zerstörungswut im Umgang mit dem Kum? Da waren zunächst die alten Kolonialherrn, die mit ihren Domestiken anreisten oder sich im Dorf neue beschafften oder Leute zu den Grabungen aushoben.195 In Wellen reisten sie an, folgt man Wislons Zusammenstellungen zur Ausgrabungsgeschichte, dann sind es zunächst im frühen 19. Jahrhundert Zeitabstände von 10 bis 15 Jahren, die sich gegen Ende des Jahrhunderts immer mehr verkürzten, bis im 20. Jahrhundert die ägyptische Altertumsbehörde das Bild der Kampagnen bestimmte. War hier die einheimische oder die fremde »Regierung« freundlicher? Man weiß es nicht. Dazwischen kamen immer wieder berühmte Reisende und weniger berühmte. Der eigene, der »islamische« Zugang schien zunächst noch von den Mamelucken geprägt: Einbau alter Säulen und Blöcke in den Bau der Hauptmoschee, die aus der Zeit stammt, wie gesagt, nicht aus Not und Mangel an Baumaterial, sondern zum stolzen Schmuck der neuen Gebäude. So also die Säulen und Blöcke in der Hauptmoschee, die lange vor der Ankunft Champollion gebaut worden war. Dann folgten die sufitischen Bruderschaften, mit einem neuen freien Umgang: Maqam-Bauten, Qubbas ohne Moschee draußen vor dem Dorf am Tell selbst. Dann die Nasserzeit mit den dürftigen Regierungsgebäuden und Beamten-Wohnblöcke am Tell, und neuerdings ein zweiter moderner, großer Moscheebau. Fast könnte man meinen die Menschen, und im Zusammenspiel mit Ihnen die Verwaltungen, arbeiten sich auf eine ganz verheerende unfriedliche Weise über die Zeiten hinweg an diesem Kum ab. Das Bild der Intoleranz und Unterdrückung von Praktiken und –festen, die der Volksreligiosität zugeordnet werden, einerseits, und andererseits die völlige Vernachlässigung oder nur halbherzige Sorge um die Altertümer, die buchstäblich im »Schlamm« der unmittelbaren agrarischen Interessen der Bevölkerung und der an Maximierungsinteressen (spektakuläre Funde einerseits, Raumnutzung andererseits; dann aber auch unvermittelte Konfiszierung einzelner, im Privaten genutzter Fundstücke) der staatlichen Öffentlichkeit zu versinken drohen, ließe sich endlos erweitern. Dörfer wie Nahariyya, Basyun, oder Sanhur196 sind voller pharaonischer Stücke, und doch werden sie nie zu sammeln sein, und zu einem umfassenderen Bild über

195 | Wenn auch sich nicht auf Sais beziehend, so vermitteln Petries Beschreibungen über Durchführung der Grabungen und Kontakt mit der lokalen Bevölkerung gewissermaßen repräsentative Einsichten. Man möchte hoffen, dass in der »zweiten« Betrachtung eines solchen historischen Arbeitstextes, Agyptologie und ägypt. Archäologie einmal »reflexiv« werden könnten. Vgl. Petrie, Ten Years Digging, passim. 196 | Vgl. Wilson, Survey, S. 45: »There was a quantity of ruins in the city of Sanhour, but with no recognisable shapes.«

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diesen südlichen Teil der im Altertum so lebendigen Kulturregion am oberen westlichen Nilarm liefern können). Man findet kaum hier eine Moschee, die nicht zum Ort wilder Auseinandersetzungen wurde. Wobei man kaum weiß, welche Interessen hier überwogen, die von mit dem Baugewerbe verbundenen Schmugglerbanden, von militanten Salafiyya Gruppen, von Traditionalisten und Sufi-Gruppen, von gegensätzlich orientierten Verwaltungsstellen. Die Geschichten über das Entfernen, Konfiszieren, Verschwinden, ja auch Wiederauftauchen von einzelnen Stücken, von manchmal blutigen Auseinandersetzungen, und einer im allgemeinen laxen, und nur im Eigeninteresse oder bei Konfliktfällen eingreifenden Behörden, sind endlos. Zwei der vier Maqams am Kum haben wir einer näheren Inspektion unterzogen, natürlich weisen die darîhs keine maqsûra auf, sie sind im »Volksstil« aufgebart, aber mit Decken versehen. Hinter dem Maqam des Shâhîn steht eine Hütte, noch in alten tub nay gebaut, die von einem alten allein Lebenden Tagelöhner bewohnt wird, der auf den Feldern der Familie Faid arbeitet und sich auch heute nicht zu schade ist für 10 L.E. am Tag Baumwole zu pflücken. Wir treffen eine alte Frau aus Qawadi, die offenbar in gutem Einvernehmen mit dem Alten, das Maqam des Shâhîn gerade besucht. Sie kehrt, wäscht ein paar ihrer Sachen an der trumba (Wasserpumpe) und macht natürlich einen großen Aufstand, als sie findet dass wir uns für das Maqam interessieren. Sitt al-ghalbana (arme Frau), die die Maqams in den Gegenden besucht und davon lebt, dass ihr für ihre hadamat li-llah (Dienste für Gott) hier und da eine gute Gabe erfährt. Nach dem tûf (dem Ritus des Umschreitens des darîh) gefragt, sagt sie, sie bete immer an den Maqams, und natürlich in den Moscheen, aber das rake (Verbeugung) könne sie nicht mehr machen, sie habe vergessen, wie man das macht. Da sie keine sibha, eine Art »Rosenkranz«, hat, spielt sie mit den Fingern – immer den Daumen zweimal auf einem Finger hüpfen lassend, die 40 subhân allah als sie vom Gebet aus dem Maqam zurückkommt. Davor war sie den Männern zur »Moschee« gegangen – in Fakt eine prächtig und modern gestaltete Grabstätte eines reichen Mitglieds der lokalen Grundbesitzerfamilie der Faid, die man von weitem für das Maqam des Shâhîn hält. Sie kam aber als erste wieder zurück und verschwand in der kleinen Fellachen-Qubba. Die Qubba des Maqams ist von einer prächtigen Sykomore überschattet. Gegenüber dem Maqam sitzt eine junge Frau und schneidet ihrer gamûsa Maisstöcke zum Fressen klein. Als sich der Fotograf nähert, steht sie auf, verabschiedet sich von dem Alten und geht nach Haus (vgl. Abb. 60 und 61). Zurück zu Wachposten und Museum streifen wir über das Schilffeld, Axel Krause findet beim Streifgang den Torso einer Statue eines Mannes, von der nicht eindeutig zu bestimmen ist, ob sie griechisch-römischen oder pharaonischen Ursprungs ist. Sie hat einen Brustschmuck und ist aus Assuan-Granit, ca. 130 cm aus der Erde ragend. Um den Stein herum finden sich viele anzeichen von Lager, Futterplatz, Feuerstelle. Später treffe ich hier

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einen alten Mann, der seine Schafe hier grasen lässt. Er rühmt sich der Verwandtschaft mit einem der Direktoren der Altertümerverwaltung. Meine vorsichtige Frage, ob nicht auch die Frauen hier her kommen, beantwortet er mit einer sehr heftigen Phrase, die ich so nicht wiedergeben kann. Er deutet an, dass nicht nur die Frauen des Dorfes selbst sich hier an dem Stein drängen. Auch meine erste Reaktion war: Unerhört, dass das noch frei in der Landschaft herumsteht. Es wird sicher noch kultisch populär genutzt und als solches von den Athâr und den Männern im Dorf geduldet. Was mache ich mit dieser Information? Soll ich zum Inspektor gehen? Ich halte mich zurück, halte es für falsch, mich einzumischen und diese Widersprüche evtl. zum platzen zu bringen. Meine Überlegungen waren grundlos, denn schon beim Besuch im Frühjahr 2007, war der Torso von seinen alten Platz im Kum entfernt und in das »Museum« an der Polizeistation eingelagert (vgl. Abb. 62).197 Dann hinüber zum Shadât auf der Ostseite, auf dem Weg dahin streift man eine uralte große Sykomore, deren Wurzelstamm mit einem Sockel aus Stein und Beton abgstützt ist – eine Mastabba schließt sich an den Sockel an. Dort spielt eine Gruppe von Kindern, die den Fotografen den Rest des Tages nicht mehr verlassen sollten. Das Maqam des Shadât liegt offensichtlich auf einem belassenen Rest des alten gabal, der heute völlig mit Wohnhäusern bebaut ist. Zwei vorbeigehende altere Männer berichten, dass sie noch vor Zeiten an dem gabal arbeiteten, als die Regierung die Grabstätten dort entfernen lies um Ausgrabungen vorzunehmen. Als sie nichts fanden, wurde das Areal vor dem Maqam zum Bau freigegeben. Während der Fragen wurden nebenbei immer wieder Themen erörtert – vor allem mit Karam, dem ägyptischen Fahrer – ob sie dabei Gold gefunden hätten: Sie verneinten das, aber der Tenor ihrer diesbezüglichen Aussagen war, dass es im Dorf keine reiche Familie gibt, die ihren Reichtum nicht aus den aus dem Kum gezogenen Stücken erworben hätte. Das Maqam des Shadât ist ein lebendiger Ort der dörflichen Öffentlichkeit mit einem sehr gepflegten darîh, an dem vor allem Frauen Anteil nehmen und mit vielen Devotionalien, wie bunte Seidenschals ihre Achtung vor der Kraft diese Scheichs zum Ausdruck bringen (vgl. Abb. 63 und 64). Auf dem anschließenden Areal stehen heute das Hospital das Ortes, der Dorfrat und anliegende kleine Verwaltungsgebäude (majlis), zwei große Wohnblöcke, die der »Regierung« gehören und von Beamten bewohnt werden, und jetzt ganz vorne am Kûm vor dem Maqam eine neue große Moschee im Rohbau (Frühjahr 2007), heute dürfte sie fertiggestellt sein. Davor befinden sich große Areale, auf denen nur Müll lagert. Die Männer vermuten, dass das auch nur eine Finte der Regierung sei, dass die Leute hier ihren Müll

197 | Dies geschah offensichtlich auf Veranlassung von Penelope Wilson, der zuständigen Archäologin vor Ort. Sie hofft, wie sie mir mitteilte, Mittel zu finden, hier ein überdachtes und gepflegtes Lokalmuseum einrichten zu können.

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ablagern dürfen, dann kommen die Bulldozer und machen Bauland daraus. Von dem früher 5.000 Feddân umfassenden Kûm, unter Verwaltung der Athar-Verwaltung, sind heute noch 90 Feddân geblieben, berichtet chief inspector Ahmad Fuad Rashwan al-Sharqawi (vgl. Abb. 65). An einem Freitag Vormittag im Frühjahr 2007 treffen wir uns mit den Männern der Polizeistation, eine ägyptische Archäologin aus Tanta verabschiedete sich gerade als wir kamen, so konnten wir einige Zeit mit den Männern verbringen. Aber man merkte die Männer waren kurz angebunden. Es war kurz nach 11.00 und drüben im Dorf wurde es langsam still, so auch in unserer Runde, so als wäre längst alles gesagt. So langsam verschwandt einer nach dem anderen in Bad und Toilette der Station und kam frisch geputzt wieder heraus. Man wechselte noch ein paar Worte, und ging, erstaunlich, nicht in der Gruppe hinüber zum Dorf, wo bald in der Haupt-Moschee, aber auch in allen anderen Moscheen, das Freitagsgebet mit Predigt (salât al-guma), beginnen sollte. Der Kum und das Dorf entleerten sich langsam von Menschen, unsere Männergruppe am Wächterhäuschen wurde auch immer kleiner. Plötzlich bemerke ich, dass sich eine Gruppe von Frauen, wie aus dem nichts kommend, still hinter dem Wächterhaus versammelt hatte, schweigend standen und saßen sie da. Eine Frau hielt ein großes buntes Tuch gefaltet über dem Arm. Es dauerte einen Augenblick, bis wir verstanden, dass die Frauen offenbar etwas Besonderes vorhatten und nur darauf warteten, dass Kum und Dorf gewissermaßen zur männerfreien Zone geworden waren. Glücklicherweise war auch Karam, unser Fahrer aus Fuwa, schon auf dem Weg zur Moschee ins Dorf. So blieben wir zu Dritt zurück, ein – offenbar eingeweihter – Wächter, Axel Krause und ich, und lagerten auf der Bank und den Matten vor dem Haus. Nun zogen die Frauen, uns nicht beachtend, zu den Steinen hin. Das alles vollzog sich sehr zurückhaltend und zögerlich, letztendlich aber doch auch sehr bestimmt: Sie umringten die Frau, die den Ritus vollziehen sollte und gingen nach und nach zusammen zu einem Sarkophag, zum nunmehr hier lagernden Torso, oder zu einer anderen Statue. Die junge Frau stieg, wo es möglich war, auf den Stein oder näherte sich ihm einfach. Stein und Frau wurden dann mit dem großen bunten Tuch überzogen, verharrten so eine kurze Weile auf oder an dem Stein bis das Tuch gelüftet wurde, und sie sich wieder in die Gruppe einreihte. Dann eine weitere Frau usw. Erstaunlich, wie ruhig das alles ablief, gemessen an den sonst lauten Gruppenprozessen unter ländlichen Frauen geradezu unvorstellbar, würdig und schweigsam. Als die Männer nach ihrem Gottesdienst wieder zurückkamen, zogen die Frauen sich langsam zurück. Niemand wagte das Ereignis zu kommentieren, alle wussten davon, alle schwiegen (vgl. Abb. 66 und 67).

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60 Shâhîn und Grabesmoschee

61 Shâhîn und Frau

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62 Torso am alten Platz

63 Shadâd darîh

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64 Shadâd

65 Kûm mit Blick nach Süden

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66 Frauen und Steine

67 Frauen am Torso (neuer Platz)

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Ich habe mich entschlossen, diesen Vorgang selbst hier nicht zu verschweigen. Wer Formen und Probleme des modernen Umgangs mit den »Steinen« aus der Pharaonenzeit untersucht, kann eine solche Erfahrung nicht ebenfalls mit Schweigen übergehen. Die besondere Dimension dieses Umgangs, die sich hier manifestierte, ist unter Altertumswissenschaftlern und Ethnologen ein gängiger Topos, in der ägyptischen Öffentlichkeit ist er weitgehend ein Tabu, unter Frauen selbst allerdings ein viel diskutiertes Problem, das viele Aspekte, physische, psychische, Aspekte der Geschlechtersegregation, sozial-medizinische und vor allem auch religiöse Aspekte und vieles mehr mit einschließt. Kinderlose Frauen, wenn sie nicht geschieden werden, haben in der ägyptischen Gesellschaft einen so geringen Status, und somit ein geringes Selbstwertgefühl. Sie können fast nur im Austausch mit Frauen, die das gleiche Problem haben, nach Lösungen suchen.198 Ich habe dieses Problem einmal mit Ethnologinnen der Universität Alexandria diskutiert, die unglaubliche Beispiele des Selbstschocks, der Selbsterniedrigung und der Rückkehr zu magischer Befangenheit auch unter hochstehenden Frauen der ägyptischen Gesellschaft aufzählten, die erschüttern. Leider sind mir ethnographische Studien über dieses Phänomens nicht bekannt. Ich kann hier nur im Sinne der damals an der Diskussion beteiligten Ethnologinnen, auf die Notlage kinderloser Frauen hinweisen. Es ist natürlich kein Zufall, dass gerade in diesem Punkt, nämlich mangelnder Fruchtbarkeit, die magische Kraft des alten Ägypten wieder und wieder gesucht wird.

198 | Vgl. auch meine kurzen Ausführungen über das Magharra Tell von Thmuis in der Nähe des Maqams des Abdallah b. Salam in Bd. I, s. Stauth, Abdallah, S. 43.

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7. Epilog In Nachkriegs-Zeiten, die die politisch-ideologische Restauration oder Rekonstruktion von Feindbildern erschweren, stehen erst einmal kulturelle Feinde auf der Liste des Antiliberalismus. Dies macht erklärlich, warum heute die Zeiten des liberalistischen Umgangs mit dem »Fremden« vorbei sind. Fast erscheint der empathische Blick aus liberaler Sicht auf die Kultur des Anderen als eine Attitüde, die dem Zeitgeist als das gilt, was Jakob Taubes als die »Biedermeierei« des deutschen Scheinliberalismus der Nachkriegsepoche ansah.199 Die deutschen Nachwirkungen des »11. September« haben den Islam als eine dem Terrorismus unterliegende Grundfolie erscheinen lassen. Der Frage nachzugehen, was Islam als gelebte Praxis sei, tritt vor dieser Folie als biedermeierlich zurück. Kann man Freund sein? Jetzt, wo auch noch deutlich wird, wie »barbarisch« Muslime mit den uns selbst so heiligen Steinen des Pharao umgehen können? Wenn die Aufklärung erst den »Pharao« ins moderne Geschichtsbewusstsein gerückt hat, dürfen wir dann die mangelnde Sensibilität und oft genug das mangelnde Wissen im Umgang mit pharaonischen Relikten beklagen? Und wenn, rechtfertigte das unseren »barbarischen« Umgang mit dem Islam? Solche Überlegungen stellen sich am Ende dieser Darstellungen, die ja selbst nur zwei Modelle des zeitlichen Umgangs islamischer Akteure mit pharaonischen Beständen anzeigen. Anders als der zivilisationsvergleichende und der politisch-theologische Diskurs beschränke ich mich mit diesen Fallstudien auf das Differenzverhalten in der rituell gestalteten Umwelt und an den Orten islamischer Heiligenverehrung. Wenn das Modell »Fuwa« die Möglichkeit, das Potential, ja die Forderung nach einem metropolitanen Toleranzmodell beinhaltet, so wird am Modell »Sa al-Hagar« zumindest klar, dass das Toleranzmodell nicht universalisierbar ist. Die Kontakt- und Austauschmuster mit dem Fremden, die »Sais« schon historisch am Ort vorgibt, engen den kulturellen Spielraum in einer Weise ein, der eine Selbstgestaltung des Übergangs zu Offenheit und Toleranz im lokalen Kontext auszuschließen scheint. Es stellt sich natürlich die Frage, ob gemessen an der allgemeinen relativen Armut und Marginalität, die am westlichen Nilarm, ja im ländlichen Delta insgesamt, vorherrscht, sich nicht beide Modelle gegenseitig vermitteln. Die Art von »Öffentlichkeit«, welche die »heiligen Orte« zu repräsentieren scheinen, stellt immer eine virtuelle Bedrohung des Toleranzmodells dar, ja sie setzt eine heterodoxe Kulturalität »von unten« als totale

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199 | Heute im Jahre 2007, werden liberale Bürger, die Muslimen das Recht »wirkliche Innländer« zu werden, nicht absprechen wollen, wie im Vokabular des Jacob Taubes in Paris 1986, als »wir leben in einer Biedermeierei« bezeichnet. Vgl. Taubes, Ad Carl Schmitt, Berlin: Merve 1987, S. 54. Man kann den Einfluss von Taubes bei dieser Wende gar nicht überschätzen.

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Sozialität voraus, die die institutionell geprägte Öffentlichkeit zu bedrohen scheint, sie zugleich aber auch ergänzt. Der ägyptische Soziologe Ahmad Zayed spricht deshalb von einer »unterentwickelten ägyptischen Moderne«.200 Die Landschaft des westlichen Nilarms nördlich von Rashid über Fuwa, Disuq bis hinter nach Sa al-Hagar, stellt eine eigenartig reiche Kulturlandschaft dar, die heute als solche kaum noch bekannt ist. Es handelt sich historisch um eine Art Vorland am Nil auf dem Weg nach Alexandria, hin nach den Übersee-Verbindungen zum westlichen und östlichen Mittelmeer-Raum. In islamischer Zeit waren Fuwa und Rashid die Verbindungsstädte, durch die jede Reise vom Mittelmeer, von Alexandria ins Landesinnere zu verlaufen hatte. Es handelt sich aber nicht nur um einen Vorraum zur Metropole Alexandria, um diesen Nilarm bildete sich über Jahrtausende hinweg ein eigenes Kulturland, mit den untergegangenen Tempelstädten von Sais und Buto, dem griechischen Handelsplatz Naukratis und in römischer Zeit der sagenumwobenen Stadt Metélis. Im Hinterland der heutigen Siedlungen befinden sich viele liegengebliebene Ruinenstädte, heute rotbraune Hügel, wie die in der Nähe von Fuwa und Mitubis liegenden oft Kûm al-Akhmar genannt, von denen man hinter Rosetta am Tell von Boulboutine einen ersten Eindruck gewinnen kann, deren Geschichte aber völlig im Dunkeln liegt. In neuerer Zeit sind Rosetta und Fuwa malerische Kleinstädte, die im ausgehenden Mittelalter wichtige Handelsstädte waren, später aber in eine marginale Lage gedrängt wurden. In der durch das Zusammenwirken von Antike, Christentum und Islam geprägten Kulturlandschaft, die für Eroberer, Händler, Fischer und Reisende ein strategisches Feld der Nilverbindung war, gewinnen die alten Orte durch die islamischen Heiligenstätten eine neue Kraft. Allein in Fuwa und Rashid finden sich Hunderte von Heiligengräbern und -moscheen. Wie überhaupt sich die reiche Vorgeschichte in den lokalen Volks-Mythen widerspiegelt, für uns am sichtbarsten in den prachtvollen Schreinen und der auf den Nil gerichteten Wallfahrtsordnung. Ein besonderes Ereignis von kulturhistorischer Bedeutung stellen die Nilfeste dar, die in neuer Form in den Patronatsfesten der Heiligen lebendig sind, in Rashid am Maqam des Abû Mandûr, in Fuwa die Mawlid des Abû al-Makârim, und in Form eines überregional bedeutsamen Massenfestes, die Mawlid des Sîdî Ibrâhîm al-Disûqî. Diese Heiligen signalisieren auch an normalen islamischen Festtagen Brennpunkte des ländlichen sozialen und religiösen Lebens. Um die besondere Verbindung von lokaler »Öffentlichkeit«, spirituell entäußerter Armut und moderner Sozialität, die in den Modellen »Fuwa« und »Sa al-Hagar« in unterschiedlich vermittelter Form zum Tragen kommt, anzuzeigen, möchte ich hier zum Schluss unter Rekurs auf den modernen Begriff der »Wallfahrt« (und des

200 | Zayed, Saints.

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»Pilgers«) zu sprechen kommen. Er deutet auf einen schon früh in der Religionsgeschichte hineinreichenden Komplex der Verbindung von »Ort« und trans-sozialem Erlebnis hin. In der Konstruktion des Heiligen und überhaupt des Religiösen ist mit der Metapher des »Reisens« (islam. Topos: ziyâra) auch auf eine weitere Vorstellung des sich Entfernens vom normalen, vom alltäglich besetzten Ort gegeben. Es handelt sich um eine Art des Grenzüberschreitens, der Migration, der Passage und der Station (higra; rihla, maqam). Wir sprechen hier neben den realen Prozessen auch in festen religiösen Metaphern. In der Religionsethnologie ist schon früh entdeckt worden, dass solche konkreten »Passagen« im Leben als auch im Religiösen als Bezeichnungen seelischer, der Mystik verwandter Prozesse herangezogen werden. Victor und Edith Turner haben der »Wallfahrt« deshalb die doppelte Bedeutung beigemessen, einmal als Ausdruck einer Art des extrovertierten Mystizismus, andererseits Mystizismus überhaupt als eine Form der introvertierten Wallfahrt verstehend.201 So gelten die liminalen, die entgrenzenden Effekte von Festen und Wallfahrten als bindende und integrierende Riten, die sich auf Land und Pflanzen, ja gewissermaßen auf eine äußere territoriale Integrität des Menschen beziehen, andererseits aber erstaunlicherweise gerade im ekstatischen Erleben einer extra-territorialen Welt zu einer kritischen Auflösung dieser Integrität und zu einem Übergang in eine »Neue Welt« der inneren Bildung führen können. Es wäre ein Fehler diese Aspekte voneinander zu trennen.202 Wir müssen uns dies in der Tat so vorstellen, dass es sich um – heute durch relative Armut und Marginalität bestätigte – Lebensformen handelt, die eigentlich an keiner Stelle durch das Aufdrängen wissenschaftlicher Methodisierungen und Festigungen des Lebens gefährdet erscheinen, und die Brüche und Aufgerührtheiten, ja auch diejenigen, die der Kontakt mit der wissenschaftlichen und der Medienwelt hervorruft, eher zum inneren Leben zugehörig betrachtet werden. Diese rituelle Form der Versöhnung bleibt, so sehr sie »transzendent« ausgelegt ist, lokal begrenzt. In einer so erlebten Welt ist das unauflösliche Problem der rituellen Integration der Gesellschaft, die Bindung der lebendigen Kreatur und des irdischen Seins an die Notwendigkeit ihrer Verzauberung im Ritus und an ihre symbolische Stilisierung gebunden. Es ist dies – im Kontext erfahrenen Geschichtlichkeit der realen Welt – mehr die Frage nach der rituellen Einheit als menschlicher Lebenswille. Natürlich kann man diese Frage auch auf einer höheren Ebene der Trans-Kulturalität stellen, dann ist dies ist auch die Frage danach, wie die Alte Welt (und die Umwälzungen in der Spätantike) sich über den Islam neue Bahnen in die Moderne geschaffen haben.203 Die »Wallfahrt« ist in der

201 | Turner/Turner, Image and Pilgrimage, S. 33. 202 | Van Gennep, Rites de Passsage, Turner, Vom Ritual. 203 | Vgl. Hermann, Rilke.

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Tat eine Metapher in der auch die zeitgenössischen Befindlichkeiten von Gesellschaften ihren kulturellen Ausdruck finden, wenn auch oft nur in den säkularen Analogien der auf bestimmte Ausmalungen von Orten und Landschaften bezogenen Lebensorientierung. Natürlich haben die durch ihre Grabmale gezeichneten Orte der Heiligen noch eine besondere Bedeutung, und wie wir im ersten Band deutlich beschrieben haben, sind die islamischen Heiligen nicht einfach nur mit der Tatsache und den Prozessen der islamischen Ausbreitung und der Islamisierung Ägyptens verbunden. Deutlicher als anderswo, waren die großen Orte in Ägypten und die kulturelle Bedeutung einzelner Landschaften durch die kulturelle Praxis der Frühzeit und die »Wallfahrt« der anderen Religionsgruppen, Christen und Juden und ihrer Geschichte vorgeprägt. Man hat sicher auch nicht sogleich, sondern in einem langen Prozess der Islamisierung und der Bildung einer Idee islamischer Heiliger sich gegebener Orte bemächtigt, neue Orte gewissermaßen missionarisch begründet, und schließlich in jedem Dorf, Stadtviertel, Nachbarschaften etc. die Gegenwart eines heiligen Mannes oder eines Relikts gesucht, um sich seiner neuen religiösen Ideen zu versichern, ja, sie von denen der Alten abzuheben oder gar gegen sie zu wenden. Dabei gewinnt die gehäufte Ansammlung von bestimmten Schreinen eine Verdichtung der kulturellen Produktion und eines geschichtlichen Bewusstseins. Der Zusammenhang von Ritual und Geographie oder, um es deutlicher zu sagen, von imaginärer und faktischer Ortbesetzung oder Landnahme ist ein wichtiger Gegenstand der religions-ethnologischen Forschung. Wir kennen diesen Zusammenhang auch aus dem heute fast schon landläufig gewordenen Gebrauch des Wortes mapping, das sich wiederum in der politischen Sprache in der Formung roas map, und in der pädagogischen unter mind map wiederfindet. Es handelt sich in der Ethnologie aber um eine Verortung von Formen der religiösen und sozialen Praxis, die sich über Landschaften erstrecken, ja diese in gewisser Weise aktualisieren, indem sie der physischen Topographie eine symbolische hinzufügen. Die heiligen Zentren, einmal in die Landschaft verteilt, bilden so auch leicht die Orientierungspunkte für politische Kontrolle. Es ist dabei gleich, ob es sich um Lagen am Fluss, am See, auf der Spitze des Berges, um Wald-, Fels-, Wüsten- oder Feldorte handelt, um Quellen oder Brunnen. Bei der Bestimmung solcher Orte spielte schon in der Frühzeit die Tatsache eine Rolle, dass es sich um eine Art der Veräußerung, des nach draußen Verlegens, der Bannung von Unglück und um Bedrohung handelt. Immer scheint es dabei aber auch um einen bestimmten Schwellencharakter des Ortes zu gehen, den Übergang von einer Landschaft in eine andere markierend, und somit selbst schon Übergang als Begriff einführend und symbolisch schärfend. In vielem was wir im nördlichen Delta an heiligen Orten noch zu sehen bekommen, werden

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wir auf diesen Charakter der Wallfahrtsorte zurückverwiesen, den Victor Turner mit seiner Theorie der »liminoiden Topographie« belegt.204 Die ägyptischen Orte sind, über die pharaonische in die griechisch-römische, dann über die christliche in die muslimische Zeit hinein, von schier unauflöslicher Beständigkeit. Dabei ist das Erstaunliche, dass man oft von einer ernsten Christianisierung der Orte erst im späten 5. und 6. Jh. n. Chr. sprechen kann. Meist handelte es sich, wie etwa im Falle von Menouthis, um Isis-Schreine, die dann nach der Auflösung der Serapeen und in den politischen Wirren des alexandrinischen Dogmenstreits im 5./6. Jh. christianisiert wurden und auch noch nach der islamischen Eroberung Ägyptens funktionierten.205 Man kann hier für das 6. Jh. also für das letzte vorislamische Jh. von einer heidnisch-christlichen Koexistenz – wenn nicht von einem Bürgerkrieg – am Kultort sprechen. Es ist von hier ausgehend durchaus angebracht, die Heiligen Orte und die Wallfahrten nicht einfach als religiöse kommunitäre Stabilisierungen zu betrachten, sondern als Orte an denen herkömmliche und eingespielte Erfahrungen hinterfragt und aufgebrochen, und miteinander wetteifernde Meinungen und Vorstellungen in Austausch gebracht werden und in Gegensatz zueinander geraten können.206 Unterschiedliche Wallfahrtsgruppen können so durchaus unterschiedliche Erfahrungen im gleichen Raum machen. Wäre das aber schon die Auflösung der herkömmlichen Wallfahrt in ihrer lokalkulturellen Funktion der Verbindung von Innen- und Außenerfahrung, der Grenzüberschreitung und der kommunitären Stabilisierung? Hier ist eine Beobachtung von außerordentlicher Wichtigkeit: Offenbar haben wir es im 6. und 7. Jh. mit einem »Zeitgeist« zu tun, der sich uns heute nur langsam im Erstaunen über die pharaonischen Kontinuitäten erschließt. Hier ein Beispiel: »Die Motivation, die die Bewegungen zu den Tempeln beherrscht, bezieht sich auf die laufenden Leiden und nicht auf die Heilssuche: der gute Verlauf der Geschäfte, der Alltag. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entwicklung der Orakel, der Rückgriff auf die rettenden Götter, bedeutsam. Wie schon J. Cernay bemerkte, das Beibehalten der an die Orakel gerichteten Bittschriften in Griechisch entspricht ägyptischen Anforderungen, so bestätigen auch die koptischen Papyri des VII. und VIII. Jh., das die Praktik des Orakels mit dem Heidentum nicht verschwand. Man wandte sich an Serapis, an Sobek: man wendet sich heute an den christlichen Gott. Allein der Islam beendete die Jahrtausende alte Praktik. Gleichfalls sieht

204 | Vgl. Die Ausführungen zu liminoid topography in Turner/Turner, Image and Pilgrimage, S. 112-113; 200-201. 205 | Vgl. Montserrat, Pilgrimage, S. 259, s.a. Takács, Magic, S. 500-507. 206 | Montserrat, ibid. S. 277.

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man keine starke Zäsur zwischen der heidnischen und der christlichen Epoche hinsichtlich der Gewohnheiten, zu den Schreinen zu ziehen.«207

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Nilwallfahrten sind seit Urzeiten mit der »Ankunft des Nils« verbunden.208 Dieses jährliche Ereignis, von dem die Fruchtbarkeit des Landes abhing, wurde von Seiten des Volkes mit Riten und Festen begrüßt und heute, da durch den Damm von Assuan die Nilflut gebändigt ist, spielen die Fruchtbarkeitsriten, die einst die Ankunft der Flut symbolisierten, bei den Ägyptern noch immer eine große Rolle, vor allem in den ländlichen Gebieten und bei den jährlichen Festen, die heute den lokalen Heiligen gewidmet sind.209 Die Kontinuität der Frömmigkeit des niederen Volkes gestaltet sich in einem dauerhaften Zusammenspiel von Volksriten und Tempeln oder später Kirchen und Moscheen. Es ging dabei um das gewissermaßen eigenbestimmte Durchführen sowohl bestimmter Riten, als auch um die Organisation sozialer Ereignisse, Feste, Umzüge, aber auch der immer dazugehörenden Märkte. Immer geht es dabei um Fruchtbarkeit – immer sind auch die metaphorischen Verschlüsselungen von »Land« und »Frau« um den die Fruchtbarkeit bringenden Nil gegeben.210 Mehrung der Fruchtbarkeit aber ist Mehrung von Überfluss, und das Fest ist der Tag des Überflusses, der Tag der Verschwendung, und die Jahrmärkte sich der praktische Ausdruck der Ökonomie der Verschwendung, der hier gefrönt wird. In den Nil-Tempeln verbindet sich auch die Welt des Bauern mit der Religion, wobei der lokale Tempel immer auch die Sesshaftwerdung der Bauern symbolisiert (Frankfurter 1998: 42).211 Die Römer haben hier offenbar eine Art übergreifende Nationalkultur des Fests initiiert, obwohl sie damit keineswegs die Vielfalt unterschiedlicher 207 | »La motivation qui préside aux déplacements vers les temples concerne des soucis courants, et non pas une quête des saluts: la santé, la bonne marche des affaires, le quotidien. Dans cette mesure, le développement des oracles, le recours aux dieux sauveurs, sont significatifs. Comme le remarquait J. Cernay, la teneur des pétitions écrites en grec adressées aux oracles correspond aux demandes égyptiennes; de même, les papyrus coptes du VIIe ou du VIIIe siècle confirment que la pratique de l’oracle ne disparaît pas avec le paganisme. On s’adressait à Sérapis, à Sobek: on s’adresse à présent au dieu chrétien. L’Islam seul mettra fin à des millénaires de pratique. De même, on ne verra pas forcement de césure entre l’époque païenne et chrétienne en ce qui concerne les habitudes de déplacements vers les sanctuaires.« Volokhine, Les déplacements, S. 96. 208 | Hermann, Ankunft. 209 | Vgl. J. Leibovitch, Gods of agriculture. 210 | David Frankfurter (1998: 37-46) stellt diesen Zusammenhang deutlich dar, für uns heute mag erstaunlich sein, wie sehr die Römer selbst in den Glauben, auch den Volksglauben und seine Riten, an die Nilgötter und ihre Riten beteiligt waren, Über die Verbreitung der Nilgötterverehrung in der römischen Kultur bis nach Italien, vgl. a. Hermann, Ankunft, S. 38ff. 211 | Es sind diese inneren ursprungsmythologischen Verbindungen, die den jungen, wie offenbar auch vereinzelt noch den späten Rilke zum dichterischen Erspüren unserer kulturellen Ursprünge anregten. Vgl. Hermann, Rilke.

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lokaler Riten und Festpraktiken aufgehoben haben. Hier aber entstand schon im Nukleus eine heute noch in ganz verschiedenen Formen der Mawlid sich ausdrückende Volksfestigkeit, die zugleich ganz innerlich mit den ideologischen und hierarchischen Idiomen des Staates verbunden ist. In der römischen Zeit, ja später auch in der christlichen Zeit wurden diese Feste mit der Barke des lokalen Gottes verbunden und mit Umzügen am Flussufer, immer liegt darin auch eine Verbindung des lokalen Ägyptens und mit den Göttern des Nil. Einzelne Umzüge und Handlungen mit Nilwasser kann man heute noch in den Nächten der Mawlid in Rashid, Fuwa und Disuq beobachten, am deutlichsten noch bei der Mawlid in der letzteren Stadt, wo sich allabendlich Hunderttausende von Pilgern am Nil entlang bewegen. So wenig, wie die Christianisierung zu einer Entsakralisierung der Nilfeste oder zu deren Abschaffung beitrug, so wenig ist es auch im Islam gelungen, den sakralen Charakter der Volksfeste und der Riten abzuschaffen, sie zu entsakralisieren oder ganz zu unterdrücken. Muslimische Praxis der Wallfahrt ist der der Alten nicht völlig fremd, davin liefert auch Lane ein Beispiel: »Die Sitten der modernen Ägypter unterscheiden sich nich gänzlich von denen der antiken Alexandrier, die zu den unmoralischen Festen strömten, die in Canopus zu Ehren des Gottes Serapis gefeiert wurden. Unzählige Schiffe bedeckten Tag und Nacht den Kanal, Pilger beiden Geschlechts tragend, die tanzten, sangen, tranken und sich in jeder Hinsicht von der frommen, ihnen auferlegten Moral befreiten. So eilen große Zahlen der männlichen Einwohnern der ägyptischen Hauptstadt und anderer Teile des Landes mit vielen Kurtisanen zu den Festen, die in Erinnerung des Geburtstagstags des Sayyid Ahmad al-Badawî in Tanta im Delta gefeiert werden, wo ganze Schwärme von Tanzmädchen und Sängerinnen und Sänger zu ihrer Erfeuung beitragen, und wo fast ebenso viel Branntwein getrunken wird wwie Kaffee.«212

Welche Bedeutung die Wallfahrt im Eingriff in das Alltagsleben etwa der ländlichen Muslime in Ägypten hat zeigt sich an dem von Winifred S. Blackman beschriebenen Beispiel des Mitglieds einer Sufi-Bruderschaft aus einem oberägyptischen Dorf, das jährlich mit seiner Frau nach Tanta zur Mawlid des Sayyid al-Badawî reiste. Hier bezeichnet die Wallfahrt in der 212 | Lane, Description, S. 24: »Not wholly different are the manners of the modern Egyptians from those of the ancient Alexandrians who flocked to the licentious festivals celebrated at Canopus in honour of the god Serapis. Innumerable boats covered the canal by night as well as by day, conveying pilgrims of both sexes, dancing and singing and drinking, and availing themselves in every way of the pious licence afforded them. So, in the present day, vast numbers of the male inhabitants of the metropolis of Egypt, and persons from other parts, with numerous courtesans, repair to the festivals celebrated in commemoration of the birth of the seyd Ahh’mad al-Bed’awee, at Tanta in the Delta, where swarms of dancing-girls and singers contribute to their amusement, and where almost as much brandy is drunk as coffee.«

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Lebensgeschichte eines kleinen darwishs den mit Hilfe des Heiligen vollzogenen kritischen Übergang von Armut zu Reichtum, von Abhängigkeit von einer unzuverlässigen Frau zur befreienden Scheidung, von Unwissenheit zur Wissendheit.213 Dass sich dies in Ägypten so deutlich zeigt, hat damit zu tun, dass die Lebensweise der Ägypter kulturierte Landschaften in von vielen modernen Reisenden von Sonnini bis Rilke so erfahrener quasi kosmischer Art über Jahrtausende erhalten hat. Das von den »Dingen« umstellte Lebensland, das von Mensch und Tier bevölkert wird, ist selbst Ausdruck einer magischen Einheit. Ich stelle mir die Frage, wie diese Einheit in der islamischen Heiligenverehrung fortgesetzt und wiederhergestellt wird, ja, – es ist zu sagen – ohne sich an den unmittelbarsten Möglichkeiten des modernen Lebens zu stören. Die Verehrung von Männern, und in einem geringeren Maße auch von Frauen, denen sie zu ihren Lebzeiten oder auch nach ihrem Tode die Kraft des Wunders zusprechen, gehört zum festen Bestand des sozialen Lebens auch der modernen Ägypter. Wenn Winifred S. Blackman 1923 diesbezüglich schon von einem Merkmal des Lebens der modernen Ägypter spricht214, so ist dies heute sicher in mehrerer Hinsicht zu relativieren, insbesondere wenn man berücksichtigte, wie sehr die magischen sich in islamische Repräsentationen verwandelt haben. An der grundsätzlichen Tatsache, dass das Heiligenwesen – und der damit einhergehende Drang nach der Verzauberung der praktischen Welt – auch heute in der eindeutig religiösen Verwandlung so überaus wichtig ist, ist jedoch nicht zu zweifeln. Ich möchte den Wandel, den die Heiligenverehrung vor allem in den letzten dreißig Jahren durchlief, an dem kleinen Beispiel des Wandels der Bezeichnung der heiligen Männer erläutern. Zur Zeit der Forschungen von Blackman zu Beginn der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts nannte man die Heiligen noch überall »Scheich« (shaykh), er hatte damit die gleiche Bezeichnung, wie sie sonst eigentlich jedem »alten Mann«, dem Kopf einer Großfamilie oder eines Stammes zukommt. Aber auch die religiösen Männer nannte man Scheich, ob sie nun einer formalen Erziehung und Bildung in kanonischen Texten und religiösem Wissen und den entsprechenden Prüfungen unterworfen hatten oder diese durch charismatische Anrufungen und Verkörperungen der Wunderkraft des Heiligen substituieren konnten. Man muss es aus der Sicht der bewundernden Volksgenossen heute etwa so ausdrücken: wenn ein Scheich konnte, konnte er alles. Das Entscheidende war die Kapitalisierung des Charismas, nicht das Gebiet, das Fach. Das ist heute nach mehr als 30 Jahren modernistischer Islamisierung anders geworden. Es zählt nur noch das religiöse Charisma, und so scheinen die heiligen Männer und ihre Verehrung nur noch erlaubt, wenn sie strengen religiösen Ansprüchen genügen. Aus den Scheichs sind Imame und Walis geworden, Bezeichnungen, die

213 | Blackman, Moslim Saints, S. 286-287. 214 | Blackman, ibid.

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durch den Koran geschützt sind, und heilige Männer sind fast nur noch solche, die einen quasi kirchlichen Beistand haben, indem sie in irgendeiner Weise das gelehrte Wissen über die heiligen Schriften repräsentieren (selbst dann noch, wenn sie eine entsprechend formelle Ausbildung nicht haben). Mit dieser Islamisierung des Charismas ist natürlich die weltliche Seite des charismatischen Formationsprozesses am Ort, in Familie, Nachbarschaft, Moschee, Fernsehen nicht aufgehoben. Einfaches Können, Erscheinung, Charakter, aber auch Geld und andere Formen der Kapitalisierung spielen weiterhin eine Rolle. Wer die Leiden in der Enge der Armut und in den Niederungen des gemeinschaftlichen Alltags in den Dörfern, Kleinstädten und Großstadtvierteln lindern kann, wer von den Geistern (afarît) befreien kann, wer erlösende Geschichten erzählen oder gut singen kann (vor allem den Koran natürlich), wer gibt und nie zu nehmen scheint, dem ist Zuwachs an Charisma gewiss. Was zeichnet also die Landschaft des westlichen Nilarms nördlich von Basyun aus? Wie bereits gesagt ist es nicht nur ein Vorraum zur Metropole Alexandria, es handelt es sich um ein eigenes Kulturland. Hier ist der Nil mit wechselnder Bedeutung der Kanalanbindungen, des Baguriyya-Kanal der von Minufiyya herauf über Shuhada und Nahariyya bis nach Disuq fast parallel verläuft, des Mahmoudiyya, der sich von Atf weiter nördlich an Damanhur vorbei nach Kafr al-Dawar, dann nach Alexandria hinzieht. In dieser vielfach von sich überlagernden Kulturen gestalteten, reichen Landschaft, von welcher der moderne Ägypten-Reisende wenig Notiz nimmt, weil er zielgerichtet auf die großen Städte und die alten Tempelbauten im oberen Niltal hinzieht, hier nur ewig gleiches Flachland und dunkle Fellachdendörfer sähe. Fährt er mit dem Schnellzug von Alexandria nach Kairo, so wird er kaum die vereinzelt sichtbaren gabal mit oben aufgebautem Maqam, wie etwa den Abû Hummus wahrnehmen. Die großen Straßen und Verkehrsverbindungen zwischen Kairo und Alexandria aber meiden den westlichen Nilarm, der sich schwer und träge durch fruchtbares Land zum Mittelmeer hin nach Rashid (Rosetta) bewegt. Der »Nil« selbst ist ein so überragender Topos in der Religionsgeschichte, in der Alten Geschichte, wie im modernen Alltag der Ägypter. Die folgende Dokumentation von Silvia Prell trägt dankenswerter Weise dazu bei, in Grundzügen diese Bedeutung anzuzeigen. Ich habe versucht, einige wichtige Aspekte, die für das heutige Leben noch relevant sind, herauszustellen. Die Orte, die diesem Hinterland ihr Gesicht verleihen, stehen im Vordergrund. Fuwa und Sais sind solche Orte, der erst in modernerer Zeit mit überragender Bedeutung aus einem unbekannten Dorf hervortretende Ort Disuq, mit der Grabesmoschee des ägyptisch-islmischen Nationalheiligen Ibrâhîm alDisûqî, liegt dazwischen, ist Teil der Landschaft, aber nicht selbst pharaonischen Ursprungs. Der durch den islamischen Modernismus/Reformismus gebrochene Umgang mit den Heiligen ist ein Problem, der Umgang mit dem Alten, den

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stolzen Relikten der nicht-islamischen Vorzeit ein weiteres. In der Haltung dazu zeigen sich die sozialen Spannungen, die sich aus dem Umgang mit der eigenen, lokalen Geschichte in der Zeit des islamistischen Umbruchs ergeben. Oft sind es noch die instinktiven, alltäglichen Gepflogenheiten gegenüber dem pharaonischen Erbe, die Probleme machen. Die beiden Ort sind Fälle, die das erkennen lassen: in Fuwa die Pflege der Heiligtümer in der Kulturstadt, durch die die Menschen pharaonischen Relikten ins Gesicht sehen. In Sa al-Hagar ist es die historische Bedeutung der alten Tempelstadt Sais, mit der die Menschen im Dorf alltäglich konfrontiert sind. Der Blick auf Neben- und Nachbarorte, wie Disuq und Rashid liefert ergänzende Hinweise und vergleichendes Material. Allesamt handelt es sich um Orte am westlichen Nilarm, der früher Bolbitine (Boulboutine)-Arm, und der heute nach der Stadt an seiner Mündung Rashid-Arm, oder Rashidiyya, genannt wird. Band I dieser Reihe über heilige Orte im Nildelta widmete ich einem einzelnen Heiligen, dem in der nord-östlichen Delta Provinz von Daqahliyya verehrten Abdallah b. Salam. Ein singuläres, für das Ost-Delta exemplarisches Phänomen: Abdallah. b. Salam wird als Genosse des Propheten verehrt und spielt als erster jüdischer Konvertit zum Islam eine nicht unbedeutende Rolle in der islamischen Literatur. Bei dem ersten und wichtigsten Grabmal das seinen Namen trägt handelt es sich aber offensichtlich um das Grabmal eines verehrten Stammes-Scheichs und Emirs, das an den Ruinen der alten Stadt Thmuis stand und sich über die letzten drei Jahrhunderte hinweg zum Maqam und Moschee dieses ersten jüdischen Konvertiten zum Islam, dem Prophetengenossen und späteren Zeugen der Orthodoxie für Muhammads Folge in der Reihe der Propheten wandelte. Weitere seiner Orte konnten in der Region Mansura bis zum Manzala-See verfolgt werden. Ich versuchte zu zeigen, dass an diesen Orten »Moderne« nicht als Gegensatz zum Islam, sondern als inneres Spannungsverhältnis des gegenwärtigen islamischen Diskurses, als Element der inneren islamischen Selbstbetrachtung und Entwicklung, zu verstehen ist. Ein solcher Prozess setzt – manchmal auch schmerzliche – Auseinandersetzungen und Konflikte mit ein. Der absolute Monotheismus des Islams ist für die Muslime in der Moderne erneut ein Element der Durchsetzung, des Dialogs und der Anerkennung von globaler Bedeutung. Manchmal wird das pure monotheistische Selbstverständnis nur virtuell, häufig aber faktisch und hart, den Relikten aus pharaonischer und griechisch-römischer Zeit gegenüber zum Ausdruck gebracht. Doch auch der ideologisch aufgeladene Monotheismus der Moderne erweist sich lebenspraktischen Gewohnheiten, den instiktiven und rituellen Entäußerungen der Menschen im Angesicht der überragenden Faktizität der Geschichtlichkeit der Alten gegenüber als hilflos. Gerade in diesem Gegensatz entfaltet sich das symbolische Verhältnis der islamischen, heiligen Orte zu den Stätten und Relikten der Kultur der Alten. Es ist aber, das soll nicht vergessen werden, nicht nur ein ägyptisches, nicht nur ein islamisches Thema, sondern ein modernes Thema überhaupt.

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Wenn man sich die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der anwesenden Relikte ansieht, kann man verstehen, dass die Ägypter am Ort, der Wissenschaft des mühsamen und, gemessen an den Weiten der im Großen meist schon längst durchforsteten Tell-Massen, endlosen Grabens nach Funden oft kopfschüttelnd gegenüberstehen, ja, dass sie, wenn die eine oder andere Maschine zerbricht oder das Graben erfolglos bleibt, schnell die alten Vorstellungen wiederbeleben, nach denen die da unten liegende Welt mit ihren einbrechenden Kellergängen, falschen Treppen und Stufen, und unentzifferbaren Zeichen, Steinen und Terrakotta-Scherben nur der Magie zugänglich, sonst aber von gefährlichen und todbringenden Wesen und Kräften, von jinn und afarît, beherrscht ist. In diesem operativen Feld der Spannungen stehen auch die in Nähe der Tells, etwa in Sa al-Hagar, angesiedelten Grabmale der Lokalheiligen. Es ist auch darin eine gewisse topographische Kontinuität der Heiligenverehrung gegeben.

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Teil II

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1. Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten Die Bedeutung der Nilüberschwemmung im Alten Ägypten

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In Ägypten wurde die lebensnotwendige Überschwemmung des Nils bereits seit prähistorischen Zeiten als zwangsläufiges Objekt der Verehrung angesehen. Die Quellen, welche uns im Verlaufe der ägyptischen Geschichte genauere Informationen über den Kult vermitteln, sind zum einen literarischer Natur, aber auch Reliefs, Statuen, Numismatik, Architektur, erhaltene Nilometer zur Bestimmung der Fluthöhe sowie Malerei und Mosaiken erteilen Auskunft über die Verehrung des Nils und seiner Überschwemmung. Der größte Teil der erhaltenen Belege umspannt einen Zeitraum von ramessidischer Zeit bis in die arabische Epoche, wobei auch einige wenige vor-ramessidische Quellen bekannt sind. Darstellungen und Dokumente stammen aus dem gesamten ägyptischen Raum und zudem von sämtlichen Bevölkerungsschichten. Diese Zeugnisse befassen sich jedoch zumeist mit dem Kult der Überschwemmung – über die Auswirkungen derselben auf das tägliche Leben gibt es leider nur wenige Hinweise. Literarische Texte, die sich mit der Nilüberschwemmung befassen, treten vor allem in der Antike häufiger auf und reichen von Homer über Herodot bis in die byzantinische Epoche hinein.1 In der Antike ist der Nil im Mittelmeerraum der einzige Fluss, der sich durch eine jährlich wiederkehrende und zeitlich einzugrenzende Überschwemmung auszeichnete. Diese setzte etwa um den 19. Juli ein, erreichte ihren Höhepunkt in Assuan Ende August und im Delta etwa 10 Tage später, wobei die Überschwemmungszeit insgesamt bis Ende September andauerte. So stimmten die im Niltal lebenden Menschen ihren Kalender auf die jährlich wiederkehrende Nilflut ab, welche auch bald mit astralen Phänomenen, wie z.B. dem Stand von Gestirnen zum Beginn der Überschwemmungszeit verbunden wurde. So bestimmt etwa mindestens seit dem Alten Reich der heliakische Frühaufgang des Fixsterns Sothis (Sirius) den Beginn der Überschwemmung und somit auch den Beginn des neuen Jahres.2 Ebenso hängt in Ägypten auch die Einteilung der Jahreszeiten in drei Abschnitte (Überschwemmung, Aussaat, Ernte), die jeweils vier Monate umfassen, von der Nilflut ab; ein Umstand, der bei antiken Autoren gelegentlich zu Verwirrung führte, da ihnen vier Jahreszeiten geläufig waren. Die Benennung der Jahreszeiten und Monate kann in Texten zusätzlich unterschiedlich ausfallen, da von verschiedenen Kalendersystemen ausgegangen wurde, welches gelegentlich die Zuordnung eines angeführten Datums erschwert.3

1 | Bonneau, Crue du Nil, S. 7. 2 | Von Bomhard, Ägyptischer Kalender, S. 26ff.; idem., Ägyptische Zeitmessung, S. 14ff. 3 | Dazu Gardiner, Mesore as first month, S. 136ff.

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Dem ägyptischen Kalender mit seiner Einteilung in 365 Tage ist zu eigen,4 dass er durch die Verschiebung der Jahreszeiten durch das Jahr schon früh nicht in Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten war; er wurde mehrfach reformiert, z.B. in ptolemäischer Zeit durch Ptolemäus III. (Kanopusdrekret aus dem Jahr 238 v. Chr.)5 und in römischer Zeit unter Augustus. Letzterer legte den Beginn des Jahres auf den 29. August fest und fügte einen sechsten Schalttag (Epagomene) alle 4 Jahre hinzu.6 Trotz all dieser Reformen wichen offizieller und »agrarischer« Kalender jedoch immer wieder voneinander ab.7

68 Übersicht über die Einteilung und Benennung der Monate von der pharaonischen Epoche bis in koptische Zeit

4 | Von Beckerath, Bemerkungen, S. 7ff. 5 | Thissen, LÄ III, sp. 321. 6 | Von Beckerath, LÄ III, sp. 297-299. 7 | Depuydt, Civil Calendar, S. 47ff.

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173 Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

Die alten Ägypter besaßen keine spezifischen Namen für die einzelnen Monate der drei Jahreszeiten, welche sie lediglich durchnummerierten. Eine Benennung derselben ist erst ab der Perserzeit (8. Jh. v. Chr.) nachzuweisen, seit der die Monate mit Götternamen bezeichnet wurden, welche sich wohl auf große Götterfeste in den entsprechenden Jahresabschnitten zurückführen lassen.8 Wie bereits erwähnt, markiert der Aufgang des Sothis (Sirius) den Anfang der Überschwemmung und somit auch den Beginn des Nilfestes, durch das eine gute Überschwemmung erbeten werden sollte. Dieses wird in pharaonischer wie auch in ptolemäischer Zeit an diesem Tag gefeiert (wie z.B. noch im Kanopusdekret belegt).9 In Erwartung der Überschwemmung hatten die Ägypter zweierlei Aufgaben zu erledigen: zum einen durch Kulthandlungen die Qualität der Überschwemmung zu sichern (religiöse Handlungen) und zum anderen Felder, Kanäle und Deiche auf diese vorzubereiten (profane, agrartechnisch bedingte Handlungen). Schon bald wurden Voraussagen der zu erwartenden Fluthöhe mittels Magie, Astronomie und zoologischen Beobachtungen vorgenommen. So galten einige astrale Phänomene, wie z.B. eine Mondfinsternis, als Unglücksboten für die bevorstehende Flut,10 und auf der Insel Elephantine wurde ein bestimmter Fisch (Meeräsche), bedingt durch sein Wanderverhalten, als Bringer der Überschwemmung verehrt.11 Neben diesen Möglichkeiten wurden jedoch bereits seit protodynastischer Zeit zusätzlich Vergleiche der Fluthöhe verschiedener Jahre anhand eines Nilometers angestellt, an dem durch Markierung die Nilstände verschiedener Jahre festgehalten wurden.12 Durch die an den Nilometern abzulesenden Wasserstände konnten somit Vorraussagen über die zu erwartende Höhe der Flut getroffen werden. Spätere Methoden zur Feststellung der Fluthöhe sind von arabischen Schriftstellern, z.B. Maqrizi, überliefert.13 Natürlich konnten auch Bäume und Pflanzen als Zeichen genutzt werden, da diese nach der monatelangen Trockenperiode mit dem steigenden Wasser wieder austrieben. Es war nicht nur wichtig, die anzunehmende Höhe der Flut wegen der zu erwartenden Ernte und der damit verbundenen Höhe der Steuern zu erfahren, sondern auch aufgrund der auf den Feldern zu treffenden Vorbereitungen. Hierzu gehörten z.B. Baumpflanzungen, aber

8 | Von Beckerath, Bemerkungen, S. 17ff. 9 | Spiegelberg, Demotischer Text, S. 70f.; Pfeiffer, Dekret von Kanopos, S. 205f. und 246f. 10 | Bonneau, Crue du Nil, 47f. 11 | Gamer-Wallert, LÄ II, sp. 231f. 12 | Die Notierung der Fluthöhen ist z.B. auf dem Palermostein ab König Djer (1. Dynastie) überliefert, s. Sethe, Beiträge, S. 105. Zudem legen zahlreiche erhaltene Nilometer Zeugnisse über die Notation der Nilstände ab, s. Jaritz, LÄ IV, sp. 496-498 und Seidlmeyer, Achet 1. 13 | Maqrizi, s. Prince Omar Tousson, Mémoire, S. 105-113.

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auch Deich- und Kanalarbeiten (letztere lassen sich naturgemäß leichter bei niedrigstem Wasserstand ausführen) mussten beendet werden, da die Kanäle durch die Flut zusätzlich durchgespült und von Dreck und Verstopfungen gereinigt wurden. Weitere Maßnahmen waren für die Ernte des vergangenen Jahres sowie Vorräte zu treffen: das Getreide und ebenso trockenes Holz als Brenn- und Baumaterial musste an trockenen Orten gelagert werden, die von der Überschwemmung nicht erreicht werden konnten. In hieroglyphischen Texten ist keinerlei Beschreibung der Überschwemmung als Naturphänomen erhalten; dafür sind von saitischer Zeit über die hellenistische Epoche bis in arabische Zeit hinein umso mehr Schilderungen von Ausländern und Reisenden überliefert. Die Nilflut dauerte 100 bis 120 Tage an und zeichnete sich durch verschiedene Stadien aus: 1. Die Veränderung der Farbe des Wassers durch die Mitführung des fruchtbaren Schlammes; 2. die eigentliche Flutwelle und 3. das Über-die-Ufertreten des Flusses. Der Nil und seine Überschwemmung waren jedoch nicht nur für die Fruchtbarkeit des Landes unabdingbar – sie eliminierte auch Ratten und anderes Ungeziefer und konnte gleichzeitig auch als strategisches Kriegsmittel bzw. Hindernis für Eindringlinge, vor allem im Nordosten des Landes (Delta), genutzt werden, wobei jedoch Invasionen aus dem Süden durch die Überschwemmung generell sogar erleichtert wurden, da die Katarakte leichter passiert werden konnten.14 So galt die Nilflut allgemein auch als Schutz und Beschützer in Kriegszeiten, da feindliche Truppen nicht vorrücken konnten,15 und man sich z.B. im häufiger durch Invasionen bedrohten Delta auf den Siedlungshügeln verbarrikadieren konnte. Zudem konnten während der Zeit der Nilflut von den mit dem Terrain vertrauten Ägyptern nicht nur Truppen, sondern auch Güter, Waren16 und Personen sowie schwere Lasten (Steinblöcke für Tempelbau etc.) mehr oder weniger punktgenau transportiert und abgeladen werden. Auch fanden für die Dauer der Überschwemmung viele Feste auf dem Wasser statt,17 da es ohnehin eine Zeit des Müßigganges war, in der keinerlei agrarische Arbeiten vorgenommen werden konnten. Ferner wurde das Überschwemmungswasser sowohl als Heilmittel wie

14 | So geschehen z.B. unter dem König Kenefra (Amenophis IV.?) oder unter Pianchi, s. Bonneau, Crue du Nil, S. 75 mit Anm. 3 und 4. 15 | Z.B. unter Psammetich I., s. de Buck, Meaning of the name Hapy, S. 1ff. Unter Nektanebos I. konnten die Perser wegen der Überschwemmung nicht bis nach Memphis vorrücken und mussten sich zurückziehen, s. Diod. Sic. XV, 43. 16 | Zumindest für die römische Zeit belegt sind Transporte von Weizen in langen Bootskarawanen während der Überschwemmungszeit. Vgl. Bonneau, Crue du Nil, S. 96ff. 17 | Quaestiones Naturales III (De aquis), XXV, 11, s. Bonneau, Crue du Nil, S. 417.

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Die Feste der Nilüberschwemmung Der Kult der Überschwemmung mit den Festen zu ihren Ehren geht evtl. bereits auf die prädynastische Epoche zurück – Belege gibt es aus dieser Zeit allerdings keine, so wie der Kult und die damit verbundenen Praktiken überhaupt in der gesamten dynastischen Zeit nur selten zu fassen sind. Der ursprüngliche altägyptische Name des Festes ist nicht überliefert. Daten, Art der Feierlichkeiten sowie Rituale sind größtenteils unbekannt – Zeugnisse für den Vollzug des Kultes sind jedoch zahlreich vorhanden, wobei diese allerdings hauptsächlich dem 1. Jh. n. Chr. und der folgenden christlich geprägten Epoche entstammen.20 Quellen zum eigentlichen Ablauf solcher Feierlichkeiten sind jedoch rar. Vor allem vor der griech.-röm. Zeit sind Hinweise selten – so ist uns aus dem Neuen Reich z.B. lediglich ein Ritual zu Ehren der Nilüberschwemmung am Gebel el-Silsileh bekannt, dessen genauerer Ablauf jedoch nicht determiniert werden kann.21 Des Weiteren sind Bruchstücke eines Festkalenders von Thutmosis III. erhalten, in dem ein dreitägiges Fest bei Beginn der Nilschwelle, ein weiteres zum Abschwellen der Flut und ein Opfer zum Aufgang des Sirius aufgeführt ist.22

175 Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

auch als fruchtbarkeitsfördernd angesehen; so berichtet z.B. Isokrates, dass der Genuss des Wassers der Flut die Fruchtbarkeit der Menschen begünstige.18 Eine besondere Bedeutung wurde auch dem fruchtbaren Nilschlamm beigemessen, da nach Rückgang der Überschwemmung ein massives Auftreten von Fröschen festzustellen war, welche nach altägyptischer Vorstellung förmlich aus dem Schlamm selbst entstanden zu sein schienen.19 Auch der Mensch und sein Ka (Seelenbegriff) werden von dem widderköpfigen Gott Chnum auf der Töpferscheibe aus dem fruchtbarem Nilschlamm geformt – der Nil galt bei den alten Ägyptern als Ursprung allen Lebens, was dazu führte, dass sich die Ägypter als das älteste Menschengeschlecht begriffen, da nach ihrer Vorstellung am Nil alles menschliche, tierische und pflanzliche Leben entstanden ist. Die altägyptische Schöpfungsvorstellung vom Urhügel, der aus dem Urgewässer Nun aufsteigt, spiegelt die Siedlungssituation im Delta mit den erhöhten, vor Überflutung sicheren Siedlungshügeln auf natürlich entstandenen Sandgezirahs (Turtlebacks) wider.

18 | Isokrates, Busiris, 13. 19 | Bonneau, Crue du Nil, S. 120. Vgl. dazu auch die froschköpfige Gottheit und Geburtshelferin Heqet (s. Kap. III. 4.2). 20 | Hibbs, Mendes Maze, S. 140ff; Bonneau, Crue du Nil, S. 361 und Anm. 3-10; Bilabel, Gräko-ägyptische Feste, S. 45f. 21 | Barguet, Steles du Nil, S. 49-63. 22 | Jaritz, Nilkultstätten, S. 200.

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Soweit anhand der Belege aus griech.-röm. Zeit nachzuvollziehen, beinhaltet das Fest eine durch Priester durchgeführte Liturgie und eine Prozession vom Tempel zum Ufer des Flusses, an dem dann Gebete gesprochen und Opfer dargebracht wurden. Daraufhin erfolgte die Rückkehr zum Sanktuar, wobei eine mit heiligem Nilwasser gefüllte Vase mitgeführt wurde.23 Zudem wurde als säkulare Komponente vom Volk eine Art Kirmes an den Nilufern gefeiert; das Fest begann mit einer Nachtwache vor dem Morgen der Prozession, während der Lichter angezündet wurden. Nach Beendigung der Prozession begannen dann die eigentlichen Feierlichkeiten; in der röm. Epoche sind sogar Aufführungen von Theaterstücken belegt.24 Ein Nilfest (wohl im Monat Choiak) bilden auch einige römische Mosaike und Wandmalereien ab, von denen wohl das Mosaik aus Palestrina (120/110 v. Chr.) als eines der bekanntesten angeführt werden kann.25 Damit sind leider auch schon alle uns bekannten Informationen über den Ablauf eines solchen Festes ausgeschöpft. Daten der Feier sind für einen Zeitraum von Juni bis Januar überliefert. Als inschriftliche Belege sind zum einen hieroglyphische Quellen,26 aber auch literarische Texte27 sowie griech. Papyri zu nennen.28 Im 2. Jh. n. Chr. sind Festdaten für den 30. Payni,29 den Monat Choiak30 und den Monat Tybi überliefert.31 Das Fest im Monat Payni fand im Juni kurz vor Beginn der Nilüberschwemmung statt – die beiden anderen jedoch im Dezember und Januar. Dieses kann lediglich durch Kalender bedingte Verschiebungen zu erklären sein.32

23 | Dölger, Nilwasser und Taufwasser, S. 156ff. 24 | Zum Ablauf des Festes vgl. Bonneau, Crue du Nil, S. 363f. und idem., Les fêtes de la crue du Nil, S. 61-65. 25 | Meyboom, Nile Mosaic. 26 | Z.B. an Tempelwänden niedergeschriebene Festkalender, s. Grimm, Altägyptische Festkalender. 27 | Z.B. Plutarch, I.O., 52. 28 | Zu den griechischen Papyri s. Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 49ff. 29 | Pap. Oxy. 1211, s. Hunt, Oxyrhynchus Papyri IX, S. 256. 30 | Pap. Milan-Vogliano I 28 III 79, s. Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 59 mit Anm. 4. 31 | Pap. Oxy. 2409, s. Grenfell/Hunt, Oxyrhynchus Papyri XXIV, S. 157. 32 | Zu den Problematiken das altägyptischen Kalenders s. Kap. I.

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Die Feiern fanden laut Quellen im gesamten Niltal statt – Belege stammen z.B. aus Elephantine/Syene,33 aus Theben,34 Achoris (Tehnet el Gebel)35 und aus Panopolis (Akhmim).36 Hinweise auf einen Nilkult gibt es jedoch auch aus Tanis, Alexandria, Kanopus und Pelusium37 – interessanterweise gibt es keinen direkten Beleg für und aus Memphis, vielleicht weil der Kult des Nils hier zu stark von dem des Serapis überlagert wurde,38 einem von Ptolemäus I. geschaffenen Gott, der Ägypter und Griechen in einem gemeinsamen Glauben vereinen sollte und auch als Gottheit der Überschwemmung galt. In Oxyrrhynchos sind Prozessionen, öffentliche Spiele und Opfer zu Ehren des Nil belegt, wobei die zahlreichen von dort stammenden röm. Papyri die besten Belege für die Hellenisierung der Nilfeste bilden, wenn auch bestimmte Rituale definitiv auf Nachwirkungen pharaonischen Gedankenguts zurückzuführen sind. Die im Fayum gefundenen Papyri bieten zudem interessante und abwechslungsreiche Details, welche vor allem die materielle Organisation dieser Feste betreffen.39 Die »logischen« Festdaten, welche sich auf die landwirtschaftlichen Gegebenheiten und die verschiedenen Etappen der Nilüberschwemmung beziehen, werden durch drei Fixpunkte gekennzeichnet: Die Sommersonnenwende um den 22. Juni, den Sothisaufgang am 19. Juli und das »Fest des Zeichens« (Semasia), dessen genaues Datum nicht überliefert ist, welches aber wohl bei der Ankunft der eigentlichen Überschwemmungswasser oder dessen Höchststand gefeiert wurde. Allerdings sind viele weitere Nilfeste zu abweichenden Daten überliefert: Feste im Monat Choiak zeigen eine Verbindung zum Osiriskult auf, während Feste im Monat Tybi mit der christlichen Epiphanie verbunden zu sein scheinen. Festdaten, die nicht den natürlichen Gegebenheiten entsprechen, dürften kalendarische Überbleibsel sein, da neu ins Leben gerufene Feste dem Kalender immer hinzugefügt, aber alte und nicht mehr aktuelle Daten nicht entfernt wurden. Ursprünglich fanden wohl alle den Nil und die Überschwemmung betreffende Feste bei ihrer Einführung einstmals während der Überschwemmungszeit statt.

33 | Dittenberger, Orientis Graeci, S. 241ff., Nr. 168 oder Margoliouth, Liturgy, 17f. 34 | Bereits in der 3. Zwischenzeit: Daressy, Inondation à Thèbes, S. 181-186 und dann wieder im Pap. Oxy 2409, s. Grenfell/Hunt, Oxyrhynchus Papyri XXIV, S. 157. 35 | Lefebvre, Fête du Nil, S. 47ff. 36 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 50-56. 37 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 53. Da viele Hinweise griech.-röm. Papyri entstammen, welche im Delta selten und wenn überhaupt nur in karbonisierter Form erhalten sind, sind Zeugnisse aus dem Delta selbst rar. 38 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 53. 39 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 52f. und S. 61ff.

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Nilfeste im Monat Payni 178

Der älteste griech. Papyrus, der ein Überschwemmungsfest in diesem Monat nennt ist Pap. Kairo/Zenon 59176 vom Juli 255 v. Chr.40 In dieser Zeit wurde das Fest traditionell zum Aufgang des Sothis/Sirius gefeiert. Aus dem Pap. Paris I, I.78 (um 200 v. Chr.) geht anhand der Festdaten hervor, dass das Fest etwa 40 Jahre später um einige Tage im Jahr nach vorne gewandert war.41 Auch das Kanopusdekret von 238 v. Chr. nennt ein von Ptolemäus III. am 1. Payni angesetztes Fest zu Ehren der Nilüberschwemmung, wobei im Text vermerkt ist, dass das Fest auch bei Verschiebung des Sothisaufganges durch den offiziellen Kalender weiterhin an dem von ihm festgesetzten Tag gefeiert werden soll.42 Aus späterer Zeit weisen zwei weitere Papyri auf ein Nilfest in diesem Monat hin.43 Selbst in koptischer Zeit findet das Fest des heiligen Michael immer noch im Monat Payni (am 11.) statt, wobei der Heilige weiterhin als Bringer der Flut angesehen wird, indem er einen göttlichen Tropfen dazu veranlasst vom Himmel zu fallen (leilat el-noqtah = die Nacht des Tropfens).44 Dieses Fest dürfte auf die ältere Vorstellung zurückzuführen sein, dass auch die Tränen der Isis die Flut auslösen konnten.45 Für den darauf folgenden Tag des gleichen Monats ist bei arabischen Autoren eine (wohl nicht real vorgenommene) Opferung einer Jungfrau für den Nil überliefert.46 Zeugnisse für die Beständigkeit dieses Datums finden sich bis ins 19. Jh., wobei es hier jedoch um den Rückgang der Flut geht (Minimum) und nicht mehr um die Ankunft derselben.47 Es scheint sich also abzuzeichnen, dass das eigentliche Nilüberschwemmungsfest im Monat Payni stattgefunden hat, wobei sich nun die Frage nach der Bedeutung entsprechender Feste zu anderen Zeitpunkten des Jahres stellt.

40 | Edgar, Catalogue général, S. 30ff. 41 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 57 mit Anm. 6. 42 | Meyboom, Nile Mosaic, S. 147. 43 | Pap. Oxy 1211 aus dem 2. Jh. n. Chr. für den 30. Payni, s. Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 49ff. und Staatliche Museen Berlin, Berliner griechische Urkunden II, Nr. 362 XV 11, ebenso wie Wilcken, Tempelrechnungen, S. 475 für einige Tage vor dem 30. Payni. 44 | Herrmann, Nil und Christen, S. 44 mit Anm. 97; Engberding, Nil in der liturgischen Frömmigkeit, S. 77f.; Palanque, Nil à l’époque pharaonique, S. 81f. 45 | Zu den verschiedenen Vorstellungen über die Entstehung der Nilflut, s. Bonneau, Crue du Nil, S. 145ff. 46 | Überliefert von Ibn-el Hakam bei Maqrizi, s. Popper, Cairo Nilometer, S. 68. 47 | Lane, Manners, S. 495.

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Nilfeste in den Monaten Choiak und Tybi 179 Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

Der Pap. Milan-Vogliano I.28 (November/Dezember 163 n. Chr.) liefert mit seiner Angabe, dass Bier für ein Nilfest abgetreten werden musste, einen Hinweis auf eine Feier zu Ehren des Nils im Monat Choiak.48 Zu dieser Zeit des Jahres, im Winter, ist der Nil schon in sein Bett zurückgekehrt – somit werden offenbar in Bezug auf den Zeitpunkt des Festes alte osirianische Traditionen fassbar, da in diesem Monat traditionell die bedeutendsten Feierlichkeiten zu Ehren des Gottes Osiris abgehalten wurden.49 Plutarch siedelt das Fest der »Suche nach Osiris« am 25. Choiak an.50 Dieses scheint mit einem Fest der Hathor im gleichen Monat verbunden zu sein. Im Festkalender von Edfu ist eine Prozession der Hathor von Denderah am 29. Athyr vermerkt, welche als »die Zeremonie des Herbeibringens des Nils« bezeichnet ist,51 und weitere Feierlichkeiten im Choiak einleitete. Im Verlauf der Prozession gab die Göttin an einem bestimmten Ort ein Zeichen guten Gelingens für die erwartete Nilüberschwemmung ab. Am 30. Athyr und dem 1. Choiak fanden dann weitere Prozessionen statt und Frauen führten symbolische Gesten aus, welche in den Texten als »Öffnen des Schoßes der Frau« bezeichnet sind.52 In ptolemäischer Zeit wurde das zuletzt genannte Fest jedoch im Februar gefeiert und kann ursprünglich nicht mit der Überschwemmung verbunden gewesen sein.53 Im Festkalender von Esna ist für den 1. Choiak der »Tag des Werfens des Buches von Hapi« vermerkt,54 d.h. eines Papyrus, welcher höchstwahrscheinlich eine Bitte um gute Überschwemmung und Opferlisten enthielt.55 Es gibt mehrere Belege für Osirisfeste im Choiak an verschiedenen Orten Ägyptens, die aufgrund der Fruchtbarkeits- und Wiedergeburtsaspekte des Gottes im weitesten Sinne auch mit der Überschwemmung verbunden sind. Dass einige der mit der Flut in Verbindung stehenden Feste für den Winter und das Frühjahr belegt sind und nicht während der eigentlichen Überschwemmung stattfanden, dürfte, wie bereits ausgeführt, wohl mit

48 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 59 mit Anm. 4. 49 | Chassinat, Mystère d’Osiris. 50 | Plutarch, I.O., 52. 51 | Grimm, Altägyptische Festkalender, S. 380f. Für eine Verbindung der Hathor mit der Überschwemmung s. auch Preys, Maîtresse de Seize, S. 259ff. 52 | Alliot, Culte d’Horus, 225f. 53 | Bonneau, Crue du Nil, S. 369. 54 | Vergleiche das belegte »Werfen des Buches des Hapi« aus der Zeit des Neuen Reiches; Barguet, Steles du Nil, S. 63. 55 | Das Werfen eines solchen Papyrus in den Nil ist bereits in ramessidischer Zeit nachzuweisen, s. Barguet, Steles du Nil, S. 63.

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Verschiebungen innerhalb des ägyptischen Kalenders zu erklären sein, da ältere Festdaten aus diesem nicht entfernt wurden. Im Monat Tybi ist zum ersten Mal unter Osorkon II. (26. Dynastie) durch ein Grafitto im Luxortempel eine Feier anlässlich der Nilüberschwemmung am 12. des Monats belegt, welche zu Ehren von Amun-Re als Bringer der Überschwemmung gefeiert wurde.56 Im Pap. Oxy. 2409 (Ende 2. Jh. n. Chr.) werden »Opfer an den sehr heiligen Nil« im Monat Tybi (in röm. Zeit Ende Dezember bis Ende Januar) genannt.57 Im 4. Jh. n. Chr. berichtet Epiphanius von Nilfesten am 11. Tybi, und dass das Volk Wasser sammeln und aufbewahren würde, da sich dieses dann in Wein verwandele.58 Offenbar missverstand er das belegte Trinken von Wein zu Ehren der Überschwemmung bzw. die rötliche Färbung des ersten Überschwemmungswassers. Auch das christliche Fest der Epiphanie wurde am 11. Tybi (6. Januar) begangen und ist somit vielleicht lediglich als christliche Umdeutung eines alten heidnischen Festes anzusehen.59 Im Laufe der Feierlichkeiten wurden Lampen angezündet und ein Tauchbad60 im Nil genommen, welches gleichermaßen von Christen wie Moslems zelebriert wurde.61 Während des christlichen Festes »transformierten« Priester Wasser in Wein, ein Ritus der Bezug auf den Farbwechsel des Überschwemmungswassers nimmt.62 Spuren einer Festtradition in diesem Monat finden sich auch im Festkalender der Hathor in Edfu – dort fand vom 19. bis zum 21. Tybi eine Prozession zum heiligen Kanal statt.63 Das Fest war mit der Erscheinungsform der Hathor als »Ferne Göttin« verbunden, welche nach ihrer Heimkehr aus Nubien die Überschwemmung von dort mitbringt.64 Der Pap. Hibeh 27 (300 v. Chr.) nennt ein Fest am 20. Tybi zum »Wachsen der Pflanzen«;65 die so genannte »Tagewählerei« des Pap. Sallier IV (ca. 1050 v. Chr.) gibt für den 14. Tybi die Trauer von Isis und Nephtys in Abydos an, wobei diese durch ihre Tränen beim Beweinen des Osiris ebenfalls zum Entstehen der Überschwemmung beitragen können (osirianischer

56 | Daressy, Inondation à Thèbes, S. 181-186. 57 | Grenfell/Hunt, Oxyrhynchus Papyri XXIV, S. 157. 58 | Hibbs, Mendes Maze, S. 185f. 59 | Pap. Oxy. 1357 (535-6 n. Chr.), col. II, 1.36, s. Grenfell/Hunt, Oxyrhynchos Papyri XI, S. 19ff und Pap. Oxy 1857 (6.-7. Jh. n. Chr,), s. Grenfell/Hunt, Oxyrhynchos Papyri XVI, S. 42f. Zu den während der Feier vorgenommenen, auf den altägyptischen Nilkult zurückzuführenden Bräuchen s. Hermann, Nil und Christen, S. 49f. 60 | Dölger, Nilwasser und Taufwasser, S. 168. 61 | Letzte Hinweise darauf noch im 12. Jh. n. Chr., s. Hermann, Nil und Christen, S. 49. 62 | Hibbs, Mendes Maze, S. 185f. 63 | Alliot, Culte d’Horus, S. 227. 64 | Junker, Auszug der Hathor-Tefnut, S. 5. 65 | Grenfell/Hunt, Hibeh Papyri I, S. 139ff.

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Nilfeste in anderen Monaten Auch aus weiteren Monaten sind Hinweise für Feste erhalten, welche mit dem Nil verbunden gewesen sind. Plutarch berichtet von der »Wiederbelebung des Osiris« am 19. Athyr, welche während des Festes der »Trauer der Isis« stattfand.68 Papyrus Sallier IV nennt für den 17. Athyr ein Fest der »Trauer der Isis in Sais« und für den 23. und 24. desselben Monats das »Heraustreten des Nun« und die »Freude von Isis und Nephtys«.69 Die Überschwemmung hat etwa um 1050 v. Chr. tatsächlich im Monat Athyr stattgefunden, welches mit der Datierung des Pap. Sallier IV in etwa die gleiche Zeit korreliert. Auch diese Tradition blieb im christlichen Ägypten mit einem Fest des heiligen Michael bestehen, der als Mittler zu Gott und als Helfer einer guten Überschwemmung galt.70 Weitere Daten im Athyr bietet der geographische Papyrus Tanis aus saitischer Zeit: Er gibt den »Tag, um Opfer für Hapi zu geben« zwischen dem 5. und 11. Athyr an.71 Weitere Feste sind jedoch auch für die Monate Epiphi, Mesore und Thot belegt (15. Epiphi und 15. Thot z.B. Opfer durch Sethos I. und seine Nachfolger am Gebel el Sisileh;72 115 v. Chr. sind für den Monat Mesore auf Elephantine Opfer durch Ptolemäus IX. Soter II. belegt;73 auch durch Inschriften aus Achoris sind Zeremonien anlässlich der Überschwemmung in diesem Monat nachgewiesen74). Der Kult der Überschwemmung und entsprechende Feierlichkeiten lassen sich durch alle Epochen der ägyptischen Geschichte verfolgen – jedoch sind vor allem in ptolemäischer Zeit die Festdaten aufgrund der Ka-

181 Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

Aspekt der Nilflut).66 Im gleichen Kalender gilt der 17. Tybi als der Tag, an dem das Urgewässer Nun aus dem geschlossenen Ort herauskommt, in dem sich die Götter befinden.67 Problematisch wiederum ist, dass zur Zeit der eben angeführten Quellen der Monat Tybi nicht während der Überschwemmungszeit angesiedelt gewesen ist, welches erneut auf einen aus früheren Epochen überlieferten Festkalender sowie Daten deutet, die traditionell beibehalten wurden.

66 | Leitz, Tagewählerei, S. 208. 67 | Ebenda, S. 210. 68 | Plutarch, I.O., 39. 69 | Chabas, Le calendrier, S. 50f. 70 | Hauptfest des Heiligen am 12. Athyr, s. Herrmann, Nil und Christen, S. 44 mit Anm. 97. 71 | Griffith/Petrie, Hieroglyphic Papyri, S. 21ff. 72 | Barguet, Steles du Nil, S. 49-63. 73 | Meyboom, Nile Mosaic, S. 148f. 74 | Lefebvre, Fête du Nil, S. 56.

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lenderverschiebung konfus und werden erst in röm. Zeit wieder etwas präziser. 182 Die Semasia – ein römisches Nilfest In röm. Zeit wurde ein großes Fest eingeführt,75 welches zu Ehren der Überschwemmung abgehalten wurde: die Semasia, das Fest des »Zeichens« (Name seit dem 2. Jh. n. Chr. belegt).76 Das genaue Datum desselben geben die vorhandenen Quellen nicht preis; es könnte aber z.B. um den Sothisaufgang herum anzusetzen sein. Allerdings ist nicht völlig klar, ob sich das »Zeichen« auf den unmittelbaren Beginn der Überschwemmung, die Ankunft der Flut selbst oder auf eine gute Überschwemmung bezieht, nachdem die Fluten eine gewünschte Höhe erreicht hatten. Die Abhaltung des Festes zum zweitgenannten Zeitpunkt erscheint jedoch am wahrscheinlichsten.77 Über den genauen Festablauf ist wenig bekannt, jedoch weisen erhaltene Abrechnungsurkunden deutlich auf einen Volksfestcharakter hin.78 Die Semasia wird abstrahiert und auf Münzen als eine auf dem Pferd galoppierende Frau dargestellt, welche als eine Art Meldereiterin das Kommen der Flut ankündigt.79

Das Nilfest bis hin in koptische und arabische Zeit Die Urform aller Nilfeste ist eine wohl bereits in prä- und frühdynastischer Zeit abgehaltene Feier anlässlich der Ankunft der Nilüberschwemmung, welche wohl mindestens seit 2778 v. Chr. (Erneuerung des Sothisjahres) zum Sothisaufgang begangen wurde, der in dieser Zeit mit dem Beginn der Überschwemmung zusammenfiel. Evtl. sind entsprechende Feierlichkeiten zum ersten Mal unter König Djoser in der 3. Dynastie zu fassen. Allerdings sind keine direkten Quellen aus der Regierungszeit dieses Königs erhalten, welche das tatsächliche Stattfinden des Festes nachweisen, wenn man nicht die Angaben der in ptolemäischer Zeit angefertigten Hungersnotstele auf historische Gegebenheiten (und evtl. eine Vorlage aus dem Alten Reich) zur Zeit Djosers zurückführen möchte.80 Die bereits in frühester Zeit belegte

75 | Evtl. bezieht sich ein Dokument aus ptol. Zeit bereits auf dieses Fest, s. Martin, Reliefs mit Flußgöttern, S. 192 mit Anm 33. 76 | S. dazu: Bonneau, Crue du Nil, S. 375-377. 77 | Hibbs, Mendes Maze, S. 143f. und Martin, Reliefs mit Flußgöttern, S. 192. 78 | Martin, Reliefs mit Flußgöttern, S. 192. 79 | Bakhoum, Programme monétaire, S. 33-36. 80 | Barguet, Stèle de la famine, S. 49-63; Wildung, Rolle ägyptischer Könige, S. 85-91; Pfeiffer, Dekret von Kanopos, S. 210f.

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1. Die Feste unabhängig von älteren und traditionell festgelegten Daten am tatsächlichen Tag des Sothisaufganges und zu Beginn der Überschwemmung zu feiern; 2. Die Feierlichkeiten am traditionell fixierten Tag des offiziellen Kalenders abzuhalten, ihnen aber ggf. eine andere theologische Bedeutung beizumessen, wie z.B. unter Amenemhet III. im Mittleren Reich belegt.83 Spätestens ab ptolemäischer Zeit wurden die Feiern unabhängig von älteren Festdaten jährlich wieder zum eigentlichen Sothisaufgang abgehalten. Es ist jedoch auch überliefert, dass trotz Verschiebung des Sothisaufganges innerhalb des Kalenders an traditionell festgelegten Daten festgehalten wurde, wie z.B. im Kanopusdekret belegt. In diesem Dekret legt Ptolemäus III. fest, dass das von ihm eingeführte Fest zu Ehren der Überschwemmung auch bei Verschiebung des Siriusaufganges weiterhin am 1. Payni gefeiert werden solle.84 Erst im Zuge der Reform des Augustus85 wurde das Datum des Festes endgültig in den offiziellen Kalender eingebunden. Die Ankunft der Nilüberschwemmung wurde sicherlich in ganz Ägypten begrüßt und zelebriert, jedoch sind direkte Belege lediglich für etwa ein Dutzend Örtlichkeiten nachzuweisen. Als Bekannteste darunter ist das Gebiet um den 1. Katarakt zu nennen (Elephantine/Syene),86 wo entsprechende Festlichkeiten spätestens ab dem Mittleren Reich zu belegen sind.87 Erstaunlich ist, dass trotz der Prominenz dieses Ortes unter den Ramessiden im Neuen Reich der Gebel el Silsileh und nicht etwa der 1. Katarakt als Platz für die jährlichen Opfer an Hapi/den Nil gewählt wurde.

183 Der Nil – Überschwemmung und Nilfeste in Ägypten

Notierung von Nilpegelständen, welche z.B. auf dem Palermostein überliefert sind,81 weist jedoch auf ein Bewusstsein über die lebensnotwendige Bedeutung der Nilüberschwemmung schon zu Beginn der dynastischen Epoche hin, was einen entsprechenden Kultvollzug wahrscheinlich macht. Eindeutige Hinweise für Festlichkeiten zu Ehren der Überschwemmung und deren Ablauf sind uns erst ab dem Neuen Reich überliefert.82 Aufgrund der Wanderung des Festkalenders innerhalb des agrarischen Jahres und der damit verbundenen Problematiken bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten für den Zeitpunkt einer Feier zu Ehren der Überschwemmung:

81 | Schäfer, Bruchstück, S. 1-41 und Sethe, Beiträge, S. 105. 82 | Am Gebel el Silsileh; s. Barguet, Steles du Nil, S. 49-63. 83 | Bonneau, Crue du Nil, S. 377. 84 | Meyboom, Nile Mosaic, S. 147. 85 | Bennet, Early Augustan Calendars, S. 221ff. 86 | Von der Bedeutung der Feiern an diesem Ort finden sich Spuren bis in die moderne Zeit hinein, s. Bonneau, Crue du Nil, S. 378 mit Anm. 1. 87 | Bommas, Schrein, S. 94 und Jaritz, Nilkultstätten, S. 199.

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Bis auf wenige Ausnahmen ist der Kult des Nilgottes Hapi in pharaonischer Zeit an den eines größeren Gottes angeschlossen, und der Nil bzw. die Überschwemmung erfuhr offenbar keine gesonderte Verehrung in eigenen Heiligtümern oder Kapellen. Die Kapelle des Merenptah am Gebel el Silsileh, dem Opferplatz für die Überschwemmung im Neuen Reich, ist nicht ausschließlich Hapi, sondern auch Harmarchis und Ptah geweiht – jene von Ramses II. Hapi und der thebanischen Triade.88 In Texten des Tempels von Edfu ist ein »Haus des Nil« (evt. ein Nilometer bezeichnend) genannt, welches bisher nicht näher lokalisiert werden konnte.89 Vor allem in der 19. und 20. Dyn. kann Hapi aber gelegentlich auch eigenständig als Opferempfänger auftreten (z.B. im Totentempel von Ramses III. in Medinet Habu).90 Im Pap. Harris ist ebenfalls ein »Haus des Hapi« genannt, wobei unklar ist, ob es sich hierbei um eine Kapelle oder vielleicht nur um ein Nilometer o.ä. handelt.91 Grundsätzlich ist auf alle Fälle in Betracht zu ziehen, dass die Bezeichnung »Haus des Hapi« lediglich ein Nilometer und keine spezifische Verehrungsstätte wie eine Kapelle oder einen Tempel bezeichnet. Bis auf wenige Ausnahmen tritt Hapi lediglich im Gefolge andere Götter auf und ist auch nicht selbst für die Überschwemmung verantwortlich – er repräsentiert sie lediglich, während andere Götter als Herren über die Flut gelten. Gerne begleitet er Isis und Osiris, welches auf die Bedeutung des osirianischen Mythenkreises in Bezug auf die Überschwemmung zurückzuführen sein dürfte. Im Delta, in der Nähe von Mendes, ist sogar die synkretistische Verbindung eines Osiris-Hapi belegt.92 Zumeist tritt der Gott jedoch lediglich emblematisch in Prozessionsdarstellungen auf und ihm wird innerhalb des ägyptischen Pantheons keine besondere Bedeutung zugemessen, welches sich erst in griech.-röm. Zeit durch den Einfluss des bald im gesamten Mittelmeerraum verehrten Gottes Serapis ändert, welcher deutlich mit dem Nil und seiner Überschwemmung verbunden gewesen ist. Erst in röm. Zeit sind in Ägypten drei Orte namens Nilopolis sicher zuzuordnen, in denen Hapi/der Nil offenbar in einem eigenen Heiligtum verehrt wurde.93 Ab Hadrian sind evtl. auch weitere Nil-Heiligtümer durch Münzbilder nachzuweisen, auf denen der Gott in einem Tetrastyl sitzend abgebildet ist. Insgesamt werden in röm. Zeit über 50 verschiedene Stätten Nilopolis genannt, wobei die genaue Bedeutung der Bezeichnung in Bezug auf den Nilkult unklar ist. Man könnte meinen, dass es in diesen Orten eine Verehrungsstätte für den Nilgott gegeben habe, doch lassen sich bei den

88 | Barguet, Steles du Nil, S. 49-63. 89 | Drioton, Origines pharaoniques, S. 291ff. 90 | Moret, Mystères égyptiens, Abb. 39. 91 | Breasted, Ancient Records IV, S. 156f. Nr. 296; Hibbs, Mendes Maze, S. 131. 92 | Kees, Kopenhagener Schenkungsstele, S. 41-46. 93 | Inschriftliche Belege stammen aus Hermopolis Magna, Ashmunein und Cynopolis (El Quais), s. Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 52.

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durch Titel belegten Priestern des Gottes niemals Beziehungen zu einem Ort namens Nilopolis feststellen.94 Bisher konnte kein Nilheiligtum archäologisch erfasst werden – im weitesten Sinne sind jedoch auch die zahlreich bekannten Nilometer als Heiligtum für den Nilgott anzusehen.95 Die Nilfeste in Ägypten waren öffentlich, und die Rituale wurden nicht im Geheimen abgehalten – trotzdem sind Hinweise auf den Ablauf der Feste rar. Die wichtigste Handlung bestand offenbar aus dem Werfen von Opfergaben in den Nil und dem Entnehmen von Überschwemmungswasser. Das eigentliche Fest begann in der Abenddämmerung mit einer Nachtwache, während der Lampen und Lichter entzündet wurden, und man auf die ersten Zeichen für die Ankunft der Überschwemmung wartete. Die eigentlichen Riten wurden am nächsten Morgen vollzogen: sie begannen mit einer von Sängern und Tänzern begleiteten Prozession, welche vom Sanktuar einer übergeordneten Gottheit zum Nilufer hinführte. An der Prozession nahmen verschiedene Götterstatuen sowie ab der röm. Zeit eine Statue des Nil und eine heilige Vase (Hydreion) teil, welche mit Überschwemmungswasser gefüllt zurück in den Tempel verbracht wurde. Natürlich wurde an jeder Stätte das Fest mit abweichendem Ablauf sowie unter Beteiligung verschiedener, lokalbezogener Götter gefeiert. Entlang des Ufers wurde geopfert und die Prozession trat, mit heiligem Wasser versehen, wieder den Rückweg zum Tempel an. Die dargebrachten Opfergaben sind laut Quellen zahlreich und sehr verschieden (Brot, Bier, grüne Pflanzen, Fleisch in allen Variationen, Datteln, Trauben, Salz, Öl, Honig, Fett, Milch, Butter, Zwiebeln).96 Die dargebrachten Gaben waren nicht nur für den Nil, sondern auch für die Gottheit bestimmt, die an dem jeweiligen Ort als Herr über die Überschwemmung angesehen wurde. In byzantinischer Zeit ist, außer entsprechenden Liturgien, zudem das Taufen eines Kreuzes mit Nilwasser nachzuweisen,97 wobei sich das Darbringen von Opfergaben bis in die arabische Epoche hinein feststellen lässt, und hier außer Naturalien, wie bereits in der pharaonischen Epoche belegt, auch Statuetten geopfert werden konnten.98 Es stellt sich die Frage, ob das eingesetzte Kultpersonal bei den Feierlichkeiten lediglich aus speziellen Priestern des Hapi oder (auch) aus Priestern anderer Götter zusammengesetzt war.99 Herodot spricht spezifisch von

94 | Bonneau, Les fêtes de la crue du Nil, S. 54f. 95 | Wild, Water in the Cultic Worship of Isis and Serapis, S. 25-34. 96 | Bonneau, Crue du Nil, S. 398f. 97 | Margoliouth, Liturgy, S. 10f. und S. 18. 98 | Überliefert von Thévenot, Relation, Kap. XXII, S. 301-304 und Maqrizi, s. Moret, Mise à mort, S. 11-13. 99 | Zum Personal s. Hibbs, Mendes Maze, S. 133ff. Es stellt sich jedoch grundsätzlich die Frage, ob die als Hapipriester bezeichneten Personen wirklich Kleriker, oder nicht nur staatliche Nilmesserbeamte waren, s. Otto, Geschichte der Stierkulte, S. 25.

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Priestern des Nil,100 und auch einige inschriftliche Funde, wie z.B. aus Kanopus stammende Statuenbasen mit entsprechenden Titeln aus dem 3. Jh. v. Chr.,101 welche gemeinsam mit dem Kanopusdekret sogar ein Nilheiligtum in Kanopus selbst wahrscheinlich machen, weisen auf spezifische Priester des Gottes hin. Es ist aber durchaus davon auszugehen, dass auch Priester anderer Gottheiten entsprechende Aufgaben übernehmen konnten – wie vorher der Pharao, so galt in röm. Zeit z.B. der Präfekt als Hohepriester.102 Zudem ist belegt, dass Ptolemäus II., wie wohl bereits seine ramessidischen Vorgänger am Gebel el Silsileh, persönlich die Riten für den Nil auf Elephantine vollzogen hat.103 Für die röm. Epoche ist eine entsprechende Handlung zwar nicht durch den Kaiser selbst, aber nach den Aussagen Senecas durch Priester und Gouverneure nachzuweisen.104 Wenn die Überschwemmung nicht in gewünschtem Ausmaß ausfiel, mussten außergewöhnliche Opfer dargebracht werden – ebenso konnte vor allem in griech.-röm. Zeit der Souverän für eine schlechte Flut zur Verantwortung gezogen werden. Immer wieder in Texten angeführte Menschenopfer sind jedoch nicht wirklich zu belegen und waren, wenn überhaupt vorgenommen, eine Ausnahme. Ibn-el Hakam (gest. 871) berichtet, dass am 12. Payni dem Nil traditionell eine Jungfrau geopfert wurde – eine Tradition, welche die Obrigkeit zu unterdrücken versuchte.105 Höchstwahrscheinlich sollte jedoch nicht das Opfer eines lebenden Menschen, sondern der bereits aus pharaonischer Zeit bekannte, heidnische Ritus des Opferns von Statuetten (noch im heutigen Ägypten als Strohpüppchen namens arousa = »Braut« bekannt) in Verruf gebracht werden, welches zu diesem Zweck zum Menschenopfer hochstilisiert wurde.106 Jedenfalls wurde auf die Aussage Ibn-el Hakams hin ein Menschenopfer im Zuge dieser Rituale als ehemals üblich angenommen, welches aber nicht der Realität entsprechen dürfte. Wenn die uns bekannten Opfergaben für den Nil in sich nichts Besonderes darstellen, so findet sich dennoch ein ganz spezielles und auch spezifisches Opfer für den Nil: laut mehrerer Belegstellen wurde ihm ein Papyrus übergeben, dessen Inhalt unbekannt ist, der aber wohl eine Opferliste mit angeschlossener Bitte um gute Überschwemmung beinhaltet haben dürfte. Die Quellen für diesen Habitus sind entweder hieroglyphisch oder entstammen arabischer Zeit. Der erste Beleg für das Werfen einer Papyrusrolle in den Nil stammt vom Gebel el Silsileh, wo in den ramessidischen Kapellen ein »Tag, an dem

100 | Herodot II, 90. 101 | Breccia, Note epigrafiche, S. 276ff, Hondius, Supplementum, S. 69. Nr. 453. 102 | Hermann, Nil und Christen, S. 31. Anm. 12. 103 | Dittenberger, Orientis Graeci, S. 241ff Nr. 168. 104 | Palanque, Nil à l’époque pharaonique, S. 79. 105 | Torrey, History of the Conquest of Egypt, S. 150; Popper, Cairo Nilometer, S. 68. 106 | Hinweise auf ein Statuettenopfer in arabischer Zeit finden sich bei Thévenot, s. Moret, Mise à mort, S. 12.

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das Buch des Hapi ins Wasser geworfen wird« genannt ist.107 Die gleiche Formulierung findet sich auch im Tempel von Esna für den 1. Choiak108 und ebenso im Pap. Sallier IV.109 Ein »Buch des Hapi« wird auch im Papyrus Harris I, 37b angeführt.110 Folgende Belege sind dann erst wieder arabisch: der Kalif Omar Ibn el-Khattab wirft einen Brief in den Nil, nachdem die Überschwemmung nicht einsetzte – der Inhalt des Briefes ist überliefert.111 Natürlich wurden anlässlich des Festes zur Überschwemmung und anlässlich anderer Nilfeste auch Gebete gesprochen, welche jedoch von Ort zu Ort verschieden gewesen sein dürften. Der bekannteste Text in dieser Richtung ist sicherlich der so genannte »Nilhymnus«, welcher auf eine Vorlage aus dem Mittleren Reich zurückgeht.112 Eine Aufzählung der Quellen mit überlieferten Gebeten unterschiedlicher Zeitstellung findet sich bei Bonneau.113 Nach Prozession und Gebeten wurde fröhlich gefeiert, selbst wenn man sich zu Beginn der Überschwemmung noch nicht sicher sein konnte, ob sie zur Zufriedenheit ausfallen würde – wenigstens war der Nil bereits über seine Ufer getreten. Man begab sich auf Bootspromenaden, Theaterstücke wurden aufgeführt, es wurde gut gegessen – alles ging kirmesartig vonstatten – das Fest wies also auch eine starke, säkulare Komponente auf. In pharaonischer Zeit ist auch ein funerär geprägtes Fest der Trunkenheit (Wag) belegt,114 welches im ersten Monat der Überschwemmungsjahreszeit begangen wurde und wohl Bezüge zur Farbänderung des Überschwemmungswassers aufweist.115 Sicher muss man sich den Ablauf ähnlich dem des Festes vorstellen, das Herodot für Bubastis beschreibt, während dessen sich die Frauen im Rahmen eines Fruchtbarkeitsritus auch entblößten.116 Diese Handlung könnte auf die posthume Zeugung des Horus nach dem Auffinden der Leiche des Osiris durch Isis zurückgehen – stellt also wieder einen Bezug zu den Mythen des Osiriskreises dar. Zudem fand offenbar die Prozession einer großen Barke auf dem Nil statt; eine Tradition, die sich bis in die arabische Zeit hinein gehalten hat.117

107 | Barguet, Steles du Nil, S. 63. 108 | Barguet, Steles du Nil, S. 63 mit Anm. 1. 109 | Chabas, Le calendrier, S. 54. 110 | Gardiner, Egyptian Onomastica, S. 127. 111 | Lane, Manners, S. 494 und Ibn Abd el-Hakam bei Prince Omar Tousson, Mémoire, S. 17. 112 | Van der Plas, L’hymne à la crue du Nil. 113 | Bonneau, Crue du Nil, S. 405. 114 | Poséner-Krieger, LÄ VI, sp. 1135-1139. 115 | Bonneau, Crue du Nil, S. 66. 116 | Herodot II, 60. 117 | Lane, Manners, S. 495.

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Die Verehrung des Nils konnte auch vom Christentum nicht unterdrückt werden, da man sich unsicher war, wie man dem Fluss als wichtigstem Wohltäter des Landes gegenübertreten sollte. Dies äußert sich z.B. in einem christlichen Hymnus an den Nil, welcher uns auf einem Papyrus überliefert ist.118 Der christliche Gott bzw. Christus (auch Jakob, Joseph oder Moses) ersetzten lediglich den nunmehr weit verbreiteten Gott Serapis in seiner Rolle als Herr und Bringer der Überschwemmung. Es wurde nun angenommen diese entstünde durch die Macht von Christus und entspränge dem Paradies.119 Zudem wird die Überschwemmung nun als jährliche Erneuerung der Schöpfung angesehen, eine Vorstellung, welche auf pharaonische Traditionen zurückzuführen ist.120 Selbst in der Genesis findet sich altägyptisches Gedankengut wieder, da Adam von Gott aus Schlamm geformt wird, ebenso wie der ägyptische Gott Chnum die Menschen an der Töpferscheibe aus dem fruchtbaren Nilschlamm formt. Der Nil wird durch seine weite Verbreitung auf Münzen vor allem im 2. und 3. Jh. n. Chr. sehr populär und zum eigentlichen Flussgott bzw. Genius; seine Rolle wird ab dem 5. Jh. n. Chr. von christlichen Heiligen übernommen. Für einige christliche Autoren kann die Flut aber auch Ausdruck einer diabolischen Macht sein.121 Dem magischen Aspekt der Überschwemmung wird zu Beginn der christlichen Epoche eine große Bedeutung beigemessen – bei schlechten Fluten wurden Opfer und Riten verdoppelt. Es existieren auch Hinweise darauf, dass im noch überwiegend heidnisch geprägten Ägypten Christen für eine unzureichende Flut verantwortlich gemacht wurden.122 Es gibt jedoch auch Belege dafür, dass selbst die Christen noch Serapis als Bringer der Flut verehrten, da er von christlichen Autoren zumeist mit Respekt behandelt wird – auch nach der Zerstörung des Serapeums von Alexandria durch Theodosius und dem allgemeinen Triumph des Christentums.123 Einen weiteren Grund für die andauernde Verehrung des Nils durch die Christen ist die Wertschätzung von Joseph, dem Nährvater Jesu, welcher in der christlichen Vorstellungswelt in gewisser Weise den Gott Osiris ablös-

118 | Bonneau, Continuité et discontinuité, S. 24. 119 | Hermann, Nil und Christen, S. 38ff. 120 | Die ägyptische Religion wird gekennzeichnet durch die Vorstellung der Nichtabgeschlossenheit der Schöpfung und die Schöpfung der Welt wird als das erste Mal einer ewigen Wiederkehr begriffen, deren Ursprung z.B. im täglich erneuten Aufgang der Sonne aus dem Urgewässer Nun oder aber auch aus dem jährlichen Auftauchen des Landes aus der Nilüberschwemmung abzuleiten sein dürfte. 121 | Bonneau, Crue du Nil, S. 425. 122 | Hermann, Nil und Christen, S. 35 mit Anm. 38. 123 | Hermann, Nil und Christen, S. 38ff.

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te:124 Rufin berichtet sogar, dass eine Serapisstatue zu Ehren des Joseph aufgestellt wurde.125 Durch Firmicus Maternus ist auch eine Verehrungsstätte des Joseph, Sohn des Jacob belegt.126 Zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. mehren sich jedoch die Attacken gegen den Serapis- und Nilkult – vor allem unter Konstantin dem Großen (306/312-37) wird deren Verehrung verunglimpft und die Nilfeste verboten.127 Konstantin selbst erlässt die Order, dass die Prozessionen zu Ehren der Überschwemmung nicht mehr vom Serapistempel ausgehen dürfen, sondern von einer christlichen Kirche – zudem lässt er die heilige Nilelle vom Tempel in eine Kirche transferieren.128 In den darauf folgenden Jahren wurden jedoch ehemalige heidnische Tempel häufig lediglich in eine Kirche umgewandelt und das Fest des ehemaligen Kultempfängers am bekannten Tag belassen.129 Konstantins Nachfolger Julian versuchte 362 die Kulte der alten Götter wieder einzuführen und legte dabei auch besonderen Wert auf den Kult des Nil130 – er lässt auch eine neue Münze mit dem Abbild des Gottes prägen. Unter Valentian II. wurden die heidnischen Kulte wiederum verdammt und öffentliche Opfer verboten. 389 wird die Holzstatue des Serapis verbrannt – 391 werden unter Theodosius sämtliche heidnischen Kulte verboten und das Serapeum von Alexandria zerstört.131 Die Nachtwache mit Lichtern zu Beginn der Überschwemmungszeit bleibt jedoch erhalten und noch im 6. Jh. n. Chr. berichtet Choricius von Gaza von diesen Feierlichkeiten, und dass diese »Fest des Nil« genannt würden.132 Auch bleibt der Gott Nil auf vielen Medaillons koptischer Stoffe bewahrt.133 Christliche Gebete für eine gute Flut sind überliefert – häufig werden die Gebete an Heilige gerichtet, welche als Mittler fungieren sollten. Vor allem der heilige Michael wurde als Herr über die Flut angerufen.134 Die Liturgie des Nil ist auch noch in syrischen Dokumenten des 12. Jh. fassbar, welche sonst einen christlichen Hintergrund aufweisen.135 Die alten Riten

124 | Morenz, Joseph der Zimmermann, S. 32f. Dagegen: Engberding, Nil in der liturgischen Frömmigkeit, S. 58-63. 125 | Rufin I, Nr. 28. 126 | Prof. Rel. XIII, 1-2. 127 | Eusebius, Über das Leben des Kaisers Konstantin IV, 25; s. Pfättisch, Eusebius Pamphili, S. 159f. 128 | Merkelbach, Isis regina, S. 319ff.; Hermann, Nil und Christen, S. 33-35. 129 | Bonneau, Crue du Nil, S. 430. 130 | Sozomenos, Hist. eccles. V 3,3. 131 | Merkelbach, Isis regina, S. 322-329. 132 | Laudatio Marcianus II, § 64. 133 | Z.B. Gustav-Lübcke-Museum, Ägypten, S. 308f. Nr. 349 oder Hermann, Nil und Christen, S. 62. Abb. 4. 134 | Hermann, Nil und Christen, S. 44-47. 135 | Engberding, Nil in der liturgischen Frömmigkeit, S. 56ff.

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überleben im christlichen Ägypten: nach wie vor fand unter Singen die Prozession zum Nil mit Invokation und dreimaligem Eintauchen des Kreuzes statt. Wann genau diese Prozessionen abgehalten wurden ist nicht mehr festzustellen, vielleicht aber am Sonntag der 318 Väter, am Pfingstsonntag oder nach dem Ende des Festes für den Heiligen Marcus.136 Nach der arabischen Eroberung Ägyptens wurde dann von den Moslems Allah als zuständig für eine gute Flut erachtet; doch hatte sich nach der Eroberung Ägyptens im ägyptischen Gedächtnis noch nicht ganz die seit griech.-röm. Zeit bekannte Vorstellung vertreiben lassen, dass der Souverän für eine gute Flut verantwortlich zeichnet (vgl. die Vorwürfe gegen den Gouverneur el Kassim bei einer unzureichenden Überschwemmung137). Auch in arabischer Zeit wurden noch Feste zu Ehren der Nilüberschwemmung zelebriert, welche sich bis ins 19. Jh. nachweisen lassen.138 Allerdings fanden die Feierlichkeiten nur noch zweimal im Jahr, und zwar bei Minimum und Maximum der Flut, statt. Das erste war die »Nacht des Tropfens« (leilat elnoqtah) am 11. Payni bei niedrigem Nilstand und das zweite ein Fest zum »Durchschnitt des Dammes« (gebr el khalig, auch ouefa el bahr genannt), welches nach dem Stande des Wassers anberaumt wurde.139 In der Regel lagen diese beiden Feste, wie schon im alten Ägypten,140 ca. zwei Monate auseinander. Auch in arabischer Zeit sind noch bestimmte Zeremonien bei Eintreffen der Flut zu belegen – so wurde z.B. in der fatimidischen Epoche die Säule des Nilometers von Rodah bei Überschwemmungbeginn nach einem bestimmten Ritual gesalbt.141 Zudem finden sich immer wieder Quellen, welche von Opfern einer männlichen und einer weiblichen Holzstatuette berichten.142 Auch sind Angaben darüber erhalten, dass Frauen ihre seit der letzten Überschwemmung geborenen Kinder in die Wasser der neuen Nilflut zu tauchen pflegten.143 Das erste der eben genannten, arabischen Feste scheint an die Stelle der bei Maqrizi I, 68 beschriebenen, von den Kopten abgehaltenen Feier getreten zu sein, welche am 8. Pachons gefeiert und von Sultan Nasser Mohamed verboten wurde – man warf an diesem Tag als Opfer für den Strom, dessen Steigen man erflehte, ein Holzkästchen mit Fingern einer Totenhand

136 | Bonneau, Crue du Nil, S. 438f. 137 | Bonneau, Crue du Nil, S. 441. 138 | Littmann, Arabischer Text, 66ff.; Popper, Cairo Nilometer, S. 70ff. 139 | Stern, Die Nilstele, S. 135; Lefebvre, Fête du Nil, S. 57f.; Palanque, Nil à l’époque pharaonique, S. 84-86. 140 | S. die Stelen des Neuen Reichs am Gebel el Silsileh mit Festen zum 15. Ebib und zum 15. Thot, s. Barguet, Steles du Nil, S. 49-63. 141 | Popper, Cairo Nilometer, S. 71f. 142 | Z.B. von Thévenot und Savary; s. Palanque, Nil à l’époque pharaonique. 143 | Palanque, Nil à l’époque pharaonique, S. 86.

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ins Wasser.144 Es bestand der Glaube, dass der Fluß nicht eher Steigen würde – diese Handlung dürfte wohl eine Erinnerung an die Osirissage beinhalten. Auch in arabischer Zeit wurde noch versucht den Fluss bei ungenügender Flut durch Opfergaben zu besänftigen: So ließ der Gouverneur von Kairo Amr-Ibn-el-Ass vom Kalifen Omar Ibn-el-Khattab einen Brief verfassen, welcher dem Nil übergeben wurde, woraufhin der Pegel auch anstieg.145 Abschließend ist also festzustellen, dass sich mit der Nilüberschwemmung verbundene Feiern und Rituale durch die gesamte ägyptische Geschichte hindurch nachweisen lassen, da zu allen Zeiten die Notwendigkeit bestand eine zufriedenstellende Überschwemmung zu erbitten, weil die gesamte Bevölkerung von dieser abhängig war. Zudem wurde dem Nilwasser bis in modernere Zeiten eine heilende Wirkung nachgesagt, wie uns im 16. Jh. z.B. von dem reisenden Arzt Prosper Alpin146 überliefert ist. Erst mit dem Bau des Assuanstaudammes und somit dem Ausbleiben der Flut sind diese Rituale in Ägypten vollständig zum Erliegen gekommen.

144 | Hermann, Nil und Christen, S. 51 und Palanque, Nil à l’époque pharaonique, S. 83. 145 | Bonneau, Crue du Nil, S. 442; Lane, Manners, S. 494. 146 | Meyer, L’eau du Nil, S. 121ff.

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) vakat 192.p 172516258404

2. Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta) 147 Im Rahmen der Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt C.6 »Heilige Orte und Heiligenverehrung in Ägypten und Äthiopien – Kulturkontakte und Kulturkonflikte« des Sonderforschungsbereiches 295 der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz war es mir durch einen in der Stadt Fuwa (Kafr es-Scheich Governorate) im Westdelta gelegenen Forschungsschwerpunkt von Dr. G. Stauth möglich, dort im Frühjahr 2006 einige in Moscheen verbaute Blöcke zu sichten und die Reliefs sowie Inschriftenreste aufzunehmen. Die erfassten Stücke sollen in diesem Artikel vorgestellt werden:

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§1 In älteren Publikationen angeführte Blöcke Bereits Habachi berichtet in seinem Artikel von 1943, dass in den Zeugnissen verschiedener Durchreisender mehrere in Wohngebäuden und Moscheen verbaute Blöcke in Fuwa genannt werden.148 Jedoch musste er bei einem Besuch vor Ort feststellen, dass er den Großteil der beschriebenen Blöcke nicht ausfindig machen konnte.149 Erste Beschreibungen entsprechender archäologischer Hinterlassenschaften aus pharaonischer Zeit stammen von L. Mayer, der zu Beginn des 19. Jh. durch eine Zeichnung mit einem kleinen zugehörigen Begleittext festhält (s. Abb. 12), dass in einer zum Nil hinabführenden Treppe mindestens zwei pharaonische Blöcke verbaut waren.150 Zu deren Dekoration können anhand der schematischen Wiedergabe Mayers, welcher die Treppe innerhalb einer Niluferszene abbildet, jedoch keine Aussagen gemacht werden. Sie sind lediglich mit Gekritzel versehen, welches sie von den umliegenden, undekorierten Blöcken abhebt – Hieroglyphen oder sonstige Einzelheiten der Dekoration wurden von ihm nicht näher bezeichnet. Diese Blöcke sind heute verloren, da die zum Ufer führende Treppe nicht mehr existiert. Die Bewohner Fuwas konnten zum Datum des Abbaus der Treppe und dem Verbleib der Spolien keinerlei Hinweise liefern – offenbar war diese bereits während des Aufenthaltes von Habachi nicht mehr vorhanden.151 Für diesen ebenso unauffindbar erwiesen sich Spolien, welche bei Murray genannt sind und die Namen von Apries und anderen Königen der 26. Dynastie aufgewiesen haben sollen.152 Insgesamt konnte Habachi noch

147 | Der Artikel ist bereits in der ägyptologischen Fachzeitschrift Göttinger Miszellen 214, 2007, S. 99ff erschienen. 148 | Insbesonders reine Erwähnungen der Stadt liegen in alten Reiseberichten häufig vor, da Fuwa bei der Schiffsreise über den Rosetta-Nilarm von Alexandria nach Kairo und zurück häufig als Übernachtungsstation angelaufen wurde. 149 | Habachi, Sais, S. 395. 150 | Mayer/Milton, Views, S. 45 mit Tf. auf gegenüberl. Seite. 151 | Habachi, Sais, S. 395. 152 | Ebenda und Murray, Handbook, S. 146.

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drei Blöcke in Fuwa feststellen. Ein Quarzitblock mit einem Vasen opfernden König vor Gott, wohl in die 26. Dyn. zu datieren, befand sich im Suq el-Haddadin vor dem Haus eines gewissen Mohamed el Nemeisi. Ein weiterer, aus Basalt bestehender Block mit einer Inschrift des Königs Nekhthorheb?153 (Nektanebos II.?154) lag neben dem Haus eines gewissen Sayed Makarem und wurde ins Kairener Museum transferiert.155 §2 Block in der Nasrallah-Moschee Lediglich das dritte im Artikel von Habachi genannte Stück mit einer Titulatur von Necho II., kann auch heute noch vor Ort festgestellt werden.156 Jedoch befindet es sich nicht, wie von Habachi festgehalten, als Schwelle in der Abu-el-Makarem-Moschee, sondern ist als Schwellstein in der nahe gelegenen Nasrallah-Mosche verbaut. Anfragen, ob es ehemals auch in der Abuel-Makarem-Moschee einen beschrifteten Schwellstein gegeben habe, wurden von Einwohnern und Personal der Altertümerverwaltung verneint.157 Zudem scheint Habachi ein Fehler bei den Abbildungen unterlaufen zu sein. Für den in der Moschee verbauten Block gibt er die (rekonstruierte) Abb. 100 an, welche jedoch nicht mit dem vorgefundenen Block korrespondiert. Vielmehr scheint die in seinem Artikel in Abb. 102 rekonstruiert wiedergegebene Königstitulatur die Inschrift der Spolie in der Nasrallah-Moschee darzustellen. Möglicherweise liegt hier von Seiten Habachis eine Verwechslung vor, oder es existierte zu seiner Zeit in der Abu-el-Makarem-Moschee wirklich ein weiterer Block, der heute nicht mehr vorhanden ist. Die in der Nasrallah-Moschee als Schwelle verlegte Spolie (vgl. Abb. 69 und 70) besteht aus Kalkstein und misst 150 x 74 x 20 cm. Offenbar handelt es sich um Teile eines ehemaligen Türsturzes mit mittig angebrachter Königstitulatur. Die Seite mit den Überresten derselben ist als Vorderseite der Türschwelle verlegt, welche nach innen verkippt ist, so dass der auf dem Kopf stehende Text nur auf Knien bzw. flach auf dem Bauch liegend untersucht werden kann. Die Inschrift war einst mittig auf dem Sturz angebracht und befindet sich auch heute noch etwa im Zentrum der Schwelle gelegen. Sie weist eine Breite von 39 cm und eine Höhe von 20 + x cm auf. Die in versenktem Relief ausgearbeiteten Hieroglyphen umfassen zunächst die Reste von drei senkrechten Zeilen mit der königlichen Titulatur, jeweils von

153 | So Habachi, Sais, S. 395 und Anm. 4. 154 | Von Beckerath, Ägyptische Königsnamen, E XXX.3 155 | Inventarnummer JE 67849. 156 | Für weitere von Necho II. überlieferte Inschriftenblöcke s. Redford, LÄ IV, sp. 371, Anm. 20-24; Gauthier, Livre des rois, S. 86-92; Habachi, Sais, S. 369ff. 157 | In dieser Moschee konnte ein Schwellstein aus gelbem Quarzit festgestellt werden, der ursprünglich ebenfalls pharaonischen Ursprungs sein dürfte, jedoch keinerlei Beschriftungen oder Dekorationsspuren auf den sichtbaren Bereichen aufweist.

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195 Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta)

rechts nach links zu lesen, wobei lediglich der untere Abschluss mit Resten der letzten Hieroglyphe erhalten ist: 1. Unterteil einer Palastfassade, 2. erste, wohl mit dem Thronnamen versehene Königskartusche (wh.m-jb-R), bei der die Überreste der Herzhieroglyphe aufgrund der starken Zerstörung nur noch zu erahnen sind, 3. zweite, den Eigennamen des Königs (nk(3)w) bietende Kartusche mit deutlichen Resten eines Wachtelkükens. Unter diesen drei Kolumnen verläuft eine waagerechte Zeile (dj nh dd w3s mj R d.t), welche ebenfalls von rechts nach ˘ rechten Seite des Blockes ist auf Höhe der Titulalinks zu lesen ist. Auf der tur der untere Teil einer weiteren vertikalen, ein Epitheton enthaltenden Textkolumne bewahrt, wobei der (nicht erhaltene) Göttername aus Gründen der Ehrfurcht vorangestellt gewesen sein dürfte: Es lassen sich zunächst Reste eines Schilfblattes und eines Auges ausmachen, darunter die Mundhieroglyphe sowie eine Hornviper. Unterhalb dieser Gruppe, auf Höhe der horizontal verlaufenden Zeile, aber nicht zu dieser gehörig, findet sich zudem der Ausdruck mry mit Hacke und Doppelschilfblatt geschrieben. Die vertikale Zeile kann insgesamt wie folgt gelesen werden: mry [///// , m] ırw=f – »geliebt von [… in] seiner Gestalt«.158 Dieses Epitheton wird häufig dem Atum beigeschrieben.159 Ähnliche Blöcke von Necho II. mit der Nennung des Atum und dem hier vorliegenden Epitheton sind auch aus dem Fort Kait Bey in Rosetta/Rashid bekannt.160 Für diese ist laut Habachi wohl eine Herkunft aus Sais/Sa el Hagar anzunehmen, welches auch für den ähnlich gefertigten Block aus der Nasrallah-Moschee in Fuwa zutreffen könnte. Begrenzt wird die Inschrift des Blockes nach unten durch eine einfache, horizontal verlaufende Linie, während sie an den Seiten durch w3s-Szepter abgeschlossen wird, deren charakteristischer, bogenförmiger unterer Abschluss beiderseits erhalten ist. §3 Block in der El-Jami’a el-Kuraniyya-Moschee Es konnten in Fuwa jedoch auch Blöcke lokalisiert werden, welche der Aufmerksamkeit Habachis offenbar entgangen sind. So wird im Hof der kleineren El-Jami’a-el-Kuraniyya-Moschee seit jeher ein ausgehöhlter Quarzitblock als Waschgelegenheit (sibil) genutzt, dessen eine Seite mit Teilen einer Gaugötterprozession in versenktem Relief dekoriert ist (vgl. Abb. 71 und 72). Diese Gaugötterprozessionen sind in Tempeln nahezu aller Epochen des alten Ägypten häufig im Bereich der Sockelzone angebracht worden, wobei sie, kniend oder stehend dargestellt, immer auf das Tempelinnere ausgerichtet sind.

158 | Habachi, Sais, S. 380f. übersetzt »who is complete in his form«. 159 | Habachi, Sais, S. 380. Laut Leitz, Lexikon ägyptischer Götter, S. 417 ist dieses Epitheton für Atum jedoch lediglich in anderer Schreibweise und erst ab griech.-röm. Zeit belegt. Für eine Schreibweise mit Schilfblatt, Auge und Mund (aber auch mit Wachtelküken und Hieroglyphe Gardiner A 53) s. Hannig, Großes Handwörterbuch, S. 92. 160 | Habachi, Sais, S. 380f. mit Abb. 102.

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69 Block von Necho II. in der Nasrallah-Moschee (Zeichnung Silvia Prell)

70 In der Nasrallah-Moschee als Schwellstein verwendeter Türsturz von Necho II (Ausschnitt aus Abb. 14)

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197 Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta)

Der Block aus rotem bis schwarzem Quarzit misst 125 x 77 x 71 cm und wurde in eine der Hofecken nahe an die Außenwände von Hof- bzw. Moscheemauer gesetzt und durch Verputz mit den Mauern verschmolzen. Verputz und Farbreste finden sich teilweise auch auf der erhaltenen Bildfläche mit der heute um 90˚ verkippten Darstellung der Gaugötterprozession, welche eine Höhe von 40 cm und eine Breite von x + 68 + y cm aufweist. Unterhalb der Prozession ist eine undekorierte Sockelzone erhalten, welche durch eine einfache Registerlinie von den Darstellungen abgesetzt ist. Es ist zu bemerken, dass eine in Richtung Sockel verlaufende Verfärbung des Gesteins von rotem zu schwarzem Quarzit geschickt dazu genutzt wurde, um die braune, bzw. dunkle Färbung des Nilschlamms anzudeuten.161 Drei kniende Gaugottheiten sind erhalten, wobei zwei nach Art der Nilgötter dargestellte Fruchtbarkeitsgenien eine Gaugöttin in ihre Mitte nehmen – offenbar wechselten sich in der Sockelzone also Fruchtbarkeitsgötter mit -göttinnen ab. Die Umrisslinien der Figuren, Attribute sowie Hieroglyphen wurden mit V- bzw. U-Schnitt ausgeführt.162 Die Körperinnenflächen wurden, außer in Teilen bei der Gaugöttin (Gesicht, Perücke und im Bereich des Trägers des Kleides), nicht ausführlicher modelliert und bilden eine mehr oder weniger plane, von den Umrisslinien begrenzte Fläche. Schwache Ausmodellierungen sind bei den männlichen Fruchtbarkeitsgöttern lediglich im Bereich des Gesichtes und der Perücke festzustellen. Insgesamt ist die Ausführung des Reliefs von geringer Qualität und nur mit wenigen Details versehen. Die Gaugötter, welche mit einem schmalen – im Fall des hinteren Gottes auch leicht aufgebogenem – Götterbart versehen sind, wurden mit Bauchwülsten und Brüsten abgebildet und sind, bis auf einen einfachen, ungegliederten Halskragen, unbekleidet.163 Die Göttin trägt ein einfaches Trägerkleid mit einem Träger, welcher über ihre rechte Schulter verläuft und die rechte Brust freilässt – ein Bekleidungstyp, der bereits seit dem AR belegt ist.164 Auch sie ist, wie die Nilgötter, mit einem einfachen, ungegliederten Halskragen sowie einer überschulterlangen Perücke dargestellt. Alle Perücken sind in ihrer Form gleich ausgestaltet und

161 | Nach der Konzeption der Tempel als Abbild des Kosmos, symbolisiert die schwarze Färbung die aus dem Ursumpf heraustretende schwarze Erde, welche in Tempeln des AR bereits durch schwarze Fußbodenpflasterung verdeutlicht wurde und bei vielen ptolemäischen Tempeln durch schwarze Bemalung der Sockelzone oder der Darstellung eines Papyrusdickichts entlang derselben zum Ausdruck gebracht wird. 162 | U-Schnitt für breitere Linien, V-Schnitt für schmalere. 163 | Der vor allem für stehende Gottheiten dieser Ausprägung so charakteristische Gürtel mit Gehänge ist nicht vorhanden. 164 | Z.B. bei Sahure, s. Borchardt, Das Grabdenkmal Sahure, Tf. 29, wobei hier die Darstellung nur eines Trägers wohl auf die Wiedergabe nur einer Schulter zurückzuführen ist, s. dazu die Frauenfiguren im oberen Register, welche mit beiden Schultern und auch zwei Trägern abgebildet sind.

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weisen keinerlei Innenzeichnung auf. Sie entsprechen in etwa Baines Typ 1 bzw. Typ 5, welcher glatt hinter den Schultern auf den Rücken herabfällt und keinen vor den Körper geführten Perückenlappen aufweist.165 Bei allen Figuren ist lediglich die rechte Schulter und der rechte Arm wiedergegeben worden. Alle drei erhaltenen Gottheiten tragen auf dem angewinkelten Arm eine Opferplatte in Form der h.tp-Hieroglyphe, welche bei allen auf die gleiche Art und Weise ausgestaltet ist. Mittig und nicht von dem Brot der Opferplatte bzw. der Opferhieroglyphe abgesetzt, sondern förmlich aus dieser herauswachsend, ist ein w3s-Szepter abgebildet, welches unterhalb des Armes der Figur seinen Abschluß mit der charakteristischen Gabelung findet. Der untere Bereich des Szepters wird von je zwei von der Opferplatte herabhängenden ˇsn-Ringen flankiert.166 Im oberen Bereich wird das Szepter von jeweils zwei h.s-Vasen eingeschlossen.167 Die Götter bringen also ein kombiniertes Brot- und Libationsopfer dar, welches zudem noch durch den Heilsaspekt des w3s-Szepters und den Schutzaspekt der ˇsn-Ringe ergänzt wird. Oberhalb der Opferplatte der Gaugöttin befinden sich die auf sie bezogenen Hieroglyphen snh »belebend«, während sich über den Opferplatten der Gaugötter die Kom˘ bination dj=f nh feststellen lässt. Vor dem ersten der Gaugötter ist das Vor˘ Ausdruckes noch durch erhaltene Teile des nh-Zeichens handensein dieses ˘ sowie den Schwanz der Hornviper zu belegen. Auf dem Kopf tragen die Gottheiten die rechteckige Darstellung des von Kanälen durchzogenen Landes, auf dem sich die Bezeichnung des entsprechenden Landstriches befindet. Der erste Gaugott repräsentiert den 16. oä. Gazellengau (m3-h.d) während das Zeichen, welches die darauf folgende Göttin auf dem Kopf trägt, wohl mit dem von einer Hornviper gekreuzten (Granatapfel?)baum des 13. oä. Gaues identifiziert werden kann, wobei hier keine Unterscheidung in vorderen (13. oä. = ndft hntt) oder hinteren (14. oä. ˘ Kopf der Hornviper be= ndft ph.t) Gau getroffen wurde.168 Wenn auch der

165 | Baines, Fecundity Figures, S. 87. 166 | In der Regel finden sich an dieser Stelle Gehänge mit nh-Zeichen, welche aber in ihrer ˘ Bedeutung eng mit den ˇsn-Ringen in Beziehung stehen. Zu ˇsn-Ringen allgemein s. Jéquier, Les talismans, S. 137ff. 167 | Zum qbh.w-Libationsopfer und den verschiedenen Vasen s. Traunecker, Rites de l’eau à Karnak, S 195ff. 168 | Die Trennung des Gaues in einen vorderen und einen hinteren ist bereits seit Snofru belegt, s. Fakhry, Monuments of Sneferu, S. 27, Abb. 12. Das Gauzeichen kann aber, wie z.B. bei Niuserre, auch ohne die unterscheidenden Zusätze auftreten, s. Borchardt, Das Grabdenkmal Ne-user-re, Tf. 15. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Stück aus der El-Jami’a el-Kuraniyye-Moschee um den 13. oä. Gau, da der 14. oä. Gau zum letzten Mal unter Sesostris II. genannt ist und nach diesem wohl an den 15. oä. Gau angegliedert wurde, s. Helck, Gaue, S. 105. Dass in stereotypen Listen, wie z.B. in Edfou, trotzdem noch beide Gaue aufgeführt sind (de Chalvet de Rochemonteix, Edfou I, S. 343, XX-XXI und Chassinat, Edfou VI, S. 212, LIII-LIV) dürfte auf traditionelle Gründe zurückzuführen sein.

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schädigt ist, so ist sie doch deutlich anhand des geschwungenen Schwanzes rechts der Baumhieroglyphe erkenntlich und setzt sich durch diesen Schwung auch deutlich vom 20./21. oä. Gau (hnrt hntt/ph.t), ab, der mit einer ˘ in einem Baum befindlichen Armhieroglyphe geschrieben werden kann.169 Während bei der dritten Gottheit die Hieroglyphe des von Kanälen durchzogenen Landes einen guten Erhaltungszustand aufweist, sind die darauf befindlichen Hieroglyphen stark zerstört und in Teilen zudem mit Verputz und Farbe beschmiert. Erkennbar ist jedoch, dass es sich um zwei schmale und hohe Zeichen handelt, welche in ihrem unteren Bereich ähnlich einem w3s-Szepter gegabelt erscheinen. Diese schließen ein Zeichen ein, welches in Teilen direkt auf dem oberen Abschluss der Kanalhieroglyphe aufliegt, dort etwas breiter ist und sich nach oben verjüngt. Evtl. könnte es sich um die Reste der Bezeichnung des 19. oä. Gaues (wbwj) handeln. Die Abfolge dieser drei Gaue hintereinander erscheint möglich, wenn bisher auch kein weiterer Beleg aufgefunden werden konnte, bei dem diese drei Gaue in exakt derselben Reihenfolge wiedergegeben wurden. Dennoch finden sie sich immer in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, soweit belegt jedoch in numerischer Abfolge, wie z.B. in der geographischen Liste von Edfu170, aber auch schon früher, z.B. bei Blöcken aus der Zeit Amenophis’ III., welche sich heute im Cleveland Museum befinden und auf denen die Gaue in numerischer Reihenfolge vom 16.-19. abgebildet sind.171 Eine Erklärung, warum die Gaue bei dem Block aus Fuwa in dieser ungewöhnlichen Aneinanderreihung wiedergegeben wurden, kann bisher nicht geliefert werden – nichttopographische Platzierung der Gaue innerhalb der Gaugötterprozessionen sind jedoch z.B. beim Isistor von Dendera belegt, wenn hier auch vollständig die Gaue Oberägyptens mit denen Unterägyptens vertauscht wurden.172 Jedoch belegen Reliefs im Tempel von Sethos I. in Abydos, dass z.B. der 14./15. Gau auch auf den 16. folgen konnte.173

169 | Vgl. Montet, Géographie, S. 185 und 195. 170 | Chassinat, Edfou VI, S. 211f. XLIX-LIV. In den Nilgötterprozessionen ist ebenfalls die Abfolge des 13.-19. Gaus belegt, s. de Chalvet de Rochemonteix, Edfou I, S. 341-343. Nr. XVI-XXI. 171 | Berman, Cleveland Museum, S. 227ff, Nr. 166. 172 | Anbringung der oä. Gaue im Norden und der uä. Gaue im Süden, s. Caulville, Dendara, S. 293ff. Die Reihungen innerhalb der Gruppen sind jedoch richtig wiedergegeben, wenn auch nicht vollständig, d.h. nur bis zum 15. oä. Gau. 173 | Mariette, Abydos, Tf. 11 unter d.tuv.

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71 Als sibil genutzter Block in der El-Jami’a-elKuraniyya-Moschee (Zeichnung Silvia Prell)

72 In der El-Jami’a-el-Kuraniyya-Moschee als sibil genutzter Block mit Gaugötterprozession

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§4 Block A in der El-Qenawi-Moschee Der erste der insgesamt zwei in dieser Moschee befindlichen und mit Relief versehenen Blöcke besteht aus gelbem Quarzit und ist ebenfalls mit einer Gau- oder Fruchtbarkeitsgötterprozession dekoriert. Diese ist jedoch nur in Teilen erhalten, da der ursprüngliche Block zerkleinert und als Säule in der

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Eine Datierung des Blockes gestaltet sich aufgrund der emblematischen Ausgestaltung sowohl der Figuren als auch der Opfergaben und der Beischriften schwierig. Die Ausführung des Reliefs mit nur einer Schulter und einem Arm weist stilistisch in das AR,174 ist jedoch auch in späteren Epochen nachzuweisen.175 Auffällig ist auch die hockende Position, welche nach der stehenden und der knienden,176 die dritte und am seltensten belegte Pose von Fruchtbarkeitsgöttern innerhalb Prozessionsdarstellungen ist. Die kniende Variante tritt nicht vor dem MR auf und ersetzt wohl teilweise die hockende.177 Für letztere existieren in Bezug auf Prozessionen zwei mögliche frühe Beispiele aus dem AR,178 welche aber stark zerstört sind. Der einzig gesicherte Beleg für hockende Fruchtbarkeitsgötter entstammt der SpZt und befindet sich auf einem Opfertisch,179 welcher laut Baines archaisierende Züge aufweist. Eine ähnliche Datierung ist wohl auch für den Block in der El-Jami’ael-Kurraniye-Moschee anzunehmen, da die Repräsentation von Gauen in Form von Fruchtbarkeitsgöttern erst ab dem MR belegt ist,180 und somit eine Datierung in das AR unwahrscheinlich erscheint. Zudem sind im AR der 13. und 14. Gau noch getrennt, welches seit Sesostris II. – außer in stereotypen Listen der SpZt – nicht mehr nachzuweisen ist.181 Vielmehr scheint der Block in der ägyptischen SpZt mit archaisierenden Tendenzen geschaffen worden zu sein und ist somit evtl. der 3. ZwZt zuzuweisen.

174 | Baines, Fecundity Figures, S. 93 und Schäfer, Egyptian Art, S. 303f. 175 | Z.B. aus dem NR von Hatschepsut: Chevrier, Travaux de Karnak, S. 134ff und Tf. VI (nach S. 160) oder Pillet, Rapport, S. 99ff und Tf. VI. 176 | Im Gegensatz zur hockenden Variante berühren die Knienden mit den Schienbeinen nicht den Boden und die Füße sind lediglich mit den Zehenspitzen aufgesetzt, s. Baines, Fecundity Figures, S. 101. 177 | Baines, Fecundity Figures, S. 101. 178 | Borchardt, Das Grabdenkmal Sahure, Tf. 24; Bisson de la Roque, Tôd, Tf. 10 mit Foto eines Blockes in den Fundamenten des Tempels Thutmosis’ III. 179 | Detroit Institute of Art, Nr. 73.171; nach Baines, Fecundity Figures, S. 101 ohne Abbildung. 180 | Baines, Fecundity Figures, S. 198. Laut Beinlich, LÄ II, sp. 418 erst ab dem frühen NR, z.B. in der »chapelle rouge«, s. Pillet, Rapport, S. 99ff und Tf. VI. Auch hier wechseln sich bereits Göttinnen mit Fruchtbarkeitsgöttern ab – jedoch sind sie in kniender Pose wiedergegeben. 181 | Helck, LÄ II, sp. 389f.

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Moschee verbaut wurde (vgl. Abb. 73 und 74).182 Sowohl Material als auch Ausgestaltung des Reliefs weichen jedoch deutlich von dem eben besprochenen Block in der El-Jami’a-el-Kurraniye-Moschee ab. Die Gottheiten sind in versenktem Relief ausgeführt, welches eine sehr saubere und detaillierte Ausarbeitung und stellenweise Innenzeichnung aufweist. Aufgrund ihrer Sekundärverwendung als Säule sind auch diese Darstellungen heute um 90˚ verkippt. Schon die Abfolge weicht von dem unter §3 besprochenen Block ab: eine Göttin wird von jeweils zwei Nil- bzw. Fruchtbarkeitsgöttern eingerahmt. Insgesamt sind sechs der Figuren erhalten (1x Göttin, 2x Gott, 1 x Göttin, 2 x Gott).183 Das Motiv erstreckt sich über die volle Höhe der Säule, welche 2,01 m beträgt.184 Köpfe, Schultern und Beine der Gottheiten sind verloren bzw. abgearbeitet – lediglich der Ansatz der Oberschenkel ist teilweise erhalten und weist auf eine kniende Haltung hin.185 Die erhaltene Höhe der Figuren beträgt x + 15 + y cm. Auch hier erfolgt die Darstellung mit nur einer Schulter und einem Arm; der untere Abschluß einer gesträhnten Perücke von Baines Typ 1 bzw. 5 ist auf den Rücken der Gottheiten herabfallend erhalten.186 Alle tragen eine einfache Opferplatte in Form der h.tp-Hieroglyphe, wobei die Platte durch Innenzeichnung als geflochten definiert ist. Außer dem Opferbrot finden sich keine weiteren Gaben. Um Arme bzw. Händen der Figuren geschlungen, hängen jeweils vier Schnüre herab, deren untere Abschlüsse größtenteils verloren sind. Lediglich bei einem Fruchtbarkeitsgott ist ein einfacher horizontaler Abschluss der dritten Schnur von vorne erhalten (s. Abb. 73).

182 | Sämtliche Säulen der Moschee bestehen entweder aus zerkleinerten Blöcken oder ehemaligen Säulen wohl unterschiedlicher Zeitstellung. Insgesamt finden sich 12 Marmorsäulen sowie zwei aus Kalkstein, sieben aus rotem Granit, zwei aus gelbem Quarzit und eine aus Porphyr? Einzig die mit der Prozession versehene Säule weist Reliefreste auf. Als Basen und Kapitelle der Säulen dienen zumeist korinthische Kapitelle unterschiedlicher Größe und Ausformung, welche in der Funktion als heutige Basis um 180˚ verkippt verbaut wurden. 183 | Für diese Art der Aufteilung einer Prozession konnten bisher keine weiteren Belege aufgefunden werden. 184 | Tiefe der Säule bzw. des Blockes nach rezenter Abarbeitung ~ 33 cm, durch grobe Ausführung schwankend. 185 | Eine hockende Position wie bei der Prozession aus der El Jami’a el-Kurraniye-Moschee ist wohl auszuschließen, da der Winkel der erhaltenen Oberschenkelansätze bei Block A der El-Qenawi-Moschee sehr viel steiler ausfällt. 186 | Baines, Fecundity Figures, S. 87.

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73 Beispiel für einen Fruchtbarkeitsgott und eine -göttin von der Säule der El-Qenawi-Moschee (Zeichnung Silvia Prell)

Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta)

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74 In der El-Qenawi-Moschee als Säule verbaute Spolie (Block A) mit Prozession von Fruchtbarkeitsgöttern

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Ob sich mittig über dem Opferbrot analog zu bekannten Darstellungen evtl. ein w3s-Szepter befand, kann aufgrund der Zerstörungen nicht entschieden werden. Dafür spräche jedoch die jeweils mittige Anbringung einer der herabhängenden »Schnüre« unterhalb des Opferbrotes, deren unterer Abschluss jedoch in keinem Fall erhalten ist und somit keine Hinweise liefern kann. Die jeweils außen gelegenen Schnüre könnten mit nh-Zeichen oder ˘ ˇsn-Ringen verziert gewesen sein. Die Göttinnen tragen ebenfalls ein einfaches, eng anliegendes Trägergewand, wobei der Träger über die rechte Schulter verläuft und die Brust freilässt. Die Fruchtbarkeitsgötter sind unbekleidet – auch der sonst übliche Gürtel mit Gehänge ist nicht nachzuweisen. Die herabhängende Brust ist deutlich ausgearbeitet; der Bauch vorgewölbt, jedoch nicht mit den sonst üblichen Wülsten versehen. Der Nabel ist durch eine rundliche Vertiefung markiert. Reste von Beischriften sind nicht festzustellen. Die zeitliche Einordnung dieses Blockes gestaltet sich aufgrund der mäßigen Erhaltung als noch schwieriger als die des Blockes in der El-Jami’a-el-Kurraniye-Moschee. Aufgrund der mangelnden Ausarbeitung der Bauchwülste der männlichen Figuren ist jedoch evtl. eine Datierung in die griech.-röm. Zeit anzunehmen.187 §5 Block B in der El-Qenawi-Moschee Außer der eben beschriebenen Säule befindet sich ein weiteres reliefiertes Stück in der Moschee – ein Block mit hkr-Fries ist als Türschwelle eines der Eingänge verlegt (vgl. Abb. 75). Auch hier bildet der Fries die Vorderseite der Schwelle, wobei das Ornamentband um 180˚ gedreht verlegt wurde. Insgesamt sind x + 28 + y einzelne hkr-Zeichen erhalten, welche eine Höhe von 17 + x cm aufweisen. Der Block besitzt insgesamt eine Höhe von 20 cm sowie eine Breite von x + 175 + y cm und eine Tiefe von 55 cm. Die ehemaligen unteren Abschlüsse der grob in V-Schnitt ausgeführten Zeichen ohne Innengliederung sind erhalten, während die nun unten befindliche Spitze derselben bei fast allen in Teilen verloren ist. Der Block bildete einst das obere Abschlussornament einer Wandfläche, wobei solche Friese sowohl in Grab- als auch Tempel- und Palastarchitektur Verwendung fanden und auf die rein pflanzliche Architektur vor der 3. Dynastie zurückzuführen sind.188 §6 Säulen der Abu-el-Makarem-Moschee Auch die 25 Säulen der Abu-el-Makarem-Moschee entstammen sämtlich der Antike. Zumeist handelt es sich um Rundsäulen aus Marmor – es ist jedoch auch eine Säule aus schwarzem, gepicktem Granit und eine weitere aus rotem Granit vorhanden. Dekorationsreste finden sich lediglich an einer der

187 | Baines, Fecundity Figures, S. 97. 188 | Die ältesten Cheker-Friese finden sich bei Djoser, s. Arnold, Ägyptische Baukunst, S. 49f., s.v. Cheker-Fries.

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§7 Bedeutung von Fuwa in pharaonischer Zeit und der Antike Wie oben bereits mehrfach erwähnt, gestaltet sich eine Datierung der reliefierten Blöcke (bis auf den von Necho II.) aufgrund der geringen Erhaltung und der Emblematik als schwierig. Auch über die Herkunft derselben können nur wenige Aussagen getroffen werden. Fuwa selbst scheint keine größeren archäologischen Hinterlassenschaften zu besitzen, wenn sich auch mehrere Tells in der näheren Umgebung befinden, die jedoch bisher keiner antiken Stätte zugewiesen werden konnten.189 Zwar wird im Ort immer wieder von einer Stadt unter der Stadt berichtet – eine in ganz Ägypten und vor allem im Delta weit verbreitete Aussage – jedoch konnten keinerlei archäologische Spuren derselben in Form von architektonischen Resten oder Objektfunden nachgewiesen werden. Lediglich an der Nord-West-Spitze der im Rosetta-Nilarm gelegenen, Fuwa vorgelagerten Insel sollen sich Reste eines Gebäudes aus roten Ziegeln mit viel Zement befinden, welche jedoch nur bei niedrigem Wasserstand sichtbar sein sollen.190 Die Beschreibung der Überreste weist evtl. auf ein röm. Badegebäude hin. Eine ehemals vorgenommene Identifizierung von Fuwa mit dem antiken Metelis erscheint heute nicht mehr wahrscheinlich.191 Evtl. kann der nahegelegene Kom el Ahmar mit Metelis in Verbindung gebracht werden,192 aber auch der Tell el Nagil könnte für eine Identifizierung in Frage kommen.193 Doch stellt sich die Frage, ob die

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Marmorsäulen, welche wohl in die griech.-röm. Zeit zu datieren sein dürfte. Es handelt sich um ein symmetrisch angeordnetes, in erhabenem Relief ausgeführtes, florales Motiv, welches durch eine verschlungene, ornamentale Begrenzung von der lediglich geglätteten Fläche der Säule abgesetzt wurde. Mehrere symmetrisch angeordnete Pflanzen befinden sich in einer Vase, welche an den Seiten von einem Apfel bzw. einer Birne flankiert wird. Wie auch in der El-Qenawi-Moschee wurden verschiedene, z.T. korinthische Kapitelle um 180˚ gedreht als Basen genutzt, wobei nicht alle Säulen der Moschee eine solche besitzen. Auch sämtliche vorhandenen Kapitelle sind antiken Ursprungs und weisen unterschiedliche Ausformungen auf.

189 | Für eine Karte der umliegenden Tells s. Spencer, Roman Sites, S. 539. Abb. 1. 190 | Bei einer Bootstour rund um die Insel konnten zumindest bei dem damals herrschenden hohen Wasserstand keinerlei Überreste dieses Gebäudes festgestellt werden. 191 | Bernand, Delta égyptien, S. 443ff mit umfassender Forschungsgeschichte und Timm, Christlich-koptisches Ägypten, S. 1604-1610, s.v. Masil. 192 | Jansen-Winkeln, Metelis, sp. 87f. 193 | Bietak, Tell el Daba, S. 122 mit Anm. 498. Für diese Identifizierung sprachen sich bereits Daressy, Villes d’Egypte, S. 211 und Ball, Egypt, S. 109 aus, s. dazu auch Habachi, Kôm el Wist, S. 286, wobei eine solche Identifizierung jedoch jeglicher Grundlage entbehrt. Ebenso die von Ramzi Bey, L’ouvrage d’É, S. 293 vorgenommene Gleichsetzung von Metelis mit dem Kom el Medineh kann nicht bewiesen werden. Nach Auskunft des Inspektorats in Damanhur ist der Tell el Nagil heute, nach einer oberflächigen Sondage der äygptischen Altertümerverwaltung,

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Spolien überhaupt den umliegenden Tells entstammen. Vor allem der Block von Necho II. weist auf eine Herkunft desselben und evtl. auch der anderen Spolien aus Sais hin, von wo aus Blöcke über einen langen Zeitraum hinweg entlang des Rosetta-Nilarmes bis hoch nach Rosetta/Rashid verschifft wurden.194 Eine endgültige Klärung und Zuweisung wird nicht vorgenommen werden können. §8 Block aus der Hauptmoschee von Dairut Zum Abschluss soll ein weiterer Block aus der näheren Umgebung Fuwas vorgestellt werden, der vor nicht allzu langer Zeit bei umfassenden Renovierungsarbeiten der Hauptmoschee von Dairut (Buheira Governorate) in den Fundamenten des Minaretts verbaut aufgefunden wurde (vgl. Abb. 76 und 77). Die Moschee war im Mai 2006 noch in der Renovierung begriffen und der Block wurde mit Hilfe einer Öffnung im Fußboden, durch die man in einen kleinen Hohlraum im Bereich der Fundamente des Minaretts gelangte, zugänglich gehalten. Ob dies weiterhin der Fall sein wird ist unklar – daher scheint eine Dokumentation zum jetzigen Zeitpunkt angebracht. Es handelt sich um einen Monolith aus hellem rotem Granit, welcher eine Breite von mind. 240 + x cm, eine Höhe von 54 + x cm und eine Tiefe von 26 cm aufweist. Er wurde hochkant an der Ecke eines Fundamentvorsprungs, wohl als Verstärkung, eingezogen, so dass die Inschrift heute um 90˚ verkippt ist (vgl. Abb. 77). Nach unten zu verschwindet der Block im Erdreich und setzt sich dort evtl. noch fort. Erhalten sind die unteren Reste der Hieroglyphen einer horizontal verlaufenden Inschriftenzeile sowie darunter 20 vertikal angelegte Spalten einer Opferliste,195 welche größtenteils einen guten Erhaltungszustand aufweisen. Die Kolumnen der Liste sind zweigeteilt – im oberen Bereich befindet sich die Nennung des gewünschten Opfers, im unteren, durch einen durchgehenden, horizontal verlaufenden Strich abgesetzt, jeweils ein Determinativstrich als Zahlenangabe. Lediglich das letzte dieser Felder ist abweichend mit einem Gefäß (Gardiner W 10) versehen. Sämtliche Hieroglyphen sind nach rechts orientiert, somit erfolgt die Beschreibung der Kolumnen von rechts nach links.

welche lediglich griech.-röm. Hinterlassenschaften zu Tage förderte, überbaut und somit nicht mehr zugänglich. 194 | Habachi, Sais, S. 369ff. 195 | Aufgrund der widrigen Umstände, den schlechten Lichtverhältnissen und dem Zeitdruck wurde leider versäumt Kolumnenbreite und Höhe aufzunehmen. Anhand der bekannten Länge des Blockes und der Anzahl der vorhandenen Kolumnen kann jedoch von einer Kolumnenbreite von ca. 12 cm ausgegangen werden.

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75 In der El-Qenawi-Moschee als Schwellstein verlegte Spolie (Block B) mit hk-Fries

Einige pharaonische Spolien in Fuwa und Dairut (Westdelta)

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76 Opferliste des Minarettfundamentblockes in Dairut (nach Aufzeichnungen von Silvia Prell)

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77 Um 90˚ verkippt in den Minarettfundamenten der Hauptmoschee von Dairut verbauter Block mit Opferliste

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Von der waagerechten Zeile ist etwa das untere Drittel der Zeichen erhalten – horizontal gelagerte und flache Zeichen, wie Wasserlinien, Hand oder Hornviper sind vollständig bewahrt. Zu lesen sind folgende Hieroglyphen (vgl. Abb. 76), wobei nicht alle eindeutig zugewiesen werden können und eine Übersetzung somit nicht vorgenommen werden konnte. Evtl. könnte es sich bei den Resten der vertikal verlaufenden, langrechteckigen Zeichen auch um Kolumnenbegrenzungen handeln, wobei dann die vertikal verlaufenden Kolumnen zwei Zeichenreihen enthalten und einen horizontal verlaufenden Text einschließen würden. Sollte es sich um einen Block aus einem Grab handeln, wäre an dieser Stelle z.B. eine Opferformel zu erwarten, wobei ein Vergleich mit den bei Lapp196 vorgestellten Formeln jedoch keine Übereinstimmung ergab. Sollte die Liste aus einem Tempel stammen, so können für den Text mehrere mögliche Inhalte, wie z.B. Rezitations- oder Opfervermerke angenommen werden. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass sich sowohl in Gräbern als auch in Tempeln lediglich selten Texte direkt oberhalb einer Opferliste feststellen lassen. Die Kolumnen der Liste sind derart gestaltet, dass sich im oberen Bereich die Angabe des Opfers und im unteren Bereich – immer auf gleicher Höhe angebracht – das Determinativ befindet, wobei hier Bierkrüge, Becher, Brote und verschiedenen Geflügel, bzw. Fleischsorten zu nennen sind. Die erste erhaltene Kolumne ist abweichend gestaltet – soweit erkennbar findet sich in ihrem oberen Bereich lediglich ein Bierkrug, welcher zudem nicht mittig innerhalb der Kolumne angebracht wurde, sondern sehr nah an den linken Rand derselben, fast auf die Begrenzungslinie, gesetzt ist (vgl. Abb. 76). Andere Hieroglyphen ließen sich innerhalb dieses Feldes nicht nachweisen, der untere Bereich ist zerstört. Die Bedeutung dieser, im Gegensatz zu den anderen Kolumnen abweichenden, Anbringung der Hieroglyphe ist unklar – evtl. ist hier eine Sekundärnutzung nicht auszuschließen. Danach folgt eine in der Anordnung der Zeichen von den anderen Opfern ebenfalls leicht abweichende Angabe – es handelt sich wohl um dwjw einen Bierkrug (auch mit entsprechendem Determinativ versehen),197 wobei die dw-Hieroglyphe jedoch sehr weit unterhalb der oberen Kolumnenbegrenzung angebracht wurde, so dass ein leerer Raum entsteht, in dem jedoch keinerlei Spuren eines Zeichens nachgewiesen werden konnten. Danach ist , ırp – Wein aufgeführt, worauf offenbar ˇst – ein Brot folgt,198 wobei dann jedoch eine Vertauschung der Hieroglyphen  und ˇs aufgetreten wäre. Dass es sich grundsätzlich um eine Brotsorte handelt, macht jedoch das Determinativ (Gardiner X 2) deutlich. Danach sind imt – Wein aus Buto,199 ein dsˇr.t-Ge-

196 | Lapp, Opferformel. 197 | Erman/Grapow, WB V, S. 551. 198 | Erman/Grapow, WB IV, S. 418. 199 | Erman/Grapow, WB I, S. 78.

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fäß200 sowie, aufgrund des Bechers als Determinativ, wohl ein weiteres Getränk, evtl. shp.t,201 dann allerdings in stark verkürzter Schreibung nur mit s und h, ˘genannt. Folgend werden 3sˇr.t – Grillklein202 und verschiedene Tiere, ˘nämlich Stier (k3), Graugans (r3), Kücken (t3y), Spießente (z.t), Krickente (s3) und Taube (mnw) angegeben. Der obere Bereich der folgenden beiden Kolumnen ist stark abgerieben und Zeichenreste nicht mehr erkennbar. Zunächst handelt es sich um ein weiteres Geflügel, wie das erhaltene Vogel-Determinativ erkennen lässt,203 sowie um eine weitere Opfergabe, von der noch die letzten beiden Hieroglyphen p und t sowie der Becher als Determinativ erhalten sind. Auch hier würde das Getränk shp.t als Lesung ˘ ein Zusamin Frage kommen – anhand der Gruppierung erscheint jedoch menhang mit den folgenden Körnerfrüchten wahrscheinlicher. Weiterhin sind zwt g.t – Weizen: (als) Röstkorn204 und g.t – Röstkorn205 sowie b3b3.t206 – eine Körnerfrucht (in verkürzter Schreibweise) als gewünschte Opfer angegeben. Die letzte sichtbare Kolumne, bevor der Stein im Erdreich verschwindet ist wiederum unklar. Zunächst findet sich ein schmales, senkrecht stehendes Zeichen, bei dem es sich evtl. um das ntr-Zeichen handeln könnte, welches von h und q gefolgt wird. Abweichend zu den anderen Kolumnen ist hier das Determinativ des Bechers (Gardiner W 10) im unteren, abgetrennten Bereich der Kolumne angebracht worden, welcher bei den anderen Opfergaben die Determinativstriche enthält. Die Bedeutung dieser Hieroglyphengruppe und die Gründe für die Abweichung bei der Platzierung des Bechers konnten bisher nicht erschlossen werden. Die Gruppierung der Opfergaben sowie deren Reihenfolge folgt keinem bei Barta207 aufgeführtem Schema. Nachdem zunächst Getränke aufgezählt sind, welche lediglich von einer Brotsorte? unterbrochen werden, folgen zwei Fleischsorten, deren geringe Anzahl ungewöhnlich erscheint, sowie verschiedene Geflügel und Körnerfrüchte. Diese Opferliste in Hinblick auf ihre Herkunft und Datierung genauer zu untersuchen, würde den Rahmen dieses Artikels jedoch sprengen, deswegen mag eine Vorstellung der Inschriften in diesem Zusammenhang genügen. In erster Linie ist es Ziel dieses Beitrages, die aufgefundenen Blöcke in Fuwa und Dairut für die Wissenschaft zu dokumentieren, da immer die Möglichkeit besteht, dass pharaonische Blöcke vor allem aus Moscheen

200 | Der dargestellte Vogel ähnelt stark dem gm-Vogel (Gardiner G 28), wobei es sich um ein Missverständnis handeln dürfte. 201 | Erman/Grapow, WB IV, S. 240. 202 | Verhoeven, Grillen, Kochen, Backen, S. 43ff. 203 | In Frage kämen z.B. mz3, trp, wd oder tp, welche aus anderen Opferlisten bekannt sind. 204 | Barta, Altägyptische Opferliste, S. 50 und 86. Verhoeven, Grillen, Kochen, Backen, S. 68. 205 | Verhoeven, Grillen, Kochen, Backen, S. 65ff. 206 | Erman/Grapow, WB I, S. 418. 207 | Barta, Altägyptische Opferliste.

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entfernt werden und deren weiterer Verbleib nicht unbedingt verfolgt werden kann. Wenn auch in Fuwa ein recht toleranter Umgang mit dem altägyptischen Erbe festgestellt wurde, so sei doch erwähnt, dass in dem etwa 25 km entfernt gelegenen Sais/Sa el-Hagar und näherer Umgebung in den letzten Jahren aufgrund religiöser Strömungen sämtliche antike Blöcke aus den Moscheen entfernt, zum Glück aber in das »Museum« bzw. Gaffirhäuschen der archäologischen Stätte Sais verbracht wurden, wo zumindest ihre weiterführende Erhaltung und Zugänglichkeit durch die Antikenverwaltung gewährleistet wird.

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) vakat 212.p 172516258428

3. Zur Forschungsgeschichte von Sais/Sa el-Hagar Die altägyptische Stadt Sais, nördlich des modernen Dorfes Sa el-Hagar (Markaz Kafr el-Zayat, Gharbiyah governorate) gelegen, war die Hauptstadt des 5. unterägyptischen Neithgaues (griechisch: Saites) und spielte bereits in der Frühzeit der ägyptischen Geschichte eine bedeutende Rolle als eines der wichtigsten religiösen Zentren. Der Hauptkult galt der kriegerischen Göttin Neith, welche in pharaonischer Zeit mit Pfeil und Bogen in Händen wiedergegeben, in der hellenistischen und römischen dann, auch in der Darstellung der Göttin Athena angeglichen wurde. Vor allem in der Spätzeit sind in Sais aber auch Kulte für weitere Götter, wie Osiris, Horus, Isis, Amun-Re, Hathor und Atum nachzuweisen, um nur die wichtigsten Gottheiten zu nennen.208 Wie inschriftlich belegt beherbergte der große Haupttempel der Neith ebenfalls Sanktuare für andere Götter. Der frühste Hinweis auf die Göttin findet sich bereits in der 1. Dynastie auf einem Anhängeplättchen zur Etikettierung von Öl aus der Regierungszeit des Königs Aha.209 Priester der Neith sind anhand von Titeln inschriftlich seit der frühen 2. Dynastie zu belegen.210 Die wichtigste Feier zu Ehren der Göttin Neith mit einem Lampenfest und der Aufführung der Osirismysterien, welche auf dem heiligen See vollzogen wurden, beschreibt Herodot.211 Sais war, neben dem ebenfalls im Westdelta gelegenen Buto und Abydos in Oberägypten, eine der mythologischen Stationen innerhalb des Bestattungsrituals.212 Allerdings ist die Stadt vom Alten Reich bis ins Neue Reich lediglich selten genannt und zumeist nur in Listen als bedeutende Kultstätte aufgeführt, auch wenn sie in dieser Zeit als Gauhauptstadt sicher eine gewisse wirtschaftliche Macht besessen haben muss. Weitgreifende politische Bedeutung erfuhr Sais jedoch erst relativ spät ab der 24. Dynastie unter den lokalen Herrschern Tefnacht und dessen Sohn Bokchoris (727-720 und 720-715 v. Chr.), welche versuchten sich gegen die zu dieser Zeit Ägypten aus dem Süden bedrohenden Kuschiten aus Nubien zu behaupten. Jedoch blieb ihr Herrschaftsbereich auf das Delta – insbesondere die Region um Sais – beschränkt, während die Kuschiten als 25. Dynastie zunächst den Süden und bald auch ganz Ägypten kontrollierten. Nach der assyrischen Invasion Ägyptens wurde von deren Herrscher Assarhaddon 671 v. Chr. Necho I., ein Nachkomme Tefnachts, als Fürst von Sais eingesetzt. Dessen Sohn Psammetich I. gelang es 656 v. Chr., im 9. Jahr nach seiner Einsetzung in Sais, durch einen geschickten politischen Schachzug die Kontrolle über das gesamte Land zurückzugewinnen. Er erreichte nämlich, dass seine Tochter Nitokris das zu dieser Zeit äußerst wichtige Amt der Gottes-

213

208 | Dazu umfassend el-Sayed, Documents relatifs. 209 | Petrie, Royal Tombs, Tf. III. A 5. 210 | Wilson, Survey of Sais, S. 2 mit Anm. 9. 211 | Herodot II, 59, 62, 171, s. auch Mallet, Culte de Neit, S. 39ff. 212 | Hierzu Matthiae Scandone, Tempio di Neith, S. 145ff.

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gemahlin des Amun in Theben von ihren kuschitischen Vorgängerinnen übernehmen konnte, womit er seinen Machtanspruch in Oberägypten sicherte. So wurde er zum Gründer der 26. Dynastie und Sais zur Residenz und Hauptstadt des Landes. Mit der Etablierung der in der Nähe gelegenen griechischen Handelsniederlassung Naukratis vielleicht schon unter Psammetich I.,213 welche von Sais aus kontrolliert wurde, erblühte Sais vor allem unter dessen Nachfolgern zum kommerziellen Zentrum Ägyptens. Auch künstlerische Impulse gingen von dort aus und in ganz Ägypten kam es zu einer »Renaissance«-Bewegung, welche archaische Züge aufweist und sich auf künstlerische Traditionen und Vorbilder des Alten Reiches stützt. Bis zur persischen Eroberung des Landes 525 v. Chr. durch Kambyses florierte die Stadt und verlor auch in der ptolemäischen und römischen Epoche ihre Bedeutung nicht, wie mehrere Münzhortfunde zeigen – auch wenn Sais keine eigene Münzpräge besaß, sondern in Alexandria speziell für den Gau geprägte Münzen (mit einer Kuh oder der Darstellung der Athena) benutzte. Bei Strabon, Plinius und Claudius Ptolemäus ist die Stadt weiterhin als Gauhauptstadt aufgeführt.214 Auch in der christlichen Epoche ist Sais weiterhin belegt – seit 325 n. Chr. ist die Stadt als Bistum bezeugt.215 Mehrere christliche Heilige haben hier ihr Martyrium erlitten – so sind in spätbyzantinischer Zeit mehrere Märtyrerkirchen im Stadtgebiet anzunehmen. Ein griechischer Papyrus nennt den saitischen Gau bereits für die Zeit um 259/ 60 n. Chr. im Kontext einer Christenverfolgung.216 Ende des 11. Jh. n. Chr. verlor die Stadt jedoch offenbar ihre Bedeutung.217 Zur Topographie von Sais gibt es lediglich recht spärliche Hinweise – Informationen stammen von Monumenten und Objekten aus Sais, welche hauptsächlich Hinweise auf Tempel und Kultstätten geben.218 In Dokumenten genannt werden natürlich der Tempel der Neith, das Haus der Neith, ein Tempel von Osiris, Vorderster von H.wt bj.t, ein Tempel des Osiris Hemag und ein Osirisgrab, welche offenbar alle innerhalb des Tempelbezirks der Neith gelegen waren. Des Weiteren sind Installationen namens Rs-Nt und Mh.-Nt,219 das Haus des Re, das Haus des Atum, der heilige See,220 verschiedene Stallungen, der Ruheplatz der Achet-Kuh, der Dromos der Neith, der Tempel des Herren der Ewigkeit, ein Gebäude für die Göttin Hathor und die königlichen Gräber der saitischen Könige als innerhalb

213 | My´slewiec, Herr beider Länder, S. 159. 214 | Wilson, Survey of Sais, S. 4. 215 | Timm, Christlich-koptisches Ägypten, S. 2212-2216, s.v. Sa al-Hagar. 216 | Pap. Oxy. 3119, 12, s. Rea, Oxyrhynchus Papyri XLIII, S. 77f. 217 | Mallet, Culte de Neit, S. 65. 218 | Wilson, Survey of Sais, S. 29-33. 219 | Dazu Schott, Häuser der Neith, S. 99ff. 220 | Geßler-Löhr, Heilige Seen, S. 233-241 mit Beschreibung des Umfeldes.

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215 Zur Forschungsgeschichte von Sais/Sa al-Hagar

des Neithtempels gelegen aufgeführt.221 Leider konnte keines der aufgeführten Gebäude bisher genauer lokalisiert werden. Eine Identifikation des modernen Dorfes Sa el-Hagar mit Sais wurde bereits 1759 von van Egmont und J. Heyman vorgeschlagen, da bis dahin häufig angenommen wurde, dass Sais sich im Ostdelta befinden müsse, welches jedoch auf eine Verwechslung mit San el-Hagar (Tanis) zurückzuführen ist. Ebenso sprach sich d’Anville 1766 für eine Gleichsetzung von Sais mit Sa el-Hagar aus. Sais war frühen Reisenden durch die Beschreibung des Ortes bei Herodot bestens bekannt, was sicherlich auch dazu beitrug, dass F. Schiller seine Ballade aus dem Jahre 1795 »Das verschleierte Bild zu Sais« betitelte, welche im alten Ägypten spielt und sich mit Mysterien, Einweihung und Erkenntnis befasst.222 Zudem trug die günstige geographische Position von Sais, am Rosetta-Nilarm auf dem Weg von Alexandria nach Kairo liegend, dazu bei, dass der Ort häufiger von Passanten besucht wurde. Somit sind uns recht umfangreiche Beschreibungen der ehemals vorhandenen pharaonischen Hinterlassenschaften überliefert, die heute größtenteils verschwunden sind. Die frühsten Zeugnisse stammen bereits von Besuchern der Antike: Herodot (ca. 450 v. Chr.), Strabon (ca. 25 v. Chr.) und Athenagoras (2. Jh. n. Chr.) hielten sich in Sais auf und legten ihre Beobachtungen schriftlich nieder. Weitere Berichte stammen dann erst wieder von mittelalterlichen arabischen Autoren, nämlich Ibn Hauqal (988) in Kitat Surat Al-Ard, und Maqrizi (1440). Unter den Reisenden des 18. und 19. Jh., welche uns Beschreibungen oder auch Skizzen und Zeichnungen hinterlassen haben sind als die aufschlussreichsten Pococke (1737-39), van Egmont und J. Heymann (1759), C. Niebuhr (1761-62), C.N.S. Sonnini de Mononcour (1777-80), Vivant Denon (1799), die Expedition Napoleons und die daraus resultierende Description de l’Egypte (1799), J. Silk Buckingham (1813-15), H. Salt (1816), E.W. Lane (1826-27), Champollion (1828), Rosellini (1828), J. Gardner Wilkinson (1821 und 1833), Lepsius (1842), J. Hekekyan (1854), É. Isambert (ca. 1870), G. Ebers (in den 1880gern) und W.M.F. Petrie (1884-85) zu nennen.223 Leider wurde dieses seit der Frühzeit belegte, bedeutende religiöse Zentrum archäologisch nie systematisch untersucht; durch Mariette (1859), Barsanti (1893), A. Bey Kamal (1899)224 und Daressy (1901)225 wurden lediglich kleinere Ausgrabungen vorgenommen, welche keine bedeutenderen Funde zu Tage förderten. Letzterer führte seine Ausgrabungen in Sais aufgrund eines Bronzehortfundes von 1891 durch. Neben mehreren Missionen der EAO/SCA seit den 30ger Jahren des 20. Jh. bei denen z.B. die Überreste

221 | Hierzu Stadelmann, Grab im Tempelhof, S. 111-114. 222 | Assmann, Verschleierte Bild. 223 | Zu Reiseliteratur und Forschungsgeschichte s. umfassend Wilson, Survey of Sais, S. 35ff. 224 | Gauthier, Basse Egypte, S. 199. 225 | Daressy, Fouilles à Sa el-Hagar, S. 230ff.

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von einem römischen Badegebäude sowie ein Gründungshort bestehend aus hellenistischen und römischen Bronzen aufgefunden werden konnten,226 werden seit 1997 Surveys des Stadtgebietes u.a. mittels magnetischer Prospektion sowie kleinerer Ausgrabungen und Bohrungen von der Egypt Exploration Society (EES) unter der Leitung von P. Wilson vorgenommen.227 Pläne und Zeichnungen des 19. Jh. zeigen mehrere Tempelumfassungsmauern, Osirisgräber und die Gräber der Könige der 26. Dynastie, welche bereits von Herodot und Strabon beschrieben wurden.228 All diese Mauern sind heute fast vollständig verschwunden, da sie den Sebakhin zum Opfer fielen oder steinerne Monumente in die Umgegend verschleppt wurden. Vor allem entlang des Rosetta-Nilarmes bis hinauf nach Rosetta/Rashid sind viele Blöcke und Spolien, z.T. auch in Moscheen verbaut, welche anhand ihrer Inschriften als aus Sais stammend bezeichnet werden können.229 Hinterlassenschaften, welche in die Zeit vor der 26. Dynastie datieren, sind äußerst selten, was aufgrund der Bedeutung des Ortes seit den Anfängen des ägyptischen Staates verwunderlich erscheint. Die vorhandenen Zeugnisse bestehen hauptsächlich aus Privatstatuen sowie einigen königlichen Monumenten230 – bisher archäologisch untersuchte Bereiche des Stadtgebietes datieren von Tefnacht (24. Dynastie) bis in die römische Zeit.

226 | Wilson, Sais, S. 4. 227 | www.dur.ac.uk/penelope.wilson/sais.html und Wilson, Survey of Sais, S. 97-204. 228 | Herodot II, 169 und Strabon, 17,1,18,23. 229 | Dazu Habachi, Sais, S. 369ff. 230 | Für einen Überblick über die bekannten Monumente, s. Porter/Moss, Topographical Bibliography, S. 46-49.

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Anhang

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) T03_01 RESPEKT III.p 172516258444

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) vakat 218.p 172516258452

Liste der Abbildungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Tanis (Photo Silvia Prell), S. 29 Tanis, S. 30 Kûm al-Ghuraf bei Dairut (Photo Silvia Prell), S. 31 Sonninis Kupferstich des Abû Mandûr etwa um 1777, S. 57 Abû Mandûr nach Mayer, S. 57 Darîh in Maqam und Moschee des Sîdî Ibrâhîm al-Disûqî, S. 64 Das Fest (mawlid) des Ibrâhîm, S. 65 Das Fest (mawlid) des Ibrâhîm, S. 65 Das Fest (mawlid) des Ibrâhîm, S. 65 Ansicht von Fuwa nach Mayer, S. 68 Begleittext zu den Kupferstichen nach Mayer, S. 81 Vor der Nasrallah-Moschee am Nil nach Mayer, S. 81 Nasrallah-Moschee heute: Ansicht vom Nil, S. 82 Nasrallah-Moschee: Schwelle zum Haupteingang, S. 82 Abû Dabâb im Ramadan: Qubba des Grabes des Nebelheiligen, S. 88 Al-Qinâ‘î-Moschee, S. 88 Al-Qinâ‘î-Moschee, S. 89 Al-Qinâ‘î-Moschee, S. 89 Abû al-Makârim-Moschee, S. 90 Abû al-Makârim, Darîh der Moschee, S. 90 Abû al-Makârim, Stadtseite der Moschee und Bibliothek der thaqâfa, S. 91 Al-Kûrâniyya-Moschee, S. 93 Moscheeraum der al-Kûrâniyya-Moschee, S. 93 Qubba im Hof der al-Kûrâniyya-Moschee, S. 94 Waschraum in der al-Kûrâniyya-Moschee, S. 94 Ritus in der al-Kûrâniyya-Moschee, S. 95 Ritus in der al-Kûrâniyya-Moschee, S. 95 Moschee des Sîdî Mûsâ, S. 101 Maqam und Moschee des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa, S. 101 Eingang zum Maqam des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa, S. 102 Darîh mit Modellboot im Maqam, S. 103 Maqam und Moschee des Sîdî Abû Nagâ mit Becken unten vom Nil aus nach oben betrachtet, S. 103 Vor der Moschee des Sîdî Abû Nagâ in Fuwa am Ufer des Nils, S. 104/105

219

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34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

Moschee des Sayyidnâ Ahmad Dâ‘î ad-Dâr, S. 106 Scheich Magdi in Fuwa, S. 107 Scheich Magdi in Fuwa, S. 107 Zu Mühlsteinen verarbeitete Säulenscheiben, S. 115 Maqam und Stadt Disuq, S. 119 Übersicht über Sais, S. 120 Maqam des al-Ghuzzî, S. 120 Al-Shâhîn, S. 121 Shadât mit Kûm im Hintergrund, S. 121 Sadîqa as-Saba mit Great Pit davor, S. 123 Abû Îsâ-Moschee, S. 128 Schwellenblöcke am Eingang zur Abû Îsâ-Moschee, S. 128 Maqam des Abbâs, S. 129 Alte Frau am darîh des Ibrâhîm, S. 129 Maqam des Abbâs mit darîh, maqsûra und »modernisierten« nuzûr, S. 130/131 Darîh des Ibrâhîm, S. 132 Auf dem Weg zur Sab‘a Qubba, S. 133 Moscheeneubau am Tell, S. 133 The Great Pit nach Süden, S. 139 Blick vom Tell nach Norden, S. 139 Alltag am Tell mit Blick nach Norden, S. 140 Alltag am Tell mit Blick nach Westen mit Blick auf die Qubba des Sab‘a, S. 140 SCA-Wächterhaus mit Hofmuseeum, S. 141 Freilichtmuseeum in Sais, S. 141 Wächter, S. 142 Spolien aus Moscheen, S. 142 Shâhîn und Grabesmoschee, S. 152 Shâhîn und Frau, S. 152 Torso am alten Platz, S. 153 Shadâd darîh, S. 153 Shadâd, S. 154 Kûm mit Blick nach Süden, S. 154 Frauen und Steine, S. 155 Frauen am Torso (neuer Platz), S. 155 Übersicht über die Einteilung und Benennung der Monate von der pharaonischen Epoche bis in koptische Zeit, S. 172

2008-03-06 15-25-51 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 0326172772611372|(S. 219-221) T03_01 abbildungen.p - Seite 220 172772611380

70 71 72 73 74 75 76 77

Block von Necho II. in der Nasrallah-Moschee (Zeichnung Silvia Prell), S. 196 In der Nasrallah-Moschee als Schwellstein verwendeter Türsturz von Necho II, S. 196 Als sibil genutzter Block in der El-Jami’a-el-KuraniyyaMoschee (Zeichnung Silvia Prell), S. 200 In der El-Jami’a-el-Kuraniyya-Moschee als sibil genutzter Block mit Gaugötterprozession, S. 200 Beispiel für einen Fruchtbarkeitsgott und eine -göttin von der Säule der El-Qenawi-Moschee (Zeichnung Silvia Prell), S. 203 In der El-Qenawi-Moschee als Säule verbaute Spolie (Block A) mit Prozession von Fruchtbarkeitsgöttern, S. 203 In der El-Qenawi-Moschee als Schwellstein verlegte Spolie (Block B) mit hk-Fries, S. 207 Opferliste des Minarettfundamentblockes in Dairut (nach Aufzeichnungen von Silvia Prell), S. 207 Um 90˚ verkippt in den Minarettfundamenten der Hauptmoschee von Dairut verbauter Block mit Opferliste, S. 208

221 Liste der Abbildungen

69

Liste der Karten A B C

Karte des westlichen Nil-Deltas, S. 54 Von höheren Schülern in Fuwa gemalte Stadtkarte mit Moscheen und heiligen Gräbern, S. 68 Skizze von Sais (nach Aufzeichnungen von Silvia Prell), S. 118

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) vakat 222.p 172516258468

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) vakat 240.p 172516258508

Glossar arabischer Termini afsh – Aussteuer (Ausstattung) azzâ – Trauerfeier ilm al-haqîqa – Wissenschaft/Wissen von der Wahrheit afarîd – böse Geister agânib – Ausländer (ajânib) agûz – alt, der Alte ahâli – koopertiv unterhaltene, nichtoffizielle »Volks«-Moschee oder Grabmal ajâ‘ib – al-hawâ (agypt. agâ‘ib) Vorzüge/Annehmlichkeiten der (guten) Luft oder des leichten Windes. al-âsr – Nachmittagsgebet al-ashâb – Prophetengenossen (Muhammads) al-Athâr – Kurzform für die ägypt. Altertümerverwaltung (al-Athâr al-Islamiyya) al-Awqâf – Kurzform für staatliche Religionsverwaltung (eigenlich pl. von waqf rel. Stiftung) al-Fadâ‘il – die Tugenden, die Exzellenzen (Titel eines Buches von al- Kindi), (sing. fadîla, als fadîla al-shaykh auch als Anrede für hohe Scheichs der Al-Azhar Universität) al-qâdim – die großen »Alten« al-talîm – Bildung Amn al-Dawla – Sicherheitspolizei Anwar – (von nûr, Licht) Erleuchtete (Titel eines Buches von Idrîsî) athâr malukhât illâhi … hiya al-mâ Synonym für die (Hieroglyphen) beschrifteten Denkmäler Gottes … dazu gehört das Wasser awliyâ – (sing. wâlî) die Heiligen balad taht al-balad – Stadt unter der Stadt balad thanyâ – zweite Stadt baraka – Segen, Charisma bida – ketzerische Neuerung bîr – Brunnen dabâb – Nebel darîh – abgeschlossener, -getrennter Sargraum im Grabmal dhikr – Meditationsübung der Sufis dhuhr – Mittagsgebet falûka – Segelboot (Nil) farrah – Hochzeit fitâr – Fastenbrechen Futûh al-Arab – Siege der Araber = arabische Eroberung Ägyptens (Buchtitel von Abd al-Hakam) gabal – Berg galabiyya – langes typ. ägypt. Hemdkleid für Frauen und Männer gamûsa – Wasserbüffelkuh

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ghafîr – Dorfwächter, Hilfspolizist gharb – der Westen ghazn as-sûf – Wollaufbereitung aus alten Stoffe hadamât li-llâh – Dienste für Gott hadd al-mustaqim – die gerade, direkte Linie (oder auch (koran.) richtig, ewig) hadra – Meditationssitzung der Sufis hagar – Stein hagar al-farûniyya – pharaonische Steine harbî – Krieger, kriegerisch hâris – Moschee-Angestellter, Wächter (auch khâdim) hasad – Neid Hifz al-Qur‘ân – Auswendigwissen des Koran idâra – Verwaltung Ihwât – Brüder, abgekürzt für die Muslim-Bruderschaft Ijâza – Lizens, die Grundlehrberechtigung unter islam. »Geistlichen« oder Theologie ilhâm – Inspiration, guter Instinkt Jazira al-Dhahab – (ägypt. Gazîra) Goldinsel (Name vieler Nilinseln) jinn – (ägypt. ginn) Dschinnen kanz – (pl. kunûz) Schatz khantûfû al-hagar – sie umschreiten den Stein (s.a. tûf) khibr – Schulung, Erfahrung, Ausbildung kullû sâkit – alle schwiegen Kûm al-Akhmar – roter Hügel, Name für viele noch unausgegrabene Altertumsstätten im Nildelta Kûm al-Qabrît – Hügel des Streichholzes kûm – Ruinenhügel Lâ illâh illa lâh – islam. Glaubensformel, Bekenntnis zum Einen Gott Laila Kabîra – Nacht der Vereinigung (wörtl. »große Nacht«) lîfa – Gurkengerippe (zum Hautabreiben beim Bad) lukha – (Tafel-)Inschriften mâ fî ikhtilâf manhaj – (ägypt. manhag) es gibt aber einen Unterschied ilm = religiöses Wissen/Wissenschaft maghrib – Abendgebet Mâhad Dînî – Kolleg der al-Azhar-Universität maktab – Büro maqâm – Grabmal maqsûra – Trennwand zwischen Sarg und offenem Raum im Grabmal oder Moschee, Arabeske mashhad ru‘ya – Ort des Zeugnisses Masjid al-Kabîr – (ägypt. masgid) Hauptmoschee mawâlid – pl. v. mawlid (Umgangssprache: mûlid) Mawlid an-Nabî – Geburtstagsfest des Propheten

2008-03-03 16-14-19 --- Projekt: T432.gli.stauth.heilige orte 2 / Dokument: FAX ID 017d172516257756|(S. 241-244) T03_04 glossar termini.p 172516258516

243 Glossar arabischer Termini

Mawqif – Bussbahnhof, Station für Sammeltaxen (Überland) mâya – (= mâ) Wasser Midâ – Waschraum meist als Moschee-Anbau Mihrâb – Gebetsrichtung anzeigende keine Kuppelnische in der Moschee mînâ – Hafen minbar – Moschee-Kanzel mudîr – Direktor Mudîr Idâra al-Talîm – Leiter einer Abteilung in der Schulverwaltung mufatish – Inspektor muhimma – Bedeutung, Wichtigkeit murâbitûn – Heeresgrenzposten murîdûn – Schüler, Unterwiesene, Sufi-Laien mutaaqadât shaabî – Volksglauben (topos in der orthodoxen Theologie, wörtl. Volks(selbst)versicherungen, sonst verbotene Traditionen tolerierend) nadwa – Sitzung, Vorlesung nugûm – Sterne (sing. nigm) qabrît – Streichhölzer Qibla – Gebestrichtung, qisas – Erzählungen, Prophetengeschichten qubba – Kuppelbau raka – Verbeugung, Niederknien, Prostration beim Gebet Ramadân – islam. Fastenmonat Sabaa banât – Sieben Töchter (Namen vieler heiliger Orte im Delta) Sadât as-sibâ‘ – Glück des Löwen (Volksvorstellung, hier Name eines Heiligen) Salafiyyin – steht heute weitgehend für wahabitisch, also aus Saudi-Arabien, beeinflusste, sogenannte Reformisten, die sich selbst in Ägypten heute kaum noch auf den Vater der modernen Islamreform Muhammad Abduh (1849-1905) berufen und wenn, dann zu unrecht. Salât al-juma – (ägypt. guma) Freitagsgebet (am Mittag mit Predigt) sanaât al-mûbîlyâ – Möbelproduktion sanaât al-nahâs – Produktion von Kupfertöpfen sandûq – Kasten (für Geldgaben, meist am darikh angebracht) Sheikh al-Tarîqa – (lokaler) Vorsteher, Scheich einer Sufi-Bruderschaft shirk – Götzendienerei Shurta al-Athâr – Denkmäler Polizei sibîl waqf – gestiftete Wasserstelle Sîdî – mein Herr (Bez. für einen Heiligen) sirdâb – Kellergang, unterirdischer Treppenbau sitt al-ghalbâna – arme Frau, Bettlerin Subh – Morgendämmerung (Buchtitel des Qalqashandî) sûq al-kabîr – Marktzentrum (großer Markt) tawîl – Interpretation

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tâqa – Kraft wiederfinden taqiyya – Burnus taqwa – Gottesangst Tarîqa – Sufi-Orden Tell – Ruinenhügel thurûf – Bedingungen trumba – Wasserpumpe tûb nayy – in der Sonne getrocknete Lehmziegel tûf, – tawf oder tawâf das Umschreiten, das Herumgehen (um den Sarg oder den darîh (auch die Kaâba in Mekka) tuktuk – aus Indien eingeführte, motorisierte Rikscha, meist von Jugendlichen zum Broterwerb gefahren turub – Gräber, Friedhof wakâla – Händlerhaus Yaum al-Qiyâma – Tag des jüngsten Gerichts zaffa – Prozession (bei der Hochzeit und auch bei der Mawlid) ziyâra – Reise, Wallfahrt

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Globaler lokaler Islam Abbas Poya, Maurus Reinkowski (Hg.) Das Unbehagen in der Islamwissenschaft Ein klassisches Fach im Scheinwerferlicht der Politik und der Medien März 2008, 336 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-715-8

Georg Stauth Ägyptische heilige Orte II: Zwischen den Steinen des Pharao und islamischer Moderne. Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta: Fuwa – Sa al-Hagar (Sais) Mit ägyptologischen Studien von Silvia Prell. Fotografische Begleitung von Axel Krause März 2008, 246 Seiten, kart., zahlr. farb. Abb., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-432-4

Gerdien Jonker, Valérie Amiraux (eds.) Politics of Visibility Young Muslims in European Public Spaces 2006, 226 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-506-2

Irka-Christin Mohr Islamischer Religionsunterricht in Europa Lehrtexte als Instrumente muslimischer Selbstverortung im Vergleich 2006, 310 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-453-9

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