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German Pages 166 [165] Year 2015
Ägyptische heilige Orte I
2005-01-28 12-06-38 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) T00_01 Schmutztitel.p 74929634438
Für Sven, Laura und Fritzi; und besonders Angela.
2005-01-28 12-06-39 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) T00_02 Widmung.p 74929634718
Georg Stauth
Ägyptische heilige Orte I Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta: Abdallah b. Salam Fotografische Begleitung von Axel Krause
2005-01-28 12-06-40 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) T00_03 Titel.p 74929634838
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2005-01-28 12-06-41 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) T00_04 Impressum.p 74929634934
Inhalt
Vorwort
Teil I
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1. Einleitung: Ein lokales Ringen um die islamische Moderne
....
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2. Abdallah b. Salam – ein medinensischer Jude, Konvertit, Gelehrter, Literat und Missionar des frühen Islams? . . . . . . . . . .
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3. Orte des Abdallah b. Salam im Nildelta und ihre historische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ort eins: Kafr al-Amir Abdallah b. Salam bei Sinbelawin (Tell Thmuis – Mendes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ort zwei: Barq al-Izz bei Mansura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Ort drei: Manzala-See bei Matariyya (»Tell Tuna«) . . . . . . . . . . . . . .
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4. Die kulturellen Produktionen des Abdallah b. Salam . . . . . . . . . . 4.1 War Abdallah b. Salam ein verlässlicher »Wissender«? . . . . . . . . . . 4.2 War Abdallah b. Salam ein Geschichtenerzähler? . . . . . . . . . . . . . . 4.3 War Abdallah b. Salam ein religiöser Propagandist? . . . . . . . . . . . .
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5. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Warum ist Abdallah b. Salam ein islamischer Heiliger? . . . . . . . . . 5.2 Wird Abdallah b. Salam nur in dieser Delta-Provinz verehrt und warum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 81
6. Annäherung an eine säkulare Theorie des Heiligen
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Zwischen Islamwissenschaft und Soziologie
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Glossar arabischer Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2005-01-28 12-06-46 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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6) T00_05 Inhalt.p 74929635014
Teil II Fotografische Begleitung von Axel Krause . . . . . . . . . . . . . . . 113 Ort eins: Kafr al-Amir Abdallah b. Salam bei Sinbelawin (Tell Thmuis – Mendes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Ort zwei: Barq al-Izz bei Mansura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Ort drei: Manzala-See bei Matariyya (»Tell Tuna«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Ausblick: Moschee des Abu Mandur, Rosetta
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2005-01-28 12-06-47 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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6) T00_05 Inhalt.p 74929635014
Vorwort Dies ist der erste Band in einer Trilogie, die sich mit ägyptischen heiligen Orten im Nildelta beschäftigt. Alle drei Studien widmen sich der Heiligenverehrung und der Volksmystik und heben deren so oft vergessene Bedeutung für den modernen Islam und das soziale Leben im ländlichen Ägypten hervor, wobei in jedem Band eine spezifische Problemlage untersucht wird. Der vorliegende erste Band nimmt den Fall des Abdallah Ibn Salam (im Folgenden immer Abdallah b. Salam), eines frühislamischen jüdischen Konvertiten, auf. Dieser Heilige wird an vielen Grabmalen in der bibelgeschichtlich signifikanten Region des Ostdeltas verehrt. Drei Gräber werden hier vorgestellt, die gerade in ihrer differenzierten Lage und Gestaltungsweise zeigen, wie sich heute die Spannung zwischen lokaler antiker Geschichte und islamischer Moderne ganz besonders stark auswirkt. Vorausschauend seien auch die folgenden Bände erwähnt. In einer zweiten Studie werde ich mich mit den Nilwallfahrten auf dem westlichen Nilarm zwischen Disuq und Rosetta beschäftigen. Die heiligen Orte sind hier durch die religiösen Bedürfnisse der Fischer und Schiffer geprägt. Durch die Verlagerung und Abschaffung der Nilschifffahrt gingen die alten Handelsund Handwerksnetzwerke verloren. Was bleibt, sind die Wallfahrten zu den in großer Vielfalt auftretenden islamischen Stätten, die sich um uralte, heute weitgehend marginalisierte Kleinstädte am Nil gebildet haben. Hier verschafft sich über die Bildung neuer kultureller und religiöser Netzwerke eine alte Nillandschaft neues Gehör. Der dritte Band ist der Ausstrahlungskraft eines einzigen Heiligen und seiner Bedeutung für die Entwicklungsdynamik einer aufstrebenden Kleinstadt im Zentrum des Nildeltas gewidmet. Hunderttausende kommen jährlich zum Fest des Sidi Shibl, eines als Märtyrer der islamischen Eroberung Ägyptens verehrten Verwandten des Propheten, in al-Shuhada. Vor wenigen Jahren noch ein unbedeutendes Dorf ist al-Shuhada heute zu einer großen Distriktstadt der Provinz Minufiyya aufgestiegen. Die Pflege des Heiligen und seines Grabmals ist mit diesem Aufstieg eng verbunden. So werden islamische Geschichten des Heiligen neu geschrieben und präsentiert und mit antiken Mythen und Legenden des Ortes verbunden. In der monolithischen Bedeutung dieses Heiligen für eine ganze Provinzstadt lässt sich in al-Shuhada der Funktionswandel der modernen islamischen Heiligenverehrung besonders gut zeigen. Diese Auflistung macht deutlich, wie verschieden die Themen sind, die in den unterschiedlichsten lokalen Kontexten der Heiligenverehrung im Nildelta antike und islamische Geschichte zusammentreffen lassen. Auch in der modernen sozialen Praxis der ländlichen Bevölkerung werden diese Themen des Zusammentreffens antiker Orte mit Orten der islamischen Geschichte auf die lebendigste Weise durchgespielt. Die Lokalheiligen ver-
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7- 10) T00_06 vorwort.p 74929635150
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sammeln eine Mischung antiker und islamischer Kultur, auf die moderne Muslime – wenn auch oft sehr widersprüchlich – zurückgreifen. Es ist gerade diese Mischung, die sich im Ringen um den modernen Islam als konfliktträchtig und als kulturell produktiv zugleich erweist. Der Zweck der vorliegenden Studie folgt – wie bereits gesagt – der Logik, die Orte des Abdallah b. Salam, des jüdischen Gelehrten und Konvertiten zum Islam, von ihrem historischen Sinn her als Faktor im modernen Leben zu erschließen. Es zeigte sich aber sehr bald, dass die historische Bedeutung der Gegend, in der die Grabmale des Abdallah b. Salam liegen, nur einen sehr unbestimmten Hintergrund für die Anfänge und für die weitere Entwicklung seiner Verehrung in Ägypten abgeben. Doch ist die Gegend für die Entwicklungsgeschichte der monotheistischen Weltreligionen durchaus wichtig. Sie ist irgendwie in die Wegbeschreibung des großen Zugs von Moses – des »wirklichen« und des »geistigen« Vaters dieser Weltreligionen – einzufügen. Die Grabmale sind einfach nicht nur Zeichen einer inneren islamischen Entwicklung, sondern gewinnen – bei aller Vorsicht – ihre Bedeutung im Verständnis der Entwicklung des Monotheismus. Sie repräsentieren so auch ein Stück des Dialogs zwischen den Weltreligionen, Judentum, Christentum und Islam. Hier wird aber klar, auf welch heiklem Gebiet wir uns befinden. Es war schlechterdings nicht möglich, in die historischen Dimensionen dieses Heiligen und seiner Orte erschöpfend einzudringen. Die Gestalt der Grabmale, ihre Pflege, die rituelle und materielle Funktion am Ort bilden Schwerpunkte der Betrachtung. Immer wieder treten aber gerade im auf den Ort eingeschränkten Blick die kulturellen Sedimente früherer Zeiten hervor, die heute ein konstruktives Element des Heiligen im sozialen Prozess sind. Dass die lokalen Auseinandersetzungen über die unterschiedlichen Verkörperungen und Gestaltungen von Geschichte im Heiligen selbst ein so großes Gewicht gewinnen, zeigt an, dass wir es hier auch mit einer neuen gesellschaftlichen Rolle der Religion zu tun haben, die nicht nur aus dem lokalen Wandel zu erklären ist. Das Heilige, und das was heilig sein darf, ist zu einem Spielball der globalen Diskurse über Zivilgesellschaft, Zivilisation und moderne Kultur geworden, und so steht der Lokalheilige als Ikone im Kreuzfeuer der religiösen Spannungen, die diese Diskurse hervorgebracht haben.1
1 | Der soziologische Diskurs der Moderne hat mit dem Zauberwort der »Säkularisierung«, einem Trend der europäischen Aufklärung folgend, dazu beigetragen, das Bewusstsein über die Bedeutung »des Heiligen« im politischen und gesellschaftlichen Prozess zu verdrängen. Es war der französische Philosoph Michel Foucault, der die islamische Revolution im Iran 1979 geradezu als modernen Ausbruch des historisch Verdrängten zu verstehen versuchte. Vgl. hierzu die Ausführungen in meinem Aufsatz: Stauth, Foucaults Abenteuer im Iran.
2005-01-28 12-06-50 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
7- 10) T00_06 vorwort.p 74929635150
9 Vorwort
Das Anliegen des vorliegenden Buches ist insofern von recht bescheidener Natur, als es auf die lokalen Wirkungen dieser Spannungen nur aufmerksam machen kann. Ich interessiere mich seit einigen Jahren für die Bedeutung von heiligen Männern und Gelehrten im ländlichen Ägypten und ihren Einfluss auf den islamischen Streit um die moderne Gesellschaft und ihre Lebenspraxis. Dabei bin ich auf Abdallah b. Salam, den uralten Heiligen und Gelehrten, und auf seine Orte im nordöstlichen Nildelta gestoßen. Schließlich galt mein Interesse den diversen historischen und symbolischen Formen, den vielfältigen – wie wir sehen werden – »Gestaltungen« des Ortes, die er verkörpert. Ich gestatte mir die Bequemlichkeit, nicht den Rest meines Lebens damit zu verbringen, den einzelnen Erscheinungen dieses Phänomens – der pharaonischen, der jüdischen, der frühislamischen, der mittelalterlichen, der mameluckischen, der osmanischen, der modernen »Gestalt« – in ihrer je eigenen Präsentationsform umfassend gerecht zu werden. Ich begnüge mich mit einer Skizzierung der Umrisse und – wie mir das möglich erscheint – der offenen Lagen der »Gestalt« des Abdallah b. Salam. Ich nehme mir die Freiheit, den – bezogen auf den unterschiedlichen Gehalt der historischen Lage doch sehr spezifischen – Sinn dieser »Gestalt« für ihre moderne Rolle am Ort und ihre zusammenhängenden Bedeutungen für den gegenwärtigen Prozess der Lokalkultur aufzudecken. Dass mir in Axel Krause (Kairo) durch die freundliche Vermittlung von Silvia Prell (Mainz) wie aus heiterem Himmel ein Fotograf von Rang zur Seite sprang, war nicht nur eine freundlich anzunehmende Gabe des Augenblicks. Axel Krauses Bilder ziehen eine weitere wichtige Perspektive auf: die des »Bildes« am Ort. Hier werden auf eindringliche Weise Transformationen belegt, die die Wandlungsdynamik der jüngeren Geschichte des ägyptischen Islams begleiten: Aus einem tief im Lehm und in der Nähe pharaonischer Stätten des Deltas verwurzelten Kuppel-(Qubba-)Heiligen der Fellachen wird ein modernistisch in Szene gesetztes, Maqam und Moschee umfassendes, dynamisches Zentrum des Islams im östlichen Delta entwickelt. In Maqam II2 ist noch die Urform dessen enthalten, was das Maqam I3 vor seinem Umbau in den 1990er Jahren einmal war. Und schließlich überdauert im ManzalaSee ein alter Himmelsegler der ärmsten ländlichen Schicht der Brackwasser-See-Fischer die lokalen fundamentalistischen Kämpfe der letzten Jahre: ein einsamer Vermittler zwischen Geschichte und Gegenwart, Land und Wasser, Himmel und Erde (Maqam III)4. Ich will mit der Vorlage dieser Bilder das Phänomen der modernen Präsenz der ägyptischen Lokalheiligen, ohnehin bereits in der Wirkung der Vielfältigkeit der historischen Lagen und
2 | Vgl. u. Abschnitt 2.2 zu Barq al-Izz, S. 46-51, s. a. die Bildtafeln von S. 132-143. 3 | Vgl. u. Abschnitt 2.1 zu Kafr al-Amir, S. 34-46, s. a. die Bildtafeln von S. 116-129. 4 | Vgl. u. Abschnitt 2.3 zum Manzala-See, S. 51-59, s. a. die Bildtafeln von S. 146-159.
2005-01-28 12-06-50 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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perspektivischen »Gestalt« des Abdallah b. Salam angelegt, um eine neue – sonst unbekannte – Perspektive bereichern. Es ist nicht möglich, allen jenen Personen und Institutionen, die diese Arbeit anregten, unterstützten oder gar bei ihr behilflich waren, aufzuzählen: Fahrer und Bootsleute, Wächter und Studenten, Kollegen und Gastgeber, Bibliothekare, Institutsangestellte und -direktoren in Ägypten und in Deutschland. Ihnen allen gilt mein Dank. Besonders nennen möchte ich meine Kollegen und Freunde von der Ain Shams und der Kairo Universität in Ägypten, Mahmoud Auda, Ahmad Zayed und Ibrahim Hafez, Walter Bisang, Ursula Verhoeven und Thomas Bierschenk im Sonderforschungsbereich 295 »Kulturelle und sprachliche Kontakte« der Universität Mainz. Für die Unterstützung meiner Arbeit danke ich auch dem Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen und seinem Präsidenten Jörn Rüsen. In allen altägyptischen topographischen Dingen war mir Silvia Prell in Mainz und in Kairo eine wichtige Hilfe, die hier vorgenommenen Gewichtungen habe ich selbst zu verantworten. Dankenswerterweise hat Kerstin Nethövel, KWI (Essen), eine Durchsicht des Manuskripts vorgenommen. Für Anregungen und Kurzkommentare zu einer früheren Version der Studie möchte ich mich bei Fabrizio Pennacchietti (Turin), Ursula Sezgin (Frankfurt), Josef van Ess (Tübingen) und Ewald Wagner (Gießen) bedanken. Bielefeld, im Juli 2004
2005-01-28 12-06-51 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
Georg Stauth
7- 10) T00_06 vorwort.p 74929635150
Teil I
2005-01-28 12-06-51 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) T01_00 resp teil I.p 74929635318
2005-01-28 12-06-52 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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) vakat 012.p 74929635446
1. Einleitung: Ein lokales Ringen um die islamische Moderne Wie wenig die alten Ruinenstädte am unteren Nil bekannt sind, mag man daran ermessen, wie selten der moderne Reisende das Delta und die dortigen pharaonischen Orte in seinen Reiseplan mit aufnimmt. In der Regel gar nicht. In Fachkreisen gilt die Archäologie des Deltas zwar als äußerst wichtig und verdienstvoll, allein es fehlt das Spektakuläre, und die Archäologen des 19. Jahrhunderts haben selbst dazu beigetragen, dass das Sehenswerte in fernen Museen ist, während vor Ort die braun-schwarzen Hügel mit ein paar liegen gebliebenen Steinen ausdauern. Man weiß heute in der Regel nicht, dass das Delta eine lebendige pharaonische Kulturlandschaft war und dass es dies in gewisser Weise auch heute noch ist, wenn auch in der Enge der Bevölkerungsexplosion die alten Orte schrittweise bald dem Bautrieb der Menschen zum Opfer gefallen sein werden. Die Unkenntnis und das Unverständnis für diese Orte kann ich gut nachvollziehen. Ich selbst habe über lange Jahre der Forschung unter Fellachen und in Deltadörfern den Nachrichten über diese Hügel kaum Beachtung geschenkt. Als mich 1987 ein Sufi-Scheich aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Sinbelawin zum Fest (mawlid) des Abdallah b. Salam brachte und mir dabei den Tell von Thmuis zeigte, war ich beeindruckt. Dass in den wüstenartigen Hügeln des Tells eine große – gar archäologisch bedeutsame – Geschichte ruhen könnte, war andererseits kaum vorstellbar. Es war auf eine fast naturwüchsige Art auszuschließen, dass der Tell im Leben der in den umliegenden Dörfern und der Region als Ganzem lebenden Menschen eine wichtige Rolle spielen sollte: Der Scheich schloss damals alle Reflexionen darüber mit der apodiktischen Aussage ab, »dies ist der Tell der Tochter des Juden« (da tell bint al-Yahûdî). Das Fest und die aus dem Fellachenleben herausragende Figur des Heiligen, die im beiliegenden Dorf zelebriert wurden, erschienen als eine gegenüber dem Tell abgetrennte soziale Welt, umso mehr als ich mich damals mit der Praxis der Heiligenverehrung nicht beschäftigte. Der Heilige und seine Geschichte waren von daher nicht zu erschließen, er galt mir als ein in der lokalen Fellachenkultur versiegelter Mythos. Doch die beim Fest (mawlid) am Gabmal (maqâm) des Abdallah b. Salam am Tell von Thmuis südlich von Mansura in Begleitung des Scheichs gemachte Erfahrung weckte die Frage nach der sozialen Rolle der Heiligenverehrung im ländlichen Ägypten in einer Zeit des islamischen Revivalismus und Fundamentalismus. Die Frage nagte weiter, und als ich mir schließlich über die historische Figur dieses Heiligen annähernd Klarheit verschaffen konnte und von seinen weiteren Grabmalen in der Region erfuhr, schien sie plötzlich zu einer Frage von großer Bedeutung heranzuwachsen: Wie und warum kommt einer der ersten jüdischen Konvertiten zum Islam aus der
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13- 25) T01_01 kap 1.p 74929635550
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Zeit der medinensischen Kriege zu der Ehre, als islamischer Lokalheiliger im ländlichen Raum um Mansura, im nord-östlichen Nildelta, verehrt zu werden? Wie so oft im Forschungsprozess treten bedeutende Fragen zunächst gänzlich unerwartet, ja, zufällig auf. Man wird von ihnen gewissermaßen hinterrücks gepackt, kommt dann irgendwann wieder auf sie zurück und stellt sie dann neu ins Zentrum der weiteren Forschung. Die Suche nach der Beantwortung einer Einzelfrage beherrscht so zunächst das Verständnis des Gesamtphänomens. Dann aber ergab sich aus der Verbindung von der vorislamischen Ortsgeschichte und der jüdischen Herkunft des Heiligen ein komplexes Geflecht von weiteren Fragestellungen: Sind es die von Fellachen und unter Sufis kolportierten, in altorientalischer Metaphorik verhafteten Wundergeschichten, ist es sein Stand als Konvertit, Gelehrter und Missionar der frühen Jahre der islamischen Expansion, was sind die hier wirkenden Komponenten? Oder sind es ganz lokale Konstellationen, die jüdische Präsenz an Orten der pharaonischen Zeit, die Abdallah b. Salam zu einem so machtvoll verehrten Heiligen des ägyptischen Islams machen? In eine weitere Richtung war zu fragen: Sind es ganz zufällige Namens- und Begegnungskonstellationen, aus denen heraus metaphorische Konstruktionen zu Konstruktionen des Ortes werden? Wie geht dann der Fundamentalismus mit einem am Ort gestalteten Heiligen um? Wie kam der metaphorische Frieden, den die heutige Gestalt des Heiligen vermittelt, zu Stande? All diese Fragen nahm ich ernst, doch ist mir heute bewusst, wie schwierig es ist, sie letztendlich zu beantworten. Die Heiligenverehrung im Islam ist von der philologisch-islamwissenschaftlichen Seite her – auf die Ausnahmen kommen wir zu sprechen – sträflich vernachlässigt worden, sie ist deshalb auch als Komponente der modernen Entwicklung im Islam kaum im öffentlichen Bewusstsein gegenwärtig. Ich möchte dies an einem Beispiel veranschaulichen und verweise auf die Art der Behandlung des Begriffs Maqam in der englischen Neuausgabe der Enzyklopädie des Islams. Unter Ägyptern versteht man damit heute landläufig das Grabmal des Heiligen und meint damit durchaus auch, dass hier der Ort auch als die »letzte Station« des Heiligen gemeint ist, mehr noch als sein wirkliches Grab selbst. Noch in der zweiten, der englischen Enzyklopädie des Islams, finden wir »Maqâm« unter dem Begriff »Masdjid« (Moschee) abgehandelt.5 Es ist aber meine Überzeugung, dass diese Unterordnung – zumindest für den Fall Ägypten – zu kurz greift. Für die Ägypter stellt das Maqam ein Monument ganz eigener Konstruktion dar. Es werden
5 | Vgl. Pedersen, Masdjid, EI/2, VI., S. 651-654. Vorbild ist, sicher auch von der Bezeichnung her, das »Maqâm Ibrahîm«, ein kleines Haus nahe bei der Kaaba in Mekka, das einen Stein mit Abrahams Fußabdrücken beherbergt.
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6 | Brown, The Cult of the Saints, S. 31-32.
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13- 25) T01_01 kap 1.p 74929635550
Einleitung
hier intimste Verbindungen mitgedacht, die aus der Geschichte des Sufismus in die Gegenwart reichen: der Begriff Maqam als Strafpredigt im frühen Islam, als literarisches Genre der Maqâma oder gar als musikologischer Stil des Maqâm im mittelalterlichen Islam, als Stufen der Nähe zu Gott. So wichtig die Departmentalisierung im enzyklopädischen Wissen auch ist, über die inneren Verbindungen solcher Bezeichnungen erfahren wir in den Übersichtswerken wenig. Maqam und Moschee stehen aber in einem sehr latent wirkenden Spannungsverhältnis. Das Maqam ist Ausdruck eines Bedürfnisses nach »privater Religion«, das in der Moschee nur schwer befriedigt werden kann. Die »öffentliche Religion« der Moschee tut sich schwer die Orte des »privaten« Gottesfühlens zu dulden. Es kommen hier uralte Konflikte zwischen zwei unterschiedlichen Zonen der religiösen Praxis und des religiösen Verständnisses zum Tragen. Die im Spannungsfeld zwischen Maqam und Moschee auftretenden kulturellen Gegensätze lassen sich mit denen von »privater« Frömmigkeit und geistiger Kirche vergleichen. Sie spiegeln Spannungen wider, wie sie schon im Frühchristentum zwischen dem Kult vom »Leib« des Märtyrers einerseits und der vom absoluten Geist beherrschten Kirche andererseits auftraten6. Möglicherweise haben sie aber ihre Wurzeln in noch viel älteren Gegensätzen zwischen Zonen der persönlichen Frömmigkeit (Hauskult) und rituellen Orten des Geistigen (Tempelkult). Im Bewusstsein der islamwissenschaftlichen Heiligenforschung der Gegenwart sind die kulturübergreifenden Lagerungen solcher Gegensätze und Spannungen kaum gegenwärtig. Aus diesem Blickwinkel der Geschichte ist es interessant zu sehen, dass die modernste Lagerung des Maqams immer diejenige ist, in der das Maqam seinen Frieden mit der Moschee schließt und seine vervollständigte Form darin findet, dass ihm eine Moschee beigefügt wird. Die vorliegende Studie ist drei Maqamen eines als ägyptischen Lokalheiligen verehrten jüdischen Konvertiten gewidmet. Diese Maqame sind als Zeichen der Offenheit des Islams und der islamischen Volkspraxis und ihres freien Umgangs mit jüdischem und pharaonischem Kulturerbe zu verstehen. Solche Offenheit hat ihre Kosten. Dass um solche Toleranz von Anfang an und eben auch bis heute gerungen wurde, darf nicht einfach zur Verallgemeinerung und Bestätigung des herkömmlichen Vorurteils herangezogen werden, der Islam sei eine Religion der geschlossenen Glaubenspraxis. Allein der Kampf um die Anerkennung dieses Heiligen und die Kontinuität seiner Verehrung belegen das Gegenteil. Die vorliegende Darstellung der Maqame des Abdallah b. Salam ist auf pharaonische Relikte und Kontinuitäten des jüdischen Monotheismus im Islam gestoßen. Es ist sehr interessant zu sehen, dass der ägyptische Islam der Moderne es sich mit diesen beiden
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Komponenten des Kulturerbes nicht leicht macht. Es verstärkt sich der Eindruck, dass der religiös verhaftete Modernismus sich schwer damit tut, ein unmittelbares und leichtes Verhältnis zu dem Erbe aus anderen Zeiten und anderen Kulturen zu entfalten. Von daher ist anzuregen, dass die herkömmliche Islamwissenschaft ihre Grundlagen überprüft und von weiteren, den hier untersuchten ähnlichen Voraussetzungen und Beispielen ausgehend, den Umgang mit der jüdisch vermittelten Tradition und mit dem Erbe der pharaonischen Kultur zum Thema macht. In der Tat hat die besondere Bedeutung der Juden im frühen Islam die Islamwissenschaftler immer wieder beschäftigt, doch gibt es kaum Einzelstudien zum Beitrag der frühen Konvertiten. Die vorliegende Arbeit kann diesen Mangel nicht beheben und eine islamwissenschaftliche Textstudie zum Leben und Werk des Abdallah b. Salam nicht ersetzen. Ich beschränke mich auf Hinweise und auf Fragen, die sich aus der heutigen Verehrung des Heiligen an den einzelnen Orten im Nordosten des Nildeltas ergeben. Natürlich sind dies auch Fragen an die Islamwissenschaft und an die islamische und vor-islamische Geschichte. Ich gehe hier aber so vor, als interessierte nur der Blickwinkel der Topographie, die durch hagiographisch-textliche und fotografische Beschreibung angereichert wird. Dies ist durchaus als methodische Provokation gedacht. Eine umfassende Studie zur Stellung der historischen Figur des Abdallah b. Salam in der muslimischen Tradition kann hier nicht vorgelegt werden. Es geht mir vornehmlich um die neuen sozialen Räume, die der Islam in einer marginalen ländlichen Region gewinnt. Wichtig sind die örtlichen Formen und Wandlungen, die der Islam im modernen Spiel um seine zentrale Stellung im aktuellen sozialen Prozess annimmt. Es wäre ein schöner Nebeneffekt meiner Bemühungen, wenn Islamwissenschaftler hier einmal das Gebiet allgemeiner religionshistorischer Betrachtungen verlassen und sich in Einzelstudien den unterschiedlichsten Schattierungen der symbolischen und narrativen Präsenz wieder annehmen würden. Horovitz, Wolfenson und Lichtenstaedter haben einiges in diese Richtung geleistet, an das anzuknüpfen wäre. Das innere Ringen mit dem religiösen Erbe ist in seiner Beständigkeit und Kontinuität weitgehend aus dem Blickfeld geraten. Man wird aber kaum ein Verständnis darüber, was moderner Islam ist oder sein kann, entwickeln können, ohne dieses Ringen mit der fremd gewordenen oder fremd gemachten uralten Tradition wieder ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Eine gleichermaßen wichtige und ähnlich schwierige Frage wie die nach dem jüdischen ist die nach dem pharaonischen Erbe. Sie ergibt sich aus der Lage der Maqame dieses Heiligen. Namhafte Orientalisten haben sich zwar immer wieder für die Bedeutung altägyptischer Monumente und Überlieferungen im mittelalterlichen Islam interessiert. Erinnert sei an die neueren Arbeiten von Ursula Sezgin (Frankfurt) und an einen wichtigen Teil des
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13- 25) T01_01 kap 1.p 74929635550
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7 | Aufschlussreich hierzu ist die Freiburger Dissertation von Maria Haarmann, vgl. Haarmann, Das moderne Ägypten. Vgl. a. Walter, Der Pharaonismus. 8 | Goldziher, Die Stellung der alten islamischen Orthodoxie. 9 | Becker, Der Islam im Rahmen einer allgemeinen Kulturgeschichte. 10 | Ritter, Hat die religiöse Orthodoxie einen Einfluß auf die Dekadenz. 11 | Am ehesten noch zusammenfassend bei Haarmann, Das pharaonische Ägypten. Vgl. Sezgin, Al-Masûdî.
2005-01-28 12-06-57 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S.
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Einleitung
Lebenswerks des in Berlin verstorbenen Ulrich Haarmann. Eine umfassende Studie über das pharaonische Erbe im Islam gibt es meines Wissens aber bis heute nicht. Für die Neuzeit ist der pharaonische Einfluss auf den ägyptischen Islam und auf die moderne ägyptische Kultur den Ägyptern selbst zum Problem geworden7, dies geschah unter dem Einfluss der allgemeinen Ägyptomanie des 19. Jahrhunderts. Die aus europäischer Perspektive aufgeworfenen Fragen der Orientalisten nach der Stellung des Islams zum hellenistischen Erbe, vorgetragen z. B. von Ignaz Goldziher8, C.H. Becker9 und später Hellmut Ritter10, haben sicher auch zur reflexiven Betrachtung einzelner muslimischer und arabischer Denker mit beigetragen. Man ist in den so genannten Orientwissenschaften heute vorsichtiger geworden. Es wird weithin geglaubt, dass man noch zu wenig weiß, um von mehr als der Tatsache untergegangener Steinwelten, Wissensformen und Legenden im Gedächtnis der Muslime sprechen zu können. Aber selbst einen Überblick über das veröffentlichte und vorhandene Material zum Thema und zur Bedeutung des altägyptischen Einflusses gibt es nicht. In der Tat hat Ulrich Haarmann hier etwa für den mittelalterlichen Islam erste Grundsteine gelegt.11 Aus Sicht des interessierten Soziologen darf man vielleicht dennoch zurecht hier eine Lücke anmahnen. Der Umgang mit dem Kulturerbe ist jedoch nicht nur eine innere Angelegenheit der eigenen Kultur, hier des Islams. Es ist nicht nur der islamische Heilige und seine Geschichte, die seinem Ort zu neuer Bedeutung verhelfen. Es sind auch die in der Moderne geschöpften Erfahrungserweiterungen, die hier wirken. So zum Beispiel braucht die Sichterweiterung, die das Reisen bietet, heute kaum noch einem Menschen erklärt zu werden; wir wissen auch, dass Kulturkontakt in der modernen Welt wie auch in der alten Welt nicht auf das Reisen, die Begegnung oder die Gegenüberstellung gewissermaßen von Angesicht zu Angesicht beschränkt ist. Weniger ausgeprägt ist unser Wissen über die Folgen solcher Kontakte, der praktischen wie der spirituellen. Dass man bei zunehmender Verallgemeinerung der den Blick auf das Andere einschließenden Perspektive wieder eher geneigt ist, dem Partikularen als Punkt der Orientierung und der Selbstvergewisserung größere Bedeutung beizumessen, ist vielleicht nicht so evident. Eine der in diesem Buch vertretenen Thesen ist, dass trotz aller Öffnung der Perspekti-
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ven – sei es durch Reisen, oder Migration, durch das Fernsehen oder durch andere Medien, Vorstellungen, Warenverkehr u. Ä. – der Ort als eine Bedingung der eigenen sozialen Lage an Bedeutung gewinnt und dass der Ort des Heiligen in diesem Zusammenhang eine moderne Problemlage darstellt. Dies ist im Islam so wie in den anderen Weltreligionen. Für den Islam kommt noch ein anderes Problem hinzu. Es ist oft schwer, die religiöse Authentizität des Heiligen zu bestimmen oder die Authentizität eines Grabes und seines Ortes zu rechtfertigen, insbesondere in Ägypten, wo es eine Inflation solcher Lokalheiligen gibt. Sie sind hier Kreationen nicht nur des religiösen, sondern auch des sozialen Lebens. Ohne die Einwirkung der ordnenden Kraft der Verwaltung, der religiösen Orthodoxie und anderer lokaler Repräsentanten der öffentlichen Ordnung hätte der Kampf um die einzelnen Sphären des Religiösen unüberschaubare Folgen. Aber auch der Streit über einzelne äußere Erscheinungen des Heiligen nimmt oft heftige Formen an. Insofern sind natürlich die an den Orten gezeigten Texte, die Riten, Feste und Wallfahrten auch bis zu einem bestimmten Grad als das Ergebnis politisch-religiöser Erfahrungen, insbesondere der letzten 30 Jahre, zu betrachten. Im Zentrum solcher Auseinandersetzungen steht, wie überall in der Moderne, die Frage danach, was in Ursprung, Herkunft und Gestalt als authentisch zu betrachten ist. Im Allgemeinen sind die Muslime – wenn sie auch darüber gestritten haben – mit der Frage der Authentizität eher versöhnlich umgegangen. Sie akzeptierten die sich durchsetzenden Heiligen und wo Formen ihrer Verehrung nicht mehr tragbar schienen, entwickelten sie neue mit dem Dogma verträglich scheinende Formen. In einer modernen Gesellschaft kommt aber hinzu, dass Kulturkontakt zu einer schärferen Gangart im Authentizitätsdenken führt und dass man im Bestimmen der Orte und der Gestalt kultureller Denkmäler und des Umgangs mit ihnen nun auf wissenschaftliche Begründung zurückgreift. Letztere wird immer auch schon als eine Bedrohung religiöser Welthaltung erfahren. Die Unterscheidung zwischen weltlichen und religiösen Interessen, die sich um den Heiligen und seinen Ort bildet, mag in der lokalen Kultur keine Bedeutung besitzen. Wird diese Unterscheidung aber von einem außen stehenden Beobachter einmal gemacht, so wird sie auch für das Lokale bedeutsam. Für uns, die aus der Außenseiterperspektive Beobachtenden, ist es wichtig, warum das Grabmal dieses oder jenes Heiligen an einem bestimmten Ort zu finden ist. Für die Gläubigen ist das zunächst eine überflüssige Frage, der Heilige gehört zum Ort. Erst wenn dieses innere Verhältnis von Ort und Heiligem bezweifelt oder gar vom fremden Beobachter negiert wird, sucht auch der Lokale nach Erklärungen. Dieser Prozess aber wird vor Ort oft als Bedrohung des Ganzen, als Bedrohung des holistischen Weltbildes der lokalen Gemeinschaft erfahren. Bei diesem Spiel um die lokale Anerkennung des Heiligen und seines
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Ortes scheint es von Anfang an ohne das Auftreten ganz weltlicher Kräfte nicht zu gehen. Der Heilige und sein Ort können möglicherweise durch das ganz zufällige Zusammenspiel unterschiedlicher historischer und aktueller – weltlicher wie religiöser – Interessens- und Symbollagen zu Stande gekommen sein. Die Gebräuche der kulturellen Verteidigung des Heiligen sind dabei höchst ambivalent und dem Wechselspiel der Institutionen und der Interessen lokaler Gruppen unterworfen. Allein daran ist zu sehen, wie sehr bei der Ortsbestimmung eines Heiligengrabes größte Vorsicht zu walten hat. Der Leser ist deshalb gerade in dieser Frage gebeten, nicht der verständlichen Forderung nach wissenschaftlicher Eindeutigkeit nachzugeben. Ich werde dennoch versuchen, soweit das hier möglich ist, zumindest von dieser Frage nach dem Ort ausgehend einzelne Ebenen der Erklärung anzudeuten. Wenn man zunächst dem Außenblick der Ethnologie folgt, bleibt der Ort des Heiligen – wie der Begriff des Maqams im Sufismus – vieldeutig und die moderne Forschung hat – wie bereits angedeutet – in ihm die unterschiedlichsten materiellen und geistigen Seiten entdeckt. Das kann man an einzelnen Bereichen noch deutlicher zeigen: Das Fest des Heiligen gleicht einem »Jahrmarkt«; die magischen und charismatischen Bedürfnisse der Alltagskultur müssen abgedeckt werden; das kollektive Gedächtnis muss aufrechterhalten werden. Nicht jedem – aber doch jedem großen – Heiligen ist ein »Jahrmarkt« gewidmet. Es ist das meist siebentägige Fest des Heiligen (mawlid, Pl. mawâlid), das die Form des »Jahrmarkts« annimmt. Ihm wurde und wird in der Forschung oft größere Bedeutung beigemessen als der Wallfahrt (ziyâra), die der persönlichen Frömmigkeit dient. Der Heilige gewinnt über das Fest einmal im Jahr auch öffentliche Funktionen. Der siebentägige Markt dient dem Treffen der dörflichen Sufi-Orden (tarîqa, Pl. turuq), der Bestätigung der Netzwerke zwischen den Dörfern, und neben dem Markt werden auch Formen der symbolischen Verteilung des zum Leben Notwendigen gepflegt. Die wichtigen Funktionen des Heiligen in Bezug auf die symbolischen und materiellen Interessen der Menschen erklären alleine nicht die am Ort des Heiligen sich durchsetzende Kraft und die Anstöße zum Wachstum seiner Bedeutung. Wie wir sehen werden, hängt die Konstruktion des Heiligen von vielen Faktoren ab, nicht nur von familiären, von Funktionen des symbolischen Tauschs und von wirtschaftlichen Interessen, sondern auch von geistigen. Es ist so schwer, die Breitenwirkung und die Vielfältigkeit der über den Ort des Heiligen wirkenden Komponenten des sozialen Lebens zu verstehen. Doch während die klassische Soziologie die geringe Unterscheidung solcher Einzelfunktionen und die Ganzheit solcher Verflechtungen als Anzeichen niederer oder gar vormoderner gesellschaftlicher Entwicklung betrachtet hat, gilt heute das Integriert-Sein oder die Verflechtung vieler Funktionen und Interessen als dynamisches Element der lokalen Selbstversicherung und gesellschaftlichen Entwicklung. Vielleicht genügt es erst
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einmal daran zu erinnern, dass es nicht einfach nur der Heilige ist, der den Ort »macht«. So spielen natürlich die an die Idee des Heiligen geknüpften Interessen – materiellen wie ideellen – der Menschen eine Rolle. Diese sind unter Bedingungen der Marginalität und relativen Armut oft auch ganz unmittelbare Überlebensinteressen. Die darüber hinaus am Ort aktivierten Vorstellungen und Riten (ich habe darauf hingewiesen, wie sehr dies heute in Vergessenheit geraten ist) reichen meist tief in die vorislamische Geschichte und ihre Kulturen hinein und die am Ort Handelnden geraten oft in Not, uralte Vorstellungen, Symbole und Riten als islamische zu erklären. Es entsteht so jene Spannung, die moderne Selbstbetrachtung geradezu herausfordert. Es ist die moderne Praxis, die dem Islam die Suche nach einer normativen Authentizität zu unterstellen scheint. Das überragende Moment ist dabei die moderne Erneuerung strikter monotheistischer Dogmen, die sich oft gegen alle Formen der konventionellen, ja, orthodoxen Toleranz richten. Das ist Anlass zum Streit vor Ort selbst. Dabei wird die Idee der Religion praktisch reflexiv, ein Phänomen, das die ganze Moderne beherrscht und nicht nur die zeitgenössischen islamischen Versuche, alte Vieldeutigkeiten auszuschalten. In unseren Fällen spielt aber auch noch die Sicht der Europäer – der Blick von Außen – eine Rolle, und dort, wo das Phänomen der islamischen Heiligenverehrung an uralten Ausgrabungsstätten erscheint, ist die Sicht der Europäer – der Reisenden wie der Archäologen – seit Hunderten von Jahren Anlass zu muslimischer Selbstbetrachtung. Von Ethnologen wurde vor allem die Funktion der Heiligenverehrung für den Zusammenhalt der muslimischen Gemeinde als Ganzes, für die Bindung einzelner sozialer Gruppen an einen Ort und für das entsprechende, »wir«-bezogene Lokalbewusstsein gewürdigt. In jüngster Zeit betont man aber auch psychologische Aspekte der Geschlechtertrennung, der individuellen Machtbildung und der Probleme des Geist/Körperbewusstseins und ihre Bedeutung für die moderne muslimische Lokalgesellschaft. Dem wird hier eine neue Dimension hinzugefügt. Mit den im Folgenden präsentierten Beispielen stelle ich die Untersuchung auch auf Aspekte des Umgangs mit dem nicht-islamischen – oder eben gewissermaßen kämpferisch als nicht-islamisch bezeichneten – Kulturerbe ab. Aus soziologischer Sicht beinhaltet dies, dass sich der grundlegende islamische Problemcharakter der Heiligenverehrung aus dem konsequenten Monotheismus dieser letzten der Weltreligionen ergibt. Die Bindung an den Begriff des absoluten einen Gottes, die die Religion des Islams – gerade weil sie die letzte der monotheistischen Religionen darstellt – so strikt vorschreibt, steht in einem starken Spannungsverhältnis zum als Heiligen verehrten Menschen. Die Entwicklungsgeschichte des Islams ist von Anfang an von diesem Problem gezeichnet, wenn es sich auch gerade in der Moderne erst in so radikaler Weise ausformuliert. Heiligenstätten sind Totenstätten, das ist im Islam so wie im Christen-
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12 | Über die Wallfahrt der alten Ägypter vgl. Frankfurter, Pilgrimage. 13 | Arnold, Lexikon, S. 158.
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tum, und ebenso wie die Christen oft ihre Märtyrer-, Patronats- und Wallfahrtskirchen auf Kultorte der Römer setzten, so suchen die islamischen Heiligen am Nil, die Nähe der Ägypter des Altertums.12 Die Theorie der Religion hat sich schon seit Ernest Renan darauf berufen, dass die Menschheit immer am gleichen Ort betet. So nehmen die heiligen Orte denn auch ein gutes Stück der lokalen Geschichte in sich auf. Aus dieser Sicht wäre der Fall des Abdallah b. Salam kaum etwas Besonderes. Doch die in mindestens zwei der hier behandelten drei Fällen gegebene delikate Lage seiner Maqame erweckt unser besonderes Interesse: Seine Grabmale liegen gleich zweimal am Rande von – wie die Ägypter sie nennen – Tells, jenen die Ruinen des Altertums bergenden Hügel, die rot und braun aus den sonst meist grün leuchtenden Flächen des regelmäßig bewässerten Agrarlandes des Nildeltas aufsteigen. In den Handbüchern der Ägyptologen spricht man von einer ausgedehnten Ruinenlandschaft der antiken Doppelstadt Mendes und Thmuis.13 Die beiden Tells, um die es sich hier handelt, befinden sich in der ägyptischen Provinz Daqahliyya. Das Gebiet dieser Provinz war, ebenso wie die sich süd-östlich anschließende Provinz Sharqiyya, in pharaonischer Zeit schon früh starken ausländischen Einflüssen ausgesetzt. Schon ab dem Ende des Alten Reiches wanderten asiatische Nomaden über den Sinai in das Ostdelta Ägyptens ein und siedelten sich in dem fruchtbaren Gebiet an. Knapp vor 1700 v. Chr. machte sich dann in der Region des Nordost-Deltas ein Kleinkönigreich unter einem unbekannten König selbstständig. Bekannt ist uns jedoch dessen Sohn Aasechre Nehesi, der in Avaris (Tell el-Daba) eine Residenz gründete. Der Grundstein zum späteren Königreich der Hyksos war gelegt (2. Zwischenzeit). Sie regierten Ägypten etwa 100 Jahre lang bis das Land (etwas vor 1550 v. Chr.) durch Kamose unter ägyptischer Herrschaft wieder vereint wurde. Man hatte aus der Fremdherrschaft gelernt. Im nun folgenden Neuen Reich wurde der Zugang vom Sinai nach Ägypten systematisch mit Festungen an strategisch günstigen Plätzen abgeriegelt, da auch die Bedrohung durch Großreiche im Nordosten Ägyptens (Mitanni, Hethither) immer größer wurde. Es ist jedoch zu vermerken, dass auch in der Folgezeit das Ostdelta immer wieder von eingewanderten Asiaten besetzt wurde – unter ihnen siedelnde jüdische Stämme, von denen die Bibel im Buch des Exodus spricht. Eine weitere uns zunächst einnehmende Tatsache kommt hinzu: Abdallah b. Salam, diese prominente Figur unter den ersten jüdischen Konvertiten zum Islam, wird nicht nur an den drei hier vorgestellten Orten, sondern nach Hörensagen im Volksmund an »dreizehn«, manchmal an »dreißig«,
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»neununddreißig« oder gar »vierzig« Orten verehrt. Wie dem auch im einzelnen sei, alle Orte befinden sich in der modernen Provinz Daqahliyya, deren südliche Hälfte etwa der Ausdehnung des pharaonischen »Fischgaues« entsprechen dürfte, dem späteren Mendesios (XVI. unterägyptischer Gau). In den anderen Provinzen im Delta haben wir beim jetzigen Stand unserer Nachforschungen keine weiteren Orte des Abdallah gefunden. Der aus der geographischen und topographischen Sicht gewonnene erste von den Monumenten des Altertums beherrschte Eindruck führte uns auf eine Spur, die dem Heiligen eine sehr starke und doch auch unbestimmte Stellung in der Entwicklungsgeschichte des islamischen Monotheismus zuweisen würde. Er wäre durch seine deutliche, ja, herausragende äußere, lokale Verbindung zur nicht-islamischen Geschichte ein Glied in einer Kette der innersten Verbindung zur Entwicklung des Monotheismus: Pharaonismus – Judentum – Islam. Das frühe Christentum wäre mit einzuschließen, denn die Maqame des Abdallah an den beiden Tells sind auch als frühchristliche und später koptische Orte nachgewiesen. Dieser erste vom geographisch topographischen Sachverhalt ausgehende Erklärungsversuch des Phänomens unseres Heiligen, der von der ersten zur letzten monotheistischen Offenbarungsreligion konvertierte, würde natürlich zu Überlegungen passen, die die Entwicklung des Monotheismus an eine Region bindet, die sich seit den ersten Tagen der Menschheitsgeschichte durch einen regen Kulturkontakt und erste Nationenbildungen auszeichnet. So wäre die in dieser Region gewachsene Idee des einen Gottes schon von früh, und in wiederkehrenden Phasen der historischen Erinnerung erneuert, an den Prozess der Verschmelzung der verschiedensten kultischen und ethnischen Gemeinschaften, ja ganzer Völker und Staaten gebunden. Die Orte des Abdallah b. Salam wären danach zu einem Fall der Entwicklung des Monotheismus zu machen, zu einem Fall, an dem sich die Verknüpfungen innerster, über lange Zeit hin historisch wirksamer Beziehungen zwischen verschiedenen Völkern und Gemeinschaften der Region zeigen lassen. Die Verehrung, die Muslime heute dem Abdallah b. Salam an den Reststätten uralter Orte angedeihen lassen, könnte als eine besondere Form der Gedächtniskultur des Islams im Umgang mit nicht-islamischer Geschichte gelesen werden. Es muss, soweit es sich um das Phänomen des Abdallah b. Salam handelt, jedoch von Anfang an vor einer zu einfachen Lesart der Dinge gewarnt werden. Abdallah b. Salam, der Jude und islamische Heilige, kann nicht allein von der Lage seiner ägyptischen Orte her beurteilt werden. Dies würde zugleich die Spur der Erklärung seiner Orte in nur eine Richtung lenken und seine Verehrung als Heiliger auf eine mono-kausale und funktionale Sicht der Dinge reduzieren. Das Phänomen Abdallah b. Salam ist sehr komplex; es ist ihm die offensichtliche Vieldeutigkeit nicht zu nehmen. Schon früh waren Geschichten des Abdallah b. Salam im Volksmund ver-
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breitet und die besondere thematische Orientierung und metaphorische Ausgestaltung dieser in der ägyptischen Volkstradition wirkenden Geschichten geben Anlass genug, den Begründungshaushalt für diesen Heiligen anzureichern. Ägyptische mystische, ja, metaphorisch besetzte Interessen kommen hier ins Spiel. Die Arrangements, Funktionen und symbolischen Produktionen, die sich um die Orte dieses Heiligen entfalten, sind eben keineswegs eindeutig oder gar auf Ursprung und historische Kontinuität hin zu erklären, wenn es auch nicht zu leugnen ist, dass an diesen Orten ganz offenbar in Wellen wiederkehrend absolute, monotheistische und schließlich auch modernistische Strömungen des Islams wirksam werden und ihren Ausdruck in der gestalteten Physis des Ortes und im Gebaren der Leute finden. Die – wie hier der Einfachheit halber gesagt werden kann – monotheistische Rolle des Abdallah b. Salam bringt Magisches und Mystisches nicht zum Verschwinden. Sie ist oft initiierend daran beteiligt, dass auch andere religiöse Phänomene und Motive immer wiederkehrend erscheinen. Trotz aller fast zwanghaft angelegter Ausgliederung und Unterdrückung und nicht immer auf dem Wege symbolischer Sublimierung werden alte Erscheinungen wach, die auf vergangene, wichtige Vorgänge hinweisen, die Namen früherer, großer Männer beschwören, eingeprägte Symbole, überwunden geglaubtes altes Wissen und aus der Vorgeschichte des Ortes hereinreichende religiöse Phänomene wieder aufnehmen, ja bestärken. Manche Gräber des Heiligen verhalten sich denn auch – wie wir sehen werden – wie Mahnmale gegen Monumente der magischen Vergangenheit, die nicht verdrängt werden können. Paradoxerweise kommt so der Faktor der Sublimierung und Vergeistigung uralten Wissens hinzu, wenn auch alles Magische zurückgewiesen und verdrängt werden soll. Es ist vielleicht ein Zeichen der jüngsten, der monotheistisch entwickeltsten Religion, ein Zeichen des Islams, dass hier der Widerspruch zwischen Unterdrückung und Vergeistigung der religiösen Urgeschichte auf das Schärfste offen und in Wellen so unversöhnt auftritt und dass dieser Widerspruch bis in die allerjüngste Moderne hineingetragen wurde. Es ist wahr, die gottgefälligen Märtyrer, Helden, Gelehrten und Mystiker, deren tote Körper man an uralte Ort legt, sollen den Lebenden etwas von ihrer Heilsgewissheit abgeben, sie sollen auch Fürsprache halten beim fernen Gott und so die lebendige Pein des Alltags lindern. Aber – dies ist zu wiederholen – nichts in der Heiligenverehrung, der islamischen insbesondere, entspricht einer funktionalen Eindeutigkeit. Die leibliche Anwesenheit des Heiligen ist oft nur erdacht, und wird ein wirklich hier Begrabener zum Heiligen, dann sind es – meist erdachte oder über die Zeit zu Wundern ausgemalte – Geschichten, die einen Mann und in manchen Fällen auch eine Frau zum oder zur Heiligen machen. Über die Aura des Ortes bestimmt sich erst ohnehin wie den Menschen hier und jetzt das Heilige begegnet oder wie
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sie es sich begegnen lassen. Dass man an diesen Orten das kollektive Gedächtnis schärft, ist sicher richtig, aber die Orte entstehen nicht zum Zwecke der Pflege des kollektiven Gedächtnisses. Sie sind an Ereignisse geknüpft und an überwältigende Vorstellungen des Todes, die sich selbst noch im toten Leib eines einfachen Mannes verkörpern können. In der Vielfalt des Ereignisses solcher transzendenter Vorstellungen am konkreten Leib und Ort ist das Rätsel begründet, warum ein bestimmter Heiliger an einem bestimmten Ort seine Grabstätte, sein Maqam, seine Station hat, wie die Ägypter sagen. Das Heiligenwesen kennt von daher eine Reihe von in dieser oder jener Form wiederkehrenden Topoi, thematische Fixpunkte: altägyptische Monumente und Legenden, islamisches Märtyrertum, Wiedererweckung des Magischen im einfachen, guten Menschen, orthodoxe Bearbeitung oder radikale Bekämpfung des Wunders, sufistische Sublimierung transzendentaler Vorstellungen. Diese Topoi sind nicht einzeln an die bestimmte Person des Heiligen oder an die bloße Geschichte des Ortes gebunden; sie versammeln sich am Maqam, wenn auch nicht in der Form fixer Inhalte seiner Darstellung und Gestaltung. Es ist dennoch zu betonen, dass bei aller Offenheit und Ambiguität des am Ort sich versammelnden physischen und symbolischen Materials, es sich hier um Verdichtungen handelt, um ganz bestimmte, in ihrer Abgrenzung nach Außen eindeutige, vitale, lokalkulturelle Produktionen des Zusammenspiels von Geschichte und Gegenwart. Die Fragen, die wir mit den folgenden Text- und Bildkommentaren an drei Orte des Abdallah b. Salam im östlichen Nildelta richten, stellen uns vor das Paradox, dass die Vieldeutigkeit und Vielfältigkeit, die die Lagen und Konstruktionen des Heiligen beherrschen, zugleich mit einer fast monotonen Wiederholung der Problemlage des Monotheismus einhergeht. Wie stark die Vielheit der historischen, symbolischen und institutionellen Arrangements auch ist, hat sich in dem einmal gegebenen Konstrukt die moderne islamische Akzentsetzung des Monotheismus durchgesetzt, so entfaltet sich auf dem einmal eingeschlagenen Pfad schließlich eine unendlich scheinende Spirale der kulturellen Produktion der praktischen und symbolischen Exklusion des »Nicht-Islamischen«. Nie aber – um hier ein anderes viel verwendetes Bild zu gebrauchen – schlägt das Pendel ganz wieder zurück zur reinen Wiedererweckung des magischen Weltbilds, vielmehr scheinen in der Welt des Magischen Ressourcen zu ruhen, die der selektiven oder latenten Wiedererweckung nur zu harren scheinen. Die Tage des Heiligen aber sind Festtage – ayyâm – und obwohl wir in diesem Band nicht über die Festtage des Heiligen (mawlid, Pl. mawâlid) handeln werden, so ist doch an sie zu erinnern. Sie standen und stehen immer noch im Zentrum ethnographischen Interesses – genannt sei hier nur die schöne Bildstudie von Nicolaas Biegmann von 1990. Die Pilgerfahrten zu diesen Festen sind mitzudenken, wenn wir aktualisieren wollen, was »Kon-
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14 | Vgl. hierzu die gerade erschienene Studie von Catherine Mayeur-Jaouen zur Geschichte der Tanta-Wallfahrt, Mayeur-Jaouen, Histoire d’un pèlerinage.
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struktionsformen« des Heiligen und lokalkulturelle Produktionen für die Gesellschaft im heutigen Delta bedeuten.14 Doch stellt das jährliche Fest des Heiligen eine neue Lage, eine andere Erfahrungswelt des Heiligen und seiner Produktion dar, eine Welt, die jenseits der stillen Interessen des Ortes liegt. Deshalb ist ihr im letzen Band dieser Trilogie eine eigene Studie gewidmet. Meine einleitenden Bemerkungen dienen der Verdichtung des Hinblickens. Ich will sie nicht abschließen, ohne den Leser zu bitten, sich sein Verständnis nicht von dem immer mitspielenden Exotismus des Blicks in die Ferne trüben zu lassen. Der historische Hintergrund noch der am exotischsten anmutenden Phänomene des islamischen Heiligenwesens zwingt uns zu der Feststellung, dass es falsch wäre anzunehmen, es handele sich hier um nicht-europäische Kultur. Im Grunde sind es die gleichen Gegensätze in der Verarbeitung von Geschichte und Vorgeschichte und die Zwänge zu ihrer Vergeistigung, die wir in unserem eigenen Verständnis von Moderne mit uns herumtragen. Möglicherweise hängen wir nur dem fälschlichen Glauben an, einen unerschütterlichen Zustand höherer Verdrängung geschaffen zu haben. Vielleicht ist uns manches in Ägypten deshalb so fremd, weil uns die offene Schärfe in der Austragung der kulturellen Gegensätze einerseits, und andererseits die zugleich ungebundene Duldung heischende Form ihrer Vergeistigung, ja, sublimen Verdrängung so erschaudern lässt. Ich frage mich, ob die Unmittelbarkeit – im Sozialen wie im Symbolischen – des Ortes und seiner Gestaltung und die darin zu Tage tretenden Gegensätze roher und künstlerischer religiöser Ästhetik nicht geradezu Ausdruck eines uns willkürlich erscheinenden Wechselspiels jener Sublimierungen sind, für die wir selbst eintreten.
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2. Abdallah b. Salam – ein medinensischer Jude, Konvertit, Gelehrter, Literat und Missionar des frühen Islams?
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Al-Husayn war der ursprüngliche Name des Abdallah b. Salam , der dem jüdischen Stamm der Banu Qaynuqâ angehörte und offenbar bei der Ankunft Muhammads in Medina zum Islam konvertierte. Er starb 43 Hijra (ca. 664 n. Chr.) in Medina. Als symptomatisch für die spätere Bedeutung des Abdallah b. Salam darf die folgende, von Montgomery Watt gelieferte Darstellung seiner Konversion, die sich ganz an der islamischen Geschichte derselben orientiert, präsentiert werden: »By way of exception a small number of Jews accepted Muhammad as a prophet and became Muslims. The chief of these was apparently Abdallah (originally al-Husayn) b. Sallam (of Qaynuqa) and he was in consequence much maligned by the other Jews.«16 Es sind vor allem seine »Fragen an den Propheten« (masâil li-l-nabî), die ihn in der islamischen Welt berühmt gemacht haben. Die Antworten des Propheten sollen ihn so überzeugt haben, dass er zum Islam übertrat. Nach der muslimischen Überlieferung stellt er sich als ein herausragender Repräsentant einer Gruppe jüdischer Gelehrter dar, die der Wahrheit dienten, und die Muhammad als jenen in der Torah angekündigten Propheten anerkannten, der sie vor den Intrigen ihrer Glaubensbrüder schützen sollte. So wird nach muslimischen Quellen nahe gelegt, dass Abdallah bereits bei Muhammads Ankunft in Medina von diesem persönlich bekehrt wurde und zum Islam übergetreten ist. Die Fragen, die Abdallah b. Salam an Muhammad richtet, gelten als solche, die nur ein Prophet beantworten kann.17 Der Inhalt der Hadithe, die auf ihn zurückweisen und in den Traditionswerken enthalten sind, und viele Geschichten, die ähnlich wie die von der Buluqya – auf die wir unten näher eingehen – von ihm überliefert sind, werden zum Teil auf jüdische Quellen zurückgeführt. Darin sind sich islamische Theologie und moderne Kritik einig. Horovitz, ein Islamwissenschaftler der modernen 15
15 | Ismaîl al-Husayn Abû Jûsuf b. al-Hârith al-Isrâîlî al-Ansârî al-Khazrajî, nach der am Maqam I angebrachten Schrifttafel, s. u. Bildtafel 6, S. 123, Zeile 2. 16 | Watt, Muhammad at Medina, S. 197: »Es war eine Ausnahme, dass eine kleine Gruppe unter den Juden Muhammad als Propheten annahm und zu Muslimen wurde. Abdallah (ursprünglich al-Husayn) b. Sallam (von den Qaynaqu) war offensichtlich ihr Anführer und er wurde deshalb von den anderen Juden sehr verleumdet.« 17 | Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass offensichtlich auf die Bedeutung, die dem Abdallah b. Salam als originärem konvertierten Juden von muslimischer Seite beigemessen wird, eine jüdische Antwort folgte: eine Re-Judaisierung Muhammads in den jüdischen Traditionen. Cf. Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 174 f.
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kritischen Tradition, meint, dass, auch wenn diese Geschichten nicht wirklich von Abdallah selbst herrührten, sie doch jedenfalls aus den Kreisen der jüdischen Konvertiten stammten.18 Aus Sicht von Horovitz wurden Abdallah b. Salam von seinen Zeitgenossen hinsichtlich seiner jüdischen Abkunft Vorhaltungen gemacht. Die Traditionen, in denen ihm von Muhammad der Eintritt ins Paradies zugesichert wird oder ihm vom Propheten und berühmten Genossen höchstes Lob gespendet wird, sollen erst später in Umlauf gebracht worden sein, und so vielleicht auch die Idee, dass einige Koranverse eigens dem Abdallah b. Salam gewidmet sind. Die »Fragen«, die er an Muhammad stellte, wurden später zu ganzen Büchern erweitert. Nach mündlichen Berichten werden heute in Kairo lose gebundene Hefte mit mehr als tausend Fragen zirkuliert.19 Nach Sezgin gibt es viele Schriften, die sich stark an das von ihm im Hadith überlieferte Material anlehnen. Sezgin weist auf seine Bedeutung als einer der ersten Konvertiten hin und auf seine »große Kenntnis der jüdischen Überlieferung von der Schöpfung und Geschichte der Welt, den Propheten u. Ä.«20. Die Quellen zeugen auch von einer späteren Karriere und weisen Abdallah als Begleiter des zweiten Kalifen Umar auf dessen Eroberungszug nach Jabiya und Jerusalem aus. Dies ist ein weiter unten noch zu diskutierender Umstand, der Abdallah potenziell in den Diskurs über die Missionierung von Juden (und vielleicht später Christen) eingliedert. Sein »Kitâb masâil sîdî Abdallâh«21 deutet in diese Richtung. In den frühen Parteienstreiten um das Kalifat stand Abdallah b. Salam zunächst auf der Seite Uthmans. Er soll auch bei der Ermordung Uthmans, des dritten Kalifen, zugegen gewesen sein, ohne sie verhindern zu können. Später war er ein Gefolgsmann des Muawiya, des ersten Umayaden-Kalifen. Ein wichtiger Strang seiner späteren Bedeutung lässt sich aus den mythologischen Geschichten zur Begründung des Prophetentums Muhammads, den qisas al-anbiyâ (Geschichten von den Propheten) herleiten, die neben jüdischen Quellen auch altägyptische Materialien verarbeiten.22 Viele Geschichten dieser Art – wir kommen auf seine Geschichte der
18 | Vgl. Horovitz, Abdallah b. Salam, EI/1. 19 | Allerdings umfasst die mir vorliegende und am Maqam I in einem Krämerladen zur Verteilung gebrachte Version insgesamt nur 16 Seiten: Abdallah b. Salam, Kitâb Masâil. 20 | Sezgin, Abdallah b. Salam. 21 | Die literarische Existenz dieses Buches wird von Sezgin, Abdallah b. Salam, bezeugt. Vgl. a. o. Fn. 7. Weitere Angaben sind bei Wasserstrom verzeichnet: Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 174. 22 | Vgl. hierzu Horovitz, Buluqja, generell aber Nagel, Die Qisas al-anbiyâ; Khoury, Les légendes; van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 69 f.; S. 325-329 und passim.
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23 | Sezgin, Abdallah b. Salam. 24 | Brockelmann, Abdallah b. Salam. 25 | Khoury, Wahb b. Munabbih, S. 193. Khoury äußert sich in dieser Hinsicht jedoch eher kritisch, vgl. a. S. 212-13. 26 | Horovitz, Abdallah b. Salam/2, EI/2, Bd. I, S. 52. 27 | Schöller, Exegetisches Denken, 1998: S. 188, u. Fn. 25; Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 176 spricht von einer bis ins 10. Jahrhundert sich ausweitenden Dynastie von Jüdischen Konvertiten, die ergänzende biblische Geschichten überlieferten. Das würde auch der Lage im unten angemerkten Fall des aus dem Yemen kommenden Wahb b. al-Munabbih und der »Susanna in der Wüste« entsprechen, vgl. Pennacchietti, Susanna nel deserto, S. 25-26.
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Biographische Notizen
Buluqya weiter unten noch beispielhaft zurück – sind nach Sezgin auch in der ältesten mâghazî- und hadîth-Literatur (den islamischen Quellentexten zu den ersten Kriegszügen und zum Leben Muhammads), den Korankommentaren und Weltgeschichten verzeichnet23. Einen Vorgeschmack davon, was solche Weltgeschichten beinhalten, liefert Carl Brockelmann in seiner Geschichte der arabischen Literatur. Er bezieht sich auf ein Kitâb fî azamat allâh wa makhlûqâtihi des Abu Muh. Al. b. M. Jafar b. Haiyan b. ashShaikh al-Isphahani (st. 979): »in der Einleitung beruft er sich auf Al. b. as-Sallam und die von diesem benutzten Schriften Daniels, die er aus den in Serendib (Ceylon) aufbewahrten Tafeln Adams abgeschrieben habe (Berlin 6159)«24. Offenbar werden Abdallah b. Salam neben den »Fragen an den Propheten« auch andere Bücher zugeschrieben, auf die sich spätere Autoren beziehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht verwunderlich, wenn Abdallah in einer Reihe mit anderen großen Autoren des frühen Islams, die als Konvertiten geführt werden, genannt wird.25 Die Traditionarier, die am häufigsten mit Überlieferungen des Abdallah in Verbindung gebracht werden, sind Abu Hurayra und Anas b. Malik.26 Allerdings scheint hier darüber hinaus ein System der Überlieferung zum Zuge zu kommen, das als verpönt gilt. Offenbar sind es besonders die unmittelbaren Nachkommen, die sich um die Überlieferung der Nachrichten und Geschichten des Abdallah gekümmert haben. Schöller sieht dies als ein Beispiel für das Phänomen des »Familien-Isnads« in der islamischen Überlieferung.27 Doch hält er den Familien-Isnad für die jüdischen KonvertitenStämme al-Nadir und al-Qaynuqâ für ungewöhnlich, freilich ohne uns Gründe zu liefern. Enkel, Neffen, ja Ur-Enkel und Großneffen spielen bei den auf Abdallah b. Salam zurückgeführten Überlieferungen eine große Rolle. Man könnte hinsichtlich der Funktion der Genealogie und der familiären Abstammungsgruppe auch Parallelen zu der hagiographischen und spirituellen Konstruktion der ägyptischen Heiligen ziehen. Denn immer sind es die Familien der Nachkommen, die auch bei der Unterhaltung der Maqame und der Pflege der Tradition eines Heiligen schon in der Frühzeit der Heiligenge-
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schichte eine entscheidende Rolle spielen.28 Kann man aus solchen Parallelen auch Folgerungen für die modernen Präsentationsformen unseres Heiligen ziehen? In der Tat ist die Familienbindung an den Ort des Heiligen etwa durch Privatbesitz des Grundes ein wichtiger Faktor der Pflege des Maqams. Wichtig ist auch, dass am Ort von heute noch immer eine eigenartige Mischung von spiritualistischer Erweckung des Heiligen und seiner dogmatisch abgesicherten Biographie vorherrscht.29 Die moderne Hagiographie scheint – wie wir auch ganz deutlich vor Ort sehen – die schon für das 2./8. Jahrhundert charakteristische Verbindung, wenn nicht Vermischung von Geschichtsschreibung und Hagiographie fortzuschreiben. Die frühe Sîra (Lebensgeschichte des Propheten)-Literatur scheint – wie Schöller von Leder ausgehend zeigt – ganz auf die innere Verbindung von Geschichtsschreibung, genealogischem Interesse an der Vergangenheit und Hagiographie ausgelegt zu sein.30 Diesem integrativen Holismus ist die moderne Wissenschaft nicht gewachsen. Die auf Differenzierung abgestellte moderne Forschung staunt vor dieser ungebrochenen Kohärenz, mit der Heilige authentisch gemacht werden, und doch geht eben auch das »Authentisch-Machen« nicht ohne Konflikte und Widersprüche einher. Die moderne kritische Islamwissenschaft vermag diese Kohärenz nicht in ihre untergelegten Komponenten aufzulösen. Die normale und kennzeichnende Bestrebung der Gläubigen, insbesondere wenn sie ihr lokales, sesshaftes, islamisches Geschichtsbewusstsein pflegen, ist aber, dass es Zweifel nicht geben darf bzw. dass es sie aufzulösen gilt. Was im islamwissenschaftlichen Methodenstreit als Mangel an kritischem Bewusstsein im Islam erscheint oder gar als Mangel an Realitätsbewusstsein, sind für das muslimische Denken eher untergeordnete Momente, geht es doch im Hadith, wie in der islamischen Hagiographie, gerade darum, durch Konsens Zweifel aufzuheben. Damit beenden wir in einem ersten Schritt und in der gebotenen Kürze unsere Zusammenfassung der Nachrichten zur Biografie des Abdallah b. Salam. Wie bereits oben angedeutet, sind an den drei im Folgenden dokumentierten Stätten des Abdallah im östlichen Nildelta z. T. selbst die offiziellen Quellen oder einfache schriftliche Hinweise auf die hohe historische und religiöse Stellung dieses Prophetengenossen angebracht. Diese »Texte« und
28 | Ich verweise hier nur auf den Aufsatz von Catherine Mayeur-Jaouen zu den islamischen Heiligen im Mitteldelta, vgl. Mayeur-Jaouen, Holy Ancestors. 29 | Man beachte hierzu das von einem lokalen Absolventen des Mansura-Zweigs der al-Azhar 1992 zusammengestellte Textmaterial und seine Präsentation an der Sarg-Kammer im Maqam I, Bildtafel 6, S. 123. 30 | Es sind gerade diese Verschlingungen, die der kritischen Islamwissenschaft immer wieder die Grenzen setzen, vgl. Schöller, Exegetisches Denken, 1998, S. 6 f.; s. a. Leder, The Literary Use, 1992.
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Biographische Notizen
der Hintergrund ihrer Herkunft, die Form ihrer Präsentation etc., – mit aller Kraft des Wortes »Text« – werden hier nur exemplarisch in die Studie einbezogen. Es würde sich sicher sehr lohnen, sie einmal zum Gegenstand einer besonderen, u.U. auch vergleichenden Untersuchung zu machen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nach Quellenlage zur Biografie auszuschließen ist, dass Abdallah b. Salam zu Lebzeiten in Ägypten gewesen ist. Auch gibt es keinerlei Hinweise auf unmittelbare oder besondere spirituelle Beziehungen zu Ägypten oder zu Ägyptern. Allerdings ist – dies muss im Kontext seiner Verehrung als Heiliger in Ägypten hervorgehoben werden – in Abdallahs Geschichten das Land durchaus gegenwärtig, »Ägypten« figuriert hier oft in Form altägyptischer Erzählstoffe.
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3. Orte des Abdallah b. Salam im Nildelta und ihre historische Bedeutung Dieses kleine Buch ist den drei Orten des Abdallah b. Salam im nordöstlichen Nildelta gewidmet. Dass das Grab ein und desselben Heiligen an verschiedenen Orten liegt, ist ein bekanntes Phänomen der Heiligenverehrung in der islamischen Welt. Obwohl es sich immer auch schon um die konkrete äußere Form eines Sarggrabes (maqbara) handelt, vermittelt der Raum, in dem es lagert (darîh), auch das Stadium der spirituellen Präsenz des Heiligen, um das es wirklich geht: Der Sarg (qabr) ist je nach lokaler Tradition, Vitalität und Bedeutung mit grünen Samtdecken (kiswa), die oft mit Koransprüchen bestickt sind, einem aufgesetzten metallenen Stern (kawâkib), dem Kopfzeichen (shâhid) und einem den Geldspenden vorbehaltenen Kästchen (sanduq al-nudhûr) ausgestattet. Meist ist die Grabkammer (darîh) mit einer quadratischen Umfassung aus Holzwerk, Glas oder Messingfiligran (maqsûra)31 umgeben, das selbst wiederum in der Mitte eines quadratischen Raumes steht, auf den eine Kuppel aufgebaut ist. Das Wort Maqam, das sich auf das Grabmal als ganzes bezieht, meint nicht nur die Grabstätte selbst, sondern, wie schon eingangs erwähnt, auch eine potenziell wechselhafte Form, eine Stufe oder Station oder ein spirituelles Stadium, in dem sich der Heilige befindet. Es bedarf hier der Vorstellung der physischen Leibhaftigkeit ebenso wie die der spirituellen Präsenz. Erst in dieser bezeugten Präsenz (shâhid) vermitteln sich Ort und Person des Heiligen gegenseitig. Als eine besondere Erscheinung darf man im Fall des Abdallah b. Salam aber werten, dass sich – nach mündlichen Berichten, wie gesagt – bis zu 40 Grabstätten dieses Heiligen in nur dieser einen Region befinden sollen, im restlichen Ägypten gibt es, soweit wir das wissen, überhaupt keine Maqame des Abdallah b. Salam. Über Stätten in Arabien und Palästina, Jordanien oder Irak ist mir nichts bekannt. Allerdings wenn wir es auch mit einer lokalen Häufung der Maqame des Abdallah b. Salam in dieser religionshistorisch so bedeutsamen Region zu tun haben, es bleibt bemerkenswert, dass sich die hier vorgestellten Maqame in ihrer dörflichen, lokal historischen und sozialen Bedeutung, aber auch in ihrer äußeren Erscheinung geradezu auffallend unterscheiden. Dazu im Folgenden mehr.
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31 | Im frühen Islam war damit eine Abtrennung eines Raumes zum Schutze des Herrschers in der Moschee bezeichnet, vgl. Pedersen, Masdjid, EI/2, VI., S. 661.
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3.1 Ort eins: Kafr al-Amir Abdallah b. Salam bei Sinbelawin (Tell Thmuis – Mendes) 34
Kafr al-Amir Abdallah b. Salam, das Dorf, das das größte und signifikanteste Maqam unseres Heiligen (I) beherbergt und seinen Namen trägt, liegt zwischen zwei Tells, die zu den größten noch erhaltenen Trümmerstätten des Altertums im Nildelta zählen. Es handelt sich um nur durch das Dorf und eine asphaltierte Landstraße voneinander getrennte Trümmerfelder zweier antiker Städte, die von solch herausragender historischer und kultureller Bedeutung sind, dass wir sie in unsere Betrachtung – ja auch die Bildbetrachtung – mit einbeziehen müssen. Dass Abdallah hier sein Haupt-, vielleicht sogar sein ägyptisches Ursprungs-Maqam hat, ist nicht sekundär oder gar zufällig. Das Motiv der sich auf diesen Ort konzentrierenden Beachtung ist von überragender Bedeutung. Der Ruf der Tüchtigkeit dieses Heiligen könnte dann auch als Anregung für das Erscheinen an anderer Stelle gedient haben. Denn anders als an den weiteren Orten des Abdallah, waren hier die Tells – ja die antiken Orte selbst – von Anfang an im Blickfeld fremder Beobachter und fanden seit dem 18. Jahrhundert eine rege Beachtung durch europäische Reisende, Archäologen und Ägyptologen, die immer auch schon durch die Geographen und Reisenden des Altertums angeregt waren. Die beiden Tells liegen etwa fünfzehn Kilometer südöstlich von Mansura, der Hauptstadt des Regierungsbezirks Daqahliyya, und etwa sieben Kilometer nordöstlich von Sinbelawin, der zuständigen Distriktstadt. Es handelt sich zum einen um das alte Mendes und zum anderen um seine Zwillingsstadt Thmuis (al-Amdid), die man heute in Reiseführern als Tell Thmuis und Tell el Ruba (Mendes) führt. Es sind dies die Doppelstätten jenes Mendes, das als quasi »verruchter Ort« und Symbol der Tierkulte der alten Ägypter durch die Mythen und Geschichten griechischer und römischer Reisender und Geographen geistert und so auch in die Bücher der christlichen Kirchenväter von Alexandria Eingang fand.32 Die beiden Ruinen-Städte von Mendes markieren die nordwestliche Grenzlinie einer uralten Zone des Kulturkontakts der pharaonischen Reiche mit Asien im östlichen Teil des Deltas. Aus den spätrömischen sogenannten Itinerarien Antonini ist uns nach Kees überliefert, dass hier eine Ost-WestQuerverbindung lag, möglicherweise die einzige, die über »die Hauptarme des Nils kreuzte und von der Ostgrenze bei Pelusium über Tanis-Thmais (Tmai al-Amdid) nach Cyno (bei Busiris – Abu Sir) nach Taba (Taua) ins
32 | Hierzu sehr informativ bereits Höpfner, Der Tierkult; Wiedemann stellt in seinen Erläuterungen zu Herodot, Band II, Capitel XLVI eine außerordentlich aufschlussreiche Sammlung der Angaben der Alten zum Widdergott zusammen. Cf. Herodot, Herodots zweites Buch, S. 216-19.
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33 | Vgl. Kees, Das Alte Ägypten, S. 102; vgl. a. Hartmann, Die Straße von Damaskus. 34 | Kees, Das Alte Ägypten, S. 113. 35 | Vgl. u. Bildtafel 9, S. 127.
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Orte des ‘Abdallah b. Salam
mittlere Delta« bis nach Alexandria zieht.33 Dieses auf die Quellen der Alten gestützte Bild von Kees ist ergänzungsbedürftig. Denn für die historische Bedeutung der Region ist seit der römischen Kaiserzeit der Verlauf des sogenannten Butischen Kanals wichtig, der durch Berichte von Josephus und Ptolemäus belegt ist. Dieser Kanal war als eine künstliche Wasserverbindung zwischen dem westlichen und dem östlichen Deltaarm geschaffen worden und floss offenbar zwischen den Tells von Mendes und Thmuis hindurch. Zwischen Mendes und Tanis im Osten ist der ehemalige Verlauf des Kanals stellenweise noch durch Dämme des angefallenen Aushubs zu verfolgen. Die eigentliche, nur sehr bruchstückhaft sich darstellende Geschichte von Mendes begann – wie uns Kees erzählt – damit, dass Herithor, der Oberbefehlshaber des Heeres in Oberägypten, im Gewande des Hohenpriesters des Amun um 1085 vor Christus einen »Gottesstaat« errichtete und dass er parallel dazu in Tanis/San al-Hagar und Mendes einen ebenfalls von der Würde des Hohenpriesters abgeleiteten Herrschaftsanspruch durchsetzte.34 Doch lässt sich die Siedlungsgeschichte des Tell el Ruba (Mendes) bis in die prädynastische Zeit verfolgen. Hier wurde im alten Reich der Widdergott Banebdjeded verehrt, wodurch Mendes schon früh zu einem bedeutenden Kultzentrum avancierte. Über die Stadt selbst erfahren wir jedoch bis zur 3. Zwischenzeit recht wenig. Lediglich der Kult des Widders und seine Feste werden immer wieder in verschiedenen Quellen genannt. Über die Rolle, die Mendes als administratives Zentrum im Mittleren und im Neuen Reich spielte, ist wenig bekannt. Dies ändert sich erst in der 26. Dynastie als Pharao Amasis in Mendes – in Erneuerung des alten Widder-Kultes – einen großen Tempel für Banebdjeded errichten ließ. Als markantestes Zeugnis dieses Baus gilt der uns noch erhaltene Naos, einer von einst vier Schreinen, der noch heute den Tell überragt.35 Gesichert ist, dass Mendes in der 29. Dynastie sogar Regierungssitz wurde, dies in einer Zeit, in der unter den verschiedenen Fürstengeschlechtern der Deltastädte verbittert um die Vorherrschaft im Lande gekämpft wurde. Es behält auch in der 30. Dynastie eine herausragende Rolle. Die letzte sichere Nennung von Mendes findet sich auf der so genannten Mendesstele von Ptolemäus II., bevor der Ort durch unbekannte Ereignisse seine Bedeutung an Thmuis abgibt. Mendes selbst ist in die Zivilisationsgeschichte als ein Ort mit Symbolkraft für einen von Christen und Juden gleichermaßen als schändlich empfundenen Zug der altägyptischen Religion eingegangen – ein erst in der Spätphase der ägyptischen Geschichte verstärkt an die Oberfläche der kulti-
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schen Praxis tretender Zug: die Verehrung des Gottes im Tier. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sehr die Blüte des ägyptischen Tierkultes zeitlich mit der Ausformung eines abstrakten Gottesbegriffs und der Durchsetzung von Formen privater und auch persönlicher Frömmigkeit zusammenfällt. Es handelt sich historisch um die Entwicklungsphase des Monotheismus. Die Arbeiten von Frankfort und Assmann sprechen von einer Vielfalt von Ausarbeitungen in deren Zentrum Überlegungen stehen, dass gewissermaßen jenseits von Kult und Zauber die Fortschritte in der persönlichen Frömmigkeit der alten Ägypter sich mit der zunehmenden Verallgemeinerung und Sublimierung der Gottesidee verbanden.36 Man mag hier durchaus versucht sein, von einer Verschnürung des Unmittelbarkeits- und Verkörperlichungs-Gedankens mit einem zunehmend abstrakten Gottesbegriff zu sprechen. Doch gerade im Vollzug des monotheistischen Gottesgedankens musste andererseits der Brauch, im Tierleib den Gott verkörpert zu sehen, als eine besonders verwerfliche Form des Götzendienstes angesehen werden.37 Schon die Griechen haben sich mit den Tierkulten kritisch auseinandergesetzt, obwohl sie selbst andererseits, wie später auch die Römer, durch die spezifische Verbindung von Tierkult, Provinz- und Städteverwaltung- und Militärorganisation zur Regeneration der ägyptischen Kultpraxis und der Vorstellung des Tiergottes beigetragen haben.38 Die sich über die ganze frühchristliche Zeit hinziehende Auseinandersetzung der alexandrinischen Kirchenväter mit dem als Gott verehrten »Widder« von Mendes scheint den Kern der Kulte so wenig getroffen zu haben, dass man sich etwa im 3. Jahrhundert nach Christus noch genötigt sah, den Kult selbst monotheistisch umzudeuten, und nun von den Lehren der ägyptischen Gottverehrung sprach, die in den Tieren nur den Ausdruck
36 | Vgl. etwa Jan Assman, Maat; ders., Ägypten; Frankfort, Kingship; ders., Ancient Egyptian Religion. 37 | Man nehme zur Kenntnis und beachte dies für die weitere diskursive Entwicklung unter den monotheistischen Religionen: »Unter den Ptolemäern war die Inauguratin eines heiligen Widders ein grosses Ereignis, das z. B. Philadelphus, der sich bei der Gelegenheit selbst ›göttlicher Ausfluss des begattenden Widders und ältester Sohn des Widders‹ nennt, mit Steuererlassen feierte«. Aus Wiedemanns Kommentar in Herodot, Herodots zweites Buch, S. 218. 38 | Die moderne Theorie der »politischen Theologie« beginnt mit der Gleichsetzung von der Ein-Gottes-Idee und des Selbstbegriffs der Reichsherrschaft im »König«, wie Erik Peterson, Monotheismus 1935, zu zeigen bemüht war. Dem gegenüber zeigt Dieter Kessler, wie sehr in der ägyptischen Spätzeit die polytheistischen Tierkulte mit der Entwicklung organisierter Einheitsherrschaft, ja mit der lokalen Herausbildung der öffentlichen Religion und des »Stadt«- und schließlich auch »Königsgottes«-Begriffs in der Gesellschaft zu tun haben. Kessler, Die heiligen Tiere, insbes. S. 295-303.
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39 | Celsus nach Höpfner, Der Tierkult, S. 6. 40 | Auch hiervon liefert Höpfner anschauliche Beispiele, vgl. Höpfner, Der Tierkult, S. 94-97. 41 | Die innere Verbindung von Tier- und Herrscherkulten sowie überhaupt von Reichsverwaltung und symbolischer Organisation der Kulte ist eine von Kessler, Die heiligen Tiere, überzeugend entwickelte These. 42 | Sehr anschauliche Beschreibungen und Beispiele aus Thmuis hierzu bei Hibbs, The Mendes Maze. 43 | Wir folgen der These von Assmann, Ägypten.
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eines »ewigen Begriffs des Göttlichen und des göttlichen Verstandes« verehrten.39 Doch treten auch weiterhin die verächtlichen Zeugnisse insbesondere gegen den »geilen Bock« von Mendes auf und ohne Zweifel geht es hierbei nicht mehr nur um die animalistische Gottesvorstellung, sondern um die Bekämpfung der orgiastischen Kultur als ganzes, die in den Wein-, Fruchtbarkeits- und Opferfesten ihren mehr als nur symbolischen Ausdruck fanden.40 Wie immer die griechischen und römischen Herrscherkulte hier durch Verschmelzung in die alten Traditionen eingriffen41, sicher ist, dass wir es in dieser Gegend des östlichen und mittleren Deltas mit einer tief in die christliche Zeit hineinreichenden, theologisch suspekten, der Überwindung der heidnischen Körperlichkeit abträglichen, orgiastischen Kultrealität zu tun haben, von der die in Thmuis gefundenen Opfertische der alten mendesischen Nilfeste nur ein illustres Zeugnis geben.42 Die ägyptische Kultur, die sich trotz der manifesten lokalen Tierkultpraxis im Innern auf einen allgemeineren spirituellen Gottesbegriff hinentwickelte43 und im Äußeren in die Auseinandersetzung mit dem jüdischen und christlichen Monotheismus geriet, unterlag so einem doppelten Zwang: Hier der Drang zur ambivalenten spirituellen Sublimierung einerseits, und dort das Gefangensein im instinktiven und psychologischen Beharren auf manifesten Traditionen andererseits. Diese Verworrenheit der religiösen Gesamtlage, die sich durch die christliche und später islamische Praxis der Unterdrückung und Umdeutung der alten Lokalkulte und ihrer Stätten in Orte der Verehrung christlicher oder islamischer Glaubensmärtyrer und Lokalheiliger noch verstärkte, zieht sich in gewisser Weise noch bis heute hin. Es ist dies das monotheistische Kämpfen mit der alten Tradition. Eigentlich handelt es sich um ein mentales Ringen mit dem heidnischen Körper, und Kampf und Gewalt ereignen sich nur, wenn die Auseinandersetzung politische Dimensionen – und das heißt immer auch auf »Landrecht« bezogene Diskurse – annimmt. Theologisch stellt sich – wie das in dieser Hinsicht sehr erhellende Beispiel des Alexandriners Clemens zeigt – ein anderes Dilemma: Nicht die vordergründige Bekämpfung der Tradition ist maßgebend, sondern ihre spirituelle Erneuerung durch ihre innere Entheidnisierung. So gesehen ist es
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auch für den Kontext des islamischen Diskurses sehr anregend zu lesen, dass etwa Clemens von Alexandria (ca. 150-215 n. Chr.) – einer der frühen christlichen »Ethnologen« der alten ägyptischen Religion – Konversion zu einem Grundbestand kultureller Erneuerung zählte: »Clement’s version of conversion does not require cutting all ties with the former cultural world. On the contrary, it would seem that Clement intends to broaden the boundaries of cultural memory. It is not a theory of conversion from ancient culture that he develops, but rather helps purify culture by freeing it from its pagan elements.«44 Das Delta ist mit einer großen Dichte alter ägyptischer Kultstätten ausgestattet und erweist sich heute als eine der lebhaftesten Gebiete der Verehrung wichtiger islamischer Heiliger. Gleichzeitig setzt sich auch die Verehrungspraxis für Patronatsheilige unter den Kopten fort. Ja, auch unter Juden ist sie lebendig und noch heute wird einer ihrer Heiligen, Abu Hasira, bei Damanhur südöstlich von Alexandria verehrt. Im Islam, mehr als in den beiden anderen monotheistischen Religionen, wurde von Anfang an die mit uralten Traditionen verknüpfte Praxis der lokalen Heiligenverehrung bekämpft. Über die Zeit hin gab es immer neu wieder aufflammende Bewegungen des religiösen Eiferertums, das in unterschiedlichen Schattierungen die Heiligenverehrung als heidnische Praxis bekämpfte. Doch gab es immer wieder (etwa unter den Fatimiten, in der Mameluckenzeit, unter dem Osmanen Qait Bey und auch in moderner Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Khediven Abbas) Phasen, in denen mit unterschiedlichen politischen Motiven die Kairoer Zentralgewalt das Erscheinen neuer Heiliger pflegte, die Maqame der alten erneuerte, verschönerte oder gar, wie im Falle von Tanta und Disuq, mit Grandeur ausstattete. Die Stadien des Wechselspiels zwischen Unterdrückung und Erneuerung des Heiligenkultus sind in den unterschiedlichsten Spuren an allen Maqamen zu verfolgen. Doch sind es die Ruinen von Mendes/Thmuis, die dem Heiligengrab des Abdallah b. Salam zwischen den Tells dort einen ganz eigenartigen Charakter verleihen. Es stellt sich hier ein besonders symbolträchtiges Spannungsverhältnis zwischen Relikten vorislamischer Kulturstufen, uralter, im plebejischen Milieu der Fellachenkultur weiterlebender Tradition und Invokationsformen monotheistischer und moderner Ideen des Islams her. Es ist deshalb auch nicht sehr erstaunlich, dass diese Orte bei der
44 | Stroumsa, Cultural Memory, S. 9: »Clements Version der Konversion erfordert nicht den Bruch mit der früheren kulturellen Welt. Im Gegenteil, es sieht so aus, als wollte Clement die Grenzen des kulturellen Gedächtnisses erweitern. Es ist keine Theorie der Konversion aus der antiken Kultur, die er entwickelt, sondern eher eine Anleitung zur Reinigung der Kultur, indem er sie von ihren heidnischen Elementen befreien will«. (Übers. G.S.)
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45 | Vgl. Helck, Die altägyptischen Gaue, S. 191-195; Scharff, Ein Besuch; de Meulenaere, Mendes II; EAAE, S. 497 ff.; Arnold, Lexikon, S. 158 f. 46 | Ramzi, al-Qamûs II/1, S. 194. 47 | Für das islamische Mittelalter scheint es Hinweise zu geben, die den Ort damals als Tell Ibn Salam ausweisen. Vgl. Kosack, Historisches Kartenwerk, S. 23; s. a. dort im Anhang Karte des mittelalterlichen Ägyptens, Blatt 1. Dass dies zumindest im lokalen Denken für das damalige Gebaren noch nicht ein eindeutiger Beleg für die Verehrung des islamischen Heiligen sein muss, macht ein Hinweis deutlich, der von »Ibn Salam« noch im 19. Jahrhundert (sic) von einem Stammesführer hier lagernder Beduinen spricht, Ramzi, al-Qamûs II/1, S. 194. 48 | de Meulenaere, Mendes II, S. 61. 49 | Es handelt sich hier um mehrfache in Bezug auf Yahûd (Pl.) oder Yahûdî (Sg.) variierende mündliche Bezeugungen in den Jahren 1987, 1995, 2000 gegenüber G.S.
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Orte des ‘Abdallah b. Salam
gegebenen historischen Tiefenlage immer das Interesse von Fremden und Reisenden gefunden haben. Schon früh geriet auch das Grabmal des Abdallah b. Salam in den Blick ausländischer Forscher. Es muss die Frage dahingestellt bleiben, in welchem Umfang diese Aufmerksamkeit der Fremden zu einer konstitutiven Autorität oder zu einer regelnden Instanz über lokale Vorstellungen heranreifte. Es ist aber nicht möglich, sie aus dem lokalen Feld, in dem sich die Vorstellungen über die reinen Sitten des Islams auf den uralten historischen Grund zu beziehen haben, auszuschließen. Wir verfügen über eine Reihe von Berichten westlicher Archäologen, die mit den Ausgrabungen der Tells beschäftigt waren. Der Blick auf das Grabmal des heiligen Abdallah b. Salam ging auf die eine oder andere Weise in ihre Berichte mit ein.45 Kafr al-Amir Abdallah b. Salam, so heißt das am Tell Thmuis (dahinter liegt das heute noch so genannte Timai el-Amdid) anrainende und dem Tell al-Ruba (Mendes) gegenüberliegende Dorf, ist schon in osmanischer Zeit mit diesem Namen belegt.46 Dies ist bemerkenswert, weil die kleineren Dörfer, gerade wenn sie zu den alten oder antiken Dörfern (bilâd al-qadîma) gezählt werden, über die Jahrhunderte oft ihre Namen wechseln, und dies in den letzten hundert Jahren verstärkt tun.47 De Meulenaere, der eine Dokumentation der archäologischen Entdeckungsgeschichte der Tells von Mendes und Thmuis liefert, weist Letzteres – hier »Thmais« genannt – als Ort der Verehrung frühchristlicher Märtyrer und koptischer Heiliger aus.48 Das Maqam des Abdallah steht heute in dem unmittelbar an den Tell anschließenden Teil des Dorfes. Es ist daran zu erinnern, dass der Tell von Thmuis unter den Fellachen den Namen »Tell bint al-Yahûd(î)«49, Tell der Tochter der (oder des) Juden, trägt. Dieser auf der Geschichte lastende Name gilt aus der Sicht der Lokalen offenbar unterschiedslos für beide Tells. Denn in den Annalen der westlichen Reisenden und Beobachter wird diese Bezeichnung auch auf den Tell von Mendes bezo-
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gen. Vom Anfang des 19. Jahrhunderts an ist die Vorstellung belegt, dass die Bewohner des alten Thmuis Juden und Christen gewesen seien.50 Aber aus dem Jahre 1890 erfahren wir von Daressy, dass nicht der Tell von Thmuis, sondern Mendes selbst und der dortige Naos51 es seien, »que les Arabes appellent Kasr bint al-Yahudi ›château de la fille du juif‹.«52
Die älteren Notabeln in Kafr al-Amir sprechen heute denn auch in diesem Zusammenhang nur von Mendes, dem Tell mit dem Naos, dem nordöstlichen Tell, der heute Tell al-Ruba genannt wird, als »Tell Bint al-Yahudi«. Was aber können solche unterschiedlichen Besetzungen mit dem Maqam des heiligen Abdallah b. Salam, dem ersten jüdischen Konvertiten zum Islam, zu tun haben? Im Jahre 1987, als ich den Ort zum ersten Mal besuchte, nahm ich am letzten Tag des Festes (des mawlid) des Abdallah teil und mischte mich als Zuschauer des feierlichen Umzugs (zaffa) unter die Leute. Der damalige Inhaber der Stellvertreterschaft (khalîfa) – in der leiblichen und spirituellen Präsenz des Heiligen –, war Mahmud al-Salam, ein junger Scheich der Salamiyya/Ahmadiyya-Tariqa aus Waleela, der die Prozession auf einer weißen Stute (farsa) anführte.53 Damals war das Grabmal noch eine ganz normale mittelgroße, auf rundem Unterbau sitzende Kuppel (qubba) älteren Datums, eine noch ganz dem in den Fellachendörfern üblichen Stil gleichende Form.54 Mit Sicherheit handelte es sich schon nicht mehr um jenen Bau, dem die Mitglieder der Expedition Napoleons begegnet sind: Ein Mitglied, der »Citoyen Chanaleille« hat im Jahr 1800 die folgende Beschreibung des Maqams in die Annalen der westlichen Entdeckung des Ortes eingefügt: »La superstition qui, pour ne pas perdre ses droits sur la terre, semble obéir à l’inconstance des hommes par le changement de ses idoles et de ses autels, a élevé de nos jours, sur les lieux mêmes où l’on adorait Anubis, une petite mosquée fameuse par le tombeau qu’elle renferme d’un santon appelé Emir A’bd-Allah, dont les prétendus miracles attirent, au 8 du mois de dylhhdjéh, un concours considérable d’Arabes et Habitants du Charkyéh.«55
50 | de Meulenaere, Mendes II, S. 87. 51 | Ein den Tell hoch überragender, weit in das Land hin sichtbarer Monolith, einer von vier 8 m hohen Granitnaoi, die dem Banabjeded in seinen Gestalten als Ba des Re, des Schu, des Geb und des Osiris geweiht waren. Vgl. Arnold, Lexikon, S. 158. S. u. Bildtafel 9, S. 127. 52 | de Meulenaere, Mendes II, S. 108: »die die Araber Kasr Bint al-Yahudi: ›Schloß der Tochter des Juden‹ nennen«. 53 | Stauth, Skizzen. 54 | S. u. die Erläuterungen zu Maqam II, S. 46 f. 55 | de Meulenaere, Mendes II, S. 33-4: »Die Götzendienerei, die – um das Besitzrecht über
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das Land nicht zu verlieren – der Unbeständigkeit der Menschen gegenüber dem Wandel ihrer Götzen und Opferaltaren zu gehorchen scheint, hat in unserer Zeit auf den Plätzen, wo man einst Anubis angebetet hat, eine kleine Moschee errichtet, die für das Grab berühmt ist, das den Heiligen, den man Amir Abdallah nennt, birgt. Dessen angebliche Wunder ziehen am 8. des Monats Dhu al-Hija eine beträchtliche Versammlung (Jahrmarkt) der Araber und Bewohner von (der Provinz) Sharqiyya an.« 56 | de Meulenaere, Mendes II, S. 43 f. 57 | Vgl. u. die Bildtafel 6, S. 123.
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Diese Beschreibung zeugt von der Arroganz des modernen Eroberers und Entdeckers, der unter Götzendienerei und Heiligenverehrung – zumindest hier im fernen Ägypten – nicht unterscheiden will. Die Araber sind dem Entdecker aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt ein Dorn im Auge. Denn er bemerkt, dass das berühmte Mawlid des Abdallah den Arabern und Besuchern auch die Gelegenheit zu vielfältigen Formen der Schatzsuche auf dem Tell bot. Ein anderes Mitglied der napoleonischen Expedition wiederholt diese Beobachtung fast wörtlich. Der in den »Descriptions d’Egypte« abgedruckte Bericht von E.- F. Jomard (1777-1862) hebt nicht minder die beständigen Goldsuchen am Tell hervor, besonders aber die, die am Verehrungsfest des Abdallah56 stattfanden. Gehört auch dies als Moment der Wirklichkeitserfahrung in die Genealogie dieses Heiligen? Das dauerhafte Ergebnis der inneren kulturellen Erfahrung mit den »Tells« ist die immer wieder auftauchende Vorstellung von al-Kanz, dem Schatz des Tells, oder im Volksmund auch Gebel, Berg, genannt. In vielfältiger Gestalt taucht er in Volksgeschichten und Jugenderzählungen auf. Unerschlossen soll er da unten tief unter den Ruinen ruhen und die Hoffnung darauf, dass man ihn eines Tages bergen könnte oder das Rätsel darüber, ob man ihn nicht doch schon in der einen oder anderen Gestalt in den Händen hält, ist Gegenstand von Anekdoten und Legenden in den umliegenden Dörfern. Als ich 1995 an den Ort zurückkehrte war der Bau bereits renoviert: Der uralten Fellachen-»Qubba« wurde ein neuer Komplex übergestülpt. Aber erst 1999 ist das Maqam in seiner neuen Form fertig, es erscheint seitdem mit einem hoch gewölbten Kuppelbau. Über dem Grab selbst ist eine in moderner Glasverkleidung gehaltene Maqsûra (Trennwand) und ein dieses umgebendes Geländer aus Aluminium angebracht. Hinter dem Geländer steht eine große Schrifttafel mit einer den Heiligen betreffenden Zitatensammlung aus den alten islamischen Traditionswerken57. Den auf dieser Tafel festgehaltenen Texten werden wir uns noch weiter unten zuwenden. Rundum in die modern in Fliesen gefasste Wand sind die 99 Namen Gottes eingeschrieben. Oben an der Wand befindet sich eine Einweihungstafel mit dem Hinweis auf Präsident Husni Mubarak und die drei wichtigen für die
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Renovierung mitzeichnenden offiziellen Sufi-Orden: al-Burhaniyya, al-Shadhliyya und al-Disuqiyya. Maqam und Darih können als karg und bar jeder überflüssigen Verzierung bezeichnet werden. Der Raum selbst verfügt nicht über eines der in der Volkspraxis sonst üblichen reichlichen Schrifttafeln (birwâz oder auch tablû nach frz. tableau mit Namen Muhammads, der Shahâda etc.) oder anderer aus Dankbarkeit eingebrachter Gaben und Zeichen (nudhûr). Dem Maqam ist mit dem Umbau ein hohes neues Minarett beigegeben worden, das jetzt Dorf und Tell gleichermaßen überragt. Ihm vorgelagert und durch einen kleinen Zwischenhof getrennt war ein erkennbar auch als zawiya (Gebetsecke, Meditionshalle der Sufis) genutzter Moscheeraum. Verwaltungsmäßig untersteht dieses Maqam dem Ministerium für religiöse Angelegenheiten bzw. Stiftungen (awqâf) und seinen Lokalverwaltungen in Mansura. Damit sind die zum Unterhalt notwendigen Arbeiten und Mittel, die Gehälter der angestellten Wächter (khâdim, Diener) und des Imams, der in diesem Falle voll staatlich beamtet ist, wie in jeder staatlichen Verwaltungsstelle in einem Rechnungsbuch (sigill) festzuhalten und zu attestieren. Als der im Dorf jetzt vorherrschende Sufi-Orden (tarîqa) wird die alDandarawiyya genannt, eine von Abu al-Abbas al-Dandarawi (aus Basatin in Kairo) in jüngerer Zeit neu begründete Sufi-Bruderschaft. Nach dem einzigen uns vorliegenden Bericht von Sedgwick über diese Tariqa wäre die Tatsache ihrer Existenz in einem kleinen Delta-Dorf etwas Neues. Denn nach diesem Bericht handelt es sich bei dieser Tariqa um einen »Dritten Weg« zwischen Sufismus und Salafismus (fundamentalistischer oder puristischer Reformismus), der bisher offenbar nur im Sudan, in Oberägypten, in Kairo und in Beirut, und da vor allem in Intellektuellen-Zirkeln, Anhänger fand. Basatin und das Delta werden bei Sedgwick nicht erwähnt.58 Das große, allseits bis nach Mansura bekannte Fest, das Mawlid des Abdallah findet auch heute noch am 15. August statt, richtet sich also – wie die der großen Heiligen des Deltas, Sayyid al-Badawi und Ibrahim al-Disuqi – nach dem christlichen Kalender.59 Dies könnte darauf hindeuten, dass es sich um eine Umwidmung eines christlichen oder vorchristlichen Festes nach dem Sonnenkalender handelt. Doch ist auch dies ungewiss, denn – wie wir oben gesehen haben – das Festdatum richtete sich im Jahr 1800 noch nach dem islamischen Kalender. Als Khalifen bei der Prozession zur Beschließung des Mawlid werden zwei Dandarawi-Leute aus dem Dorf benannt. Erst auf Nachfrage wird uns bestätigt, dass jener Wali des Salamiyya/Aham-
58 | Sedgwick, The Primacy of the Milieu. 59 | Aus dem alten Mendes sind leider keine Festdaten bekannt.
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diyya-Ordens aus Waleela, der mich in seinem erscheinen bei meinem ersten Besuch so sehr bewegte, mit dem Namen Mahmud (Abu) Salam auch weiterhin als Khalif hier auftrete. Die Vorstellung, dass es sich im Ostdelta um ein altes, noch heute wirksames Netzwerk der Ahmadiyya handelt, und bei Abdallah um einen »Zuarbeiter« des Sayyid al-Badawi in Tanta ist durchaus nahe liegend aber nicht zwingend. Bei all der modernen Fachverwaltung des Maqams durch die Behörden der al-Azhar, die neuen Sufi-Tariqas und die Altertumsverwaltung bleibt die Frage nach den Wundern und der Kraft dieses Heiligen. Denn die produktive Kraft all dieser Einrichtungen bei der Restaurierung und Pflege des Maqams wäre vergeblich, wenn sie am Bild der effektiven Wunderkraft des Heiligen und seines Ortes daselbst rüttelten. Zwei Beobachtungen, die wie viele andere hier in der Bildbegleitung nicht wiedergegeben werden, können helfen, die ungebrochene kulturelle Produktivkraft dieses Heiligen zu verstehen. Man wird bereits bemerkt haben, dass der Begriff der kulturellen Produktivkraft, wie er hier gebraucht wird, sich in irgendeiner Weise auf die irrationale magische Anziehungskraft des Heiligen bezieht. Sie wird im Allgemeinen in der Hagiographie als Karamât, Wundergeschichten über die Kraft des Heiligen abgehandelt. Ich meine hier aber die Wunderproduktion unter dem Einschluss und mit der aktiven Beteiligung der Gläubigen. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich zwei Situationen kurz beschreiben, die anzeigen, dass hier auch unter den Bedingungen einer modernen Selbstbestimmung des Religiösen uralte Austauschbeziehungen eine neue Form finden und so erhalten werden können. Erstens handelt es sich um eine magharra (sich der Gefahr aussetzen) genannte rituelle Handlung von Frauen: Sechs, sieben Frauen kommen mit einem »Peugot« (Überlandtaxi) zum Maqam, lassen sich dort einen Platz am Tell zeigen, fahren dann mit dem Taxi weiter zu dieser Stelle, ein kleiner Hang am Tell. Sie steigen aus, eine junge Frau wird von den anderen Frauen der Gruppe beraten, dann legt sie sich oben am Hang auf den Boden, verschränkt die Hände im Nacken und lässt sich den kleinen Sandhang hinunter rollen. Nach mehreren solcher Übungen reinigt sie sich vom Sand, dann fährt die Gruppe zurück zum Maqam, wo man das Nachmittagsgebet (alasr) verrichtet und später um das Grab des Heiligen zieht, den tawâf (an der Kaaba) nachvollziehend. Dies ist einer der vielen Fruchtbarkeits-Riten, denen sich junge Frauen in Ägypten oft unterziehen, meist auch ohne religiösen oder islamischen Bezug. Die Art wie sie den Ritus hier durchführen, kommt dem religiösen Bedürfnis der Frauen nahe. Fast könnte man sagen, eine innere Verbindung der Kräfte des Tell mit denen des Heiligen wird hier hergestellt. Auch bei mehreren längeren Aufenthalten vor Ort, ja längerem Lagern im Maqam war mir die Existenz eines kleinen an die Grabkammer, darîh, anschließenden Raumes verborgen geblieben. Eine niedrige unauffällige und
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doch immer offene Tür führt in diesen leeren Raum, der nur etwa fünf Quadratmeter misst, mit Matten ausgelegt ist, über eine kleine Kuppel verfügt und über ein kleines, immer offenes, hoch oben in einer Außenwand eingelassenes, kreisrundes Fenster, das kaum mehr als 15 cm Durchmesser hat. Sonst gibt es in diesem Raum keine Lichtquelle. Durch Zufall entdecke ich diesen Raum, durch Zufall auch an einem Donnerstagnachmittag. Er wird als ghurfa al-sitt al-helwa, Kammer der Schönen Frau, bezeichnet. Ich werde von den Wächtern, einem Beamten und einer kleinen Gruppe von Leuten aus dem Dorf, darunter eine alte Frau, begleitet. Man sagt, es handele sich um das Maqam von Sulaikha (Zulaykha), der schönen Frau des Abdallah b. Salam. Andere sagen, nein, es handelt sich nicht um ihr Maqam, aber sie erscheint hier am Maqam ihres Mannes. Es geht auf den Maghreb zu, die Zeit des Gebets zum Sonnenuntergang. Man sagt, sie erscheine nur Donnerstags und Freitags vor dem Maghreb. Man müsse laut das islamische Bekenntnis rufen oder einzelne Namen Gottes oder des Propheten, dann erscheine sie. Und wirklich, nach einigen Versuchen löst sich aus dem diffusen Schattenspiel an der Wand gegenüber dem Fenster eine kleine Figur und wandert etwa einen Meter waagrecht über die Wand. Man begrüßt diese Bewegung mit lautem Erstaunen und Ausrufen religiöser Sprüche. Später lasse ich mir das Fenster von draußen zeigen. Ich kann die Möglichkeit einer Fremdeinwirkung nicht bestätigen, aber auch nicht ausschließen. Die Geschichte der Sulaikha, der schönen Frau, ist noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt interessant. Es wird erzählt, dass al-Husayn, der Sohn Alis des Schwiegersohns des Propheten, des religiösen Märtyrers und schiitischen Heiligen mit Sulaikha verheiratet war.60 Sie habe sich aber in Abdallah verliebt und Husain habe sie dem Abdallah als Frau überlassen. Das Motiv dieser Geschichte spielt offensichtlich auf die im Koran enthaltene biblische Geschichte von Joseph und Sulaikha an, die in vielen orientalischen Erzählungen oft in das Bild der schönen unglücklich liebenden Dichterin gewandelt wieder aufgenommen wird.61 Wir haben hier aber noch ein anderes zentrales Motiv biblischen Ursprungs (Buch Daniel, Kap. 13, mit vielen Beispielen in der europäischen Malerei vom 14. bis zum 18. Jahrhundert), das in ganz vielfältiger Form im Orient wanderte, ja, von dort aus nach Europa kam bis hin zu Giovanni Boccaccios Decamerone, in der Zehnten Geschichte des Dritten Tags. In wandelnden Formen hat man es immer mit der Geschichte von einem heiligen Mann, heiligen Männern, von zwei »Rabbinern«, zwei »Richtern«, zwei »Heiligen« und einer schönen Frau, der Susanna im Bade, oder auch Susanna in der Wüste zu tun. Für den arabisch-islami-
60 | Diese Geschichte ist m. W. nicht in der muslimischen Tradition belegt. 61 | Vgl. Koran, Sure 12, Verse 21 ff. s. a. Buch Suleika in Goethes West-östlicher Diwan.
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»I also remember being present another time in a village of Timai (Themouis) on the feast day of a local saint called Abd Allah Ibn Salam. I was shown a vaulted room where the saint and many others were believed to show themselves. The followers of the Sheikh might request that he appear. But many other saints might show themselves as shadows upside down at the top of the vault until at least the Sheikh himself appeared in a recognizable form. The appearance of these shadows was due to a single opening at the top of the vaulted room, through which were reflected the figures of those who passed outside.«65
62 | Pennacchietti, Susanna nel deserto, S. 25 f. 63 | Über die unsichere Quellenlage zu den einzelnen Geschichten des Wahb b. Munabbih ausführlich Khoury, Wahb b. Munabbih, S. 212 f. 64 | Zu altägyptischen Vorstellungen von Schatten und Seele vgl. die Dissertation von George, Zu der altägyptischen Vorstellung. 65 | Habachi, The Deified Governor, S. 15: »Ich erinnere mich auch daran, einmal im Dorf Timai (Themouis) beim Fest eines Lokalheiligen namens Abd Allah Ibn Salam dabei gewesen zu sein. Man zeigte mir einen gewölbten Raum, wo man glaubt, dass der Heilige und viele andere sich zeigen werden. Die Gefolgsleute des Scheich verlangen danach, dass er erscheint. Aber viele andere Scheiche konnten sich als Schatten von oben nach unten auf der Höhe des Gewölbes zeigen, bis schließlich der Scheich selbst in einer erkennbaren Form erschien. Die Erscheinung dieser Schatten wurde von einer einzigen Öffnung auf der Höhe des gewölbten Raums verursacht, durch diese Öffnung wurden die Figuren reflektiert, die draußen vorbeigingen«. (Übers. G.S.)
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schen Zug dieser Geschichte ist, worauf uns Fabrizio Pennacchietti hinweist, kein anderer als der jüngere Zeitgenosse und als Perser im Yemen ebenfalls zum Islam konvertierte, und wie Abdallah für die Überlieferung biblischer Erzählungen wichtige Wahb b. al-Munabbih (654-728)62 zuständig. Es sei hier nur nebenbei angemerkt, dass offensichtlich viele Geschichten des Wahb eine Art Urvaterschaft in Abdallah b. Salam und Kab al-Ahbar haben.63 Man ist bei dem Schattenwandern der Sulaikha, der schönen Frau zwischen zwei Heiligen, jedoch auch an die Wirkung der altägyptischen Tradition (wollte man Platon einbeziehen, so müsste man sicher allgemein von einer alt-antiken Vorstellung sprechen) erinnert. Das Schattenwandern gilt hier als eine Form der Seelenwanderung. Es würde uns zu weit führen, dieser Stelle die vielen Beispiele der Übertragung solcher alten Vorstellungen in das menschliche Denken der modernen ägyptischen Lokalkultur zu erläutern.64 Ich will mich mit dem Hinweis auf eine Beobachtung des ägyptischen Archäologen und Ägyptologen Labib Habachi aus dem Jahre 1956 begnügen. Schon damals scheint das Schattenspiel am Maqam eine besondere Form des Erspürens der Präsens des Heiligen gewesen zu sein:
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Wir können es dahingestellt sein lassen, ob dieser Laterna Magica-Effekt auch in unserem Falle so eingesetzt wurde. Sicher ist, dass die »Stube der schönen Frau« Teil des Neubaus aus den 1990er Jahren ist, der im Jahre 1956 so noch nicht bestehen konnte. Man darf also annehmen, dass der alte Raum, von dem Habachi spricht, bei dem Neubau und der Renovierung des Maqams wieder errichtet wurde. Vor dem Fenster draußen stehen heute einige junge Eukalyptusbäume. Obwohl man verneint, dass das Wedeln der Blätter des Baumes unmittelbar ursächlich für die Schattenspiele sein könnte, sei hier doch angemerkt, dass auch beim Schattenspiel uralter Bäume, die Vorstellung von der im Baum lebenden Seele des Heiligen ein aus der antiken Welt heraufgekommener Topos ist.66
3.2 Ort zwei: Barq al-Izz bei Mansura Das Maqam des Abdallah b. Salam in Barq al-Izz, Daqahliyya, liegt 30 km weiter nördlich von Kafr al-Amir (Mendes/Thmuis). Barq al-Izz ist ein kleiner Flecken etwa 6-7 km vor Mansura auf der Straße aus Richtung Dikirnis kommend rechts. Das Maqam des Abdallah steht hinter dem Dorfplatz (gurn) im Zentrum inmitten des angrenzenden Friedhofs. Es sieht hier aus wie das Grab eines unbedeutenden Fellachen-Walis. Man hat solche Maqame am Friedhof meist für unbedeutende Heilige in kleinen Dörfern, auch in Oberägypten, wo das Maqam des Scheichs noch zum konventionellen Zentrum der dörflichen Gesellschaft gehörte. Hier sind es die leuchtenden Farben, die sofort auffallen. Die Kuppel ist in strahlendem Grün/Türkis gehalten, der runde Unterbau tief rotbraun, die nach hinten liegende Eingangsfront tief blau. Das Maqam steht unter einem riesigen Eukalyptus-Baum (Kâfûr) und sticht als Teil des Dorf-Zentrums sofort ins Auge. Dies ist eine – trotz allem – sehr geschützte Lage, die es deutlich von den beiden anderen Maqamen unterscheidet: Es erscheint ein von den Wirrnissen des islamistischen Umbruchs im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts unbeschädigtes Grabmal und – man möchte fast sagen – ein ganz in den Händen der lokalen Gestaltung belassener Heiligentyp. Man sieht an Form und Farben, dass es sich um eine traditionale »Fellachen«-Qubba handelt, selbsttätig im Dorf von Familien und Tariqas unterhalten. Möglicherweise handelt es sich um einen einst durch das Engagement einer Familie und von Tariqa-Mitgliedern er-
66 | »Aber in den Provinzen Ägyptens sind solche Bäume häufig diejenigen, welche ein Heiligengrab beschatten«. Meyerhof, Beiträge zum Volksheilglauben, S. 337; vgl. a. Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 276 ff.; Blackman, Some Social and Religious Customs; Blackman; The Fellahin, S. 248; Ghallab, Les Survivances de lEgypte antique, passim.
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stellten Kuppel-Bau. Diese ersten Vermutungen haben sich im Laufe der Besuche am Ort bestätigt. All dies weist auf eine gegenüber dem öffentlichen Verwaltungstyp abweichende Organisationsform hin. Man nennt diesen Typ ahâli (Gemeinschafts-, Volks-bezogen) und stellt ihn dem hukûma-Typ (Regierungs-bezogen) gegenüber. Dennoch wäre man falsch beraten, wenn man glaubte, das nach dem ahâli-Typ unterhaltene Maqam als Regierungs-frei bezeichnen zu können. Es handelt sich nur – wie wir weiter unten noch deutlicher sehen werden – um eine andere lockerere Verwaltungsform: khâdim und ghafîr (Wächter in einem religiösen Sinne und Wächter im Sinne von Schließer) werden als Angestellte des Kulturministeriums mit der für religiöse Denkmäler zuständigen Abteilung geführt und bezahlt. Dagegen werden die Mittel für Unterhalt und Instandhaltung des Maqams meist ausschließlich durch Spenden von Mitgliedern der Familie des khâdim und der führenden Tariqa, dem Sufi-Orden, aufgebracht. Einen nur für das Maqam zuständigen Imam gibt es nicht. Es wäre auch in diesem Falle unangebracht, da eine Moschee nicht angebaut ist. Das Maqam ist gerade in Hinsicht darauf, dass es kein offener islamischer Gebetsplatz ist, und deshalb Regelgebete hier nicht abgehalten werden, von der Moschee zu unterscheiden. Um es deutlicher zu sagen, es handelt sich, indirekt auch wegen des Götzendienstverbots natürlich, um zwei verschiedene religiöse Welten. Dies ist nur äußerlich ein Widerspruch, Muslime können damit im Allgemeinen gut auskommen. In politisch-religiösen Konfliktzeiten ist dieser Widerspruch aber auch immer Anlass für Zweifel und Streit. Es werden dann neue Grenzen gezogen, der Begriff der Religion verschiebt sich und mit ihm die alten Allianzen und Gruppen im Dorf. Unser erstes Erscheinen (mit all den Geräten des Fotografen) verwandelte die Szene auf dem Dorfplatz sofort in einen Imaginationsraum mit intensivem Austausch der Blicke, wobei unsere eigene Neugier mit der der Einheimischen schnell in Konkurrenz gerät. Es entstand Bewegung unter den verstreut auf dem Dorfplatz herumstehenden Männern. Der alte Grabwächter war schnell zur Stelle. Aber er war nicht bereit, ohne höhere Erlaubnis das Maqam zu öffnen. Nun kamen auch einige jüngere Männer hinzu, die sich für unser Erscheinen und Begehren interessierten. Sie waren aber sehr ablehnend. Irgendwann fiel ein Wort eines etwa 35-Jährigen: Die sind nur daran interessiert, unseren Glauben herabzuwürdigen. Es fiel das Wort shubha, also in etwa: sie wollen Zweifel an unserer Religion nähren oder sie zur Obskurität machen. Es bedarf im Falle solcher Bedenken viel Bereitschaft zur Diskussion und Argumentation, zur Überzeugungsarbeit und vor allem auch der Offenheit. Unsere Darstellung, dass es uns nicht nur um diesen Heiligen, sondern um den Vergleich mit anderen geht, ja, dass unsere Arbeit in der Tat von einer Anteilnahme an dieser Form der Lokalkultur und ihrer Kreativität
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geprägt ist, wurde angenommen. Wir gingen sachlich auf die Gruppe von jungen Leuten ein, die uns mit Fragen überhäuften: Welche Forschung? Nur Abdallah b. Salam? Warum ausgerechnet den? Es ist erstaunlich, wie sehr uns dabei der Umstand zu Hilfe kam, auf einige der Abdallah b. Salam betreffenden Traditionen hinweisen zu können. Im Gegensatz zur skeptischen Generation der Jüngeren standen die älteren Honoratioren unserem Unternehmen von Anfang an sehr geneigt gegenüber. Der Ortspolizist kam. Der Shaykh al-ghafar (Vorsteher der dörflichen zivilen »Polizei«, eigentlich Wächter und immer Stellvertreter des Umda [Bürgermeister]) und einige ältere Männer wurden uns vorgestellt. Nach einiger Zeit erschien auch wieder der 35-Jährige in neuer Galabiyya aufgeputzt und mit einer Sibha (Gebetskranz) ausgestattet. Das Maqam wird geöffnet. Die Fragen bleiben die gleichen. Erst meine nochmaligen Interventionen über die persönliche Geschichte und die Bedeutung des Abdallah b. Salâm für den frühen Islam und die demonstrativen Hinweise auf die islamischen Quellen lösen die Spannung. Auch der 35-Jährige wurde schließlich freundlich. Die Zweifler, die jetzt noch über »Interpretation« streiten wollten, werden auf die Quellentexte verwiesen, mit der Bitte, sie sollten sie lesen. Der 35-Jährige verschwindet. Es erscheint der Sohn des alten, verstorbenen Maqam-Pflegers, dessen Bild in einer Ecke im Grabraum (darih) hängt. Der Shaykh al-ghafar (der Scheich der zivilen Wächter) und sichtbar ein Dorfnotabeler lobte den jungen Mann und stellte ihn als den Khalifen (Vorreiter des Umzugs) bei dem Mawlid, dem Fest des Abdallah hier im Dorf vor. Der junge Mann ist sehr freundlich und herzlich, und er bestätigte, dass seine Familie sich vornehmlich um die Pflege des Maqams kümmert. Nun wird das Ganze fast zu einer herzlichen Privatsache unter Sufis. Ein älterer Mann wird als zur Rifâiyya, einer der ältesten Sufi-Orden, gehörig vorgestellt. Wir machen uns über die schwierigen ekstatischen Übungen, denen sich die Rifâiyya unterzieht, ein bisschen lustig und spielen uns gegenseitig die »Messer in der Brust« vor, eine Aufmachung in der sich auch heute noch einzelne Rifâîs bei der Zaffa des Mawlid zeigen. Das Mawlid ist hier am 25. Juli, richtet sich also ebenfalls nach dem Sonnenkalender und liegt – wie betont wird – zeitlich vor der des »al-Amir« (am Tell Thmuis)67, an der man auch teilnimmt. Alle Tariqas sind bei der Zaffa vertreten und »alle kommen aus allen Dörfern« (kullu nâs min kulli bilâd). In unserer Auseinandersetzung über den Zugang zum Maqam gab es ganz offen zwei Parteien: diejenigen, die uns den Zutritt zum Maqam verweigern wollten, und diejenigen, denen wir willkommen waren. Die »Ver-
67 | Vgl. o. Maqam I, S. 42.
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weigerer« gehörten offensichtlich zu einer Gruppe puristischer Islamisten, zur reformistischen »Salafiyya«-Fraktion. Die uns willkommen heißende Gruppe, mit Ausnahme des jungen Mannes aus der Familie des Maqam-Besitzers allesamt ältere Männer, könnte man die »Mawlid-Fraktion« nennen, die weitgehend immer auch die traditionalistische Sufi-Fraktion ist. Interessant ist dabei natürlich, dass beide Parteien, die Puristen und die traditionalen Sufis, sich durchaus der Brisanz des Themas »Abdallah b. Salam« bewusst waren. Fast schien es, als wären die Fronten im Kampf über die Akzeptanz des Heiligen schon einmal abgesteckt worden. Das Auftreten der Fremden hatte offenbar nur die Wirkung, längst gekennzeichnete Fronten zu aktualisieren. Es war aber auch ganz deutlich zu erkennen, dass für die Traditionalisten, wenn wir sie einmal so nennen können, die »Ehre« und der Wert des Platzes und die Anerkennung des Ortes durch die Fremden viel wichtiger war als der ideologische Disput über wahre Religion. Eine Textzusammenstellung über die den Heiligen betreffenden Hadithe gibt es in diesem Maqam nicht. Obwohl es innen und außen liebevoll neu gestrichen ist, wurde von jeglicher baulicher Erneuerung abgesehen. Es gibt keine Spuren eines Einflusses der Salafi-Reformisten oder neuerer, eventuell staatlich beeinflusster baulicher Maßnahmen. Die konventionelle quadratische Holz- oder Messingvergitterung (maqsûra), sonst bei Maqamen großer Heiliger üblich, gibt es nicht. So steht der Sarg (qabr) mitten in der Grabkammer (darîh), hat auch keine Stellwand um sich, sondern ist nur mit Tuchfahnen aus grünem Samt (kiswat) überdeckt. Diese Tücher sind reichlich und liebevoll mit Koranversen bestickt. Man zeigt uns die hier wiedergegebenen Koranverse, die sich nach der späteren Überlieferung auf Abdallah b. Salam beziehen sollen. Auch sonst lassen sich viele kleine Zeichen der Dankbarkeit im Maqam finden. Hier werden weiterhin die Devotionalien, eigentlich Schwurgaben (nudhûr), in ganz traditioneller Weise angebracht und gezeigt. Jeder Hinweis auf pharaonische Relikte fehlt in der Umgebung des Dorfes. Eine gegenüber dem Maqam I vergleichbare Erklärung dafür, warum Abdallah b. Salam gerade hier in diesem Dorf ein Maqam hat, gibt es – jedenfalls in diesem Stadium der Erkundungen – nicht. Bei unseren späteren Besuchen erfahren wir, dass der freundliche junge Mann der jüngere Bruder des heutigen Besitzers des Maqams ist. Wir besuchen ihn in seinem Haus und erfahren die Geschichte des Maqams: Es soll sich hier ursprünglich um eine ganz kleine, nicht mehr als einen Meter hohe Kuppel (qubba) gehandelt haben, die an einem später verlegten Kanal (mashrû) auf dem Land der Familie stand. Das Land war nach einer allgemein unter Fellachen und Beduinen üblichen Form der Nutzung unter der bis ins 19. Jahrhundert gegebenen Bedingung des staatlichen Eigentums an Grund und Boden in Familienbesitz. Man nennt diese Form wad al-yad (wörtlich: Auflegung der Hand), d. h. eigentlich privat in Besitz genommenes öffentliches Land. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging diese Form des
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Besitzes in privates Eigentum über.68 So wurden Grund und Maqam, der offene Platz (gurn – früher Dreschplatz) und der dahin reichende Teil des Friedhofs (maqbara) mit eingeschlossen und in Privateigentum (milk khâss) umgewandelt. Der damalige Gründer und Besitzer war der Ur-Ur-Großvater unseres Gastgebers mit dem Namen Ibrahim al-Zihayri. Er erbaute das Maqam in seiner jetzigen Form etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Unser Gastgeber ist der heutige Ibrahim al-Zihayri, und er ist der erste in der Familie Zihayri, der eine formale Ausbildung an der al-Azhar al-Sharîf in Mansura in den Ulûm al-Dîn und Dawa (theologische Wissenschaften und Mission) genossen hat. Er ist heute der Imâm wa-khâtib al-awqâf (beim Ministerium für religiöse Stiftungen angestellter Imam und Prediger an einer nach Abdallah b. Salam benannten Moschee am anderen Ende des Dorfes). Das Maqam aber blieb im Privatbesitz (ahâli seiner Verwaltung nach) und ist nur bei der in der Kairoer Rifâî-Moschee angesiedelten Zentralen Kommission der Sufi-Orden in Ägypten (al-Majlis al-Alâ li-l-Turuq al-Sûfiyya) registriert. Er selbst ist zugleich Scheich und Führer der lokalen Tariqa al-Ahmadiyya al-Gawhariyya. Es wird in dem Gespräch nicht deutlich, ob es sich bei der alten Qubba am Kanal dem Namen nach schon um ein Maqam des Abdallah b. Salam gehandelt hat. Wichtig scheint mir in dieser Hinsicht aber der Hinweis unseres Gastgebers, dass man schon damals beim Bau des neuen Maqams sich hinsichtlich der Termine für das Mawlid – das Fest des Abdallah – mit den Leuten in al-Amir Abdallah b. Salam (Tell von Thmuis, Maqam I) abgesprochen habe. Auch heute noch werde die Festlegung der endgültigen Daten (grob zwischen Mitte Juli und Anfang August in Barq al-Izz und die zweite Augusthälfte in Kafr al-Amir) über eine Art Kuriersystem gemeinsam vereinbart. Aus dieser Sicht haben wir es mit einem, wenn auch vom Zeitpunkt des Mawlid her vordatierten – wenn auch nachgeborenen und deshalb kleineren – Zwillingsbruder des Abdallah am Tell von Thmuis in Kafr alAmir (Ort eins) zu tun. In dem langen Gespräch mit dem Imam von Barq al-Izz werden immer wieder Fragen der Kontrolle von Auswüchsen und Ordnungsregelungen angesprochen. Zwangsläufig bleibt viel von der Vorbereitungsarbeit zur Mawlid den Augen der Öffentlichkeit verborgen. Es ist klar, dass die Termine, wenn sie vereinbart sind, von den Behörden genehmigt werden müssen. Dabei werden auch die Regeln für das Aufstellen der Stände und Zelte der einzelnen Orden (tarîqas) abgesprochen sowie Maßnahmen zur Verhaltensregelung. Zum Beispiel begegnete der Imam bei den Mawlids der letzten Jahre dem Ordnungsverlangen der Behörde dadurch, dass er auf dem Gurn (Dorfplatz) ein großes Zelt errichten ließ, wo das Gemeinschafts-Dhikr der
68 | Zur Transformation des Grundeigentums im Ägypten des 19. Jahrhunderts vgl. Baer, History of Landownership; vgl. a. Stauth, Die Fellachen, S. 43-76.
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3.3 Ort drei: Manzala-See bei Matariyya (»Tell Tuna«) Das dritte Maqam des Abdallah b. Salam liegt auf einem großen rotbraunen Tell etwa 7 km vor Matariyya auf einer Insel (Gezîra) im Manzala-See. Wir befinden uns noch, wie bei den beiden anderen Orten, in der Provinz Daqahliyya, die sich an der Ostseite des östlichen Hauptarms des Nil, dem Damiette-Arm, entlang von al-Qantara nach Nordosten über Sinbelawin und Mansura bis zum Mittelmeer hinzieht. Man mag hierin eine sich in Teilen mit dem alten Gau von Mendes, dem mit Vorläufern bis in die alte dynastische Zeit belegten Gau XVI der Ptolemäerzeit (ehemals Fischgau), deckende Landschaft erkennen.70 Wenn wir den historischen Geographen glauben können, handelt es sich bei dem Manzala-See (wie im Mariut, Edku und Burullus) um
69 | Vgl. hierzu auch Schielke, On Snacks and Saints. 70 | Steindorf, Die ägypischen Gaue, n. Prell, Zu den paläographischen Gegebenheiten, S. 16.
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Tariqas (hadra) abgehalten wird. Die unterschiedlichen sufitischen Mentalitäten zwischen ekstatischem Tanz und Meditation sollen so zusammengeführt, Auswüchse verhindert werden.69 Solche Hadras werden bei dem Mawlid im Großen durchgeführt. Sonst aber gibt es sie auch jeden Donnerstag und Freitag auf der kleinen Fläche unter dem Kafur-Baum vor dem Maqam. Es bleibt die Frage, warum das alte Maqam mit der wunderschönen Kuppel nicht einem Neubau gewichen ist. Ich erhalte eine sehr deutliche Antwort: Es gab intensive Versuche von einzelnen Gruppen im Dorf und von außerhalb, von Interessierten und von den Behörden, das Maqam selbst in öffentliches Eigentum zu verwandeln. Äußerlich ging es zunächst um den Plan, eine Moschee anzubauen und das Maqam zu erneuern. Als Eigentümer hatte al-Zihayri andere Interessen: Erstens gab es ja schon die nach Abdallah b. Salam benannte Moschee in einem anderen Teil des Dorfes, deren Imam er ist. Zweitens wollte er den Platz auf dem Friedhof mit dem alten Maqam erhalten und den Bau seiner Väter nicht verunstaltet sehen. Das sagte er so ganz deutlich mit einem Pragmatismus, aus dem eher der SufiBruder als der orthodoxe Imam spricht. Hier also im ungebrochenen Engagement und in der – gegenüber altem Brauch und ständiger Kritik ausgesetztem Stil der Heiligenverehrung und des Maqams gezeigten – Weltoffenheit eines modernen Imams und Sufi-Führers ist der Schlüssel für das in dieser Form heute noch erhaltene Maqam zu finden. Es erklärt aber auch, warum wir bei unserem ersten Besuch in eine so heftig diskutierende islamische Öffentlichkeit geraten waren. Als ich ihm sagte, dass nun der Schlüssel für meine erste Konflikterfahrung am Maqam gefunden sei, stimmte er lachend zu.
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einen durch den ständigen Anstieg des Mittelmeers sich bildenden Brackwassersee, dessen Neubildung durch einen unvermittelten Einbruch des Mittelmeers um das Jahr 961 n. Chr. verursacht wurde.71 Dies würde in der Tat jene Vorstellung eines meiner Informanten bestärken, der vom Tell des Ibn Salam – wie er ihn nennt – als von einer »römischen« (»rômanî«, er kann das leicht mit »rûmî« – meint im Deutschen byzantinisch – verwechseln) Stadt spricht, die vom steigenden Wasser zerstört wurde. Allerdings ist der Name des riesigen Tells – unser Informant spricht von einer Grundfläche von 65 000 Feddan – wie überhaupt die Lage insgesamt vor Ort und in der Literatur sehr unbestimmt. Die sehr widersprüchlichen Berichte scheinen irreführend, doch führen sie auf einen Punkt hin, der unsere These, dass es sich hier um einen weiteren nachgeborenen Bruder des Abdallah b. Salam vom Tell Thmuis (Ort Eins) handelt, zu stützen scheint. Wir verfügen über einen Bericht, nach dem in der Nähe eines Maqams des Abdallah b. Salam, Jean Yoyotte – ein für die Ausgrabungen koptischer Orte bekannter Archäologe – auf einem Tell der Insel »Tuna« im Manzala-See im Grundriss den Kreuzgang einer christlichen Kirche erkannt haben soll.72 Das könnte zumindest die ungewöhnliche Anlage des Grundrisses des heutigen Maqams des Abdallah b. Salam erklären: Es ist nicht quadratisch, sondern quasi rechteckig mit offensichtlich ursprünglich zwei Flügeln nach Süden und nach Norden angelegt. Den alten, nach Norden weisenden Flügel, kann man heute nur noch schwer erkennen. Offensichtlich steht hierauf an dem einzigen Eingang von Norden her die jüngst vorgebaute Moschee. Nach Martin gab es auf Tuna im Manzala-See ein Kloster, das zerstört wurde.73 Christen der Stadt Matariyya sollen sich noch heute dort »autours de ce tombeau musulman tré vénéré« begraben lassen.74 Danach wäre in der Tat »Tell Tuna« mit dem heute von den Bootsleuten so genannten Tell Ibn Salam identisch.75 Die christlichen Gräber sind allerdings in der Minderheit: Mir wurden nur drei christliche Gräber gezeigt, die außerdem noch von vielen muslimischen Gräbern umgeben sind. Mein muslimischer Informant kennt erstaunlicherweise noch die Namen einzelner Christen und in etwa auch die Zeit ihres Begräbnisses: Die Gräber sind alle nicht älter als 15 Jahre und doch sehr verfallen. Die Gräber selbst sind nur nach der Anordnung der
71 | Butzer, Studien, S. 76, n. Prell, Zu den paläographischen Gegebenheiten, S. 2. 72 | Mayeur-Jaouen, Al-Sayyid al-Badawi, S. 262. 73 | Martin, Le Delta Chrétien, S. 193. 74 | Mayeur-Jaouen, Al-Sayyid al-Badawi, S. 262: »um dieses muslimische sehr verehrte Grabmal«. 75 | Dies wird indirekt auch von Bietak bestätigt, vgl. Bietak, Tell el Daba II, Plan 4. Dort werden T(ell) Tuna, K(afr) Ibn Salam und T(ell) Abdalla als Lokalnamen geführt.
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76 | Doch verzeichnet, wie gesagt, Bietak den Namen sehr wohl. 77 | Vgl. a. Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 166/7. 78 | Bietak hält hier christliche Besiedlung für möglich, vgl. Bietak, Tell el Daba II, S. 92, Anm. 334. 79 | Bei Kosack heißt es, Tell Tennis ist als unbestimmbare Bischofsstadt angezeigt: »die Stadt, die heute als Insel im Manzala-See in Ruinen liegt, lieferte im Arabischen Mittelalter eine bestimmte Sorte von Bällen, die für ein dort entwickeltes Spiel gebraucht wurden: die Tennis-Bälle«, »Tuna« gibt es danach nur am Burullus-See. Kosack, Historisches Kartenwerk, S. 93, S. 95 s. a. Karte des Mittelalterlichen Ägypten, Blatt 1.
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Kopfrichtung (Südwest die Muslime; Nordwest die Christen) zu unterscheiden. Der Name »Tuna« ist unter den Muslimen im Fischerhafen von Matariyya nicht bekannt und auch mein Informant kennt eine Insel mit dem Namen »Tuna« nicht76. Auch dies ist eine Wirklichkeitslage vor Ort. Das Maqam des Abdallah b. Salam dagegen ist allen sofort bekannt. Matariyya und sein Hafen stellen vieles in den Schatten, was man an ägyptischer Naturalökonomie gewöhnt ist. Wir kommen zum Mittagsgebet an. Es ist schwer, in diesen Augenblicken des unverhofften Eindringens in eine fremde Umgebung ohne vorherige Kontaktaufnahme einen Ansatzpunkt zu finden. Die ersten Gespräche in einer Hütte im Hafen unter Fischern sind wenig ermutigend. Man kennt zwar das Maqam des Abdallah, aber niemand will uns hinüberfahren. Bis wir schließlich nach langem Feilschen den Besitzer eines der schnellen Fischerboote zur Überfahrt bewegen können. Wie wir erst viel später herausfinden, gibt es einen Fährbetrieb zwischen Matariyya und Port Said. Die Fähren fahren an zwei Orten vorbei: Erstens ein Ort Tinnis mit alten Artfakten in der Nähe von Port Said77, der von Matariyya aus mit der Bootfähre etwa 2 Stunden entfernt liegt. Von Port Said aus ist er in nicht ganz einer Stunde zu erreichen. Ein riesiger Tell von etwa 18.000 Feddan, an dem französische Archäologen begonnen haben, einzelne Grundgemäuer freizulegen. Die offenen kleinen Backsteingewölbe deuten eher auf Mittelalter als auf Antike hin78. Alte religiöse Orte lassen sich hier nicht nachweisen. Es gibt auch keine islamischen Gebäude hier. Anzeichen für aktuelle, laufende Grabungsarbeiten gibt es auch nicht. Mit »Tuna« kann aber nicht »Tinnis« gemeint sein.79 Zweitens, der stumm und brach im See liegende Tell, an dessen Nordende das Maqam des Abdallah b. Salam zu finden ist. Er ist in nur 15 Minuten mit dem schnellen Motorboot von Matariyya aus zu erreichen (man braucht aber fast eine Stunde mit der Bootsfähre). Wie bereits gesagt, unter den Leuten von Matariyya heißt dieser Tell »Tell Ibn Salam«, das schließt natürlich nicht aus, dass die Kopten diesen Ort auch weiterhin »Tell Tuna« nennen.
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Bei der Ankunft am Maqam des Abdallah fühlen wir uns, trotz aller evidenten Unterschiede im Äußeren, durch die Lage am Wasser und durch die Abseitslage von der Stadt, an das Maqam eines ganz anderen Heiligen in der Meerzone des Deltas erinnert, an das Maqam des Abu Mandur bei Rosetta.80 Es handelt sich hier wie dort um (heute oft lokal-touristische) Außenposten am Wasser für Fest- und Wallfahrtstage. Man möchte fast von den Himmelsseglern am Mittelmeer sprechen. Catherine Mayeur-Jaouen hebt richtig hervor, dass es sich hier um ein ganz eigenes Genre der sich an der Grenze zwischen Land und Meer bewegenden Heiligen handelt: Dies sind ursprünglich die Gebets- und Wallfahrtsorte von Fischern und Seeleuten.81 Aus europäischer Sicht könnte man versucht sein, die schwebenden Kuppeln fälschlich für heilige Wachten am andern Ufer des Mittelmeers zu halten. Der Reisende wird etwa auf halbem Seeweg zwischen Matariyya und Port Said der im See schimmernde Kuppel des Abu l-Waffar, ebenfalls eines Festtags-Heiligen der Fischer, gewahr, und gleich wird berichtet, dass sich auf der See-Seite von Dumyat ein weiterer Heiliger im See befindet: Abu l-Hasan. Uns aber interessiert nur das Maqam des Abdallah, das einsam und verlassen im Manzala-See liegt und aus dem, wie eine Mondlandschaft, der über Schilf und Wasser liegende Tell herausragt. Von der Antike ist an diesem Tell nichts als eine durch die Überschwemmungen fest gewordene, rotbraune Erdfläche zu sehen. Es gibt hier auch keine Zeichen von archäologischem Interesse, keine Spuren von Ausgrabungen. Wenn wir auch sonst keine Nachrichten von diesem Ort haben, so ist der Bericht des William Richard Hamilton über eine Bootsfahrt im Februar 1802 von Matariyya über den Manzala-See nach San, offenbar San al-Hagar, das alte Tanis, sehr bezeichnend: »From Matarieh we sailed the next morning towards the canal of Moes, here called Meshrahh, for the purpose of visiting the ruins of San. We soon got into the channel of this canal, the old Tanitic branch, which we perceived by the greater depth and current of the water. It flows into the lake about ten miles South-by-East of Matarieh. We observed to the left a mount, like those of ancient cities, called Tell-et-May, but the water which surrounded it on all sides prevented our approaching it on foot, and there was not a sufficient depth of it for us to reach it in our boat.«82
80 | Stauth, Der Drang zum Heiligen. 81 | Mayeur-Jaouen, Al-Sayyid al-Badawi, S. 434. 82 | de Meulenaere, Mendes II, S. 51: »Am nächsten Moregn segelten wir von Matariyya aus nach dem Kanal von Moes, der hier ›Meshrahh‹ – lies mashrû, G.S. – genannt wird, um die Ruinen von San zu besuchen. Wir gelangten bald in den Seitenkanal dieses alten Tanitischen Nilzweigs, den wir durch größere Tiefe und stärkere Strömung ausmachen konnten. Er strömt
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»It is probable that the error of Leake (der zur Begleitung des oben erwähnten Hamilton gehörte, G.S.) as to Tel Et Tmai which he places here arises from the similarity and that the mound he mentions should be called Tel el Mái (Tell des Wassers G.S.). It is a spot of such insignificance that I could not see or find it. The boatmen did not know it neither did the Sheykh or leading people of Matareeah but all referred me to the great ›Tell Et Tmai‹ to S.E. of Mansoora which I was highly gratified in afterwards visiting.«83
Wenn mit Tel el Mái jener von den Franzosen »Tuna« genannte Hügel gemeint ist, so muss es sich um den von uns erreichten Tell handeln, an dessen nordwestlichem Ende heute das Maqam des Abdallah aus dem See ragt, das dritte in Daqahliyya gefundene. Auf diese Weise erfahren wir aber, dass es damals ganz zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Maqam des Abdallah dort noch nicht gab, sonst wäre es, so müsste man bei dieser herausragenden Position annehmen, entsprechend vermerkt worden. Dies würde den Behauptungen der lokalen Informanten widersprechen, die von einem uralten Maqam vor Ort ausgehen. Im vorliegenden Bericht mit seiner fiktionalen Beobachter- und Außenseiter-Perspektive ergibt sich allerdings ein produktiver, wenn auch spekulativer Bezug zum Maqam I. Der Tell von Thmuis wird in Hinsicht auf seine höhere archäologische Bedeutung erwähnt. Können solche fiktiven Bezugsplatzierungen zu Aktualisierungen und Verwirklichungen des Bezugs
etwa 10 Meilen südöstlich von Matariyya in den See. Wir konnten links einen Hügel beobachten, der denen der antiken Städte gleicht. Er heißt Tell-et-May. Aber wir wurden durch das ihn von allen Seiten umgebende Wasser daran gehindert, ihn zu Fuß zu erreichen. Das Wasser hatte andererseits zu wenig Tiefe, um es im Boot erreichen zu können.« (Übers. G.S.) 83 | de Meulenaere, Mendes II, S. 74: »Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Fehler von Leake in Bezug auf Tel et Tmai, den er hier ansiedelt (in der Nähe von Matariyya, G.S.), von der Ähnlichkeit herrührt und dass der Tel, den er erwähnt, eigentlich Tel el-Mái heißen sollte. Es ist ein Ort von solcher Bedeutungslosigkeit, dass ich ihn weder sehen noch finden konnte. Die Bootsleute kannten ihn auch nicht, so auch nicht der Shaykh und die führenden Leute von Matariyya. Alle wiesen mich nur auf den großen ›Tel Et Tmai‹ im Südosten von Mansura hin, dem ich später einen sehr lohnenden Besuch abstattete.« (Übers. G.S.)
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Es kann sich bei dem gegebenen Ausgangspunkt und der Orientierung an San al-Hagar hier kaum um den Tell Thmuis handeln, wie andererseits die gegebene Bezeichnung »Tell et-May« nahe legen würde. Es liegt hier – wie so oft in Ägypten – ein Verwirrspiel mit unterschiedlichen Orten und Ortsnamen vor. Kaum zu glauben, dass es Abdallah b. Salam ist, der dieses Verwirrspiel auslösen konnte. Und doch muss hier auch die folgende Beobachtung des englischen Ägyptologen James Burton, der den »Tell et Tmai« am 17.-18. August 1828 bereiste, wiedergegeben werden:
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am »Ort« führen? Mein Informant am Tell – Vater und Sohn, die hier in eins verschmelzen – behaupten Tinnis sei Tanis und der Tell, den sie Tell Ibn Abdallah nennen, habe zu Tanis gehört, wie andererseits alle Leute am Tell von Tinnis das Wort auf der zweiten Silbe betonen und es wie Tnis aussprechen. Auch solche obskuren, lokalen Vorstellungen ließen sich, wie etwa bei Amélineau, durch dessen Mischungen der Namen Touna, Tounis, Tinis, Tanis etc. in der Literatur belegen.84 Orts- und Namensverwirrungen sind also nicht selten. Es scheint mir die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass das Maqam des Abdallah bei Matariyya erst später, etwa Mitte des 19. Jahrhunderts hier entstand und dass es sich auch hier – wenn auch unter ganz anderen Bedingungen – ebenfalls um einen nachgeborenen »Bruder«, ja, man müsste jetzt sagen, um einen »Drillings-Ort« handelt. Das Maqam selbst teilt sich in zwei Teile, einen alten etwas verwitterten hohen Kuppelbau im osmanischen Stil und eine neue schlecht und hässlich vorgebaute »Moschee«, die sehr nach islamistischer Sprödheit und lokalem »Eigenbau« aussieht. Durch die hausgemachte Architektur und Art der Fertigung ist von Anfang an klar, dass der Moschee-Anbau nicht unter Aufsicht des Ministeriums für religiöse Stiftungen (Awqâf) geschaffen wurde. Die puristische und zugleich wenig professionelle Bauweise macht den Bau fast zum Zeugnis gegen den dahinter liegenden Heiligen und seinen auf altem Ort errichteten Kuppelbau. Dieser, das Maqam des Abdallah beherbergende Teil, ist uns zunächst denn auch verschlossen. Wir müssen durch die Gitter der Tür einen kurzen Blick auf die vielen über der sehr alten »Maqsûra«, hier noch ein hölzerner Gitterbau um das Grab herum, hängenden Segelschiff-Modelle unterschiedlichster Größe und Art werfen. Es sind dort auch neben den »fliegenden« Schiffen viele leicht als Dankesgaben für in Erfüllung gegangene Wünsche und Schwüre erkennbare Schrifttafeln und Devotionalien (nudhûr), etwa mit dem Namen Muhammads versehen, angebracht. Der Einblick in den Sargraum (darîh) ist sinnfälliger Weise durch ein über das Gitter gehängtes grünes Tuch mit dem Bann der Shahâda (»lâ ilâha illâ llâh wa-Muhammad rasûl Allâh«) versperrt.85 Handelt es sich auch hier um eine Opfergabe, »nudhûr«, wie uns bei späteren Besuchen beteuert wird? Es ist sehr unglaubwürdig. Die Erklärung, es handele sich bei den grünen Vorhängen um nudhûr, weil man die beiden Räume allein schon wegen des Freitaggebets von einander trennen müsse, bestärkt unser Vorurteil. Es wird da von einer Irritation der Gläubigen gesprochen, die das Gefühl bekämen, sie würden den Heiligen beim Gottesgebet direkt anbeten. Das ist sicher einleuchtend, aber die auch sonst vernachlässigte Pflege des Maqams ist Anzeichen genug für die Gegensätze, die hier zwischen Maqam und Moschee
84 | Amélineau, Géographie, passim nach Alphabet. 85 | Vgl. u. Bildtafel 32, S. 155.
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aufgebaut wurden und werden. Wie in der ganzen Nordregion gab es hier Kämpfe gegen die als Rückfall in magische Vorstellungen angesehene Heiligenverehrung. Die Auseinandersetzungen liegen noch zu nah, um offen darüber sprechen zu können. An manchen Orten wurden auch Maqame zerstört oder gar niedergebrannt, und es bleibt für uns völlig ungewiss, ob der neue Moscheevorbau nicht als Folge von mutwilligen Zerstörungen zu verstehen ist. Es ist deshalb verständlich, dass man uns von solchen Kämpfen nichts mitteilen will. Außen rechts an den hässlichen Moscheevorbau, über dem an einer Stange ein Mikrophon angebracht ist, schließt sich eine Reihe von mit blankem Holz erstellter Kabinen an, die – wie berichtet wird – im Sommer oder zur Zeit der »Ziyârât« (Wallfahrten) am Sham al-Nissim (das alte »Osterfest« der Ägypter) für »viel Geld« auch über Wochen vom Khadim (Diener, Wächter), der hier selbst einen großen Verschlag mit einem kleinen Schlafzimmer hat, vermietet werden. Das alles spricht eher von Armutskultur als von »großem Geld«. Die Wallfahrten (ziyâra, Pl. ziyârât) finden hier eigentlich gar nicht statt. Es handelt sich eher um Sommerfrische auf der »Insel« (gezîra) vor der Moschee. Niemandem, so wird uns versichert, wird der Zutritt zum eigentlichen Maqam verwehrt. Doch wird es nur auf besonderen Wunsch hin geöffnet. Im Sommer könne man sich zu bestimmten Zeiten vor Menschen nicht retten, wird uns berichtet, so viele kämen von überall her. Es wird beim ersten Treffen von einem »Imam« für das Maqam erzählt, der zum Freitagsgebet aus Matariyya herüberkomme. Fischer und Seeleute besuchen dann die Moschee. Die Leere und Stille des Ortes ist fast entmutigend. Es scheint, dass Abdallah, der an seinen anderen Orten im Delta in einem agrarischen Milieu viele Anhänger hat, die an seine Wunderkraft glauben, hier zu einem – nicht nur durch das Wegschließen – weitgehend abwesenden und kraftlosen – Heiligen wird, eigentlich nur das nachgelagerte Erinnerungsmoment, das den öffentlichen Gebetsort des Moscheeraums mit den dahinter auf dem Tell beerdigten Fischern und Seeleuten verbindet. Es ist die Moschee, die die Besucher legitimer Weise anzieht. Der Ort gewinnt aber seine kaum noch religiöse Aura durch die Lage im riesigen Schilf-Labyrinth des Brackwassersees, über dem an manchen Tagen viele weiße Segel schweben, als wollten sie hinaus in die Welt des Mittelmeers, die draußen vorgelagert ist. Wer würde in dieser einsam scheinenden, wilden Fischerwelt an Verwaltung denken? Hier aber kreuzt sich das ägyptische Institutionswesen in voller Stärke mit den auf dem See fischenden und auf kleinsten Inseln im Wasser siedelnden Leuten der untersten sozialen Schicht. Wir haben es hier mit einer – verkehrte Welt – Mischform der an Maqam I und II herrschenden Typen zu tun, nicht das Maqam selbst, sondern die vorgelagerte Moschee ist in privater Hand. Das dahinter stehende Maqam ist aber in öffentlicher Hand und untersteht dem Kulturminister und seiner Verwaltung der islamischen
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Altertümer. Natürlich lässt sich diese Unterscheidung in der Praxis nicht genau einhalten und so sind die nach altem Brauch hier seit Generationen den Grund der Moschee und das davorliegende Land besitzenden Familienväter, heute Vater und Sohn, zugleich als »Maqam-Diener« (khâdim, Pl. khuddâm) beim staatlichen Kulturzentrum (markaz al-thaqâfa) angestellt, während sie in der gleichen Rolle unbezahlt in der Moschee »dienen«, der Vater gar quasi als Imam. Der neue beton-graue Moschee-Vorbau ist also verwaltungstechnisch als ahâli (gemeinschafts-, nicht-staatlich) ausgewiesen. Er wird noch immer durch das oben schon beschriebene »Ergreifen« (wad al- yad) in Privatbesitz (Funktionen und Land- und Wassernutzungsrechte) gehalten. In der allgemeinen Pflege aber ist er neben dem Familienbesitz auch dem Gemeinschaftshandeln der Leute überlassen. Er wurde vor zehn Jahren mit Spendenmitteln der Fischer und von Bürgern der Stadt Matariyya an die Stelle des alten, zusammengestürzten Moscheegebäudes oder Maqam-Teils – wir wissen das nicht – gesetzt. Das Maqam aber, das einmal früher innen renoviert worden ist, wurde dabei nicht angerührt, denn es ist Teil des öffentlichen, des hukûma-Systems, und das heißt in diesem Falle, es ist – wie schon gesagt – dem Ableger der Abteilung al-Athâr al-Islamiyya (Islamische Denkmälerverwaltung) in Matariyya unterstellt. Beide, Vater und Sohn, beziehen, als handele es sich um ein Erb-Amt, ein Staatsgehalt. Ihre Anstellung gilt nur für das alte Maqam. Paradoxerweise ziehen sie aber das wirkliche Geld für ihren Lebensunterhalt aus der Pfründe der Moschee. Die Einkommen aus der ahâli-Seite des Komplexes und die dazu gehörenden anliegenden Fischgründe im Manzala-See stellen die wirkliche Existenzgrundlage der Großfamilie dar. Sie sind, und belegen dies mit vielen gerichtlich besiegelten Dokumenten,86 Khuddâm des Maqams in zwölfter bzw. dreizehnter Folge und verdienen mit diesem Amt und den daraus resultierenden Zuwächsen den Unterhalt ihrer in Matariyya zusammenwohnenden Familien. Der »Imam« aber ist der ältere Khâdim selbst, der keine Azhar-Ausbildung hat, und deshalb am Freitag schwerfällig und tapfer seine vorgefertigte Predigt vom Blatt lesen muss. Der Gebetsruf (adhân) wird von einem Fischer gesungen, die Quran-Lesung über den Äther aus Kairo eingespielt. Etwa 70 Männer und Jungen aus den umliegenden über den See verstreuten Hütten und Fischgründen zählt die Gemeinde zum Freitagsgebet, ein paar Motorschnellboote mit jungen Männern kommen noch über den See herüber, vielleicht weil sie von den Fremden gehört haben. Ihr »Dorf«, wenn man die verstreuten Hütten so bezeichnen kann, haben sie nach dem Heiligen benannt: Kafr Ibn Abdallah. Es ist hier im Gegensatz zu den anderen Maqamen des Abdallah b. Salam, aber auch gegenüber dem oben erwähnten Maqam des Abu Mandur
86 | Vgl. u. Bildtafel 28, S. 151.
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bei Rosetta, ein anderer wichtiger und verblüffender Unterschied zu vermerken: Frauen scheinen wie verbannt von dem Maqam, von der Moschee und von dem roten Stück Erde auf dem beide stehen. Haben die nomadisierenden Fischer und Bootsleute vom Manzala-See hier Beduinen-Sitten übernommen und überlassen die Frauen der im Hause privatisierten Religion?
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4. Die kulturellen Produktionen des Abdallah b. Salam Die klassische Islamwissenschaft hat das Phänomen der Heiligenverehrung im Islam vornehmlich im Spiegel der historischen und theologischen Literatur betrachtet.87 Sie hat dabei durchaus schon eine soziologische (in nuce bereits modernisierungstheoretische) Betrachtungsweise an den Tag gelegt: Heiligenverehrung galt ihr als Hindernis zur Entwicklung einer modernen, theologisch begründeten Religion und zugleich als Fundus altorientalischer und in Ägypten pharaonischer Inszenierungen der Volksseele. Ethnologen und Sozialanthropologen haben sodann eine Vielzahl von Materialien zusammengetragen, die das moderne Verständnis für die Praktiken und Riten weckten, ja sie als Bestandteil lokalen Wissens anerkannten.88 Dabei wurde aber weitgehend die in der älteren Volkskunde gängige Betonung pharaonischer Kontinuitäten ausgeblendet.89 Die Archäologen waren und sind mit dem Zusammentreffen von islamischen und pharaonischen Stätten auf das Unmittelbarste konfrontiert. In der neueren kulturellen Entwicklung tritt eine merkwürdige Umkehrung der Perspektive ein. Gewissermaßen die Maqame im Blick beziehen die Archäologen nun den Islam mit in ihr Bild der Ausgrabungsstätten ein. Nur kurz als Beispiel eingebracht: Im Blick auf das Maqam des Dorf-Heiligen »Muqdam« manifestiert sich für den Archäologen Chassinat das verwirrende lokale Namenspiel um das Trümmerfeld des alten Leontopolis, das das eine Mal die Bezeichnung »Tell el-Moqdam« eben nach dem dort siedelnden Heiligen annimmt, das andere Mal mit »Tell esSabaa, la ›colline des lions‹« den auf den antiken Namen anspielenden Namen beibehält.90 Wenn wir von den kulturellen Produktionen dieses Heiligen sprechen, so fällt sofort die Häufung seiner Maqame in der Gegend um die ägyptische Provinzhauptstadt Mansura (Provinz Daqahliyya) auf. Dieses Phänomen lässt sich nicht so einfach in die sonst als äußerst variabel und vielfältig bekannte Welt der ägyptischen Heiligenverehrung einordnen. Seit Ignaz Goldziher wissen wir, dass es keiner unmittelbaren oder gar persönlichen Bindung des Heiligen an »seinen Ort« (maqâm) bedarf.91 Es steht jedoch außer Zweifel, dass die Häufung so vieler Maqame gerade in dieser nordöstlichen Region
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87 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 277-378; Wellhausen, Reste. 88 | Für Ägypten vgl. Gilsenan, Saint and Sufi; Abu-Zahra, The Pure. 89 | Vgl. hier Blackman, Some Social and Religious Customs; The Fellahin; Winkler, Die reitenden Geister der Toten; Kriss, Volksglaube; Gawhary, Die Gottesnamen. 90 | Chassinat, Les Antiquités, S. 8 f. Den Hinweis auf dieses, das Zusammentreffen von moderner Archäologie mit dem Islam signalisierende Beispiel, verdanke ich Frau Sandra Sandri, Mainz. 91 | Goldziher, Muhammedanische Traditionen, S. 71; s. a. Franke, Khidr.
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des Nildeltas etwas Außergewöhnliches darstellt, und wie schon oben gesagt, es gibt in anderen Regionen des Landes beim Stand meines Wissens keine weiteren Maqame des Abdallah. Die Verehrung von gelehrten Prophetengenossen ohne persönliche Beziehung zum Ort ist durchaus nichts Besonderes, wie der unten näher geschilderte Kairoer Fall des Grabmals des Kab al-Ahbar (st. ca. 654) zeigt. Es handelt sich hier um einen anderen jüdischen Gelehrten der Frühzeit, der zum Islam konvertierte, aber nie in Ägypten war. Doch so sehr wir uns der ägyptischen Sonderheiten dieses Phänomens92 bewusst sind, so sehr müssen wir bei dem gegenwärtigen Stand des Wissens zugeben, dass wir die folgende Frage nur unzureichend beantworten können: Wie und warum kommt einer der ersten, aus der Zeit der medinensischen Kriege stammenden, jüdischen Konvertiten zum Islam zu der Ehre, als islamischer Lokalheiliger im ländlichen Ägypten und besonders im Raum um Mansura verehrt zu werden? Warum werden ihm im nordöstlichen Nildelta zugleich mehrere Orte zugeschrieben? Dies war die Frage nach dem »Ort«, als sie sich zuerst stellte. Sehr schnell wurde daraus aber auch eine Frage nach den historischen und symbolischen Konstruktionen dieses Heiligen. Entgegen der hypothetischen Ausgangslage, die fordert, man müsse alle diese Fragen einer faktischen Klärung zuführen, zeigte sich in den weiteren Ausführungen – soviel ist schon jetzt zu sagen – dass der Faden der Erklärung der faktischen Präsenz des Abdallah b. Salam in Ägypten in eine multipolare Wirklichkeitswelt führt. Es sind die unterschiedlichen Ebenen der Annahme über die Wirklichkeit dieses Heiligen, die mich weiter beschäftigen. Diese offenbare Vielfalt der diskursiven, metaphorischen und materiellen Dimensionen der Gewissheit dieses Heiligen, kann auch als Beispiel dafür gelten, wie sehr Annahmen über die Wirklichkeit mit dem affirmativen Wissen über die Präsenz des Heiligen verflochten sind. Ich schlage vor, meine Frage nach dem Ort als soziologische zu verstehen, d. h. sie in den Kontext der Konstruktion des Heiligen zu stellen. Die soziologische Sicht muss sich auf islamwissenschaftliche Betrachtungen stützen, der ethnologische Standpunk des lokalen Wissens ist einzubeziehen, auch wird, was Archäologen (und Ägyptologen) gewissermaßen am Rande ihres Arbeitsfeldes im Kontakt mit den Fellachen und ihren Heiligen aufzeichneten, in diesem Zusammenhang plötzlich sehr wichtig. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass die unterschiedlichen historischen, religiösen und wissenschaftlichen Besetzungen des Ortes und der lokalen Praxis selbst Mittel der lokalen Inszenierung des Heiligen sind und als solche sind sie auch zum Gegenstand unserer Untersuchung zu machen. Der Ort des Heiligen wird damit zum diskursiven Feld und zum Element und
92 | Denen Goldziher schon eine gewisse Sonderstellung einräumte, vgl. Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 336-343.
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4.1 War Abdallah b. Salam ein verlässlicher »Wissender«? Man kann in der Tat jene frühen Muslime, die sich um den Koran zum Geschichtenerzählen und zur Lesung versammelten, die Erzähler, die Qussâs, und die ihnen Lauschenden, mit einem Bibelkreis vergleichen.93 Man hat es hier zunächst mit einem für die weitere Ausbreitung des Islams wichtigen, an Texten sich aufhängendem religiösen Eiferertum zu tun, das schon früh in der Orthodoxie als suspekt galt. In dieser Kategorie figuriert der Abdallah b. Salam gewissermaßen als Ausnahme, ihm wird höchstes Lob zuteil. Es gibt mehrere alte Überlieferungen, nach denen Abdallah b. Salam zu denen gehörte, auf die sich die Koransure 13/43, »die das Wissen der Schrift besitzen« bezieht94. Die später von Ibn Sad zusammengestellten Hadithe95 sind in Hinsicht auf Abdallahs Kennzeichnung als islamischer Gelehrter unzweifelhaft. Von gleicher unbeirrter Überzeugungskraft hinsichtlich der wahren Natur des Abdallah b. Salam sind die schriftlichen Hadith-Zusammenstellungen, die durch lokale Initiative in Zusammenarbeit mit einer Außenstelle des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten, dem Awqâf, an Abdallahs Grabmal am Tell Thmuis angebracht wurden.96 Das Lob, das die islamische Orthodoxie diesem Konvertiten entgegengebracht hat, ist unzweideutig und lückenlos. Dennoch werden Zweifel erhoben. Wo also und wodurch hätte Abdallah b. Salam Anlass geben können, das Misstrauen zu wecken, das letztendlich verhindert habe, ihn wirklich und unzweifelhaft zu den zehn unmittelbaren Paradiesaspiranten, den ashara mubashshara, zu zählen? Van Ess macht zwei Gründe für mögliche Einschränkungen geltend. Erstens, Abdallah habe den »ökumenischen Versuch, ihn zum Heiligen zu machen
93 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 81 94 | In der Übersetzung von Max Henning: Und es sprechen die Ungläubigen: »Du bist kein Entsandter«. Sprich: »Allah genügt mir als Zeuge zwischen mir und euch, und jeder, bei dem das Wissen der Schrift ist«. Vgl. Koran, S. 242. 95 | Ibn Sad, Tabaqât II, S. 352-3. 96 | Vgl. u. Bildtafel 6, S. 123.
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Artefakt des heiligen Kerns zugleich. Es ist hier, wo die in seiner »Ursprungs-Geschichte« ruhenden Gestaltungspotenziale geweckt werden. Letztere entfalten sich über ein komplexes Geflecht von fiktionalen Wirklichkeiten: Die Figur des Heiligen sehen wir gleich zweifach, als historische Person und als Autor erscheinen. Sein Ort gewinnt in der multiplen Lesart des gegenwärtigen Fremden an Kraft. Der Zusammenhang von Zeit und Symbol, von Idee, Ereignis und Vergegenständlichung, von Metapher und Zauber scheint unauflösbar.
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und in die außer-islamische Schriftgelehrsamkeit zu integrieren«, verfehlt97, weil er ein Jude war. Diese These darf als widerlegt gelten, zumindest ist sie durch seine Präsenz als Heiliger und durch die Form seiner Präsentation im Maqam am Tell von Thmuis zu relativieren. Zweitens, nach der Verschriftlichung und Kanonisierung des Korantextes unter Uthman habe man zunehmend jenen misstraut, die in erzählender Weise Teile des Textes weiterhin in Form von Geschichten präsentierten und in den Verdacht gerieten, dabei eine eigene Interpretationsform zu wählen und durchzusetzen. Auch dies wäre zu überdenken. Es gibt keine Hinweise dafür, dass man den auf pharaonische und israelitische Inhalte hin ausgelegten Texten des Abdallah besonders kritisch gegenüber stand. Vielmehr, so darf man annehmen, spielte der altägyptische Gehalt und die sich auf antike Mythen beziehende Metaphorik seiner Geschichten beim islamisch-ägyptischen »Erfolg« dieses Heiligen eine Rolle. Es empfiehlt sich in der hier gebotenen Kürze einen Blick auf die im Darîh des Maqams I angebrachte Schrifttafel zu werfen.98 Der gezeigte Text der vor uns stehenden Schrifttafel ist ganz eindeutig von einem Gelehrten (âlim, Pl. ulamâ) der al-Azhar Universität zusammengestellt, und dann – offensichtlich nicht mit der Anstrengung und Perfektion klassischer oder Kairoer Kalligraphen – von einem lokalen Schreiber angefertigt worden. Die einzelnen Absätze tragen die folgenden Überschriften (von oben nach unten, die Nummerierung von mir): Überschrift, allgemein: Mein ruhmreicher Prophetengenosse: Sidi Abdallah b. Salam 1) Sein Name vor dem (Übertritt zum) Islam 2) Seine Herkunft 3) Seine Stellung als Gelehrter 4) Sein(e) (Teilnahme am) Glaubenskampf 5) Die Koranverse, die sich auf ihn beziehen 6) Die von Ibn Salam übermittelten Hadithe 7) Der (Übertritt zum) Islam des Ibn Salam 8) Der Tod des Ibn Salam Das hier zusammengetragene Quellenmaterial zeugt insofern von Gelehrsamkeit, als es sich weitgehend mit den von Wensinck und van Ess zusammengetragenen Quellenstellen99 deckt. Wensinck listet sie wie folgt (Nummerierung und Übersetzung aus dem Englischen ebenfalls von mir):
97 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 78. 98 | Vgl. Bildtafel 6, S. 123. 99 | Wensinck, A Handbook, S. 3; van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 77-79, 81.
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2) 3) 4) 5) 6)
Seine Konversion (zum Islam). Hinweise auf al-Bukhari, Sahîh, und Ahmad Ibn Hanbal, Musnad. Ein Traum des Ibn Salam. Hinweise auf Muslim, Sahih; Ibn Maja, Kitâb. Er hilft Uthman gegen seine Feinde. Hinweise auf al-Tirmidhi, Kitâb Er bekommt das Paradies versprochen. Hinweise auf al-Bukhari, Kitâb; Muslim, Sahîh; al-Tirmidhi, Kitâb; Ibn Sad, Tabaqât. Sein Wissen. Hinweise auf Ibn Sad, Tabaqât; Ahmad Ibn Hanbal, Musnad. Er hat seinen Namen von Muhammad erhalten. Hinweis auf Ahmad Ibn Hanbal, Musnad.
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Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die Stellung Abdallah b. Salams unter den Hadîth-Gelehrten der Sahâba oder für die weitere theologische Entwicklung zu würdigen. Hierzu bedarf es umfassender Textforschung, die hier nur angeregt werden kann. Die Hadithwissenschaft hat sich zu einem zentralen Spezialgebiet der zeitgenössischen Islamwissenschaft herausgebildet und nur in wenigen Fällen, wie etwa im Gesamtwerk des Tübinger Islamwissenschaftlers Josef van Ess, wird ein – schon bei einem der modernen Gründungsväter Ignaz Goldziher sehr offen liegendes – Bewusstsein erkennbar, dass die moderne Philologie – bei aller historisch-kritischer Bemühung – auf die grundlegenden Wissenslagen der muslimischen Tradition angewiesen bleibt und dabei sich in die Lage versetzt, jene der frühen islamischen Theologie nachzuzeichnen, ja, deren Wissensleistungen anerkennen muss. Die uns vorliegende Schrifttafel des Maqams I ist denn auch ein Zeichen dafür, wie sehr die moderne Orthodoxie selbst sich bezüglich der Strukturierung ihres Wissens über die alten Quellen im Austausch mit der Islamwissenschaft befindet. Uns geht es nur um die Verehrung Abdallah b. Salams als Heiligen in einer Ostdelta-Region Ägyptens. Allerdings ist unter diesem Gesichtspunkt auch gerade die »kirchliche« Stellung dieses frühislamischen Konvertiten von Bedeutung. Es muss genügen, wenn wir – hierin van Ess folgend – den Brückenschlag zwischen altem (Thora) und neuem Wissen (Koran) nachvollziehen, der sich in der Person Abdallah b. Salams herstellt. In dieser Hinsicht ist auch die Darstellung von Watt über die politische Grundsituation des Disputs zwischen den nicht-konvertierten Juden und den Muslimen in Medina sehr treffend: »So long as the Muslims knew little about the Jewish scriptures, it was possible for the Jews to get the better of most arguments. But with growing knowledge, the Muslims were able to use the scriptures against the Jews.«100
100 | Watt, Muhammad at Medina, S. 207: »Solange wie die Muslime über die jüdischen Schrif-
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Hier hatten gelehrte jüdische Konvertiten wie Abdallah eine wichtige Funktion. So stößt auch Josef van Ess in seiner Untersuchung der Geschichte vom »Fehltritt des Gelehrten« auf Abdallah b. Salam. Es geht hier um die Rangfolge unter den ganz frühen Korangelehrten. Van Ess kennt die moderne, die ägyptische Bedeutung Abdallah b. Salams nicht, er nimmt aber fast alle in unserer Schrifttafel versammelten Quellenstellen in seine Betrachtungen auf. Abdallah b. Salam gehört eindeutig zu den von der politischen Klasse der ersten Kalifenzeit so behandelten »Leuten mit Verstand« (alâqilûn). Van Ess führt eine Tradition an, die derjenigen fast wörtlich entspricht, die die Schrifttafel unter der Rubrik (3) »Seine Stellung als Gelehrter« führt: »Nach (dem Tode des) Muâdh b. Gabal waren Leute von Wissen (al-ulamâ) Abdallâh b. Masûd, Abu l-Dardâ, Salamân und Abdallâh b. Salâm.«101
Von einem anderen Zeitzeugen wird berichtet: »Suche nach meinem Tod das Wissen bei vier Personen: Bei Salmân al-Fârisî, bei Abdallâh b. Masûd, bei Uwaimir Abû l-Dardâ und bei Abdallâh b. Salâm! Ich habe nämlich gehört, wie der Prophet sagte: (Ibn Salâm) ist der letzte von Zehn im Paradies.«102
Auf unserer Schrifttafel steht das so: »Muâdh b. Gabal sagte bei seinem Tod (des Abdallâh b. Salâm), dass es im Wissen und im Glauben die Gruppe der Vier gab: Abû al-Dardâ, Salmân al-Fârisî, Abdallâh b. Masûd und Abdallâh b. Salâm, der Jude war und sich zum Islam bekehrte«.
ten wenig wußten, war es den Juden möglich, meist das bessere Argument zu liefern. Doch mit zunehmendem Wissen war es den Muslimen möglich, die Schriften gegen die Juden zu wenden«. Ich kann mich dagegen der skeptischen Lesart von Wasserstrom nicht anschließen, als handele es sich bei den Geschichten über die Rolle von Abdallah um muslimische Reimaginationen einer primordialen Konfrontation mit den Juden. Vielleicht eine nachträgliche »Primordialisierung« durchaus. Aber wer waren die Muslime? Ist Primordialisierung nur auf der Einbahnschiene der muslimischen Tradition denkbar? Cf. Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 176. Auch ist die einseitige Würdigung der Funktion von Abdallahs Geschichten nur in ihrer Bedeutung für die in der populären masâil-Literatur vorgenommenen Prophetenprüfung des Muhammad, wie wir weiter unten zeigen werden, nicht tragfähig. Vgl. ibid. S. 178-180. 101 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 77. 102 | Ibid. S. 78.
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»und ich hörte den Propheten sagen, dass er zu den ashara al-mubashshara, den zehn Pardiesesaspiranten, gehört.«104
Auch die löbliche Aussage des Sad b. Abi Waqqas, auf die van Ess hinweist,105 steht fast wörtlich so auf unserer Schrifttafel: »Ich habe den Propheten gehört als er sagte, es gibt niemanden, der auf der Erdoberfläche wandelt und doch zu den Paradiesesleuten gehört – außer Abdallâh b. Salâm.«106
Bei van Ess (nach dem Sahîh des Muslim) lautet die Stelle so: »Ich habe nicht gehört, dass der Prophet jemandem, der auf Erden wandelt, das Zeugnis ausgestellt hätte, er gehöre zu den Paradiesesaspiranten – außer dem Abdallâh b. Salâm.«107
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die in der Schrifttafel am Maqam (I) versammelten Belegstellen in all ihren Verzweigungen in den frühislamischen Quellenwerken zu verfolgen. Auch interessieren uns hier nicht die Widersprüche zur Quellenlage zwischen Kritik und Bestätigung, die die Islamwissenschaft bis heute mit sich herumträgt. Es lässt sich jedoch die von van Ess vorgetragene These, dem Abdallah wurde (und werde) der Rang als »Wissensträger« tentativ abspenstig gemacht, weil er Jude war, nicht bestätigen. Abdallah b. Salam, dieser jüdische Konvertit der Frühzeit des Islams hat dagegen eine unantastbare Stellung in der islamischen Orthodoxie, sie ergibt sich aus zwei Tatsachen: Erstens gehört Abdallah b. Salam zu den unzweifelhaft »Wissenden«. Die Schrifttafel gibt mehrere Koranstellen an, die sich auf Abdallah b. Salam beziehen sollen. Am eindeutigsten ist diejenige, die van Ess selbst heranzieht und dem Korankommentar des Qatada (st. 118) zuschlägt108, Ibn
103 | Ibid. S. 79. 104 | Bildtafel 6, S. 123. 105 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 78. 106 | Bildtafel 6, S. 123. 107 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 78. 108 | Ibid. S. 81.
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Auch diese Stelle bezieht sich wörtlich auf eine Überlieferung, die van Ess bekannt ist.103 Ob der Hinweis auf das Judentum hier – oder auch später – ein definitives einschränkendes Diktum darstellt, wie van Ess annimmt, mag bezweifelt werden. Denn hier wird unmittelbar hinzugefügt:
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Sad – dem man ja als Hadith-Forscher schon nicht mehr traut – hat eine ähnliche Stelle, die er aber auf Mujahid b. Jabr (st. 104), der ja auch einen Korankommentar hat, zurückführt: »er (Abdallah b. Salam) gehört zu denjenigen, die das Wissen der Schrift besitzen.«109 Zweitens – und dies ist ein in der Literatur bisher nicht zu identifizierender Hinweis – wird die Herkunft des Abdallah b. Salam im Text der Schrifttafel in die Ranghöchste jüdische Gelehrten- und Prophetentradition gestellt: »Er gehört zu den Abkömmlingen des Josef, Sohn des Jakob, Sohn des Isaak, Sohn des (Propheten) Jakob.«110
Es ist die Unzweifelhaftigkeit in der jüdischen wie in der muslimischen Tradition, die Abdallah b. Salam für die Orthodoxie und das bekennende Volk zur leuchtenden Waffe gegen die finsteren Unscheinbarkeiten des Tell Thmuis bei Mendes macht als Vorkehrung und Warnung gegen den immer wieder drohenden Rückfall in magische Missbräuche am altägyptischen Tell.
4.2 War Abdallah b. Salam ein Geschichtenerzähler? Können uns die Wunder- und Legendengeschichten über Abdallah b. Salam oder auf ihn als Autor zurückgeführte Geschichten einige Anhaltspunkte für seine Stellung als Heiligen liefern? Können uns die Konversions- und Missionsdiskurse im Frühislam, soweit sie sich auf Abdallah und – im weitesten Sinne – auf die Region beziehen, weiterführen? Wie bereits erwähnt, gibt es in der islamischen Literaturgeschichte Hinweise auf den Autor Abdallah b. Salam vor allem von in der ägyptischen Volksreligion so wichtigen Propheten- und Wundergeschichten altägyptischen und jüdischen Ursprungs.111 In seiner Buluqya-Notiz ordnet Horovitz die Abdallah zugeschriebene Buluqya-Geschichte dem Genre eben dieser Prophetengeschichten, qisas al-anbiyâ, zu.112 Die frühe Koranauslegung hat versucht, die Fragen der Gläubigen hinsichtlich bestimmter historischer, im Koran nur vage umrissener Ereignisse zu beantworten. Man könnte nun die Bedeutung früher christlicher und jüdischer Konvertiten darin sehen, dass sie es verstanden, Geschichten, die sowohl in der Bibel als auch im Koran zu finden sind, zu erläutern und widersprechende Aussagen zu klären. Auf diesem Weg gelangte vieles biblisches und auch pseudo-biblisches Material
109 | Ibn Sad, Tabaqât II, S. 353. 110 | Vgl. u. Bildtafel 6, S. 123. 111 | Vgl. Horovitz, Buluqja; Sezgin, Abdallah b. Salam. 112 | Horovitz, Buluqja, S. 519.
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»Ebenso erkennt man in seinem Berichte, dass das Fayum die Wohnstätte des Josef und seiner Nachkommen in Ägypten gewesen sei, die zwar falsche aber noch
113 | Jansen, The Interpretation, S. 27. 114 | Retsö, The Arabs, S. 250 f. 115 | Hoffmeier, Israel in Egypt, S. 107-134; Bietak, Avaris. 116 | Vgl. Khoury, Les Légendes.
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in die islamische Überlieferung, insbesondere in wichtige Traditionen der frühen Koranauslegung. Einige dieser von ersten jüdischen Konvertiten stammenden Traditionen werden in der modernen islamischen Auslegung als Isrâîliyât bezeichnet und wegen ihres irrationalen, mirakulösen und phantastischen Charakters von Teilen der Orthodoxie wie von modernen Reformisten zurückgewiesen.113 Für dieses Genre finden wir in der von Horovitz wiedergegebenen und kommentierten Geschichte der Buluqya, die auf die Autorenschaft des Abdallah b. Salam zurückgeführt wird, ein gutes Beispiel. Sie ist auch ein Beispiel dafür, dass der Stoff selbst, nämlich auf vorislamische Mythen anspielend, gewissermaßen propagandistisch Muhammad in eine Reihe mit den alten Propheten der Thora zu stellen, von eher sekundärer Bedeutung ist. Die Wunder des Propheten werden in einen pseudo-historischen Kontext gestellt, erschließen sich selbst erst durch die in fixer Bildsprache ausgemalte Wunderwelt der alten Zeiten: Schlangen, Höhle, Schatz, Buch. Die Metaphorik ist auf Erbauung abgestellt, nicht auf vordergründige Propaganda. Es handelt sich um eine reine Phantasiegeschichte, an der, so sehr auch historische und örtliche Daten genannt werden, nichts stimmt; das kleinste Detail evaporiert noch zur fixen mythologischen Metapher. Es ist hier nicht der Ort Horowitz’ Übersetzung philologisch nachzuzeichnen und aufzubereiten. Basierend auf Horovitz’ Darstellung, lassen sich die wichtigsten historischen und mythologischen Rückgriffe und metaphorischen Anspielungen auf drei Ebenen des »Wahrscheinlichen« verteilen: 1. Die Juden in Ägypten: Die Geschichte spielt auf einen »König der Banu Israil in Ägypten« an. Über dessen konkrete historische Erscheinung wird aber nichts gesagt. Wir könnten dies als metaphorischen Hinweis auf die Siedlungsgeschichte der Söhne Jakobs im Land Goshen, dem späteren Pithom oder Patoumos, dem heutigen Tell Maskhuta deuten, wie – vielleicht zu voreilig – Retsö als einzigen Ort anzeigt.114 Doch liegt hier in ganz allgemeiner Hinsicht eine Anspielung auf die Präsenz der Juden im Ostdelta vor, die sich noch immer archäologisch nur sehr vage zeigen lässt.115 Wie bei einer von einem anderen Konvertiten aus der gleichen Zeit, Kab al-Ahbar, von al-Thalabi116, ein 428 H. (1036) verstorbener, anerkannter Traditionarier, überlieferten Geschichte über den Schatz im »See« eine Anspielung auf das Fayum, die bei Kab noch viel deutlicher ausgefallen sein muss:
heute in Ägypten lebendige jüdische Tradition wieder, dass das Land Goshen im Faijum gelegen habe.«117
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Im Fayum selbst – so möchte ich auf Grund von oralen Bezeugungen hinzufügen – ist noch heute die Legende vom Schatz des Salomon im Birka Qarun – im Karun-See – lebendig. 2. Die Thora und Muhammad der Prophet: Die Buluqya-Geschichte des Abdallah spielt auf ein Buch an, in dem das Erscheinen des Propheten (Muhammad) angekündigt und seine Persönlichkeit vorweg geschildert war. Was es mit dem Buch auf sich hat, wird nicht gesagt. Gemeint ist sicher die Thora, und es liegt hier eine klare Anspielung auf die Nachricht aus Ibn Hishams Lebensgeschichte (sîra) des Propheten vor: Abdallah b. Salam ruft den Juden von Medina zu: »Ihr wisst, dass Muhammed der Gesandte Gottes ist, ihr findet ihn bei Euch in der Taurat namentlich erwähnt und beschrieben.«118 3. Altägyptische Mythen und Metaphern: Der Text nimmt metaphorisch eine Szene auf, wie sie auch in dem altägyptischen Märchen vom »schiffbrüchigen Seemann« beschrieben wird, und die in Flinders-Petries Egyptian Tales enthalten sind.119 Es handelt sich dabei um Hinweise auf eine alte, Geschichten erzählende Schlangenkönigin. Wo in der Geschichte von Dschinnen und Schlangen die Rede ist, liegen immer auch Anspielungen auf Ägypten vor. Fuat Sezgin weist auf eine Schrift Abdallahs hin, die Zaubersprüche und Formeln für Amulette enthalten dürfte.120 Bemerkenswert ist auch die in einer anderen Geschichte über die Ankunft des Propheten in Medina verwendete Metapher des Von-oben-her-Sehens: »ein Mann kam mit der Nachricht (von der Ankunft) als ich gerade in der Spitze eines Palmbaums arbeitete und meine Tante Khalida bt. Al-Harith saß darunter«, die in der Sîra des Ibn Hisham überliefert ist.121 Abdallah b. Salam kann durchaus auch, wo es um Dschinnen und Zauber geht, eine missionarische, wenn nicht
117 | Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 81. 118 | Ibn Hisham, Kitab Sira, S. 353 (vgl. a. engl. Übers. v. Guillaume, S. 240). 119 | Flinders-Petrie, 1st series, S. 88 ff.; nach Horvitz, Buluqja, S. 519; vgl. a. BrunnerTraut, Altägyptische Märchen, S. 34 ff. 120 | Zauber und Amulette Paris 2954 (ff. 113-116, 590 H.) nach Sezgin, Abdallah b. Salam. Das Schlangenthema findet sich auch auf der Brooklyner Steele des Horus-Knaben, die voller Zauberformeln ist, und ist so offensichtlich auch in mittelalterlichen Geschichten Ägyptens aufgenommen. Vgl. Sezgin, Al-Masudi 1, S. 15. Dass die Schlange für den Jinn steht und dieser über bestimmte Orte herrscht, ist nach Lane ein alter arabischer Glaube. Eine alte ägyptische Vorstellung lebte noch im 19. Jahrhundert in Kairo weiter, wo man glaubte, dass jedes Viertel seinen eigenen Wächtergenius (Agathodaemon) in der Gestalt einer Schlange hat. Lane, Arabian Society, S. 39. 121 | Ibn Hisham, Kitab Sira, S. 353 (engl. Übers. Guillaume, S. 241).
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122 | Vgl. Rubin, The Eye of the Beholder, S. 32; 33; Newby, A History of the Jews of Arabia, S. 85. 123 | Lichtenstaeder, Introduction, S. 38: »Muhammad hat in der ersten Zeit seiner Sendung keine ›Biblischen‹ Geschichten erzählt; er versenkte sich tief in das Reservoir des Alten Nahöstlichen Mythos, aus dem diese Biblischen Geschichten selbst geschöpft waren«.
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psychologische Kraft der Integration vorislamischer imaginärer Praktiken in der islamischen Glaubenswelt entwickelt haben, und die mit seiner Konversion in Medina zusammenhängenden Ereignisse könnten nur der Nukleus eines sich im Zuge der Eroberung Palästinas und Ägyptens weiter entfaltenden Modells sein. Vielleicht verdankt Abdallah b. Salam auch von daher seine hohe Stellung im offiziellen Islam. Doch darf die metaphorische und mythologische Komponente der Legenden und Geschichten, die im ägyptischen Volkssufismus aufgegriffen und verstärkt wurde, nicht unterschätzt werden. Neuere Interpretationen etwa der Position und des Ranges Abdallah b. Salam als eines verlässlichen Traditionariers betonen überaus stark den Aspekt seiner jüdischen Abstammung. Es geht dabei vornehmlich um die ideologische Rolle der frühen Konvertiten bei der späteren Islamisierung des biblischen Materials zur Ankündigung des Propheten122. Man gerät hier in eine interpretative Sackgasse. Denn einerseits sagt man, die muslimische Orthodoxie traute den konvertierten Juden nicht, andererseits muss man damit zurecht kommen, dass – wie wir gesehen haben – der Standpunk der islamischen Orthodoxie doch sehr viel offener und unbestimmter ist, als man zu erwarten hätte. Vielleicht war aber das ideologische Interesse der frühen Muslime nicht so einseitig, und vielleicht spielten auch andere als rein ideologische Gesichtspunkte eine Rolle. Natürlich liegt die Bedeutung Abdallahs aus der orthodoxen Sicht in der Tatsache, dass er die Gruppe der medinensischen Konvertiten anführte und dass er jenen Juden widersprach, die den in Medina ankommenden Muhammad der Unwissenheit hinsichtlich der existierenden Fassungen der Thora bezichtigten. Abdallah war offensichtlich einer derjenigen, die Muhammads Größe nicht am Mangel an Textkenntnis maßen. Ilse Lichtenstaedter liefert hierzu eine Erklärung von größter Wichtigkeit: Muhammad »in the early times of his mission«, »was not telling ›Biblical‹ stories; he was dipping deep into the reservoir of Ancient Near Eastern myth from which those Biblical stories themselves had originally arisen.«123 Danach wäre Abdallah der Spezialist des »antiken Mythos« gewesen, der in Muhammad einen gleichrangigen, wenn nicht urtümlicheren Spezialisten des »antiken Mythos« erkannte. Nicht das faktisch textliche, sondern das mythologische Wissen wäre danach für die Anerkennung des Muhammad als den von der Thora selbst angekündigten Propheten in der Linie der
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Fortsetzung einer uralten orientalischen religiösen Tradition Ausschlag gebend. Mir scheint, dass die hier dargelegten Punkte sowie die Kontinuität und Form der Heiligenverehrung des Abdallah b. Salam (Kab al-Ahbar eingeschlossen) in Ägypten, eine mono-zirkulare Interpretation etwa der Buluqya-Geschichte – und möglicherweise der weiterlebenden Abdallah-Tradition und der Isrâîliyât allgemein – nur auf das quasi ideologische Ziel hin »to create a veritable myth of prefigurations of Muhammad«124 zu kurz greift. Die Breite des metaphorischen Spiels um die fast irdisch zu nennenden Konkreta der Transzendenz-Vorstellungen der Ägypter, die diese Geschichten am intensivsten tradierten, werden so nicht erfasst. Die religiöse Psychologie, die mit der Konstruktion und Rezeption solcher Geschichten einherging, kann vielleicht besser verstanden werden, wenn man Hinweisen, wie denen des Mohammad el-Gawhary folgt, mit denen angezeigt wird, dass gerade die frühen jüdischen Konvertiten, darunter ausdrücklich auch Kab al-Ahbar und Abdallah b. Salam, in den Arbeiten des al-Buni (st. 622 H./ 1225 A. D.) über die Gottesnamen im magischen Gebrauch oft genug herangezogen werden125. Es sind die magisch-mystischen Dimensionen, die hier zählen, nicht die ideologischen. Wasserstrom zeigt in dem zusammengestellten Quellenmaterial selbst126, wie sehr die Buluqya-Geschichte durch die Zauberwelt der irdisch-himmlischen Migrationen und der Reisen durch die antiken und mittelalterlichen orientalischen und europäischen Geschichtensammlungen geisterte. Das war im Mittelalter – man würde heute sagen – eine internationale Volks- und Erbauungsliteratur, die von intentionaler einseitiger theologisch-ideologischer Überfrachtung nicht hätte leben können. Wenn es sich überhaupt um rein mythische Literatur handelte, dann ist sie doch nicht einseitig interpretativ, da sie von einer einerseits außerordentlich fixierten, andererseits aber gerade auch von einer übersteigerten Metaphorik leben muss. Gerade diese Metaphorik, die Wunderwelt dieser alten Bildsprache, ist eben auch einer der Schlüssel, der zur Beantwortung der Frage führen könnte, warum Abdallah b. Salam an diesem Ort als VolksHeiliger bis in unsere Zeit verehrt wird.
124 | Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 179: »einen wahren Mythos der (historischen) Vorprägungen Muhammads zu schaffen«. Vgl. a. die ähnlich verkürzte Konversionsgeschichte bei Newby, A History of the Jews of Arabia, S. 85 f. 125 | Gawhary, Die Gottesnamen, S. 51-54. 126 | Wasserstrom, Between Muslim and Jew, S. 179, Fn. 47 f.
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4.3 War Abdallah b. Salam ein religiöser Propagandist? 73
»Unter den bevorzugten Belehrungsquellen des Ibn Abbas129 finden wir vielfach die jüdischen Konvertiten Kaab al-Ahbar (Ibn Saad VII/1, 161, 15 ff.) und Abdallah b. Salam sowie im allgemeinen Ahl al-Kitâb, also Leute aus Klassen, vor deren Mitteilungen sonst auch in Sprüchen, die auf Ibn Abbas selbst zurück-
127 | Haarmann, Die Sphynx, S. 371. 128 | Dhahabi, Tadhkirat I, S. 26, s. a. Ibn Sad, Tabaqât II, S. 352 f. So lautet auch der Titel einer später im 20. Jahrhundert von Rahid Rida in Kairo herausgegebenen reformistischen Zeitschrift. 129 | Abdallah b. Abbas (st. zw. 687-89) war einer der Begründer des Korankommentars (tafsîr) schlechthin.
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Es ist festzuhalten, dass nach Lage der Quellen Abdallah b. Salam nie in Ägypten war. Er hatte somit auch keinen historisch belegten Anteil an der Missionierung und Islamisierung in diesem Land, also auch nicht im Ostdelta. Es kann uns niemand sagen, warum der jüdische Konvertit aus der Frühzeit des Islams in der Region Mansura-Manzala (und nach Stand der Kenntnis nur hier) verehrt wird und warum die Maqame des gleichen Heiligen so unterschiedlich geprägt sind. Dennoch muss der Versuch einer historischen Erklärung – wenn auch möglicherweise nur zur Erhöhung der Komplexität und zur Behauptung der hier allseitig vorliegenden Fiktionalität des Historischen selbst beitragend – unternommen werden. Es ist den wenigen Ansätzen zu endogenen Erklärungsmöglichkeiten zu folgen: In die Richtung der missionarischen, diskursiven und psychologischen Kraft dieses Heiligen und seiner sicher nicht unbedeutenden Rolle als »Übersetzer« oder »Umbucher« des metaphorischen und ideellen Potentials alt-jüdischer und alt-ägyptischer Mythologien in den Entstehungs-Kontext des islamischen Denkens (und umgekehrt natürlich auch eine überzeugende »Einpflanzung« des Islams in lokale, nicht-islamische Kulturwelten) weisen die wenigen Nachrichten hin, die wir aus seiner späteren mit der Frühgeschichte der islamischen Expansion verbundenen Lebensgeschichte erhalten haben. Wie sehr solche Geschichten im Mittelalter noch florierten und zugleich auch von religiösen Eiferern bekämpft wurden, macht Haarmann anhand einer genau diesem Genre der qissas zugehörenden Geschichte deutlich.127 Und doch billigt die spätere muslimische Tradition Abdallah b. Salam allenthalben eine große intellektuelle Rolle zu und beschreibt ihn als einen beständigen Vertreter der festen Haltung (der Orthodoxie), al-urwa al-wuthqâ.128 Abdallah hat – das ist unsere Überzeugung – auch auf seriösem religiösen Boden Gewicht. Dies belegen die auf ihn zurückgeführten Traditionen der frühen Korankommentare. So belehrt uns Goldziher:
geführt sind, gewarnt wird. Nicht mit Unrecht warnt Loth vor der jüdisch gefärbten Schule des Ibn al-Abbas.«130
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Zur Schule des Ibn al-Abbas gehört freilich auch Mujahid b. Jabr, jener Korankommentator, der Abdallah b. Salam als Zeugen preist, auf den die Koranstelle : »wa shahida shâhidûn min bani isrâîl alâ mithlihi« bezogen sei: »qâla Mujâhid: ismuhu Abdallâh b. Salâm.«131 Mujahid selbst galt der orthodoxen Tradition als durchaus verlässlich, gerade, »weil er sich von den Ahl al-Kitâb belehren ließ.«132 In diesem Zusammenhang sollte auch eine Episode nicht unerwähnt bleiben, die Abdallah b. Salam als übereifrigen Konvertiten ausweist und von Abdallah b. Umar überliefert wird. Danach insistiert Abdallah b. Salam in Hinsicht auf Steinigung – gegen die Interpretationen seiner ehemaligen Glaubensbrüder – auf dem veritablen Text der Thora als Gesetz, was zur Tötung eines der Unzucht schuldigen Paares führte. Er wird so ursächlich an der Einführung der Steinigung als Strafe im Islam beteiligt.133 Es ist nur natürlich, dass – wie der Blick ins Internet zeigt – diese und ähnliche Stellen im aktuellen interreligiösen Diskurs eine wichtige Rolle spielen. Wie schon in der Frühzeit des modernen, ja, möglicherweise schon des antiken Diskurses, so scheint auch heute immer noch eines der Hauptthemen zu sein, den Hebräern den Neid als ein Grundmotiv ihres Handelns zu unterstellen, so überraschend auch der italienische Orientalist Caetani, der die »l’ostilitá degli Ebrei« dem Propheten gegenüber hervorhebt, da er für sie ja kein Hebräer war »fosse generata dall’invidia, perché Dio non aveva preferito di mandare un Profeta ebraico. L’opposizione degli Ebrei sia un travisamento dei fatti e che il motivo fondamentale fosse invece soprattutto politico.«134 Deutlich wird diese Haltung am ehesten in der modernen ägyptischen Koraninterpretation, am vehementesten bei Rashid Rida, der die »Isrâîliyât«, also das von den frühen Konvertiten überlieferte Material, gar als zum Zwecke der Unterminierung des Islams fabrizierte Traditionen bezeichnet.135 Zu den Isrâîliyât, den »traditions and reports that contain elements of the
130 | Goldziher, Richtungen, S. 67. 131 | Ibn Sad, Tabaqât II, S. 353; vgl. a. Dhahabi, Tadhkirat I, S. 26. 132 | Ibn Sad, Tabaqât V, S. 344; Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 37. 133 | Ibn Hisham, Sira, hier nach engl. Übers. v. Guillaume, S. 241 ff.; Mingana, »answering-islam«, S. 5. 134 | Caetani, Annali I, S. 413, Fn. 1: »Die Feindschaft der Hebräer mochte auf einem Neid gründen, da Gott es nicht vorgezogen hatte, einen hebräischen Propheten zu senden. Der Widerstand der Hebräer war ein Übersehen der Tatsache, und das Hauptmotiv war statt dessen vor allem ein politisches.« (Übers. G.S.) 135 | Jansen, The Interpretation, S. 27.
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136 | Juynboll, The Authenticity, S. 121: Isrâîlyât, i. e. »Traditionen und Berichte, die Elemente der legendarischen und religiösen Literatur der Juden enthalten«. 137 | Ibid. S. 129. 138 | Ibid. S. 122: Rida behauptete, dass alle Geschichten, die sich um die Schlange herum spinnen, Fälschungen waren und zu den Isrâîliyât gehörten. 139 | Ibn Khaldun, Muqaddimah I, S. 439. 140 | Ibn Khaldun, Muqaddimah III, S. 445: »hingen an der Information, die sie besaßen, wie Information über den Beginn der Schöpfung und des Typs von Vorschauen und Vorhersagen«. 141 | Ibn Khaldun, Muqaddimah III, S. 456: »als Leute von Rang in ihrer Religion und religiösen Gruppe«.
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legendary and religious literature of the Jews«, wie Juynboll uns aufklärt136, hatte die Orthodoxie schon immer ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Das Schlangenmotiv in der Buluqya-Geschichte hätte Rida wohl zu heftigen Reaktionen veranlasst. Doch er scheint sie nicht zu kennen, denn an anderer Stelle erkennt er Abdallah b. Salam als vertrauenswürdigen Zeugen an.137 Das altägyptische Schlangenmotiv scheint aber im Allgemeinen mit jüdischem Einfluss verknüpft zu sein: »Rida contended that all the stories woven around the snake were forgeries and belonged to the isrâîliyât.«138 Wie widersprüchlich solche Zurückweisungen der Isrâîliyât in der Orthodoxie waren – und wie wenig sie im Grunde Abdallah b. Salam als historische Figur betreffen – kann man an der die Position der Orthodoxie zusammenfassenden Behandlung durch Ibn Khalduns Muqaddima anzeigen. Dort wird er unter den – den Treueschwur auf Ali verweigernden – Gewährsmännern der Umayyaden geführt, auf die sich die spätere Orthodoxie durchaus stützte.139 Aber es wird, worauf Goldziher schon in der oben zitierten Stelle hingewiesen hat, vor der Tendenz, den Quran in der Tradition der alten Bibelgeschichten zu interpretieren, gewarnt. Den jüdischen Konvertiten und den Kommentatoren ihrer Tradition wird unterstellt, dass sie »clung to the (information) they possessed, such as information about the beginning of creation and the information of the type of forecasts and predictions«140. Und doch konnten sie auch »as people of rank in (their) religion and religious group« bezeichnet werden.141 Man kann diese Widersprüche nicht anders erklären als aus den Notwendigkeiten der neuen Religion, einerseits den Bruch mit den Vorläufern zu vollziehen, andererseits aber im missionarischen Sinne an den Kontinuitäten der religiösen Metaphorik und Mentalität der Massen anzuknüpfen. Wie man sich den gesamten Diskurs des späteren »Umbuchens« vorzustellen hat, wird andeutungsweise in der von Wolfensohn vorgelegten Dissertation von 1933 deutlich. Die aus den Isrâîliyât hervorgegangenen Prophetengeschichten waren schon im 1. Jahrhundert der Hijra zu einem Massenphänomen geworden, wobei die Geschichtenerzähler, die Qussâs (Pl.), die
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wandernden volkstümlichen Exegeten und Erzähler142, in den Moscheen und auf den Straßen Qisas (Geschichten) aus Koran und Bibellegende verbreiteten. Insbesondere galt es dabei, die Diskrepanz der Darstellungen dieser Geschichten in Bezug auf die Bibel zu erklären. Das Volk pflegte sich dabei in großen Massen zu versammeln, um den Qâss (Sg., Geschichtenerzähler) zu hören, und Männer und Frauen spendeten dem Redner Beifall durch laute Zurufe und Ausstrecken der Hände, wie es noch heute beim Anhören von Vorträgen der Dichter und Sänger Sitte ist. Schlagfertigkeit im Beantworten von Fragen und Erfinden von »richtigen« Details zeichneten diese Erzähler aus. »Vor dem Volke« galten sie als »Gelehrte« und waren oft weit mehr geachtet als die vom Fach und Profession.143 Und auch hier spielten die Isrâîliyât, also eben die von jüdischen Konvertiten überlieferten Legenden über biblische Gestalten, eine besondere Rolle.144 Ein Konvertit, der manchmal zusammen mit Abdallah b. Salam genannt wird, ist eben Kab al-Ahbar (st. 654-5), der wie Abdallah b. Salam später auch Umar, Uthman und Muawiya nahe stand und gleichermaßen als Berater und Hellseher fungierte und in Ägypten noch heute große Verehrung genießt: »In Cairo befindet sich in einer Moschee ein heiliges Grab, welches für die Begräbnisstätte des Kab gehalten wird. Da er aber sicher nie in Ägypten gewesen ist, muss man annehmen, dass das Grab nur ein von seinen Verehrern für ihn erbautes Ehrenmal ist, zumal sich in Ägypten mehrere solcher Gräber von Heiligen, die nie das Land besucht haben, befinden.«145
Der um einige Jahre jüngere Kab darf als Vergleichs- und Parallelfall zu Abdallah betrachtet werden, wenn er auch die überragende Stellung, die Abdallah genießt, nicht hat. Dennoch, auch hier gilt die Bedeutung der Legenden: »Die besondere Verehrung, die Kab in Ägypten genoss, darf man vielleicht mit der Tatsache erklären, dass die späteren Legendensammlungen146 den Namen des Kab besonders mit den Jusuf-Legenden verknüpfen, deren Schauplatz meist nach Ägypten verlegt wird, und die daher gerade dort sehr im Volke verbreitet sind.«147
142 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 161 ff. 143 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 167. 144 | Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 62. 145 | Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 32, beruft sich auf Lane, Manners, S. 237, 248-50, 448, 451. 146 | Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 33. 147 | Man mag auch daran ermessen wie stark die topologischen und metaphorischen Komponenten das Feld, auf dem diese Legenden wanderten, bestimmen: Ich erinnere an das zum
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Und hier ein Hinweis auf den Ort des Maqams des Kab al-Ahbar: 77
Lässt sich von hier und über den Umweg des jüngeren Konvertiten Kab al-Ahbar, der sich doch so grundsätzlich von Abdallah b. Salam unterscheidet, eine Brücke für Abdallah nach Ägypten bauen? Wohl nicht. Man hat ja gerade in Kairo Maqame einer Reihe von Prophetengenossen, deren Anwesenheit dort zumindest zweifelhaft ist.150 Aber auch die Stellung des Abdallah b. Salam ist eine gegenüber den anderen Konvertiten absolut andere. Kab al-Ahbar trat erst spät »unter Abu Bakr oder Umar zum Islam über«151 und starb bereits 34/654-5. Er gehört zu den yemenitischen jüdischen Konvertiten, die unter Uthman in Hims in Syrien siedelten.152 Dem kritischen, von Rashid Rida wieder aufgewärmten Bild einiger Traditionarier gegen die Isrâîliyât steht unangefochten jener Abdallah b. Salam gegenüber, der in der orthodoxen Tradition (die ja auch heute an den Grabmalen in voller Breite zitiert wird) und von daher auch im Volksglauben – über allen Zauber und Geschichten hinaus – als verlässlicher Muslim gilt. Dieser Befund bedarf der stützenden Erklärung. Es ist deshalb der Frage nach der missionarischen, diskursiven und psychologischen Kraft Abdallah b. Salams weiter nachzugehen. Gab es eine Rolle als »Übersetzer« oder »Umbucher« über die Ebene des Metaphorischen, Mythischen und Ideellen hinaus? Gab es den politischen Missionar? Folgt man dem Anstoß, den Crone und Cook mit einem hyperkritischen Exemplar der modernen Textwissenschaft geliefert haben, so könnte man im Konstrukt des Heiligen vielleicht doch der Wahrscheinlichkeit einer solchen These etwas abgewinnen. Die Vorstellung von separaten Kontexten einer bestimmten Quellenlage, die in die unterschiedlichsten (lokalen, zeitlichen und sprachlichen) Gebiete der Ausbreitung des Islams hineinreichen, ist wohl am radikalsten in jener Studie von Patricia Crone und Michal Cook zum »Hagarismus« ent-
Joseph-Komplex zählende Sulaikha-Motiv, das mit dem der Susanna eine gewisse Verwandtschaft aufweist. Vgl. S. 43-45. 148 | S. Alî Bâsha Mubârak, al-Khitat. 149 | Wolfensohn, Kab al-Ahbar, S. 33. 150 | So z. B. a. van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 376. 151 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 160. 152 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 177, 325 f.
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»Die Cairiner Moschee Kab al-Ahbar (Ali Bascha Mubarak, al-Khitat taufiqiyya II, S. 96)148, in der noch andere Heilige begraben sein sollen, befindet sich im Vorort Sajida Zainab. Der Eingang dieser Moschee liegt an der Hauptstraße Shari al-Nasiriyya; man kann jedoch auch von dem schmalen Gässchen Harat al-Sayis hineingelangen.«149
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wickelt worden.153 Man mag nun ihre heute merkwürdig erscheinende, äußerst kritische Ausgangsposition, der Islam sei alleine durch die Tatsache seines einsamen Spätkommens »an unusual, and for a number of related reasons a peculiar historical event«154, teilen oder nicht, Crone und Cook ist es gelungen, durch das Wegblenden der islamischen Quellen und durch die Implementierung einer zugegebenermaßen kleinen Anzahl von nicht-muslimischen Quellen dem konventionellen muslimischen Bild eine komplementäre Interpretationslage der frühislamischen Expansions- und Diskursgeschichte entgegenzuhalten. Zumindest darf man aus der Sicht dieser Lage heraus ein paar Fragen stellen, die sich auf die Rolle der Konvertiten in diesem Prozess beziehen und unter diesem Aspekt plausibel verfolgt werden könnten. Etwa die Folgende: Wie hat sich der jüdische Messianismus als Idee gewissermaßen diskursiv und rückwirkend aus der Expansionsgeschichte des Islams in Palästina und Ägypten unter dem Kalifen Umar auf die Gestaltung der Lebensgeschichte des Propheten und seiner Umgebung am »Ursprung« in Medina ausgewirkt? Dies ist eine Crone und Cook’sche Frage, die aber noch ganz monologisch kritisch sich am modernen Authentizitätsdenken orientiert. Crone und Cook sprechen unter dem Gesichtspunkt der Massenwirkung und der Überzeugungskraft von dem »messianic aspect of the conquest of Palestine« und der respektiven »warmth of the Jewish reaction to the Arab conquest«.155 In diesem Kontext entwickeln sie ihre These von einer rückwirkenden Erfindung des Propheten und seiner Biographie. Allein die in Palästina gefundene Metapher des »Umar al-Fârûq« schließt an die jüdische Idee des, die gepredigte Ankunft »dessen, der da kommen wird«, erfüllenden Propheten an. Es wird – und dem braucht man nicht zu folgen – von hier ausgehend unterstellt, dass von den Juden, die mit den Arabern verbunden waren, eigentlich zuerst diese Idee produziert wurde und sie von dort ausgehend schrittweise im 8. Jahrhundert in die dem 7. Jahrhundert zugeschriebenen islamischen Quellen eingebracht wurde. Textkritik ist nun einmal auf »Quellenfälschung« spezialisiert. Man könnte hier die These von der Rückdatierung des messianischen Elements als diskursiven Ausfluss einer verbildenden und in drastischer Weise interventiven Verschärfung der kritischen Hadithwissenschaft und Koranforschung in der Folge von Goldziher und Schacht begreifen, aber dies ist für den hier sich stellenden Zusammenhang unwichtig. Die Frage, die wir stellen, und die die in der islamischen Tradition
153 | Crone/Cook, Hagarism. 154 | Crone/Cook, Hagarism, S. VII: »ein ungewöhnliches, und wegen einer Reihe von verwandten Gründen, ein seltsames historisches Ereignis«. 155 | Crone/Cook, Hagarism, S. 6: »dem messianischen Aspekt der Eroberung Palästinas« und der respektiven »Wärme der jüdischen Reaktion auf die arabische Eroberung«.
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156 | Crone/Cook, Hagarism, S. 6: »die Juden, die sich mit den Sarazenen mischen«. 157 | Wellhausen, Reste, S. 113-135. 158 | Hims ist für die Geschichte der Ausbreitung des Islams sehr wichtig. Der Schwede Jan Retsö vertrat kürzlich in einem Essener Vortrag (KWI 2004) die These von der militärischen Bedeutung der Jemeniten von Hims. Vgl. zur Rolle dieser Stadt auch van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, passim. Wie in Bezug auf die einzelnen Figuren, so fehlen auch in Bezug auf die individuellen Orte umfassende Einzelstudien.
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stehenden Nachrichten von den frühen Konvertiten einbezieht, richtet sich auf deren Rolle in der Ausbreitungsgeschichte selbst und bei der Konstitution neuer, sich entwickelnder Dialogfelder. Die Frage der Authentizität ist hier – man möchte es zynisch einfügen (und wird dafür bestraft werden): in der Wissenschaft heute wie in der damaligen Praxis – nicht das eigentlich Entscheidende, sondern sie ist in Wirklichkeit Mittel des Dialogs. Wenn die erobernden Araber sich der Konvertiten im Dialog mit der jüdischen und christlichen lokalen Bevölkerung bedienten, und das scheint plausibel, dann greifen sie auch in diesen Dialog ein. Dass die »Jews who mix with the Saracens«156 in diesem Dialog eine wichtige Rolle spielten, dem können wir allein schon unter Berücksichtigung des oben zu den Isrâîliyât Gesagten folgen. Wie und in welche Richtung sich die Dialogfelder öffneten, davon haben wir nur wenige Anhaltspunkte, wir haben oben auf die Richtung der vorislamischen Topologie und Metaphorik und die mentalen Bedingungen der Volkskultur hingewiesen. Unter dem Gesichtspunkt der frühen Missions- und Ausbreitungsgeschichte sind möglicherweise auch die verschiedenen Schattierungen des Messias-Gedankens aufzugreifen. Man könnte von der Tatsache von Abdallah b. Salams Begleitung des Kalifen Umar bei seiner Ankunft in Jerusalem und seiner Nähe zu den Kalifen Uthman und Muawiya ausgehen und auf seine Bedeutung für die lokal überzeugende Ausformung des theologischen Diskurses während des Siegeszugs der Araber in Palästina, Syrien und Ägypten schließen. Auch Berichten, dass 35 H. eine ägyptische Einheit zu spät zur Befreiung Uthmans nach Medina kam, dass aber nach Wellhausen die Ägypter die eigentlichen Meuterer gegen Uthman waren157, wäre nachzugehen. Wenn auch widersprüchlich, so lassen sie doch Raum für Spekulationen hinsichtlich früher Kontakte Abdallas mit Ägyptern und von daher seines Einflusses auf die theologische Szene in Ägypten. Es gibt ein paar weitere Anhaltspunkte: Wolfensohn weiß, dass Kab al-Ahbar zum Zeitpunkt des Mordes an Uthman Medina verlassen hatte. Er ging nach Hims, damals ein Sammelort jemenitischer jüdischer Konvertiten, die dort den Gedanken der militärischen Eroberung Konstantinopels schmiedeten.158 Auch andere »einflussreiche Personen, die weder für noch gegen den Kalifen Stellung nehmen wollten« verließen Medina: Ibn Abbas hielt sich zur Zeit des Attentats in Mekka auf, Amr b. As war in Palästina; unter
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den Zurückgebliebenen befand sich Abdallah b. Salam, der den Kalifen verteidigte, als die Rebellen ihn töten wollten.159. In solchen Berichten werden auch die lokalen Verzweigungen in den Einfluss-Sphären der führenden Persönlichkeiten deutlich. Das wird auch dadurch unterstützt, dass die medinensische Gemeinde der Juden enge »rapporti spirituali e forse anche commerciali con le communità ebraiche della Palestina e della Babilonia« unterhielt.160 Es soll denn auch Abdallah b. Salam gewesen sein, der die besondere Bedeutung einzelner biblischer und koranischer Orte in Jerusalem für die neue Religion erläuterte: »In fact, eschatological descriptions assign a special role to the Temple Mount, the Valley of Hinnom and the Mount of Olives. According to Abdallah ibn Salam, a Jew from Medina who embraced Islam after Mohammeds arrival in that city, the sirat – the narrow bridge over the valley on Hinnom which all creatures must cross on Judgement Day – extends between the Mount of Olives and the Templearea (e. g. Muslim Iman III, 20/21).«161
Wir dürfen von diesen Berichten und Erzählungen annehmen, dass sie in das weite Reich des lenkenden »historischen Erzählens« gehören. Stefan Leders Untersuchung der »Erzählung von der Befragung Abu Sufyans durch Heraklios« liefert dazu ein ausgezeichnetes Beispiel und vielleicht auch eine Parallele zu den Geschichten Abdallahs.162 Doch lässt sich die »Vernetzung« des Abdallah im Kontext des ägyptischen Ostdelta aus der »Thematik« und den »Überlieferungskontexten« seiner Geschichten allein nicht erklären. Die Heiligenverehrung des Abdallah b. Salam in Ägypten hat auch eine konkrete Bedeutung der modernen Präsenz und der aktuellen Rekonstruktion des Sozialen. Hier hätte, die von Wasserstrom in Bezug auf einzelne Legenden und Geschichten – wie ich meine zu Unrecht – angesetzte Dimension der nachwirkenden Mythologisierung und Islamisierung jüdischen Materials in der Tat ihre Berechtigung.
159 | Wolfenson, Kab al-Ahbar, S. 31 (nach Tab, Ann. I, 3017). 160 | Caetani, Annali I, S. 414: »spirituelle und möglicherweise auch kommerzielle Beziehungen mit den jüdischen Gemeinden in Palästina und Babylonien« (Übers. G.S.) unterhielt. 161 | Hirschberg 1951-2: 342-3: »In der Tat, eschatologische Beschreibungen weisen dem Tempelberg und dem Olivenberg eine besondere Rolle zu. Nach Abdallah b. Salam, ein Jude aus Medina, der den Islam nach Muhammads Ankunft in der Stadt annahm, erstreckt sich die sira (hier als ›Brücke‹ übersetzt, sonst aber Weg, und auch Lebensweg, Biographie des Propheten, G.S.) – die enge Brücke über das Tal von Hinnom, die alle Lebewesen am Tag des Jüngsten Gerichts zu passieren haben – zwischen dem Olivenberg und dem Tempel-Bezirk (e. g. Muslim Iman III, 20/21)« (Übers. G.S.). 162 | Leder, Herklios, S. 4.
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5. Offene Fragen 5.1 Warum ist Abdallah b. Salam ein islamischer Heiliger?
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Wollte man von einer idealtypischen Bestimmung islamischer Lokalheiliger in Ägypten ausgehen, so fällt auf, dass sich hier aus der inneren Sicht der Muslime primär die Frage des Ranges unterschiebt. Doch es ist schwer, den Rang nur nach endogenen Gesichtspunkten zu beantworten, denn die Parameter der Wertung eines Heiligen sind keineswegs eindeutig. Es lohnt sich aber zunächst einmal der inneren islamisch-religiösen Sicht zu folgen. Die Maqame der Mitglieder der Familie des Propheten, der Ahl al-bayt, sind offensichtlich alle in den großen Städten platziert: Al-Husain, Sayyida Zainab, Sayyida Nafisa z. B. in Kairo und viele mehr. Aber allein die Zugehörigkeit des Heiligen zur Prophetenfamilie sichert ihm noch lange nicht eine überragende Stellung im Grad der Verehrung. Das mag in gleichem Maße für Heilige gelten, die zu den Prophetengenossen gezählt werden, und die – ebenfalls vor allem in Kairo – über eine Vielzahl von Maqamen verfügen. Der große Rechtsgelehrte al-Shafii (150-204 H./767-819 A. D.) aber gehörte weder zur Sâda (Abkömmlinge der Prophetenfamilie) noch der Sahâba (Prophetengenossen) an. Er ist vielmehr eine orthodoxe, nur auf den Propheten zurückgreifende Hadithe anerkennende Autorität und Begründer einer eigenen, der schafiitischen Rechtsschule. Seinem Maqam in der Totenstadt von Kairo kommt noch heute eine überaus große Verehrung zu. Und zugleich gilt, dass nicht jedes Maqam eines großen Gelehrten unter dem Gesichtspunkt des Grades der heutigen Verehrung von großer Bedeutung wäre. Handelt es sich aber um einen ägyptischen Heiligen, der zu den vier großen Polen der sufitischen Tradition gehört, so ist ihm eine überragende Stellung in der Beachtung und Verehrung der Massen gewiss: Sayyid Ahmad al-Badawi (596-675 H./1200-1276 A. D.) in Tanta und Ibrahim al-Disuqi in Disuq (633-676 H./1236-1277/oder 1296? A. D.) stellen neben den großen Figuren des offiziellen Sufismus, den Iraqern al-Jilani (470-561 H./10771165 A. D.) und al-Rifai (512-578 H./1118-1182 A. D.) die (ägyptische) Hälfte der vier Pole in der Welt des Sufismus dar.163 Im ländlichen Ägypten (aber auch in den Städten, wo sie allenthalben präsent sind, aber nicht so sehr auffallen wie im flachen Land des Deltas) werden eine Unzahl von anderen Heiligen verehrt. Diese sind Mitglieder der Prophetenfamilie oder Genossen aus der Zeit der Futûh, der islamischen Eroberungskriege Ägyptens, Helden der Kämpfe gegen die Kreuzritter oder zu einem großen Teil historische
163 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 338 ff.; Mayeur-Jaouen, al-Sayyid al-Badawi; Hallenberg, Ibrahim al-Dasuqi.
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Führer lokaler Sufi-Tariqas und ihrer Zweige. Zu einem nicht minder großen Teil aber werden auch einfache Figuren (salihin) verehrt, deren lokales Charisma über die Anteilnahme ihrer Familien hinausreichte. Auch solche, in rein religiösen Termini eher unscheinbare, Figuren können im Laufe der Geschichte und dann bis in die Gegenwart hinein – vereinzelt mit einen hohen Grad der Mobilisierung – mit religiöser Verehrung rechnen. Auf der untersten Stufe stehen die in der Anonymität verharrenden Sheikhs, oder jene deren Namen so allgemein sind, dass sie – wie Goldziher meint164 – die Anonymität des Grabes und Ortes nur verdecken sollen. Aber auch über jene ist der letzte Spruch der Geschichte nicht gesprochen, denn es können lokale Umstände zu einer plötzlichen Blüte führen und im Zusammenspiel mit anderen Heiligen kann es zu ihrer Erhebung im Glanze der Verehrung kommen165. Das Fest, das Mawlid, scheint ja nicht vom Rang des Heiligen selbst abzuhängen, sondern (wie schon der Vergleich der Festdaten unserer Maqame allein andeutet) im Wechselspiel der lokalen Ereignisse auch von der Lage und sozialen Einbindung des Maqams. Es wird so bei der beschriebenen Vielfalt der Natur der Heiligen klar, dass sich aus der endogenen Sicht der religiösen Verehrung allein die Bedeutung eines Heiligen nicht bestimmen lässt. Ebenso ist zu betonen, dass die Chance zum Goldgräbertum, die das Mawlid an einem Tell eröffnet haben mag, eine Erklärung für den Ort des Heiligen und seines Festes allein nicht liefern kann. Gleichermaßen aber kann man die Frage des wirklichen und aktuellen Ranges, der einem Heiligen von der lokalen Bevölkerung zugewiesen wird, nicht nur von religiösen Faktoren her erklären. Es treten andere Elemente der Wirkung hinzu, und auch diese sind nicht immer sichtbare Teile der inszenierten Ausstattungen vor Ort. Sonst wäre nicht zu erklären, warum aus religiöser Sicht »hoch« zu stellende Heilige manchmal so wenig Beachtung finden und in der religiösen Hagiographie »niedrig« stehende durchaus große Bedeutung gewinnen können. Die Frage des angestammten Platzes des Heiligen im ägyptischen Pantheon beziehungsweise die Frage nach Authentizität oder Pseudo-Charakter seiner historischen Figur tritt im Arrangement der lokalen Praxis hinter die Frage nach den symbolischen, religiösen, aber auch kommerziellen und ideologischen Nutzungseffekten und Inszenierungspotenzialen zurück. Dass Abdallah zugleich als Autor der im Volk weiterlebenden Legenden und als Leitbild des orthodoxen Gelehrten und als Konvertit gilt, dass es örtliche Mythen der jüdischen Präsenz, dass es eine monumentale Präsenz
164 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 384. 165 | Einzelbeispiele etwa bei Blackman, The Fellahin, S. 240-266 (unter Einschluss der Kopten); vgl. a. Blackman, Some Social and Religious Customs.
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5.2 Wird Abdallah b. Salam nur in dieser Delta-Provinz verehrt und warum? Historisches Gedächtnis realisiert sich nicht nur in Texten überlieferter Geschichte. Es bedarf der Organisation eines sensorischen Feldes, über das sich die Präsenz eines heiligen Subjekts und zugleich der Begriff seiner Authentizität vermitteln lassen. Man könnte hier in Anlehnung an MerleauPonty in Bezug auf unseren Heiligen und sein Grabmal davon sprechen, dass gerade »die Präsenz eines leiblichen Subjektes in der Wahrnehmung«167 die Perspektive der Wahrnehmung selbst vermittelt: In der (fiktiven) Annahme des Leichnams des Heiligen setzt sich das betrachtende (betende) Subjekt selbst seine Perspektive. Das Heilige ist so wohlverwurzelt in der Lebensweise der Menschen. Man muss sich dies in der Tat als eine andere Form der Geistigkeit vorstellen, als eine dingweltlich gefütterte Form der Geistigkeit, auf die sich der moderne, auf Entsinnlichung gerichtete Begriff des Spirituellen kaum noch beziehen lässt. Die muslimische Heiligenverehrung in Ägypten stellt einen besonders reichhaltigen Fundus für die perspektivische Präsens des Heiligen zur Verfügung. Je nach Geschichte des Heiligen, nach Lage seines Grabmals und nach Beachtung, Interesse und Historie der ansiedelnden Bevölkerung gestalten sich aus der selbst gesetzten Bindung an den Heiligen die Arrangements und symbolischen Ausstattungen, die nur äußerlich bestimmten Stereotypen gehorchen. In den – in der vorläufigen Sichtung des ersten Bandes einer Trilogie – angesprochenen Fällen handelt es sich um
166 | Vgl. de Meulenaere, Mendes II, S. 21-169. 167 | Merleau-Ponty, Das Primat, S. 94.
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des Pharaos, dass es zugleich monotheistische Urtraditionen der Zurückweisung des magischen Symbolcharakters des Ortes selbst gibt, all das sind mögliche Komponenten des Jahrhunderte langen Wechselspiels der Präsens des Heiligen an seinem Haupt- und an seinen »brüderlichen« Nachbarorten. Es ist der Kontext der lokalen Inszenierungen, der das Maqam zum Gegenstand eines offenen und keineswegs eindeutigen symbolischen Spiels macht. Dieses schließt, wie wir von den vielfältigen historischen Ansichten und Nutzungen der Maqame durch Archäologen wissen166 und an den politisch-religiösen oder auch nur rein administrativen Interventionen erkennen, die in vielfache Lager geteilte beobachtende Welt draußen mit ein. Auch diese Außenansichten werden reaktiv am Ort verarbeitet. Dem entspricht ganz die fantastische Fähigkeit der Ägypter einmal aus der Literatur vor Ort vorgetragene Geschichten wieder lebendig zu machen und als authentisches lokales Wissen zu bezeugen.
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ein und denselben Heiligen Abdallah b. Salam. Seine Grabmale liegen an verschiedenen Orten mit verschiedener Historie und doch sind alle in der gleichen, Erinnerung weckenden Landschaft mit »Tiefeneindruck«, dem XVI. Gau von Mendes angesiedelt, der nach Kees in der spätdynastischen Zeit – also cum grano salis der ersten Hälfte des letzten Jahrtausends vor Christus – in Blüte gestanden168, nach Hibbs für die ptolemäische und römische Zeit eine städtische Kultur eigner Prägung hervorgebracht hat169 und nach Hoffmeier für die »Exodus-Tradition« von besonderer Bedeutung gewesen sein muss.170 Zwei Grabstätten liegen in unmittelbarer Nähe eines Tells, eines Trümmerhügels aus der Antike (I und III), und es gibt bei beiden Anzeichen dafür, dass es sich auch um Orte handelt, an denen schon in koptischer Zeit frühchristliche Märtyrer als Heilige verehrt wurden. Eine Grabesstätte liegt in einem Friedhof inmitten eines kleinen, sonst unscheinbaren Dorfes (II). Zwei Grabmale werden von Ordensbrüdern unterschiedlicher Sufi-Tariqas aus den anliegenden Dörfern unterhalten. Diese organisieren auch die Feste (mawlid, Pl. mawâlid) (I und II). Ein Grabmal (III) ist eine abgelegene Wallfahrtsmoschee für Fischer und Bootsleute. Ein auf die Person des Heiligen bezogenes Fest (mawlid) findet hier nicht statt. Das Fatale dieser Grabesorte unseres Heiligen ist, dass es ein übergeordnetes Erfahrungsmodell, wie etwa »Gelehrter«, »Märtyrer« oder »Konvertit und Missionar« etc. nicht gibt, das uns eine vergleichbare Zuordnung ermöglicht. Ebenso wenig gibt es ein durchgängiges Gestaltungsmodell vor Ort. Auf die Unterschiede der Verwaltungsformen, ja, ihre Vermischungen miteinander, haben wir hingewiesen. Es ist die Frage zu stellen, inwieweit es andere Momente der translokalen Anwesenheit, wie etwa innere, religiöse Momente gibt, die uns bei der Erklärung des Phänomens der Verehrung Abdallah b. Salams in dieser östlichen Region des Nildeltas helfen könnten. Im Allgemeinen wird die Heiligenverehrung im Islam als eine Art Fremdkörper betrachtet, der weder mit der »säkularen« Natur des Propheten als Mensch noch mit den Offenbarungen des Korans im Einklang steht. Ignaz Goldziher macht denn auch immer wieder darauf aufmerksam wie sehr puritanische Sunniten und aufgeklärte Skeptiker sich gegen diese Praxis wandten. Er macht den »Einfluss geerbter Instinkte der Gläubigen«171 und eine Reihe von »psychologischen Faktoren«172 für den Fortbestand dieser kultischen Praxis verantwortlich. In gewisser Weise gilt dies auch für die
168 | Kees, Das Alte Ägypten, S. 105. 169 | Hibbs, The Mendes Maze, S. 2. 170 | Hoffmeier, Israel in Egypt, S. 176-198. 171 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 277. 172 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 286.
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173 | Goldziher, Muhammedanische Studien II, S. 334. 174 | Holladay, Cities of the Delta, S. 9: »das östliche Nil-Delta (ist) eine wichtige Zone des Kulturkontakts zwischen Asien und Ägypten«. 175 | Goldziher, Mythos bei den Hebräern, S. 336-40. Vgl. a. Goldziher, Muhammedanische Traditionen, S. 71. 176 | Goldziher, Ali Bascha Mubarak, S. 384. 177 | Kees, Mendes; idem, Thmuis. 178 | EAAE, S. 663.
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Wahl des Heiligenortes, des Maqams. Goldziher zitiert hier eine Formel von Ernest Renan, »dass die Menschheit von Anfang an immer am gleichen Platz betete.«173 Das Ostdelta ist nicht nur durch solche uralte »Gebetsplätze« geprägt, sondern es ist auch, wie John Holladay bemerkt, eine Zone des Jahrtausende alten Kulturkontakts: »the eastern Nile delta, an important culture contact zone between Asia and Egypt.«174 Unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Hypothek, den die Völker- und Religionsgeschichte dem nord-östlichen Raum des Deltas hinterlassen hat, wäre hier zu fragen, wie sich Häufung und Lokalisierung der Maqame des Abdallah b. Salam gerade in dieser Region erklären lassen. Goldziher war auch hier der erste, der auf die Unbefangenheit – wie er meint – »der muhammedanischen Volkstradition«, ja, deren »eifrige Geschäftigkeit«, »das Grab einer und derselben Person an verschiedenen Orten nachzuweisen«, hingewiesen hat.175 Insofern ist das Phänomen der vielen Maqame des Abdallah b. Salam selbst nichts Ungewöhnliches. Die Frage bleibt aber, warum eine solche Häufung von seinen Grabesorten in dieser Region und speziell an diesen Orten zu finden ist. Ohne die Frage beantworten zu können, wollen wir uns ihr noch in einem weiteren Schritt nähern, indem wir uns noch einmal der geographischen Nachrichten annehmen, die uns, die historische Signifikanz der einzelnen Grabesorte einschließend, vorliegen. Schon den ägyptischen Kulturtopographen des 19. Jahrhunderts waren die oft faktische Nähe von islamischen und altägyptischen Denkmälern aufgefallen, so etwa Ali Mubarak, der in seiner al-Khitat tawfiqiyya al-jadîda bereits auf ein Osiris-Grab hinweist, das zu einer zawiya al-maslub geworden sei.176 Mendes und der Tell von Thmuis gehören in diese Osiris-Tradition. Im Altertum waren Mendes und Thmuis vielfach von Frauen verehrte Orte der Fruchtbarkeitsbringung.177 Sie sind es bis heute geblieben. Der Tell von Thmuis (Maqam I) hat Funde vom 4. Jahrhundert vor Christus und noch bis ins 9. Jahrhundert nach Christus datierende Scherben islamischer Keramik hervorgebracht.178 Dies wäre – wenn den Tatsachen entsprechend – ein klarer Hinweis auf eine relativ integrierte Kulturgeschichte des Ortes. De Meulenaere verzeichnet bis ins 18. Jahrhundert zurückgehend die Berichte westlicher Reisender und Archäologen in Mendes
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und Thmuis. Oft wird dabei die Qubba des Abdallah b. Salam erwähnt, als ein Ort, der den Reisenden Ruhe (und ein Gefühl der Fremderfahrung am heiligen Ort des kulturell Anderen), den Archäologen Schutz und den Funden Lagerung gewährt, bevor sie nach Kairo abtransportiert werden. »The south kom abuts on the southeast corner a little village of Kafr Amir Ibn es-Salam where we were received with much courtesy by the ghafir of the Antiquities Department. He opened the storeroom for us and let us fotograph the fragmentary sculpture and copy the inscriptions which are kept there.«179
Die offizielle ägyptische Geographie aus dem Jahre 1945 führt das Dorf Kafr al-Amir Abdallah unter den historischen Dörfern (al-bilâd al-qadîma) des Distrikts Sinbelawin. Es wird hier einmal behauptet, dass der Name von den gewissen Bani Abdallah aus osmanischer Zeit stamme, und im Jahre 1228 erstmals als Kafr al-Amir Abdallah erwähnt sei.180 Ja man könnte ganz dieser Wirklichkeitskonstruktion folgen, wenn man sie in die Reihe einer weiteren lokalen Inszenierung stellte, denn 1869 berichtet Daninos Pasha von einem Besuch am »tell Tmay (village d’Abdallah-ben Salam)« von einem Onkel eines gewissen Salem und einem Salem als Führer und Helfer auf dem Tell.181 Hat dieser Salem aber etwas mit den Muhammads und Mahmuds al-Salam zu tun, die aus Waleela kommend hier die Khalifa bei der Zaffa und Mawlid am Maqam des Abdallah stellen? Oder sind dies alles nur fiktive Parallelen? Die Familie der Ghafirs vom Maqam des Abdallah in al-Amir verheiratet noch heute ihre Töchter an die Salams in Waleela. Darüber hinaus aber wird betont, dass das Dorf beim Volk (ind alâmma) damals unter dem Namen Kafr Ibn Salam bekannt war und dass sie (die Leute) sagten, mit dem al-Amir sei eben Abdallah b. Salam, der Prophetengenosse, gemeint, und dass das Grabmal dieses Dorfes eben das seinige sei und dass sie darin eine große Überzeugung hätten und es dauernd bewallfahrten (yazûrûnahu dâiman). Der Autor endet lakonisch mit der Formel: Nur Gott weiß die Wahrheit (wa- allâhu alam bi-l-haqîqa).182 Der Tell wird hier nur im Zusammenhang mit dem auch heute noch so genannten, auf der Südostseite weiter weg vom Tell liegenden Dorf Tumai al-Imdid
179 | Bothmer, Newsletter, S. 8: »Der südliche Hügel grenzt an die südöstliche Ecke des kleinen Dorfes Kafr Amir Ibn es-Salam an, wo wir mit großer Höflichkeit vom ghafir (Wächter) der Altertumsverwaltung empfangen wurden. Er öffnete uns den Lagerraum und ließ uns die fragmentarischen Skulpturen fotografieren und die Inschriften, die hier gehalten werden, abschreiben«. 180 | Ramzi, al-Qamûs II/1, S. 194. 181 | de Meulenaere, Mendes II, S. 92. 182 | Ramzi, al-Qamûs II/1, S. 194-5.
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183 | Ramzi, al-Qamûs II/1, S. 187-9; vgl. a. idem, Qamûs II/1, S. 197 (al-Rub). 184 | Vgl. hierzu a. Halm, Ägypten, S. 710. 185 | Ramzi, al-Qamûs, II/1, S. 218. 186 | Ramzi, al-Qamûs, II/1, S. 209. 187 | Vgl. Mayeur-Jaouen, al-Sayyid al-Badawi, S. 98, Fn. 70; S. 258; S. 262. 188 | de Meulenaere, Mendes II, S. 51; S. 74.
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erwähnt, eben als Teil der Doppelstadt Mendes.183 Man kann sich natürlich ganz im Sinne Goldzihers hier durchaus ein Arrangement in der Psychologie des Volkes (der Fellachen) vorstellen, die die lokale Legende vom »Tell bint al-Yahûdi«, einer (zu Recht) untergegangenen Stadt einer Königin der Juden, mit der Auferstehung eines sagenhaften jüdischen Konvertiten zum Islam und Prophetengenossen verbindet. Eine ähnliche Lage aber kann man für die beiden anderen – uns derzeit bekannten – Orte des Heiligen nicht reklamieren. Über Barq al-Izz (Maqam II) im Distrikt Mansura wissen wir nur das Wenige, das uns Ramzi in seinem geographischen Wörterbuch liefert: das Dorf habe in früher Zeit »Barbansaqa« oder auch »Birqinqis«184 oder »Bir Bansaqa« oder »Bir Bansafa« geheißen, im Volksmund scheint es »Birqinqis« genannt worden zu sein, 1228 H. wurde es als Barq Naqs offiziell registriert. Auf Antrag eines lokalen Scheichs wurde es im Jahre 1930 in Barq al-Izz (Blitz des Ruhms) umbenannt.185 Keine weiteren historischen Ereignisse werden benannt, von der Existenz des Maqams des Abdallah b. Salam und dem Einfluss, den er möglicherweise auf diese Namensänderung gehabt haben könnte, wird uns nichts berichtet. Ähnlich liegt der Fall im Maqam III (das Maqam im Manzala-See bei Matariyya). Da Ramzi vornehmlich mit den Ortsnamen und ihrer historischen Registrierung beschäftigt ist (wenn er auch manchmal auf die Geographie der Antike zurückgreift), erfahren wir hier nur etwas über die Zusammenlegung zweier Ortschaften unter dem Namen Matariyya im Jahre 1903. Das Maqam des Abdallah wird nicht erwähnt. Nichts erfahren wir von dem weiten Tell der Gezira.186 Ob es sich hier um den Platz eines »islamisierten« koptischen Heiligen handelt, können wir nicht bestätigen, da die Fischer von Matariyya eine Insel »Tuna« nicht kennen.187 Der englische Reisende Hamilton hat zu Beginn des 19. Jahrhunderts hier einen Tell ausfindig gemacht, von einem Maqam aber nichts gesehen. Später findet – wie schon gezeigt – der englische Erkundungsreisende und Archäologe Burton den Tell in der Nähe von Matariyya nicht, wird aber von den Bootsleuten an diesen Ort verwiesen, von dem sie offenbar ein ehrfürchtiges Wissen bewahrten.188
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6. Annäherung an eine säkulare Theorie des Heiligen Katherine Mayeur-Jaouen hat eine über Goldzihers religiöse Erklärungen hinausgehende, gewissermaßen exogene Sicht eröffnet, die den Einbezug nicht-religiöser, sozialer und materieller Elemente in den Konstruktionskontext des Heiligen ermöglicht. Das Gewicht wird hier auf drei Faktoren gelegt, die, neben den sich im Wesentlichen auf das historische Bild der Person des Heiligen beziehenden religiösen Erscheinungen, vor allem auch »säkulare« Bedingungen der Pflege und Verehrung seiner Grabesstätte, des Maqams, einbeziehen: Erstens hebt sie die Bedeutung des waqf khayri (der religiösen Familienstiftungen) hervor, wodurch etwa eine bestimmte lokale Familie, ihr Wohlstand, ihre Reputation und damit ihr – auch translokal vermittelter – sozialer Status in der Gesellschaft über Jahrhunderte an die Pflege eines Maqams gebunden sind. Nicht immer, aber oft damit verbunden, zeigt sich ein zweiter Faktor: die vornehmliche Bindung einer oder mehrer Sufi-Tariqas an den Ort des Maqams durch die Errichtung und die Pflege von Zawiyas und die damit verbundene rituelle Ausstattung eines Heiligen (ziyarât, mawâlid, nudhûr etc.). Drittens die Bindung eines Heiligen an islamische Ursprungs-Mythen und deren Orte, wie etwa Siegesschlachten in religiösen Kriegen etc., und damit ihre Bedeutung bei der Pflege des historischen Gedächtnisses.189 Mir scheint, dass man dem eine Reihe weiterer exogener Faktoren hinzufügen kann. Schon der Hinweis auf den Waqf macht deutlich, dass der Staat gewissermaßen ein »abwesendes Zentrum« bei der Bestimmung der Bedeutung der Maqame darstellt. Dies gilt nicht nur für die Formen der Registrierung, Kontrolle und Verwaltung, sondern auch für die Wechselspiele der politischen und symbolischen Repräsentation, die zwischen zentralem Staat und lokalen sozialen Gruppen am Ort des Maqams ablaufen. Ich habe oben schon auf die Präsenz des »Texts«, die Formen seiner Gestaltung vor Ort hingewiesen, der politische Umgang mit der leiblichen Präsenz des Subjekts ist hier einzuschließen. Dies beinhaltet auch ein Spiel der ständig wechselnden Kodierung der Anerkennung und rituellen Praxis des Heiligen. Die Untersuchungen von Samuli Schielke stellen einen Schritt in eine andere, wichtige Richtung dar: Spiele über die Ordnung des öffentlichen Raums im Vollzug der Inszenierungen des Fests (mawlid).190 Ein weiterer nicht zu unterschätzender exogener Faktor liegt in der Säkularität dessen, was moderne ägyptische Autoren, wie etwa Ali Fahmy, »dîn shabî« (hier durchaus im Sinne von ›Religion des niederen Volkes‹) nennen. Diese im Alltag ruhende, an den Bedürfnissen des unmittelbaren
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189 | Mayeur-Jaouen, Holy Ancestors. 190 | Schielke, On Snacks and Saints.
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Lebens, ja, auch am Willen zu ihrer Überwindung lastende »Religion« stellt den Heiligen auch in die Abhängigkeit von unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten.Wie sehr sich der lokale Volksgeschmack in die Aktualisierung des Festes (mawlid) und der persönlichen Wallfahrten (ziyâra) einmischt, ja, dass sich die »dîn shaabî«, wenn vielleicht auch nur in dramatischen Momenten der Präsenz des Heiligen sich seiner bemächtigen kann, mag an dem wirtschaftlichen und politisch-administrativen Aufschwung von Dörfern zu wichtigen modernen Städten des Delta gemessen werden. Fast möchte man angesichts der Verwandlung einzelner Stätten in moderne ländliche Massenstädte, wie Tanta, Disuq und Shuhada, behaupten, Kafr al-Amir und ähnliche Orte werden bald selbst zu solchen Zentren heranwachsen und ein entsprechendes Gegengewicht im Ostdelta bilden. Dies bezieht sich nicht mehr nur auf die von Mayeur-Jaouen angesprochene, im Bereich der eindeutigen Bestimmungsmöglichkeit liegende Frage der nationalen Bedeutung einzelner Heiliger, die wie al-Sayyid al-Badawi in Tanta oder Ibrahim in al-Disuq islamische Mythen des islamischen Siegs und des Märtyrertums inkorporieren. Vielmehr ist die Frage etwa des Massenumgangs mit den Lokalheiligen – durchaus eben nicht erst als ein modernes Phänomen – gerade von einer holistischen Immanenz der Kultur gekennzeichnet.191 Es ist diese innere Verbindung von spiritueller Besetzung des historischen Raums, Arrangements von Ereignissen, Fixierungen von Erzählmustern und -stoffen und metaphorischer Aufladung des Erzählens – die diese Kultur kennzeichnet und von der es Belege bereits aus der Zeit des frühen Islams gibt.192 In dieser Konstruktion und Verbindung, die durchaus von einem dialogischen Prinzip beherrscht ist und das Sprechen des Volkes über seinen Heiligen vermittels der über ihn verbreiteten legendären Geschichten mit einbezieht, haben wir aber auch schon das enge Feld verlassen, das sich am Begriff der Volksreligion festmacht. Der dem religiösen Instinkt und der Psychologie der Unmittelbarkeit unter verarmter ländlicher (oder auch städtischer) Bevölkerung anheim gegebene Geist des fantastischen Erlebens entwickelt Vorstellungen geistiger Kraft, die sich unbemerkt jenseits aller Authentizität des »Autors«, des »Textes«, der »Herkunft« und des »Ortes« entfaltet. Er wird zu einem grundlegenden Faktor kultureller Entwicklung und des kulturellen Selbstverständnisses überhaupt. Es ist aber ein Merkmal dieser Kultur, dass wiederum im Spiel der lokalen Inszenierung des Heiligen und seines Prestiges ganz unmittelbar er selbst und sein Ort Hauptelemente produktiver und akkumulativer Prozesse werden. Das dauerhafte Ergebnis der Heldentaten um die Produktivkraft des Heiligen sind lokal institutionalisierte Formen der »Ökonomie« des Kultes:
191 | Vgl. Stauth, Zur Bewältigung der Hybris. 192 | Vgl. Leder, Herklios.
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Funktionen des Heiligen
Trophäen, kennzeichnende Produkte, Basare, Typensammlungen von »Heiligen«, Gelehrten, intellektuelle und politische Führer. Der Rang des Heiligen bestimmt über das durch ihn sich vermittelnde System von äußeren Rängen in Gesellschaft und Politik. Am offensichtlichsten tritt dieser Faktor bei den »großen« Heiligen etwa Sayyidna Husain oder Sayyida Zainab im Basar-Viertel von Kairo zu Tage. Er ist aber schon bei den ganz »kleinen« Jahrmärkten der Heiligen (Verkaufstände, Schießbuden etc.) auch in ihrem relativen Wachstumspotenzial sichtbar. Vom wirtschaftlichen und politischen Standpunkt aus gesehen steht der Heilige in enger Verwandtschaft zur kulturellen Produktivkraft einzelner Regionen, ja, zur Gesellschaft als Ganzem. Ich will diese Theorie an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, möchte aber auf ein weiteres Erscheinungsfeld hinweisen, das den weniger friedlich verlaufenden Stadien lokaler Kulturproduktionen und Akkumulationen immer wieder Ausdruck verleiht. Ich meine den inneren Konflikt des Heiligen mit dem Monotheismus, der aus der Kindheitsgeschichte der Weltreligionen stammend, im Islam als zuletzt offenbarte Religion sich weiter verschärft. Die Arrangements am Ort des islamischen Heiligen Abdallah b. Salam – und alle in der Region Mansura vorgefundenen Maqams sind sein Ort – zeugen, wenn auch in unterschiedlicher Weise, von dem inneren religiösen Kampf gegen vorislamische, wenn nicht pharaonische Kontinuitäten. Die Momente und rituellen Potentiale der uralten Welt werden – wie wir gesehen haben – einerseits durchaus angenommen und auf höchst sublime Weise verarbeitet, andererseits aber auch unmittelbar bekämpft. Der unterstellte, als Bedrohung immer auch mögliche Rückfall auf die als heidnisch betrachtete kultische Praxis und die als obskur erklärten Stätten des sogenannten Volksglaubens werden mit dem staatlich sanktionierten Bau einer Moschee eingeholt und in eine neue Welt des Erklärens und Betrachtens des Vergangenen gestellt. Die Maqame werden einem ständigen und schleichenden – im Konfliktfall auch manifesten – Kampf um ihre islamische Reinheit unterzogen. Es ist dies – wie im Fall der »Islamisierung« der letzten 30 Jahre – ein nie enden wollender Kampf, der Diskursen unterliegt, die draußen fernab in den Städten aufbrechen und – wie im Fall III – bis zu den entlegensten Orten vordringen. Die Inszenierung der Wirklichkeitswelt des als standfesten Muslim gereinigten Konvertiten Abdallah b. Salam hat in diesem Kampf erst in moderner Zeit eine spezifische Richtung gewonnen: die besondere Kraft der religiösen Reinigung. Sie ist nur Fortsetzung und Wiederaufnahme von längst schon Geschichte gewordenen Inszenierungen. Dies liegt umso mehr nahe, als an zwei Plätzen (I und III) sowohl die Ansiedlung am Tell als auch die offensichtliche Aktualisierung des Erklärungspotenzials in der baulichen Gestaltung und Schriftpräsenz diese Reinigungsfunktion offensichtlich ist: Gegenüber der in den schwarzen Nischen der Tells ruhenden Finsternis dunkler, vergangener Praxis wird in eine neue Richtung gezeigt. Ort, Bau-Gestaltung, Symbol- und Text-Präsenz, rituelle Arrangements – wir
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haben das hier nur andeuten können – bilden als Punkte innerer und äußerer Verknüpfungen des Maqams ein ganzheitliches Untersuchungsfeld. Nur in dieser Verknüpfung archäologischer, ägyptologischer, arabisch-geographischer, islamwissenschaftlicher und mündlicher Zeugnisse mit der in diversen Lagen zuschauenden »Realität« können wir den perspektivischen Wahrnehmungen, die die Konstruktionen des Heiligen am Ort selbst bedingen, gerecht werden. Dies schließt intensive Studien auf einzelnen Ebenen – wie eben diejenige der Textrealität – nicht aus. Wenn der »Heilige« als religiöser islamischer Gelehrter der Frühzeit par excellence vorgeführt wird, dann aber in der heiligen Prozession (zaffa) als Inbegriff des inkarnativen spirituellen Fests die Gottesgegenwart spielend heranbringt, schließlich in seinen Geschichten in die Welt der magischen und mythischen Himmelssegler einführt, uns so aber auch zugleich in die Welt eines »fremden« Volkes führt, dann entsteht hier eine Ambivalenz, die gerade durch die überzeitlich gedachte Möglichkeit der Gegenwart des Fremden angestrengt produktiv wird. Zugleich zeigt sich in den überwältigenden »leiblichen« und in den metaphorischen Details ein geradezu präziser Grad der »Gegenwart« des sich präsentierenden »Heiligen«. Diese multipolare Form der Präsenz des heiligen Subjekts ist somit eine Voraussetzung der perspektivischen Wahrnehmung, in der das »Heilige« als Moment und Bedingung der lokalen Erfahrungswelt erkennbar wird. Methodisch ist damit klar, dass nur die multiple Betrachtung der auf unterschiedlichen Ebenen der textlichen, zeitlichen, örtlichen und symbolischen Referenz erfolgenden Besetzung der Wirklichkeit eine kritische Sichtweise auf das Phänomen des »Heiligen« und seine Aktualität ermöglicht.
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7. Zwischen Islamwissenschaft und Soziologie In einer Betrachtung, die sich dem Aspekt der modernen Präsenz des islamischen Heiligen Abdallah b. Salam widmet, mag es erlaubt sein, die Tatsache hervorzuheben, dass der Islamwissenschaft dieselbe eigentlich gar nicht bekannt ist. In der Islamwissenschaft präsentiert sich das Bild des Abdallah nur im Lichte der historischen und literarischen Werke, insbesondere die maghâzi- und hadîth-Literatur und die Prophetenengeschichten, die Qisas al-anbiyâ. Einen gewissen Paradigma-Wechsel kann man in einer jüngeren Studie des Islamwissenschaftlers Josef van Ess beobachten. Er besucht das Maqam des im Zentrum seiner Arbeit stehenden Muadh b. Gabal (st. ca. 638) in El-Ekseir in der Nähe von al-Hamma in Jordanien.193 Er berichtet auch über ein ähnliches Maqam des Muadh, das es in Kairo geben soll.194 Dies ist alles in allem ein erstaunlicher Wandel in der Perspektive eines islamwissenschaftlichen Philologen, der sich durchaus der gegenwärtigen Bedeutung des Heiligengrabs eines Prophetengenossen und Aktualität der Heiligen in den Landschaften der Geburtsstätten des Islams bewusst ist.195 Hier eröffnet sich ein ganz neues Feld islamwissenschaftlicher Forschung. Meine eigenen Interessen sind eher soziologischer Natur, wohl hoffend, dass entgegen landläufiger Meinung Soziologie bei entsprechender Bescheidung auch weiterhin für die Kulturwissenschaften relevant bleiben wird. Hier ist aber noch eine Bemerkung anzufügen: Die zeitgenössische Islamwissenschaft scheint den Beitrag Ägyptens zur theologischen Entwicklung und institutionellen Ausprägung des Islams im 7. und 8. Jahrhundert für relativ gering zu veranschlagen. Auch hier ist van Ess ein Beispiel. Ich erinnere nur daran, wie klein das Ägyptenkapitel in seinem Hauptwerk ausgefallen ist: Palästina, Syrien und der Irak stehen im Zentrum des Interesses um die theologische und gesellschaftliche Entwicklung im frühen Islam196. So sehr sich dies aus der Ausbreitungsgeschichte des Islams mit der ersten Stoßrichtung Jerusalem rechtfertigen mag, wie der offen militär-strategisch denkende Kaegi nahe legt197, so sehr vermisst man Ägypten mit der langen National-Geschichte einer untergegangenen Zivilisation, wenn man nach der Herstellung innerer oder dialogischer Kontakte im Feld der weiteren Entwicklung des Monotheismus und des Beitrags des frühen Islams hierzu sucht. In Ägypten war – wie wir hier nur kurz andeuten konnten – der Kampf des monotheistischen Christentums gegen die Lokalkulte der
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193 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 365. 194 | Ibid., S. 376. 195 | Ibid., S. 359-380. 196 | van Ess, Theologie und Gesellschaft 1992 ff. 197 | Kaegi, Byzantium, S. 18-25.
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alten Ägypter über die Jahrhunderte vor der islamischen Eroberung in vollem Gange. Die Arbeiten von Stroumsa geben hier die Richtung an.198 Die islamische Eroberung hat diesem »Kampf« zunächst ein Ende gesetzt und ihn dann mit neuen Stoßrichtungen in unterschiedlichen Wellen wieder aufgenommen. Man braucht nun nicht das kollektive religiöse Gedächtnis der Ägypter als bloße Kontinuität der kultischen Praxis und die altägyptische Götterbildverehrung als die kontinuierlich am Boden der Gesellschaft weitergeführte »›lokale Dimension‹ göttlicher Zuwendung«199 zu sehen. Es ist dies keine Sonderheit des Islams, jede Heiligenverehrung hat diese lokale Dimension und entspricht damit einem uralten religiösen Bedürfnis. Das Zurückweisen, Zerstören und die Neuerfindung von Götterbildern ist so alt, wie diese selbst, so auch der Wandel kultischer Lokalpraxis. Ludwig Amman hat jüngst darauf aufmerksam gemacht, welchen besonderen Innovationsschub solche Zurückweisungen dann haben, wenn sie mit der stählernen Macht monotheistischer Offenbarung einhergehen.200 Wir haben versucht anzuzeigen, dass religiöse Innovationen nicht einfach nur eine Frage der Zerstörung oder Unterdrückung alter Kontinuitäten sind, sondern auch zu neuen, ja auch im Widerspruch zueinander stehenden Formen der Vergeistigung führen können, die das Gewand des Monotheismus immer auferlegt. Die enge wissenschaftliche Bindung an die Authentizität der Quellen – selbst ein Anliegen der islamischen Theologie – legt dem Verständnis der religiösen Entwicklung ein zu starkes Korsett an. Wie die islamische Theologie, so hat auch die Islamwissenschaft das Problem, dass »Authentizität« des Text-Materials der islamischen Überlieferung immer auch die Herangehensweise an einen abgeschlossenen oder als abgeschlossen zu erschließenden Text bedingt. Der lebendige Umgang der Muslime mit denselben wird eher wählerisch notiert und unter den Marginalien abgehandelt. Unzweifelhaft hat die wissenschaftliche Historisierung der Texte eine gewaltige Wirkung auf das religiöse Selbstverständnis, wenn sie ins Bewusstsein der eigenen Kultur dringt. In der Tat können die soziologischen Auswirkungen dieses Spiels zwischen Wissenschaft und Religion nicht mehr mit Webers Sichtweise der inneren kulturellen Rationalisierung erfasst werden. Denn der weiterlaufende lebendige Gebrauch der Ideen, ja, sich widerstreitender Ideen, in der kultischen Realität am Ort, das lebendige Re-Arrangement und der damit einhergehende Bedeutungswandel, selbst die reaktiven theologischen Entwicklungen werden nun als Bestandteil der authentischen Praxis gegeneinander abgetastet. Wo nur die historische Faktizität des Textes Gegenstand
198 | Stroumsa, Barbarian Philosophy; Cultural Memory. 199 | Assman, Ägypten, S. 51. 200 | Amman, Die Geburt des Islam.
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201 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten.
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Islamwissenschaft und Soziologie
ist, bleibt nachgelagerte Kultpraxis, ihr Umgang mit den Texten und den Überlieferern unberücksichtigt. Die Islamwissenschaft ist hierin ein Unikum der Humanwissenschaften: Mit ihrem kritischen Authentizitätsblick greift sie in die Authentizität einer monotheistisch verwandten Religion ein. Ja, sie bezieht ihre intellektuelle Kraft aus diesem Eingriff, obwohl oder gerade weil sie im Unterschied zur Bibelwissenschaft kaum in einem unmittelbaren lebendigen Austausch mit theologischen und religiösen Entwicklungen steht. Der Islamwissenschaft bleibt also nur der Text als Inhalt. Sie übersetzt die Authentizität eines Textes und re-instituiert damit eine Autorität, die zumindest in der abgeschlossenen Übersetzung längst hinfällig geworden ist. Die von van Ess im »Fehltritt des Gelehrten« beschriebene, textlich verfasste Sachwelt der frühislamischen Entwicklungen in Palästina und Syrien vermittelt das beschwingende Bild einer über Lebensschicksale von Gelehrten und Kriegern sich ausbreitenden Ideenwelt.201 Gerade diese Beschwingtheit ist aber nur dadurch möglich, dass eine Strategie verfolgt wird, was davor war und was danach wurde, an den Bildrand zu drängen. Die Kontinuitätsfrage wird unterdrückt, die Neupositionierung im Islam zur Frage einer höherwertigen religiösen Lebenskorrektheit des Gelehrten. So wird man durchaus Zeuge der Widersprüche zwischen einer neuen sinnenbetonten und auch puristisch frömmelnden Geistigkeit. Man glaubt, das Ergebnis intimster Mischungen zwischen Arabertum, Judentum und Christentum einerseits und neuen Ideen des Monotheismus andererseits zu erfahren, kann sich aber selbst über die dargestellten leichten oder schweren Lebensgefühle hinaus kaum ein Bild machen, weder von der »longue durée« der Mischungen noch von derjenigen der puristischen Idee des absoluten Gottes. Die philologische Islamwissenschaft, in ihrer empathischen Überidentifizierung mit den Texten und den sie tragenden Glaubensfiguren, ja, mit der Wissenschaft, die die islamische Tradition selbst birgt, kommt hier zu Einsichten, die in der Sache die innere Glaubensrealität der Muslime und der islamischen Theologen durchaus übersetzt, sie jedoch damit zugleich wieder verschließt, zur Mischung, zum Austausch, zum Kontakt unfähig macht, obwohl sie doch selbst auf Mischung, Austausch und Kontakt beruht. Der Soziologe steht dagegen ganz im Hintertreffen, weil ihm der aktuelle sozial bedeutende Zustand – mit dem hier unterliegenden Evolutionismus – als der höchst entwickelte Zustand gilt, als kultureller Kulminationspunkt, von dem aus die Perspektive gesetzt ist. Die vertextete Welt der Dinge bleibt – wenn überhaupt – immer nur eine Komponente des Zugangs. Die Philologie konnte sich hier nicht immun zeigen, und wenn sie heute den intertextuellen Aspekt des »Story-telling« religiöser, wenn nicht gar philosophischer
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Texte herausstellen muss, so ist das das Ergebnis soziologischen Fragens nach den der Ideen- und Textproduktion unterliegenden Interessen und Kontexten, aber auch nach den zeitalterübergreifenden mentalen Prägungen. Fragen, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurden und sich im 20. Jahrhundert in den methodischen Apparat der Geisteswissenschaften eingeschrieben haben. Doch alle Soziologie geht – vielleicht in Überschätzung des intellektuellen Einflusses und der Wandlungskraft von Ideen – von der unmittelbar wirkenden Präsenz von Ideen und »Gestalt« aus. Sie hat dann staunend zur Kenntnis zu nehmen, wie sehr kanonisch abgeschlossene (und von der Islamwissenschaft von Innen her wieder erschlossene) Texte gerade selbst zum Bestand der wirkenden Ideen- und Gestaltpräsenz werden. Dies wollte ich mit der am Ort vorgefundenen Hagiographie des Abdallah b. Salam deutlich machen. Es zeigt sich dabei aber auch, dass die moderne Islamwissenschaft (wie immer sie es anreichert) auf das gleiche textlich verschnürte Quellenmaterial angewiesen ist, wie die religiös-politisch motivierte Hagiographie. Sie unterstellt diesem (falsche) Abgeschlossenheit, während sie selbst nur neue, kritisch geläuterte Formen der Abgeschlossenheit produziert. In aktualisierter Form treten beide in eine Lage bitterer Konkurrenz. Dieses Paradox, dass nämlich gerade erst die Abgeschlossenheit historischen Wissens, die die moderne Wissenschaft fordert, ja, selbst mit vollzieht, hoch aktualisierte Wirkungen der Präsenz einleitet, ist bisher zu wenig berücksichtigt worden. Van Ess hat hier mit seinem »Fehltritt des Gelehrten« – sind das die methodologischen Fragen? – mehr als nur einen symbolisch sensitiven Beitrag geleistet. Im Fall des Abdallah b. Salam wären allerdings solche Fragen noch auf die über die Jahrtausende hinweg und noch heute wirkende Präsenz der Stätten des ägyptischen Altertums auszuweiten und die wissenschaftliche Bearbeitung ihrer Kenntnis in Ägyptologie und Archäologie einzubeziehen. Den durch seine Textgeschichte neugierig gewordenen, sich aus dem Intérieur der Gelehrtenstube fortstehlenden Gelehrten drängt es nach Reisen. So gelangt der Islamwissenschaftler, den topographischen Dreh der Philologie ernst nehmend, nach Jordanien und steht staunend vor dem lebendigen Grabmal und findet darin eine »Visuelle Vergegenwärtigung« etwa des Muadh b. Gabal (gest. ca. 17 /638), die sich nun mit all der lokalen Unbestimmbarkeit ganz in das Wechselspiel der Geschichte und der politischen Realität der Gegenwart einfügt.202 Der Soziologe musste den umgekehrten Weg gehen und sich der Textrealität des Abdallah b. Salam (st. 43/ca. 664) stellen. Umso mehr musste er
202 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten, S. 359-369.
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203 | van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten. 204 | Wensinck, A Handbook.
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Islamwissenschaft und Soziologie
staunend zur Kenntnis nehmen, dass in den Annalen der modernen Orthodoxie, am Maqam selbst angebracht und in den Bearbeitungen der modernen Islamwissenschaft, ich habe hier auf van Ess203 und Wensinck204 verwiesen, fast deckungsgleiche Textwelten erschlossen werden. Anders als im van Ess’schen Fall des Muadh in Jordanien werden an den Maqamen des Abdallah (wenn zwar noch alte, lokale Suche nach Außeralltäglichkeit die Regel ist) keine modernen touristischen Bedürfnisse befriedigt. Dazu eignet sich die Figur des Konvertiten vielleicht nicht, es bestehen aber einfach beim Entwicklungszustand in der noch weitgehend erd-gebundenen Agrarwirtschaft und Überlebensökonomie der Delta-Region Daqahliyya noch keine Bedingungen für internationalen Tourismus. Großenteils können sich die Heiligen – wie besonders in den marginalen Fällen der »Abdallah-Brüder« in Barq al-Izz und im Manzala-See (Maqam II und III) ersichtlich – auch noch nicht für die kulturellen Bedürfnisse der islamisch inspirierten neuen Mittel- und Oberschichten zur Geltung bringen. Dies ist im Fall des orthodox purifizierten Abdallah vom Tell Thmuis anders (Maqam I) und so treten dort vielleicht auch mehr Wohlanständigkeit und die entsprechenden Symbole in Konkurrenz zum Volksgeschmack als politisches Eiferertum. Es ist festzuhalten, die Figur des jüdischen Gelehrten im Islam, der zum Islam konvertierte Jude Abdallah b. Salam steht – wider alle politisch oder religiös motivierte Anfechtungen und Zweifel – als das leuchtende Beispiel der islamischen Orthodoxie gegen Abfall vom Glauben oder Rückfall in im Volk gar noch lebendige, altägyptische Kultvorstellungen und magische Praktiken. An allen hier präsentierten Maqamen des Abdallah b. Salam im Ostdelta spielen sich die symbolischen Nachwirkungen der politischen Kämpfe des Fundamentalismus gegen den Heiligenkult und die lokalen noch in der Fellachenkultur verankerten Vorstellungen und Praktiken ab. Am Maqam in Thmuis bei Mendes (I) haben die Behörden und die Institutionen der Kairoer al-Azhar in besonderer Weise eingegriffen, um mit einer offiziellen Hagiographie des konvertierten Juden Ordnung in den lokalen Verhältnissen zu schaffen. Die Eingriffe machen sich hier in der »Gestalt« des Maqams (I) besonders bemerkbar, gerade aber auch in den ausgestellten Texten. Dagegen spiegeln die Gestaltungen der Maqame II und III noch in sehr roher Form die alten Widersprüche wider: Der zurückgedrängte politische Fundamentalismus operiert in der Marginalität dieser Orte noch direkt oder indirekt und doch immer sehr unverarbeitet auf symbolisch kultureller Ebene weiter, wie zugleich auch ein neuer Sufismus sich in der Reaktion darauf zu
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befestigen scheint. Erstaunlich sind dabei immer wieder die in unterschiedlichen Mischformen auftretenden Repräsentationsformen der weltlichen Verwaltung und der Suche nach höchster außerweltlicher Erfahrung. Am Abdallah b. Salam aus alter Zeit machen sich unabtrennbar die Kämpfe und Widersprüche des islamischen Monotheismus fest, und man darf dies durchaus als das besondere Schicksal dieses früh konvertierten Juden und islamischen Heiligen in der Zeit der Nachgeborenen begreifen, in der sich plötzlich die Moderne nur als ein Ausschnitt des symbolischen Re-Arrangements uralten religiösen Drangs und der über ihn transportierten Ideen zeigt.
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Glossar arabischer Termini adhân – Gebetsruf ahl al-bayt – die Familie des Propheten âlim – Pl. ulamâ Religiöser Gelehrter ind al-âmma – unter den Gemeinen; unter demVolk ulamâ – Pl. v. âlim s. o. umda – Dorfoberhaupt, Bürgermeister ahâli – kommunal, gemeinschaftlich, Volksal-asr – Nachmittagsgebet al-urwa al-wuthqâ – das feste Band; die Gruppe der Aufrechten al-Athâr al-Islamiyya – Ministerium für islamische Altertümer awliyâ – Pl. von walî Patron; Heiliger awqâf – Pl. von waqf religiöse Stiftung; im Pl. auch volksmundlich für das Ministerium für religöse Angelegenheiten ayyâm – Festtage des Heiligen baraka – Heiligkeit; religiöses Charisma bilâd al-qadîma – antike Städte; antike Dörfer bint al-yahûdî – Tochter des Juden birwâz – Rahmen; Bildtafel; Schrifttafel darîh – Grab; Mausoleum; hier: Grabkammer; Grabraum dhikr – Erinnerung. Eine geistige Übung der Bezeugung der Gegenwart Gottes; Methoden der Invokation Gottes und geistiger Konzentration dîn – Religion; Glaube farsa – Stute futuh – die islamischen Eroberungskriege galabiyya – hemdartiges Kleid; Übergewand; Tunika gazîra, gezîra – Halbinsel, Insel ghafîr – Wächter hadîth – islamische Überlieferung hukûma – Regierung hukûmi – Regierungsimâm khâtib al-awqâf – Imam mit einer Regierungslizenz, die Freitagspredigt zu halten isnâd – die dem Text einer Überlieferung vorangestellte Kette von Überlieferern Isrâîliyât – Traditionen und Legenden aus der jüdischen Religionsgeschichte kâfûr – Kampfer- Eukalyptusbaum kawâkib – Stern; Flaggenzeichen einer Schwadron khâdim, Pl. khuddâm – Diener; Vorsteher khâdim khayri – Stiftsdiener khalîfa – Nachfolger; Vorreiter bei der Fest-Prozession khuddâm – Pl. v. khâdim s. o.
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kiswa – Brokat-Teppich über den Wänden der Kaaba; so auch über dem Sarg des H. Kitâb fî azmât allâh wa-mahlûqâtihi – Buch über die Beschlüsse Gottes und seiner Geschöpfe Majlis al-Alâ li-l-Turuq al-Sûfiyya – Hohe Kommission der Sufi-Orden (Verwaltung in Kairo) maghâzi – (Literatur) über die frühen Kriege im Islam maqâm – Ort; Station; Grabmal; Strafpredigt; Schlüssel; Harmonie maqbara – Friedhof maqsûra – Trennwand, ziervolle Umbauung des Sarges des H. markaz al-thaqâfa – Kulturzentrum, lokale Kulturverwaltung masâil li-l-nabî – Fragen an den Propheten masjid Moschee mashrû – Kanal; Abwasserkanal; Bauprojekt mawlid – Geburtstag; Fest des Heiligen milk khâss – Privateigentum Musnad – Titel für Bücher oder Sammlungen von Überlieferungen nass – Text einer Überlieferung nadhr – Sg. v. nudhûr Gabe bei Erfüllung eines Schwurs; Devotionalie; Schwur nudhûr – Pl. v. nadhr qabr – Sarg; Grab qâss – Sg. v. qussâs Geschichtenerzähler qisas – Geschichten al-qisas al-nabawiyya – Prophetenlegenden und -geschichten qubba – Kuppel qussâs – Pl. v. qâss Geschichtenerzähler und Überlieferer von Rezitationen Sâda – Nobilität; Ahnen des Propheten Sahâba – Gruppe der Prophetengenossen Sahîh – Titel von Überlieferungswerken (»gesund«) Sâlihîn – Titel von Überlieferungswerken (»richtig«) sandûq al-nudhûr – Spendenkiste; »Opferstock« shabî – Volksshaykh al-ghafar – Chef der zivilen Dorfwacht shâhid – »Kopf« auf dem Sarg sibha – Betkranz sigill, sijill – Rechnungsbuch Sîra – Lebensgeschichte, Biographie des Propheten tablû – Tableau tarîqa Sufi-Orden tawâf – Zug um dddie Kaaba, so auch um den Sarg d. H. tell – antike Ruinenstadt wa-allâhu alam bi-l-haqîqa – in Wahrheit wird es (nur) Gott wissen wad al-yad – Hand auflegen, ergreifen; in die Hand nehmen; in Besitz nehmen
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waqf – Sg. v. awqâf Stiftung; s. o. yazûrûnahu dâiman – sie besuchen (sie) immer zaffa – Umzug, Prozession (bei Hochzeiten; bei dem mawlid) zawiya – Gebetsecke; Meditationsraum der Sufis (im Haus des Scheichs; oder als Anbau einer Moschee oder eines Maqams) zawiya al-maslûb – standhafte oder gar befestigte Stätte für Sufis ziyâra – Wallfahrt (oft auch persöhnlich)
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) vakat 112.p 74929637126
Teil II Fotografische Begleitung von Axel Krause
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) T02_00 resp teil II.p 74929637310
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) vakat 114.p 74929637534
Ort eins: Kafr al-Amir Abdallah b. Salam bei Sinbelawin (Tell Thmuis – Mendes)
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) T02_11 resp maqam i.p 74929637614
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1 Tell Thmuis, Kafr al-Amir Abdallah b. Salam. Der Tell, das Dorf, das Maqam. Die Ausläufer des Dorfes sind in den Tell gebaut. Hier wird trotz Verbots noch immer Müll abgelagert, Klee zum Trocknen ausgelegt und Mulden des schwarzen Lehms zwecks Verwendung als natürlicher Dünger (sibâkh) ausgehoben.
2005-01-28 12-08-11 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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2005-01-28 12-08-22 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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2 Tell Thmuis, im Hintergrund das Dorf Kafr al-Amir mit dem Maqam des Abdallah b. Salam. Die Ruinenstadt barg Funde aus der Zeit vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 9. Jahrhundert n. Chr. Vgl. S. 34-46; 85-87.
2005-01-28 12-08-28 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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3 Restbauten aus Lehmziegeln vom Tell Thmuis mit dem Maqam des Abdallah b. Salam. Hier wurden Opfertische aus der Zeit der alten mendesischen Nilfeste gefunden. Vgl. S. 37.
2005-01-28 12-08-40 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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4 Maqam mit Moschee. Die modernste Lagerung eines Maqams ist immer diejenige, in der Maqam und Moschee Frieden schließen und das Maqam seine vervollständigte Form darin findet, dass ihm eine Moschee beigefügt wird. Vgl. S. 15.
2005-01-28 12-08-46 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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2005-01-28 12-08-51 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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5 Eingang des Maqams des Abdallah b. Salam. Der uralten Fellachen-›Qubba‹ wurde ein neuer Komplex übergestülpt. Vgl. S. 41.
2005-01-28 12-08-59 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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6 Wächter/Diener (khuddâm) des Maqams mit der Schrifttafel über Leben und Werk des Abdallah b. Salam. Im Hintergrund die moderne Trennwand (maqsûra) um das Grab in Aluminium. Vgl. S. 64-68 u. S. 41.
2005-01-28 12-09-05 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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7 Vor der Moschee liegt der alte Dreschplatz (gurn), heute Spiel- und Festplatz, auf dem auch der berühmte Mawlid des Abdallah b. Salam abgehalten wird. Vgl. S. 41.
2005-01-28 12-09-12 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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2005-01-28 12-09-18 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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8 Antike Kapitele auf dem Tell, einem Ort, der zu vielfältigen Formen der Schatzsuche einlud. Vgl. S. 41.
2005-01-28 12-09-28 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
9 Der Tell der Nachbarstadt Mendes mit dem Naos (Götzen-Haus [Kasr bint alYahudi, ›château de la fille du juif‹]). Vgl. S. 40.
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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10 Das Maqam des Dorfheiligen Abu al-Ghunaim, der Naos von Mendes im Hintergrund. Wie tief ruht »die Kraft des Heiligen« in der Geschichte ... Vgl. S. 43.
2005-01-28 12-09-35 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
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11 Mendes in der Abenddämmerung. Der Dorfheilige, das Feld, der Tell und die Bäume, die das Heiligengrab beschatten. Vgl. S. 46.
2005-01-28 12-09-44 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
Ort eins: Kafr al-‘Amir ‘Abdallah b. Salam
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2005-01-28 12-09-53 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 116-129) T02_13 bilder maqam i.p 74929637734
2005-01-28 12-09-54 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 130
) vakat 130.p 74929637910
Ort zwei: Barq al-Izz bei Mansura
2005-01-28 12-09-55 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 131
) T02_21 resp maqam ii.p 74929638070
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12 Imam Ibrahim al-Zihayri am von seinen Vorfahren erbauten Maqam des Abdallah b. Salam. Vgl. S. 50.
2005-01-28 12-10-10 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
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13 Friedhof am Maqam des Abdallah b. Salam.
2005-01-28 12-10-17 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
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14 Maqam des Abdallah b. Salam am Dorfplatz (gurn), ein Maqam in Familienbesitz. S. 49 f. Vgl. S. 46-51.
2005-01-28 12-10-24 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
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2005-01-28 12-10-33 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
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15 Kritischer Empfang der Fremden. Unser Erscheinen (mit all den Geräten des Fotografen) verwandelte die Szene auf dem Dorfplatz sofort in einen Imaginationsraum mit intensivem Austausch der Blicke. Vgl. S. 47.
2005-01-28 12-10-43 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
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2005-01-28 12-10-55 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
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16 Der Wächter (al-ghafîr) vor dem Eingang des Maqams. Im Gegensatz zur skeptischen Generation der Jüngeren standen die älteren Honoratioren unserem Unternehmen von Anfang an sehr geneigt gegenüber. S. 68.
2005-01-28 12-11-05 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
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17 Abendstimmung. Nun waren auch die Jugendlichen zugänglicher.
2005-01-28 12-11-16 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
140
18 Innenansicht: Sarg und Devotionalien (nudhûr). Vgl. S. 49.
19 Innenansicht: rechts Gebetsuhr, in der Mitte das Foto des Vaters des derzeitigen Imams.
2005-01-28 12-11-27 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
141
20 Eingang des Maqams mit Sicht auf den Sarg. Darüber ein die Verehrung der Heiligen (awliyâ) legitimierender Koranvers.
2005-01-28 12-11-37 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
142
21 Reistrocknung mit dem Segen des Heiligen.
2005-01-28 12-11-50 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
Ort zwei: Barq al-‘Izz
143
22 Sicht vom Dorfplatz (gurn) auf das Maqam.
2005-01-28 12-12-00 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 132-143) T02_23 bilder maqam ii.p 74929638214
2005-01-28 12-12-03 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 144
) vakat 144.p 74929638414
Ort drei: Manzala-See bei Matariyya (»Tell Tuna«)
2005-01-28 12-12-03 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 145
) T02_31 resp maqam iii.p 74929638606
146
23 Blick vom Manzala-See auf das Maqam des Abdallah b. Salam, im Hintergrund der Tell »Tuna«. Vgl. S. 52 f.; S. 51-59; S. 87.
2005-01-28 12-12-12 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
147
2005-01-28 12-12-17 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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24 Blick vom See auf den Eingang der Moschee. Man sieht die Fischgründe der Wärter (khuddâm), ihre Bretterverschläge, den Moscheeanbau, die Kuppel des als Denkmal verwalteten Maqams.
25 Blick vom Tell auf Friedhof, Moschee, Maqam des Abdallah b. Salam und links die Bretterverschläge der »Ferienunterkünfte«. Vgl. S. 56-57.
2005-01-28 12-12-23 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
149
26 Eingang der Moschee Abdallah b. Salam. Der Text auf der großen Schrifttafel lautet: Masjid Abdallâh b. Salâm. Vgl. S. 14 f.; s. a. Bild 4, S. 120.
2005-01-28 12-12-28 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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27 Innenansicht, Regal zum Ablegen der Schuhe.
2005-01-28 12-12-34 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
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28 Vater und Sohn (Moschee- und Maqam-Wärter/khuddâm) am Maqam mit Besitzund Diensturkunden aus dem 19. Jahrhundert. Vgl. S. 57 f.
2005-01-28 12-12-39 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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29 Innenansicht der Moschee zur Zeit des Freitagsgebets. Der Imam verliest die Predigt. Vgl. S. 58.
2005-01-28 12-12-44 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
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2005-01-28 12-12-49 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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30 Innenraum (darîh) des Maqams mit Devotionalien der Fischer und Bootsleute des Manzala-Sees.
31 Detailansicht.
2005-01-28 12-12-57 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
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32 Mehrfach verhängter Eingang des Innenraums des Maqams des Abdallah b. Salam vom Innern der Moschee aus gesehen. Die den Blick abtrennenden Vorhänge gelten zugleich auch als Devotionalien (nudhûr).
2005-01-28 12-13-01 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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33 Nach dem Freitagsgebet.
2005-01-28 12-13-08 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
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2005-01-28 12-13-13 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
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34 Fischerboote als »Himmelsegler« auf dem Manzala-See.
2005-01-28 12-13-17 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
Ort drei: Manzala-See
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35 »Himmelsegler«, im Hintergrund Maqam mit Moschee.
2005-01-28 12-13-22 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 146-159) T02_33 bilder maqam iii.p 74929638710
2005-01-28 12-13-22 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 160
) vakat 160.p 74929638830
Ausblick: Moschee des Abu Mandur, Rosetta
2005-01-28 12-13-23 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 161
) T02_41 resp ausblick.p 74929638982
162
36 Blick auf Abu Mandur mit Richtung auf das Mittelmeer.
2005-01-28 12-13-30 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 162-163) T02_43 bilder ausblick.p 74929639054
Ausblick: Moschee des Abu Mandur, Rosetta
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37 Wallfahrtsmoschee des Abu Mandur am Nil bei Rosetta, im Hintergrund der Tell von Boulboutine mit Stahlwasserreservoir aus der Zeit der englischen Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
2005-01-28 12-13-34 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 162-163) T02_43 bilder ausblick.p 74929639054
Die Titel dieser Reihe:
Sigrid Nökel, Levent Tezcan (eds.) Islam and the New Europe Challenge for Continuity or Chance for Change? (Yearbook ot the Sociology of Islam 6) Mai 2005, ca. 300 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 3-89942-302-X
Georg Stauth Ägyptische heilige Orte: Konstruktionen, Inszenierungen und Landschaften der Heiligen im Nildelta (I): ’Abdallah b. Salam Fotografische Begleitung von Axel Krause Februar 2005, ca. 160 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 24,80 €, ISBN: 3-89942-260-0
Nilüfer Göle, Ludwig Ammann (Hg.) Islam in Sicht Der Auftritt von Muslimen im öffentlichen Raum Oktober 2004, 384 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-237-6
Georg Stauth (ed.) On Archaeology of Sainthood and Local Spirituality in Islam Past and Present Crossroads of Events and Ideas (Yearbook of the Sociology of Islam 5) Mai 2004, 228 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-141-8
Mechthild Rumpf, Ute Gerhard, Mechtild M. Jansen (Hg.) Facetten islamischer Welten Geschlechterordnungen, Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion 2003, 319 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 3-89942-153-1
Heiner Bielefeldt Muslime im säkularen Rechtsstaat Integrationschancen durch Religionsfreiheit 2003, 146 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 3-89942-130-2
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2005-01-28 12-13-36 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 164-165) T99_01 anzeige gli 05-01.p 74929639094
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Hans-Ludwig Frese »Den Islam ausleben« Konzepte authentischer Lebensführung junger türkischer Muslime in der Diaspora
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2005-01-28 12-13-36 --- Projekt: T260.gli.stauth.heilige orte 1 / Dokument: FAX ID 020874929634430|(S. 164-165) T99_01 anzeige gli 05-01.p 74929639094