Grundlagen der Mikroökonomie [4., unwesentlich veränd. Aufl. Reprint 2014] 9783486805505, 9783486255294

Die "Mikroökonomie" der Wahl.

198 61 34MB

German Pages 386 [388] Year 2000

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Table of contents :
Einleitung
Erster Teil: Theorie des Haushalts
Einleitung
Erstes Kapitel: Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion
A. Die Grundannahmen der ordinalen Nutzentheorie
B. Die graphische Darstellung der Präferenzordnung durch ein Indifferenzkurvenfeld
C. Von der Präferenzordnung zur Nutzenfunktion
D. Die Budgetrestriktion
Mathematischer Anhang
Zweites Kapitel: Haushaltsoptimum und allgemeine Nachfragefunktion
A. Das Haushaltsoptimum
B. Die allgemeine Nachfragefunktion
Drittes Kapitel: Die Wirkungen von Einkommensänderungen
A. Die Einkommenskonsumkurve
B. Einkommenskonsumkurve und Einkommenselastizität
C. Ableitung der Engelkurve aus der Einkommenskonsumkurve
D. Spezielle Nutzenfunktionen
Viertes Kapitel: Die Wirkungen von Preisänderungen
A. Substitutionseffekt und Einkommenseffekt
B. Substitutionsgüter und Komplementärgüter
C. Ableitung der Nachfragefunktion
Fünftes Kapitel: Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente
A. Indirekte Nutzenfunktion und Ausgabenfunktion
B. Ausgabenfunktion, Nachfragefunktion und die Sluzki-Gleichung
C. Die Ermittlung der kompensierenden und äquivalenten Einkommensvariation mit Hilfe der Ausgabenfunktion
D. Die verschiedenen Konzepte der Konsumentenrente
Sechstes Kapitel: Das Arbeitsangebot des Haushalts
A. Das Haushaltsoptimum: graphische Ableitung
B. Analytische Bestimmung des Haushaltsoptimums
C. Veränderung des Nichtarbeitseinkommens
D. Variation des Lohnsatzes: Die Arbeitsangebotskurve
E. Anwendung der Arbeitsangebotsanalyse
Siebtes Kapitel: Intertemporale Allokation
A. Das intertemporale Haushaltsoptimum
B. Die Wirkungen von Zinssatzänderungen
C. Der Zins im reinen Konsummodell
D. Der Zins in einem Modell mit Investitionen
Achtes Kapitel: Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie
A. Güter und ihre Eigenschaften: Die Theorie der Konsumentennachfrage von Lancaster
B. Die Produktionsfunktion des Haushalts und das Problem der Zeitallokation
C. Die Unterscheidung von Hausarbeitszeit und Freizeit
Neuntes Kapitel: Entscheidungen bei Unsicherheit
A. Die Beschreibung des Risikos
B. Das individuelle Verhalten bei Risiko
C. Versicherung
D. Diversifikation
E. Probleme bei asymmetrischer Informationsverteilung
Zweiter Teil: Theorie des Unternehmens
Zehntes Kapitel: Die Produktionsfunktion
A. Die Produktionsfunktion und die Art ihrer Darstellung
B. Limitationale Produktionsfunktionen
C. Substitution durch Kombination von Produktionsprozessen (Programmierungsproduktionsfunktion)
D. Produktionsfunktionen mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren
E. Homogene und homothetische Produktionsfunktionen
Elftes Kapitel: Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion
A. Arten der Faktorvariation
B. Die Ertragsfunktion bei proportionaler Faktorvariation
C. Die Ertragsfunktion bei partieller Faktorvariation
Zwölftes Kapitel: Die Kosten
A. Die langfristige Kostenfunktion
B. Die kurzfristige Kostenfunktion
C. Der Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Kosten
Dreizehntes Kapitel: Güterangebot und Faktornachfrage bei gegebenen Güter- und Faktorpreisen
A. Das Güterangebot
B. Die Faktornachfrage
Dritter Teil: Elementare Preistheorie
Vierzehntes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz
A. Beschreibung der Marktform
B. Das kurzfristige Gleichgewicht
C. Das langfristige Gleichgewicht
Fünfzehntes Kapitel: Die Preisbildung im Monopol
A. Beschreibung der Marktform und Ursachen von Monopolen
B. Die Bestimmung des gewinnmaximalen Preises
C. Marktmacht und Wohlfahrtsverlust
D. Die Bedeutung von Markteintrittsbarrieren
E. Monopolistische Preisdifferenzierung
Namensverzeichnis
Sachwortverzeichnis
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Grundlagen der Mikroökonomie [4., unwesentlich veränd. Aufl. Reprint 2014]
 9783486805505, 9783486255294

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Grundlagen der MikroÖkonomie Von

Dr. Horst Demmler Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre

4., unwesentlich veränderte Auflage

ROldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Demmler, Horst: Grundlagen der MikroÖkonomie / von Horst Demmler. - 4., unwes. veränd. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 2000 ISBN 3-486-25529-0

© 2000 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Binderei GmbH ISBN 3-486-25529-0

Vorwort

Das vorliegende Buch ist aus Vorlesungen zur MikroÖkonomie hervorgegangen, die ich an der Universität Gießen im Grundstudium gehalten habe. Ich habe mich bemüht, den Inhalt in möglichst einfacher und klarer Sprache darzustellen und hoffe, daß dies das Verständnis erleichtert. In diesem Buch werden die Grundlagen der MikroÖkonomie, die Theorie des Haushalts und die Theorie des Unternehmens ausführlich behandelt. Es wird nur eine erste Einführung in die Preistheorie gegeben. Die beiden preistheoretischen Kapitel wurden zum größten Teil aus meinem Lehrbuch "Einführung in die Volkswirtschaftslehre" übernommen. Das Buch weist einige Besonderheiten auf, durch die es sich von anderen Lehrbüchern unterscheidet. In der Haushaltstheorie werden die verschiedenen Arten der Einkommensvariation nach Hicks und nach Sluzki dargestellt. Außer der normalen Nachfragefunktion wird die kompensierte Nachfragefunktion abgeleitet. Neuere Konzepte wie die indirekte Nutzenfunktion und die Ausgabenfunktion sowie die neueren Ansätze zur Haushaltstheorie von Lancaster und Becker werden behandelt. Fragen der intertemporalen Allokation und des Verhaltens bei Unsicherheit werden ebenso wie die Probleme bei asymmetrischer Informationsverteilung ausführlich erörtert. Ich danke den Mitarbeitern, die mich unterstützt haben. Heinz Bellendorf, Kornelia Mambour, Erik Theissen und Georg Wenisch haben die Zeichnungen angefertigt. Heinz Bellendorf, Erik Theissen und Jutta Venitz haben das gesamte Manuskript, Axel Besser hat Teile des Manuskripts korrekturgelesen und wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht. Jutta Venitz erstellte das Personen- und das Sachwortverzeichnis. Besonders danke ich Kornelia Mambour, die mit hervorragenden Kenntnissen in der Textverarbeitung wiederum eine reproduktionsfähige Vorlage anfertigte. Für Hinweise auf Fehler, kritische Anmerkungen und Verbesserungsvorschlage bin ich dankbar.

Horst Demmler

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Erster Teil: Theorie des Haushalts

Einleitung

3

Erstes Kapitel: Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion A. Die Grundannahmen der ordinalen Nutzentheorie B. Die graphische Darstellung der Präferenzordnung durch ein Indifferenzkurvenfeld C. Von der Präferenzordnung zur Nutzenfunktion D. Die Budgetrestriktion Mathematischer Anhang

9 14 19 26 29

Zweites Kapitel: Haushaltsoptimum und allgemeine Nachfragefunktion A. Das Haushaltsoptimum B. Die allgemeine Nachfragefunktion

35 41

Drittes Kapitel: Die Wirkungen von Einkommensänderungen A. B. C. D.

Die Einkommenskonsumkurve Einkommenskonsumkurve und Einkommenselastizität Ableitung der Engelkurve aus der Einkommenskonsumkurve Spezielle Nutzenfunktionen

47 49 52 53

Viertes Kapitel: Die Wirkungen von Preisänderungen A. Substitutionseffekt und Einkommenseffekt B. Substitutionsgüter und Komplementärgüter C. Ableitung der Nachfragefunktion

61 86 91

Fünftes Kapitel: Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente A. Indirekte Nutzenfunktion und Ausgabenfunktion 105 B. Ausgabenfunktion, Nachfragefunktion und die Sluzki-Gleichung 107 C. Die Ermittlung der kompensierenden und äquivalenten Einkommensvariation mit Hilfe der Ausgabenfunktion 111 D. Die verschiedenen Konzepte der Konsumentenrente 115

VI

Sechstes Kapitel: Das Arbeitsangebot des Haushalts A. B. C. D. E.

Das Haushaltsoptimum: graphische Ableitung Analytische Bestimmung des Haushaltsoptimums Veränderung des Nichtarbeitseinkommens Variation des Lohnsatzes: Die Arbeitsangebotskurve Anwendung der Arbeitsangebotsanalyse

128 130 130 131 133

Siebtes Kapitel: Intertemporale Allokation A. B. C. D.

Das intertemporale Haushaltsoptimum Die Wirkungen von Zinssatzänderungen Der Zins im reinen Konsummodell Der Zins in einem Modell mit Investitionen

137 143 147 150

Achtes Kapitel: Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie A. Güter und ihre Eigenschaften: Die Theorie der Konsumentennachfrage von Lancaster 157 Β. Die Produktionsfunktion des Haushalts und das Problem der Zeitallokation 166 C. Die Unterscheidung von Hausarbeitszeit und Freizeit 175 Neuntes Kapitel: Entscheidungen bei Unsicherheit A. B. C. D. E.

Die Beschreibung des Risikos Das individuelle Verhalten bei Risiko Versicherung Diversifikation Probleme bei asymmetrischer Informationsverteilung

179 185 196 201 217

Zweiter Teil: Theorie des Unternehmens Zehntes Kapitel: Die Produktionsfunktion A. Die Produktionsfunktion und die Art ihrer Darstellung B. Limitationale Produktionsfunktionen C. Substitution durch Kombination von Produktionsprozessen (Programmierungsproduktionsfunktion) D. Produktionsfunktionen mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren E. Homogene und homothetische Produktionsfunktionen

241 246 249 253 258

VII

Elftes Kapitel: Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion A. Arten der Faktorvariation B. Die Ertragsfunktion bei proportionaler Faktorvariation C. Die Ertragsfunktion bei partieller Faktorvariation

265 266 269

Zwölftes Kapitel: Die Kosten A. Die langfristige Kostenfunktion B. Die kurzfristige Kostenfunktion C. Der Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Kosten

286 302 306

Dreizehntes Kapitel: Güterangebot und Faktornachfrage bei gegebenen Güter- und Faktorpreisen A. Das Güterangebot B. Die Faktornachfrage

319 324

Dritter Teil: Elementare Preistheorie Vierzehntes Kapitel: Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz A. Beschreibung der Marktform B. Das kurzfristige Gleichgewicht C. Das langfristige Gleichgewicht

335 335 346

Fünfzehntes Kapitel: Die Preisbildung im Monopol A. B. C. D. E.

Beschreibung der Marktform und Ursachen von Monopolen Die Bestimmung des gewinnmaximalen Preises Marktmacht und Wohlfahrtsverlust Die Bedeutung von Markteintrittsbarrieren Monopolistische Preisdifferenzierung

359 360 365 368 369

Namensverzeichnis

375

Sachwortverzeichnis

376

Einleitung In der Volkswirtschaftslehre wird analysiert, wie in einer Gesellschaft die knappen Mittel eingesetzt werden, um alternative Ziele zu erreichen. In keiner Gesellschaft ist das Einkommen der Bürger so hoch, daß sie sich alle Wünsche erfüllen können. Im Verhältnis zu den Bedürfnissen sind die Mittel, die zu ihrer Befriedigung dienen, knapp. Um Güter zu produzieren, die geeignet sind, die Bedürfnisse zu befriedigen, brauchen wir knappe Ressourcen. Die Produktionsmöglichkeiten sind durch unser technisches Wissen sowie die Menge und Qualität der Produktionsfaktoren beschränkt. Das Grundproblem ist das Problem der Knappheit, das uns zwingt, zwischen Alternativen zu wählen. Man kann zwei große Teilgebiete der Volkswirtschaftslehre unterscheiden: die MikroÖkonomie und die Makroökonomie. In der MikroÖkonomie beschäftigen wir uns mit dem Verhalten der einzelnen ökonomischen Einheiten, den Haushalten und den Unternehmen. Wir erklären, wie diese Einheiten ihre Entscheidungen treffen und wie diese Entscheidungen koordiniert werden. In der Makroökonomie befassen wir uns mit aggregierten Größen wie dem Niveau und der Wachstumsrate des Sozialprodukts, dem Preisniveau und der Inflationsrate, der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit. Die Grenze zwischen MikroÖkonomie und Makroökonomie läßt sich nicht immer eindeutig bestimmen. Dazu trägt bei, daß man sich in der letzten Zeit immer stärker um eine mikroökonomische Fundierung der makroökonomischen Theorie bemüht hat. Um nämlich zu verstehen, warum sich aggregierte Größen ändern, ist es wichtig zu wissen, wie sich die Unternehmen als Käufer von Faktorleistungen und Anbieter von Gütern und die Haushalte als Käufer von Gütern und Anbieter von Faktorleistungen verhalten. Wie in anderen Wissenschaften wird in der Volkswirtschaftslehre versucht, die beobachteten ökonomischen Phänomene zu erklären und vorherzusagen. Ökonomische Theorien werden entwickelt, um mit Hilfe von Hypothesen oder Annahmen die Erscheinungen zu deuten. In der Theorie des Haushalts, die im ersten Teil dargestellt wird, versucht man, das Verhalten der Haushalte mit Hilfe der Annahme zu erklären, die Haushalte seien bestrebt, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Für die Haushalte bedeutet dies, daß sie ihren Nutzen maximieren wollen. Es wird erklärt, wie die Haushalte die Entscheidung treffen, eine gegebene Konsumsumme für den Kauf der verschiedenen Güter zu verwenden (Kapitel 2) und wie sich Änderungen des Einkommens und der Preise auf ihr Verhalten auswirken (Kapitel 3 und 4). Auch die Entscheidungen über die Arbeitszeit (Kapitel 6) und die Höhe der Ersparnis (Kapitel 7) sowie die Entscheidungen bei Unsicherheit (Kapitel 9) werden mit Hilfe der Annahme der Nutzenmaximierung erklärt. Der Theorie des Unternehmens, die im zweiten Teil des vorliegenden Buches behandelt wird, liegt die Annahme zugrunde, die Unternehmen versuchten, ihren Gewinn zu maximieren. Es wird erklärt, wie die Entscheidung über die Produktionsmenge und die Menge der Faktorleistungen, die in der Produktion eingesetzt werden, getroffen werden und wie sich Änderungen der Güter- und Faktorpreise auswirken (Kapitel 10 bis 13). Der Wert einer Theorie hängt davon ab, wie gut man mit Hilfe der Theorie die beobachteten Phänomene erklären und vorhersagen kann. Um dies zu entscheiden, werden Theorien überprüft, indem man sie mit den Fakten konfrontiert. Als Ergebnis dieser Überprüfungen werden Theorien vorläufig akzeptiert, modifiziert oder verwor-

2

fen. Auch Theorien, die sich in der Vergangenheit gut bewährt haben, können nicht als endgültig wahr angesehen werden, weil man niemals ausschließen kann, daß sie in der Zukunft widerlegt werden. In der mikroökonomischen Theorie erklären wir das Verhalten der Wirtschaftseinheiten, indem wir annehmen, sie versuchten aus den realisierbaren Alternativen die für sie beste auszuwählen. Deshalb ist das Konzept der Optimierung in der MikroÖkonomie von besonderer Bedeutung. Obwohl es sich bei der Optimierung inhaltlich um ganz unterschiedliche Aufgaben handelt, haben alle Optimierungsaufgaben eine gemeinsame Struktur. Alle Optimierungsprobleme enthalten drei Elemente: Entscheidungsvariable, Zielfunktion und Restriktion. Entscheidungsvariable sind jene Größen, deren optimaler Wert zu bestimmen ist. Bei einem Haushalt, der seinen optimalen Konsumplan bestimmt, sind dies die Mengen der Güter, die er kauft. Bei einer Unternehmung, die ihren Gewinn maximiert, sind dies die Mengen der Güter, die produziert werden und die Menge der Faktorleistungen, die in der Produktion eingesetzt werden. Durch die Zielfunktion wird eine Beziehung zwischen den Entscheidungsvariablen und einer Variablen hergestellt, die maximiert oder minimiert werden soll. Bei einem Haushalt, der seinen Nutzen maximieren will, wird durch die Zielfunktion ein Bezug zwischen dem Nutzen und den Gütermengen hergestellt. Bei einem Unternehmen, das den Gewinn maximieren will, wird durch die Zielfunktion eine Beziehung zwischen dem Gewinn und der Produktionsmenge spezifiziert. Durch die Restriktion werden die Alternativen spezifiziert, die realisierbar sind. Eine Optimierungsaufgabe besteht also stets darin, bei gegebener Restriktion die beste Alternative zu bestimmen. In der mikroökonomischen Theorie wird nicht nur erklärt, wie die Haushalte und Unternehmen ihre Entscheidungen treffen. Es wird auch erklärt, wie diese Entscheidungen koordiniert werden. In einem marktwirtschaftlichen System geschieht dies durch Preise, die sich auf Märkten bilden. Deshalb ist die Preistheorie ein wichtiger Teil der mikroökonomischen Theorie. In dem hier vorliegenden Lehrbuch, in dem es darum geht, die Grundlagen der mikroökonomischen Theorie darzustellen, wird im dritten Teil nur ein erster Überblick über die Preistheorie gegeben. Es wird die Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz und im Monopol behandelt.

Erster Teil: Theorie des Haushalts Einleitung

Alle Menschen leben in privaten Haushalten, die Einpersonenhaushalte oder Mehrpersonenhaushalte sein können. Der private Haushalt wird in der Haushaltstheorie als eine ökonomische Einheit aufgefaßt, die auf der Basis gemeinsamer Willensbildung Entscheidungen trifft. Es wird nicht analysiert, wie es zu der gemeinsamen Willensbildung kommt. Ein Haushalt hat vor allem zwei Fragen zu entscheiden: 1.

Wie soll das Einkommen erzielt werden?

2.

Wie soll es ausgegeben werden?

Der Haushalt erwirbt Einkommen, indem er Faktorleistungen an Unternehmen verkauft. Er bietet Arbeitsleistungen an und erhält als Entgelt Arbeitseinkommen. Als Eigentümer von Boden und Kapital erzielt er Vermögenseinkommen in Form von Pacht und Zinsen. Für unternehmerische Tätigkeiten kann der Haushalt Einkommen in Form von Unternehmergewinnen erhalten. Haushalte können auch Einkommen in Form von Renten, Pensionen, BAföG-Leistungen erhalten. Man nennt diese Einkommen ohne direkte Gegenleistungen Transfereinkommen. Die Höhe der Arbeitseinkommen hängt von Art und Qualität der erbrachten Arbeitsleistungen und der Arbeitszeit ab. Das Vermögenseinkommen hängt von der Ersparnis in früheren Perioden und der Art der Vermögensanlage ab. Wir werden in den Kapiteln sechs, sieben und neun genauer analysieren, wie der Haushalt diese Entscheidungen trifft. Der Haushalt muß entscheiden, wie er sein Nettoeinkommen, das ihm nach Abzug der Steuern verbleibt, verwenden soll. Er muß festlegen, welchen Teil des laufenden Einkommens er sparen und welchen Teil er für den Kauf von Konsumgütern ausgeben soll. Ist die Entscheidung über die Ersparnis getroffen worden, muß der Haushalt bestimmen, welche Mengen an Gütern mit der Konsumsumme gekauft werden sollen. Man sagt auch, der Haushalt müsse seinen Konsumplan bestimmen. Man kann die Entscheidungen des Haushalts als rein zufällig, als durch Tradition bestimmt oder als bewußten Akt der Wahl ansehen. Die Entscheidungen der Haushalte sind konsistenter, als zu erwarten wäre, wenn sie rein zufällig wären. Sie sind variabler, als wir beobachten würden, wenn sie primär durch Tradition bestimmt wären. Das beobachtbare Verhalten läßt sich am besten mit der Hypothese erklären, daß die Entscheidungen der Haushalte bewußte Wahlhandlungen sind. Man unterstellt, daß die Haushalte die realisierbaren Alternativen vergleichen können und sich so entscheiden, daß sie aus ihrer Lage das Beste machen. In diesem Sinne sagt man, die Haushalte verhielten sich rational.

4

Bei der Bestimmung des optimalen Konsumplans werden die Haushalte also bestrebt sein, ihre Bedürfnisse möglichst gut zu befriedigen. Ihre Wahlmöglichkeiten werden durch ihr Einkommen bzw. durch ihre Konsumsumme beschränkt. Der Haushalt muß die Güter nach Art und Menge auswählen. Die Rationalitätsannahme besagt, daß er die alternativen Gütermengen (Güterbündel), die er mit gegebener Konsumsumme kaufen kann, vergleichend in eine Rangordnung bringen kann und sich zum Kauf jenes Güterbündels entscheidet, das er anderen realisierbaren Güterbündeln vorzieht. Wenn der Haushalt ein Güterbündel Α dem Güterbündel Β vorzieht, sagt man auch, der Nutzen von Α sei größer als der Nutzen von B. Nutzen ist die Variable, deren relative Größe Ausdruck der Präferenzen des Wirtschaftssubjekts ist. Wenn die beste Entscheidung getroffen wird, wird der Nutzen maximiert. Nutzenmaximierung ist eine Ausprägung des Rationalverhaltens. In der älteren Nutzentheorie wurde allerdings angenommen, der Nutzen sei kardinal meßbar. Wenn wir das Gewicht in Kilogramm oder die Länge in Metern messen, bedienen wir uns eines Meßsystems, das streng kardinal ist. In Tabelle 1 sind in der ersten Spalte den verschiedenen Gegenständen A, B, C, D und Ε bestimmte Zahlen zugeordnet. Diese mögen zum Beispiel das Gewicht der Gegenstände in Kilogramm angeben.

A Β C D Ε

I

II

III

IV

1 2 3 5 8

2 4 6 10 16

5 7 9 13 19

4 12 18 19 20

Messen wir das Gewicht nicht in Kilogramm, sondern in Pfund, ergeben sich die Zahlen der Spalte II. Man erhält diese Zahlen, indem man die Zahlen der ersten Spalte mit 2 multipliziert. Bei streng kardinaler Messung sind wir, wie in unserem Beispiel, nur in der Wahl der Einheit frei. Das Meßsystem ist eindeutig bis auf einen konstanten Faktor. Durch streng kardinale Messung wird eine Rangordnung der zu messenden Objekte eindeutig festgelegt. Die relative Größe der Differenzen zwischen jeweils zwei Objekten ist eindeutig bestimmt. Sowohl in Spalte I wie auch in Spalte II ist zum Beispiel D - C = 2 (C - B). Das Meßsystem ist additiv. Es ist sowohl in Spalte I wie auch in Spalte II Β + C = D. Spalte III in Tabelle 1 ergibt sich aus Spalte I, indem man die Zahlen der ersten Spalte mit 2 multipliziert und 3 addiert. Spalte III geht durch eine lineare Transformation der Form y = a + bx (b > 0) aus der ersten Spalte hervor. Eine solche Transformation nehmen wir vor, wenn wir die Temperatur statt in Celsius in Fahrenheit messen. Es ist F = 32 + 1,8C. Ein solches Meßsystem ist eindeutig bis auf positive lineare Transformationen. Wir können die Einheit und den Nullpunkt frei bestimmen. Auch diese Art der Messung heißt kardinal. Bei dieser Messung wird ebenfalls eine Rangordnung eindeutig festgelegt. Auch die relative Größe der Differenzen ist eindeutig bestimmt. Es ist in Spalte III wie auch in Spalte I D - C = 2 · (C - B). Das Meßsystem ist jedoch nicht additiv. Der Informationsgehalt ist geringer als bei streng kardinaler Messung.

5

Von rein ordinaler Messung spricht man dann, wenn man sich in bezug auf die zu messenden Gegenstände auf die Festlegung einer Rangordnung beschränkt. Es sind alle Transformationen zugelassen, die die Rangordnung nicht verändern. In Spalte IV können wir den Gegenständen beliebige Zahlen zuordnen, die die Rangordnung bewahren, für die also gilt: E > D > C > B > A . Bei rein ordinaler Messung kann über die relative Größe der Differenzen keine Aussage gemacht werden. In der älteren Nutzentheorie wurde mitunter angenommen, der Nutzen sei streng kardinal meßbar und außerdem interpersonal vergleichbar. Für wichtige Aussagen der älteren Nutzentheorie genügt jedoch die schwächere Annahme, der Nutzen sei wie zum Beispiel die Temperatur im Rahmen eines Meßsystems bestimmbar, das eindeutig bis auf positive lineare Transformationen ist. Es ist also zulässig, eine Nutzenskala U durch die Skala V = a + bU (b > 0) zu ersetzen. Wenn wir von den Nutzengrößen U,, U2 und U3 ausgehen, so impliziert U3 - U 2 < U 2 - U , die Aussage V3 - V 2 < V 2 - V,. Die relative Größe der Nutzendifferenzen ist eindeutig bestimmt. Man bezeichnet die Veränderung des Nutzens pro zusätzlich konsumierter Einheit als Grenznutzen. Die Grenznutzentheoretiker nahmen an, daß der Grenznutzen positiv ist, der Gesamtnutzen also steigt, wenn die konsumierte Menge erhöht wird. Sie nahmen aber auch an, daß zusätzliche Einheiten eines Gutes bei konstanter Menge der anderen Güter abnehmende Nutzenzuwächse stiften, der Grenznutzen also sinkt, wenn die Menge steigt. Man bezeichnet die Hypothese, der Grenznutzen sinke, wenn die pro Periode konsumierte Menge steigt, auch als "Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen" oder als das Erste Gossensche Gesetz.1 Das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen scheint durch unsere alltäglichen Erfahrungen in der Regel bestätigt zu werden. Der Gesamtnutzen ist eine Funktion der Menge aller Güter, die in einer Periode konsumiert werden. Bezeichnen wir die Mengen der Güter mit x,, x2,..., x„, so gilt U = f(x„ x2

Xn)

Der Grenznutzen eines Gutes Xj ist die erste Ableitung der Nutzenfunktion nach der Menge des Gutes. Wenn mit wachsender Menge des Gutes Xt bei konstanter Menge der anderen Güter der Gesamtnutzen steigt, ist der Grenznutzen positiv: ÖU δ*>

0

Wenn mit wachsender Menge des Gutes Xj der Grenznutzen sinkt, ist 52U ——; < 0 5X?

1 Zu Ehren von Hermann Heinrich Gossen (1810 -1858), der das Gesetz in seiner Schrift "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln" formulierte.

6

Die Aussage, der Grenznutzen sinke, wenn die Menge steigt, ist im Rahmen eines kardinalen Meßsystems, das eindeutig bis auf lineare Transformationen ist, sinnvoll, weil es eine eindeutige Rangordnung der Nutzendifferenzen gibt. Aus V = a + bU (b > 0) erhält man δν,δυ 8ΧΓ δΧ, δν δχΓ

a; δΧ?

Wenn der Grenznutzen δΙΙ/δΧ, positiv ist, ist wegen b > 0 auch δν/δΧ, positiv. Wenn δ 2 υ/δΧ 2 negativ ist, weil der Grenznutzen sinkt, so ist wegen b > 0 auch δ 2 ν/δΧ 2 negativ. Die klassischen Nationalökonomen wie Adam Smith (1723- 1790) und David Ricardo (1772 - 1823) konnten die Preisbildung nicht befriedigend erklären, weil sie das sogenannte Nutzenparadoxon nicht lösen konnten. Man beobachtete, daß Wasser nützlich aber billig, Diamanten weniger nützlich aber teuer waren. Die Klassiker und in ihrer Nachfolge Karl Marx schlossen daraus, daß der Nutzen kein Bestimmungsgrund der Preise sein konnte. Indem sie den Nutzen als einen Faktor, der die Höhe der Preise erklären konnte, verwarfen, gelangten sie zu ihrer fehlerhaften Arbeitswerttheorie. Die Theoretiker der Grenznutzenschule lösten das klassische Nutzenparadoxon, indem sie zwischen Gesamtnutzen und Grenznutzen unterschieden. Obwohl der Gesamtnutzen des Wassers größer ist als der Gesamtnutzen der Diamanten, könne der Grenznutzen des Wassers kleiner sein als der Grenznutzen der Diamanten, wenn Wasser reichlich vorhanden ist und Diamanten knapp sind. Da für die Höhe der Preise der Grenznutzen bestimmend sei, könne der Preis für Diamanten hoch und der Preis für Wasser niedrig sein. In Abbildung 1 ist U w die Kurve, deren vertikaler Abstand von der Abszisse angibt, wie groß der Grenznutzen des Wassers bei alternativen Mengen ist. Der Grenznutzen sinkt mit wachsender Menge. Die Kurve UD gibt an, wie hoch der Grenznutzen der Diamanten bei alternativen Mengen ist. Wenn 0W, Einheiten Wasser und (©! Diamanten zur Verfügung stehen, ist OA der Grenznutzen des Wassers und OB der Grenznutzen der Diamanten. Da OA kleiner als OB ist, ist der Grenznutzen des Wassers kleiner als der Grenznutzen der Diamanten. Der Gesamtnutzen, den OW, Einheiten Wasser stiften, wird durch die Fläche unter der Grenznutzenkurve U w zwischen 0 und W! gemessen. Der Gesamtnutzen, den OD, Diamanten stiften, wird durch die Fläche unter der UD-Kurve zwischen 0 und D, gemessen. Der Gesamtnutzen des Wassers ist größer als der Gesamtnutzen der Diamanten.

7

Abb. 1 Grenznutzen

Β A W,

W,D

Die Grenznutzentheoretiker fragten, wie der Haushalt sein Einkommen für den Kauf der verschiedenen Güter verwenden muß, wenn der Nutzen maximiert werden soll. Da der Grenznutzen mit dem Konsum zusätzlicher Einheiten eines Gutes sinkt, sollten zusätzliche Einheiten eines Gutes nur gekauft werden, wenn der zusätzliche Nutzen, den diese Einheiten stiften, mindestens so groß ist wie der zusätzliche Nutzen, den man erhält, wenn man mit dem gleichen Geldbetrag andere Güter kauft. Der Nutzen wird maximiert, wenn der Grenznutzen der letzten Mark bei allen Gütern gleich groß ist. Wenn nämlich der zusätzliche Nutzen, den die letzte Mark stiftet, die für das Gut X ausgegeben wird, kleiner ist als der zusätzliche Nutzen der letzten Mark, die für Y ausgegeben wird, kann der Nutzen bei gegebenem Einkommen erhöht werden, indem weniger für X und mehr für Y ausgegeben wird. Bei Nutzenmaximierung muß also gelten: UX

Ρχ

=

UY

Ργ

=

UZ

Pz

(

Allgemein formuliert: Ein Haushalt maximiert seinen Nutzen, wenn er sein Einkommen so verwendet, daß der Quotient aus Grenznutzen und Preis bei allen Gütern gleich groß ist. Man nennte diese Bedingung auch das Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenznutzen oder das Zweite Gossensche Gesetz.

Erstes Kapitel Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion A. Die Grundannahmen der ordinalen Nutzentheorie Die meisten Ökonomen sind heute der Ansicht, daß es nicht möglich ist, den Nutzen kardinal zu messen. Sie meinen außerdem, daß die Annahme, der Nutzen sei kardinal meßbar, nicht notwendig ist, um das beobachtbare Verhalten der Konsumenten zu erklären. Wenn jemand in einer Woche zwei Pfund Kaffee und ein Pfund Tee kauft, statt zum gleichen Preis ein Pfund Kaffee und 1,5 Pfund Tee zu kaufen, dann drückt er durch sein Kaufverhalten nicht aus, um wieviel er das Güterbündel, das er kauft, einem Güterbündel vorzieht, das er auch hätte kaufen können. Er bekundet nur, daß er das gekaufte Güterbündel mindestens so hoch einschätzt wie das Güterbündel, das er mit dem gleichen Geldbetrag hätte kaufen können. Deshalb ist es nicht überraschend, daß zur Beschreibung und Erklärung des Käuferverhaltens die Annahme, der Nutzen sei kardinal meßbar, nicht notwendig ist. In der ordinalen Nutzentheorie wird lediglich unterstellt, daß der Haushalt alternative Güterbündel vergleichen und in eine bestimmte Rangordnung bringen kann. Diese Rangordnung nennt man die Präferenzordnung des Haushalts. Man nimmt an, daß der Haushalt von allen Güterbündeln, die er mit seinem Einkommen kaufen kann, das Güterbündel auswählt, das in der Rangordnung an höchster Stelle steht. In diesem Abschnitt werden bestimmte allgemeine Annahmen über die Präferenzordnung des Haushalts gemacht. Sie lassen sich zu fünf Axiomen zusammenfassen und ergeben ein idealisiertes Bild der Realität. Es wird nicht der Anspruch erhoben, daß man Besonderheiten im Verhalten einzelner Haushalte auf diese Art stets zutreffend beschreiben kann. Es handelt sich um plausible Annahmen, die in der Regel zutreffen. Wir unterstellen sie als gültig, um relativ einfach argumentieren zu können, ohne daß wir stets alle möglichen Ausnahmefälle bedenken müssen.

1. Das Axiom der Vollständigkeit (Vergleichbarkeit) Der Haushalt kann alle Güterbündel vergleichend in eine Rangordnung bringen. Für zwei beliebige Güterbündel Α und Β kann der Haushalt eine und nur eine der folgenden Aussagen machen: Güterbündel Α wird dem Güterbündel Β vorgezogen. Wir schreiben: Α ρ Β. Güterbündel Β wird dem Güterbündel Α vorgezogen. Wir schreiben: Β ρ Α. Güterbündel Α und Güterbündel Β werden als gleich gut angesehen. Der Haushalt ist hinsichtlich der Güterbündel Α und Β indifferent. Wir schreiben: A i B.

10

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Mit dieser Annahme wird die Möglichkeit ausgeschlossen, daß der einzelne aus Mangel an Information zwei Alternativen nicht vergleichen kann. Der Student Α., der bei einem Besuch vom Gastgeber gefragt wird, ob er lieber einen Chateau Margaux oder einen Κοπΐ3ηέε Conti zu trinken wünsche, mag aber durchaus sagen: "Ich weiß es nicht, ich trinke sonst nur Licher Pils." Man kann in solchen Fällen allerdings auch die Auffassung vertreten, daß der Konsument indifferent hinsichtlich der Güterbündel ist, die er nicht vergleichen kann. 2.

Das Axiom der Transitivität

Wenn Güterbündel Α dem Güterbündel Β vorgezogen wird und Güterbündel Β dem Güterbündel C vorgezogen wird, so wird Α dem C vorgezogen. Es gilt also: Α ρ Β und Β ρ C Analog gilt:

A ρ C.

AiBundBiC=> AiC.

Es wird also angenommen, daß Präferenz und Indifferenz transitive Relationen sind. Das Transitivitätsaxiom wird zweifellos in Einzelfallen verletzt. So wird von einem Experiment berichtet, in dem amerikanische Studenten aufgefordert wurden, ihre potentiellen Ehepartner auszuwählen, die sich durch die Eigenschaften "Brains", "Looks" und "Money" unterscheiden. Sie sollten zwischen den folgenden Bündeln von Eigenschaften wählen: Brains

Looks

Money

A

ausgezeichnet

dürftig

durchschnittlich

Β

durchschnittlich

ausgezeichnet

dürftig

C

dürftig

durchschnittlich

ausgezeichnet

Es zeigte sich, daß das Transitivitätsaxiom häufig verletzt wurde, wenn paarweise zwischen jeweils zwei Güterbündeln gewählt werden mußte. Es kam also vor, daß jemand das Eigenschaftsbündel Α dem Β und Β dem C vorzog, aber dennoch C dem Α vorzog. Eine Verletzung des Transitivitätsaxioms kann auch als Folge eines sogenannten Schwelleneffektes auftreten. Güterbündel Α und Β mögen so geringe Unterschiede aufweisen, daß der Beurteilende sie für gleich gut hält. Das mag auch für die Güterbündel Β und C gelten. Wird aber Α mit C verglichen, so können die tatsächlich vorhandenen Unterschiede so deutlich werden, daß zum Beispiel Α dem C vorgezogen wird. Dies kann theoretisch dazu führen, daß sich der einzelne auf eine Reihe von Tauschgeschäften einläßt, durch die er schließlich schlechter gestellt wird.

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

3.

11

Axiom der rationalen Wahl

Wird aus der Menge der mit gegebenem Einkommen realisierbaren Güterbündel ein Güterbündel Α gewählt, so schätzt der Konsument dieses Güterbündel mindestens so hoch ein wie die Güterbündel, die er nicht gewählt hat, obwohl er sie mit gegebenem Einkommen auch hätte kaufen können. Von einem Konsumenten, der nach Maßgabe der ersten drei Axiome handelt, sagen wir, er verhalte sich rational. Unter rationalem Verhalten verstehen wir also ein Handeln, bei dem sich der einzelne auf der Grundlage einer vollständigen und transitiven Präferenzordnung für eine Alternative entscheidet, die mindestens so gut ist wie alle anderen realisierbaren Alternativen. Rationales Verhalten ist also nicht ein Verhalten, das von einem Dritten als vernünftig, klug oder weise angesehen werden muß. Rationalverhalten in dem hier definierten Sinn schließt nicht aus, daß der Student S. es vorzieht, das Telefonbuch statt ein Lehrbuch der MikroÖkonomie zu lesen. Rationales Verhalten bedeutet nur, daß der einzelne nach Maßgabe der Axiome 1 bis 3 handelt. Die ersten drei Axiome sind so allgemein, daß es kaum möglich ist, bedeutsame überprüfbare Hypothesen über das Verhalten der Konsumenten aus ihnen abzuleiten. Deshalb werden in der Regel einige weitere Annahmen gemacht. 4.

Axiom der NichtSättigung

Unterscheidet sich ein beliebiges Güterbündel Α von einem Güterbündel Β dadurch, daß es mehr von einem Gut und von keinem anderen Gut weniger enthält, so wird Güterbündel Α dem Güterbündel Β vorgezogen. Einfacher formuliert: Mehr ist besser als weniger. Enthält also das Güterbündel Α die Mengen xa und ya der Güter X und Y und enthält Β die Mengen Xb und yb, so folgt aufgrund der Nichtsättigungsannahme aus

oder

x„>x b

und

y„>y b

x, > xb

und

y„ > yb,

daß das Güterbündel Α dem Güterbündel Β vorgezogen wird. Es ist sicher unrealistisch, zu unterstellen, daß Sättigung nicht eintreten kann, wenn pro Periode eine immer größere Menge eines bestimmten Gutes zur Verfügung gestellt wird. Jener Haushalt, der bei einem Versanduntemehmen einen Kühlschrank bestellte und dem wegen eines Computerfehlers ein Jahr lang zu Beginn jedes Monats ein Kühlschrank zugestellt wurde, wird vermudich schon die Lieferung des vierten oder fünften Kühlschranks nicht mehr begrüßt haben. Die Nichtsättigungsan-

1

Da wir Indifferenz zulassen, können wir an dieser Stelle noch nicht ausschließen, daß es andere Güterbündel gibt, die dem Haushalt gleich wünschenswert erscheinen. Zusätzliche Annahmen, die im folgenden gemacht werden, stellen sicher, daß tatsächlich nur ein einziges Güterbündel das beste ist.

12

Die Präfeienzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

nähme wird aber vertretbar, wenn man bedenkt, daß die für den Haushalt relevanten Güterkombinationen nur die sind, die er aufgrund seiner Einkommensrestriktion realisieren kann.1

5. Das Axiom der sinkenden Grenzrate der Substitution Unter der Grenzrate der Substitution eines Gutes Y durch ein Gut X (GRS,,) versteht man die Zahl der Einheiten eines Gutes Y, die der Haushalt maximal aufzugeben bereit ist, wenn er eine (streng genommen infinitesimal kleine) Einheit des Gutes X mehr erhält. Wenn der Haushalt zum Beispiel maximal auf drei Einheiten des Gutes Y zu verzichten bereit ist, um eine Einheit des Gutes X zu erhalten, so beträgt die Grenzrate der Substitution von Y durch X drei. Abb. 1.1

y 8 7 6 5 4 32 1 0

.B

1 2 3 4 5 6 7

In Abbildung 1.1 repräsentieren die Güterbündel Α und Β zwei Güterbündel, zwischen denen der Haushalt indifferent ist. Α repräsentiert ein Güterbündel, das eine Einheit von X (x, = 1) und sieben Einheiten von Y (y„ = 7) enthält. Das Güterbündel Β besteht aus zwei Einheiten von X (Xj, = 2) und vier Einheiten von Y (yb = 4). Der Haushalt ist maximal bereit, drei Einheiten von Y aufzugeben, wenn er eine Einheit von X mehr erhält. Die Grenzrate der Substitution von Y durch X ist drei. Dieses Ergebnis erhält man, wenn man die Grenzrate der Substitution von Y durch X definiert als

In unserem Beispiel erhält man

1

Man kann den Bedenken gegen die Nichtsättigungsannahme, wie sie durch das vierte Axiom formuliert wurde, Rechnung tragen, indem man die schwächere Annahme macht, daß keine Sättigung bei allen Gütern eintreten kann. Da sich die Ergebnisse nicht wesentlich ändern, wird hier die analytisch einfachere "starke Nichtsättigungsannahme" beibehalten.

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

yb-y,

Δχ"

4-7

13

-3

" 2 - 1

1

Da wie bereits erwähnt die zusätzliche Menge des Gutes X streng genommen infinitesimal klein sein muß, ist die Grenzrate der Substitution jener Wert, der sich ergibt, wenn man Δχ gegen Null gehen läßt.1 Die Grenzrate der Substitution wird also definiert als GRS y = lim = &*->ο Δχ

~ dx

Die Notation soll daran erinnern, daß y und χ nur so variieren können, daß der Nutzen konstant bleibt. Die Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution bedeutet: Wird fortgesetzt ein Gut Y so durch ein Gut X substituiert, daß der Nutzen konstant bleibt, so sinkt die Zahl der Einheiten des Gutes Y, die der Haushalt maximal für eine zusätzliche Einheit von X aufzugeben bereit ist. Abb. 1.2

0.5

1

2 3 4

5 6 7

Durch Abbildung 1.2 wird die Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution illustriert. Die Punkte A, B, C, D und Ε stellen Güterbündel dar, zwischen denen der Haushalt indifferent ist. In Α verfügt der Haushalt über viel Y und wenig X. Er ist bereit, relativ viel von Y aufzugeben, wenn er eine Einheit von X mehr erhält. Von Β aus ist er nur noch bereit, eine kleinere Menge von Y im Tausch gegen eine Einheit von X aufzugeben. Die Menge von Y, die der Haushalt maximal aufzugeben bereit ist, wird in Abbildung 1.2 bei fortgesetzter Substitution immer geringer.

1 Streng genommen wird durch Abbildung 1.1 also nicht der Begriff der Grenzrate der Substitution, sondern der Begriff der Durchschnittsrate der Substitution illustriert.

14

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Es ist plausibel anzunehmen, daß bei fortgesetzter Substitution eines Gutes durch ein anderes die Grenzrate der Substitution sinkt. Angenommen, Y sei Brot und X sei Bier. Jemand, der in der Ausgangssituation viel Brot und wenig Bier hat, wird bereit sein, relativ viel Brot im Tausch gegen eine Einheit zusätzliche Bier hinzugeben. Wenn mehr und mehr Brot gegen Bier getauscht wird, wird die Menge an Brot, die man für eine zusätzliche Einheit Bier hinzugeben bereit ist, sinken. Der Mensch lebt nicht vom Bier allein. Die Substitutionsannahme steht im Widerspruch zu der bei Laien und Politikern beliebten Redeweise, wonach stets "Prioritäten" hinsichtlich der Bedürfnisse und der Güter, die ihrer Befriedigung dienen, gesetzt werden. Nach dieser Auffassung gibt es eine "Rangordnung des Bedarfs" und der zur Befriedigung des Bedarfs dienenden Güter. Eine solche These ist schwer mit dem beobachtbaren Verhalten der Konsumenten in Einklang zu bringen. Wenn etwa das Einkommen eines Haushalts sinkt, so beobachten wir, daß sich der Haushalt nicht nur bei einem Gut einschränkt, sondern bei den meisten Gütern. Gäbe es eine Prioritätenskala, müßte man beobachten, daß der Haushalt zunächst den Konsum des Gutes aufgibt, das am Ende der Prioritätenskala steht; danach müßte der Konsum des an vorletzter Stelle der Skala stehenden Gutes aufgegeben werden etc. Ein solches Verhalten ist in der Realität nicht zu beobachten. B. Die graphische Darstellung der Präferenzordnung durch ein Indifferenzkurvenfeld Um die Präferenzordnung graphisch darstellen zu können, wird die Zahl der Güter auf zwei reduziert, auf die beiden Güter X und Y. Abb. 1.3 I

\

II

Ε .C A

_J) SKB

m

IV

In Abbildung 1.3 werden Mengen der Güter X und Y auf den Achsen abgetragen. Der Punkt Α in Abbildung 1.3 repräsentiert ein Güterbündel, das x, Einheiten des Gutes X und y, Einheiten des Gutes Y enthält. Das Güterbündel Β soll ein Güterbündel repräsentieren, das dem Haushalt gleich wünschenswert erscheint wie A. Wir sagen: Α und Β liegen auf der gleichen Indifferenzkurve.

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

15

Wir definieren: Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort aller Güterkombinationen, zwischen denen der Haushalt indifferent ist. Man kann auch sagen: Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort aller Güterkombinationen, die gleichen Nutzen stiften. Die in Abbildung 1.3 eingezeichnete Indifferenzkurve hat eine negative Steigung und verläuft konvex zum Ursprung. Müssen Indifferenzkurven so verlaufen? In diesem Abschnitt soll geprüft werden, welcher Verlauf der Indifferenzkurven sich aus den Axiomen über die Präferenzordnung ergibt. 1.

Aus der Nichtsättigungsannahme folgt, daß Indifferenzkurven negative Steigung haben müssen.

Alle Punkte im zweiten Quadranten wie C, D und Ε repräsentieren Güterbündel, die entweder mehr von beiden Gütern (Punkt C) oder mehr von einem und die gleiche Menge vom anderen Gut enthalten (D und E) als das durch Α repräsentierte Güterbündel. Alle diese Güterbündel werden aufgrund der Nichtsättigungsannahme dem Güterbündel Α vorgezogen. Andererseits wird Α allen Güterbündeln im dritten Quadranten vorgezogen, da diese von mindestens einem Gut eine geringere Menge enthalten. Güterbündel, die dem Haushalt den gleichen Nutzen wie Α stiften, müssen daher rechts unterhalb oder links oberhalb von Α liegen. Indifferenzkurven haben also negative Steigung. 2.

Aus der Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution folgt, daß Indifferenzkurven konvex zum Ursprung verlaufen müssen.

In den Abbildungen 1.4a, 1.4b und 1.4c sind drei unterschiedlich verlaufende Indifferenzkurven dargestellt. Abb. 1.4

16

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Die Kurve in Abbildung 1.4a weist eine konstante Grenzrate der Substitution auf, die konkav zum Ursprung verlaufende Kurve in Abbildung 1.4b hat sogar eine steigende Grenzrate der Substitution. Nur die in Abbildung 1.4c dargestellte Indifferenzkurve, die konvex zum Ursprung verläuft, ist mit der Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution vereinbar. 3. Indifferenzkurven können sich nicht schneiden. Dies ist deshalb so, weil die Annahme, Indifferenzkurven könnten sich schneiden, zu einem Widerspruch führt. Abb. 1.5

In Abbildung 1.5 schneiden sich die beiden Indifferenzkurven I, und I2. Da Α und Β auf der gleichen Indifferenzkurve I2 liegen, gilt A i B. Da Β und C Punkte auf der gleichen Indifferenzkurve I, sind, gilt Β i C. Aus A iB und Β i C folgt aufgrund der Transitivitätsannahme A i C. Aufgrund der Nichtsättigungsannahme gilt aber Α ρ C. Die Annahme, Indifferenzkurven könnten sich schneiden, führt also zu einem Widerspruch und ist deshalb falsch. 4.

Indifferenzkurven, die weiter vom Ursprung entfernt sind, repräsentieren ein höheres Nutzenniveau.

Abb. 1.6

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

17

Der Punkt Α auf liegt auf einer Indifferenzkurve, die dem Ursprung näher ist als I2. Auf I 2 gibt es einen Punkt wie B, der mehr von beiden Gütern enthält als A. Güterbündel Β wird wegen der Nichtsättigungsannahme dem Güterbündel Α vorgezogen. Da alle Güterbündel auf I2 den gleichen Nutzen wie Β stiften, werden alle Güterbündel auf I 2 dem Güterbündel Α und damit allen Güterbündeln auf I, vorgezogen. 5.

Stetigkeit der Präferenzen

Wir sind bisher bei der Erörterung der Frage, welche Gestalt Indifferenzkurven haben, stillschweigend von einer ganz bestimmten Prämisse ausgegangen: Wir haben unterstellt, daß es solche Indifferenzkurven gibt. Tatsächlich wird dies durch die Annahmen über die Präferenzordnung nicht garantiert. Dies kann am besten an einem Beispiel erläutert werden. Der Student S. erklärt: "Ich ziehe das Güterbündel Α dem Güterbündel Β vor, wenn Güterbündel Α mehr Bier enthält als B, unabhängig davon, wieviel Brot Güterbündel Β enthalten mag". Das heißt: Auch wenn Β viel mehr Brot enthält als A, wird Α dennoch dem Güterbündel Β vorgezogen, wenn es auch nur die kleinste Menge Bier mehr enthält. Allerdings erklärt der Student weiter: "Wenn beide Güterbündel die gleiche Menge Bier enthalten, ziehe ich das Güterbündel vor, das mehr Brot enthält". Was bedeuten diese Aussagen für den Verlauf der Indifferenzkurven? Abb. 1.7

y=Brot -

Bp A ApB-

—B

P

A

ApB

Alle Güterbündel B, die bei gleicher Menge an Bier mehr Brot enthalten, werden A vorgezogen. Das gilt in Abbildung 1.7 für alle Punkte genau über A. Andererseits wird Α allen Güterbündeln Β vorgezogen, die bei gleicher Menge an Bier weniger Brot enthalten. Dies gilt für alle Punkte genau unterhalb von A. Alle Güterbündel B, die mehr Bier enthalten als A, werden Α vorgezogen. Dies gilt für alle Punkte rechts von A. Andererseits gilt für alle Punkte links von A, daß Α diesen Güterbündeln vorgezogen wird. Es gibt kein Güterbündel, das den gleichen Nutzen stiftet wie A. Die Indifferenzkurve schrumpft zu einem einzigen Punkt.

18

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Um diesen Fall der sogenannten lexikographischen Ordnung auszuschließen, ergänzt man die Annahme über die Präferenzordnung durch eine sechste Annahme, die Annahme der Stetigkeit der Präferenzen. Da diese Annahme lediglich von formalem Interesse ist, wird auf eine Diskussion verzichtet. 6.

Differenzierbarkeit der Indifferenzkurve

Wir haben bisher durch unsere Annahmen nicht explizit sichergestellt, daß die Indifferenzkurven glatt verlaufen, also keinen Knick haben. Es soll ausgeschlossen werden, daß Indifferenzkurven so verlaufen wie die Indifferenzkurve in Abbildung 1.8, die im Punkt C einen Knick hat. Abb. 1.8

Im Punkt C ist die Grenzrate der Substitution nicht eindeutig definiert. Man kann viele Tangenten mit unterschiedlicher Steigung in C an die Indifferenzkurve legen. Um das auszuschließen, postuliert man, daß die Grenzrate der Substitution eine stetige Funktion sein soll. Da die Grenzrate der Substitution die negative erste Ableitung der Indifferenzkurve ist, können wir auch sagen, die Indifferenzkurve solle an jedem Punkt differenzierbar sein. Als letzte Annahme über die Präferenzordnung formulieren wir deshalb: Indifferenzkurven sind in jedem Punkt differenzierbar. Es empfiehlt sich, diese Annahme noch durch die weitergehende Annahme zu verstärken, daß die Steigung der Kurve der Grenzrate der Substitution stetig ist. Dadurch soll sichergestellt werden, daß die noch einzuführende Nutzenfunktion zweimal differenzierbar ist. Insgesamt ergibt sich somit ein Katalog von sieben Annahmen über die Präferenzordnung. Diese sind: 1. Annahme 2. Annahme 3. Annahme 4. Annahme

der Vollständigkeit der Transitivität der rationalen Wahl der NichtSättigung

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

19

5. Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution 6. Annahme der Stetigkeit der Präferenzen 7. Annahme der Differenzierbarkeit der Indifferenzkurve.

C. Von der Präferenzordnung zur Nutzenfunktion Man kann unmittelbar aus den Axiomen über die Präferenzordnung alle wesentlichen Ergebnisse der Haushaltstheorie ableiten, die wir im nächsten Kapitel kennenlernen werden. Eine Nutzenfunktion braucht man dazu nicht. Trotzdem soll das Konzept der Nutzenfunktion eingeführt werden, weil es in vielen Fällen die Analyse erleichtert. Die Verwendung des Konzepts der Nutzenfunktion ermöglicht es auch, zusätzliche Annahmen zu machen, um spezielle Hypothesen über das beobachtbare Verhalten der Konsumenten abzuleiten. Um eine Nutzenfunktion aufzustellen, wird jedem Güterbündel eine bestimmte reelle Zahl zugeordnet. Dies geschieht in der Weise, daß allen Güterbündeln, zwischen denen der Haushalt indifferent ist, die gleiche Zahl zugeordnet wird. Wird ein Güterbündel Α einem Güterbündel Β vorgezogen, so wird dem Güterbündel Α eine größere Zahl zugeordnet als dem Güterbündel B. Eine solche Zuordnung reeller Zahlen zu den einzelnen Güterbündeln ist eine Funktion, die man Nutzenfunktion nennt. In der deutschen Literatur spricht man häufig auch von einer Nutzenindexfunktion. Damit soll auf den ordinalen Charakter der Nutzenfunktion hingewiesen werden. Die Präferenzordnung kann also für den Zweigüterfall durch die Nutzenfunktion U = f(x, y) wiedergegeben werden. Im allgemeinen Fall mit η Gütern schreiben wir U = f(x„ x 2 ,..., x„), wobei Xj die Mengen des Gutes X, sind.' Eine solche Nutzenfunktion ist der algebraische Ausdruck einer Präferenzordnung. Die Annahmen über die Präferenzordnung werden zu Eigenschaften der Nutzenfunktion. 1.

Aus der Natur der reellen Zahlen ergibt sich, daß eine und nur eine der folgenden Aussagen wahr ist. U(A) > U(B) und zwar dann, wenn Α ρ Β oder U(A) < U(B) und zwar dann, wenn Β ρ A

1

Für die Indifferenzkurve schreiben wir im Zweigüterfall U(x, y) = U, wobei U konstanten Nutzen bedeutet. Allgemein: U(X[, x2 χJ = U.

20

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

oder U(A) = U(B) und zwar dann, wenn A i Β Dies entspricht dem Axiom der Vollständigkeit (Vergleichbarkeit). Die Nutzenfunktion ist Ausdruck der gleichen Rangordnung wie die zugrundeliegende Präferenzordnung. Man nennt eine solche Funktion auch eine die Rangordnung bewahrende Funktion. 2. Aus der Natur der reellen Zahlen folgt ferner: Wenn die Zahl, die dem Güterbündel Α zugeordnet ist, größer ist als die Zahl, die dem Güterbündel Β zugeordnet ist, und wenn die Zahl, die Β zugeordnet ist, größer ist als die Zahl, die C zugeordnet ist, so ist die Zahl, die Α zugeordnet ist, größer als die Zahl, die C zugeordnet ist. Es gilt U(A) > U(B) λ U(B) > U(C) =» U(A) > U(C). Analog gilt U(A) = U(B) α U(B) = U(C) => U(A) = U(C). Die Transitivitätsannahme bleibt erhalten. 3. Das Axiom der rationalen Wahl bedeutet jetzt, daß der Konsument von allen Güterkombinationen, die er kaufen kann, die mit dem höchsten Nutzenindex wählt. Der Annahme der rationalen Wahl entspricht die Annahme der Nutzenmaximierung. 4.

Die Nichtsättigungsannahme bedeutet, daß der Nutzen steigt, wenn bei Konstanz der Menge aller anderen Güter die Menge eines Gutes erhöht wird. Dies bedeutet jetzt: Die partielle Ableitung der Nutzenfunktion nach der Menge eines Gutes ist positiv. Es gilt:

Im folgenden wird häufig für δυ/δχ auch U„ für 5U/5y auch Uy, für δ 2 υ/δχ 2 auch U„ und für 52U/5x6y auch Uxy geschrieben. Die erste Ableitung des Nutzens nach der Menge eines Gutes nennt man auch den Grenznutzen dieses Gutes. In der kardinalen Nutzentheorie verstand man unter dem Grenznutzen den zusätzlichen Nutzen, der sich ergibt, wenn der Konsum eines Gutes um eine Einheit erhöht wird. In der ordinalen Nutzentheorie kommt dem Grenznutzen keine kardinale Bedeutung zu. Wir können aufgrund

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

21

des Nichtsättigungsgesetzes lediglich sagen, daß der Grenznutzen positiv ist. Wir können insbesondere im Rahmen der ordinalen Nutzentheorie keine Aussage darüber machen, ob der Grenznutzen sinkt, wenn die Menge steigt.1 Wenn wir den Gesamtnutzen nicht kardinal messen können, können wir auch den Grenznutzen nicht messen, weil der Grenznutzen die Veränderung des Gesamtnutzens ist, die sich ergibt, wenn die Konsummenge eines Gutes um eine sehr kleine Einheit erhöht wird. 5.

Die Annahme der sinkenden Grenzrate der Substitution bedeutet, daß die Indifferenzkurven konvex zum Ursprung verlaufen.

Abb. 1.9

In Abbildung 1.9 sind Α und Β Punkte auf der gleichen Indifferenzkurve. Man sieht, daß alle Punkte, die sich wie der Punkt C auf der Verbindungsgerade zwischen Α und Β befinden, auf einer höheren Indifferenzkurve liegen als Α und B. Punkte, die wie C auf der Verbindungsgeraden zwischen Α und Β liegen, haben die Koordinaten xc = Xx,+(l-X)x b yc = Xy,+(l-X)y b 0=drdü-dTF(U)-u>

YiJL· Vy U y

Bei den Nutzenfunktionen U und V ist also für eine beliebige Güterkombination das Grenznutzenverhältnis und damit auch die Grenzrate der Substitution von Y durch X gleich. Die Grenzrate der Substitution ändert sich bei monotoner Transformation der Nutzenfunktion nicht.

26

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Von den in unserem Beispiel verwendeten Nutzenfunktionen, die alle die gleiche Präferenzordnung repräsentieren, weisen U; und U 2 konstanten, U 3 steigenden und U4 sinkenden Grenznutzen auf. Wie sich der Grenznutzen ändert, erkennt man am Vorzeichen der zweiten Ableitung.1 Es bedeutet: UH < 0 UM > 0 U„ = 0

sinkender Grenznutzen steigender Grenznutzen konstanter Grenznutzen

Wir erhalten für Ui = χ · y, U2 = χ · y + 10, U3 = x2 · y2, U4 = In χ + In y,

Ux = y, U„ = y, Ux = 2xy2, Ux = 1/x,

u„ uM U„ U„

=o =o = 2y2>0 = - 1/x2 < 0

Das Vorzeichen der zweiten Ableitung ist also nicht invariant in bezug auf monotone Transformationen. Im Rahmen der ordinalen Nutzentheorie kann deshalb nichts darüber ausgesagt werden, wie sich der Grenznutzen verändert. Insbesondere ist sinkender Grenznutzen keine Eigenschaft, die bei monotoner Transformation erhalten bleibt. Das erste Gossensche Gesetz kann deshalb im Rahmen der ordinalen Nutzentheorie gar nicht sinnvoll formuliert werden.

D.

Die Budgetrestriktion

Der Haushalt, der seinen Nutzen maximiert, muß die Beschränkungen beachten, denen er unterliegt. Die Restriktion, die die Konsummöglichkeiten begrenzt, nennt man Budgetrestriktion oder Einkommensrestriktion. Die Menge der Güter, die der Haushalt kaufen kann, wird durch sein Einkommen beschränkt. Der Betrag, den der Haushalt in einer bestimmten Periode für den Kauf von Konsumgütern ausgibt, kann allerdings vom laufenden Einkommen der Periode abweichen. Der Haushalt kann einen Teil des Einkommens sparen; die für den laufenden Konsum verfügbare Konsumsumme ist dann kleiner ids das laufende Einkommen. Der Haushalt kann auch

1

Es gilt allgemein: Ist

V(x, y) = F(U(x, y)) = F(U) > 0, dF dU „ V, = - . - = F ( U ) . U ,

und nach Anwendung der Produktregel erhält man

V„ = [£(F(U))j • U„ + U„ · F(U) = F"(U) • U, • U, + U„ · F(U) = F"(U)U* + U „ F ( U ) Ist U„ < 0, so kann V» dennoch größer Null sein, wenn F"(U) > 0 ist. Ist UM > 0, so kann V „ < 0 sein, wenn F"(Ü) < 0 ist. Für die zweite gemischte Ableitung erhält man

Vxy = ^ f = F(U) · U„ · U, + F(U) · U„ Auch hier kann V,v ein anderes Vorzeichen haben als U„.

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

27

auf die Ersparnis aus früheren Perioden zurückgreifen oder Kredite aufnehmen; die Konsumsumme ist dann größer als das laufende Einkommen. Wir wollen zunächst unterstellen, daß der Haushalt die Entscheidung über die Konsumsumme, die er vollständig für den Kauf von Konsumgütern ausgibt, bereits gefällt hat. Es soll erst später analysiert werden, wie der Haushalt diese Entscheidung trifft. Im folgenden wird diese Konsumsumme als das dem Haushalt pro Periode verfügbare Einkommen bezeichnet. Das geschieht, um in den folgenden Kapiteln die in der Literatur gebräuchliche Terminologie verwenden zu können. Die Gesamtausgaben eines Haushalts für ein Gut X, sind gleich dem Produkt aus der Menge x, und dem Preis pi( also gleich ρ,χ^ Die Gesamtausgaben für die Güter X„ X2,...,X„ sind η p1x1 + p 2 x 2 +...+p n x n = ΣρΛι i=l Die Gesamtausgaben sind gleich dem als Konsumsumme verfügbaren Einkommen E. η Σ PjXj = Ε i=l Man nennt diese Restriktion die Budget- oder Einkommensrestriktion des Haushalts. Wir wollen uns im folgenden bei der graphischen Darstellung auf den Fall von zwei Gütern, die Güter X und Y, beschränken. Die Budgetrestriktion lautet in diesem Fall P*-x + Py-y = E Löst man diese Gleichung nach y auf, erhält man y

Ε Ρ* χ Py

Py

Der graphische Ausdruck der Budgetgleichung ist eine Budgetgerade, die man häufig auch Bilanzgerade nennt. Sie ist der geometrische Ort aller Kombinationen der Güter X und Y, die der Haushalt mit gegebener Konsumsumme maximal kaufen kann. In Abbildung 1.11 werden Mengeneinheiten des Gutes X auf der Abszisse und Mengeneinheiten von Y auf der Ordinate abgetragen. Der Ordinatenabschnitt OM gibt die Zahl der Einheiten von Y an, die der Haushalt maximal kaufen kann, wenn er das Gut X nicht kauft. Setzt man in der Budgetgleichung χ = 0, erhält man y = E/py. Das ist die Gütermenge von Y, die der Haushalt kauft, wenn er sein gesamtes Einkommen für den Kauf von Y ausgibt. Ganz analog ist E/px die Zahl der Einheiten von X, die der Haushalt kauft, wenn er das gesamte Einkommen für X ausgibt. In Abbildung 1.11 wird diese Zahl von Einheiten durch die Länge des Abszissenabschnitts OM' gemessen. Jeder Punkt auf der Budgetgeraden MM' repräsentiert eine Kombination von Mengen der Güter X und Y, für die der gleiche Geldbetrag Ε ausgegeben werden muß.

28

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

Abb. 1.11

Ε=Ρ·Χ,+Ρ 2 · X2

Μ

*

Aus der Gleichung der Budgetgeraden y=

Ε

Ρ,

Px Py

χ

ersieht man, daß die Steigung dy = -Ηϊ dx Esc Py ist. In Abbildung 1.11 wird die Steigung durch tan α gemessen. Es ist tan α ' = tan (180'-a) = -tan α = p,/p y . Dies folgt auch aus tan a ' = E/p y : E/p x = p x /p y . Der Quotient p,/p y gibt die Zahl der Einheiten von Y an, auf deren Kauf der Haushalt bei gegebener Konsumsumme verzichten muß, wenn er eine Einheit von X mehr kauft. Wenn zum Beispiel p, = 6 und py = 2 ist, so gibt das Preisverhältnis p„/py = 3 an, daß der Haushalt den Konsum von Y um drei Einheiten reduzieren muß, wenn eine zusätzliche Einheit von X bei konstanter Konsumsumme gekauft wird. Abb. 1.12

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

29

Wenn sich bei konstanten Preisen das Einkommen des Haushalts ändert, verschiebt sich die Budgetgerade parallel. Die Steigung der Budgetgeraden ändert sich nicht. In Abbildung 1.12 schneidet die Budgetgerade in der Ausgangssituation bei dem Einkommen EQ die Achsen bei und Eo/py. Steigt das Einkommen auf E,, so sind E,/px und E,/py die neuen Achsenabschnitte. Graphisch bedeutet eine Erhöhung des Einkommens bei konstanten Preisen also, daß sich die Budgetgerade parallel nach rechts verschiebt. Wenn umgekehrt das Einkommen sinkt, verschiebt sich die Budgetgerade parallel nach links. Wenn sich der Preis eines Gutes ändert, so ändert sich die Steigung der Budgetgeraden. Sinkt zum Beispiel der Preis des Gutes X von p°, in der Ausgangssituation auf p1, bei konstantem Preis des Gutes Y und konstantem Nominaleinkommen, so steigt die Zahl der Einheiten von X, die der Haushalt kaufen kann, wenn er sein gesamtes Einkommen für X ausgibt von E/p°, auf E/p'x. In Abbildung 1.13 bedeutet dies, daß sich die Budgetgerade entgegen dem Uhrzeigersinn dreht.

Bei einer gleich großen proportionalen Änderung aller Preise verschiebt sich die Budgetgerade parallel. Steigen zum Beispiel die Preise p, und py auf kp„ und kpy, so ändert sich die Steigung der Budgetgeraden nicht. Es ist _kp i = _P i kpy py Die Budgetgerade verschiebt sich für k > 1 parallel nach links, wenn das Nominaleinkommen konstant bleibt. Steigt auch das Nominaleinkommen von Ε auf kE, ändert sich die Lage der Budgetgeraden nicht. Mathematischer Anhang Ml) Die Nutzenfunktion heißt streng konkav, falls gilt

30

Die Präferenzordnung des Haushalts und die Budgetrestriktion

υ [ λ ( χ „ y j + α - λ ) (xb, yb)] > XU(x„ y j + (l - X)U(xb, yb) für 0 < λ < 1 Die Nutzenfunktion heißt streng quasikonkav, falls gilt: U[X(x„ y j + (1 - λ) (xb, yb)] > min(U(x„ y j , U(xb, yb)) für 0 < λ < 1 Aus der strengen Konkavität der Nutzenfunktion und aus der strengen Quasikonkavität der Nutzenfunktion folgt jeweils strenge Konvexität der Indifferenzkurven: Es seien (x„ y j , (x^ y b ) zwei Punkte, die auf der gleichen Indifferenzkurve liegen. Wie im Text schon gezeigt wurde, ist die Indifferenzkurve konvex, wenn gilt υ[λ(χ., y j + (1 - λ) (x„, yb)] > U(x„ y j = U(xb, yb) Wegen U(x„ y.) = U(x„, y b ) erhält man außerdem λυ(χ., Υ .) + (1 - X)U(xb, yb) = [λ+(1 - λ)]ϋ(χ„ y.) = U(xa, y.) und somit υ[λ(χ., y j + (1 - λ) (xb, yb)] > λϋ(χ„ y j + (1 - X)U(xb, yb) = U(x„ y j = U(xb, yb) im Falle der strengen Konkavität der Nutzenfunktion und υ[λ(χ„ y j + (1 - λ) (xb, yb)] > min(U(x., y j , U(xb, yb)) = U(x„ y j = U(xb, y b ) bei strenger Quasikonkavität der Nutzenfunktion. Damit ist bewiesen, daß die Indifferenzkurven in beiden Fällen konvex sind. Quasikonkavität ist eine schwächere Bedingung als Konkavität, das heißt, ist die Nutzenfunktion konkav, so ist sie auch quasikonkav. Aus

υ[λ(χ„ y,) + (l - λ) (xb>yb)] > XU(x„ y.) + (1 - X)U(xb, yb) für0< λ < 1

folgt wegen

λ υ ( χ „ y j + (l - X)U(xb, y b ) > λτηίη(υ(χ„ y j , U(xb,yb)) + (1 - X)min(U(x„ y j , U(xb, yb)) = min(U(x„ y j , U(xb, yb))

die Bedingung

υ[λ(χ„, y j + (1 - λ) (xb yb)] > min(U(xa, ya), U(xb, yb)) fürO 0 ersetzt, so ist

44

Haushaltsoptimum und allgemeine Nachfragefunktion

V, = Ux Vy Uy Daraus folgt, daß eine monotone Transformation der Nutzenfunktion die Nachfragefunktionen unverändert läßt. Anwendung: Warum die anderen die guten Äpfel essen. In der Seattle Times vom 19. Oktober 1975 beklagte sich ein Bürger des Staates Washington in einem Leserbrief über die dürftige Qualität der Äpfel, die auf den örtlichen Märkten angeboten werden. Viele sähen aus, als seien sie aus dem Kühlhaus genommen worden und stammten vom letzten Jahr. Dabei, so hatte der Schreiber des Leserbriefes festgestellt, wüchsen die schönsten und besten Äpfel im Staate Washington selbst. Er fragte: Wo bleiben die guten Äpfel? Werden sie in die Oststaaten oder nach Europa verschickt? Warum essen die anderen unsere guten Äpfel? Ähnliches war zuvor schon von anderen beobachtet worden. Der Anteil der guten französischen Weine an der Gesamtmenge der französischen Weine, die in den USA oder England getrunken wird, ist größer als in Frankreich selbst. Ein überproportional großer Teil des erstklassigen Rindfleischs wird an Restaurants geliefert. Äuch die deutschen Weintrinker sind betroffen, denn von den guten und teuren Weinen, die in der Bundesrepublik erzeugt werden, wird ein größerer Prozentsatz exportiert als von den billigen Weinen. Warum müssen wir es zulassen, daß die anderen unsere besten Weine trinken? Welche internationale Verschwörung ist da am Werk? Dem Schreiber des Leserbriefes in der Seattle Times antwortete der Ökonom E. Silberberg. Er schrieb: "Angenommen, auf dem regionalen Markt kostet ein guter Apfel zehn Cents und ein schlechter Apfel fünf Cents. Dann kostet ein guter Apfel soviel wie zwei schlechte Äpfel. Zwei gute Äpfel kosten vier schlechte Äpfel. Wenn es fünf Cents kostet, die Äpfel - gut oder schlecht - in den Osten zu transportieren, kosten dort die guten Äpfel 15 Cents, die schlechten Äpfel zehn Cents. Zwei gute Äpfel zu essen, kostet jetzt nur noch drei, nicht vier schlechte Äpfel. Gute Äpfel sind durch den Transport relativ billiger geworden. Deshalb wird ein größerer Prozentsatz im Osten konsumiert als bei uns." Es handelt sich also nicht um eine Verschwörung, sondern nur um das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Wir können diese Beobachtung mit Hilfe der folgenden Abbildung erläutern. In Abbildung 2.3 gibt die Steigung der Budgetgeraden AB das Preisverhältnis auf dem örtlichen Markt, die steiler verlaufende Budgetgerade A'B' das Preisverhältnis im Osten der USA an. P0 und P, sind die jeweiligen Haushaltsoptima, die sich bei den unterschiedlichen relativen Preisen ergeben. In P, ist das Verhältnis von guten zu schlechten Äpfeln größer als in P0. Die Budgetgeraden sind so gezeichnet, daß sie die

Haushaltsoptimum und allgemeine Nachfragefunktion

Abb. 2.3

45

gute Apfel B"

Β

0

Α"

Α Schlechte Apfel

gleiche Indifferenzkurve tangieren. Dies soll verdeutlichen, daß man nicht auf die Annahme, die Präferenzen oder die Realeinkommen seien unterschiedlich, zurückzugreifen braucht, um die Beobachtungen zu erklären. Literaturhinweise zum zweiten Kapitel Jochen Schumann. Grundzüge der mikroökonomischen Theorie. Fünfte Auflage, Berlin u.a. 1987. Kapitel I, B.3: Der optimale Verbrauchsplan, S. 21 - 27. Edwin von Böventer. Einführung in die MikroÖkonomie. Sechste Auflage, München-Wien 1989. Kapitel Π, E: Der optimale Konsumplan, S. 87 - 98. Horst Herberg. Preistheorie. Zweite Auflage, Stuttgart u.a. 1989. Zweites Kapitel 2.4.: Der optimale Konsumplan eines Haushalts, S. 83 - 96.

Drittes Kapitel Die Wirkungen von Einkommensänderungen In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche Wirkungen Einkommensänderungen auf die nachgefiragten Gütermengen haben. Wir unterstellen bei unserer Analyse, daß sich nur das Einkommen ändert, die Güterpreise also konstant sind. Wir machen diese Annahme, weil sie es ermöglicht, die Wirkungen von Einkommensänderungen auf die nachgefiragten Gütermengen von den Wirkungen von Preisänderungen gedanklich zu isolieren. Die Annahme, daß sich nur eine der unabhängigen Variablen ändert, die anderen aber konstant sind, nennt man Ceteris-Paribus-Annahme. Da der Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und der nachgefragten Menge zunächst graphisch analysiert werden soll, beschränken wir uns auf den Zweigüterfall. Die zu untersuchende Beziehung wird algebraisch durch die "Einkommensnachfragefunktionen" χ =f(p x ,p y E) und y = f(Px.Py,E)

beschrieben. Die Querbalken über den Preisen symbolisieren, daß diese konstant sind. Der graphische Ausdruck der Einkommensnachfragefunktionen sind die Engelkurven1. Engelkurven sind also Nachfragekurven, bei denen alle Preise als konstant angenommen werden. A. Die Einkommenskonsumkurve Graphisch bewirkt eine Veränderung des Einkommens bei Konstanz der Güterpreise, daß sich die Budgetgerade parallel verschiebt. Steigt das Einkommen, so verschiebt sich die Budgetgerade parallel nach rechts oben. In Abbildung 3.1 sind die den Einkommen EQ, E, und E2 entsprechenden Budgetgeraden dargestellt. Abb. 3.1

y

/

ο

Einkommenskonsumkurve

« o M I Eo E^ Ε•2 Px Px P,χ

X

1 Bezeichnung zu Ehren des Statistikers und Direktors des königlichen Sächsischen Statistischen Bureaus Ernst Engel (1821 - 1896).

48

Die Wirkung von Einkommensänderungen

Die Punkte Α, Β und C sind die Haushaltsoptima bei den Einkommen EQ, E„ und E^. Die Koordinaten dieser Punkte geben die Mengen der Güter an, die bei den alternativen Einkommen nachgefragt werden. Läßt man das Einkommen alle möglichen positiven Werte durchlaufen, so erhält man beliebig viele Haushaltsoptima. Verbindet man diese, erhält man eine stetige Kurve, die man Einkommenskonsumkurve nennt. Daraus folgt: Die Einkommenskonsumkurve ist der geometrische Ort aller Haushaltsoptima, die sich bei alternativen Einkommen und konstanten Preisen ergeben. Wie sich bei Einkommensänderungen die von den Gütern X und Y nachgefragten Mengen ändern, hängt von der Präferenzordnung des Haushalts ab, die graphisch durch das Indifferenzkurvenfeld repräsentiert wird. In Abbildung 3.1 steigt bei wachsendem Einkommen sowohl die von Gut X als auch die von Gut Y nachgefragte Menge. Wenn bei steigendem Einkommen die nachgefiragte Menge eines Gutes zunimmt, wird das Gut normal oder superior genannt. Die Güter X und Y in Abbildung 3.1 sind also normale oder superiore Güter. Ein Gut ist inferior, wenn bei steigendem Einkommen die nachgefragte Menge sinkt. In Abbildung 3.2a sinkt mit steigendem Einkommen die Menge, die von X nachgefragt wird. X ist also im dargestellten Einkommensintervall ein inferiores Gut. Im Zweigüterfall bedeutet dies, daß Y ein superiores Gut sein muß. In Abbildung 3.2b ist im dargestellten Einkommensintervall ganz analog Y ein inferiores und X ein superiores Gut. Abb. 3.2

Ist ein Gut in einem bestimmten Einkommensintervall ein normales Gut, so schließt dies nicht aus, daß es in einem anderen Einkommensintervall ein inferiores Gut ist. So sind Kartoffeln bei sehr niedrigem Einkommen ein normales Gut, bei höherem Einkommen sind sie ein inferiores Gut. Während es möglich ist, daß ein Gut sich über beliebige Einkommensintervalle als normales Gut erweist, kann ein Gut nicht

Die Wirkung von Einkommensänderungen

49

durchgängig ein inferiores Gut sein. Wenn nämlich in einem bestimmten Einkommensintervall die nachgefiragte Menge mit steigendem Einkommen sinkt, muß es einen Anfangsbereich geben, in dem die nachgefiragte Menge mit steigendem Einkommen gestiegen ist. Wenn man Güter als normal oder inferior bezeichnet, bezieht man sich also immer auf ein bestimmtes Einkommensintervall.

B. Einkommenskonsumkurve und Einkommenselastizität1 In Abbildung 3.3 ist Α das Haushaltsoptimum bei einem Einkommen E„, Β das Haushaltsoptimum bei einem Einkommen E,.

Β liegt auf einer Ursprungsgeraden, die durch Α geht. Die relative Mengenänderung bei Gut Χ, Δ χ / χ , die sich infolge der Erhöhung des Einkommens von E 0 auf E, ergibt, ist gleich der relativen Mengenänderung bei Gut Y, Ay / y.2 Dies bedeutet, daß sowohl die relative Mengenänderung von X als auch die relative Mengenänderung von Y gleich der relativen Einkommensänderung sein muß. Wenn zum Beispiel sowohl die Menge von X wie die Menge von Y um 5% steigen, muß auch das Einkommen um 5% gestiegen sein.3 Δχ

Ay

ΔΕ

1

Die Einkommenselastizität ist der Quotient aus relativer Mengenänderung (Δχ/χ) und relativer Einkommensänderung (ΔΕ/Ε). Siehe dazu die ausführlichen Erläuterungen in H. Demmler. Einführung in die Volkswirtschaftslehre; elementare Preistheorie. München-Wien 1990, S. 115-120.

2

A x _ C D _ AB _GF_Ay x~0C~0A~0F-y

3

Aus Abbildung 3.3 ersieht man: AE Ε ΔΕ AB Ax Ay Ρ, Ρ . " Ε ~ 0 Α ~ χ ~ y

Die Wirkung von Einkommensänderungen

50

Δχ Ε ΔΕ χ

folgt

Ay Ε = 1 ΔΕ y

In dem in Abbildung 3.3 dargestellten Fall ist damit sowohl die Einkommenselastizität für X als auch die Einkommenselastizität für Y gleich eins. Ist die Einkommenskonsumkurve eine Ursprungsgerade, so ist bei beliebigem Einkommen die Einkommenselastizität für beide Güter stets gleich eins. Aus Abbildung 3.4 wird erkennbar, wie die Einkommenskonsumkurve bei alternativen Werten für die Einkommenselastizität verläuft. Um die Darstellung relativ übersichtlich zu halten, sind nur die Werte für die Einkommenselastizität des Gutes X eingetragen. Abb. 3.4

y

0

Eo Px

^ Px

X

Α ist das Haushaltsoptimum in der Ausgangssituation beim Einkommen E 0 . a)

Ist die Einkommenselastizität für X kleiner als Null, ist X also in dem betrachteten Einkommensintervall ein inferiores Gut, so liegt das neue Haushaltsgleichgewicht links von C. Die Einkommenskonsumkurve verläuft also von Α aus nach links oben. Die Einkommenselastizität für Gut Y ist größer als eins. Y wird in diesem speziellen Fall mitunter auch "ultrasuperiores Gut" genannt.

b)

Ist die Einkommenselastizität für Gut X gleich Null, so liegt das neue Haushaltsoptimum in C. Diese Situation ergibt sich, wenn die Indifferenzkurven vertikal parallel verlaufen. Die Einkommenskonsumkurve verläuft vertikal nach oben. Die Einkommenselastizität für Y ist größer als eins.

c)

Ist die Einkommenselastizität für X größer als Null, aber kleiner als eins, so liegt das neue Haushaltsoptimum zwischen C und B. Die Einkommenskonsumkurve hat positive Steigung und verläuft steiler als die Ursprungsgerade durch Α. X wird in diesem Fall mitunter (mißverständlich) auch "relativ inferiores Gut" genannt. Die Einkommenselastizität für Y ist größer als eins.

d)

Ist die Einkommenselastizität für X gleich eins, so liegt das neue Haushaltsgleichgewicht in B. In diesem Fall ist auch die Einkommenselastizität für Y gleich eins.

Die Wirkung von Einkommensänderungen

e)

51

Ist die Einkommenselastizität für X größer als eins, so liegt das neue Haushaltsgleichgewicht rechts unterhalb von B. Es liegt zwischen Β und D, wenn die Einkommenselastizität für Y kleiner als eins, aber größer als Null ist, Y also ein sogenanntes "relativ inferiores Gut" ist. Es liegt in D, wenn die Einkommenselastizität für Y gleich Null ist. Es liegt rechts unterhalb von D, wenn Y ein inferiores Gut ist. Die Einkommenskonsumkurve verläuft dann von Α aus nach rechts unten. X ist in diesem letzten Fall ein "ultrasuperiores Gut".

Nur wenn das neue Haushaltsoptimum zwischen C und D liegt, sind sowohl X als auch Y normale Güter. Aus Abbildung 3.4 ersieht man, daß die Einkommenselastizität für X größer als eins sein muß, wenn die für Y kleiner als eins ist. Der Zusammenhang zwischen der Einkommenselastizität für X und Y läßt sich noch genauer bestimmen. Es gilt nämlich: Die Summe der mit dem Anteil der Ausgaben a m Einkommen gewogenen Einkommenselastizitäten ist gleich eins. Dabei wird unterstellt, daß das gesamte Einkommen für den Kauf der Güter X und Y ausgegeben wird. Für unseren Zweigüterfall läßt sich dies wie folgt beweisen: Pxx + Pyy = Das totale Differential ist

E

pxdx + pydy = dE dx dv p , — + py — = 1

dividiert durch dE: Dies wird durch Erweiterung zu

Px* dx E + ^ y dy E Ε dE χ Ε dE y

= 1

p^x / Ε und p y y / Ε sind die Anteile der Ausgaben für die Güter X und Y am Einkommen. Verwenden wir dafür die Symbole k, und k y , können wir schreiben 'Cx£xE + 'S e yE = 1 Die Aussage, daß die Summe der mit den Ausgabenquoten gewogenen Einkommenselastizitäten gleich eins ist, gilt auch, wenn es mehr als zwei Güter gibt. Es gilt auch, wenn ein Teil des Einkommens gespart wird, sofern wir die Ersparnis als ein Gut auffassen. Allgemein schreibt man deshalb Xk i e i E = 1 i

52

Die Wirkung von Einkommensänderungen

C. Ableitung der Engelkurve aus der Einkommenskonsumkurve Aus den Einkommenskonsumkurven lassen sich "Einkommensnachfragekurven", die sogenannten Engelkurven ableiten. Die Engelkurve gibt an, wie groß bei alternativen Einkommen die von einem bestimmten Gut nachgefragten Mengen sind. Zu diesem Zweck wird das Einkommen als unabhängige Variable auf der Abszisse, die nachgefragte Menge als abhängige Variable auf der Ordinate abgetragen.1 Die Herleitung der Engelkurve für das Gut X wird durch Abbildung 3.5 illustriert.

Im Quadranten a sind auf der Abszisse die Mengen des Gutes X abgetragen, die bei alternativen Einkommen nachgefragt werden. Diese Mengen übertragen wir mit Hilfe der 45°-Linie des Quadranten c auf die Ordinate des Koordinatensystems in Quadrant d. Wir haben eine Einheit des Gutes Y so definiert, daß der Preis von Y eins ist. Deshalb können wir die alternativen Einkommen als Ordinatenabschnitte der Budgetgeraden in Quadrant a messen. Mit Hilfe der 45"-Linie in Quadrant b übertragen wir die Einkommen auf die Abszisse des Koordinatensystems im Quadrant d. Als Kombination von Einkommen und nachgefragten Mengen erhalten wir in Quadrant d die Engelkurve. In Abbildung 3.5 erhalten wir eine Engelkurve, die im Ursprung des Koordinatensystems beginnt. Die Mengen nehmen bei steigenden Einkommen überproportional zu. In diesem Fall ist die Einkommenselastizität in jedem Punkt größer als eins.2

1

Mitunter wird auch die Menge auf der Abszisse und das Einkommen auf der Ordinate abgetragen.

2

Siehe dazu H. Demmler. A.a.O., S. 116 -119.

Die Wirkung von Einkommensänderungen

53

Wir haben schon erläutert, daß die Einkommenselastizität sowohl für Gut X als auch für Gut Y eins ist, wenn die Einkommenskonsumkurve eine Ursprungsgerade ist. Die Engelkurve ist eine Ursprungsgerade, wenn die Einkommenselastizität des betrachteten Gutes bei beliebigen Einkommen eins ist. Durch Abbildung 3.6 wird dieser Zusammenhang illustriert.

D. Spezielle Nutzenfunktionen 1. Homothetische Nutzenfunktionen Homothetische Nutzenfunktionen sind eine spezielle Klasse von Nutzenfunktionen, bei denen alle Indifferenzkurven von einer Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten werden. Dies bedeutet: Variiert man bei konstanten Preisen das Einkommen, so liegen alle Haushaltsoptima auf einer Geraden, die durch den Ursprung verläuft. Bei homothetischen Nutzenfunktionen ist also die Einkommenskonsumkurve eine Ursprungsgerade. Wir haben schon dargelegt, daß in diesem Fall die Einkommenselastizität für beide Güter gleich eins ist. Haben wir mehr als zwei Güter, so gilt: Bei homothetischen Nutzenfunktionen ist die Einkommenselastizität für alle Güter gleich eins. Daraus folgt: -

Die Engelkurve ist für jedes Gut eine Ursprungsgerade.

Die Wirkung von Einkommensänderungen

54

Abb. 3.7

y

E.'3 E.'2 E,

0 Der Anteil der Ausgaben für ein Gut am Einkommen (Ausgabenquote) bleibt konstant, wenn sich bei konstanten Preisen das Einkommen ändert. Die marginale Ausgabenquote δ(ρ χ χ) / δΕ ist für jedes Gut von der Höhe des Einkommens unabhängig. Ein Beispiel für eine homothetische Nutzenfunktion ist die Funktion V = xayp

( α + β = 1)

oder die monotone Transformation U = In V = αΐη χ + ßln y

(a + ß = l )

Wir zeigen zunächst, daß die Einkommenskonsumkurve eine Ursprungsgerade ist. Da die Einkommenskonsumkurve der geometrische Ort aller Haushaltsoptima ist, muß in jedem Punkt die Bedingung für ein Nutzenmaximum U» _P« Uy Py erfüllt sein. Da U, gleich α / χ und U y gleich β / y ist, erhalten wir α ß=£x x y py (1)

Die Wirkung von Einkommensänderungen

55

Gleichung (1) gibt an, wie groß y bei alternativen Werten für χ sein muß, wenn die Bedingung für ein Haushaltsoptimum erfüllt ist. Gleichung (1) ist also der algebraische Ausdruck der Einkommenskonsumkurve. Da die Preise p, und py konstant sind, α und β ebenfalls Konstanten sind, können wir Gleichung (1) auch schreiben als n\

(2)

f

c=

y=c x

V

ß ~~'~" α Py

Dies ist die Gleichung einer Ursprungsgeraden, deren Steigung durch das Preisverhältnis und die Konstanten α und β bestimmt wird. Die Einkommenskonsumkurve verläuft ceteris paribus um so steiler, je größer p, relativ zu py ist. Im Haushaltsoptimum muß die Restriktion E = P,x + Pyy erfüllt sein. Ersetzen wir in der Restriktion nach Gleichung (1) pyy durch β / α pxx, erhalten wir Ε = ΡχΧ

=~

x

β α P"y

(wegen α + β = 1)

Als allgemeine Nachfragefunktion für X ergibt sich n\ (3)

x=

a E

Px

und analog erhält man für Y (4)

y - t 5 Py

Aus (3) und (4) folgt x -P* = α

und, TPyy = ßο

Die Wirkung von Einkommensänderungen

56

Dies bedeutet: Der jeweilige Anteil der Ausgaben für die Güter X und Y am Einkommen ist konstant. Die Ausgabenquote ist nicht von der Höhe des Einkommens abhängig·' Aus (3) und (4) erhält man auch ρ,χ = aE .

.

und somit

δφ»χ)

— =

α

und ,

und

pyy = ßE §(p y y)



Dies bedeutet: Die marginale Ausgabenquote ist für jedes Gut konstant und somit von der Höhe des Einkommens unabhängig. Wenn wir in den allgemeinen Nachftagefunktionen (3) und (4) die Preise als konstant betrachten, werden sie zu "Einkommensnachfragefunktionen", also zum algebraischen Ausdruck der Engelkurven. Setzen wir α / ρ, = a und β / py = b, können wir Scheiben χ = aE und

y = bE

Dies macht deutlich, daß die Engelkurven bei homothetischen Nutzenfunktionen Ursprungsgeraden sind. Die Einkommenselastizität ist für beide Güter eins. Wir wissen aufgrund empirischer Untersuchungen, daß die Einkommenselastizitäten nicht für alle Güter gleich eins sind. So sinkt zum Beispiel der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel am Einkommen, wenn das Einkommen steigt. Die Einkommenselastizität für Nahrungsmittel ist also kleiner als eins. Auf der anderen Seite haben lineare Engelkurven im Rahmen empirischer Untersuchungen beachtliche Vorteile. Deshalb hat man sich gefragt, wie man die Vorteile, die lineare Engelkurven haben, beibehalten kann, ohne daß man wie bei homothetischen Nutzenfunktionen die Annahme machen muß, daß die Einkommenselastizität bei allen Gütern gleich eins sei. Diese Überlegungen führten zu einer Klasse von Nutzenfunktionen, die man Stone-Geary-Nutzenfunktionen nennt.2 2.

Stone-Geary-Nutzenfunktionen

Lineare Engelkurven weisen nur dann eine Einkommenselastizität von eins auf, wenn sie durch den Ursprung des Koordinatensystems gehen. Lineare Engelkurven, die die Abszisse bei positiven Werten schneiden, weisen eine Einkommenselastizität größer als eins auf; wird die Abszisse bei negativen Werten geschnitten, so ist die Einkommenselastizität kleiner als eins.

1

In unserem speziellen Fall sind die Ausgabenquoten nicht nur vom Einkommen, sondern auch von den Preisen unabhängig. Dies bedeutet, daß die Substitutionselastizität gleich eins ist. Das Konzept der Substitutionselastizität wird später erörtert.

2

Die Bezeichnung erfolgt zu Ehren von R. Stone und R.C. Geary. Siehe dazu R. Stone. Linear Expenditure Systems and Demand Analysis: An Application to the Pattern of British Demand, Economic Journal 64(1954), S. 511 - 527; R.C. Geary. A Note on a Constant Utility Index of the Cost of Living. Review of Economic Studies 18(1949-50), S. 65 - 66.

Die Wirkung von Einkommensänderungen

57

Abb. 3.8 a)

χ

χ

b)

Β Ε

Β

Ε

A'

Die Einkommenselastizität wird durch das Streckenverhältnis P A / P B gemessen.' Sie ist in Abbildung 3.8a größer, in Abbildung 3.8b kleiner als eins. Solche linearen Engelkurven lassen sich aus Nutzenfunktionen ableiten, deren Expansionspfad (Einkommenskonsumkurve) linear ist, aber nicht durch den Ursprung des Koordinatensystems verläuft. Dies wird durch Abbildung 3.9 illustriert. In Abbildung 3.9 wird aus der linearen Einkommenskonsumkurve in Quadrant a eine lineare Engelkurve abgeleitet, die die Ordinate bei einem positiven Wert schneidet. Die Einkommenselastizität ist in jedem Punkt der Engelkurve kleiner als eins, wächst allerdings mit steigendem Einkommen. Aus Abbildung 3.9 ersieht man, daß das gewünschte Ergebnis erreicht wird, indem eine homothetische Nutzenfunktion von 0 nach Ρ verschoben wird, also um a nach rechts und um b nach oben. Ist V=x°yp die Gleichung der homothetischen Nutzenfunktion, so ist U = (x - a)°(y - b)p unsere gesuchte Nutzenfunktion. Man bezeichnet U = (x-a)°(y-b)p

( α > 0 , β > 0 , α + β = l,x > a,y > b)

bzw. die monotone Transformation U = aln(x-a) + ßln(y-b) als Stone-Geary-Nutzenfunktion.

1 Siehe dazu H. Demirüer. a.a.O. S. 118.

(α>0,β>0,α+β= l,x>a,y>b)

58

Die Wirkung von Einkommensänderungen

nen * = a+^(E-pJIa-pyb) Pi y = b+£(E-pxa-pyb) Py ableiten. Multiplizieren wir die nachgefragten Mengen mit den jeweiligen Preisen, erhalten wir die Ausgabenfunktionen pIx = p I a + a ( E - p x a - p y b ) P,y = P , b + ß ( E - p I a - p y b )

Die beiden letzten Gleichungen stellen das lineare Ausgabensystem für den Zweigüterfall dar. Die Ausgaben sind für jedes Gut eine lineare Funktion der Preise und des Einkommens.

Die Wirkung von Einkommensänderungen

59

Die Ausgabenfunktionen können wie folgt interpretiert werden. Die Ausgaben p,a und pyb kann man als Minimalausgaben auffassen, die notwendig sind, um das Existenzminimum in bezug auf die Güter X und Y zu decken. Ε - p,a - p y b ist dann der Teil des Einkommens, der die lebensnotwendigen Ausgaben übersteigt. Die Gesamtausgaben für die Güter X und Y können somit in zwei Teile zerlegt werden: in die Minimalausgaben p,a und p y b und in die Ausgaben, die aus dem Teil des Einkommens bestritten werden, der das Mindesteinkommen übersteigt. Dieser Teil der Ausgaben ist für X gleich a(E - p,a - pyb), für Y gleich ß(E - p„a - p y b). Aus den Ausgabefunktionen erhält man δΡχ* ~δΕ~

.

8pyy "δΤ =

Und

β

Die marginalen Ausgabenquoten sind für die Güter X und Y konstant, also von der Höhe des Einkommens unabhängig. Als Anteile der Ausgaben für die Güter X und Y am Einkommen erhalten wir p,x p „ a - a p , a - a p y b ΊΓ= ε

ßpxa-apyb —

+ α =

pyy _ p y b - ßp.a - ßpyb Ε Ε

P

_ ap y b - ßp„a Ε

P

Setzen wir (ßp,a - ap y b) gleich C, können wir schreiben P«x C , ~E~ = E

. und

Pyy ™ E

C . + ß

Die Anteile der Ausgaben am Einkommen sind also anders als bei homothetischen Nutzenfunktionen nicht von der Höhe des Einkommens unabhängig, wenn C von Null verschieden ist. Für C > Ο sinkt die Ausgabenquote mit steigendem Einkommen für das Gut X, während die Ausgabenquote für Y mit steigendem Einkommen steigt. In diesem Fall ist die Einkommenselastizität für X kleiner als eins, die für Y größer als eins. Lösen wir die letzten Gleichungen nach χ und y auf, so ergibt sich C aE χ =—ι P*

P
Ο ergeben sich Engelkurven, wie sie in Abbildung 3.10 dargestellt sind.

Die Wirkung von Einkommensändemngen

60

Abb. 3.10 χ

y

Ε

C_

/

Ε

Literaturhinweise zum dritten Kapitel Die meisten deutschsprachigen Lehrbücher enthalten eine Darstellung der Wirkungen von Einkommensänderungen auf die nachgefragten Mengen. Siehe zum Beispiel: Edwin von Böventer. Einführung in die MikroÖkonomie. Sechste überarbeitete und erweiterte Auflage, München-Wien 1989, Kapitel II, F.2: Nachfragereaktionen bei Veränderungen des Einkommens, S. 100 - 106. Weiterführend: Richard Layard, Alan A. Walters. Microeconomic Theory. New York u.a. 1978, S. 135- 137 undS. 160-163. Louis Phlips. Applied Consumption Analysis. Zweite überarbeitete und erweiterte Auflage, Amsterdam u.a. 1983. Viertes Kapitel: Empirical implementations, S. 91 -138.

Viertes Kapitel Die Wirkungen von Preisänderungen A.

Substitutionseffekt und Einkommenseffekt

Die Menge, die von einem Gut nachgefragt wird, hängt von der Präferenzordnung, vom Preis des betreffenden Gutes, von den Preisen der anderen Güter und vom Einkommen ab. Im letzten Kapitel haben wir die Wirkungen analysiert, die sich ergeben, wenn sich bei konstanten Preisen das Einkommen ändert. In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche Wirkungen es hat, wenn sich der Preis eines Gutes ändert, die Preise der anderen Güter und das Nominaleinkommen aber konstant bleiben. Die Änderung eines Preises bewirkt, daß sich die nachgefragte Menge ändert. Wir erläutern im folgenden die Wirkungen einer Preisänderung am Beispiel einer Preissenkung. Abb. 4.1

In Abbildung 4.1 ist Α das ursprüngliche Haushaltsoptimum beim Preis px°. Sinkt der Preis des Gutes X von p, 0 auf p x ', so dreht sich die Budgetgerade um Μ und schneidet die Abszisse bei Ε/ρ,1. Β ist das neue Haushaltsoptimum. Die von X nachgefragte Menge steigt von x ISEI

Wir haben in diesem Abschnitt den Gesamteffekt in einen Einkommenseffekt und einen Substitutionseffekt zerlegt, indem wir eine sogenannte kompensierende Einkommensvariation vorgenommen haben. Die kompensierende Einkommensvariation ist im Fall einer Preissenkung gleich dem Betrag, um den wir das Nominaleinkommen maximal verringern können, ohne daß sich der Haushalt schlechter steht. Im Fall einer Preisserhöhung ist sie gleich dem negativen Wert des Betrages, den man dem Haushalt mindestens als Kompensation zahlen muß. Die kompensierende Einkommensvariation ist ein Maß für den Wohlfahrtsgewinn oder Wohlfahrtsverlust einer Preisänderung. Sie ist bei einer Preissenkung positiv und bei einer Preiserhöhung negativ. Setzt man py gleich 1, so ist in Abbildung 4.4 KM die kompensierende Einkommensvariation. 2.

Einkommens- und Substitutionseffekt nach Hicks (2. Variante): Die äquivalente Einkommensvariation

Statt den Gesamteffekt einer Preisänderung mit Hilfe einer kompensierenden Einkommensvariation in einen Einkommenseffekt und einen Substitutionseffekt zu zerlegen, können wir dies auch mit Hilfe der sogenannten äquivalenten Einkommensvariation tun. Wir betrachten wieder den Fall einer Preissenkung. Bisher haben wir gefragt: Wie groß ist der Betrag, den wir dem Haushalt nach der Preissenkung maximal wegnehmen können, ohne daß sich seine Situation gegenüber der Ausgangssituation verschlechtert. Dieser Betrag war die kompensierende Einkommensvariation. Man könnte aber auch fragen: Welchen Betrag müßte man dem Haushalt mindestens zahlen, damit er auch ohne Preissenkung auf das gleiche Nutzenniveau gelangt, das er aufgrund der Preissenkung tatsächlich erreicht. Die so definierte Nominaleinkommenssteigerung wäre der Realeinkommenserhöhung äquivalent, die mit der Preissenkung verbunden ist. Man nennt diese Einkommensänderung deshalb auch die äquivalente Einkommensvariation (EV).

Die Wirkungen von Preisänderungen

67

Wir definieren: Die äquivalente Einkommensvariation ist gleich dem Geldbetrag, den man dem Haushalt zahlen müßte, damit er ohne Preisänderung auf das gleiche Nutzenniveau gelangt, das er infolge der Preisänderung erreicht. Die äquivalente Einkommensänderung ist im Fall einer Preissenkung positiv, im Fall einer Preiserhöhung negativ. Die äquivalente Einkommensvariation wird hier wie zuvor die kompensierende Einkommensvariation so definiert, daß sie positiv ist, wenn eine Preisänderung zu einem Wohlfahrtsgewinn führt und negativ ist, wenn sie mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden ist. Der Leser muß beachten, daß dieser Konvention in der Literatur zum Teil nicht gefolgt wird. Bei einer Preissenkung können wir auch sagen: Die äquivalente Einkommensvariation ist der Betrag, den man dem Haushalt mindestens zahlen müßte, damit er bereit ist, auf die Preissenkung zu verzichten. Im Fall der Preiserhöhung gilt: Die äquivalente Einkommensvariation ist gleich dem negativen Wert des Betrages, den der Haushalt maximal zu zahlen bereit ist, um die Preiserhöhung zu verhindern. Auch die äquivalente Einkommensvariation ist ein plausibles Maß für den Wohlfahrtsgewinn oder Wohlfahrtsverlust, der mit einer Preisänderung verbunden ist. Die Aufspaltung des Gesamteffekts in einen Einkommenseffekt und einen Substitutionseffekt mit Hilfe der äquivalenten Einkommensvariation wird durch Abbildung 4.5 illustriert.

das neue Haushaltsoptimum. Die nachgefragte Menge steigt von x«, auf x,; (x, - x0) ist also der Gesamteffekt der Preissenkung. Um eine der Preissenkung äquivalente Einkommensvariation graphisch darzustellen, verschieben wir die ursprüngliche Budgetgerade parallel, bis sie die neue Indifferenzkurve U, tangiert. Die Einkommensvariation QM (py sei gleich eins, so daß auf der Ordinate neben Einheiten des Gutes Y auch das Einkommen abgetragen werden kann) macht es dem

68

Die Wirkungen von Preisänderungen

Haushalt möglich, ohne Preissenkung auf das gleiche Nutzenniveau zu gelangen, das er mit Hilfe der Preissenkung erreicht. QM ist also die äquivalente Einkommensvariation. Die hypothetische Budgetgerade QQ' tangiert die Indifferenzkurve U, in C. Die Punkte Β und C liegen auf der gleichen Indifferenzkurve. Der Haushalt fragt in Β deshalb mehr von X nach, weil X relativ zu Y billiger geworden ist. (xt - x-e> Pv=p°x,+pjy,-pjx 1 -pyy,

= -Ap x x 1 -Ap y y 1 Für den speziellen Fall p y ' = py°, d.h. nur der Preis des Gutes X ändert sich, ergibt sich: PV = -A Pl x, Wir wollen uns das Konzept der Paasche-Einkommensvariation an dem bereits im letzten Abschnitt verwendeten einfachen Zahlenbeispiel klarmachen.

Periode

Ε

Px

Py

X

y

0 1

150 150

2

1 1

50 80

50 70

1

Das hypothetische Einkommen Ep, das erforderlich ist, um das Güterbündel der Periode eins zu den Preisen der Periode Null zu kaufen, ist Ep = 2-80 + 1-70 = 230. Die Paasche-Einkommensvariation ist E^ - E, = 230 - 150 = 80. Diesen Betrag erhält man auch aus PV = -Δρ,-χ, = -(-1)·80 = 80.

1

Dies gilt dann, wenn wir die Preisniveauändenmg durch einen Paasche-Preisindex messen. Siehe dazu den Exkurs.

2

Wir haben bisher unterstellt, daß sich nur der Preis des Gutes X ändert. Der Begriff der Paasche-Einkommensvariation wird aber auch verwendet, wenn sich mehr als nur ein Preis ändert.

74

Die Wirkungen von Preisänderungen

Auch die Paasche-Einkommensvariation ist ein Maß für den Wohlfahrtsgewinn oder Wohlfahrtsverlust einer Preisänderung. Aus Abbildung 4.8 ersieht man jedoch, daß wir den Wohlfahrtsgewinn einer Preissenkung zu hoch ausweisen, wenn wir ihn durch die Paasche-Einkommensvariation PM messen. Der Haushalt gelangt in 6 p auf eine höhere Indifferenzkurve als in B. Die Paasche-Einkommensvariation ist größer als die entsprechende äquivalente Einkommensvariation.1 Vergleicht man die Paasche-Einkommensvariation PV mit der Laspeyres-Einkommensvariation, so gilt: Die Paasche-Einkommensvariation ist algebraisch größer als die Laspeyres-Einkommensvariation, sofern das Gut, dessen Preis sich ändert, kein Giffengut ist: PV

>

LV

-Δρ*Χι > - Δ Ρ Α Sinkt der Preis des Gutes X, ist -Δρχ positiv; x, ist größer als χ,,, wenn X kein Giffengut ist. Folglich ist -Δρ,χ, > -Δρ,Χο. Auch bei einer Preissteigerung (Δρ, > 0) ist die Paasche-Einkommensvariation algebraisch größer als die Laspeyres-Einkommensvariation, dem Betrage nach ist PV jedoch kleiner als LV. Aus Abbildung 4.8 läßt sich auch ablesen, daß die Paasche-Einkommensvariation im Fall der Preissenkung von px° auf px' dem Betrage nach gleich der Laspeyres-Einkommensvariation bei einer Preissteigerung von p x ' auf p j ist. Ist Β das ursprüngliche Haushaltsgleichgewicht, Α das Haushaltsoptimum nach der Preissteigerung von p,1 auf ρ χ 0 , SO wäre eine Erhöhung des Einkommens um PM erforderlich, damit der Haushalt bei den neuen Preisen das ursprüngliche Güterbündel kaufen kann. PM ist also der Betrag der Laspeyres-Einkommensvariation. 5.

Die Sluzki-Gleichung

Wir haben bisher bei der Zerlegung des Gesamteffekts einer Preisänderung in einen Substitutionseffekt und einen Einkommenseffekt auf die absoluten Mengenänderungen des Gutes abgestellt, dessen Preis sich geändert hat. Der Gesamteffekt war die Summe aus Einkommenseffekt und Substitutionseffekt. Δχ

=

Axs

+

ΔΧΕ

Gesamteffekt

=

Substitutionseffekt

+

Einkommenseffekt

Beziehen wir die Mengenänderung des Gutes X auf die Preisänderung, die diese Mengenänderung bewirkt hat, erhalten wir:

1

Der Leser möge sich klarmachen, daß auch bei einer Preissteigerung die Paasche-Einkommensvariation algebraisch größer als die äquivalente Einkommens variation ist.

Die Wirkungen von Preisänderungen

Δχ Δρ, Gesamteffekt

Δχ Δρ,

Δχ Δρ, =

75

Substitutionseffekt

+

Einkommenseffekt

Meist meint man diese Formulierung, wenn man von Gesamteffekt, Substitutionseffekt und Einkommenseffekt spricht.1 Der so definierte Substitutionseffekt [Δχ/Δρχ]* ist im Zweigüterfall immer negativ. Wenn zum Beispiel der Preis von p,° auf p, sinkt, ist Δρ, = [ p x ' - p,° ] negativ. Aus dem zum Ursprung konvexen Verlauf der Indifferenzkurven folgt, daß die Menge von χ steigt, A\s also positiv sein muß. Da Ax.s und Δρ, entgegengesetzte Vorzeichen haben, ist der Substitutionseffekt [Ax/Ap,]s negativ. Auch im Fall der Preiserhöhung haben A\s und Δρ, entgegengesetzte Vorzeichen, so daß der Substitutionseffekt negativ ist. Bei dieser Betrachtung ist der Einkommenseffekt [Δχ/Δρ,]Ε. Er ist aber im Grunde nicht die Wirkung der Preisänderung, sondern die Wirkung der mit der Preisänderung verbundenen Realeinkommensänderung. Es ist deshalb wünschenswert, den Term [Δχ/Δρ,]Ε durch einen Ausdruck zu ersetzen, bei dem die Mengenänderung ΔχΒ als von der Realeinkommensänderung abhängig dargestellt wird, die ihrerseits eine Folge der Preisänderung ist. Wir haben schon gesehen, daß es verschiedene Konzepte gibt, um die mit einer Preisänderung verbundene Realeinkommensänderung zu erfassen. Bei diskreten Preisänderungen erhält man dabei unterschiedliche Größen für die Realeinkommensänderung. Ist jedoch die Preisänderung hinreichend klein, so nähern sich alle Größen dem gleichen Wert. Wir können uns deshalb bei sehr kleiner Preisänderung für eine beliebige Methode entscheiden, um die Realeinkommensänderung zu erfassen, die mit einer Preisänderung verbunden ist. Wir wählen die Laspeyres-Einkommensvariation. Die mit einer Preisänderung verbundene Realeinkommensänderung ist also ΔΕ = -Δρ,χο Somit ist Δρ, = -ΔΕ/χ 0 Ersetzen wir in [Δχ/Δρ,]Ε Δρ, durch -ΔΕ/χο, können wir den Einkommenseffekt als

_Χο

Δχ ΔΕ

schreiben. Somit erhalten wir:

1

Der Leser muß also beachten, daß wir für die Begriffe Gesamteffekt, Substitutionseffekt und Einkommenseffekt jeweils unterschiedliche Definitionen verwenden, indem wir einmal auf die absoluten Mengenänderungen abstellen, zum anderen auf die Quotienten aus Mengenänderung und Preisänderung. Auch in der Literatur werden die Begriffe unterschiedlich definiert.

Die Wirkungen von Preisänderungen

76

Δχ Δρχ .

Δχ Δρχ

Δχ ^ΔΕ

Lassen wir Δρχ gegen Null gehen, entfällt die Unterscheidung zwischen x 0 und x,. Wir können schreiben: δχ

_

Γ δχ 1

δρχ

~

L^)xJ s

δχ

Gesamteffekt

=

Substituitionseffekt

Χ

+

δΕ

Einkommenseffekt

Dies ist die spezielle Sluzki-Gleichung. 1 Der Substitutionseffekt [5x/5pJ s , den man auch häufig als [ δ χ / δ ρ , Ι , ^ oder [5x/6pJ u=c schreibt, ist - wie erläutert - im Zweigüterfall immer negativ. Ist X ein normales Gut, so ist δχ/δΕ größer als Null; der Einkommenseffekt -χ·δχ/δΕ ist dann wie der Substitutionseffekt negativ. Der Einkommenseffekt wirkt bei einem normalen Gut also in die gleiche Richtung wie der Substitutionseffekt und verstärkt diesen. Wenn Substitutionseffekt und Einkommenseffekt negativ sind, muß auch der Gesamteffekt negativ sein. Bei einer Preissenkung muß die nachgefragte Menge folglich steigen, bei einer Preissteigerung muß sie sinken. Die Nachfrage reagiert normal auf Preisänderungen, wenn X ein normales Gut ist. Wenn X dagegen ein inferiores Gut ist, so ist δχ/δΕ negativ, der Einkommenseffekt also positiv. Bei inferioren Gütern wirkt der Einkommenseffekt dem Substitutionseffekt entgegen. Der Gesamteffekt kann negativ oder positiv sein. Er ist positiv, wenn der bei inferioren Gütern positive Einkommenseffekt den negativen Substitutionseffekt überkompensiert. In diesem Fall tritt das Giffen-Paradoxon auf. Das Giffen-Paradoxon kann sich also nur dann ergeben, wenn das betrachtete Gut inferior ist und der Einkommenseffekt dem Betrage nach größer als der Substitutionseffekt ist. Aus der Sluzki-Gleichung δχ δχ -χ δρ, . RE=c δΕ

δχ δρχ

läßt sich die Sluzki-Gleichung in Elastizitätsform ableiten. Zu diesem Zweck werden beide Seiten der Gleichung mit px/x multipliziert. Wird zusätzlich der Ausdruck, der den Einkommenseffekt repräsentiert, mit Ε erweitert, erhält man: δχ Px δρχ χ

1

δχ δρ«

Px Ρχ Χ δχ Ε χ Ε δΕχ

Wir haben die Sluzki-Gleichung mit Hilfe von Plausibilitätsüberlegungen abgeleitet. Eine streng mathematische Ableitung findet man zum Beispiel in Alpha C. Chiang, Fundamental Methods of Mathematical Economics, 2. Auflage New York u.a. 1974, S. 397 ff.

77

Die Wirkungen von Preisänderungen

Multipliziert man mit (-1), ergibt sich: δχ P* δρ, χ normale Preiselastizität

δχ Ί

Ρχ

kompensierte Preiselastizität

Px*

δχ Ε δΕ χ

Anteil der Ausgaben für X

Einkommenselastizität

Dies ist die spezielle Sluzki-Gleichung in Elastizitätsform. Verwenden wir die Symbole ε*,,, für die kompensierte Preiselastizität und k„ für den Anteil der Ausgaben für das Gut X am Einkommen, können wir auch schreiben:1 ExP = e i p + k x e x E Durch diese Gleichung wird eine wichtige Beziehung zwischen der normalen Preiselastizität, der kompensierten Preiselastizität und der Einkommenselastizität hergestellt. Es ist insbesondere mit Hilfe der speziellen Sluzki-Gleichung möglich, die unmittelbar nicht beobachtbare kompensierte Preiselastizität zu errechnen, wenn die normale Preiselastizität, die Einkommenselastizität und der Anteil der Ausgaben für das betreffende Gut am Einkommen bekannt sind. Man erkennt außerdem: Die normale Preiselastizität ist umso größer, je größer die kompensierte Preiselastizität, je größer der Anteil der Ausgaben für das Gut am Einkommen und je größer die Einkommenselastizität ist. Man muß allerdings beachten, daß der Anteil der Ausgaben am Einkommen und die Einkommenselastizität Größen sind, die nicht voneinander unabhängig sind. Wäre zum Beispiel k, = 1, so müßte auch ε^ gleich 1 sein. Wir haben durch unsere bisherigen Überlegungen nicht bewiesen, daß der Substitutionseffekt auch dann negativ ist, wenn es mehr als zwei Güter gibt. In diesem Fall läßt sich die Präferenzordnung nicht durch ein zweidimensionales Indifferenzkurvenfeld darstellen. Es soll jetzt bewiesen werden, daß der Substitutionseffekt auch dann negativ ist, wenn es η Güter (n > 2) gibt. Der Haushalt kauft in der Ausgangssituation das Güterbündel A = (x„ x 2 ,..., x j . Der Preis des Gutes 1 ändere sich von p, auf p, + alle anderen Preise bleiben unverändert. Eine kompensierende Einkommensvariation stellt sicher, daß der Haushalt nach der Preisänderung auf dem ursprünglichen Nutzenniveau bleibt. Der Haushalt kauft in dieser Situation das Güterbündel C = (χ, + Δχ„ ..., x„ + Δχη). Es ist zu beweisen, daß Δρ, und Δχ, entgegengesetzte Vorzeichen haben, der Substitutionseffekt also negativ ist.

1 Der Leser muß beachten, daß wir e^, und e*v als -(δχ/δρ„) (ρ,/x) und -[5x/8pJs(p„/x) definiert haben. Folgt man Marshalls' Konvention nicht, wie dies häufig geschieht, definiert man also ε,φ = (δχ/δρ,ΧρJx) und e*v = [5x/8pJ(p„/x), so erhält man für die spezielle Sluzki-Gleichung in Elastizitätsform e^, = e^, - k ^ .

78

Die Wirkungen von Preisänderungen

Wenn der Haushalt in der Ausgangssituation das Güterbündel Α gekauft hat, so muß Güterbündel Α jenes Güterbündel sein, das ihm bei gegebenen Ausgaben den höchsten Nutzen stiftet. Anders gesagt: Güterbündel Α ist jenes Güterbündel, bei dem der Haushalt sein Nutzenniveau mit minimalen Ausgaben erreicht. Jedes andere Güterbündel, das den gleichen Nutzen stiftet wie Güterbündel A, muß teurer sein. Auch Güterbündel C muß bei den Ausgangspreisen teurer gewesen sein als Güterbündel A. Unterstellen wir, Güterbündel C sei bei den Preisen der Ausgangssituation genauso teuer gewesen wie Güterbündel A. In diesem Fall würde eine Linearkombination der beiden Güterbündel genauso viel kosten wie Güterbündel Α oder C. Aus unseren Annahmen über die Präferenzordnung hatten wir abgeleitet, daß eine Nutzenfunktion, die eine derartige Präferenzordnung repräsentiert, streng quasikonkav ist.1 Es gilt also: U(XA + (1 - X)C) > U(A) = U(C). Die Annahme, Güterbündel C, das den gleichen Nutzen stiftet wie A, sei genauso teuer wie A, impliziert, daß es ein anderes Güterbündel gibt, durch dessen Kauf bei gleichen Ausgaben wie für Α oder C ein höheres Nutzenniveau erreicht wird. Dann wäre aber Α nicht jenes Güterbündel, durch dessen Kauf der Haushalt in der Ausgangssituation seinen Nutzen maximiert. Die Annahme, Güterbündel C sei in der Ausgangssituation genauso teuer wie Güterbündel A, führt also zu einem Widerspruch und ist deshalb falsch. Güterbündel C kann natürlich in der Ausgangssituation auch nicht billiger gewesen sein als A, denn dann hätte der seinen Nutzen maximierende Haushalt nicht A, sondern C gewählt. Daraus folgt: Güterbündel C, das den gleichen Nutzen stiftet wie Güterbündel A, muß bei den Ausgangspreisen teurer gewesen sein als A; A war also billiger als C. Es muß deshalb gelten: p,x, + p2x2 + ... +p n x n




(ρ, + Δρ,)(χ,+ Δχ,) + p2(x2 + Δχ 2 ) + ...+ρ„(χ„ + Δχη) Ausgaben für Güterbündel Β

Ziehen wir die erste Ungleichung von der zweiten ab, erhalten wir: (ρ, + Δρ,)χ, - ρ,χ, 0 0

1

> > >

(Ρχ + Δρ,)(χ, + Δχ,) - ρ,(χ, + Δχ,) (ρ, + Δρ,)Δχ, - ρ,Δχ, Δρ,Δχ,

Siehe dazu die Erläuterungen im Anhang zum ersten Kapitel.

Die Wirkungen von Preisänderungen

79

Dies bedeutet: Δρ, und Δχ, haben entgegengesetzte Vorzeichen; der Substitutionseffekt ist negativ. 6.

Exkurs: Nutzentheoretische Analyse des Laspeyres- und Paasche-Preisindexes

Wir können unsere Erkenntnisse verwenden, um die Aussagen zu überprüfen, die gemacht werden, wenn man Preisniveauänderungen mit Hilfe eines Laspeyres- oder Paasche-Preisindexes mißt. Beim Laspeyres-Preisindex vergleicht man den Betrag, der in der Periode Null (mit den Preisen und py°) ausgegeben wurde, um das Güterbündel (x„, y0) zu kaufen, mit den Ausgaben, die in der Periode eins bei den Preisen p,1 und pyl erforderlich sind, um das gleiche Güterbündel (xo, y0) zu kaufen. Die Preise werden beim Laspeyres-Preisindex mit den Mengen der Basisperiode gewichtet. pixo+piy0 Lp = -5 τ— p,x0+pyy0

(Laspeyres-Preisindex)

Ist E, das Einkommen der Periode eins und E0 das Einkommen der Periode Null, bleibt das Realeinkommen konstant, wenn gilt: Ei Pixo + Pyyo Eo p°x0+p°y0 Wenn zum Beispiel das Preisniveau, gemessen durch einen Laspeyres-Preisindex, um 10 % steigt, so bleibt das Realeinkommen statistisch konstant, wenn auch das Nominaleinkommen um 10 % steigt. Gibt der Haushalt, wie wir unterstellen, jeweils sein gesamtes Einkommen für den Kauf der Güter X und Y aus, so ist E„ = p/x,, + py°y0. Das Realeinkommen bleibt nach dem Laspeyres-Preisindex dann konstant, wenn das Einkommen der Periode eins gleich Ε, = ρ,'χο + py'y0 wäre. Der Haushalt könnte dann bei den neuen Preisen das Güterbündel der Ausgangssituation kaufen. Das Einkommen der Periode eins müßte also gleich dem hypothetischen Einkommen El sein, das sich ergibt, wenn man von dem ursprünglichen Einkommen E0 die Laspeyres-Einkommensvariation subtrahiert (ElsEq-LV). In diesem Sinne bleibt bei einer Laspeyres-Einkommensvariation statistisch das Realeinkommen konstant. Das heißt: Das hypothetische Einkommen ^ repräsentiert bei den Preisen p,1 und py' statistisch das gleiche Realeinkommen wie das Einkommen Eq bei den Preisen px° und py°, sofern wir die Preisniveauänderung durch einen Laspeyres-Preisindex messen. Tatsächlich zeigt Abbildung 4.9, daß der Haushalt nach der Laspeyres-Einkommensvariation ein höheres Nutzenniveau erreicht als in der Ausgangssituation. Der Haushalt ist in CL auf einer höheren Indifferenzkurve als in A. Die Laspeyres-Einkommensvariation ML ist kleiner als die kompensierende Einkorn-

80

Die Wirkungen von Preisänderungen

mensvariation MK. Wenn also in Periode eins das Einkommen gleich dem hypothetischen Einkommen ^ ist, so ist in einem fundamentalen nutzentheoretischen Sinne das Realeinkommen gegenüber der Periode Null gestiegen. Abb. 4.9

y

χ Dies wird in Abbildung 4.9 für den Fall der Preissenkung illustriert. Der Leser möge sich durch eine Graphik davon überzeugen, daß dieses auch im Fall der Preissteigerung gilt. Wird nach einer Preissteigerung das Nominaleinkommen so erhöht, daß der Haushalt das ursprüngliche Güterbündel kaufen kann, so erreicht er eine höhere Indifferenzkurve als in der Ausgangssituation. Steigt also das Einkommen von E 0 auf EL, so ist nutzentheoretisch das Realeinkommen nicht konstant geblieben, sondern gestiegen. Das bedeutet: Wenn das Realeinkommen - gemessen mit dem Laspeyres-Preisindex konstant bleibt, ist es in Wahrheit gestiegen. Die Unterschiede sind nur dann vernachlässigbar, wenn die relativen Preisänderungen klein sind. Der Laspeyres-Preisindex weist aus, das Realeinkommen sei gesunken, wenn das Nominaleinkommen in Periode eins kleiner als EL ist. Graphisch bedeutet dies, daß die Budgetgerade unterhalb von LL' verläuft. Abbildung 4.9 macht deutlich, daß in diesem Fall das Realeinkommen auch steigen oder konstant bleiben kann. Es würde steigen, wenn E, > EQ - KV wäre, es bliebe konstant, wenn E, = E,, - KV wäre. Deshalb gilt: Wenn das Realeinkommen - gemessen mit dem Laspeyres-Preisindex gesunken ist, kann es tatsächlich gestiegen, gesunken oder konstant geblieben sein. Der Laspeyres-Preisindex weist aus, das Realeinkommen sei gestiegen, wenn das Nominaleinkommen der Periode eins größer als El ist. In diesem Fall verläuft die Budgetgerade der Periode eins oberhalb von LL'. Der Haushalt erreicht eine höhere Indifferenzkurve als in der Ausgangssituation. Also gilt: Wenn das Realeinkommen - gemessen mit dem Laspeyres-Preisindex gestiegen ist, können wir sicher sein, daß es auch in einem fundamentalen nutzentheoretischen Sinn gestiegen ist.

Die Wirkungen von Preisminderungen

81

Aus Abbildung 4.9 ersieht man: Das Realeinkommen bleibt nach dem LaspeyresPreisindex dann konstant, wenn LL' die neue Budgetgerade ist. Dies bedeutet: Beim Laspeyres-Preisindex tritt die Budgetgerade El = ρ,'χ +py'y an die Stelle der wahren, aber unbekannten Indifferenzkurve. Anders formuliert: LL' ist die LaspeyresIndifferenzkurve. Beim Paasche-Preisindex vergleicht man den Betrag, der in der Periode eins bei den Preisen p x ' und py' ausgegeben wird, um das Güterbündel Β (x^ y j zu kaufen, mit den Ausgaben, die erforderlich wären, um das Güterbündel Β (χ,, y,) zu den Preisen der Periode Null zu kaufen. Die Preise werden beim Paasche-Preisindex mit den Mengen der Periode eins gewichtet pjx, + pjy, Ρ = —r — PxXi + Pyyi

(Paasche-Preisindex)

Ist E, das Einkommen der Periode eins, E0

=> Die Güter i und j sind Nettosubstitutionsgüter

Die Güter i und j sind Nettokomplementärgüter

Zwei Güter i und j sind also Nettosubstitutionsgüter (oder Hicks-AllenSubstitutionsgüter), wenn der kompensierte Kreuzpreiseffekt positiv ist. Zwei Güter i und j sind Nettokomplementärgüter (oder Hicks-AllenKomplementärgüter), wenn der kompensierte Kreuzpreiseffekt negativ ist. Wenn man Substitutionsgüter und Komplementärgüter mit Hilfe des kompensierten Kreuzpreiseffekts definiert, hat das den besonderen Vorteil, daß die Kreuzpreiseffekte symmetrisch sind. Es gilt nämlich: 1

1 Siehe dazu den Beweis im nächsten Kapitel.

90

Die Wirkungen von Preisänderungen

" 8xj"

" δχ/ 5pj RE-c

δρ; RE-c

Der Fall, daß Xj Nettokomplementärgut für Xj und gleichzeitig Xj Nettosubstitutionsgut für Xj ist, kann also nicht auftreten. Aus der allgemeinen Sluzki-Gleichung 5xj

ÖXj

6pj'

δρ,

5xj — Xi δΕ

läßt sich ablesen: Sind i und j Nettosubstitutionsgüter, weil der kompensierte Kreuzpreiseffekt positiv ist, kann i dennoch ein Bruttokomplementärgut für j sein, wenn i ein normales Gut ist und Xjöx/öE größer als der kompensierte Kreuzpreiseffekt ist. Dies schließt nicht aus, daß j gleichzeitig ein Bruttosubstitutionsgut für i ist. Das wäre der Fall, wenn χ,δχ/δΕ kleiner als der kompensierte Kreuzpreiseffekt ist. Multipliziert man die allgemeine Sluzki-Gleichung mit pj/Xj und erweitert den Einkommenseffekt mit E, erhält man: " δχί" Pj 5pj RE=c X>

ΡΛ Ε

δχ, Ε

6pj Xj Kreuzpreiselastizität

kompensierte Kreuzpreiselastizität

Ausgabenquote

Einkommenselastizität

8xj pj

δΕ Xj

Dies ist die allgemeine Sluzki-Gleichung in Elastizitätsform. Setzen wir ε^ für die normale Kreuzpreiselastizität, ε*ϋ für die kompensierte Kreuzpreiselastizität, kj für den Anteil der Ausgaben für das Gut j am Einkommen und ε^ für die Einkommenselastizität, so schreibt man einfacher:1 ^ij = ^ij _ ^J^iE Nettosubstitutionsgüter und Nettokomplementärgüter lassen sich jetzt auch mit Hilfe der kompensierten Kreuzpreiselastizität definieren. Es gilt: > 0 => ε* < 0 =>

1

i und j sind Nettosubstitutionsgüter i und j sind Nettokomplementärgüter

Diese allgemeine Sluzki-Gleichung in Elastizitätsform gilt allerdings nur dann auch für den speziellen Fall i = j, wenn man die direkte Preiselastizität abweichend von Marshalls Konvention ohne Minuszeichen definiert.

Die Wirkungen von Preisändemngen

91

Auch die Klassifikation der Güter mit Hilfe der kompensierten Kreuzpreiselastizität oder des kompensierten Kreuzpreiseffektes ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Bei dieser Definition dominiert nämlich die Substitutionals. Dies ist unmittelbar aus der graphischen Analyse des Zweigütermodells in Abbildung 4.15 zu ersehen. Wenn der Preis des Gutes X von px° auf p, 1 sinkt und das Nominaleinkommen durch eine kompensierende Einkommensvariation so reduziert wird, daß der Haushalt nur das alte Nutzenniveau erreichen kann, muß die von Y nachgefragte Menge sinken, die Güter X und Y müssen also Nettosubstitutionsgüter sein, auch wenn sie "eigentlich" keine Substitutionsgüter sind. Dies ist Ausdruck der Tatsache, daß letztlich alle Güter um das Geld der Konsumenten konkurrieren. Nur wenn es mehr als zwei Güter gibt, wird eine Beziehung der Nettokomplementarität überhaupt möglich. Aber auch dann dominiert die Substitutionalität. Während es nämlich möglich ist, daß sich alle Güter als Nettosubstitutionsgüter erweisen, ist es nicht möglich, daß alle Güter Nettokomplementärgüter sind. Wenn nämlich der Preis eines Gutes j sinkt, und die damit verbundene Realeinkommenssteigerung durch eine kompensierende Einkommensvariation ausgeglichen wird, steigt die Menge, die von j nachgefragt wird. Wenn alle anderen Güter im Verhältnis zu j Nettokomplementärgüter wären, müßte von allen Gütern mehr nachgefragt werden. Wegen der Nichtsättigungsannahme kann aber in diesem Fall der Nutzen im Vergleich zur Ausgangssituatiön nicht konstant bleiben. Die Annahme, alle anderen Güter seien Nettokomplementärgüter, führt also zu einem Widerspruch und ist deshalb falsch. C. Ableitung der Nachfragefunktion 1.

Die graphische Ableitung der individuellen Nachfragefunktion

a.

Definition der normalen Nachfragefunktion Die individuelle Nachfrage eines Haushalts nach einem Gut hängt bei gegebenen Präferenzen vom Einkommen und von den Preisen der Güter ab. Die allgemeine Nachfragefunktion lautet deshalb Xl=f(Pl.P2.--.Pn.E) In diesem Abschnitt soll der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge eines Gutes und dem Preis dieses Gutes analysiert werden. Das Nominaleinkommen und die Preise der anderen Güter seien konstant (Ceteris-Paribus-Klausel). Dieser Zusammenhang wird durch die spezielle Nachfragefunktion Xl=f(Pl.P2

Pn.E)

wiedergegeben. Im Zweigüterfall mit den Gütern X und Y schreiben wir x = f(px,py,E)

92

Die Wirkungen von Preisänderungen

Wenn ohne nähere Spezifikation von der Nachfragefunktion gesprochen wird, so meint man häufig die spezielle Nachfragefunktion, bei der die Preise aller anderen Güter und das Nominaleinkommen als konstant angenommen werden. b. Die Preiskonsumkurve In Abbildung 4.16 verändert sich der Preis des Gutes X bei konstantem Preis des Gutes Y und konstantem Nominaleinkommen.

In der Ausgangssituation bei Preis p,° ist Α das Haushaltsoptimum. Sinkt der Preis auf ρ , , so dreht sich die Budgetgerade entgegen dem Uhrzeigersinn; Β ist das neue Haushaltsoptimum. Sinkt der Preis weiter auf p,2, werden die dem Punkt C entsprechenden Mengen nachgefragt. Läßt man px alle möglichen positiven Werte durchlaufen, so erhält man unendlich viele Haushaltsoptima. Verbindet man diese, so erhält man eine stetige Kurve, die man Preiskonsumkurve nennt. Die Pfeilspitze der Preiskonsumkurve gibt die Richtung an, in der man sich auf ein höheres Nutzenniveau zubewegt. Die Preiskonsumkurve in Abbildung 4.16 stellt insofern einen speziellen Fall dar, als sie im Punkt Μ auf der Ordinate beginnt. Dies bedeutet, daß es für das Gut X einen Prohibitivpreis gibt, bei dem die von X nachgefragte Menge Null wird. Bei diesem Preis wird das Haushaltsoptimum durch eine Randlösung dargestellt. Die in Abbildung 4.16 dargestellte Preiskonsumkurve fällt zunächst und steigt dann wieder an. Ein fallender Verlauf der Preiskonsumkurve bedeutet, daß bei sinkendem Preis für X mehr von X und weniger von Y nachgefragt wird. Da laut Annahme der Preis des Gutes Y konstant ist, sinken also die Ausgaben für Y. Bei konstantem Nominaleinkommen bedeutet dies, daß die Ausgaben für X steigen. Wenn aber die Ausgaben für ein Gut steigen, wenn der Preis sinkt, so ist die Preiselastizität in dem betrachteten Preisintervall größer als eins. Ein fallender Verlauf der Preiskonsumkurve bedeutet also, daß die Preiselastizität für X größer als eins ist. Steigt die Preiskonsumkurve, so wird bei sinkendem Preis sowohl

Die Wirkungen von Preisänderungen

93

mehr von X als auch von Y nachgefragt. Die Ausgaben für Y steigen also; bei konstantem Nominaleinkommen müssen die Ausgaben für X sinken. Dies bedeutet, daß die Preiselastizität für X kleiner als eins ist.1 In Abbildung 4.16 verläuft die Preiskonsumkurve so, daß bei sinkendem Preis des Gutes X, die von X nachgefragte Menge steigt. Das Giffen-Paradoxon tritt also nicht auf. In Abbildung 4.17 ist eine Preiskonsumkurve dargestellt, die in dem Bereich zwischen Α und Β in Richtung auf die Ordinate verläuft. Abb. 4.17

In diesem Intervall führt eine Preissenkung bei X dazu, daß die nachgefragte Menge sinkt; eine Preissteigerung bewirkt, daß die von X nachgefragte Menge steigt. Im Bereich zwischen Α und Β tritt also das Giffen-Paradoxon auf. Es ist zu beachten: Wenn man sich auf der Preiskonsumkurve von Α nach Β bewegt, so wird ein immer höheres Nutzenniveau erreicht. Bei konvex zum Ursprung verlaufenden Indifferenzkurven kann die Preiskonsumkurve nur in einem beschränkten Bereich in nordwestlicher Richtung verlaufen, wenn dabei immer weiter vom Ursprung entfernte Indifferenzkurven erreicht werden sollen. Ein Gut kann also stets nur innerhalb eines beschränkten Preisintervalls ein "Giffengut" sein. Die Beziehungen zwischen dem Verlauf der Preiskonsumkurve und der Preiselastizität der Nachfrage werden in Abbildung 4.18 zusammenfassend dargestellt. Das Haushaltsoptimum in der Ausgangssituation ist A. Liegt das neue Haushaltsoptimum zwischen Μ und B, so ist die Preiselastizität negativ; der Giffenfall liegt vor. Liegt das neue Haushaltsgleichgewicht in B, so ändert sich infolge der Preissenkung bei X die von diesem Gut nachgefragte Menge nicht. Die Preiselastizität ist Null. Ist C das neue Haushaltsgleichgewicht, so ändert sich die Menge, die von Y nachgefragt wird, nicht. Also ändern sich auch die Ausgaben

1

Der Zusammenhang zwischen der Preiselastizität der Nachfrage nach dem Gut X (t^) und der Veränderung der Ausgaben bei Preisändenmgen wird durch die Formel d(px)/dp = χ-0-ε,ρ) beschrieben. Siehe dazu die ausführliche Darstellung in H. Demmler. Einführung in die Volkswirtschaftslehre. München-Wien 1990, S. llOff.

94

Die Wirkungen von Preisänderungen

Abb. 4.18

y Μ

0

Ε

Ε

Χ

für Υ nicht. Bei konstantem Nominaleinkommen bedeutet dies, daß sich auch die Ausgaben für X nicht ändern. Wenn sich aber bei einer Preisänderung die Ausgaben nicht ändern, ist die Preiselastizität gleich eins. Liegt das neue Haushaltsgleichgewicht in C, ist die Preiselastizität für Gut X also gleich eins. Da sich in diesem Fall die Menge, die von Y nachgefragt wird, nicht geändert hat, ist die Kreuzpreiselastizität ε ^ gleich Null. Aus den bisherigen Überlegungen kann man schließen: Liegt das neue Haushaltsgleichgewicht zwischen Β und C, so ist die Preiselastizität der Nachfrage größer als Null und kleiner als eins. Sie ist kleiner als eins, weil bei gegebener relativer Preisänderung die relative Mengenänderung kleiner ist, als sie es wäre, wenn C das neue Haushaltsoptimum ist. Da in diesem Fall die Menge, die von Y nachgefragt wird, steigt, ist Y ein Bruttokomplementärgut für X. Liegt das neue Haushaltsgleichgewicht rechts unterhalb von C, ist die Preiselastizität für X größer als eins. Gut Y ist in diesem Fall ein Bruttosubstitutionsgut für X. c.

Die Ableitung der normalen Nachfragekurve aus dem Indifferenzkurvenfeld In Abbildung 4.19a kann abgelesen werden, wie groß bei alternativen Preisen des Gutes X die Menge ist, die von diesem Gut nachgefragt wird. Diese Informationen lassen sich in Diagramm 4.19b übertragen, in dem auf der Ordinate der Preis und auf der Abszisse die Menge des Gutes X abgetragen wird.

Die Wirkungen von Preisänderungen

95

Abb. 4.19

Bei gegebenem Nominaleinkommen und gegebenem Preis des Gutes Y ergeben sich bei den Preisen ρ, 1 , p, 2 und p, 3 die in Abbildung 4.19a dargestellten Budgetgeraden MM,, MM2 und MM,. Beim Preis p x ' ist Α das Haushaltsoptimum. Der Haushalt fragt beim Preis p,1 die Menge x, nach. Diese Menge wird in Diagramm 4.19b übertragen. Den entsprechenden Preis p,1 tragen wir in Diagramm 4.19b auf der Ordinate ab. Der Preis ρ„' ergibt sich aus der Länge des Abszissenabschnitts OM, in Abbildung 4.19a_ und dem als konstant angenommenen Nominaleinkommen. Es ist ρ,' = E/OM,. Beträgt zum Beispiel das Nominaleinkommen 100 DM und repräsentiert OM, 50 Einheiten des Gutes X, so ist p,' = 2DM. Dem Punkt Α in Abbildung 4.19a entspricht die Preismengenkombination A' in Abbildung 4.19b. Analog erhält man die Punkte B' und C in Abbildung 4.19b. Man kann beliebig viele solcher Preismengenkombinationen aus dem Indifferenzkurvenfeld ableiten. Verbindet man die so erhaltenen Punkte in Abbildung 4.19b, erhält man die individuelle Nachfragekurve. Sie ist der graphische Ausdruck der speziellen Nachfragefunktion χ = f(p,jjy,E). Die Nachfragekurve eines Haushalts gibt an, welche Mengen eines Gutes ein Haushalt bei alternativen Preisen dieses Gutes und konstantem Nominaleinkommen sowie konstanten Preisen der anderen Güter nachfragt. Wenn wir die nachgefragte Menge wie in Abbildung 4.19b als Funktion des Preises des Gutes darstellen, so soll damit nicht behauptet werden, daß die Menge, die von Gut X nachgefragt wird, nur vom Preis dieses Gutes, nicht aber von anderen Größen abhänge. Wir unterstellen lediglich, daß die anderen Größen, die

Die Wirkungen von Preisänderungen

96

die Nachfrage nach X beeinflussen, konstant seien. Natürlich hängt die Menge, die von X nachgefragt wird, auch vom Einkommen und den Preisen der anderen Güter ab. Graphisch bewirkt eine Veränderung dieser Größen, daß sich die Nachfragekurve verschiebt. Wenn zum Beispiel das Einkommen steigt, wird bei gegebenen Preisen für X die Nachfrage steigen, wenn X ein normales Gut ist. Graphisch wird dies durch eine Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts ausgedrückt, wie dies in Abbildung 4.20 angedeutet ist. Abb. 4.20

x=f1(Pi,Py,E1) χ

0

Sinkt das Einkommen, so verschiebt sich die Nachfragekurve nach links, wenn X ein normales Gut ist. Sinkt der Preis des Gutes Y, so wird sich die Nachfragekurve nach links verschieben, wenn X ein Bruttosubstitutionsgut für Y ist; sie verschiebt sich nach rechts, wenn X ein Bruttokomplementärgut für Y ist. 2.

Algebraische Ableitung der Nachfragefunktion Es wurde bereits in einem früheren Kapitel gezeigt, wie bei gegebener Nutzenfunktion die allgemeinen Nachfragefunktionen eines Haushalts algebraisch abgeleitet werden können. Die spezielle Nachfragefunktion als algebraischer Ausdruck der Nachfragekurve erhält man, wenn man unterstellt, das Einkommen und die Preise der anderen Güter seien konstant. Ist die Nutzenfunktion U = x y und die Einkommensrestriktion Ε = ρ, χ + py y, so lautet der Lagrangeausdruck L = χ · y + λ(Ε — px · x — py · y) Wir bilden die ersten partiellen Ableitungen und setzen diese gleich Null. (1)

Lx = y - ^ p J [ = o

(2)

Ly = χ - λργ = 0

(3)

I^ = E - p , x - p y y = 0

Die Wirkungen von Preisminderungen

97

Aus (1) und (2) erhält man (4) (4a)

y=Pi X

py

py-y=p*-x

Setzen wir in (3) p, x für py y ein, erhalten wir (5)

E-2pxx = 0 Ε

(6)

Ε

(7)

Die Gleichungen (6) und (7) sind die allgemeinen Nachfragefunktionen für X und Y. Die in diesem Beispiel abgeleiteten allgemeinen Nachfragefunktionen zeichnen sich dadurch aus, daß die Nachfrage nach einem Gut nur vom Preis dieses Gutes und vom Einkommen, nicht aber vom Preis des anderen Gutes abhängt. Bei der speziellen Nachfragefunktion unterstellen wir, das Einkommen (und die Preise der anderen Güter) sei konstant. Wir schreiben E Ε

Für Ε = 100 erhalten wir also die speziellen Nachfragefunktionen x = 50p;' y=50p-' Diese speziellen Nachfragefunktionen sind der algebraische Ausdruck von Nachfragekurven, die die Form gleichseitiger Hyperbeln haben. Die Preiselastizität der Nachfrage ist in jedem Punkt der Nachfragekurve gleich eins. 3.

Graphische Ableitung der kompensierten Nachfragekurve Die normale Nachfragekurve gibt an, welche Mengen eines Gutes ein Haushalt bei alternativen Preisen dieses Gutes nachfragt, wenn das Nominaleinkommen und die Preise der anderen Güter konstant sind. Ändert sich der Preis eines Gutes bei Konstanz des Nominaleinkommens, so ändert sich das Realeinkommen (Nutzenniveau) des Haushalts. Die Mengenänderung, die die normale Nachfrage-

Die Wirkungen von Preisänderungen

98

kurve bei einer Preisänderung ausweist, enthält deshalb neben dem Substitutionseffekt auch den Einkommenseffekt. Die kompensierte Nachfragekurve ist die Nachfragekurve, die man erhält, wenn der Einkommenseffekt der Preisänderungen eliminiert wird. Sie gibt an, welche Mengen eines Gutes ein Haushalt bei alternativen Preisen nachfragt, wenn der mit einer Preisänderung verbundene Einkommenseffekt durch eine kompensierende Einkommensvariation ausgeschaltet wird. Bei der kompensierten Nachfragekurve ist also bei alternativen Preisen das Nutzenniveau konstant. In Abbildung 4.21 wird gezeigt, wie die kompensierte Nachfragekurve KN aus dem Indifferenzkurvenfeld abgeleitet wird. Abb. 4.21

In der Ausgangssituation ist Α das Haushaltsoptimum. Bei einem Preis p,° wird die Menge xPy,U0)

Die kompensierte Nachfragekurve gibt an, welche Mengen ein nutzenmaximierender Haushalt bei alternativen Preisen eines Gutes nachfragt, wenn das Nutzenniveau und die Preise der anderen Güter konstant sind. In Abbildung 4.21b ist zusätzlich die normale Nachfragekurve Ν eingezeichnet. Die normale Nachfragekurve verläuft flacher als die kompensierte Nachfragekurve, wenn es sich bei dem betrachteten Gut um ein superiores Gut handelt, weil bei sinkendem Preis die Menge nicht nur infolge des Substitutionseffektes, sondern auch wegen des positiven Einkommenseffektes steigt. Die normale Nachfragekurve schneidet die kompensierte Nachfragekurve bei der Menge Xo und dem Preis p,°. Bei diesem Preis wird auf der normalen Nachfragekurve das Nutzenniveau U0 erreicht, das der Ableitung der kompensierten Nachfragekurve zugrundeliegt. Man beachte: Auf der normalen Nachfragekurve werden bei unterschiedlichen Preisen unterschiedliche Nutzenniveaus erreicht. Sinkt der Preis eines Gutes, so gelangt der Haushalt bei konstantem Nominaleinkommen auf eine höhere Indifferenzkurve. Das bedeutet: Zu jedem Punkt auf der normalen Nachfragekurve läßt sich eine kompensierte Nachfragekurve zeichnen, der das Nutzenniveau zugrundeliegt, das in dem entsprechenden Punkt der normalen Nachfragekurve erreicht wird. In Abbildung 4.22 sind eine normale Nachfragekurve x = x(px py E) und zwei kompensierte Nachfragekurven dargestellt. Die kompensierte Nachfragekurve KN0[x = x(PxPy.Uo)] bezieht sich auf das in der Ausgangssituation beim Preis p x ° realisierte Nutzenniveau U„, während der kompensierten Nachfragefunktion KN,[x = χ(ρ χ ,ρ γ U,)] das nach der Preissenkung auf p, 1 erreichte Nutzenniveau U, zugrundeliegt. So, wie in jedem Punkt auf der normalen Nachfragekurve ein anderes Nutzenniveau erreicht wird, entspricht jedem Punkt auf einer bestimmten kompensierten Nachfragekurve ein anderes Nominaleinkommen. Sinkt zum Beispiel in Abbildung 4.22 der Preis von p,° auf p, 1 , so sinkt das Nominaleinkommen, das erforderlich ist, um das in der Ausgangssituation beim Preis p,° realisierte Nutzenniveau U 0 zu erreichen. Das Nominaleinkommen, das erforderlich ist, um beim Preis p x ' das Nutzenniveau U 0 zu erreichen, ist um die kompensierende Einkommensvariation kleiner als das Einkommen in der Ausgangssituation.

100

Die Wirkungen von Preisänderungen

Abb. 4.22 K ^ : x=x(Px,Py,U0)

KN,: x=x(p ,p ,U,) * y

N: x=x(p ,p ,E) * y

Ν

0

Xο

χ

X

Man kann beweisen, daß die kompensierende Einkommensvariation in Abbildung 4.22 gleich der Fläche zwischen den Preislinien, der kompensierten Nachfragefunktion KN0 und der Ordinate, also gleich der Fläche p^ACp,1 ist.1 Die der Preissenkung von p,° auf px' äquivalente Einkommensvariation ist gleich der Fläche zwischen den Preislinien, der kompensierten Nachfragekurve KN, und der Ordinate, also gleich der Fläche p ^ B p , 1 . Damit ist es möglich, die verschiedenen Konzepte der Einkommensvariation in einem Diagramm mit Nachfragekurven auf einfache Art graphisch darzustellen. In Abbildung 4.23 ist px° der Preis der Ausgangssituation. Abb. 4.23

Ν

0

Xο

χ

X

Sinkt der Preis von p,° auf p,1, so gilt 1. Die kompensierende Einkommensvariation(KV) ist gleich a + b. 2. Die äquivalente Einkommensvariation(EV) ist a + b + c + d.

1

Siehe dazu den Beweis im folgenden Kapitel.

Die Wirkungen von Preisänderungen

101

3. Die Laspeyres-Einkommensvariation(LV) ist a. 4. Die Paasche-Einkommensvariation(PV) ist a + b + c + d + e. In Abbildung 4.23 wurde unterstellt, daß X ein normales Gut ist. Man erkennt: In diesem Fall ist die kompensierende Einkommensvariation kleiner als die äquivalente Einkommensvariation. Es gilt: LV < KV < EV < PV. 4. Algebraische Ableitung der kompensierten Nachfragekurve Ein Haushalt, der bei gegebenem Einkommen und gegebenen Preisen seinen Nutzen maximiert, erreicht im Haushaltsoptimum Α das Nutzenniveau U„ (Abbildung 4.24). Er fragt die dem Haushaltsoptimum entsprechenden Mengen x* und y* nach. Die gleichen Mengen werden von einem Haushalt nachgefragt, dessen Ziel es ist, das Nutzenniveau U0 mit minimalen Ausgaben für die Güter X und Y zu erreichen. Jede andere Güterkombination auf der Indifferenzkurve U0 liegt auf einer weiter vom Ursprung entfernten Budgetgeraden, ist also mit höheren Ausgaben für die Güter X und Y verbunden.

Sinkt der Preis des Gutes X, so verläuft die Budgetgerade flacher. Soll das gleiche Nutzenniveau wie in der Ausgangssituation erreicht werden, müßten die dem Punkt C (Abbildung 4.25) entsprechenden Gütermengen gekauft werden, wenn das Nutzenniveau U0 mit minimalen Ausgaben erreicht werden soll. Die kompensierte Nachfragefunktion gibt an, welche Mengen eines Gutes ein Haushalt bei alternativen Preisen kauft, wenn der mit einer Preisänderung verbundene Einkommenseffekt durch eine kompensierende Einkommensvariation eliminiert wird, so daß der Haushalt auf dem gleichen Nutzenniveau bleibt. Unsere Überlegungen zeigen: Der Haushalt wird bei alternativen Preisen jene Mengen der Güter X und Y kaufen, die es ihm erlauben, das gegebene Nutzenniveau mit minimalen Ausgaben zu erreichen. Wir finden deshalb diese Mengen algebraisch, indem wir das Minimum der Ausgaben unter der Nebenbedingung, daß der Nutzen U(x,y) gleich einer gegebenen Größe U sein soll, bestimmen.

102

Die Wirkungen von Preisänderungen

Abb. 4.25

y

U,ο χ

ο

Die Ausgaben für die Güter X und Y sind p, • χ + py · y. Die Präferenzordnung eines Haushalts werde durch die Nutzenfunktion U = χ · y beschrieben. Der Lagrangeausdruck lautet: L

=P*x+Pyy + k(U-xy)

Wir bilden die ersten partiellen Ableitungen und setzen diese gleich Null. (1)

L

(2)

Ly = py - λχ = 0

(3)

L^U-xy =0

x = P x - t y = 0

Aus (1) und (2) erhält man

(4)

£i = y Py

(4a) Einsetzen von (4a) in (3) ergibt

*

Die Wirkungen von Preisänderungen

(5)

103

Pi " x

υ-χ·ίί!— =0 Py

(5a)

x2 = — • U P*

Daraus ergibt sich die kompensierte Nachfragefunktion für X

und entsprechend die kompensierte Nachfragefunktion für Y (7)

.

..

ÖJ n

Py

Die Gleichungen (6) und (7) sind die allgemeinen kompensierten Nachfragefunktionen für X und Y. Die nachgefragten Mengen sind abhängig vom Preis des betrachteten Gutes, vom Preis des anderen Gutes und vom Nutzenniveau. Beziehen wir uns nicht auf eine bestimmte Nutzenfunktion, schreiben wir x = *(P,.P y .U)

y = y(px,py.u) So wie bei der normalen Nachfragefunktion können wir auch bei der kompensierten Nachfiragefunktion zwischen einer allgemeinen und einer speziellen kompensierten Nachfragefunktion unterscheiden. Die spezielle kompensierte Nachfragefunktion gibt an, welcher funktionale Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge eines Gutes und dem Preis dieses Gutes bei Konstanz der Preise der anderen Güter und des Nutzenniveaus besteht. Wir schreiben x = x(px,py, U) y = y(p,.p y .ü) Der graphische Ausdruck der speziellen kompensierten Nachfragefunktion ist die kompensierte Nachfiragekurve. Aus der Nutzenfunktion U = x y ergeben sich die speziellen kompensierten Nachfragefunktionen

.-λ/52 V ρ*

104

Die Wirkungen von Preisänderungen

Setzen wir VPy U = a und VpT-U = b, so können wir schreiben x = ap„2 y=bP7 Die abgeleiteten kompensierten Nachfragefunktionen sind also isoelastisch. Die kompensierte Preiselastizität ist gleich 1/2. Literaturhinweise zum vierten Kapitel Richard Layard und Alan A. Walters. Microeconomic Theory. New York u.a. 1978. Fünftes Kapitel: Utility and Consumer Demand, S. 123 -169. Michael L. Katz und Harvey S. Rosen. Microeconomics. Homewood-Boston 1991. Drittes Kapitel: Comparative Statics and Demand, S. 63 - 95, Viertes Kapitel: Price Changes and Consumer Welfare, S. 97 -131. Hal R. Varian. Grundzüge der MikroÖkonomik. München-Wien 1989. Sechstes Kapitel: Die Nachfrage, S. 84 - 107, Siebentes Kapitel: Die Slutsky-Gleichung, S. 125- 144. Walter Nicholson. Intermediate Microeconomics and its Application. Vierte Auflage, Chicago u.a. 1987. Viertes Kapitel: How Changes in Income and Prices Affect Choices, S. 79 - 107.

Fünftes Kapitel Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

A. Indirekte Nutzenfunktion und Ausgabenfunktion Wenn der Nutzen unter der Nebenbedingung maximiert wird, daß die Ausgaben gleich dem Einkommen sind, so ist unmittelbar einleuchtend, daß der maximal erzielbare Nutzen um so größer ist, je höher das Einkommen und je niedriger die Preise sind. Es gilt allgemein: Der maximale Nutzen U* hängt von den Preisen und dem Einkommen ab. Stellt man ihn als Funktion der Preise und des Einkommens dar, so erhält man eine Funktion, die indirekte Nutzenfunktion genannt wird. Im Zweigüterfall mit den Gütern X und Y lautet die indirekte Nutzenfunktion U* =f(p„ py, E). Sie ist von der normalen direkten Nutzenfunktion U = f(x, y) zu unterscheiden. Man erhält die indirekte Nutzenfunktion, indem man die nutzenmaximalen Mengen x* =x(p„ py, E) und y' =y(px, py, E) in die direkte Nutzenfunktion einsetzt. Die nutzenmaximalen Mengen x* und y* erhält man, wenn man den Nutzen U = f(x, y) unter der Nebenbedingung p, - χ + py • y = Ε maximiert. x* =x(p„ py, E) und y* =y(p„ p y , E) sind die uns schon bekannten normalen Nachfiragefunktionen der Güter X und Y. Für die spezielle Nutzenfunktion U = χ · y hatten wir die normalen Nachfragefunktionen . Ε χ =— 2p,

und

Ε y = -— 2py

abgeleitet.1 Ersetzen wir in der direkten Nutzenfunktion χ durch E/2p„ und y durch E/2py, so erhalten wir die indirekte Nutzenfunktion Ε Ε 2px 2py

Ε2 4p,py

Die indirekte Nutzenfunktion U = U(p„ p y , E) gibt an, wie groß bei gegebenen Preisen und gegebenem Einkommen jeweils der erreichbare Nutzen ist.

1

Um die Schreibweise zu vereinfachen, wird im folgenden χ statt x \ y statt y \ U statt U' geschrieben. Es wird stets aus dem Zusammenhang deutlich werden, ob es sich bei den betreffenden Variablen um die optimalen Größen handelt, die eigentlich als x*, y" und U' etc. geschrieben werden sollten.

106

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Wegen der Nichtsättigungsannahme ist der Nutzen um so größer, je größer das Einkommen ist. Die indirekte Nutzenfunktion ist daher eine streng steigende Funktion des Einkommens. Wir können die Umkehrfunktion bilden und Ε als Funktion des Nutzenniveaus darstellen. Wir erhalten E = E(p„p y ,U) Dabei gibt Ε das minimale Einkommen an, das mindestens erforderlich ist, um bei gegebenen Preisen ein bestimmtes Nutzenniveau zu erreichen. Um Verwechslungen zu vermeiden, soll diese Funktion als Ausgabenfunktion bezeichnet und als A = A(p„ py, U) geschrieben werden. In unserem speziellen Fall ergibt sich aus der indirekten Nutzenfunktion U = E 2 /4pj3 y die Ausgabenfunktion Ε = 2 VPx • Py • U

die wir als A = 2VPxPyU

schreiben wollen. Man erhält die Ausgabenfunktion auch, wenn man in die Ausgabengleichung (Gleichung der Budgetgeraden)1 Α = ρ, · χ + py • y die nutzenmaximalen Mengen χ = x(p„ p y , U) und y = y(p„ py, U) einsetzt. Diese nutzenmaximalen Mengen erhält man, wenn man die Ausgaben unter der Nebenbedingung U(x, y) = U minimiert, χ = x(p„ p y , U) und y = (p„ py U) sind die schon bekannten kompensierten Nachfragefunktionen. Für die spezielle Nutzenfunktion U = χ · y hatten wir bereits die kompensierten Nachftagefunktionen und abgeleitet. Setzt man diese Werte in die Ausgabengleichung ein, so erhält man

1

Wir gehen immer davon aus, daß das gesamte Einkommen auch ausgegeben wird. Das Einkommen ist also immer gleich den Ausgaben; die Trennung der beiden Begriffe dient nur zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Betrachtungsweisen.

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

107

A = VPxPy-U+VPy'PxU A = 2-VPx-Py-U

Die so ermittelte Ausgabenfunktion ist mit der Ausgabenfunktion identisch, die wir zuvor auf anderem Wege abgeleitet haben. Die Ausgabenfunktion A = A(p„ py, U) gibt an, wie groß die Ausgaben mindestens sein müssen, damit bei gegebenen Preisen ein bestimmtes Nutzenniveau erreicht werden kann. Die dargestellten Zusammenhänge sind gerade deshalb bedeutend, weil man auch umgekehrt aus der Ausgabenfunktion die kompensierten und normalen Nachfragefunktionen ableiten kann. Mit Hilfe der Ausgabenfunktion lassen sich außerdem einige Behauptungen auf relativ einfache Art beweisen, die wir im letzten Kapitel aufgestellt haben. B. Ausgabenfunktion, Nachfragefunktion und die Sluzki-Gleichung 1.

Die Ableitung der kompensierten Nachfragefunktion aus der Ausgabenfunktion

Die erste Ableitung der Ausgabenfunktion nach px gibt an, um welchen Betrag die Ausgaben mindestens steigen müssen, damit ein gegebenes Nutzenniveau realisiert werden kann, wenn der Preis des Gutes X um eine (sehr kleine) Einheit steigt. Es ist intuitiv plausibel, daß der Betrag, um den die minimalen Ausgaben steigen, wenn der Preis des Gutes X um eine Einheit steigt, gleich χ ist, wobei χ die Menge des Gutes X angibt, die von dem Haushalt in der Ausgangssituation gekauft wurde. Wenn nämlich der Preis eines Gutes X um eine Einheit steigt, so sind die zusätzlichen Ausgaben, die erforderlich sind, damit der Haushalt das gleiche Güterbündel kaufen kann wie in der Ausgangssituation, gleich der Zahl der Einheiten des Gutes X, die der Haushalt bisher gekauft hat. Hat der Haushalt zum Beispiel bisher zu einem Preis px = 10 Geldeinheiten 50 Einheiten des Gutes X gekauft, so muß er 50 Geldeinheiten mehr ausgeben, wenn der Preis von p, = 10 auf p, =11 Geldeinheiten steigt und er von allen Gütern die gleichen Mengen kaufen will wie in der Ausgangssituation. Tatsächlich kann der Haushalt in diesem Fall in der Regel ein etwas höheres Nutzenniveau erreichen als bisher, wenn er das relativ teurer gewordene Gut X durch andere Güter substituiert. Wir betrachten praktisch eine Laspeyres- und keine kompensierende Einkommensvariation. Der Fehler geht jedoch gegen Null, wenn wir die Preisänderung beliebig klein werden lassen. Das heißt: Die zusätzlichen Ausgaben, die notwendig sind, damit der Haushalt nach einer Preisänderung sein altes Nut-

108

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

zenniveau beibehalten kann, sind gleich x. Dabei ist χ = x(p,°, p y , U) die Menge, die der Haushalt in der Ausgangssituation beim Preis px° gekauft hat. Da dieser Zusammenhang für beliebige Ausgangspreise p, = px° gilt, ergibt sich1 6A(p x ,pU) g^ = x = x(p l( p y ,U) χ = x(px, p y , U) stellt nichts anderes als die kompensierte Nachfragefunktion für das Gut X dar. Man erhält die kompensierte Nachfragefunktion für ein beliebiges Gut, indem man die Ausgabenfunktion nach dem Preis des betreffenden Gutes ableitet. Dieser Zusammenhang ist in der Literatur als Shephards Lemma bekannt. Wir können unsere Überlegungen am Beispiel der speziellen Ausgabenfunktion A = 2 · Λ/Ρ, · py · U überprüfen. Bildet man die erste Ableitung der Ausgabenfunktion nach dem Preis des Gutes X, so erhält man

Wir wissen, daß χ =

U tatsächlich die gesuchte kompensierte Nachftagefunk-

tion ist. 2.

Die Ableitung der normalen Nachfragefunktion aus der Ausgabenfunktion

Es ist etwas schwieriger, aus der Ausgabenfunktion die normale Nachfragefunktion abzuleiten. Man bedient sich dazu eines Theorems, das in der Literatur als Roys Identität bekannt ist. Dabei geht man nicht unmittelbar von der Ausgabenfunktion, sondern von der in der Ausgabenfunktion enthaltenen indirekten Nutzenfunktion U = U(p„, Py, E) aus. Aufgrund von Roys Identität gilt: die normale Nachfragefunktion für das Gut X ist ™ x = x(p1>py,=

δ ϋ 6U

Wir wollen auf einen Beweis für Roys Identität verzichten und lediglich am Beispiel unserer speziellen indirekten Nutzenfunktion U = E2/4pxpy zeigen, daß man tatsächlich mit Hilfe von Roys Identität die uns schon bekannte normale Nachfragefunktion ableiten kann. 2

1

Einen mathematischen Beweis findet man bei W. S. Baumol. Economic Theory and Operations Analysis. Vierte Auflage, Englewood Cliffs 1977, S. 360ff.

2

Siehe dazu R. Layard und A. Walters. Microeconomic Theory. New York 1978, S. 145f.

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

5U δρ*

Ε2 4pjp y '

δυ δυ δρ/δΕ

5U δΕ

109

2E 4p„py

Ε2 4pxpy 4pjpy 2Ε

Ε 2ρ,

χ(ρ„ Py, Ε) = Ε/2ρ, ist aber mit der uns schon bekannten normalen Nachfragefunktion identisch. 3.

Die Ableitung der direkten Nutzenfunktion aus der Ausgabenfunktion

Aus der Ausgabenfunktion läßt sich auch die direkte Nutzenfunktion ableiten, die die Präferenzordnung des Haushalts beschreibt. Dies sei am Beispiel der Ausgabenfunktion A = 2 · Vpi · Py • U erläutert. Aufgrund von Shephards Lemma ist

Dividieren wir beide Gleichungen durch VÜ, erhalten wir

und somit _x



Vü~ y χ ·y=U

bzw.

U= χ·y

Dies ist die direkte Nutzenfunktion. 4.

Die Symmetrie der Kreuzpreiseffekte

Wir haben im letzten Kapitel behauptet, die kompensierten Kreuzpreiseffekte seien gleich. Sind X und Y unsere Güter, so besagt dies

110

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Γ

δχδρ. u«

δγ Ί δρ. U=c

Diese Behauptung kann mit Hilfe der Ausgabenfunktion bewiesen werden. Die Ausgabenfunktion ist A = A(p„ py, U). Wegen Shephards Lemma gilt 5A(px,py,U) δρχ

= x(p x ,p y ,U)

5A(px,py,U) = y(Px.Py.U) δργ x(px, py, U) und y(p„, py, U) sind die kompensierten Nachfragefunktionen für X und Y. Die kompensierten Kreuzpreiseffekte sind deren erste Ableitungen nach dem Preis des jeweils anderen Gutes. δ2Α . δρν U=c öpx5py " δχ"

δ2Α . δΡ*. U=c δρ,δρ,

Γ δγ-

Aufgrund von Youngs Theorem 1 gilt δ2Α δρχδργ

δ2Α δρ,δρχ

Daraus folgt • δχ" öpy U=c

Γ

5y Ί δρχ U=c

Die kompensierten Kreuzpreiseffekte sind gleich. 5.

Die Ableitung der Sluzki-Gleichung

Wir haben die Sluzki-Gleichung im letzten Kapitel lediglich mit Plausibilitätsüberlegungen bestimmt. Mit Hilfe des Konzepts der Ausgabenfunktion läßt sich die SluzkiGleichung relativ einfach ableiten.

1

Siehe A. C. Chiang. Fundamental Methods of Mathematical Economics. Dritte Auflage, Auckland u.a. 1984, S. 313.

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

111

Die normale Nachfragefunktion ist definiert als x = X(P*> P,. E) Wenn wir bei einer Preisänderung das Einkommen jeweils so ändern, daß es jenem Einkommen entspricht, das mindestens benötigt wird, um das Nutzenniveau konstant zu halten, wird das Einkommen eine Funktion der Preise und des gegebenen Nutzenniveaus: Ε = E(p I( p y , U). Die Funktion E(px, py, U) ist nichts anderes als unsere Ausgabenfunktion. (Wir verzichten nur darauf, Α an Stelle von Ε zu schreiben.) Ersetzen wir in x(p„ p y , E) den Ausdruck Ε durch E(px, p y , U), so erhalten wir x = x(Px.Py.E(pxpy,Ü)) Diese Funktion gibt an, wie groß die nachgefiragte Menge ist, wenn das Einkommen bei Preisänderungen stets so variiert wird, daß der Nutzen konstant bleibt. Aufgrund des definitorischen Zusammenhangs gilt die Identitätsgleichung x(p„, py) E(px, py, Ü)) = x(px, py, Ü) Der Ausdruck auf der rechten Seite ist die kompensierte Nachfragefunktion. Leiten wir sie nach px ab, so erhalten wir den Substitutionseffekt der Preisänderung. Bei der Ableitung der linken Seite ist die Kettenregel anzuwenden. Wir erhalten: δχ δρχ

δχ δΕ δΕδρ,

δχ δρχ

Aufgrund von Shephards Lemma ist δΕ/δρ, = χ. Deshalb können wir schreiben δχ δρχ

δχ δχ δΕ ~ δρ, δχ δρ, δρχ"



δχ δΕ

Dies ist unsere spezielle Sluzki-Gleichung. Man erhält die allgemeine SluzkiGleichung, wenn man die Identitätsgleichung nach py ableitet.

C. Die Ermittlung der kompensierenden und äquivalenten Einkommensvariation mit Hilfe der Ausgabenfunktion Wir haben die kompensierende Einkommensvariation als den Geldbetrag definiert, den wir dem Haushalt nach einer Preisänderung wegnehmen können oder zahlen müssen, damit sein Nutzenniveau im Vergleich zur Ausgangssituation konstant bleibt.

112

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Der Betrag, der in der Ausgangssituation mindestens ausgegeben werden muß, um das Nutzenniveau U„ zu erreichen, ist A(p„°, py°, U 0 ). Der Betrag, der nach einer Preisänderung mindestens ausgegeben werden muß, damit das Nutzenniveau der Ausgangssituation erreicht wird, ist A(p x \ p y \ U0). Sinken zum Beispiel die Preise der Güter X und Y, so vermindern sich die Ausgaben des Haushalts, die notwendig sind, um das alte Nutzenniveau zu erreichen. Der Betrag, um den die Ausgaben sinken, ist A(p x °,p y 0 , U 0 ) - A(p,', p y \ U0). Reduziert man das Einkommen des Haushalts um diesen Betrag, so kann er gerade noch sein altes Nutzenniveau erreichen. Die Differenz der Ausgaben A(p,°, py°, U 0 ) - Α φ , 1 , p y ', U 0 ) ist also die kompensierende Einkommensvariation. Steigen die Preise der Güter X und Y, so erhöhen sich die Ausgaben, die mindestens erforderlich sind, um das alte Nutzenniveau zu erreichen. Die Differenz A(px°, py°, U 0 ) - Α φ , 1 , p y ', U 0 ) ist negativ; sie ist der negative Wert des Betrags, den man dem Haushalt mindestens zahlen muß, damit er bei den neuen Preisen das ursprüngliche Nutzenniveau erreichen kann. Die Differenz der Ausgaben ist die kompensierende Einkommensvariation. Es gilt also K V = A( P l °,P y °,

υ0)-Α(ρΛρ/,υ0)

Die Berechnung der kompensierenden Einkommensvariation soll an einem Zahlenbeispiel erläutert werden. Aus der Nutzenfunktion U = χ · y haben wir die Ausgabenfunktion Α = 2λ/ρ„ · py • U abgeleitet. Die normalen Nachfragefunktionen sind χ = E/2p, und y = E/2p y . Bei dem Einkommen Ε = 160 und den Preisen p,° = 4, py° = 1 fragt der Haushalt 20 Einheiten des Gutes X und 80 Einheiten des Gutes Y nach. Das in der Ausgangssituation erreichte Nutzenniveau ist U 0 = 1 600. Sinkt der Preis des Gutes X von px° = 4 auf p,° = 1, so ist die kompensierende Einkommensvariation KV = 2V4-1· 1600 - 2 ^ 1 - 1 - 1 6 0 0 = 2-80-2-40 = 160-80

= 80 Man könnte also nach der Preissenkung das Einkommen um 80 reduzieren, ohne daß der Haushalt sich im Vergleich zur Ausgangssituation verschlechtert. Wenn sich, wie in unserem Zahlenbeispiel, nur der Preis des Gutes X ändert, ergibt sich aus KV = A( Pl °, py°, U0) - A(p x \ Py°, U 0 ) aufgrund des Integrationssatzes 1

1

Ist f eine reelle Funktion, die über einem Intervall [a, b] definiert ist, und ist F Stammfunktion zu f, so ist F(b)-F(a) = /,bf(x)dx. Sind f und F reelle Funktionen mit derselben Argumentenmenge, so heißt F Stammfunktion zu f, wenn F differenzierbar und F' = f ist.

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

KV=

113

Γ ρ »δΑ(ρ„ρ?,υ 0 ) 1 dp, Jp. Snχ δρ

Wegen Shephards Lemma ist δΑ(ρ„, p°, U0) = ^

X(P

^'Uo)

die kompensierte Nachfragefunktion fur X. Wir können deshalb schreiben KV = J i x(px, p°, UoJdp, Graphisch ist dies die Fläche zwischen der kompensierten Nachfragefunktion x(p„ py°, U0), der Ordinate und den Preislinien in Höhe von px° und p,1. In Abbildung 5.1 ist diese Fläche schraffiert. Abb. 5.1

x(Px,p;,u0)

Wir werden diese Aussage mit Hilfe unseres Zahlenbeispiels überprüfen. Aus der Nutzenfunktion U = x- y läßt sich die kompensierte Nachfragefunktion

ableiten. Für py = 1 und U0 = 1 600 erhält man

V

/"TÄ/vT I 600

_> :40p/

114

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Sinkt der Preis des Gutes X von

= 4 auf p,1 = 1, so ist

KV = f

40p7dp,=[80pL[

= 160 - 8 0 = 8 0

Das ist der Wert, den wir zuvor mit Hilfe der Ausgabenfunktion errechnet haben. Die äquivalente Einkommensvariation ist der Geldbetrag, den man dem Haushalt zahlen müßte, damit er auch ohne Preisänderung auf das Nutzenniveau gelangt, das er infolge der Preisänderung erreicht. Im Fall der Preissenkung ist die äquivalente Einkommensvariation positiv; im Fall der Preissteigerung ist sie negativ. Die Ausgaben, die erforderlich sind, um bei den ursprünglichen Preisen das nach der Preisänderung realisierte Nutzenniveau zu erreichen, sind A(px°, py°, U,); die Ausgaben, die nach der Preisänderung benötigt werden, um das Nutzenniveau U, zu erreichen, sind A(p x ', P y \ U,). Der positive oder negative Geldbetrag, den man dem Haushalt zahlen müßte, damit er auch ohne Preisänderung das Nutzenniveau U, erreicht, ist EV = A(px°, py°, U,) - Α(ρ χ ', p y \ U,) Man erkennt: Kompensierende und äquivalente Einkommensvariation unterscheiden sich nur durch das Nutzenniveau, auf das sie sich beziehen. Verändert sich nur der Preis eines Gutes (zum Beispiel der Preis von X), so gilt aufgrund des Integrationssatzes:

Graphisch ist dies die Fläche zwischen der kompensierten Nachftagekurve, die sich auf das nach der Preisänderung erreichte Nutzenniveau bezieht, der Ordinate und den Preislinien in Höhe von px° und p,1. In Abbildung 5.2 sind die kompensierten Nachfragekurven x(px, py°, UQ) und x(px, py°, U,) dargestellt. Außerdem ist die normale Nachfragekurve x(px, py°, E) eingezeichnet. Es wird unterstellt, daß X ein normales Gut ist. Sinkt der Preis von p,° auf p,1, so ist die kompensierende Einkommensvariation gleich a, die äquivalente Einkommensvariation gleich a + b + c. Ist p x ' der Ausgangspreis und steigt der Preis auf px°, so ist U, das Nutzenniveau der Ausgangssituation. Die kompensierende Einkommensvariation ist -a-b-c; die äquivalente Einkommensvariation ist -a.

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Abb. 5.2

115

Ρχ

χ(ρχ,ρ°,Ε) x(Px,Py°,U0) 0

xCp^.U,) χ

D. Die verschiedenen Konzepte der Konsumentenrente 1.

Das Grundkonzept der Konsumentenrente

Die Idee der Konsumentenrente wurde von Dupuit in einem klassischen Aufsatz im Jahre 1844 in die Literatur eingeführt und später von Marshall ausgearbeitet und popularisiert.1 Dem Konzept der Konsumentenrente liegt ein einfacher Gedanke zugrunde. Der Wert, den ein Konsument durch den Kauf einer bestimmten Menge eines Gutes erlangt, ist größer als der Preis, den er zahlt. Der Bergsteiger, der erschöpft und durstig von seiner Bergtour zurückkehrt und ein Bier bestellt, wäre bereit mehr zu zahlen als er muß. Ein Kauf lohnt sich nur, wenn die Transaktion für den Käufer mit einem Nettovorteil verbunden ist. Marshall verstand unter der Konsumentenrente die Differenz zwischen dem Betrag, den ein Käufer für die Menge, die er zu einem bestimmten Preis kauft, maximal zu zahlen bereit ist, und dem Betrag, den er tatsächlich zahlt. Dies soll als Marshalls Definition der Konsumentenrente bezeichnet werden. In Abbildung 5.3 ist Ν die normale Nachfragekurve eines Haushalts, die unter der Annahme konstanten Nominaleinkommens und konstanter Preise der anderen Güter abgeleitet wurde. Der Marktpreis ist p0. Der Haushalt kauft XQ Einheiten von X. Seine gesamten Ausgaben sind p0 · Xo.

1

J. Dupuit. De la Mesure de l'utilitd des Travaux Publics. Annales des Ponts et Chaussis. 2. Serie, Vol. 8. Englische Übersetzung: On the Measurement of the Utility of Public Works. American Economic Association (Hrsg.). Readings in Welfare Economics. London 1969, S. 255 - 283. A. Marshall. Principles of Economics. Achte Auflage, London 1964, (Erste Auflage 1890), S. 103-114.

116

Indirekte Nutzenfunktion, Ausgabenfunktion und Konsumentenrente

Abb. 5.3

Als graphisches Maß für die Konsumentenrente wurde die in Abbildung 5.3 schraffierte Fläche zwischen der Nachfragekurve, der Preislinie und der Ordinate angesehen. Diese Fläche soll "Marshalls Dreieck" genannt werden. Es ist aber wichtig, zwischen der Definition der Konsumentenrente im Sinne von Marshall und dem graphischen Maß zu unterscheiden.1 Der Haushalt kauft bei einem Preis p0 genau x j=>

(9)

(10)

oder

S(Pj + bj · w)Zj = Τ · w j='

Werden nur die Konsumleistungen Z, und Z j produziert, so läßt sich (10) auch in der Form (11)

1

(p, + b 1 w ) z 1 + (p2 + b 2 w ) z 2 = T w

Bezieht der Haushalt zusätzlich Nichtarbeitseinkommen V, so ist das Totaleinkommen Ε = T-w+V. Gleichung (8) läßt sich dann schreiben als (8a)

tpiXi+iwL =T w + V

i=l

jj

'

In diesem Fall unterliegt der Haushalt aber zusätzlich zu (8a) der Restriktion

m

Zt j=l j=l ist die insgesamt für den Konsum verwandte Zeit. Gibt der Produktionskoeffizient a^ die Menge des Gutes X, an, die man braucht, um eine Einheit von Zj herzustellen, so gibt

D ξ"« 1=1 die Menge der Marktgüter X, (i=l ... n) an, die für eine Einheit von Zj benötigt werden. Der Betrag, der insgesamt für Marktgüter ausgegeben werden muß, um eine Einheit von Zj zu produzieren, ist

Die Gesamtausgaben für die Marktgüter betragen dann m D m

ΣΣρ, · aij · Zj= Σ Pj · Zj j=l ri J=1

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

171

tj > — t, — Pz

Pi

ist. Eine Reallohnerhöhung bewirkt, daß der Preis der zeitintensiveren Konsumleistung Jtj relativ zu π, steigt. In Abbildung 8.9 wird der reine Substitutionseffekt der Reallohnerhöhung dargestellt. In der Ausgangssituation wird das dem Punkt Ρ auf AB entsprechende Bündel an Konsulnleistungen produziert. Wegen der Reallohnsteigerung sinkt π,/τ^; die Budgetgerade A'B' verläuft flacher. Infolge der in der Abbildung unterstellten LaspeyresEinkommensvariation geht A'B' durch P. Der reine Substitutionseffekt bewirkt, daß auf A'B' ein Punkt rechts von P, beispielsweise P \ gewählt wird. Die zeitintensivere Konsumleistung Zj wird durch Z, substituiert.1

Reallohnerhöhungen führen dazu, daß die Zeit relativ zu den wachsenden Mengen an Marktgütern, die mit steigendem Einkommen gekauft werden können, knapper und deshalb teurer wird. Es besteht ein Anreiz, das Einkommen zeitsparender, d.h. "schneller" auszugeben. Reine Kontemplation, Pflege älterer Angehöriger, gutes Essen, Kindererziehung, Pflege von Freundschaften mögen Beispiele für zeitintensive Konsumaktivitäten sein, gegen die sich der Substitutionseffekt richtet. "Hamburger" statt Schmorbraten, Bekanntschaften statt Freundschaften (man duzt alle und kennt keinen), Cocktailparties statt Essen mit Freunden, Sex statt Liebe, teure Autos und weniger Kinder mögen Konsequenzen des Substitutionseffekts sein.

1

Der mit der Reallohnsteigerung verbundene Einkommenseffekt wird dem Substitutionseffekt entgegenwirken, wenn die zeitintensivere Konsumleistung nicht inferior ist. Die Haushalte können es sich bei höherem Lohn leisten, mehr Geld für die zeitintensive Konsumleistung auszugeben, selbst wenn der Schattenpreis steigt. Aus zusätzlichem Einkommen kann zusätzliche Konsumzeit aber nur "gekauft" werden, wenn die Arbeitszeit sinkt.

172

2.

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

Der reine Substitutionseffekt steigender Reallöhne bewirkt eine Reduktion der Konsumzeit.

Der Substitutionseffekt steigender Löhne bewirkt, daß der Konsum von Z, steigt und der von Ζ 2 sinkt (Abbildung 8.9). Die Bewegung von Ρ nach P* auf der Budgetgeraden A'B' bedeutet, daß der Haushalt seine Ausgaben für Z, um den gleichen Betrag erhöht, um den er sie für Ζ, senkt [Az, (p,+b,w) = Az2-(p2+b2w)]. Ist Z, die weniger zeitintensive Konsumleistung, so ist Δζ,-t, < Azj tj Die gesamte dem Konsum gewidmete Zeit sinkt, die Marktarbeitszeit steigt.1 Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man mit Hilfe der traditionellen Freizeit-Arbeitszeit-Analyse, die als Spezialfall in Beckers Analyse enthalten ist. 3.

Preisänderungen für Marktgüter haben Einfluß auf die Arbeitszeit.

Steigen zum Beispiel die Preise der Marktgüter, die für die Produktion der zeitintensiven Konsumleistung Ζ\ benötigt werden, so steigt relativ zun,. Z? wird durch Z, substituiert. Dieser Substitutionseffekt führt in Abbildung 8.9 von Ρ nach P'. Aufgrund des Substitutionseffekts sinkt die dem gesamten Konsum gewidmete Zeit, die Arbeitszeit steigt. Der Substitutionseffekt würde in diesem Fall durch den Einkommenseffekt verstärkt, wenn die zeitintensive Konsumleistung nicht inferior ist. 4.

Reallohnerhöhungen bewirken, daß Konsumzeit durch Marktgüter substituiert wird.

Bisher wurde unterstellt, daß pro Einheit einer im Haushalt produzierten Konsumleistung ein bestimmter fixer Input an Zeit und Marktgütern erforderlich ist. Diese Annahme wird jetzt aufgegeben. Wenn der Reallohn steigt, wird in der Haushaltsproduktion der Input Zeit relativ zu dem Input an Marktgütern teurer. Der Haushalt wird deshalb bestrebt sein, den relativ teurer gewordenen Input Zeit durch Marktgüter zu substituieren. Waschmaschinen, Küchenmaschinen, Spülmaschinen aber auch Fertiggerichte und Essen in Schnellimbißrestaurants sind Produkte, durch die die teurer gewordene Zeit substituiert werden kann. Die Substitution kann auch darin bestehen, daß kostspieligere Versionen eines Marktgutes mit konstanter Konsumzeit kombiniert werden. Man kauft teure statt einfacher Kleider, man übernachtet im Luxushotel statt im einfachen Privatquartier. Die Substitution mag sich aber auch so auswirken, daß Konsumgüter mit weniger Konsumzeit kombiniert werden. Das Haus wird seltener geputzt, das Auto nicht so oft gewaschen, der Rasen weniger häufig gemäht; man spielt eine Stunde Tennis statt drei Stunden.2

1

Es wird wiederum nur der Substitutionseffekt analysiert.

2

Eine Variation mag darin bestehen, mehr als eine Konsumleistung zur gleichen Zeit zu genießen: "Er trinkt nach dem Abendessen brasilianischen Kaffee, raucht dazu eine holländische Zigarre, nippt an einem französischen Cognac, liest die New York Times, hört sich ein Brandenburgisches Konzert an und unterhält seine schwedische Frau. " Vgl. S. B. Linder. Warum wir keine Zeit haben, Das Linder Axiom. Gütersloh-Wien 1971, S. 52; engl. The Harried Leisure Class. New York-London 1970.

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

5.

173

Die Rolle der Präferenzen bei der "Erklärung" ökonomischen Verhaltens wird reduziert.

In der traditionellen Haushaltstheorie werden Verhaltensunterschiede, die nicht durch Preise und Mengen erklärt werden können, auf unterschiedliche oder veränderte Präferenzen zurückgeführt. Die ökonomische Theorie erklärt aber nicht, wie Präferenzen entstehen. Auch die Nachbardisziplinen sind wenig hilfreich. Deshalb ist es eine Schwäche der traditionellen Theorie, in so starkem Maße auf die Hypothese zurückgreifen zu müssen, Präferenzen seien unterschiedlich oder hätten sich geändert. "Erklärt" wird dadurch nämlich nichts. Beckers Ansatz macht es möglich, beobachtete Verhaltensunterschiede, die bisher auf unterschiedliche oder veränderte Präferenzen zurückgeführt wurden, durch unterschiedliche Preise der Konsumleistungen oder unterschiedliche Einkommen zu erklären. Das geschieht erstens dadurch, daß die Kosten der Zeit als Bestandteil der Preise von Konsumleistungen erfaßt werden. Dies bedeutet zum Beispiel, daß (gemessen in 7tj) eine Busreise für den Studenten A. billiger sein kann als eine Flugreise, während für den Rechtsanwalt B. eine Flugreise billiger ist als eine Busreise. Die Preise der Konsumleistungen können aber zweitens auch deshalb unterschiedlich sein, weil die Produktivität der Inputs, die in der Haushaltsproduktion verwendet werden, für die Haushalte unterschiedlich ist. Die in Beckers Haushaltsproduktionsfunktion Z =

j f(Xl> X2>

*!!> tj, Rj)

enthaltene "Umweltvariable" R beeinflußt die Produktivität der Haushaltsproduktion. Veränderungen von R (unterschiedliches Wissen, Fertigkeiten, Klima etc.) bewirken, daß sich die Menge oder Qualität von Konsumleistungen ändert, die mit gegebenen Χι und t produziert wird. Wenn die Studentin A. stets in der Mensa ißt, während der Student B. häufig selbst kocht, braucht dies nicht Ausdruck unterschiedlicher Präferenzen zu sein. B. mag besser kochen können und so eine Mahlzeit gegebener Qualität mit weniger Inputs erzeugen können oder mit gleichen Inputs ein schmackhafteres Essen produzieren können als A. Die Unterschiede zwischen der traditionellen Erklärung und dem Ansatz Beckers können mit Hilfe der Abbildungen 8.10 und 8.11 erläutert werden. In Abbildung 8.10 haben die beiden Haushalte Α und Β das gleiche Einkommen und sehen sich den gleichen Preisen für die Marktgüter X, und X2 gegenüber. Sie kaufen aber unterschiedliche Güterbündel, die durch die Punkte P, und P 2 repräsentiert werden. Die beobachteten Verhaltensunterschiede werden in der traditionellen Haushaltstheorie auf unterschiedliche Präferenzen zurückgeführt. Auf diese Art kann nicht erklärt werden, warum Haushalt Α mehr von X, und weniger von X 2 kauft als Haushalt B. In Beckers Theorie bedeuten identische Preise für die Marktgüter nicht auch gleiche Preise für die Konsumleistungen. Diese können vielmehr wegen der unterschiedlichen Produktivität der Inputs -etwa als Folge ungleicher Fertigkeiten in der Haushaltsproduktion - für die Haushalte unterschiedlich sein.

174

Abb. 8.10

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

x2

So mag der Haushalt Α mit gegebenen Inputs an Marktgütern und Zeit mehr von Z, und weniger von Z j produzieren können als Haushalt B.

In Abbildung 8.11 haben deshalb die Budgetgeraden unterschiedliche Steigung (AA' ist die Budgetgerade für Haushalt A, BB' die für Haushalt B). Es zeigt sich, daß die Haushalte selbst bei identischen Präferenzen unterschiedliche Mengen der Konsumleistungen Z, und Z j produzieren. Folglich werden auch die Mengen an Marktgütem, die die Haushalte kaufen, unterschiedlich sein. Die beobachteten Verhaltensunterschiede können so erklärt werden. In einem berühmten Aufsatz haben Stigler und Becker gezeigt, wie beobachtetes Konsumentenverhalten, das bisher fast ausschließlich durch die Annahme von Präferenzänderungen "erklärt" wurde, mit der Hypothese konstanter Präferenzen vereinbart werden kann. 1 So wird gesagt, daß Werbung die Funktion habe, die Präferenzen zu ändern. Modewechsel gilt als Musterbeispiel dafür, daß Präferenzen sich im Zeitablauf ändern. Bei Gütern wie Alkohol, Zigaretten und Heroin wird gesagt, daß

1

G.S. Becker und G.I. Stigler. De Gustibus non est Disputandum. American Economic Review 67(1977), S. 76 - 90.

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

175

wegen der Abhängigkeit, die diese Produkte erzeugen, Präferenzen geändert werden. Stigler und Becker zeigen: Die beobachteten Phänomene lassen sich ohne Rückgriff auf Präferenzänderungen erklären, weil Veränderungen im Kauf von Marktgütern mit der Stabilität einer Nutzenfunktion vereinbar ist, deren Argumente die im Haushalt produzierten Konsumleistungen sind. C. Die Unterscheidung von Hausarbeitszeit und Freizeit Becker nennt die gesamte Zeit, die nicht Marktarbeitszeit ist, Konsumzeit. Er unterscheidet nicht zwischen Hausarbeitszeit und Freizeit im engeren Sinne. Konsumzeit ist bei Becker zum Beispiel die Zeit, die benötigt wird, um eine Mahlzeit vorzubereiten, aber auch die Zeit, die man braucht, um das fertige Gericht zu essen. In der Tat mag es in Grenzfällen schwierig sein anzugeben, was Hausarbeitszeit und was Freizeit ist. Eine plausible Unterscheidung schlägt Gronau vor:1 Hausarbeit ist etwas, von dem man wünscht, daß es andere tun, während es meist nicht möglich ist, Freizeit zu genießen, indem man sich vertreten läßt. So mag man das Haus durch eine Putzfrau reinigen lassen; man kann sich aber nicht durch sie beim Tennisspielen vertreten lassen. Der Sekretär der unter Zeitstreß leidenden Managerin mag viele private Dinge für seine Chefin erledigen; er kann aber nicht für sie schlafen, selbst wenn er darin einen komparativen Vorteil haben sollte. Wenn man zwischen Marktarbeitszeit, Hausarbeitszeit und Freizeit unterscheidet, lassen sich zusätzliche Einsichten gewinnen.2 Im folgenden wird unterstellt, daß im Haus produzierte Güter und Marktgüter vollkommene Substitute sind. Hausarbeit und Marktarbeit sind mit dem gleichen Arbeitsleid verbunden. Abb. 8.12

Ε D C

o

F

—'

S

R Τ ~HÄ~

Η

*F

In Abbildung 8.12 stellt OT die insgesamt verfügbare Zeit dar. Freizeit wird vom Ursprung 0 aus nach rechts gemessen, Hausarbeitszeit von Τ aus nach links. Die Transformationskurve TBC gibt an, welche Gütermengen bei alternativem Einsatz von Hausarbeitszeit erzeugt werden können. Wenn die gesamte verfügbare Zeit für Hausarbeitszeit verwendet wird, können OC Einheiten an Gütern hergestellt werden.

1

R. Gronau. Leisure, Home Production and Work - The Theory of the Allocation of Time Revisited. Journal of Political Economy 85(1977), S. 1104. 2 Die folgende Darstellung basiert auf dem Ansatz von R. Gronau, a.a.O., S. 1099 - 1123.

176

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

Der Reallohn w bei Marktarbeit ist durch die Steigung der Lohngeraden HD gegeben. In Abbildung 8.12 ist die Grenzproduktivität der Hausarbeit gleich dem Reallohn w, wenn die Hausarbeitszeit gleich RT ist. Ist die gesamte Arbeitszeit größer als RT, wird der Haushalt die RT übersteigende Arbeitszeit für Marktarbeit verwenden. Der Haushalt erreicht sein Nutzenmaximum in P. Seine Freizeit beträgt OS, die Marktarbeitszeit SR und die Hausarbeitszeit RT. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich folgende Aussagen machen: 1.

Eine Erhöhung des Vermögenseinkommens bewirkt ceteris paribus, daß die Marktarbeitszeit sinkt, wenn Freizeit ein normales Gut ist Graphisch bedeutet eine Erhöhung des Vermögenseinkommens, daß sich die relevante Transformationskurve vertikal nach oben verschiebt (Abb. 8.13). Bei gegebenem Abszissenwert ändert sich die Steigung der Transformationskurve nicht. Der Punkt B', in dem die Lohngerade die Hausarbeitstransformationskurve tangiert, liegt genau oberhalb von B. Wenn auch bei steigendem Vermögenseinkommen Marktarbeit geleistet wird, ändert sich die Hausarbeitszeit, die in Abbildung 8.13 gleich ST ist, nicht. Ist Freizeit ein normales Gut, so liegt P' rechts von P. Die Freizeit steigt. Die Marktarbeitszeit sinkt von RS auf R'S.

2.

Wenn der Reallohn steigt, wird die Hausarbeitszeit reduziert. Die Marktarbeitszeit kann steigen, konstant bleiben oder fallen. Sie kann auch dann steigen, wenn wegen der Reallohnerhöhung die Freizeit zunimmt. Graphisch bedeutet eine Reallohnerhöhung, daß die Lohngerade steiler verläuft (Abb. 8.14). Der Tangentialpunkt mit der Hausarbeitstransformationskurve verschiebt sich, wie Abbildung 8.14 zeigt, nach rechts. Die Hausarbeitszeit sinkt von ST auf S'T. Die Reallohnerhöhung ist mit einem Substitutionseffekt und einem Einkommenseffekt verbunden. Aufgrund des Substitutionseffektes sinkt die gewünschte Freizeit, aufgrund des Einkommenseffektes steigt sie, wenn Freizeit ein normales Gut ist. In Abbildung 8.14 wurde unterstellt, daß der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt überkompensiert, so daß die gewünschte Freizeit von OR auf OR' steigt. Man erkennt aus Abbildung 8.14, daß dennoch die Marktarbeitszeit von RS auf R'S' steigt. Die Arbeitszeit steigt, obwohl

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

177

wegen der Reallohnerhöhung die Freizeit zunimmt. Die Analyse zeigt, daß ein normaler Verlauf der Arbeitsangebotskurve wahrscheinlicher ist, als dies aufgrund der traditionellen Analyse zu vermuten ist.

3.

Wird das Marktarbeitseinkommen (proportional) besteuert, kann dies selbst dann zu sinkender Marktarbeitszeit führen, wenn als Folge der Besteuerung die Freizeit sinkt. Dieses Ergebnis erhält man aus der Umkehrung zu dem unter 2. analysierten Fall der Reallohnerhöhung. Die Besteuerung bewirkt, daß der Nettoreallohn sinkt. In Abbildung 8.14 steigt die Hausarbeitszeit von S'T auf ST. Die Freizeit sinkt von OR' auf OR. Obwohl die Freizeit sinkt, sinkt auch die Marktarbeitszeit, und zwar von R'S' auf RS.

Literaturhinweise zum achten Kapitel Zum Lancaster-Ansatz: Kelvin J. Lancaster. A New Approach to Consumer Demand and its Limitations. Journal of Political Economy 74(1966), S. 132 - 157. Kelvin J. Lancaster. Change and Innovation in the Technology of Consumption. American Economic Review 56(1966), S. 14 - 23. Kelvin J. Lancaster. Consumer Demand. A new approach. New York-London 1971. Hugh Gravelle und Ray Rees. Microeconomics. London-New York 1986, S. 119-143. Richard G. Lipsey und Gideon Rosenbluth. A Contribution to the New Theory of Demand: A Rehabiltation of the Giffen-Good. Canadian Journal of Economics 4(1971), S. 131-163. Helga Luckenbach. Theorie des Haushalts. Göttingen 1975, S. 112 -119.

178

Neuere Ansätze in der Haushaltstheorie

Jochen Schumann. Grundzüge der mikroökonomischen Theorie. Fünfte Auflage, Berlin u.a. 1987, S. 56 - 59. Zum Becker-Ansatz: Gary S. Becker. A Theory of Allocation of Time. Economic Journal, 75(1965), S. 493-517. Robert T. Michael and Gary S. Becker. On the New Theory of Consumer Behavior. Swedish Journal of Economics 75(1973), S. 378 - 395. Gary S. Becker. The Economic Approach to Human Behavior. Chicago 1976. Gary S. Becker und George J. Stigler. De Gustibus Non Est Disputandum. American Economic Review 67(1977), S. 76 - 90. Reuben Gronau. Leisure, Home Production and Work - The Theory of the Allocation of Time Revisited. Journal of Political Economy 85(1977), S. 1099 - 1123. Staffan Burenstam Linder. Das Linder-Axiom, Gütersloh-Wien 1971. Engl.: The Harried Leisure Class, New York-London 1970.

Neuntes Kapitel Entscheidungen bei Unsicherheit Wir haben bisher unterstellt, daß die Preise, das Einkommen und alle anderen die individuellen Entscheidungen beeinflussenden Größen bekannt sind. Es gab keine Unsicherheit. Tatsächlich ist das Leben unsicher. Die Menschen wissen nicht, ob ihr Auto gestohlen wird, ob bei ihnen eingebrochen wird, ob sie krank oder ob sie arbeitslos werden. Der Inhaber eines Ausflugslokals weiß nicht, ob das Wetter am Wochenende schön ist oder nicht. Wer im Frühjahr für sein Modegeschäft Wintermäntel bestellt, weiß nicht, ob der nächste Winter kalt oder mild sein wird. Der Käufer einer Eigentumswohnung kennt nicht den Preis, zu dem er diese Wohnung nach fünf Jahren verkaufen kann. Wer heute Thyssen-Aktien kauft, weiß nicht, wie hoch die Rendite sein wird. Der Käufer eines Neuwagens muß damit rechnen, daß ausgerechnet sein Auto ein Montagsauto ist. Für den Käufer eines Gebrauchtwagens ist die Qualitätsunsicherheit noch größer. Der Arbeitgeber weiß nicht, ob der Arbeitnehmer, den er einstellen will, qualifiziert und fleißig ist. Die Versicherungsgesellschaft kann nicht im vorhinein zuverlässig zwischen guten und schlechten Risiken unterscheiden. Man hat in der Literatur zwischen Risiko und Unsicherheit unterschieden. Nach dieser Auffassung liegt Risiko vor, wenn den verschiedenen möglichen Ereignissen objektive oder subjektive Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Von Unsicherheit spricht man dagegen, wenn keine Angaben über Wahrscheinlichkeiten möglich sind. Es wird im folgenden unterstellt, daß man stets Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen bei Unsicherheit möglichen Ereignisse angeben kann. Es wird deshalb nicht zwischen Risiko und Unsicherheit unterschieden. Mitunter wird mit Risiko in Anlehnung an die Umgangssprache lediglich die Gefahr eines Verlustes bezeichnet. Auch diesem Sprachgebrauch wird hier nicht gefolgt. Risiko bedeutet nur die Möglichkeit, daß die Ereignisse von einem Mittelwert abweichen können. A. Die Beschreibung des Risikos Wenn die Ergebnisse einer Handlung oder Entscheidung unsicher sind, können wir doch, so nehmen wir an, möglichen Ergebnissen Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Wenn wir würfeln, wissen wir nicht, welche Zahl erscheint. Wenn aber ein Würfel genügend oft geworfen wird, können wir die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Zahl erscheint, als Grenzwert der relativen Häufigkeit dieses Ereignisses bestimmen. In einem objektiven Sinn versteht man unter Wahrscheinlichkeit die relative Häufigkeit eines Ereignisses. In den meisten Fällen, die für den Ökonomen interessant sind, kann die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Ereignisse eintreten, nicht objektiv durch Experimente bestimmt werden, weil Ereignisse nicht beliebig oft wiederholt werden können. Aufgrund von Erfahrungen, Kenntnissen, Einsichten und Vermutungen können aber in der Regel den möglichen Ereignissen subjektive Wahrscheinlichkeiten zugeord-

180

Entscheidungen bei Unsicherheit

net werden. Wenn die Wahrscheinlichkeiten subjektiv bestimmt sind, können verschiedene Personen den Ereignissen unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Dies kann dazu führen, daß sie unterschiedliche Entscheidungen treffen. 1.

Zufallsvariable und Wahrscheinlichkeitsverteilung

Eine Zufallsvariable ist eine Variable, deren Wert nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Diskrete Zufallsvariable können nur eine begrenzte Zahl von Werten annehmen. Eine stetige Zufallsvariable kann alle Werte innerhalb eines bestimmten Bereichs annehmen. Ordnet man den verschiedenen möglichen Werten, die eine Zufallsvariable annehmen kann, die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten zu, erhält man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Wenn zum Beispiel erwogen wird, eine Eigentumswohnung zum Preis von 150 000 DM zu kaufen, die nach einem Jahr wieder verkauft werden soll, ist der Käufer an dem Preis interessiert, den er nach einem Jahr erzielen kann. Aufgrund seiner Einsichten und Erfahrungen hält er verschiedene Verkaufspreise für möglich, aber in unterschiedlichem Maße für wahrscheinlich. Es möge sich so die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung in bezug auf den erwarteten Verkaufspreis ergeben. Preis in tausend DM

Wahrscheinlichkeit Pi

140 150 160 170 180

0,1 0,2 0,4 0,2 0,1 ΣΡί= 1

In unserem Beispiel wird also angenommen, die Wahrscheinlichkeit, daß ein Preis von 140 000 DM erzielt wird, sei 0,1, die Wahrscheinlichkeit für einen Preis von 150 000 DM sei 0,2 usw. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung kann graphisch in einem sogenannten Histogramm dargestellt werden. Es wird in dem folgenden Histogramm unterstellt, daß der Preis von 140 000 DM der mittlere Preis für den Bereich von 135 000 bis 145 000 DM ist. All diese Preise werden durch den Preis von 140 000 DM repräsentiert. Ähnliches gilt für die anderen Preise.

181

Entscheidungen bei Unsicherheit

Abb. 9.1

0.4

0,2

0.1 140

150

160

170

180

χ

2. Unsicherheit über den Zustand der Welt Wenn Entscheidungen bei Unsicherheit getroffen werden, ist es nützlich, zwischen verschiedenen "Ebenen" zu unterscheiden. Angenommen, Α möchte eine Wanderung unternehmen. Er muß sich entscheiden, ob er einen Regenschirm mitnehmen soll oder nicht. Er weiß nicht, ob es regnen wird. Wenn es regnet, mag seine Kleidung leiden, wenn er keinen Regenschirm hat. Vielleicht erkältet er sich und wird krank. Das Beispiel zeigt, däß man folgende Ebenen unterscheiden kann: 1. Die Ebene der Handlungen oder Entscheidungen. In unserem Beispiel geht es um die Frage, ob ein Regenschirm mitgenommen werden sollte. 2. Die Ebene der Umweltzustände oder der "Zustände der Welt". Es besteht Unsicherheit darüber, ob es regnen wird. 3. Die Ebene der Konsequenzen. Es mag Unsicherheit über die Folgen bestehen, die sich ergeben, wenn es regnet und kein Regenschirm verfügbar ist. Welche Folgen eine Handlung hat, ist also meistens unsicher, weil die Umwelt verschiedene Zustände annehmen kann. Bei Unsicherheit über den zukünftigen Zustand der Welt gibt es immer mindestens zwei mögliche Zustände. Es wird angenommen, daß deijenige, der die Entscheidung trifft, weiß, welche Zustände eintreten können. Er weiß aber nicht, welcher Zustand eintritt. Er kann jedoch den verschiedenen möglichen Zuständen subjektive Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Die Folgen einer bestimmten Handlung mögen aber auch unsicher sein, weil man nicht sicher weiß, welche Konsequenzen es hat, wenn ein bestimmter Umweltzustand eintritt. Es gibt in diesem Fall Unsicherheit auf der Ebene der Konsequenzen. In den folgenden Ausführungen wird unterstellt, daß diese Unsicherheit nicht besteht. In Tabelle 2 gibt es genau drei mögliche Zustände der Welt, die z„ Zj und z3 genannt werden. Diesen verschiedenen Zuständen der Welt können subjektive Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Es ist p, die Wahrscheinlichkeit, daß z, eintritt, p2 die Wahrscheinlichkeit, daß Zj und p3 die Wahrscheinlichkeit, daß Zj eintritt. Die Summe

Entscheidungen bei Unsicherheit

182

der Wahrscheinlichkeiten muß eins sein, wenn der Entscheidende alle Zustände, die er für möglich hält, berücksichtigt hat. Tabelle 2 zeigt, wie hoch die Einkommen bei alternativen Zuständen der Welt sind, wenn die Handlung A, ausgeführt wird. Zl Pi = 0,3

p 2 = 0,4

Z3 P3 = 0,3

60

80

40

A,

Es wird im folgenden von einem Prospekt gesprochen, wenn den verschiedenen möglichen Ergebnissen einer Handlung oder Entscheidung subjektive Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Für den Prospekt A, in Tabelle 2 schreiben wir: A, = (60,80, 40; 0,3,0,4,0,3) Vor dem Semikolon stehen die möglichen Ergebnisse (Einkommen), hinter dem Semikolon die diesen Ergebnissen zugeordneten Wahrscheinlichkeiten. 3.

Der Erwartungswert

Wenn wir die Ergebnisse, die sich bei den verschiedenen Zuständen der Welt ergeben können, mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten multiplizieren und die Produkte addieren, erhalten wir den Erwartungswert.1 Der Erwartungswert E(x) der Zufallsvariablen χ ist der mit den Wahrscheinlichkeiten gewogene Durchschnitt der möglichen Ergebnisse. E(x) = p,x,+p 2 x 2 + ...+p n x n

ΣΡι= 1 i

E(x) = Σ RXi i Für den Erwartungswert der Zufallsvariablen schreibt man statt E(x) auch μ oder x. Für den in Tabelle 2 dargestellten Prospekt A, erhält man als Erwartungswert χ = 0,3 - 60 + 0,4 · 80+0,3 · 40 = 62 4.

Die Messung des Risikos

Prospekte unterscheiden sich durch das Ausmaß, in dem die Ergebnisse bei alternativen Zuständen der Welt vom Erwartungswert abweichen können. Die in Tabelle 3

1

Wir gehen hier und im folgenden von einer diskreten Zufalls variablen aus. Der Erwartungs wert einer stetigen Zufallsvariablen χ ist das Integral des Produktes aus der Zufallsvariablen und ihrer Dichtefunktion f(x): E(x)= Σ * f(x) dx.

183

Entscheidungen bei Unsicherheit

dargestellten Prospekte A, und A2 haben den gleichen Erwartungswert. Die Abweichungen der möglichen Einkommen vom Erwartungswert sind jedoch beim Prospekt A2 geringer als bei A,. Z

_ X

1 P. = 0,3

Z2 p2 = 0,4

Z3 P3 = 0,3

A,

60

80

40

62

a2

70

57,5

60

62

Eine Möglichkeit, das Risiko zu messen, das mit unsicherem Einkommen verbunden ist, besteht darin, die durchschnittliche absolute Abweichung vom Erwartungswert zu ermitteln. Diese ist wie folgt definiert: DA=Ipi|x-x| i

Beim Prospekt A, beträgt sie: DA = 0,3 · 2 + 0,4 · 18 + 0,3 · 22 = 14,4 Beim Prospekt A2 erhält man: DA = 0,3 · 8 + 0,4 • 4,5 + 0,3 · 2 = 4,8 Es ist jedoch üblich, das Risiko durch die Varianz oder durch die Wurzel aus der Varianz, die Standardabweichung heißt, zu messen. Bei der Varianz werden die Abweichungen quadriert, mit den Wahrscheinlichkeiten multipliziert und dann die Summe dieser Produkte gebildet.1 Die Varianz der Zufallsvariablen χ ist Var(x) = Σ Pi(Xj - χ)2 i

Statt Var(x) schreibt man auch cj. Für den Prospekt A, erhält man als Varianz: σ 2 = 0,3(60 - 62)2+0,4(80 - 62)2 + 0,3(40 - 62)2 σ 2 = 276 Für die Standardabweichung Vö 2 =σ erhält man:

1

Bei den hier nicht berücksichtigten stetigen Zufallsvariablen ist die Varianz definiert als Var(x)= Σ χ 2 f(x) dx -

184

Entscheidungen bei Unsicherheit

σ = λ/276 = 16,6 Für den Prospekt A2 erhält man als Varianz: σ 2 = 0,3(70 - 62)2+0,4(57,5 - 62)2 + 0,3(60 - 62)2 σ 2 = 28,5 Für die Standardabweichung erhält man: 0 = ^28^=5,3 Standardabweichung und durchschnittliche absolute Abweichung sind vergleichbare Risikomaße. Sie unterscheiden sich dadurch, daß bei der Standardabweichung die Abweichungen vom Mittelwert quadriert werden. Größere Abweichungen werden dadurch stärker gewichtet. 5.

Die Kovarianz und der Korrelationskoeffizient

Bisher haben wir Risikomaße verwendet, die die individuelle Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsvariablen beschreiben. Häufig besteht eine Entscheidung aber darin, daß gleichzeitig in verschiedene Vermögensobjekte investiert wird. Es genügt dann nicht, die einzelnen Wahrscheinlichkeitsverteilungen isoliert zu betrachten. Man muß die Beziehung zwischen den einzelnen Wahrscheinlichkeitsverteilungen berücksichtigen, um ein geeignetes Maß für das Risiko zu erhalten. Zu diesem Zweck ermittelt man die sogenannte Kovarianz. Wenn zum Beispiel in die beiden Aktiva χ und y investiert wird, mißt die Kovarianz das Ausmaß, in dem die Zufallsvariablen zusammen variieren. Die Kovarianz ist definiert als Kov(x,y) = Σ Pi(Xj - x) (yj-y) i

Statt Kov(x,y) schreibt man auch oxy. Dividiert man die Kovarianz durch die Standardabweichungen von χ und y, erhält man den Korrelationskoeffizienten

Der Korrelationskoeffizient kann nur Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Ist der Korrelationskoeffizient Null, so sind die Zufallsvariablen unkorreliert. Bei einem Wert von +1 liegt vollständige positive Korrelation und bei -1 vollständige negative Korrelation vor. Betrachtet man die Prospekte A, und A2 als Einkommen, die sich bei Investitionen in χ und in y ergeben können, erhält man als Kovarianz (x,y):

Entscheidungen bei Unsicherheit

185

Kov(x.y) = 0,3(60 - 62) · (70 - 62)+0,4(80 - 62) · (57,5 - 62) + 0,3(40 - 62) • (60 - 62) = -24 Der Korrelationskoeffizient ist -24 P

~V276-^5

Ρ = -0,27 Β. Das individuelle Verhalten bei Risiko 1. Der Erwartungswert als Entscheidungsgrundlage Jemand möge die Wahl zwischen zwei Alternativen haben. Bei der ersten Alternative erzielt er ein sicheres Einkommen von 60 000 DM und bei der zweiten Alternative erhält er mit einer Wahrscheinlichkeit von ρ = 0,5 ein Einkommen von 90 000 DM und mit einer Wahrscheinlichkeit von (1 - p) = 0,5 ein Einkommen von 30 000 DM. Der Erwartungswert des unsicheren Einkommens ist χ = 0,5 · 90 000 DM + 0,5 · 30 000 DM = 60 000 DM Wenn für die Entscheidung lediglich der Erwartungswert bestimmend wäre, müßte der Entscheidende zwischen den Alternativen indifferent sein. Oder nehmen wir an, Α hat die Möglichkeit, an dem Spiel "Kopf oder Wappen" teilzunehmen. Erscheint bei einem Münzwurf Wappen, erhält er 100 DM, erscheint Kopf, erhält er nichts. Der Erwartungswert des Spiels ist χ = 0,5 · 100 DM + 0,5-0 DM = 50 DM. Muß Α für das Recht, an dem Spiel teilnehmen zu können, 50 DM zahlen, sagt man, das Spiel sei fair. Wenn es Α ablehnt, an einem fairen Spiel teilzunehmen, oder wenn das sichere Einkommen dem unsicheren Einkommen mit gleichem Erwartungswert vorgezogen wird, sagt man, es liege Risikoscheu oder Risikoaversion vor. Einen Grund für Risikoscheu kann man mit dem Schweizer Mathematiker Bernoulli (1654- 1705) darin sehen, daß es letztlich nicht die Geldbeträge sind, die die Entscheidung bestimmen, sondern der Nutzen, den diese Geldbeträge stiften. Bernoulli zeigte, daß es zu absurden Ergebnissen führt, wenn man die Entscheidungen allein auf den Erwartungswert stützt. Das sogenannte St. Petersburg-Paradoxon macht dies deutlich. Eine Münze wird so lange geworfen, bis zum ersten Mal Wappen erscheint. Wenn Wappen beim ersten Versuch erscheint (p = 1/2), erhält der Spieler einen Dukaten. Erscheint Wappen im zweiten Versuch (p = 1/4), erhält der Spieler zwei Dukaten, beim dritten Versuch (p = 1/8) erhält er vier Dukaten und so fort. Bei jedem zusätzlichen Versuch wird der ausgezahlte Betrag verdoppelt. Das Spiel ist beendet, wenn zum ersten Mal Wappen erscheint. Es fragt sich, wie groß der Betrag ist, den jemand für das Recht zu zahlen bereit ist, an dem Spiel teilnehmen zu können. Der Erwartungswert des Spiels ist

186

Entscheidungen bei Unsicherheit

* = ß-o+ (H + (Η + Diese Summe ist unendlich groß. Wen jemand also eine Million zahlt, um an dem Spiel teilzunehmen, wäre der Betrag immer noch geringer als der Erwartungswert des Spiels. Tatsächlich werden es die meisten als absurd ansehen, auch nur Tausend Mark für das Spiel zu zahlen. 2.

Die Erwartungsnutzenhypothese

Wenn man mit Bernoulli annimmt, daß nicht der Erwartungswert der Geldbeträge die Entscheidungen bestimmt, sondern der Nutzen, den diese stiften, läßt sich das Paradoxon vermeiden. Die naheliegende Folgerung aus Bernoullis Überlegungen wäre die Hypothese, daß die Entscheidungen bei Unsicherheit durch den erwarteten Nutzen bestimmt sind, der sich ergibt, wenn man den Nutzen des Einkommens bei unterschiedlichen Zuständen der Welt mit den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten gewichtet. Der erwartete Nutzen ist E(U) = Σ PiU(Xj) i

Σρ,= 1 i

Der erwartete Nutzen einer Entscheidung mit zwei möglichen Ergebnissen mit den Wahrscheinlichkeiten ρ und (1 - p) ist E(U) = pU(x,) + (l-p)U(x 2 ) Von Neumann und Morgenstern zeigten, daß die plausible Hypothese, die Entscheidungen bei Unsicherheit basierten auf dem erwarteten Nutzen und die Individuen verhielten sich so, daß der erwartete Nutzen maximiert werde, aus einigen grundlegenden Axiomen rationalen Verhaltens abgeleitet werden kann. Die Präferenzen lassen sich bei Unsicherheit durch den erwarteten Nutzen der möglichen Ergebnisse darstellen.1 3.

Risikoaversion und Nutzenfunktion

Bei Risikoscheu lehnt man es ab, an einem fairen Spiel teilzunehmen, weil der Nutzen des unsicheren Einkommens bei Teilnahme an dem Spiel kleiner ist als der Nutzen des sicheren Einkommens, über das man verfügt, wenn man an dem Spiel nicht teilnimmt. Der Erwartungsnutzen des Einkommens, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 um a DM größer ist und mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 um a DM klei-

1

Der Nutzenindex in der Ν - Μ Nutzentheorie ist eindeutig bis auf eine positive lineare Transformation. Siehe J. von Neumann und O. Morgenstern. The Theory of Games and Economic Behaviour. Zweite Auflage, Princeton 1947. Die Axiome rationalen Verhaltens bei Unsicherheit werden im Anhang erörtert. Siehe dazu auch die Darstellung bei P.R.G. Layard und A.A. Walters. Microeconomic Theory. New York 1978, S. 369-373.

187

Entscheidungen bei Unsicherheit

ner ist als das sichere Einkommen x, ist also bei Risikoscheu geringer als der Nutzen des sicheren Einkommens x, über das man verfügt, wenn man nicht an dem Spiel teilnimmt. Es ist 0,5U(x + a)+0,5U(x - a) < U(x) Risikoscheu, wie durch diese Ungleichung dargestellt, impliziert eine konkave Nutzenfunktion. 0,5U(x + a) - U(x) < -0,5U(x - a) 0,5U(x + a) - 0,5U(x) < 0,5U(x) - 0,5U(x - a) U(x + a) - U(x) < U(x) - U(x - a) Die letzte Gleichung besagt, daß der Nutzenzuwachs AU = U(x + a)-U(x), den man erfährt, wenn das Einkommen um a steigt, geringer ist als der Nutzenverlust AU = U(x) - U(x - a), den man erleidet, wenn das Einkommen um a sinkt. Das bedeutet, daß mit wachsendem Einkommen der Nutzen zusätzlichen Einkommens sinkt. Risikoscheu impliziert sinkenden Grenznutzen des Einkommens oder Vermögens. Es gilt auch umgekehrt, daß sinkender Grenznutzen des Einkommens Risikoscheu impliziert. Sinkender Grenznutzen des Einkommens läßt sich mit der Überlegung begründen, daß rational handelnde Wirtschaftssubjekte ihre dringendsten Bedürfnisse zuerst befriedigen. Deshalb ist der Nutzenverlust, den man erleidet, wenn das Einkommen um einen bestimmten Betrag sinkt, größer als der Nutzenzuwachs, der sich ergibt, wenn das Einkommen um den gleichen Betrag steigt. Graphisch wird sinkender Grenznutzen des Einkommens durch eine Nutzenfunktion dargestellt, die konkav zur Einkommensachse verläuft, wie sie Abbildung 9.2 zeigt.1

1

Daß Risikoscheu eine konkave Nutzenfunktion impliziert, ergibt sich auch unmittelbar aus der Definition der Risikoscheu, die vorliegt, wenn gilt:

pU(x,)+(1 - pMxJ < U(x)

χ = px, + (1 - p)x2 00 2

E(U) = a+bE(x) - cE(x ) E(U) = a + bx - c[x + Var(x)] Wegen ist somit

Var(x) = E(x - x)2 = E(x2) - x2 E(x2) = x2 +Var(x)

Quadratische Nutzenfunktionen sind allerdings als Beweis für eine Erwartungswert-VarianzAnalyse von zweifelhaftem Weit, weil bei quadratischen Nutzenfunktionen die absolute Risikoaveision mit steigendem Einkommen steigt. Dies ist nicht realistisch. Die Anwendbarkeit des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes im Rahmen der Erwartungsnutzentheorie ist deshalb begrenzt. Trotzdem wird der Ansatz häufig benutzt und scheint Ergebnisse zu zeitigen, die plausibel sind.

196

C.

Entscheidungen bei Unsicherheit

Versicherung

Die Menschen sind meist risikoscheu. Das bedeutet, daß bei Unsicherheit Risikokosten entstehen. Man wird deshalb die Möglichkeiten nutzen, das Risiko zu vermindern. Das kann durch Versicherung erreicht werden. Nehmen wir an, x 2 sei das Einkommen, das jemand erzielt, wenn kein Schadensfall eintritt, und X; sei das Einkommen, das ihm im Schadensfall verbleibt. Der Schaden L beträgt also x 2 - x,. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Schaden sich ereignet, sei p. Der Erwartungswert des Schadens ist ρ (x2 - x,). Der Erwartungswert des Einkommens ist χ = x 2 - p(x2 - X,) = px, + (1 - p)x2

Wenn es möglich ist, sich gegen den Schaden durch Zahlung einer Prämie in Höhe von π · Κ so zu versichern, daß im Schadensfall ein Betrag von Κ gezahlt wird, beträgt das Einkommen x 2 - π · K, wenn der Schadensfall nicht eintrifft, und x 2 - L + K - k · Kim Schadensfall. Bei vollem Versicherungsschutz ist Κ = L. Der Versicherte erhält bei jedem Zustand der Welt ein sicheres Einkommen in Höhe von χ 2 - π · L. An die Stelle des unsicheren Einkommens mit dem Erwartungswert χ = px, + (1 - p)x2 = x2 - p(x2 _ Xi) = X 2 _ P ' L tritt das sichere Einkommen x 2 -7t-L. Das sichere Einkommen x2 - π · L, das durch Versicherung erzielt wird, ist dann gleich dem Erwartungswert des unsicheren Einkommens in Höhe von χ = x 2 - p · L, wenn π = ρ ist. In diesem Fall sagt man auch, die Versicherungsprämie sei fair, weil sie gleich dem Erwartungswert des Schadens ist. Versicherungen sind in der Lage, Versicherungsschutz zu gewähren, weil durch Zusammenfassen vieler unabhängiger Risiken für sie das Risiko sehr klein ist. Ihre Fähigkeit, ihr Risiko zu vermindern oder zu beseitigen, beruht auf dem Gesetz der großen Zahl, das besagt, daß das durchschnittliche Ergebnis vieler gleichartiger Ereignisse vorhergesagt werden kann, obwohl das einzelne Ereignis zufällig und nicht voraussagbar ist. Man ist nicht in der Lage vorauszusagen, ob bei einem Wurf mit einer Münze Kopf oder Wappen erscheint; wenn jedoch sehr viele Münzen geworfen werden, weiß man, daß in etwa der Hälfte der Fälle Wappen erscheint. Die Versicherungsgesellschaft weiß nicht, ob der Autofahrer Α im nächsten Jahr einen Unfall verursacht. Sie weiß aber mit hinreichender Sicherheit, wieviel Unfälle im Durchschnitt pro Autofahrer verursacht werden.

Entscheidungen bei Unsicherheit

197

Die Fähigkeit, durch Versicherung Risiken zu mindern oder zu eliminieren, sei an dem folgenden einfachen Beispiel erläutert. Α und Β seien mit dem gleichen risikobehafteten Prospekt konfrontiert. Das Einkommen ist für Α und für Β eine Zufallsvariable mit einem für beide gleichen Erwartungswert und mit der gleichen Varianz. Das Einkommen ist für jeden zwei, wenn kein Schadensfall eintritt, und es ist im Schadensfall Null. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Schaden eintritt, ist ρ = 0,5. Die Prospekte sind für Α und Β also jeweils (2,0; 0,5,0,5). Die Wahrscheinlichkeit, daß bei Α (Β) der Schaden eintritt, ist unabhängig vom Eintritt des Schadens bei Β (A). Der Erwartungswert des Schadens ist für beide gleich 0,5 · 2 = 1. Der Erwartungswert des Einkommens ist 0,5 · 2 + 0,5 · 0 = 1. Die Varianz ist σ 2 = 0,5 · ( 2 - 1 ) 2 + 0 , 5 · ( 0 - l ) 2 = 1 Wenn Α und Β ihre Einkommen zusammenlegen, ergibt sich mit ρ = 0,25 ein Gesamteinkommen von vier, mit ρ = 0,5 ein Gesamteinkommen von zwei und mit ρ = 0,25 ein Einkommen von Null. Wenn der einzelne jeweils die Hälfte des Gesamteinkommens erhält, gilt für Α und Β der Prospekt (2,1,0; 0,25,0,5,0,25). Der Erwartungswert des Einkommens ist x = 0 , 2 5 - 2 + 0,5 1+0,25 0 = 1 Er ist so hoch wie ohne Versicherung. Die Varianz beträgt σ 2 = 0,25 · (2 - 1 ) 2 +0,5 · (1 - 1 )2 + 0,25 • (0 - 1 )2 = 0,5 Durch Zusammenlegen (Pooling) kann also in unserem Beispiel bei konstantem Erwartungswert die Varianz halbiert werden. Werden η identische und unabhängige Risiken so zusammengefaßt, sinkt die Varianz auf 1/n der ursprünglichen Varianz. Geht η gegen unendlich, geht die Varianz gegen Null. In diesem Fall ist es möglich, durch Versicherung das sichere Einkommen in Höhe des Erwartungswertes zu erhalten, sofern keine Transaktionskosten entstehen. Technisch kann das erreicht werden, indem jeder Versicherte eine Prämie in Höhe des erwarteten Schadens zahlt. In unserem Beispiel müßte jeder eine Prämie von 0,5 · 2 = 1 zahlen. Der Versicherte hat ein Einkommen von 2 - 1 = 1, wenn kein Schaden eintritt und im Schadensfall ein Einkommen von 0 + 2 - 1 = 1. Die Möglichkeit, das Risiko durch Versicherung zu reduzieren, soll mit Hilfe von Abbildung 9.12 genauer analysiert werden. Der Erwartungswert des unsicheren Abbildung 9.12 repräsentiert wird, ist

Einkommens,

das

durch

Punkt Α

in

198

Entscheidungen bei Unsicherheit

x = px, + ( l - p ) x 2 Der geometrische Ort aller x,-x 2 -Kombinationen mit dem gleichen Erwartungswert wie Α ist die Gerade mit der Gleichung px, + (1 - p)x2 = px, + (1 - p)x2 = χ die in Abbildung 9.12 durch die Punkte Α und Β geht. Die Steigung der Geraden ist -p/l-p. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Sicherheitslinie ist C. Der Erwartungswert χ wird durch die Koordinaten von C gemessen. Die konkav zum Ursprung verlaufende Indifferenzkurve durch Α schneidet die Sicherheitslinie in S. Die Steigung der Indifferenzkurve in S ist dx 2

-pU'(x.)

dx,

"(1-P)U'(X2)

In S ist x, = x2; wenn der Nutzen nicht vom Zustand der Welt abhängig ist, ist U'(x,) = U'(x 2 ). Die Steigung der Indifferenzkurve ist also in S = -p/l-p. Die Indifferenzkurve tangiert in S die Gerade RT, die parallel zu AB verläuft. In S wird ein sicheres Einkommen von x s erzielt, das den gleichen Nutzen stiftet wie das unsichere Einkommen, das durch Α repräsentiert wird. Der Sicherheitsäquivalenzwert des unsicheren Einkommens in Α wird durch die Koordinaten x s von S gemessen. Im Schadensfall ergibt sich ein Verlust von L = x 2 - x i , der beim Zustand 1 eintritt. Er wird in Abbildung 9.12 durch die Strecke AE gemessen. Bei vollem Versicherungsschutz erhält der Versicherte gegen Zahlung einer Prämie von Ζ = π ( χ 2 - χ , ) den Schaden L = x2 - Xi voll ersetzt. Beim Zustand 2 ist das Einkommen des Versicherten um π ( χ 2 - * ι ) kleiner als ohne Versicherungsschutz. Im Schadensfall ist es um (x2 - X;) - π(χ 2 - Xj) = (1 - π) · (x2 - χ,)

Entscheidungen bei Unsicherheit

199

größer. Wenn man den Quotienten aus dem Einkommensanspruch, auf den man wegen des Versicherungsschutzes im Zustand 2 verzichtet und dem zusätzlichen Einkommensanspruch im Zustand 1 bildet, erhält man: π(χ 2 -*ι) _ π (1-π)·(χ2-χ,)~1-π Dieser Quotient gibt den Einkommensanspruch an, auf den man bei Zustand 2 verzichten muß, um einen Einkommensanspruch von 1 DM im Zustand 1 zu erhalten. Man kann π und (1 - π ) als die Preise auffassen, die für Einkommensansprüche beim Zustand 1 und 2 gezahlt werden müssen. Wenn eine faire Prämie Ζ in Höhe des Erwartungswertes des Schadens gezahlt werden muß, ist Z = p(x 2 -xi) In Abbildung 9.12 wird diese Prämie durch AD = EG = CG gemessen. Es ist AD = x 2 - x = x 2 - p x , - ( l -p)x 2 = p(x 2 -x!) Das zusätzliche Einkommen, das der Versicherte im Schadensfall (beim Zustand 1) erhält, ist L-Z = (x2 - x,) - p(x2 - χ,) = (1 - p) · (x2 - x,) Es wird in Abbildung 9.12 durch die Strecke CD gemessen. Es ist CD = x - x , =px + (l - p ) x 2 - x , = (1 - p ) · (x 2 -x,) Es ist AD/CD = p/l-p. Bei vollem Versicherungsschutz wird also der Punkt C mit dem sicheren Einkommen χ erreicht, das gleich dem Erwartungswert des unsicheren Einkommens ist. Der Versicherte, der die Höhe des Versicherungsschutzes bestimmen kann, wird den Versicherungsschutz so bestimmen, daß der erwartete Nutzen maximiert wird. Bei fairer Prämie kann er Punkte auf der Geraden AB durch Versicherung erreichen. Wenn die Versicherung im Versicherungsfall höchstens den Schaden von ( j ^ - x ^ erstattet, wenn also Überversicherung nicht möglich ist, kann er keine Punkte auf AB erreichen, die rechts von C liegen. Der erwartete Nutzen wird maximiert, wenn die höchste Indifferenzkurve erreicht wird. Das ist der Punkt, in dem eine Indifferenzkurve die Gerade AB tangiert. In Abbildung 9.12 ist dies der Punkt C, der bei vollem Versicherungsschutz erreicht wird. Im Tangentialpunkt ist die Steigung der Indifferenzkurve gleich der Steigung der Geraden AB, die gleich -p/l-p ist. Die Steigung der Indifferenzkurve ist

200

Entscheidungen bei Unsicherheit

-pU'(xi) (1 -p)U'(xj) Die Steigung ist nur dann gleich -p/l-p, wenn U'(x,) = U'(X2) ist. Das ist bei zustandsunabhängigem Nutzen nur der Fall, wenn x, = x2. Also tangiert die Indifferenzkurve die Gerade AB in C. Der Versicherte, deT seinen ETwartungsnutzen maximiert, wird also bei fairer Prämie (π = ρ) vollen Versicherungsschutz wählen. Punkte zwischen A und B, die bei unvollständigem Versicherungsschutz erreicht werden können, liegen auf Indifferenzkurven, die einen geringeren Erwartungsnutzen repräsentieren. Wenn die Prämie, die gezahlt werden muß, nicht fair ist (π > ρ), kann durch Versicherung nur ein sicheres Einkommen erzielt werden, das kleiner ist als der Erwartungswert des unsicheren Einkommens. Der Versicherte kann dennoch durch vollen Versicherungsschutz den erwarteten Nutzen erhöhen, wenn das sichere Einkommen, das durch Versicherung erreicht wird, größer ist als der Sicherheitsäquivalenzwert des unsicheren Einkommens. Das ist so, wenn die Prämie kleiner ist als Z* = p(x 2 -x s ). Eine Prämie in Höhe von Z* ist also jene Prämie, die ein Versicherter maximal zu zahlen bereit ist. Wenn allerdings π > ρ ist und der Versicherte die Höhe des Versicherungsschutzes selbst bestimmen kann, wird er sich nicht vollständig versichern. Er wird den Versicherungsschutz so bestimmen, daß Κ < L ist, so daß sein Einkommen im Schadensfall (im Zustand 1) kleiner ist als im Zustand 2. Der Erwartungsnutzen wird maximiert, wenn die Bedingung pU'(x.) (l-pMAxj)

π 1-π

Uj(xi)__Ji_

P-p

erfüllt wird. Das bedeutet:

U'(x2)

1 -π

ρ

Wegen π > ρ und 1 - ρ > 1 - π und somit *->l 1-π

ρ

bedeutet dies: U'(x,)>U'(x2)

Bei zustandsunabhängigem Nutzen ist die Ungleichung nur erfüllt, wenn gilt: x, < x2 und somit Κ < L

Entscheidungen bei Unsicherheit

201

Abb. 9.13

0

XI

In Abbildung 9.13 ist AC der geometrische Ort aller x,-x 2 -Kombinationen mit gleichem Erwartungswert des Einkommens wie A. Die Steigung ist absolut gleich tan α = p / 1 - p . Die Gerade AR ist der geometrische Ort aller x r x 2 -Kombinationen, die durch Versicherung erreicht werden können. Die Steigung ist absolut gleich tan β = π / 1 - π . Es ist π > ρ . In R ist die Steigung der Indifferenzkurve I 0 absolut gleich p/l-p. Die Indifferenzkurve ist in R flacher als AR. Die Gerade AR wird in R nicht von einer Indifferenzkurve tangiert. Der Punkt, in dem eine Indifferenzkurve die Gerade AR tangiert, ist V. In V gelangt der Versicherte auf die höchste Indifferenzkurve, die er erreichen kann. In V ist x 1 < x2. Der Versicherte, der seinen Nutzen maximiert, wird sich nicht vollständig versichern. Häufig ist das Risiko nicht bei allen Versicherten gleich. Die Wahrscheinlichkeit p, mit der der Schadensfall eintritt, ist bei guten Risiken geringer als bei schlechten Risiken (p g < p,). Muß eine Prämie in Höhe des durchschnittlichen Risikos ρ gezahlt werden, so werden diejenigen Versicherten vollen Versicherungsschutz anstreben, deren Risiko mindestens gleich dem Durchschnittsrisiko ist. Für die guten Risiken ist die Prämie unfair. Sie werden es deshalb vorziehen, sich nur zum Teil oder gar nicht zu versichern. D. Diversifikation 1.

Risikominderung durch Diversifikation

Eine andere Methode der Risikominderung ist die Diversifikation. Der Grundgedanke dieser Strategie kommt in der Empfehlung zum Ausdruck, man sollte nicht alle Eier in einen Korb legen. Angenommen, es sollen ein Dutzend Eier zur Großmutter transportiert werden, die jenseits des Waldes lebt. Als Transporteure stehen nur einige sechsjährige Mädchen zur Verfügung, die mit einer Wahrscheinlichkeit von ρ = 0,5 auf ihrem Weg fallen. Den Sturz überstehen die Eier nicht. Wenn nur ein Mädchen mit dem Transport beauftragt wird, erhält die Großmutter mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 gar keine Eier. Werden zwei Mädchen unabhängig geschickt, ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Großmutter gar keine Eier bekommt, nur noch 0,25; die Wahrscheinlichkeit, daß sie sechs Eier erhält, ist 0,5 und die Wahrschein-

202

Entscheidungen bei Unsicherheit

lichkeit, daß sie zwölf Eier erhält, ist 0,25.' Offenbar kann man durch Diversifikation das durch die Varianz gemessene Risiko um so kleiner werden lassen, je mehr Mädchen man auf den Weg zur Großmutter schickt. Betrachten wir ein anderes Beispiel. Ein Investor will einen bestimmten Betrag anlegen. Die Rendite, die erzielt wird, ist unsicher und hängt vom "Zustand der Welt" ab. Es gebe drei mögliche Zustände der Welt (z,, und Ζ3), die mit einer Wahrscheinlichkeit von p, = 0,25, p2 = 0,5 und p3 = 0,25 eintreten. Der Investor kann den Betrag in χ oder y anlegen. Wenn der gesamte Betrag in χ investiert wird, erhält der Anleger beim Zustand z, eine Rendite von 13%, in ζ^ eine Rendite von 7% und in Z3 eine Rendite von 9%. Wird der gesamte Betrag in y investiert, sind die Renditen 6%, 12% und 18%. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Renditen wird in der nachstehenden Tabelle 4 erfaßt. Zl Pi = 0,25

Z2 p2 = 0,5

Z3 p3 = 0,25

r

σ

r„%

13

7

9

9

2,45

ry%

6

12

18

,2

4,24

Die erwartete Rendite von χ ist rx = 0,25 · 13 + 0,5 · 7 + 0,25 -9 = 9% Die Varianz ist = 0,25 · (13 - 9f + 0,5 · (7 - 9) 2 + 0,25 · (9 - 9)2 = 6 Die Standardabweichung ist V6 = 2,45%. Die erwartete Rendite von y ist ry = 0,25 · 6 + 0,5 · 12 + 0,25 18 = 12% Die Varianz ist o j - 0,25 · ( 6 - 12)2 + 0,5 · (12-12) 2 +0,25 · (18-12) 2 = 18 Die Standardabweichung ist Vl8 = 4,24%.

1

Der Erwartungswert, gemessen durch die Zahl der Eier, die die Großmutter im Durchschnitt erhält, ist in beiden Fällen sechs. Wird nur ein Mädchen geschickt, ist die Varianz 0,5 · (12-6) 2 + 0,5 · (0-6) 2 = 36. Werden zwei Mädchen geschickt, ist die Varianz 0,25 · (12-6) 2 + 0,5 (6-6) 2 + 0,25 · (0-6)2 = 18.

203

Entscheidungen bei Unsicherheit

Die Kombinationen von erwarteter Rendite und dem durch die Standardabweichung gemessenen Risiko werden in Abbildung 9.14 graphisch durch die Punkte Α und Β dargestellt. r

Abb. 9.14

t,=12

r„=9

o>=2,45

Oy=4,24

σ

Es fragt sich, welche Kombinationen von erwarteter Rendite und Standardabweichung erreicht werden, wenn diversifiziert wird, indem ein Teil des Betrages in χ und der Rest in y angelegt wird. Wenn 60% in χ und 40% in y investiert werden, beträgt die erwartete Rendite des Portefeuilles rp = 0,6-9+ 0,4 12 =10,2% Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portefeuillerendite ist: Tab. 5 Pi

rp%

z, Zj = 0,25 p2 = 0,5 p3 = 0,25 10,2

9

12,6

Γ

Ρ

10,2

Die Varianz des Portefeuilles ist αζ = 0,25 · (10,2 -10,2) 2 +0,5 · (9 -10,2) 2 +0,25 · (12,6 -10,2) 2 = 2,16 Die Standardabweichung des Portefeuilles ist V2,16 = 1,47%. In Abbildung 9.15 kann graphisch der Punkt C durch die beschriebene Portefeuillebildung erreicht werden. In C ist der erwartete Ertrag größer als bei einer Investition in x. Gleichwohl ist das durch die Standardabweichung gemessene Risiko geringer. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis!

204

Entscheidungen bei Unsicherheit r

Abb. 9.15

Β

^=12

1^=10,2

•k=9

0

l

dp=l,47 q,=2,45

Oy=4,24

σ

Läßt man den Anteil, der in χ investiert wird, alle Werte zwischen 0 und 1 durchlaufen, werden Portefeuilles unterschiedlicher Zusammensetzung gebildet, die sich durch die erwartete Rendite und die Standardabweichung unterscheiden. Die Kurve ACB zeigt alle Kombinationen von Renditen und Standardabweichungen, die durch Portefeuillebildung realisiert werden können. In unserem Beispiel ist die Standardabweichung der Portefeuilles kleiner als der gewogene Durchschnitt der Standardabweichungen von χ und y. Dies wirft die Frage auf, welche allgemeine Beziehung zwischen der Standardabweichung eines Portefeuilles und den Standardabweichungen der Aktiva besteht, die das Portefeuille bilden. Das soll im folgenden Abschnitt für ein Portefeuille gezeigt werden, das aus zwei Aktiva (z.B. Wertpapieren) besteht, die wir χ und y nennen. 2.

Die Standardabweichung eines Portefeuilles

Es gebe η Zustände der Welt. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Zustand i eintritt, ist Pi. Es ist η ΣΡί = ι i=l Wenn in χ investiert wird, ist die Rendite beim Zustand i gleich x·,. Der Erwartungswert ist η Σρλ =Χ Die Varianz ist σ^ = ΣΡί(χι-χ) 2 Die Standardabweichung ist V i = σ , .

Entscheidungen bei Unsicherheit

205

Wenn der Investor λ Prozent seiner Mittel in χ und (l-λ) Prozent in y investiert, ist die Rendite beim Zustand der Welt i gleich Xxs + (1-λ)γ;. Der Erwartungswert der Rendite ist λχ + (1-X)y. Die Varianz des Portefeuilles c j ist (ή = Σ ft · [λ*, •+ (1 - λ», - λ ϊ - (1 - λ)γ]2 i

= Σ Pi · [λ · (Χ| - χ) + (1 - λ) · (γι - y)]2 i = Σ ft · [λ2 · (xi-x) 2 +(1 - λ)2 · ( i

y - y f + ΐ λ

• (1 - λ) · (χ,-χ) · (y, •- y)]

= λ2 · Σ Pi · (xi-x) 2 +(l-λ) 2 Σ P i ( y i -y) 2 +2X - (1 - λ ) · Σ ρ , ( χ - χ ) · fc - y ) i i i Die Varianz σϋ von χ ist Σρ^-χ)2 Die Varianz (ή von y ist Σρ^-Ϋ)2 i Die Kovarianz σ „ ist Xpi(xi-x)(yi-y) i

Durch Einsetzen erhält man: (1)

σ^λ2σ^+(1-λ)2σ^+2λ·(1-λ)σχ,

Der Korrelationskoeffizient ist P=σ —, σ . Daraus folgt: °xy = Ρ ·

• °y

Einsetzen in (1) ergibt als Varianz des Portefeuilles:

206

Entscheidungen bei Unsicherheit

(2)

σ^ = λ 2 σ^+(1- λ) 2 σ^+2λ · (1 - λ)ρσ χ σ.

Somit erhält man für die Standardabweichung des Portefeuilles aus χ und y: (3)

σρ =

+ (1 - l ) W y + 2 λ · (1 - λ)ρσ χ σ.

Die Gleichungen (1), (2) und (3) zeigen, daß die Varianz und die Standardabweichung eines Portefeuilles von den Einzelrisiken, den Anteilen der einzelnen Vermögensobjekte im Portefeuille und der Kovarianz bzw. dem Korrelationskoeffizienten abhängen. Es soll geprüft werden, wie groß das Risiko des Portefeuilles ist, wenn der Korrelationskoeffizient bestimmte Werte annimmt. 1. Fall: ρ = 1 Wenn der Korrelationskoeffizient 1 ist, ergibt sich aus (2) als Varianz des Portefeuilles σ^ = ( λ σ Ι + ( 1 - λ ) σ / Die Standardabweichung ist σ ρ = λσ χ + (1 - λ)σ γ Das durch die Standardabweichung gemessene Risiko des aus χ und y gebildeten Portefeuilles ist das gewogene arithmetische Mittel aus den Standardabweichungen von χ und y. Es ist nicht möglich, durch Bildung eines Portefeuilles das Risiko unter das Durchschnittsrisiko zu senken. In Abbildung 9.16 ist die Gerade AB der geometrische Ort aller Kombinationen von Standardabweichung und Erwartungswert (als Maß für die erwartete Rendite), die durch Bildung eines Portefeuilles erzielt werden können. Abb. 9.16

r

Β

Γι

0

Entscheidungen bei Unsicherheit

207

2. Fall: ρ < 1 Aus Gleichung (2) folgt: k, w, - k, > w2 Der Nettolohn nach Abzug der Kosten für Bildung muß also größer sein als der Lohn, den man erhält, wenn man darauf verzichtet, das Bildungsniveau y zu erreichen. Es muß andererseits so sein, daß bei der zweiten Gruppe die Kosten k2, die entstehen, üm das Bildungsniveau y zu erreichen, so hoch sind, daß für sie y kein lohnendes Ziel ist. Es muß gelten: w, - w2 < k2 w , - k 2 < w2 Das Bildungsniveau y ist also dann ein Signal, das glaubhaft vermittelt, daß nur die Arbeitnehmer, die y erreicht haben, Arbeitnehmer der ersten Gruppe sind, wenn gilt: w, - k, > w2 > w, - k2 Diese Bedingung ist notwendig, aber nicht hinreichend für ein sogenanntes trennendes Gleichgewicht (separating equilibrium). Wenn die Bedingung w, - k, > w2 erfüllt ist, so schließt das nicht aus, daß der Nettolohn w, - k„ den die Arbeitnehmer der Gruppe I erhalten, kleiner ist als der Durchschnittslohn w = α · π, + (1 - α) · Jt2 Wenn nun in der Ausgangssituation alle Arbeitnehmer den Durchschnittslohn w erhalten, lohnt es sich auch für die Arbeitnehmer der ersten Gruppe nicht, y zu realisieren, um den Lohn w, zu erhalten, wenn w,-k, < w

228

Entscheidungen bei Unsicherheit

ist. Auch für die Unternehmen ist es lohnend, statt der differenzierten Löhne w, und w2 den Arbeitnehmern einen für alle gleichen Lohn anzubieten, wenn w, - ^ < w ist. Damit der einheitliche Lohn für alle Arbeitnehmer vorteilhafter ist als die differenzierten Löhne, muß er größer als w, - k, sein. Wenn der einheitliche Lohn so festgesetzt wird, daß er größer als w, - k, und kleiner als w ist, stehen sich auch die Unternehmen besser, weil ihre durchschnittlichen Lohnkosten geringer sind als w = a · w, + (l - a ) w 2 Es ergibt sich ein sogenanntes nicht trennendes Gleichgewicht (pooling equilibrium). Langfristig wird der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt allerdings dazu führen, daß ein Durchschnittslohn w von allen Unternehmen gezahlt wird. In unserem Beispiel hat das Bildungsniveau keinen Einfluß auf die Produktivität der Arbeitnehmer. Die Ressourcen, die für die Bildung eingesetzt werden, werden verschwendet. Der Einsatz von Ressourcen für Bildung bewirkt lediglich, daß die Arbeitnehmer der ersten Gruppe einen höheren und die der zweiten Gruppe einen niedrigeren Lohn erhalten. Wenn w, - k! > w ist, stehen sich die Arbeitnehmer der ersten Gruppe beim trennenden Gleichgewicht besser. Dem steht aber ein Verlust der Arbeitnehmer der zweiten Gruppe gegenüber, da ihr Lohn von w auf w2 sinkt. Der Verlust der Arbeitnehmer der zweiten Gruppe ist insgesamt um den Betrag, der für Bildung aufgewendet wurde, größer als der Gewinn der Arbeitnehmer der ersten Gruppe. Anders gesagt: Ein Hochschulabschluß mag einzelwirtschaftlich lohnend sein, obwohl die Studenten für ihren Beruf nichts Nützliches gelernt haben, weil das Diplom ein Signal ist, durch das Informationen über ihre Qualifikation übermittelt wird, eine Qualifikation, die allerdings nicht durch das Studium erworben wurde. Gesamtwirtschaftlich werden Ressourcen verschwendet. Natürlich wird in der Realität, anders als in unserem Modell, durch Bildung und Ausbildung häufig die Produktivität erhöht. Die durch Bildungsabschlüsse mögliche Identifikation kann auch dazu führen, daß die richtigen Leute die richtigen Jobs erhalten. Das kann ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Produktivität in der Volkswirtschaft sein. 3.

Moralisches Wagnis (Moral Hazard)

Auf einem vollkommenen Versicherungsmarkt könnte der Versicherte sich gegen eine faire Prämie in beliebiger Höhe versichern. Er könnte den Betrag K, den er im Versicherungsfall von der Versicherung erhält, beliebig festsetzen und müßte eine Prämie von ρ · Κ zahlen. Tatsächlich ist der Betrag K, den der Versicherte im Schadensfall erhalten kann, in der Regel nicht höher als der Schaden L, der ihm entsteht. Der Eigentümer eines Fiat Panda kann keine Kaskoversicherung abschließen, bei der

Entscheidungen bei Unsicherheit

229

er im Schadensfall einen Betrag erhält, der es ihm ermöglicht, einen Porsche zu kaufen. Warum? Ein Grund ist das schon erläuterte Phänomen der negativen Auslese. Ein anderer Grund ist das mit moralischem Wagnis (moral hazard) bezeichnete Phänomen. Unter moralischem Wagnis versteht man die Verhaltensänderungen, die sich ergeben, weil Versicherungsschutz besteht. In unserem Beispiel müßte eine Versicherung, die diese Art der Überversicherung zuläßt, damit rechnen, daß ihre Zahlungsverpflichtungen drastisch zunehmen, weil die Zahl der Unfälle steigt, die fahrlässig, grob fahrlässig oder auch vorsätzlich herbeigeführt werden. Die Versicherung hätte nicht die Möglichkeit, die Versicherten hinreichend zu beobachten, um ein solches nicht erwünschtes Verhalten zu verhindern. Von moralischem Wagnis sprechen wir, wenn der Versicherte die Zahlungsverpflichtungen der Versicherung durch sein Verhalten beeinflussen kann und die Versicherung das Verhalten des Versicherten nicht beobachten und kontrollieren kann. Das Phänomen des moralischen Wagnisses ergibt sich also, weil die Informationen asymmetrisch verteilt sind. Während negative Auslese auftritt, weil bei asymmetrischer Information bestimmte Eigenschaften von Gütern oder Leistungen einer Marktseite verborgen sind (hidden characteristics), ergibt sich das moralisches Wagnis genannte Phänomen, weil bestimmte Handlungen nicht beobachtbar sind (hidden actions). Im Fall der verborgenen Eigenschaften geht es darum, die schlechter informierte Marktseite durch Signale glaubwürdig über die Qualität der Güter und Leistungen zu informieren, um das Phänomen der negativen Auslese zu vermeiden. Bei den nicht beobachtbaren Handlungen geht es darum, der besser informierten Marktseite die richtigen Anreize zu geben, um ein erwünschtes Verhalten zu bewirken. Moralisches Wagnis ist nicht auf den speziellen Fall der Versicherung im engeren Sinne beschränkt. Es wurde jedoch zuerst im Zusammenhang mit Versicherungen analysiert. Dabei lassen sich zwei Formen von "moral hazard" unterscheiden. Es gibt erstens den Fall, in dem das Ereignis, das eine Leistung der Versicherung auslöst, exogen ist, also nicht durch das Verhalten des Versicherten beeinflußt wird, der Versicherte aber den Umfang der Leistungen der Versicherung beeinflussen kann. Es gibt zweitens den Fall, bei dem der Versicherung genau definierte Kosten entstehen, falls der Versicherungsfall eintritt, der Versicherte aber die Wahrscheinlichkeit beeinflussen kann, mit der das Ereignis eintritt, das die Versicherung zu Leistungen verpflichtet. In beiden Fällen kann die Versicherung die Handlungen des Versicherten wegen der asymmetrischen Informationsverteilung nicht beobachten. a.

Der Umfang der Leistungen wird beeinflußt

Es soll zunächst am Beispiel der Krankenversicherung der Fall analysiert werden, in dem der Versicherte den Umfang der Versicherungsleistungen beeinflussen kann, während der Eintritt des Versicherungsfalles exogen ist. Wenn bei vollem Versicherungsschutz alle Krankheitskosten von der Versicherung bezahlt werden, ist der Preis der medizinischen Leistungen im Krankheitsfall Null. Natürlich werden die Leistungen nicht umsonst erbracht. Die Versicherten zahlen in Form von Prämien für die erbrachten Leistungen. Aber der einzelne weiß, daß die Höhe der Prämie, die er zahlt, nicht davon abhängt, in welchem Umfang er selbst die medizinischen Leistungen im Krankheitsfall in Anspruch nimmt.

230

Entscheidungen bei Unsicheiheit

Ohne Versicherung wird der einzelne im Fall der Krankheit bei gegebenen Einkommen, Präferenzen und Preisen einen bestimmten Betrag für medizinische Leistungen ausgeben. Die Menge der medizinischen Leistungen, die nachgefragt werden, ist um so größer, je niedriger der Preis ist. Diese Aussage wird mitunter bezweifelt. Doch sind die Zahl der Arztbesuche, die Menge und Art der Arzneimittel, die Dauer der Krankenhausaufenthalte und selbst die Art der chirurgischen Eingriffe in hohem Maße variierbar. Wenn im Krankheitsfall alle Kosten von der Versicherung bezahlt werden, ist es im Interesse des einzelnen Versicherten, die Nachfrage so auszudehnen, daß der Grenznutzen Null wird. In Abbildung 9.28 wird unterstellt, daß die Grenzkosten der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen konstant und gleich den Durchschnittskosten k sind. Wenn ohne Versicherungsschutz für die medizinischen Leistungen ein Preis in Höhe der Durchschnittskosten gezahlt werden muß, werden pro Periode x 0 Einheiten nachgefragt. Bei vollem Versicherungsschutz wird die Menge x, nachgefragt. Abb. 9.28

k

Ρ

Ν

χ, χ Der Wert der bei Versicherung zusätzlich nachgefragten Leistungen in Höhe von x, -x„ wird durch die Fläche unter der Nachfragekurve Ν zwischen Xo und x, gemessen. Er ist kleiner als die zusätzlichen Kosten in Höhe von k (x,-x 0 ). Wenn Kfl = k · x0 die Kosten der Leistungen sind, die nachgefragt werden, wenn kein Versicherungsschutz besteht, und K, = k · x, die Kosten der nachgefragten Leistungen bei Versicherungsschutz, muß bei vollem Versicherungsschutz eine zusätzliche Prämie von ρ · (K, - K0) gezahlt werden. Es wäre für die Versicherten besser, wenn sie die Nachfrage auf Xo beschränkten. Doch besteht für den einzelnen kein Anreiz, sich so zu verhalten. Es gibt infolge der Versicherung einen Konflikt zwischen individuellem und gesamtwirtschaftlich rationalem Verhalten. Dieser Konflikt kann durch die verschiedenen Formen der Selbstbeteiligung gemildert, aber nicht beseitigt werden. Selbstbeteiligung, die besser Direktbeteiligung genannt werden sollte, bedeutet natürlich nicht, daß die Versicherten einen Teil der Kosten selbst zu tragen haben, während bei vollem Versicherungsschutz alle Leistungen kostenlos sind. Tatsächlich zahlen die Versicherten für die erbrachten Leistungen immer selbst, entweder direkt oder indirekt in Form von Beiträgen zur Krankenversicherung. Auch ein gemeinsames Essen im Restaurant ist nicht deshalb kostenlos, weil die Rechnung auf alle Teilnehmer umgelegt wird.

Entscheidungen bei Unsicherheit

b.

231

Der Eintritt des Versicherungsfalls wird beeinflußt

Eine zweite Variante des moralischen Wagnisses ergibt sich, wenn der Versicherte durch sein Verhalten die Wahrscheinlichkeit beeinflussen kann, mit der der Versicherungsfall eintritt, ohne daß die Versicherung das Verhalten beobachten kann. Die Wahrscheinlichkeit, mit der der Versicherungsfall eintritt, mag von der nicht kontrollierbaren Sorgfalt und den Bemühungen des Versicherten abhängen, den Schadensfall zu vermeiden. Infolge des Versicherungsschutzes werden Vorkehrungen gegen Schadensfälle unterlassen, die ohne Versicherung ergriffen worden wären, oder es werden Risiken eingegangen, die sonst vermieden worden wären. Dabei sind ökonomisch die Grenzen zwischen fahrlässig bewirkten Schadensfällen, bewußt herbeigeführten oder auch nur vorgetäuschten Schadensfällen fließend. Der durch Fahrlässigkeit mitverursachte Diebstahl, die Brandstiftung an der eigenen Scheune, die vorgetäuschte Krankheit oder die vorgetäuschte Beraubung eines Juweliers haben gemeinsam, daß die Versichertengemeinschaft geschädigt wird. In Abbildung 9.29 wird auf der Abszisse das Maß an Sorgfalt (e) abgetragen, das der Versicherte aufwendet, um einen Schadensfall zu vermeiden. Die damit verbundenen Kosten werden in Geld bewertet. Die Kurve K'(e) gibt die Grenzkosten der Schadensvermeidung an, die dem Versicherten entstehen. Die Grenzvorteilskurve GV gibt an, wie hoch der Grenzvorteil für den Versicherten ist, der zusätzlichen Anstrengungen zu verdanken ist, den Schadensfall zu vermeiden. Der fallende Verlauf der Grenzvorteilskurve GV spiegelt wider, daß mit wachsenden Bemühungen, den Schadensfall zu vermeiden, der Erwartungswert des Schadens sinkt und zusätzliche Anstrengungen zu sinkenden marginalen Minderungen des erwarteten Schadens führen.

Ohne Versicherungsschutz ist es für den einzelnen am besten, das durch den Schnittpunkt der Grenzkostenkurve mit der Grenzvorteilskurve bestimmte Anstrengungsniveau e, zu realisieren. Bei vollständigem Versicherungsschutz, bei dem im Schadensfall die gesamten Kosten von der Versicherung getragen werden, besteht für den Versicherten kein Anreiz, die Kosten zu übernehmen, die mit den Bemühungen, den Schadensfall zu vermeiden, verbunden sind. Die Grenzvorteilskurve fällt bei vollem Versicherungsschutz mit der Abszisse zusammen. Die Grenzkosten der Schadensverhütung sind für beliebiges e > 0 größer als der Grenzvorteil. Es lohnt sich für

232

Entscheidungen bei Unsicherheit

den Versicherten nicht, irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, um die Wahrscheinlichkeit zu vermindern, daß der Schadensfall eintritt. Doch wenn auch dem Versicherten im Schadensfall keine Kosten entstehen, so muß doch die Versicherung den Schaden tragen. Die ursprüngliche Grenzvorteilskurve spiegelt die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Bemühungen wider, den Schadensfall zu vermeiden. Das gesamtwirtschaftlich optimale Niveau von e ist e,. Da bei vollem Versicherungsschutz e gleich Null ist, ergibt sich infolge des gesamtwirtschaftlich suboptimalen Niveaus von e ein Verlust in Höhe der in Abbildung 9.29 schraffierten Fläche. Die Versicherten tragen den Verlust, indem sie höhere Prämien zahlen. Sie stehen sich insgesamt schlechter als bei dem optimalen Niveau e,. Das Problem des moralischen Wagnisses tritt auf, weil den Versicherten durch den Versicherungsschutz der Anreiz genommen wird, sich zu bemühen, den Schadensfall zu vermeiden. Selbstbeteiligung ist eine Möglichkeit, das Problem zu mildern. Wenn zum Beispiel die Versicherung im Schadensfall nur einen bestimmten Prozentsatz des Schadens erstattet, hat der Versicherte einen Anreiz, sich zu bemühen, den Eintritt des Schadensfalls zu verhindern. Der Anreiz ist aber geringer als er es ohne Versicherungsschutz wäre.

In Abbildung 9.30 verläuft deshalb die Grenzvorteilskurve GV' bei partiellem Versicherungsschutz unterhalb von GV. Das Maß an Sorgfalt, das aufgewendet wird, um den Schadensfall zu verhindern, ist e?. Es ist kleiner als ohne Versicherungsschutz, aber größer als bei vollem Versicherungsschutz. c.

Andere Formen des moralischen Wagnisses

Die moralisches Wagnis genannte Erscheinung ist nicht auf Versicherungen im engeren Sinne beschränkt. Bei der sogenannten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kann der Arbeitgeber nicht hinreichend kontrollieren, ob die Arbeitnehmer, die sich krank melden, auch wirklich krank sind. Tatsächlich kann man die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall als Zwangsversicherung auffassen, für die die Arbeitnehmer Beiträge in Form niedrigerer Nettolöhne zahlen. Die Versicherten können durch ihr nicht kontrollierbares Verhalten den Eintritt des Versicherungsfalls selbst bestimmen.

Entscheidungen bei Unsicherheit

233

Moralisches Wagnis tritt auch auf, wenn Unternehmen der Rüstungsindustrie Aufträge erhalten, in denen ihnen zugesichert wird, daß der zu zahlende Preis die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe noch nicht bekannten Kosten der Produktion oder Entwicklung deckt. Da die Höhe der notwendigen Kosten durch den Auftraggeber nicht hinreichend kontrolliert werden kann, kann der Unternehmer die Höhe der vom Auftraggeber zu leistenden Zahlungen selbst bestimmen. Man kann ganz allgemein sagen, daß moralisches Wagnis auftritt, wenn ein Auftraggeber die Tätigkeit eines Beauftragten nicht beobachten kann und dieser durch sein Verhalten das Produktionsergebnis beeinflussen kann. Dieses Problem wird im vierten Abschnitt unter dem Stichwort "Der Prinzipal und sein Agent" genauer analysiert. d. Moralisches Wagnis und Reputation Das Problem des moralischen Wagnisses ergibt sich auch im Zusammenhang mit der schon erörterten Qualitätsunsicherheit. In unserer Analyse führte die asymmetrische Informationsverteilung zu negativer Auslese. Die Anbieter kannten die Qualität der angebotenen Waren, die Käufer nicht. Die Qualität war jedoch nicht Gegenstand der Manipulation durch die Anbieter. Moralisches Wagnis tritt auf, wenn die Hersteller die Qualität der angebotenen Waren bestimmen können. Tatsächlich mag die Fähigkeit der Hersteller, die Qualität der erzeugten Produkte variieren zu können, bei Qualitätsunsicherheit für die Hersteller selbst nachteilig sein. Wenn die Hersteller ihre Kosten senken können, indem sie Produkte minderer Qualität herstellen, werden die Käufer, die die Qualität der Produkte vor dem Kauf nicht beurteilen können, erwarten, daß die Hersteller dies tun. Die Hersteller können versuchen, durch Entwicklung einer Reputation dem entgegenzuwirken. Reputation entsteht, wenn die Konsumenten ein Gut wiederholt kaufen und aus Erfahrung lernen, daß die Qualität gut ist. Doch wenn die Unternehmen die Möglichkeit haben, die Qualität der Produkte im Zeitablauf zu verändern, ist es nicht sicher, daß die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen ein guter Indikator für die Qualität der heute angebotenen Produkte sind. Wenn allerdings ein Hersteller, der bisher Produkte guter Qualität angeboten hat, versucht, seinen Gewinn zu erhöhen, indem er die Qualität senkt, werden die enttäuschten Käufer daraus den Schluß ziehen, daß das Unternehmen auch in der Zukunft qualitativ schlechte Produkte anbieten wird. Die Reputation wird aufs Spiel gesetzt. Damit aber der drohende Reputationsverlust die Unternehmen davon abhält, durch Qualitätsminderung den heutigen Gewinn zu erhöhen, müssen die Güter in der Zukunft zu einem Preis verkauft werden, der die Grenzkosten übersteigt. Die Gefahr eines Reputationsverlusts verhindert nur dann eine Qualitätsminderung, wenn die Reputation es dem Unternehmen erlaubt, Gewinne bei zukünftigen Verkäufen zu erzielen. Auch bei Wettbewerb ergibt sich dann kein Gleichgewicht, bei dem der Preis des Gutes gleich den Grenzkosten ist. 4.

Der "Prinzipal" und sein "Agent"

Wenn ein Versicherter durch sein Verhalten die Wahrscheinlichkeit beeinflussen kann, mit der der Schadensfall eintritt, hängen die Zahlungsverpflichtungen der Versicherung vom Zufall und vom Verhalten des Versicherten ab.

234

Entscheidungen bei Unsicherheit

In ganz analoger Weise mag das Ergebnis der Tätigkeit eines Beauftragten (engl.: agent) vom Zufall und dem Fleiß, der Sorgfalt und Gründlichkeit abhängen, mit der dieser für seinen Auftraggeber oder Prinzipal (engl.: principal) Leistungen erbringt. Man spricht von einer "Principal-Agent-Beziehung", wenn ein oder mehrere Prinzipale Leistungen von einem oder mehreren Beauftragten erbringen lassen, die ihren Entscheidungsspielraum nutzen können, um eigene Interessen zu verfolgen, die nicht die Interessen der Prinzipale zu sein brauchen. Ein "Principal-Agent-Problem" ergibt sich, wenn der Prinzipal das Verhalten des Beauftragten nicht beobachten und kontrollieren kann. Es soll im folgenden angenommen werden, daß der Prinzipal auch ex post nur das Ergebnis der Tätigkeit des Beauftragten kennt. Er kann das Ausmaß der Anstrengungen des Beauftragten nicht beobachten. Der erwartete Gewinn Gdes Prinzipals ist eine Funktion des Anstrengungsniveaus e und des Zufalls ε. Es ist G = f(e, ε). Da das Verhalten des Beauftragten nicht beobachtbar ist, hat dieser keinen Anreiz, sich anzustrengen, wenn er ein sicheres Einkommen erhält, das vom realisierten Produktionsergebnis R unabhängig ist. Wenn der Prinzipal und der Beauftragte risikoneutral sind, ist es für den Prinzipal am besten,_den Beauftragten, von dessen nicht beobachtbarem Verhalten der Erwartungswert R des Produktionsergebnisses abhängt, das gesamte Risiko tragen zu lassen. Der Prinzipal erhält ein festes Einkommen, der Beauftragte wird Residualeinkommensbezieher. Der Beauftragte erhält so den optimalen Anreiz, sich anzustrengen. Der Beauftragte wird die Differenz aus dem Erwartungswert des Produktionsergebnisses (der eine Funktion von e ist) und den in Geld bewerteten Kosten des Arbeitsleids (die ebenfalls eine Funktion von e sind) maximieren. Wenn also die Größe eines Kuchens vom Zufall und von den Anstrengungen des Beauftragten abhängt, kann der Prinzipal Ρ sicherstellen, daß der Beauftragte Β eine für beide insgesamt optimale Wahl von e trifft, wenn er den Kuchen vor der Fertigstellung an Β verkauft, so daß Β Residualeinkommensbezieher wird, der das gesamte Risiko trägt. Häufig wird allerdings der Beauftragte nicht risikoneutral, sondern risikoscheu sein, während der Prinzipal weniger risikoscheu oder gar risikoneutral ist. Das mag zum Beispiel deshalb so sein, weil der Prinzipal als Aktionär sein Risiko durch Diversifikation mindern oder gar eliminieren kann. Es soll deshalb im folgenden angenommen werden, daß der Prinzipal risikoneutral, der Beauftragte dagegen risikoscheu ist. Die Risikoscheu des Beauftragten bedeutet, daß dieser vom Prinzipal für die subjektiven Risikokosten entschädigt werden muß, wenn er einen Teil oder das gesamte Risiko trägt. Bei dem risikoneutralen Prinzipal entstehen dagegen auch dann keine Risikokosten, wenn der Prinzipal das gesamte Risiko trägt. Wenn der Erwartungswert der Produktion nicht vom Verhalten des Beauftragten abhinge, wäre es in der Tat am besten, wenn der Prinzipal das gesamte Risiko trüge und der Beauftragte ein vom Zustand der Welt unabhängiges sicheres Einkommen erhielte. Diese These soll mit Hilfe von Abbildung 9.31 bewiesen werden. Es wird angenommen, daß es zwei Zustände der Welt gibt. Beim Zustand z, ist das Produktionsergebnis R,. Es wird in Abbildung 9.31 durch die Länge von OQ gemessen. Beim Zustand Zj ist das Ergebnis R 2 = O'Q. Das sichere Einkommen w„, das der Beauftragte bei alternativer Beschäftigung erhält, wird in Abbildung 9.31 durch die Koordinaten von S gemessen.

235

Entscheidungen bei Unsicherheit

0·(Ρ)

Abb. 9.31

0(B)

w.ο

Q

Die Indifferenzkurven des Beauftragten Β sind der geometrische Ort aller Kombinationen von Einkommensansprüchen bei alternativen Zuständen der Welt, die den gleichen Erwartungsnutzen repräsentieren. Sie sind konvex zum Ursprung 0, da Β risikoscheu ist. Die Indifferenzkurven des Prinzipals Ρ werden von 0'(P) aus abgetragen. Sie sind Kombinationen von Einkommensansprüchen mit gleichem Erwartungswert. Weil Ρ risikoneutral ist, verlaufen sie linear mit der Steigung -p/l-p. Betrachten wir die Verteilung der Einkommensansprüche in C. Der Prinzipal ist in C auf der Indifferenzkurve l'P, der Beauftragte auf der Indifferenzkurve I2B. Man erkennt leicht, daß es von C ausgehend möglich ist, den Erwartungsnutzen des Ρ zu erhöhen, ohne daß der Erwartungsnutzen des Β sinkt. Wählt man nämlich statt der durch C repräsentierten Verteilung von Einkommensansprüchen die dem Punkt S entsprechende Verteilung, erhöht sich der Erwartungsnutzen des P, ohne daß der erwartete Nutzen des Β sinkt. S ist ein Punkt, in dem eine Indifferenzkurve des Ρ eine Indifferenzkurve des Β tangiert. Man ersieht aus Abbildung 9.31, daß es von S aus nicht mehr möglich ist, den Erwartungsnutzen eines der beiden Partner zu erhöhen, ohne daß der Erwartungsnutzen des anderen sinkt. In diesem Sinne ist in S eine Verteilung des Risikos gegeben, die optimal ist. Man nennt eine solche Verteilung paretooptimal. In S sind die Steigungen der Indifferenzkurven gleich. Die Steigung der Indifferenzkurve des Ρ ist Ρ 1-p Die Steigung der Indifferenzkurve des Β ist -pU'(x,) (l-p)U'(x 2 )

Entscheidungen bei Unsicherheit

236

Es sind U'(x,) und U ^ x J die Grenznutzen des Einkommens bei Zustand 1 und Zustand 2. Wenn der Nutzen zustandsunabhängig ist, ist bei konkaver Nutzenfunktion des Β die Steigung nur dann gleich -p/l-p, wenn Xj = x 2 ist. Die Verteilung des Risikos auf Β und Ρ ist also nur dann optimal, wenn der Beauftragte bei alternativen Zuständen der Welt stets das gleiche Einkommen erhält. In S erhält er ein sicheres Einkommen, das so hoch ist wie der Lohn w„, den er bei alternativer Beschäftigung erhält und den der Prinzipal ihm mindestens zahlen muß, damit Β bereit ist, für den Prinzipal zu arbeiten. Das Ergebnis läßt sich auch algebraisch ableiten. Der erwartete Nutzen des Prinzipals ist um so größer, je größer sein erwarteter Gewinn ist. Der erwartete Gewinn ist G = p(R1-w,) + ( l - p ) ( R 2 - w 2 ) Es sind w, und w 2 die Löhne, die er bei den alternativen Zuständen der Welt z, und Zj zahlt. Bezeichnen wir mit U 0 den Nutzen des sicheren Einkommens w^ den der Beauftragte erhält, wenn er nicht für den Prinzipal arbeitet, muß der Prinzipal solche Löhne zahlen, daß der Erwartungsnutzen des Beauftragten mindestens gleich U 0 ist. Es gilt: P U(w,)

+ (1 - p)U( W2 ) > U0 = U(w0)

Der Prinzipal setzt die Löhne so fest, daß sein Gewinn maximiert wird. Wenn man die Lagrangefunktion bildet, erhält man: L = p ( R , - w , ) + (l - p ) ( R 2 - W j ) + X[pU(w,) + (1 - p ) U ( W 2 ) - U 0 ] Wenn man partiell nach w, und w 2 ableitet und die Ableitungen gleich Null setzt, erhält man: = ^

+ XpU'(w,) = 0 ^ U'(w,) = i

= - ( 1 - ρ ) + λ(1 - p)U'(w2) = 0=φ U'(wj) = i

Aus U'(w,) = l/λ und U ' i w ^ = l / λ folgt, daß U'(w,) = U'(w 2 ) ist. Bei streng konkaver Nutzenfunktion und zustandsunabhängigem Nutzen ist U ^ w J nur dann gleich U'(w 2 ), wenn w, gleich w 2 ist. Der Erwartungsnutzen des Prinzipals wird also nur dann maximiert, wenn dem Beauftragten bei allen Zuständen der Welt der gleiche Lohn gezahlt wird. Der Beauftragte erhält das sichere Einkommen, der Prinzipal trägt das gesamte Risiko. Wenn also das nicht beobachtbare Verhalten des Beauftragten keinen Einfluß auf das Produktionsergebnis R hätte, sollte dem risikoscheuen Beauftragten ein sicheres Einkommen von w0 gezahlt werden.

Entscheidungen bei Unsicheiheit

237

Das eigentliche Principal-Agent-Problem ergibt sich jedoch gerade dann, wenn der Erwartungswert des Produktionsergebnisses vom Verhalten des risikoscheuen Beauftragten abhängt,_der Prinzipal das Verhalten aber nicht beobachten kann. Der Erwartungswert R_ist dann eine Funktion des Niveaus der Anstrengung e und des Zufalls ε. Es ist R = f(e, ε). Um das komplexe Problem zu vereinfachen, soll angenommen werden, daß es nur zwei Niveaus der Anstrengung des Beauftragten gibt, das niedrigere Niveau e und das höhere Niveau e'. Bei dem niedrigeren Anstrengungsniveau e ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Produktionsergebnis R, ist, gleich ρ und die Wahrscheinlichkeit, daß sich R 2 ergibt, gleich (1 - p). Bei dem höheren Anstrengungsniveau e* sind die Wahrscheinlichkeiten von R, und R 2 gleich q und (1 - q). Es ist R, > R2 und q! >p,. Bei dem höheren Niveau der Anstrengung ist also die Wahrscheinlichkeit größer, daß das bessere Produktionsergebnis R, realisiert wird. Die Annahmen werden in der folgenden Tabelle zusammengefaßt: z, e e'

Ίp

1-p 1-q

R,>R2 Die größeren Anstrengungen beim Niveau e' sind für den Beauftragten mit zusätzlichem Arbeitsleid verbunden. Das monetär bewertete Arbeitsleid sei bei dem Anstrengungsniveau e' um a größer als bei dem Niveau e. Der Nutzen des Beauftragten sei U(w) beim Niveau e und U(w - a) beim Niveau e'. Bei alternativer Beschäftigung erzielt er den Lohn w0; der Nutzen ist U(w„). Damit es sich für den Beauftragten lohnt, auf dem Anstrengungsniveau e' für den Prinzipal zu arbeiten, muß der erwartete Nutzen mindestens U(w0) sein. Es muß gelten: qU(w,-a) + (l -q)U(w 2 -a)>U(w 0 ) = U0 Man nennt dies auch die Restriktion, deren Erfüllung die Partizipation des Beauftragten gewährleistet. Wenn die Restriktion bindend ist und somit als Gleichung erfüllt ist, gilt: qU(w, - a) + (1 - q)U(w2 - a) = U(w0) = U0 Der erwartete Nettolohn w„ ist wn = q(w, - a) + (1 - q) (w2 - a) = qw, + (1 - q)w2 - a Die erwarteten Lohnkosten des Prinzipals sind gleich dem erwarteten Bruttolohn w = qw, + (l-q)w 2

238

Entscheidungen bei Unsicherheit

Es ist w„ = w - a. Bei konkaver Nutzenfunktion muß der erwartete Nettolohn um die subjektiven Risikokosten des Beauftragten größer als w 0 sein. Die erwarteten Lohnkosten des Prinzipals sind dann um die subjektiven Risikokosten des Beauftragten größer als w0 + a. Das läßt sich mit Hilfe von Abbildung 9.32 zeigen.

Der erwartete Nutzen qU(w t - a) + (1 - q)U(w 2 - a) muß mindestens gleich U0 sein. Abbildung 9.32 zeigt, daß diese Bedingung nur erfüllt ist, wenn der erwartete Nettolohn mindestens gleich w„ ist. Der erwartete Nettolohn muß mindestens um die Risikokosten größer als w 0 sein. Die erwarteten Lohnkosten des Prinzipals sind mindestens wn + a = w. Sie sind in Abbildung 9.32 um w„ - w 0 = w - (w0 + a) größer als die Lohnkosten, die entstünden, wenn der Prinzipal dem Beauftragten keine Risikoprämie als Entgelt für die Risikokosten zahlen müßte. Die Erfüllung der Partizipationsrestriktion qU(w, - a) + (1 - q)U(w2 - a) > U(w0) = U0 stellt nur sicher, daß es sich für den Beauftragten lohnt, für den Prinzipal tätig zu sein. Sie gewährleistet aber noch nicht, daß der Beauftragte tatsächlich auf dem Niveau e' arbeitet. Um dies zu bewirken, muß es für den Beauftragten, dessen Anstrengungsniveau vom Prinzipal nicht beobachtet werden kann, lohnender sein, auf dem Niveau e' statt auf dem Niveau e tätig zu sein. Der erwartete Nutzen des Beauftragten muß bei e' größer sein als bei e. Es muß zusätzlich die Restriktion qU(w, - a) + (1 - q)U(w2 - a) > pU(w.) + (1 - p)U(W2) erfüllt sein. Man bezeichnet diese Restriktion auch als die Beschränkung, die die Anreizkompatibilität gewährleistet. Wenn der Prinzipal die Löhne so festsetzen kann, daß beide Bedingungen erfüllt sind, bedeutet dies allerdings noch nicht, daß es sich für ihn lohnt, so zu verfahren. Die Strategie ist für den Prinzipal nur lohnend, wenn die Bedingung

Entscheidungen bei Unsicherheit

q(R, - w,) + (1 - q) (R2 -

W2 )

239

> ρ · (R, - w0) + (1 - p) (R2 - w0)

erfüllt ist. Selbst wenn es bei beobachtbarem Verhalten des Beauftragten für den Prinzipal lohnend ist, statt des Lohns w 0 den Lohn w0 + a zu zahlen, damit der Beauftragte auf dem Niveau e' arbeitet, braucht die Bedingung nicht erfüllt zu sein, weil die erwarteten Lohnkosten w = qw, + ( l - q ) w 2 um die Risikokosten des Beauftragten größer als w 0 + a sind. Literaturhinweise zum neunten Kapitel Richard Layard und Alan A. Walters. Microeconomic Theory. New York 1978. Dreizehntes Kapitel: Uncertainty, S. 351 - 390. Hugh Gravelle und Ray Rees. Microeconomics. London-New York 1986. Neunzehntes Kapitel: Choice under Uncertainty, S. 536 - 567. Robert S. Pindyck und David L. Rubinfeld. Microeconomics. New York-London 1989. Fünftes Kapitel: Choice under Uncertainty, S. 133 - 1 6 1 und siebzehntes Kapitel: Markets with Asymmetrie Information, S. 591 - 616. Hal R. Varian. Grundzüge der MikroÖkonomik, München-Wien 1989. Zweiunddreißigstes Kapitel: Information, S. 565 - 581. Jürgen Franke. Grundzüge der MikroÖkonomik. Fünfte Auflage, München-Wien 1992. Zweites Kapitel, IV: Das Verhalten bei Unsicherheit, S. 90 - 104. Walter Nicholson. Microeconomic Theory. Vierte Auflage, Chicago u.a. 1989. Neuntes Kapitel: Choice in Uncertain Situations, S. 237 - 266. Jack Hirshleifer und John G. Riley. The Analytics of Uncertainty and Information: An expository Survey. Journal of Economic Literature 17(1979), S. 1375 - 1421. Jack Hirshleifer. The Investment Decision under Uncertainty: Choice Theoretic Approaches. Quarterly Journal of Economics 79(1965), S. 509 - 536. George A. Akerlof. The Market for "Lemons": Qualitative Uncertainty and the Market Mechanism. Quarterly Journal of Economics 84(1970), S. 488 - 500. Michael A. Spence. Job Market Signaling. Quarterly Journal of Economics 87(1973), S. 355 - 374. Benjamin Klein und Keith B. Leffler. The Role of Market Forces in Assuring Contractual Performance. Journal of Political Economy 89(1981), S. 615 - 641. Phillip Nelson. Advertising as Information. Journal of Political Economy 81(1974), S. 729 - 754.

Zweiter Teil: Theorie des U n t e r n e h m e n s Zehntes Kapitel Die Produktionsfunktion A. Die Produktionsfunktion und die Art ihrer Darstellung 1.

Der Begriff der Produktionsfunktion

Die Produktionsbedingungen in den Unternehmen werden durch die Produktionsfunktion ausgedrückt. Die Produktionsfunktion gibt an, welche Gütermengen bei alternativen Einsatzmengen der Produktionsfaktoren sowie bei gegebenem Stand des technischen und organisatorischen Wissens maximal hergestellt werden können. Es handelt sich bei der Produktionsfunktion um eine rein technische Beziehung zwischen Mengen von Inputs und dem Output. Das komplexe Problem zu bestimmen, wie mit gegebenen Faktormengen ein möglichst hoher Output hergestellt werden kann, wird als gelöst unterstellt. Produktionsverfahren, bei denen mit gegebenen Faktormengen nicht der maximale Output hergestellt wird, werden als ineffiziente Produktionsverfahren durch die Produktionsfunktion nicht abgebildet. Häufig wird die Produktionsfunktion anders definiert. Man sagt: Die Produktionsfunktion gibt an, welche Faktormengen mindestens eingesetzt werden müssen, um einen bestimmten Output zu erzeugen. Wenn die Einsatzmenge eines Faktors bei konstanter Einsatzmenge der anderen Faktoren gesenkt werden kann, ohne daß die Produktionsmenge sinkt, liegt eine ineffiziente Faktorkombination vor, die nach dieser engeren Definition, durch die Produktionsfunktion nicht abgebildet wird. Nur effiziente Faktorkombinationen werden als Argumente der Produktionsfunktion zugelassen. Ineffiziente Faktorkombinationen werden ausgeschlossen. Die zuletzt genannte engere Definition der Produktionsfunktion soll im folgenden nicht verwendet werden. Die von uns verwendete Definition, nach der durch die Produktionsfunktion alle Produktionsverfahren abgebildet werden, bei denen mit gegebenen Faktormengen ein maximaler Output erstellt wird, schließt alle ineffizienten Produktionsverfahren aus. Ein Produktionsverfahren kann effizient sein, obwohl die Faktorkombination ineffizient ist. Ineffiziente Faktorkombinationen werden bei der von uns gewählten Definition der Produktionsfunktion nicht ausgeschlossen, weil kurzfristig die Einsatzmenge bestimmter Faktoren aus organisatorischen Gründen mitunter nicht reduziert werden kann, so daß eine zu große Menge eines Faktors eingesetzt werden muß. Wenn die im Überschuß verfügbare Menge keinen positiven oder gar einen negativen Einfluß auf die erzeugte Menge hat, liegt eine ineffiziente Faktorkombination vor. Auch in diesem Fall fragt es sich, wie groß der Output ist, der mit vorgegebenen Faktormengen maximal produziert werden kann. 2.

Arten der Darstellung der Produktionsfunktion

Die Produktionsfunktion läßt sich durch eine mathematische Funktion

242

Die Produktionsfunktion

χ = f (ν„

Vj, ...,

vn)

darstellen. In dieser Funktion sind v„ v 2 ,..., vn die Einsatzmengen der Faktoren 1,2, ..., η; χ gibt den Output an, der maximal mit alternativen Mengen der Faktoren hergestellt werden kann. Im Zweifaktorenmodell, das meistens benutzt wird, lautet die Produktionsfunktion x = f(vi, v2) Im Zweifaktorenmodell läßt sich die Produktionsfunktion auch tabellarisch darstellen. V2 6

0

2,4

3,5

4,2

4,9

5,5

6

5

0

2,2

3,2

3,9

4,5

5

5,5

4

0

2

2,8

3,5

4

4,5

4,9

3

0

1,7

2,4

3

3,5

3,9

4,2

2

0

1,4

2

2,4

2,8

3,2

3,5

1

0

1

1,4

1,7

2

2,2

2,4

0

0

0

0

0

0

0

0

0

1

2

3

4

5

6

Die Tabelle zeigt, wie groß die maximale Menge ist, die bei alternativen Einsatzmengen der Faktoren 1 und 2 jeweils hergestellt werden kann. Tatsächlich stellt die Tabelle nur einen Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

dar. Aus der Tabelle ersieht man, daß der gleiche Output mit verschiedenen Faktorkombinationen hergestellt werden kann. So kann man zum Beispiel mit einer Einheit des ersten Faktors und sechs Einheiten des zweiten Faktores 2,4 Einheiten von X herstellen. Die gleiche Menge kann auch mit drei Einheiten des zweiten und zwei Einheiten des ersten Faktors oder mit zwei Einheiten des zweiten und drei Einheiten des ersten Faktors erzeugt werden. Auch wenn sechs Einheiten des ersten Faktors und eine Einheit des zweiten Faktors eingesetzt werden, können 2,4 Einheiten von X hergestellt werden. Bei beliebiger Teilbarkeit der Faktoren lassen sich viele zusätzliche Faktorkombinationen bestimmen, mit denen die gleiche Produktionsmenge hergestellt werden kann. In Abbildung 10.1 sind alle Punkte in der v, - v2 Fläche verbunden, die Faktorkombinationen repräsentieren, mit deren Hilfe x, Einheiten des Gutes X hergestellt werden können. Man nennt die sich ergebende Kurve eine Isoquante. Eine Isoquante ist also der geometrische Ort aller Faktorkombinationen, mit denen die gleiche Produktionsmenge erzeugt werden kann.

243

Die Produktionsfunktion

Abb. 10.1

χ 0

ν

In Abbildung 10.1 nähert sich die Isoquante asymptotisch den Achsen. Die Produktionsfaktoren können kontinuierlich substituiert werden. Der graphische Ausdruck der Produktionsfunktion ist ein Isoquantenfeld, wie es Abbildung 10.2 zeigt. Abb. 10.2

v2

χ 0

ν

Weiter vom Ursprung entfernt liegende Isoquanten repräsentieren ein höheres Produktionsniveau. 3.

Grenzproduktivität, Grenzertrag und die Grenzrate der technischen Substitution

Wenn die Einsatzmenge eines Faktors bei konstanter Einsatzmenge der anderen Faktoren erhöht wird, wird in der Regel die Produktionsmenge steigen. Bezieht man den zusätzlichen Output auf die zusätzliche Faktormenge, erhält man den Grenzertrag oder das Grenzprodukt des Faktors, dessen Einsatzmenge erhöht wird. In der deutschen Literatur wird die Produktionsänderung pro zusätzlicher Einheit eines Produktionsfaktors allerdings meistens als Grenzproduktivität bezeichnet. Geht man von der Produktionsfunktion

244

Die Produktionsfunktion

x = f(v„ ν 2 ,..., vn) aus, so ergibt sich die Grenzproduktivität des ersten Faktors als partielle Ableitung der Produktionsfunktion nach der Einsatzmenge des ersten Faktors. = Grenzproduktivität des ersten Faktors Unter Grenzprodukt oder Grenzertrag versteht man dagegen in der deutschen Literatur meistens die Produktionszunahme, die sich ergibt, wenn der Einsatz eines Produktionsfaktors um einen kleinen Betrag dv erhöht wird. Das Grenzprodukt (der Grenzertrag) ist nach dieser sprachlichen Konvention gleich dem partiellen Differential. dx = — · dv, = Grenzprodukt des ersten Faktors Fragt man, wie sich die Produktionsmenge ändert, wenn die Einsatzmenge des ersten Faktors um eine Einheit erhöht wird, setzt man also dv, = 1, so sind das Grenzprodukt und die Grenzproduktivität numerisch gleich groß. Die Begriffe unterscheiden sich allerdings in bezug auf die Dimension. Die Grenzproduktivität hat die Dimension "Output pro Faktoreinheit"; das Grenzprodukt hat die Dimension "Output". Dividiert man die Gleichung dx =

OVj

• dv.

durch dv„ erhält man dx _ δχ dv] δν. Die Grenzproduktivität läßt sich also als Quotient aus der Mengenänderung des Outputs und der Änderung der Faktormenge auffassen. Die Grenzproduktivität ist die Produktionsänderung pro zusätzlicher Einheit eines Produktionsfaktors. In der angelsächsischen Literatur wird die Veränderung der Produktionsmenge pro zusätzlicher Faktoreinheit als marginal product (Grenzprodukt) bezeichnet. Der Begriff marginal productivity (Grenzproduktivität) wird nur ausnahmsweise verwendet. Auch in der deutschen Literatur werden die völlig analogen Begriffe Grenznutzen, Grenzerlös, Grenzkosten als erste Ableitung definiert. Man unterscheidet nicht zwischen Grenznützlichkeit und Grenznutzen. Deshalb soll hier dem angelsächischen Sprachgebrauch gefolgt werden. Die Begriffe Grenzproduktivität, Grenzertrag und Grenzprodukt werden synonym verwendet für die erste Ableitung. Es ist also

Die Produktionsfunktion

245

δχ

^ = Grenzprodukt Wenn ausnahmsweise das partielle Differential gemeint ist, kann dies leicht durch entsprechende Hinweise deutlich gemacht werden. Im folgenden wird die erste partielle Ableitung nach der Einsatzmenge eines Faktors häufig auch als f, geschrieben. Es ist δχ δχ δχ δν^ ~~ ' δν^ ~~ ' δν^ ~~ In Analogie zur Haushaltstheorie nennt man die negative Steigung einer Isoquante in einem Punkt die Grenzrate der technischen Substitution von Faktor 2 durch Faktor 1 (TGRS21). Die Grenzrate der technischen Substitution von Faktor 2 durch Faktor 1 gibt an, auf wieviel Einheiten des zweiten Faktors maximal verzichtet werden kann, ohne daß sich die produzierte Menge ändert, wenn die Einsatzmenge des ersten Faktors um eine Einheit erhöht wird. Δν, dv, T G R S , , = - lim —• = — r I * av-»oAvr dV] Abb. 10.3

In Abbildung 10.3 wird die Grenzrate der technischen Substitution in Ρ durch tan α gemessen. Bildet man, ausgehend von der Produktionsfunktion x = f(v„v 2 ) das totale Differential, erhält man:

246

Die Produktionsfunktion

2

oder dx = f,dv, + fjdv.'2 Bewegt man sich auf einer Isoquante, ändert sich der Output nicht. Es ist dx = 0. f,dV[ + f 2 dv 2 = 0

f 2 dv 2 = -f,dv dVj_f, dv, ~T2 Der Ausdruck auf der linken Seite ist die Grenzrate der technischen Substitution von Faktor 2 durch Faktor 1. Die letzte Gleichung besagt also, daß die Grenzrate der technischen Substitution von Faktor 2 durch Faktor 1 gleich dem Quotienten aus dem Grenzertrag des ersten Faktors und dem Grenzertrag des zweiten Faktors ist. Man sagt auch: Die Grenzrate der technischen Substitution ist gleich dem reziproken Grenzproduktverhältnis. 4.

Klassifikation der Produktionsfunktionen

Die Produktionsfunktionen lassen sich nach der Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren klassifizieren. Im Extremfall können die Produktionsfaktoren gar nicht substituiert werden. Um eine bestimmte Menge eines Gutes herzustellen, benötigt man eine genau bestimmte Mindestmenge von allen Faktoren. Es ist nicht möglich, den Mindereinsatz eines Faktors durch den Mehreinsatz anderer Faktoren zu kompensieren. Man nennt diese Produktionsfunktionen limitational. Bei der sogenannten Programmierungsproduktionsfunktion gibt es mehrere Produktionsprozesse, die sich jeweils durch das Mengenverhältnis unterscheiden, in dem die Faktoren eingesetzt werden müssen. Es ist zwar im Rahmen eines bestimmten Produktionsprozesses nicht möglich, einen Faktor durch einen anderen zu substituieren. Man kann aber durch Kombination der verschiedenen Produktionsprozesse die Faktoren substituieren. Es ist schließlich möglich, daß die Produktionsfaktoren kontinuierlich substituiert werden können. Das Isoquantenfeld als graphischer Ausdruck der Produktionsfunktion weist dann konvex zum Ursprung verlaufende Isoquanten auf, wie sie in Abbildung 10.2 dargestellt wurden. B. Limitationale Produktionsfunktionen Limitationale Produktionsfunktionen sind dadurch charakterisiert, daß ein Faktor nicht durch einen anderen substituiert werden kann. Um eine bestimmte Menge mit einer effizienten Faktorkombination herstellen zu können, müssen die Faktoren in

Die Produktionsfunktion

247

einem bestimmten Mengenverhältnis eingesetzt werden. Versteht man unter einem Produktionsprozeß ein Produktionsverfahren, das durch ein bestimmtes Faktoreinsatzverhältnis charakterisiert ist, kann man auch formulieren: Bei limitationalen Produktionsfunktionen gibt es nur einen einzigen effizienten Produktionsprozeß. In einem Zweifaktorenmodell bedeutet dies, daß eine genau bestimmte Menge der Faktoren 1 und 2 benötigt wird, um eine bestimmte Menge von X mit einer effizienten Faktorkombination herzustellen. In Abbildung 10.4 sind mindestens die Mengen OA des ersten Faktors und OB des zweiten Faktors erforderlich, um x, Einheiten von X herzustellen. Ρ ist der Produktionspunkt, der eine effiziente Faktorkombination darstellt. Abb. 10.4

*

Wenn man sich von Ρ ausgehend nach rechts parallel zur ν,-Achse bewegt, also bei konstanter Einsatzmenge OB des zweiten Faktors die Einsatzmenge des ersten Faktors erhöht, bleibt die Produktion konstant. Die Menge OB des zweiten Faktors limitiert die Menge, die hergestellt werden kann. In gleicher Weise limitiert die Menge OA des ersten Faktors die Menge, die erzeugt werden kann, wenn man die Einsatzmenge des zweiten Faktors erhöht. Deshalb nennt man die Produktionsfunktion limitational. Die Isoquanten einer limitationalen Produktionsfunktion verlaufen wie in Abbildung 10.4 dargestellt rechtwinklig. Nur Ρ ist eine effiziente Faktorkombination. Wenn eine größere Menge als X! produziert werden soll, muß von beiden Faktoren eine größere Menge eingesetzt werden als in P. Der geometrische Ort aller Faktorkombinationen, mit denen man eine bestimmte Menge x 2 > x, herstellen kann, ist eine rechtwinklig verlaufende Isoquante, die weiter vom Ursprung entfernt ist als x,. Im allgemeinen unterstellt man, daß die Eckpunkte der Isoquanten auf einer Ursprungsgeraden liegen. Man nimmt also an, daß sich das Verhältnis, in dem bei effizienter Faktorkombination die Faktoren eingesetzt werden müssen, bei Variation der Ausbringungsmenge nicht ändert. Man unterstellt in der Regel außerdem, daß sich das Verhältnis aus Faktoreinsatzmenge und Ausbringungsmenge nicht ändert, wenn die Ausbringungsmenge variiert wird. Eine Verdoppelung aller Inputs führt also zu einer Verdoppelung des Outputs. Produktionsfunktionen mit diesen Eigenschaften nennt man linear-Iimitational. Wir werden ausschließlich solche linearlimitationalen Produktionsfunktionen betrachten.

248

Die Produktionsfunktion

In Abbildung 10.S wird das Isoquantenfeld einer linear-limitationalen Produktionsfunktion dargestellt. Abb. 10.5

v2i

Der geometrische Ort aller effizienten Faktorkombinationen ist eine Ursprungsgerade. Der Output steigt bei effizientem Faktoreinsatz proportional zur Einsatzmenge der beiden Faktoren. Bildet man den Quotienten aus den effizienten Faktoreinsatzmengen der Faktoren 1 und 2 und dem Output, erhält man Vi

— = a, χ

.

und

V2

— = a, χ

Man bezeichnet a, und a 2 als Produktionskoeffizienten1. Sie geben an, wieviel Einheiten der Faktoren 1 und 2 pro Einheit von X eingesetzt werden müssen. Wenn zum Beispiel mindestens zehn Einheiten von Faktor 1 und fünf Einheiten von Faktor 2 eingesetzt werden müssen, um zwanzig Einheiten von X herzustellen, ist a, = 0,5 und a 2 = 0,25. Wenn die Produktionsfunktion linear-limitational ist, so ist die Menge, die von einem Faktor pro Ausbringungseinheit eingesetzt werden muß, von der Ausbringungsmenge unabhängig. Eine linear-limitationale Produktionsfunktion ist also eine Produktionsfunktion mit konstanten Produktionskoeffizienten. Mit Hilfe der Produktionskoeffizienten läßt sich auch angeben, welche Mengen der Faktoren mindestens eingesetzt werden müssen, um alternative Outputs herzustellen. Es ist Vj = a,x

1

und

v2 = a ^

Die Kehrwerte 1/a, und 1/% sind die Faktorproduktivitäten.

Die Produktionsfunktion

249

Wir können auch umgekehrt fragen, welcher Output bei vorgegebenen Faktormengen maximal erzeugt werden kann. Ist Vi = aiX die Menge des Faktors 1, die mindestens erforderlich ist, um χ Einheiten von X herzustellen, so ist χ = ν,/a, die Menge von X, die bei gegebener Menge des ersten Faktors maximal hergestellt werden kann, wenn der zweite Faktor die Produktion nicht limitiert. Analog ist χ = \ J a 2 die Menge von X, die bei gegebener Einsatzmenge des zweiten Faktors maximal hergestellt werden kann, wenn der erste Faktor die Produktion nicht limitiert. Da beide Faktoren in einem konstanten Mengenverhältnis benötigt werden, kann bei gegebener Einsatzmenge der Faktoren 1 und 2 nur die Menge von X hergestellt werden, die gleich dem kleineren der Quotienten ν,/a, und vja2 ist· Deshalb schreibt man χ = Min

V, V2 a

l

I

a

2,

Der Minimumoperator vor der Klammer gibt an, daß die Ausbringungsmenge, die maximal hergestellt werden kann, durch den kleineren Quotienten bestimmt ist. Wenn also zum Beispiel a t = 0,5 und a2 = 0,25 ist und von den Faktoren 1 und 2 zwanzig bzw. acht Einheiten eingesetzt werden können, ist die maximale Ausbringungsmenge gleich χ = Min

20 8 0,5' 0,25

χ = Min(40; 32) x = 32 Gibt es η Faktoren, läßt sich die linear-limitationale Produktionsfunktion als χ = Min| — schreiben. C. Substitution durch Kombination von Produktionsprozessen (Programmierungsproduktionsfunktion) Bei der limitationalen Produktionsfunktion gibt es nur einen (effizienten) Produktionsprozeß. Wenn es mehrere effiziente Produktionsprozesse gibt, die sich durch das Mengenverhältnis unterscheiden, in dem die Faktoren bei effizienter Faktorkombination eingesetzt werden, muß unterschieden werden, welcher Produktionsprozeß verwendet werden soll. Es wird im folgenden unterstellt, daß jeder einzelne Produktionsprozeß linear-limitational ist. Im einfachsten Fall gibt es zwei linear-limitationale Prozesse. In Abbildung 10.6 sind dies die Produktionsprozesse I und II, die durch die Ursprungsgeraden I und II beschrieben werden.

250

Abb. 10.6

Die Produktionsfunktion

ν2

Π

0

ν

Der Punkt Α auf der Ursprungsgeraden I repräsentiert ein bestimmtes Prozeßniveau, das es ermöglicht, eine bestimmte Menge des Gutes X herzustellen. Die Menge von X, die hergestellt werden kann, sei x,. Bei Wahl des Produktionsprozesses I kann die Produktionsmenge nicht erhöht werden, indem man bei Konstanz der Einsatzmenge eines Faktors die Einsatzmenge des anderen Faktors erhöht. Der Punkt Α ist der Eckpunkt einer Isoquante x„ die unter der Annahme gilt, es gäbe nur den Produktionsprozeß I. Statt das durch den Produktionsprozeß I charakterisierte Produktionsverfahren zu nutzen, kann man auch das durch den Produktionsprozeß II beschriebene Verfahren wählen, um das Gut X herzustellen. Bei einem bestimmten Prozeßniveau kann mit Hilfe des Produktionsprozesses II die gleiche Menge von X hergestellt werden, die erzeugt wird, wenn man den Produktionsprozeß I auf dem Prozeßniveau OA betreibt. Es sei angenommen, daß man die Menge x, herstellen kann, wenn man den Produktionsprozeß II auf dem Niveau OB betreibt.1 In Abbildung 10.7 ist die Faktorausstattung durch den Punkt S gegeben, der auf der Geraden AB liegt. Es fragt sich, wie groß die Menge von X ist, die bei der durch den Punkt S gegebenen Faktorausstattung maximal hergestellt werden kann. Abb. 10.7

ν2

II

Ε

0

1

F

ν

Wenn Β links unterhalb von Α läge, wäre der Produktionsprozeß I ineffizient. Läge Β rechts oberhalb von A, wäre Produktionsprozeß Π ineffizient.

Die Produktionsfunktion

251

Verwendet man ausschließlich den Prozeß I, so kann man den Prozeß nur auf dem Niveau OC betreiben. Die verfügbare Menge OE des zweiten Faktors limitiert die Produktion. Es können nur OC/OA · X[ Einheiten von X hergestellt werden. Wählt man den Produktionsprozeß II, so können nur OD/ÖB · χ, Einheiten von X produziert werden, da die Produktion durch die Menge OF des ersten Faktors limitiert wird. Durch Prozeßsubstitution, das heißt durch eine geeignete Kombination der beiden Produktionsprozesse, kann jedoch bei der durch den Punkt S gegebenen Faktorausstattung die gleiche Menge von X erzeugt werden, die man herstellt, wenn man den Prozeß I auf dem Niveau OA oder den Prozeß II auf dem Niveau OB betreibt. Das kann mit Hilfe von Abbildung 10.8 bewiesen werden. Abb. 10.8

I A / s

/

Μ

rO 1&)

ι

II

R

Ν

Durch S wird eine Parallele zu OB gezogen. Der Schnittpunkt mit OA ist der Punkt C. Man zieht außerdem durch S eine Parallele zu OA. Der Schnittpunkt der Parallelen mit OB ist D. Der Prozeß II wird auf dem Niveau OD betrieben. Es werden OD/OB · x, Einheiten von X hergestellt. Dabei werden OL Einheiten des ersten Faktors und 0M Einheiten des zweiten Faktors eingesetzt. Es stehen also noch LN = DR Einheiten des ersten Faktors und RS Einheiten des zweiten Faktors zur Verfügung. Die noch verfügbaren Mengen sind genau in dem Verhältnis vorhanden, wie sie benötigt werden, um mit Hilfe des Produktionsprozesses I effizient zu produzieren (der Winkel α' ist gleich dem Winkel α). Die verfügbaren Faktormengen ermöglichen es, den Produktionsprozeß I auf dem Niveau DS = OC zu betreiben. Wird mit Hilfe des Produktionsprozesses I auf dem Prozeßniveau OC produziert, können OC/OA χ , = DS/ÖA • x, Einheiten von X hergestellt werden. Die Menge, die auf diese Art insgesamt erzeugt werden kann, ist χ = OD/OB · x, + DS/OA · x, Wenn wir das von Β ausgehende Strahlenbündel (mit DS parallel zu OA) betrachten, gilt aufgrund des Strahlensatzes DS DB OA "OB

252

Die Produktionsfunktion

Man erhält χ = OD/OB · χ, + DB/OB · χ, χ = (0D+DB)/0B · χ, χ = OB/OB χ, χ = χ, Mit Hilfe der Faktorausstattung, die durch den Punkt S in Abbildung 10.8 bestimmt ist, kann also durch Prozeßsubstitution die gleiche Menge von X hergestellt werden wie mit Hilfe der Faktorausstattungen, die durch die Punkte Α oder Β gegeben sind. Es kommt nicht darauf an, wo auf der Verbindungsgeraden AB der Punkt S liegt. Das bedeutet: Die Gerade AB ist der geometrische Ort aller Faktorkombinationen, mit denen die gleiche Ausbringungsmenge hergestellt werden kann. Sie ist ein Teil der Isoquante x„ die rechts von Β parallel zur ν,-Achse und oberhalb von Α parallel zur v2-Ächse verläuft. Isoquanten, die ein höheres oder geringeres Produktionsniveau repräsentieren, verlaufen parallel zur x r Isoquante. Der graphische Ausdruck einer Produktionsfunktion mit zwei linear-limitationalen Produktionsprozessen ist ein Isoquantenfeld, wie es Abbildung 10.9 zeigt. Abb. 10.9

v2*

0

ν

Es fragt sich, wie die Isoquanten verlaufen, wenn es mehr als zwei linearlimitationale Produktionsprozesse gibt. In Abbildung 10.10 wird unterstellt, daß es drei Produktionsprozesse gibt. Die Punkte Α, Β und C repräsentieren jeweils das Prozeßniveau, das es ermöglicht, die Menge x, von X herzustellen. Durch Kombination der Produktionsprozesse I und II kann die Menge x, hergestellt werden, wenn die Faktorausstattung durch einen Punkt auf AB gegeben ist. Wird die Faktorausstattung durch einen Punkt auf BC abgebildet, kann die Menge x, durch geeignete Kombination der Produktionsprozesse II und III erzeugt werden. Man könnte auch die Produktionsprozesse I und III kombinieren und so die Menge x t herstellen, wenn der Faktorausstattungspunkt auf AC liegt. Das Produktionsverfahren wäre aber ineffizient. Mit der gegebenen Faktorausstattung könnte eine größere Menge produziert werden, wenn entweder die Prozesse I und II oder die Prozesse II

253

Die Produktionsfunktion

Abb. 10.10

I

in

0

ν

und III kombiniert würden. Abbildung 10.11 zeigt das Isoquantenfeld als graphischen Ausdruck der Produktionsfunktion mit drei linear-limitationalen Produktionsprozessen. Abb. 10.11

I

0

D. Produktionsfunktionen mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren Man kann die Produktionsfunktion mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren als Grenzfall einer Produktionsfunktion mit Prozeßsubstitution auffassen, bei der es unendlich viele Produktionsprozesse gibt. Wenn die Produktionsfaktoren vollkommen teilbar sind, liegt es jedoch näher, nicht von einem Übergang zu einem anderen Produktionsprozeß zu sprechen, wenn das Mengenverhältnis geändert wird, in dem die Produktionsfaktoren bei konstantem Output eingesetzt werden. Wenn zum Beispiel in der Landwirtschaft der Einsatz des Faktors Arbeit in bestimmten Grenzen kontinuierlich durch einen Mehreinsatz von Düngemitteln substituiert werden kann, ohne daß die Produktion sinkt, wäre es eine artifizielle Konstruktion, dies jeweils als Übergang zu einem anderen Produktionsprozeß aufzufassen.

254

Die Produktionsfunktion

Das Isoquantenfeld einer Produktionsfunktion mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren kann durch eine Schar konvex zum Ursprung verlaufender Isoquanten dargestellt werden, wie Abbildung 10.12 zeigt.

1. Klassifikation der substitutionalen Produktionsfunktionen a.

Man sagt, die Produktionsfaktoren seien vollständig substituierbar, wenn ein Faktor vollständig durch einen anderen ersetzt werden kann. Bei entsprechendem Mehreinsatz eines Faktors kann auf den Einsatz eines anderen Faktors ganz verzichtet werden. Graphisch bedeutet dies, daß die Isoquanten wie in Abbildung 10.13 auf die Achsen stoßen.

b.

Die Produktionsfaktoren mögen unbegrenzt, aber nicht vollständig substituierbar sein. Dieser Fall liegt vor, wenn die Menge, die von einem Faktor eingesetzt werden muß, damit eine bestimmte Menge erzeugt werden kann, beliebig klein, aber nicht Null werden kann. Graphisch bedeutet dies, daß sich die Isoquanten asymptotisch den Achsen nähern.

255

Die Produktionsfunktion

Abb. 10.14

c.

Die Produktionsfaktoren mögen nur innerhalb eines bestimmten Bereichs substituierbar sein. Diesen Bereich nennt man auch den Substitutionsbereich. Die Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren ist begrenzt. Im Zweifaktorenmodell muß eine Mindestmenge des ersten und des zweiten Faktors eingesetzt werden um eine bestimmte Menge von X herzustellen. In Abbildung 10.15 sind dies die Mengen OR und OS. Die Isoquanten nähern sich nicht asymptotisch den Achsen, sondern den achsenparallelen Geraden RR' und SS'.

Abb. 10.15

R'!

-S' 0

d.

r

Es ist schließlich auch möglich, daß bei fortgesetzter Erhöhung der Einsatzmenge eines Faktors bei Konstanz der Einsatzmenge des anderen Faktors die ausgebrachte Menge nicht steigt, sondern sinkt. Das Grenzprodukt des einen Faktors wird negativ. Soll bei Mehreinsatz des Faktors, dessen Grenzprodukt negativ ist, die ausgebrachte Menge konstant bleiben, muß eine größere Menge des anderen Faktors eingesetzt werden. Graphisch bedeutet dies, daß die Isoquanten sich zurückbiegen, also in einem bestimmten Bereich positive Steigung haben.

256

Die Produktionsfunktion

Abb. 10.16

ν2

Β χ - +

Α

0

ν

In Abbildung 10.16 ist nur im Substitutionsbereich zwischen Α und Β das Grenzprodukt der beiden Faktoren positiv. In Α ist das Grenzprodukt des ersten Faktors Null; rechts von Α ist das Grenzprodukt des ersten Faktors negativ. Alle Faktorkombinationen rechts von Α sind ineffiziente Faktorkombinationen. Ganz analog ist oberhalb von Β das Grenzprodukt des zweiten Faktors negativ. Die Produktion könnte bei konstanter Einsatzmenge des ersten Faktors erhöht werden, wenn die Menge des zweiten Faktors reduziert würde. Der Bereich rechts oberhalb von Β auf der Isoquante x, stellt also ebenfalls ineffiziente Faktorkombinationen dar.1 2.

Die Substitutionselastizität

Die Isoquanten können mehr oder weniger stark gekrümmt sein. Je stärker die Krümmung der Isoquanten ist, um so schwieriger ist es, einen Faktor durch einen anderen zu substituieren. Im Grenzfall rechtwinkliger Isoquanten bei limitationalen Produktionsfunktionen ist es nicht möglich, einen Faktor durch einen anderen zu substituieren. Um ein Maß für die Leichtigkeit zu haben, mit der man einen Faktor durch einen anderen substituieren kann, hat man den Begriff der Substitutionselastizität geprägt. Die Substitutionselastizität ist definiert als Quotient aus der relativen Änderung des Faktor- einsatzverhältnisses v ^ und der relativen Änderung der Grenzrate der technischen Substitution (TGRS21). σ=

d(v2/v1)/(v2/v1) dTGRS21/TGRS'21

Dabei hat man sich von der Einsicht leiten lassen, daß sich die Grenzrate der Substitution und das Faktoreinsatzverhältnis ändern, wenn ein Faktor durch einen anderen ersetzt wird. Abbildung 10.17 zeigt die Isoquanten χ und x', die unterschiedlich stark gekrümmt sind. 1

Die Produktionsverfahren sind annahmegemäß effizient.

257

Die Produktionsfunktion

Abb. 10.17

ν2

I

Π

χ"

ο

ν

Wird der zweite Faktor so durch den ersten Faktor ersetzt, daß statt des Faktoreinsatzverhältnisses, das durch den Prozeßstrahl I repräsentiert wird, das durch den Strahl II repräsentierte Faktoreinsatzverhältnis verwirklicht wird, ändert sich die Grenzrate der Substitution. Die relative Änderung der Grenzrate der Substitution ist (absolut) bei der stärker gekrümmten Isoquante x' von Β nach B' größer als bei dem Übergang von Α nach A' auf der flacher verlaufenden Isoquante x. Da die Substitutionselastizität definiert ist als die relative Änderung des Faktoreinsatzverhältnisses dividiert durch die relative Änderung der Grenzrate der Substitution, ist die Substitutionselastizität bei der stärker gekrümmten Isoquante x' kleiner als bei der flacheren x-Isoquante, da in dem Term d(v2/v,)/(v2/v,) dTGRS 2 i/TGRS : bei gleichem Zähler der Nenner größer ist.1 Im Grenzfall rechtwinklig verlaufender Isoquanten ist die Substitutionselastizität Null. Die Produktionsfaktoren können gar nicht gegeneinander substituiert werden. Ist die Isoquante eine Gerade, so ist die Substitutionselastizität unendlich (vgl. Abb. 10.18).

1

Sowohl die relative Änderung des Faktoreinsatzverhältnisses, als auch die relative Änderung der Grenzrate der Substitution sind negativ. Die Substitutionselastizität ist bei unserer Definition stets positiv und nur im Grenzfall Null. Bei gleicher Änderung im Faktoreinsatzverhältnis ist deshalb die Substitutionselastizität um so kleiner, je größer absolut die Änderung der Grenzrate der Substitution ist.

258

Abb. 10.18

Die Produktionsfunktion

V2

Da die Grenzrate der technischen Substitution TGRS 21 gleich dem reziproken Grenzproduktverhältnis ist, läßt sich die Substitutionselastizität auch schreiben als _d(v 2 /v 1 )/(v 2 /v,)_d(v 2 /vi) σ

d(f,/f2)/(f,/f2)

fj/f 2

d(f,/f2) ' v2/vi

Die so definierte Substitutionselastizität ist immer positiv und nur im Grenzfall gleich Null. Mitunter wird die Substitutionselastizität allerdings auch definiert als divAQ/ivAi) d(f2/f,)/(f2/f,) In diesem Fall ist die Substitutionselastizität negativ oder Null. Es ist σ = - & . Ε . Homogene und homothetische Produktionsfunktionen Eine wichtige Gruppe von Produktionsfunktionen sind die homogenen Produktionsfunktionen. Eine Produktionsfunktion ist homogen, wenn bei Multiplikation aller Faktoreinsatzmengen mit der gleichen Zahl λ der Funktionswert (der Output) auf das λ'-fache steigt. Bei homogenen Produktionsfunktionen gilt also ί(λν,λν 2 ,..., λν„) = λ' · f(v„ v 2 ,..., v n );

r = const.

Man nennt r den Homogenitätsgrad der Funktion. Die dargestellte Beziehung gilt für beliebige Faktoreinsatzmengen, die in der Ausgangssituation eingesetzt werden. Werden die Einsatzmengen der Produktionsfaktoren mit λ multipliziert, führt dies unabhängig von den Ausgangsmengen stets zu einer Erhöhung des Outputs auf das λ'-fache.

259

Die Produktionsfunktion

1.

Arten homogener Produktionsfunktionen

Wenn r = 1 ist, so heißt die Produktionsfunktion linear-homogen oder homogen vom Grade 1. Bei linear-homogenen Produktionsfunktionen ist ί(λν,

λν η ) = λ · ί ( ν ,

v„)

Wenn also zum Beispiel die Einsatzmengen aller Faktoren verdoppelt werden, steigt auch der Output auf das Doppelte. Allgemeiner formuliert: Wenn die Einsatzmengen aller Faktoren um den gleichen Prozentsatz erhöht werden, steigt der Output um den gleichen Prozentsatz, wenn die Produktionsfunktion linear-homogen ist. Ist r > 1, so sagt man, die Produktionsfunktion sei überlinear-homogen. Erhöht man die Einsatzmengen aller Faktoren um den gleichen Prozentsatz, so steigt der Output überproportional, wenn die Produktionsfunktion überlinear-homogen ist. Wenn zum Beispiel r = 2 ist und die Einsatzmengen aller Faktoren auf das λ-fache (λ > 1) erhöht werden, steigt der Output auf das X2-fache mit λ 2 > λ. Wenn r < 1 ist, sagt man, die Produktionsfunktion sei unterlinear-homogen. Bei gleich großer proportionaler Erhöhung der Einsatzmengen aller Faktoren steigt der Output nur unterproportional.1 Eine häufig verwendete spezifische Produktionsfunktion ist die Cobb-DouglasProduktionsfunktion

Wir wollen prüfen, ob die Funktion homogen ist: x = f(v„v 2 ) = v " - v ; ί(λν 1 λν 2 ) = (λν,Γ·(λν 2 ) η

= λ η Μ "·ν7·ν; = Xm+" • f(v„ Vj) Die Produktionsfunktion ist homogen vom Grade m + n. Für m + η = 1 ist sie linearhomogen (Cobb-Douglas-Produktionsfunktion im engeren Sinne).

1 Ein spezieller Fall ist eine Funktion, die homogen vom Grade Null ist (r = 0). Werden alle Einsatzmengen um den gleichen Prozentsatz erhöht, verändert sich der Funktionswert wegen λ° = 1 nicht

260

Die Produktionsfunktion

2. Homothetische Produktionsfunktionen Produktionsfunktionen, die der Bedingung ίϊλν,

λν„) = λΓ • f(Vi,..., v j ;

r = const.

nicht genügen, nennt man inhomogen. So ist zum Beispiel die Funktion x = v™· v 2 +a nicht homogen. Multipliziert man v, und v2 mit λ, führt dies nicht dazu, daß der Output auf das λ'-fache steigt. Allerdings ist die Funktion χ = v,"1 · v2n + a zwar nicht homogen, sie ist aber homothetisch. Unter einer homothetischen Produktionsfunktion versteht man jede streng steigende Funktion einer beliebigen homogenen Funktion. Wenn x = f(v„...,v n ) eine homogene Funktion ist, so ist z = g(x) = g[f(v1,...,v0)] homothetisch, wenn dg/dx > 0 ist. Eine homothetische Produktionsfunktion verhält sich zu einer homogenen Produktionsfunktion wie eine ordinale Nutzenfunktion zu einer kardinalen Nutzenfunktion. Eine homothetische Produktionsfunktion ergibt sich aus einer homogenen Produktionsfunktion, indem man den Isoquanten andere Zahlen zuordnet. Alle Produktionspunkte, die auf der gleichen Isoquante liegen, erhalten die gleiche Zahl zugeordnet. Isoquanten, die einen größeren Output repräsentieren, erhalten eine größere Zahl als Isoquanten, die einen geringeren Output darstellen. Die Grenzrate der technischen Substitution ändert sich durch die Transformation nicht.1 Bei einer homothetischen Produktionsfunktion ist es im Gegensatz zu homogenen Produktionsfunktionen möglich, daß es bei proportionaler Faktorvariation in einem Anfangsbereich zu steigen1

Ist χ = f(v„ V2) die ursprüngliche Produktionsfunktion, so ist TGRS2, =

=Τ δν, ov2 f 2

Wenn die Produktionsfunktion χ = f(v„ Vj) durch die monotone Transformation ζ = g(x) = g[f(v,, Vj)] ersetzt wird, ist die Grenzrate der technischen Substitution dz ^ dz dv[ dv2 Durch Anwendung der Kettenregel erhält man dz/dv! dz/dx · δχ/δν, dz/dv2 dz/dx · δχ/δν2

δχ/δν, f, δχ/δν2 f 2

Die Produktionsfunktion

261

den und danach zu sinkenden Skalenerträgen kommt. Ein ertragsgesetzlicher Verlauf ist also durch eine homothetische, nicht aber durch eine homogene Produktionsfunktion abbildbar. 3.

Eigenschaften homogener Produktionsfunktionen

Erste Eigenschaft: Das Isoquantenfeld homogener Produktionsfunktionen wird von einer Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten. Das soll mit Hilfe von Abbildung 10.19 bewiesen werden.

Die x r Isoquante wird vom Fahrstrahl 1 in Q und vom Fahrstrahl 2 in R geschnitten. Multiplizieren wir die den Produktionspunkten Q und R entsprechenden Faktoreinsatzmengen mit λ, erhalten wir die Punkte Q' und R\ die beide auf der gleichen Isoquante liegen, die einen Output λ' · χ, repräsentiert. Es ist 0Q'/0Q = OR'/OR = λ. Verbindet man Q mit R und Q' mit R\ ist aufgrund des Strahlensatzes Q ' R ' parallel zu QR. Nähert man den Fahrstrahl 2 immer mehr an den Fahrstrahl 1 an, so bleibt Q ' R ' parallel zu QR. Im Grenzfall fallen Q und R zusammen und QR wird zur Tangente an die χ,-Isoquante, Q ' R ' wird zur Tangente an die Isoquante λΓ · χ,. Die Steigungen der Tangenten in Q und Q' sind gleich. Das bedeutet, daß beliebige Isoquanten homogener Produktionsfunktionen von Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten werden. Da die negative Steigung einer Isoquante in einem Punkt gleich der Grenzrate der technischen Substitution ist, können wir auch formulieren: Bei proportionaler Faktorvariation bleibt bei homogenen Produktionsfunktionen die Grenzrate der technischen Substitution konstant. Da die Grenzrate der technischen Substitution gleich dem reziproken Grenzproduktverhältnis ist, kann man auch sagen: Bei homogenen Produktionsfunktionen bleibt bei proportionaler Faktorvariation das Grenzproduktverhältnis konstant.

262

Die Produktionsfunktion

In Kapitel 12 wird der Begriff des Expansionspfades eingeführt. Wir halten im Vorgriff schon fest: Bei homogenen Produktionsfunktionen ist der Expansionspfad eine Ursprungsgerade. Die gerade abgeleiteten Sätze gelten auch fur homothetische Produktionsfunktionen. Die Grenzrate der technischen Substitution ändert sich ja nicht, wenn eine homogene Produktionsfunktion in eine homothetische Funktion transformiert wird. Zweite Eigenschaft: Bei homogenen Produktionsfunktionen gilt Eulers Theorem. Es besagt: Ist x = f(v„v 2 ,...,v n ) homogen von Grade r, so gilt

Für den Spezialfall linear-homogener Produktionsfunktionen gilt daher fiVi + f 2 v 2 +... + fnvn = x Auf einen Beweis des Theorems wird verzichtet.1 Es soll lediglich am Beispiel der Funktion χ = v,m · v2n, von der wir bereits gezeigt haben, daß sie homogen vom Grade m + η ist, gezeigt werden, daß Eulers Theorem gilt.

f2v2 = η · ν™ · v2 = η • χ f,v, + f2v2 = m · χ + η · χ f1v, + f2v2 = (m + n)-x

1

Siehe dazu W. S. Baumol. Economic Theory and Operations Analysis. Vierte Auflage, Englewood Cliffs 1977, S. 283.

Die Produktionsfunktion

263

Dritte Eigenschaft: Wenn eine Produktionsfunktion homogen vom Grade r ist, sind die ersten partiellen Ableitungen f,-Funktionen, die homogen vom Grade r - 1 sind. Auch hier sei auf einen Beweis verzichtet. 1 Es soll jedoch gezeigt werden, daß bei der Funktion χ = v, m · v2°, die homogen vom Grade m + η ist, die erste Ableitung homogen vom Grade m + η - 1 ist.

f. = g(v„v 2 ) = m - v r 1 - v " 2 Ε (λν 1 ,λν 2 )

= ηι·(λν1ΓΜ·(λν2)η = λη,-'·λπ^ν7-1·νη2 = λ π , + η - 1 · ε (ν 1 ,ν 2 )

Wenn m + η = 1 ist, die Funktion also linear-homogen ist, so ist f, homogen vom Grade Null. Das bedeutet: Bei proportionaler Faktorvariation ändert sich das Grenzprodukt der Faktoren nicht. Literaturhinweise zum zehnten Kapitel Edwin von Böventer. Einführung in die MikroÖkonomie. Sechste Auflage, München-Wien 1989. Drittes Kapitel, B: Technologie: Konzepte und Instrumente der Analyse, S. 145 - 1 6 1 . Teil C: Einige Arten von Produktionsfunktionen, S. 161 - 181. Horst Herberg. Preistheorie. Zweite Auflage, Stuttgart u.a. 1989. Drittes Kapitel, Abschnitt 2: Produktion und Produktionsfunktionen, S. 140 - 1 6 4 . Jochen Schumann. Grundzüge der mikroökonomischen Theorie. Fünfte Auflage, Berlin u.a. 1987. Zweites Kapitel, Teil B: Die Produktionsfunktion, S. 103 - 1 2 1 . Helmut Hesse und Robert Linde. Gesamtwirtschaftliche Produktionstheorie. Teil I. Würzburg-Wien 1976, S. 11 - 1 2 9 . J. Heinz Müller, Produktionstheorie. Kompendium der Volkswirtschaftslehre, Band 1, Werner Ehrlicher u.a. (Hrsg.) 5. Auflage, Göttingen 1975, S. 57 - 1 1 3 . Ulrich Fehl und Peter Oberender. Grundlagen der MikroÖkonomie. Zweite Auflage, München 1985. Zweiter Teil, erstes Kapitel: Die Produktionsfunktion, S. 71 - 104.

1 Siehe dazu William S. Baumol. A.a.O., S. 284ff.

Elftes Kapitel Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion A. Arten der Faktorvariation Während die Produktionsfunktion den gesamten funktionalen Zusammenhang zwischen Inputs und dem maximalen Output beschreibt, stellt die Ertragsfunktion nur einen Ausschnitt aus der Produktionsfunktion dar. Die Ertragsfunktion beschreibt den Zusammenhang zwischen bestimmten ausgewählten Inputs und dem Output.1 Der Ausschnitt aus der Produktionsfunktion, den die Ertragsfunktion beschreibt, ergibt sich aus der Art der Faktorvariation. Man unterscheidet: 1.

Proportionale Faktorvariation

Von proportionaler Faktorvariation spricht man, wenn die Faktoren bei konstantem Mengenverhältnis in größerer oder kleinerer Menge eingesetzt werden. Das Faktoreinsatzverhältnis bleibt bei proportionaler Faktorvariation konstant. Man sagt auch: Die Einsatzmenge eines Faktorbündels konstanter Zusammensetzung wird variiert. Nicht der ProduktionsprozeB, sondern das Prozeßniveau wird geändert. Im Zweifaktorenmodell bewegen wir uns graphisch auf einer Ursprungsgeraden durch die Inputfläche, wie Abbildung 11.1 illustriert. Abb. 11.1

Algebraisch läßt sich die proportionale Faktorvariation folgendermaßen beschreiben: dvi dv2 v, ~ v2

dv„ άλ v„ ~ λ

Im letzten Term ist λ Ausdruck des Prozeßniveaus.

1

Die Terminologie ist nicht einheitlich. Häufig wird auch die Ertragsfunktion als Produktionsfunktion bezeichnet.

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

266

2.

Partielle Faktorvariation

Bei partieller Faktorvariation wird nur die Einsatzmenge eines Faktors variiert. Die Einsatzmenge aller anderen Faktoren bleibt konstant. Bei partieller Faktorvariation ändert sich das Faktoreinsatzverhältnis. Im Zweifaktorenmodell bewegt man sich graphisch auf einer Parallelen zu einer der Achsen durch die Inputfläche. In Abbildung 11.2 wird die Einsatzmenge des ersten Faktors variiert; die Menge des zweiten Faktors ist auf dem Niveau OA fixiert. Man bewegt sich auf einer Parallelen zur v r Achse im Abstand OA von der Abszisse durch die Inputfläche. Abb. 11.2

3.

Isokline Faktorvariation

Von isokliner Faktorvariation spricht man, wenn die Faktormengen so variiert werden, daß stets Punkte gleicher Isoquantensteigung realisiert werden. Die Verbindungslinie aller Punkte gleicher Steigung nennt man Isokline. Bei homogenen Produktionsfunktionen ist die Isokline eine Ursprungsgerade. B. Die Ertragsfunktion bei proportionaler Faktorvariation Bei proportionaler Faktorvariation wird nicht der Prozeß, sondern nur das Prozeßniveau variiert. Der Output ist eine Funktion des Prozeßniveaus. Bezeichnet man das Prozeßniveau mit λ, wobei λ in bezug auf eine bestimmte Ausgangssituation definiert ist (man setzt ein bestimmtes Prozeßniveau λ = 1), so läßt sich die Ertragsfunktion schreiben als χ = ί(λ) Man sagt auch, durch λ werde die Zahl der Einheiten eines Faktorbündels konstanter Zusammensetzung beschrieben. Es fragt sich, wie sich die Ausbringungsmenge ändert, wenn die Einsatzmenge aller Faktoren proportional variiert wird. Man kann drei Fälle unterscheiden.

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

267

1. Konstante Skalenerträge Die relative Erhöhung der Produktionsmenge ist gleich der relativen Erhöhung der Faktoreinsatzmenge. Das bedeutet, daß die Erhöhung der Einsatzmenge aller Faktoren um einen bestimmten Prozentsatz zu einer Erhöhung des Outputs um den gleichen Prozentsatz führt. Es ist dx/x = dXA. In diesem Fall spricht man von konstanten Skalenerträgen oder constant returns to scale. Dividiert man die Gleichung dx dX, χ ~ λ durch erhalt man

dX λ ' dx λ , ——=1 dλ χ

Der Ausdruck auf der linken Seite ist die Skalenelastizität oder Niveauelastizität £, χ. Bei konstanten Skalenerträgen ist also die Niveauelastizität gleich eins. 2. Steigende Skalenerträge Ist der relative Anstieg der Produktionsmenge größer als die relative Erhöhung der Faktoreinsatzmengen, so ist dx/x > dXA. Man sagt dann, daß steigende Skalenerträge oder increasing returns to scale vorliegen. Eine Erhöhung der Einsatzmenge aller Faktoren um einen bestimmten Prozentsatz fuhrt in diesem Fall zu einer Erhöhung des Outputs um mehr als diesen Prozentsatz. Aus

dx dX —> — χ λ

r . folgt

dx λ > ,1 dXx

Bei steigenden Skalenerträgen ist die Niveauelastizität Ex λ größer als eins. 3. Sinkende Skalenerträge Man spricht von sinkenden Skalenerträgen oder decreasing returns to scale, wenn dx

άλ

τ — ν , a2

mit

v2 c =— a2

Als Grenzertragsfunktion erhält man dx 1 ... -— = — fur dv, ai

a,_ v,—v2 a2

fur

Abbildung 11.7 zeigt den Verlauf der Durchschnittsertragskurve und der Grenzertragskurve. Abb. 11.7

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt ans der Produktionsfunktion

275

Da der Durchschnittsertrag bis zur Faktoreinsatzmenge v, = a,/a2 · v2 konstant ist, fallen in einem ersten Bereich Durchschnittsertragskurve und Grenzertragskurve zusammen. Bei dem Abszissenwert v, = ai/a2 · v2 hat die Grenzertragskurve eine Sprungstelle und fällt danach mit der Abszisse zusammen. 3. Die Ertragsfunktion bei Prozeßsubstitution Es soll ermittelt werden, welchen Verlauf die Gesamtertragsfunktion bei partieller Faktorvariation hat, wenn die Produktionsfunktion eine Programmierungsfunktion ist. In Abbildung 11.8 wird unterstellt, daß es nur zwei linear-limitationale Produktionsprozesse gibt, die Prozesse I und II. Die in Abbildung 11.8 dargestellten Isoquanten sind ein Ausschnitt aus dem Isoquantenfeld, das der graphische Ausdruck der Produktionsfunktion ist. Die Menge des zweiten Faktors ist auf dem Niveau v2 fixiert. Nur der erste Faktor kann variiert werden.

Wenn nur das erste Produktionsverfahren verwendet wird, benötigt man die dem Punkt Α entsprechenden Faktormengen, um x, Einheiten von X herzustellen; man braucht die dem Punkt Β entsprechenden Faktormengen, um x2 Einheiten von X zu produzieren. Setzt man den Produktionsprozeß II ein, so benötigt man die dem Punkt C entsprechenden Faktormengen, um x, Einheiten zu erzeugen und die dem Punkt D entsprechenden Faktormengen, um x2 Einheiten herzustellen. Durch geeignete Kombination der beiden Produktionsprozesse können x, Einheiten von X auch mit Hilfe der Faktorkombinationen erzeugt werden, die auf dem Streckenzug AC liegen. Mit Hilfe der Faktormengen, die auf BD liegen, lassen sich durch Kombination der Produktionsprozesse I und II x2 Einheiten von X herstellen. Bei konstanter Einsatzmenge v2 können durch Variation der Einsatzmenge des ersten Faktors nur Faktorkombinationen eingesetzt werden, die auf der Parallelen zur Abszisse im Abstand v2 liegen. Für Werte von v„ die zwischen 0 und A' liegen, wird nur der erste Produktionsprozeß verwendet. Wegen der Annahme, der Produktionsprozeß I sei linear-limitational, steigt die Ausbringungsmenge proportional zur Einsatzmenge des ersten Faktors von Null auf x, an, wenn die Einsatzmenge des ersten Faktors von Null auf A' erhöht wird.

276

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Bei Einsatzmengen des ersten Faktors zwischen A' und D' wird das Gut X hergestellt, indem die Produktionsprozesse kombiniert werden. Das Niveau, auf dem der Produktionsprozeß II betrieben wird, steigt mit der Einsatzmenge des ersten Faktors. Der zweite Faktor wird so durch Prozeßsubstitution durch den ersten Faktor substituiert, bis bei einer Einsatzmenge D' des ersten Faktors die Produktion ausschließlich mit Hilfe des Produktionsprozesses II erfolgt. Es werden in D x2 Einheiten von X produziert. Die Produktionsmenge kann dann durch erhöhten Einsatz des ersten Faktors nicht mehr erhöht werden. Die gegebene Menge v2 des zweiten Faktors limitiert die Produktion. Die Isoquantenabschnitte zwischen den Prozeßstrahlen verlaufen linear-parallel. Wegen der Annahme konstanter Skalenerträge bedeutet dies, daß die Gesamtertragskurve in dem Intervall A'D' linear verläuft. Die Steigung der Gesamtertragskurve bei Einsatzmengen des ersten Faktors im Bereich A'D' ist kleiner als die Steigung der Gesamtertragskurve im Bereich OA'. Das läßt sich mit Hilfe der folgenden Überlegung beweisen. Wenn die Einsatzmenge des ersten Faktors von A' auf D' erhöht wird, steigt die Produktion von x, auf x2. Der zwischen den Prozeßstrahlen liegende Abschnitt einer Isoquante, die einen Output (x, + X2)/2 repräsentiert, liegt aufgrund der Annahme, die Produktionsprozesse I und II seien linear-limitational, genau in der Mitte zwischen der x,- und der x2-Isoquante. Die (x, + X2)/2-Isoquante schneidet die in Höhe von v2 verlaufende Parallele zur Abszisse in S. Es ist AS = SD. Wenn die Einsatzmenge des ersten Faktors von A' aus um AS Einheiten erhöht wird, steigt die Produktion um (x, + x2)/2 - x, = (x2 - x,)/2. Wird daraufhin die Einsatzmenge des ersten Faktors noch einmal um den gleichen Betrag SD = AS erhöht, so steigt die Produktion wieder um x2-(x, + X2)/2 = (x2 - x,)/2. Das bedeutet: Erhöht man die Einsatzmenge des ersten Faktors im Intervall A'D', so steigt der Output proportional zur Einsatzmenge des ersten Faktors. Im Bereich OA' steigt der Output bei partieller Faktorvariation mit jener Rate, die sich bei proportionaler Faktorvariation unter Verwendung des Produktionsprozesses I ergibt. Wenn die Produktionsmenge auch im Bereich A'D' mit der gleichen Rate stiege, müßte bei einer Faktoreinsatzmenge D' der dem Punkt D* auf dem Produktionsprozeß I entsprechende Output erzeugt werden. Tatsächlich steigt der Output nur auf x2, weil v2 auf dem Niveau v2 fixiert ist. Das bedeutet: Die Steigung der Gesamtertragskurve bei Variation der Einsatzmenge von V, im Bereich A'D' ist kleiner als die Steigung der Gesamtertragskurve im Bereich OA'. Die gesuchte Gesamtertragskurve hat deshalb den in Abbildung 11.9 dargestellten Verlauf.

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

277

Abb. 11.9 χ

0

A"

D"

ν

Bei Einsatzmengen des ersten Faktors im Intervall OA' ist der Durchschnittsertrag konstant. Er ist gleich der Steigung der Gesamtertragskurve im Intervall OA'. Der Grenzertrag ist gleich dem Durchschnittsertrag. Im Abschnitt A'D' sinkt der Durchschnittsertrag mit steigender Faktormenge. Der Grenzertrag ist konstant und kleiner als der Durchschnittsertrag. Der Grenzertrag im Intervall A'D' ist kleiner als der Grenzertrag im Intervall OA', weil die Steigung der Gesamtertragskurve zwischen A' und D' kleiner ist als die Steigung im Intervall OA'. Wird die Einsatzmenge des ersten Faktors über D' hinaus erhöht, bleibt der Gesamtertrag konstant. Der Grenzertrag ist Null. Der Durchschnittsertrag sinkt und nähert sich asymptotisch der Abszisse (siehe Abbildung 11.10). Abb. 11.10 χ V.

dx dv,

0

X. V,

Ä

D'

V.

Wenn, wie in Abbildung 11.11a mehr als zwei Produktionsprozesse zur Verfügung stehen, ergibt sich eine Gesamtertragskurve (Abbildung 11.11b) mit einer entsprechend größeren Anzahl jeweils linearer Streckenzüge.

278

Die Emagsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Abb. 11.11 a)

4.

Die Ertragsfunktion bei kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren

Bei den Produktionsfunktionen mit kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren haben wir mehrere Untergruppen unterschieden. Wir betrachteten zunächst jene Produktionsfunktionen, bei denen die Produktionsfaktoren unbegrenzt (aber nicht vollständig) substituiert werden können. Die Isoquanten nähern sich asymptotisch den Achsen. Wir analysieren ausschließlich homogene Produktionsfunktionen, da sich nur bei diesen allgemeine Aussagen über den Verlauf der Ertragskurven ableiten lassen. In Abbildung 11.12 werden zwei Isoquanten einer Produktionsfunktion mit unbegrenzter Substituierbarkeit der Faktoren dargestellt. Betrachten wir einen beliebigen Produktionspunkt P, der auf der Isoquanten x, liegt. Man erkennt, daß der Output steigt, wenn bei Konstanz der Einsatzmenge des einen Faktors die Einsatzmenge des anderen Faktors erhöht wird. Wird zum Beispiel bei konstanter Einsatzmenge OB des zweiten Faktors die Einsatzmenge des ersten Fak-

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Abb. 11.12

279

v,2

Β 0

χ.2 A

ν

tors erhöht, gelangt man auf eine höhere Isoquante. Das bedeutet, daß bei beliebiger Ausgangssituation die Grenzprodukte beider Faktoren stets positiv sind. Bei unbegrenzt substituierbaren Faktoren ist also stets f, > 0 und f 2 > 0. a.

Die Gesamtertragsfunktion bei linear-homogenen Produktionsfunktionen und unbegrenzter Substituierbarkeit der Faktoren

Wir betrachten zunächst den Spezialfall der linear-homogenen Produktionsfunktion. Bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion führt eine proportionale Faktorvariation zu einer gleich großen proportionalen Veränderung des Outputs. Wird also die Einsatzmenge der beiden Faktoren eins und zwei verdoppelt, verdoppelt sich auch der Output. Bei unbegrenzter Substituierbarkeit ist das Grenzprodukt der beiden Faktoren positiv. Sie tragen beide zu der Erhöhung des Outputs auf das Doppelte bei. Wenn bei partieller Faktorvariation nur die Einsatzmenge eines Faktors verdoppelt wird, die Einsatzmenge des anderen Faktors aber konstant ist, kann der Ertrag nur unterproportional steigen, da der Betrag, den der zweite Faktor zur Erhöhung des Outputs bei proportionaler Faktorvariation leistet, nun entfällt. Fazit: Ist die Produktionsfunktion linear-homogen und sind die Faktoren unbegrenzt substituierbar, so steigt der Output bei partieller Faktorvariation stets nur unterproportional zur Einsatzmenge des variablen Faktors. Die Gesamtertragsfiinktion ist durch von Anfang an sinkende Ertragszuwächse und durch ein kontinuierlich sinkendes Durchschnittsprodukt charakterisiert. Man spricht in diesem Fall auch vom neoklassischen Ertragsgesetz. Die Gesamtertragskurve bei neoklassischem Ertragsgesetz hat den in Abbildung 11.13 gezeigten Verlauf.

280

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Abb. 11.13

Das Ergebnis kann auch mit Hilfe von Abbildung 11.14 bewiesen werden. Abb. 11.14

In Abbildung 11.14 ist OB = 1,5 OA und OC = 2 OA. Die Ursprungsgerade schneidet die Isoquanten x,, x 2 und x3 in den Punkten Α, Β und C. Da die Produktionsfunktion linear-homogen ist, ist der Output in Β 1,5 mal so groß wie in Α und der Output in C zweimal so groß wie in A. Repräsentiert also zum Beispiel die χ,-Isoquante einen Output von zehn, so ist x 2 = 15 und x3 = 20. Es ist also x 2 -x, = x 3 -x 2 . Da die Isoquanten homogener Produktionsfunktionen von einer Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten werden, ist die Steigung der Isoquante X[ in Α gleich der Steigung der Isoquante x3 in C. Die eingezeichneten Tangenten an die x,- und die x 3 -Isoquanten haben daher die gleiche Steigung. Daraus folgt, daß die Dreiecke AFB und BCH deckungsgleich sind. Sie stimmen in allen Winkeln und der Länge der Seiten AB und BC überein. Das bedeutet, daß FB = BH ist. Folglich ist GB < BI. Wird nun bei konstanter Einsatzmenge OD des zweiten Faktors die Einsatzmenge des ersten Faktors von G aus um Δν = GB erhöht, so steigt der Output um Δχ = x 2 -x,. Soll von Β aus die Produktion um den gleichen Betrag Δχ = x 3 -x 2 erhöht werden, so ist ein größerer zusätzlicher Faktoreinsatz erforderlich. Anders formuliert: Wird die Einsatzmenge von Β aus um Δν = GB erhöht, ist der Produktionszuwachs geringer als x 2 - x,. Bei partieller Faktorvariation kommt es also zu sinkenden Ertragszuwächsen. Das gilt für jede beliebige Ausgangssitution. Die Ertragsfunktion bei partieller

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

281

Faktorvariation ist durch von Anfang an sinkende Grenzerträge und Durchschnittserträge charakterisiert, wenn die Produktionsfunktion linear-homogen ist und die Isoquanten sich asymptotisch den Achsen nähern. Daß bei linear-homogenen Produktionsfunktionen mit unbegrenzter Substituierbarkeit der Faktoren der Durchschnittsertrag stets sinkt, ergibt sich auch aus Eulers Theorem: f,v, + f 2 v 2 = x

Da bei unbegrenzt substituierbaren Produktionsfaktoren f 2 stets positiv ist, ist der Ausdruck auf der linken Seite positiv. Also ist x/v, > f,: Das Grenzprodukt des ersten Faktors ist kleiner als das Durchschnittsprodukt. Das bedeutet, daß das Durchschnittsprodukt sinkt. b.

Die Gesamtertragsfunktion bei unter- und überlinear-homogenen Produktionsfunktionen mit unbegrenzter Substituierbarkeit der Faktoren

Wenn die Produktionsfunktion unterlinear-homogen ist, gilt das gerade für den Fall linear-homogener Produktionsfunktionen abgeleitete Ergebnis a fortiori. Der Gesamtertrag steigt bei partieller Faktorvariation unterproportional, weil das selbst bei linear-homogenen Produktionsfunktionen so ist und weil die Unterlinearität bedeutet, daß selbst bei proportionaler Faktorvariation der Ertrag nur unterproportional steigt. In Abbildung 11.14 bedeutet das: Selbst wenn der Einsatz des Faktors eins von Β aus um BI erhöht würde, wäre der Ertragszuwachs x3-x2 kleiner als der Ertragszuwachs x 2 -x„ der sich ergibt, wenn der Faktoreinsatz von G um GB erhöht wird. Außerdem gilt auch jetzt, daß BI > GB ist. Fazit: Die Gesamtertragsfunktion ist durch von Anfang an sinkende Grenzerträge und sinkende Durchschnittserträge charakterisiert. Ist die Produktionsfunktion überlinear-homogen, lassen sich keine allgemeinen Aussagen über den Verlauf der Gesamtertragskurve machen. Es ist möglich, daß sich auch in diesem Fall bei partieller Faktorvariation eine Gesamtertragskurve mit dauernd sinkenden Ertragszuwächsen ergibt. Die Gesamtertragskurve kann aber auch durch steigende Ertragszuwächse charakterisiert sein. Die Tendenz zu sinkenden Ertragszuwächsen kann überkompensiert werden durch die Überlinearität der Produktionsfunktion. In Abbildung 11.14 bedeutet die Überlinearität der Produktionsfunktion, daß x3-x2 größer ist als X2-X). Es kann also sein, daß (x3-x2)/BI größer ist als (x2-x,)/GB. Je größer der Homogenitätsgrad der Funktion ist und je weniger gekrümmt die Isoquanten verlaufen (je größer also die Substitutionselastizität ist), um so eher ist ceteris paribus mit zunehmenden Ertragszuwächsen zu rechnen.1 Abbildung 11.15 zeigt zwei mögliche Verläufe der Gesamtertragskurven.

1

Zunehmende Ertragszuwächse sind außerdem um so wahrscheinlicher, je größer die Produktionselastizität des variablen Faktors ist.

282

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Abb. 11.15

c.

Die Ertragsfunktion bei begrenzt substituierbaren Produktionsfaktoren und umschlagenden Isoquanten

Wir haben bisher nur erörtert, welche Ertragsfunktionen sich ergeben, wenn sich die Isoquanten asymptotisch den Achsen nähern. In diesem Fall ist das Grenzprodukt beider Faktoren stets positiv. Es wurde bereits erläutert, daß auch bei kontinuierlich substituierbaren Produktionsfaktoren der Substitutionsbereich begrenzt sein kann. Die Isoquanten können sich asymptotisch achsenparallelen Geraden nähern. Die Isoquanten können aber auch "umschlagen", daß heißt, sie können sich einer achsenparallelen Geraden im Substitutionsbereich nähern und sich dann zurückbiegen. Auch Produktionsfunktionen mit umschlagenden Isoquanten können homogen sein. Die Isoquanten werden dann von einer Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten. Im folgenden wird analysiert, welche Ertragsfunktion sich ergibt, wenn die Isoquanten sich zurückbiegen und die Produktionsfunktion linear-homogen ist. In Abbildung 11.16 schneidet eine Ursprungsgerade die Isoquanten x, und x2 dort, wo die Isoquanten parallel zur v2-Achse verlaufen. Das Grenzprodukt des zweiten Faktors ist an den Stellen, an denen eine Isoquante von dieser Ursprungsgeraden geschnitten wird, also in den Punkten Α und B, gleich Null. Im Bereich links der Ursprungsgeraden, im Bereich ineffizienten Faktoreinsatzes, ist das Grenzprodukt des zweiten Faktors negativ. Der Output könnte erhöht werden, wenn bei konstanter Einsatzmenge des ersten Faktors die Einsatzmenge des zweiten Faktors gesenkt würde. In Abbildung 11.16 ist OB gleich 2 OA. Der Output, der durch die Isoquante x2 repräsentiert wird, ist also doppelt so groß wie der Output x,. Die Einsatzmenge des zweiten Faktors ist v2 und kann nicht variiert werden. Um mit diesem Bestand von V2 x, Einheiten herzustellen, müssen OD Einheiten des ersten Faktors eingesetzt werden. Wird die Einsatzmenge des ersten Faktors um DE Einheiten auf OE erhöht, verdoppelt sich der Output, da x2 gleich 2x, ist. Da jedoch DE kleiner als OD ist, steigt der Durchschnittsertrag des ersten Faktors. Es gibt also bei partieller Faktorvariation und linear-homogener Produktionsfunktion jetzt einen Bereich steigender Durchschnittserträge. Wird der Einsatz des ersten Faktors über OE hinaus erhöht, gelangt man in den Substitutionsbereich. Das Grenzprodukt des zweiten Faktors, das in Β gleich Null ist, wird positiv. Bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion bedeu-

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

Abb. 11.16

283

v.2

V.2

0

X2

D

Ε

ν

tet dies, daß der Durchschnittsertrag des ersten Faktors sinkt. Die Gesamtertragskurve, die sich bei partieller Faktorvariation ergibt, weist also zunächst steigende, dann sinkende Durchschnittserträge auf. Sie hat den in Abbildung 11.17 dargestellten Verlauf. Abb. 11.17

χ

0

Ε

ν

Der Durchschnittsertrag steigt, bis die Menge OE des ersten Faktors eingesetzt wird und sinkt danach. Der Durchschnittsertrag erreicht bei der Faktoreinsatzmenge OE ein Maximum. Im Maximum des Durchschnittsertrags ist der Durchschnittsertrag gleich dem Grenzertrag. Die Gesamtertragskurve hat in W einen Wendepunkt. Der Grenzertrag steigt, bis die dem Punkt W entsprechende Faktormenge eingesetzt wird; danach sinkt er. Der Grenzertrag erreicht also in W ein Maximum. In Abbildung 11.17 bedeutet dies, daß der Grenzertrag des ersten Faktors schon wieder sinkt, bevor der Punkt Β erreicht wird. Wenn die Gesamtertragskurve den in Abbildung 11.17 dargestellten S-förmigen Verlauf hat, sagt man, die Ertragskurve weise einen ertragsgesetzlichen Verlauf auf, oder der Verlauf entspreche dem klassischen Ertragsgesetz. Nach diesem "Gesetz" führt die kontinuierliche Erhöhung der Einsatzmenge eines Faktors bei partieller Faktorvariation zunächst zu steigenden, dann zu sinkenden und schließlich zu negativen Ertragszuwächsen. Eulers Satz erlaubt es, die abgeleiteten Ergebnisse zu überprüfen. Es gilt

284

Die Ertragsfunktion als Ausschnitt aus der Produktionsfunktion

f,v, + f 2 v 2 = x

Im Bereich links der Ursprungsgeraden in Abbildung 11.17 ist f 2 < 0. Daraus folgt, daß die linke und die rechte Seite der letzten Gleichung negativ sind. Also ist

Wenn aber der Grenzertrag größer als der Durchschnittsertrag ist, steigt der Durchschnittsertrag. Der Durchschnittsertrag steigt, bis die Menge 0E des ersten Faktors eingesetzt wird. In Β bei einem Faktoreinsatz 0E ist f 2 = 0. Daraus folgt, daß der Grenzertrag des ersten Faktors gleich dem Durchschnittsertrag ist. Der Durchschnittsertrag des ersten Faktors erreicht bei der Faktoreinsatzmenge 0E daher sein Maximum. Werden mehr als 0E Einheiten des ersten Faktors eingesetzt, ist f 2 > 0 . Also ist f, < x/Vj. Der Durchschnittsertrag sinkt. Ein ertragsgesetzlicher Verlauf kann sich auch ergeben, wenn die Produktionsfunktion unterlinear-homogen oder überlinear-homogen ist. Bei einer unterlinearhomogenen Produktionsfunktion ergibt sich ein ertragsgesetzlicher Verlauf, wenn die Unterlinearität nicht verhindert, daß es im Anfangsbereich ( f 2 < 0 ) zu steigenden Durchschnittserträgen kommt. Aus einer überlinear-homogenen Produktionsfunktion ergibt sich bei partieller Faktorvariation ein ertragsgesetzlicher Verlauf, wenn es im Substitutionsbereich zu sinkenden Durchschnittserträgen kommt. Literaturhinweise zum elften Kapitel Siehe zehntes Kapitel.

Zwölftes Kapitel Die Kosten A. Die langfristige Kostenfunktion 1. Die Kostengleichung Langfristig kann das Unternehmen die Einsatzmengen aller Faktoren variieren. In einem Modell mit zwei Faktoren bedeutet dies, daß sowohl die Menge des ersten Faktors als auch die des zweiten Faktors beliebig variiert werden können. Das Unternehmen kauft die Faktoren (oder die Faktorleistungen) zu den Marktpreisen q, und (fe. Die Kosten sind K - q ^ + cfcVj Wir nennen dies die Kostengleichung. Löst man die Kostengleichung nach v2 auf, erhält man:

Bei gegebener Kostensumme Κ ist durch die Kostengleichung in der Inputfläche eine Isokostenlinie bestimmt, die der geometrische Ort aller Faktorkombinationen ist, die mit gegebener Kostensumme gekauft werden können. Abb. 12.1 Κ sK=q,vi+q2v2

Κ *7 Der Schnittpunkt der Isokostenlinie mit der Abszisse ist K/q,. Das ist die Zahl der Einheiten des Faktors V„ die gekauft werden können, wenn die gesamte Kostensumme für den ersten Faktor ausgegeben wird. Analog mißt der Ordinatenabschnitt KAfe die Zahl der Einheiten, die maximal von V2 gekauft werden können. Die durch tan α gemessene Steigung der Kostenlinie ist - q , ^ . Für alternative Werte von Κ ergeben sich weitere Isokostengeraden, die bei konstanten Faktorpreisen parallel sind. Weiter vom Ursprung entfernte Isokostengeraden repräsentieren höhere Kosten.

Die Kosten

286

2.

Die langfristige Kostenfunktion bei limitationalen Produktionsfunktionen

Die Kostenfunktion gibt an, wie groß die Kosten mindestens sind, um alternative Mengen eines Gutes zu produzieren. Ist die Produktionsfunktion limitational, so werden die Kosten nur minimiert, wenn eine effiziente Faktorkombination gewählt wird. In Abbildung 12.2 bedeutet dies, daß alternative Gütermengen jeweils mit den Faktorkombinationen produziert werden, die durch die Eckpunkte der Isoquanten gegeben sind. Abb. 12.2

v2i

\

\

ν q Soll die Menge x 2 produziert werden, so entstehen mindestens Kosten in Höhe von K,. Diese werden durch die Isokostenlinie K, angegeben. Mit dieser Kostensumme werden die dem Eckpunkt Ρ entsprechenden Mengen OA von V, und OB von V 2 gekauft und als Inputs eingesetzt. Jeder andere Punkt auf der x2 Isoquanten liegt auf einer weiter vom Ursprung entfernten Isokostenlinie, die eine höhere Kostensumme repräsentiert. Man erkennt aus Abbildung 12.2 auch, daß die kostenminimale Faktorkombination nicht von den Faktorpreisen abhängt. Wenn zum Beispiel die Isokostenlinie so steil verliefe wie die gestrichelte Gerade in Abbildung 12.2, wäre dennoch Ρ die kostenminimale Faktorkombination. Kostenminimierung bedeutet also, daß unabhängig von den Faktorpreisen stets im Eckpunkt der Isoquanten produziert wird. Die Produktionskoeffizienten a, und a2 geben an, welche Mengen der Faktoren pro Outputeinheit mindestens eingesetzt werden müssen. Es sind a, = v,/x und a 2 = v/x. Die Zahl der Faktoreinheiten, die mindestens benötigt werden, um χ Einheiten herzustellen, sind v, = a,x

und

v2 = a ^

Ersetzt man in der Kostengleichung K = q,v, + q2v2 V! durch a,x und v2 durch a2x, erhält man die Kosten als Funktion von x.

Die Kosten

287

K = q,a,x + q2a2x Diese Kostenfunktion gibt an, wie hoch langfristig die Kosten mindestens sind, um alternative Mengen von X herzustellen. Es ist die gesuchte langfristige Kostenfunktion. Sind zum Beispiel q, = 4, = 6, a, = 0,5 und a2 = 0,25, so erhält man als langfristige Kostenfunktion: Κ = 4 · 0,5x + 6 · 0,25x Κ = 3,5x Die langfristige Kostenfunktion ist in einem Diagramm, in dem auf der Abszisse die produzierte Menge und auf der Ordinate die Kosten abgetragen werden, eine Ursprungsgerade, wie sie Abbildung 12.3a zeigt. Die langfristige Durchschnittskostenkurve und die langfristige Grenzkostenkurve fallen zusammen und stellen eine Parallele zur Mengenachse dar.1

3.

Die langfristige Kostenfunktion bei mehr als einem linear-limitationalen Produktionsprozeß

Steht mehr als ein Produktionsprozeß zur Verfügung, wird langfristig jener Produktionsprozeß gewählt, mit dem alternative Mengen von X am kostengünstigsten hergestellt werden können. Welcher Produktionsprozeß kostengünstiger ist, hängt von den Faktorpreisen ab. In Abbildung 12.4 stehen die Produktionsprozesse I und II zur Verfügung. K, und K2 sind zwei Isokostengeraden, deren Steigung Ausdruck des unterschiedlichen Faktorpreisverhältnisses ist. Wegen tan α > tan β ist bei K, das Faktorpreisverhältnis q,/q2 größer als bei K2. Ist das Faktorpreisverhältnis gleich tan α, ist Produktionsprozeß I kostengünstiger als Produktionsprozeß II. Gibt tan β das Faktorpreisverhältnis wieder, wird Produktionsprozeß II gewählt. Wenn a„ und a21 die Produktionskoeffizienten sind, die angeben, welche Mengen der Faktoren V, und V2 pro Ausbringungseinheit mindestens eingesetzt werden müssen, wenn Produktionsprozeß I gewählt wird, so sind

1

Die Durchschnittskosten sind die Kosten pro ausgebrachter Einheit. Die Grenzkosten sind die zusätzlichen Kosten pro zusätzlich produzierter Einheit. Vgl. H. Demmler. Einführung in die Volkswirtschaftslehre. München-Wien 1990, S. 133 - 145.

Die Kosten

288

v, = a n x

und

v^a^x

die Faktormengen, die mindestens eingesetzt werden müssen, um eine bestimmte Menge von X mit Hilfe des ersten Produktionsprozesses herzustellen. Es sind v,=a 1 2 x

und

v 2 = a^x

die Faktormengen, die benötigt werden, um eine bestimmte Menge von X mit Hilfe des zweiten Produktionsprozesses herzustellen. Langfristig wird das kostengünstigere Produktionsverfahren gewählt. Die langfristige Kostenfunktion ist Κ = ητίη^,,ς,χ + a21q2x; a ^ x + a^c^x) Wenn also zum Beispiel die Faktorpreise q, = 3 und qz = 2 sind und die Produktionskoeffizienten aM = 2, a2i = 2, a12 = 3 und a22 = 1 sind, erhält man Κ = min(2· 3x + 2 · 2x; 3 · 3x + 1 ·2χ) K = min(10x, l l x ) K = lOx Die langfristige Kostenkurve ist wie bei der linear-limitationalen Produktionsfunktion eine Ursprungsgerade. Die Kurve der langfristigen Durchschnittskosten ist eine Parallele zur Mengenachse. Die langfristigen Grenzkosten sind gleich den langfristigen Durchschnittskosten.

289

Die Kosten

4. Die langfristige Kostenfunktion bei substitutionalen Produktionsfaktoren a.

Die graphische Bestimmung der Minimalkostenkombination

Die Minimalkostenkombination soll mit Hilfe von Abbildung 12.5 bestimmt werden, in der die χ,-Isoquante der geometrische Ort aller Faktorkombinationen ist, mit denen die Menge x, hergestellt werden kann. Abb. 12.5

Es ist jene Faktorkombination zu bestimmen, mit der die Menge x, am kostengünstigsten produziert wird. Die Höhe der Kosten hängt von den Faktorpreisen ab. Die kostenminimale Faktorkombination wird durch das Faktorpreisverhältnis bestimmt, das durch tan α gemessen wird. Der Punkt P, in dem die Isokostengerade die χ,Isoquante tangiert, repräsentiert die gesuchte Minimalkostenkombination. Bei jeder anderen Faktorkombination, mit der man die Menge x, herstellen kann, sind die Kosten höher. Wenn zum Beispiel die dem Punkt C entsprechende Faktorkombination gewählt würde, wäre man auf einer Isokostengeraden, die weiter vom Ursprung entfernt ist. Die Kosten wären höher. In Ρ ist die Steigung der Isoquanten gleich der Steigung der Isokostenlinie. Die Steigung der Isoquante ist dvj/dv,; die Steigung der Isokostengeraden ist das negative Faktorpreisverhältnis. dv2 dvi dv2 "d^

qi qz .Si Q2

Die letzte Gleichung besagt: Bei kostenminimaler Produktion ist die Grenzrate der technischen Substitution gleich dem reziproken Faktorpreisverhältnis. Wegen dv, "dv,

f,

290

Die Kosten

können wir auch schreiben: £1 = qi f2~q2 Bei kostenminimaler Produktion ist das Grenzproduktverhältnis gleich dem Faktorpreisverhältnis. Die letzte Gleichung kann auch als qi=q2 f.

fl

geschrieben werden. Diese Bedingung besagt, daß der Quotient aus dem Preis eines Faktors und dessen Grenzprodukt für alle Produktionsfaktoren gleich ist, wenn die Minimalkostenkombination verwirklicht wird. Da f, das Grenzprodukt des ersten Faktors ist; gibt 1/f, die Zahl der Einheiten des ersten Faktors an, die zusätzlich eingesetzt werden müssen, um eine zusätzliche Einheit von X herzustellen. Ist zum Beispiel das Grenzprodukt des ersten Faktors gleich zwei, so benötigt man 1/2 Einheit des ersten Faktors, um eine zusätzliche Einheit von X herzustellen. Folglich sind q, · 1/fj die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn der Output um eine Einheit erhöht wird, indem man den ersten Faktor verstärkt einsetzt. Man bezeichnet diese zusätzlichen Kosten als partielle Grenzkosten (partiell, weil die Outputerhöhung durch Steigerung der Einsatzmenge nur eines Faktors bewirkt wird). Analog gibt q ^ die zusätzlichen Kosten an, die sich ergeben, wenn der Output durch verstärkten Einsatz des zweiten Faktors um eine Einheit erhöht werden soll. Die Bedingung

fl

f2

bedeutet also, daß die partiellen Grenzkosten einander gleich sind, wenn die Minimalkostenkombination realisiert wird. Wenn der Output um eine (sehr kleine) Einheit erhöht werden soll, ist es gleichgültig, welcher Faktor variiert wird. Die Quotienten aus Faktorpreis und Grenzprodukt geben an, mit welcher Rate die Kosten zunehmen, wenn bei jedem Output die Kosten minimiert werden und alle Inputs variabel sind. Deshalb sind qi = q z f. " f 2

die langfristigen Grenzkosten (LGK).

Die Kosten

291

b. Algebraische Ableitung der notwendigen Bedingung für kostenminimalen Faktoreinsatz Das Unternehmen, dessen Ziel es ist, die Kosten für eine bestimmte Produktionsmenge zu minimieren, unterliegt der Restriktion, die durch die Produktionsfunktion gegeben ist. Im _Zweifaktorenmodell sollen die Kosten K = q,v,-Kj2v2 unter der Nebenbedingung χ = f(v„ v2) minimiert werden. Die Lagrangefunktion lautet: L = q,v, + qjV2+λ[χ - f ^ v j ] Als Bedingung erster Ordnung fur ein Kostenminimum erhält man: (1)

L^q.-Xf^O^q^f,

(2)

LV2 = q 2 -Xf 2 = 0=>q 2 = f 2

(3)

Lx = x-f(v„v 2 ) = 0=>x = f(v„v 2 )

Aus (1) und (2) erhält man durch Division: qi = £i q2 f 2 Das ist die zuvor bereits graphisch abgeleitete Bedingung für eine Minimalkostenkombination. Der (optimale) Wert von λ gibt die Änderung des optimalen Zielfunktionswertes an, wenn χ um eine Einheit steigt. In unserem Fall gibt λ die Rate an, mit der die Kosten zunehmen, wenn der Output um eine Einheit erhöht wird, λ ist Ausdruck der langfristigen Grenzkosten. ,

dK=qi=qz dx ~ f[ ~ f 2

Diese Erkenntnis folgt auch aus der folgenden Überlegung. Es ist dK = q,dv1 + q2dv2 Aus (1) und (2) ersieht man, daß q! = λί, Durch Einsetzen erhält man:

und q2 = λί2

292

Die Kosten

dK=X(f 1 dv, + f2dv2) Wegen erhält man:

c.

f,dv, + f 2 dv 2 = dx dK = Xdx

Von der Minimalkostenkombination zur langfristigen Kostenfunktion: Der Expansionspfad

Durch die Minimalkostenkombination ist jene Faktorkombination bestimmt, die es ermöglicht, eine bestimmte Menge mit minimalen Kosten zu produzieren. Die kostenminimalen Faktormengen sind eine Funktion des Outputs und der Faktorpreise. Vi=f(qi,q2,---,qn>*) Es fragt sich, wie sich die kostenminimalen Faktormengen ändern, wenn bei konstanten Faktorpreisen alternative Mengen von X hergestellt werden. In Abbildung 12.6 sind P„ P2, P 3 und P4 die optimalen Faktorkombinationen bei Produktion der Mengen x,, x2, x3 und x4. Die minimalen Kosten sind K„ K2, K 3 und K 4 . Die Verbindungslinie aller Minimalkostenkombinationen heißt Expansionspfad. Abb. 12.6

Der Expansionspfad in Abbildung 12.6 hat eine positive Steigung; die Einsatzmenge beider Faktoren nimmt zu, wenn die von X erzeugte Menge steigt. Beide Inputs sind normal. Wenn in einem bestimmten Intervall bei konstanten Faktorpreisen die Einsatzmenge eines Faktors mit steigendem Output sinkt, ist der Faktor in dem betrachteten Intervall inferior.

Die Kosten

293

Bei homothetischen Produktionsfunktionen werden die Isoquanten von einer Ursprungsgeraden in Punkten gleicher Steigung geschnitten. Es gilt auch die Umkehrung: Verbindet man Punkte gleicher Isoquantensteigung, so erhält man eine Ursprungsgerade, wenn die Produktionsfunktion homothetisch ist. Da bei konstanten Faktorpreisen die Isoquanten von den Isokostengeraden stets in Punkten gleicher Steigung tangiert werden, ist der Expansionspfad bei allen homothetischen Produktionsfunktionen eine Ursprungsgerade. Das Faktoreinsatzverhältnis ändert sich nicht, wenn die Produktionsmenge steigt. Nur wenn sich das Faktorpreisverhältnis ändert, verändert sich das Mengenverhältnis, in dem die Inputs eingesetzt werden. Die algebraische Ableitung des Expansionspfades sei am Beispiel der linearhomogenen Produktionsfunktion X

= VV1 • V2

erläutert. Es ist c c f , = r\0,5 · v,-0,5 · v0,52 ; r f 2 =f\ 0,5 · 0,5 v, · -0,5 v2

f, = V2 f 2 V! Notwendige Bedingung für kostenminimale Produktion ist

f 2 q2 Man erhält: v2 qi qi — = — => v2 = —· v, v, q2 q2 als Gleichung des Expansionspfades. Bei konstanten Faktorpreisen ist der Expansionspfad eine Ursprungsgerade. Die langfristige Kostenfunktion Der funktionale Zusammenhang zwischen dem Output und der Höhe der langfristigen Kosten, den Abbildung 12.6 zeigt, kann in eine Graphik übertragen werden, in der auf der Abszisse die Produktionsmenge und auf der Ordinate die langfristigen Gesamtkosten abgetragen werden. Der Kostenverlauf ist bei konstanten Faktorpreisen ausschließlich durch die zugrundeliegende Produktionsfunktion bestimmt. Abbildung 12.7 zeigt eine langfristige Kostenfunktion, bei der bis zur Menge x3 die Kosten unterproportional zum Output steigen. Definiert man die Elastizität der Kosten in bezug auf den Output (ErJ als relative Kostenänderung dividiert durch relative Mengenänderung

294

Die Kosten

_dK dx _ d K x_ ^ " K ' x ' d x Κ so ist in Abbildung 12.7 die Elastizität der Kosten in bezug auf den Output bis zur Menge x3 kleiner als eins. Abb. 12.7

Die langfristige Durchschnittskostenkurve (LDK) und die langfristige Grenzkostenkurve (LGK) in Abbildung 12.7b sind aus der langfristigen Gesamtkostenkurve in Abbildung 12.7a abgeleitet worden. Die langfristigen Durchschnittskosten bei der Produktion der Menge x, (K/x,) sind in Abbildung 12.7a gleich der Steigung der Geraden OA, die den Ursprung mit dem der Ausbringungsmenge x, zugeordneten Punkt Α auf der langfristigen Kostenkurve verbindet. Mit wachsender Ausbringungsmenge nimmt die Steigung ab, bis bei der Ausbringungsmenge x3 der P u n k t e erreicht wird. Nimmt die Menge weiter zu, wird die Steigung größer. Das bedeutet: Die langfristige Durchschnittskostenkurve in Abbildung 12.7b verläuft u-förmig; sie sinkt bis zur Menge x3, hat dort ein Minimum und steigt dann. Die langfristigen Grenzkosten (LGK) sind die zusätzlichen Kosten, die pro Ausbringungseinheit entstehen, wenn stets die Minimalkostenkombination realisiert wird. Graphisch sind sie gleich der Steigung der Gesamtkostenkurve in Abbildung 12.7a. Da die Steigung der Gesamtkostenkurve bis zur Menge x2 abnimmt und dann steigt, hat die langfristige Grenzkostenkurve bei der Menge x2 ein Minimum. Sie schneidet die langfristige Durchschnittskostenkurve bei der Menge x3, weil bei dieser Menge eine Ursprungsgerade zugleich Tangente an die Gesamtkostenkurve ist, die Durchschnittskosten also gleich den Grenzkosten sind.

Die Kosten

295

Schreibt man die Elastizität der Kosten in bezug auf den Output als

e &

_dK Κ ~dx:x

so erkennt man, daß dies gleich dem Quotienten aus langfristigen Grenzkosten und langfristigen Durchschnittskosten ist.

ε&

LGK ~ LDK

Da die Elastizität der Kosten bis zur Menge x 3 kleiner als eins ist, sind bis zur Menge x3 die langfristigen Grenzkosten kleiner als die langfristigen Durchschnittskosten. Das impliziert, daß die LDK bis zur Menge x 3 sinken. Ist χ > x 3 , so ist die Elastizität der Kosten in bezug auf den Output größer als eins; die Grenzkosten sind also größer als die Durchschnittskosten. Das bedeutet, daß die Durchschnittskosten steigen. Der Kehrwert der Elastizität der Kosten in bezug auf den Output, der Quotient aus Durchschnittskosten und Grenzkosten, wird auch als Größenelastizität (elasticity of size) bezeichnet. 1 Es ist LDK "LGK Man sagt, es lägen Größenersparnisse (economies of size) vor, wenn I > 1 ist. In diesem Fall sind die Grenzkosten kleiner als die Durchschnittskosten. Die Durchschnittskosten sinken mit wachsender Ausbringungsmenge (mit wachsender Betriebsgröße). Umgekehrt steigen die Durchschnittskosten mit wachsendem Output, wenn I < 1 ist. Wir sind bei unseren Überlegungen stets davon ausgegangen, daß die Faktorpreise für das Unternehmen ein Datum sind; sie ändern sich nicht, wenn die Faktornachfrage erhöht oder vermindert wird. Graphisch wurden die Kosten als Funktion des Outputs dargestellt. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß die Kosten nur vom Output, nicht aber von den Faktorpreisen abhängig sind. Faktorpreisänderungen fuhren graphisch zur Verschiebung der Kostenkurve. Die langfristige Kostenfunktion ist K = f(q„q2

0), so ist tq,/tq2 = q,Afc. Die Steigung der Isokostenlinie und die gewinnmaximale Faktorkombination ändern sich nicht. Eine gegebene Menge von X wird also nach der proportionalen Faktorpreisänderung mit der gleichen Faktorkombination hergestellt. Ist allgemein q der Vektor der Faktorpreise, so ist K(tq,x) = tK(q,x) Die Kostenfunktion ist eine linear-homogene Funktion der Faktorpreise. Graphisch verschiebt sich die langfristige Gesamtkostenkurve bei jeder Ausbringungsmenge vertikal nach Maßgabe von t. Der vertikale Abstand der neuen Kostenkurve von der Abszisse ist bei jedem Output t mal so groß wie in der Ausgangssituation. Das gleiche gilt auch für die langfristige Durchschnittskostenkurve. Da die Grenzkosten gleich q ^ sind, verändern sie sich bei einer proportionalen Faktorpreisänderung zu tq,/f;. Graphisch bedeutet dies, daß auch der vertikale Abstand der langfristigen Grenzkostenkurve von der Abszisse nach einer proportionalen Faktorpreisänderung t mal so groß ist wie zuvor. Es ist schwieriger zu ermitteln, wie sich die Kosten verändern, wenn sich die Faktorpreise nicht proportional ändern. Nehmen wir an, daß in unserem Zweifaktorenmo-

Die Kosten

299

dell der Preis des ersten Faktors bei konstantem Preis des zweiten Faktors steigt. Es ist unmittelbar einsichtig, daß die Kosten nach der Faktorpreiserhöhung bei jeder Ausbringungsmenge höher sind. In Abbildung 12.11 ist Ρ die Minimalkostenkombination in der Ausgangssituation. Wenn der Preis des ersten Faktors steigt, dreht sich die Isokostenlinie im Uhrzeigersinn um A. Mit der gegebenen Kostensumme OA • c^ kann statt der Menge x, nur noch die kleinere Menge x' hergestellt werden, die vor der Faktorpreissteigerung mit geringeren Kosten erzeugt werden konnte. Wird nach der Faktorpreissteigerung die Menge x, produziert, steigen die Kosten um AC · wenn die Menge Xi mit dem Faktorbündel erzeugt wird, das durch den Punkt Ρ repräsentiert wird. Doch ist nach der Faktorpreiserhöhung P' und nicht Ρ die Minimalkostenkombination. Der Übergang von Ρ nach P' stellt den Substitutionseffekt der Faktorpreissteigerung dar. Die Kosten, um x, Einheiten zu erzeugen, sind um AB q2 höher als vor der Faktorpreissteigerung. Abb. 12.11

In Abbildung 12.12 werden die Kosten, die entstehen, um x, Einheiten zu produzieren, als Funktion des Faktorpreises q, dargestellt. Die Preise der anderen Faktoren sind konstant. Der Ausgangspreis ist q',. Der vertikale Abstand des Punktes S von der Abszisse gibt die Höhe der Kosten an, die entstehen, wenn bei dem Faktorpreis q', die Minimalkostenkombination verwirklicht wird. S ist ein Punkt auf der Kostenkurve K(q„q2, x,). Wenn der Preis des ersten Faktors von q', auf q" 2 steigt, steigen die Kosten um Aq · v„ wenn mit Hilfe des Faktorbündels produziert wird, das beim Faktorpreis q', kostenminimal ist. Der lineare Streckenzug RC gibt an, wie sich die Kosten ändern, wenn bei alternativen Werten von q[ stets mit Hilfe des Faktorbündels produziert wird, das bei dem Faktorpreis q', kostenminimal ist. Die Kosten sind dann bei dem Faktorpreis q " , um AC höher als beim Preis q*,. Tatsächlich steigen die Kosten nur dann um AC, wenn, wie bei limitationalen Produktionsfunktionen, Faktorsubstitution nicht möglich ist. Können die Faktoren substituiert werden, ist die Kostensteigerung geringer. In Abbildung 12.12 steigen die Kosten nur um AB, weil V, durch V2

Die Kosten

300

Abb. 12.12

K(q,)

s ^--Λκ yv

/ /

|

/

/

I I

/

q]

1 1 1 1 1 1 1 1 q;

S,

substituiert wird. Auch wenn der Faktorpreis q, niedriger ist als q',, verläuft die Kostenkurve unterhalb von RC, wenn Faktorsubstitution möglich ist. Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Kostenfunktion konkav in den Faktorpreisen ist. 1 In Abbildung 12.12 gibt der Streckenzug RC an, wie sich die Gesamtkosten ändern, wenn sich bei konstantem Faktorbündel der Preis eines Faktors ändert. In S ist die Steigung der Kostenkurve gleich der Steigung von RC. Die erste Ableitung von RC nach q, ist v,. Das bedeutet: Wenn die Kostenfunktion differenzierbar ist, ist δΚ^φ,.,.^,χ) τζ = v,(q„ qz oqi

q„. x)

Es ist Vj* die kostenminimale Menge des Faktors V^ V,x = f(q,, qj.—.q,,, χ) ist die kompensierte Faktornachfragefunktion. Die Aussage, daß die erste partielle Ableitung der Kostenfunktion (die eine Ausgabenfunktion ist) nach dem Preis eines Faktors die kompensierte Nachfragefunktion für diesen Faktor ergibt, ist als Shephards Lemma bekannt. Die Gesamtkosten sind nach einer Faktorpreiserhöhung bei jedem Output höher als vor der Preissteigerung. In Abbildung 12.13 verschiebt sich deshalb die Gesamtkostenkurve von K, nach K2. Das Ausmaß, in dem sich die Kostenkurve bei gegebener Faktorpreiserhöhung nach oben verschieben muß, hängt davon ab, wie groß bei kostenminimalem Faktoreinsatz der Anteil der Ausgaben für den teurer gewordene Faktor an den gesamten Kosten ist.2

1

Im ungünstigen Fall, wenn Faktorsubstitution nicht möglich ist, ist RC die Kostenkurve. Auch in diesem Fall ist die Kostenfunktion konkav, allerdings nicht streng konkav.

2

Die Elastizität der Kosten in bezug auf den Faktorpreis q, ist δΚ,δς,

δΚ q.

Die Kosten

Abb. 12.13

301

Κ

χ

ff

Wegen Shephards Lemma ist 6K/5q, = v,x(qlf q* x). Also ist £Kql = v, q,/K. Die Elastizität der Kosten in bezug auf den Faktorpreis ist ceteris paribus um so größer, je größer der Anteil der Ausgaben für den Faktor V, an den gesamten Kosten ist. Das bedeutet allerdings nicht, daß sich die Gesamtkostenkurve bei alternativen Ausbringungsmengen um den gleichen Prozentsatz nach oben verschiebt. Der Anteil der Ausgaben für einen Faktor kann mit der Produktionsmenge variieren. Die Ausbringungsmenge, bei der die langfristigen Durchschnittskosten ein Minimum haben, kann infolge einer Faktorpreiserhöhung sinken. Die Faktorpreiserhöhung kann bewirken, daß die Gesamtkostenkurve bei jedem Output steiler verläuft. Sie kann aber auch dazu fuhren, daß sie in einem bestimmten Intervall flacher verläuft. Die Grenzkosten sind dann in einem bestimmten Ausbringungsintervall nach der Faktorpreiserhöhung niedriger als vorher! In Abbildung 12.14 sind AA' und BB' zwei Isokostenlinien. Bei den Faktorpreisen der Ausgangssituation sind P, und P2 die Minimalkostenkombinationen, mit denen die Mengen x, und x2 hergestellt werden. Die Kosten, die mindestens anfallen, um x, herzustellen, sind OA · q^ die Kosten der Produktion von x2 sind OB · Die zusätzlichen Kosten ΔΚ, die entstehen, wenn die Produktion um Δχ = x2-x, Einheiten erhöht wird, sind AB · q^ Abb. 12.14

v2 D

C Β A

0

c'

b'

ν

302

Die Kosten

Wenn bei konstantem Preis des zweiten Faktors der Preis des ersten Faktors steigt, sind CC' und DD' die neuen Isokostenlinien. Die Kosten, um x, zu produzieren, sind 0C · % und somit um AC · (fc höher als in der Ausgangssituation. Die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Produktion von x, auf x 2 erhöht werden soll, sind CD • (j2. In Abbildung 12.14 ist CD kleiner als AB. Die zusätzlichen Kosten, um die Produktion um Δχ = χ 2 -χ, Einheiten zu erhöhen, sind in dem in Abbildung 12.14 dargestellten Fall nach der Faktorpreiserhöhung niedriger als vorher. Eine Faktorpreissteigerung kann also bewirken, daß die Grenzkosten in einem bestimmten Ausbringungsintervall sinken. Dies kann dazu führen, daß der Output steigt!1 6.

Die Substitutionselastizität

Wir hatten die Substitutionselastizität definiert als den Quotienten aus der relativen Veränderung des Faktoreinsatzverhältnisses v / v , und der relativen Änderung der Grenzrate der technischen Substitution. Da die Grenzrate der technischen Substitution gleich dem reziproken GrenzproduktivitätsVerhältnis ist, können wir schreiben:

°

_d(v 2 /vi)/(v2/vi)_d(v 2 /v 1 ) f./f 2 d(f,/f2)/(f,/f2) d(f,/fj) 'v 2 /v,

Werden die Kosten minimiert, so ist das Grenzproduktivitätsverhältnis gleich dem Faktorpreisverhältnis. Deshalb gilt bei Verwirklichung der Minimalkostenkombination: _d(v 2 /v,) q./cb d(qi/q2> v2/v, Die Substitutionselastizität mißt also, wie sich das Faktoreinsatzverhältnis ändert, wenn sich die Faktorpreise ändern. Je größer die Substitutionselastizität ist, um so größer ist die relative Änderung des Faktoreinsatzverhältnisses als Reaktion auf eine gegebene relative Änderung des Faktorpreisverhältnisses. B. Die kurzfristige Kostenfunktion Bei der Ableitung der langfristigen Kostenkurven wurde unterstellt, daß das Unternehmen jede gewünschte Faktorkombination realisieren kann. Die lange Periode wurde als der Zeitraum definiert, in dem die Einsatzmengen aller Faktoren beliebig variiert werden können. Im Gegensatz dazu wird die kurze Periode als der Zeitraum definiert, in dem die Einsatzmenge mindestens eines Faktors als Ergebnis früherer Entscheidungen fixiert ist. Im Zweifaktorenmodell bedeutet diese Annahme, daß die Einsatzmenge eines Faktors fixiert ist und nur die Menge des anderen Faktors variiert werden kann. Dies ist eine vereinfachende Annahme. Für jedes Unternehmen gibt es einen Zeitraum, der lang genug ist, um alle Faktoren zu variieren; es gibt aber nicht nur eine, sondern viele unterschiedlich lange und kurze Perioden, die sich hinsichtlich der Möglichkeiten, die Einsatzmengen der Faktoren zu variieren und in bezug auf die dabei entstehenden Transaktionskosten unterscheiden.

1

Man beachte, daß in Abbildung 12.14 der Faktor V, inferior ist.

Die Kosten

303

Statt der Annahme, daß kurzfristig die Einsatzmenge eines Faktors nicht variiert werden kann, kann man auch die schwächere Annahme machen, daß kurzfristig die Einsatzmenge eines Faktors zwar nicht erhöht, wohl aber vermindert werden kann. Diese schwächere Annahme führt in vielen Fällen dann zu dem gleichen Ergebnis, wenn durch Verminderung der Einsatzmenge die Kosten für den fixen Faktor nicht vermindert werden können, die Kosten also unvermeidbare "sunk costs" sind. Wenn im folgenden vereinfachend unterstellt wird, daß kurzfristig die Einsatzmenge der fixen Faktoren nicht variiert werden kann, wird nicht versucht, die Realität zu beschreiben. Wir bilden ein einfaches Modell, um bestimmte Zusammenhänge in möglichst einfacher Form analysieren zu können. In unserem Zweifaktorenmodell soll angenommen werden, daß nur die Menge des ersten Faktors variiert werden kann, die Menge des zweiten Faktors hingegen kurzfristig auf dem Niveau v2 fixiert ist. Graphisch können wir uns in Abbildung 12.15 nur auf der Parallelen zur ν,-Achse im Abstand v2 bewegen.

Die den Isoquanten x,, x2 und x3 entsprechenden Mengen können nur durch die auf der v2-Geraden liegenden Faktorkombinationen D, Β und Ε erzeugt werden.1 Wenn das Unternehmen die Menge x, mit der dem Punkt D entsprechenden Faktorkombination produziert, entstehen Kosten in Höhe von K,. Langfristig würde die dem Punkt Α entsprechende Faktorkombination gewählt. Es entstünden Kosten von K',. Die Kosten sind kurzfristig höher als langfristig, da kurzfristig die Minimalkostenkombination nicht realisiert werden kann. Von allen kurzfristig realisierbaren, also auf der v2-Geraden liegenden Faktorkombinationen stellt nur der Punkt Β eine Minimalkostenkombination dar, da Β zugleich auf dem langfristigen Expansionspfad

1

Diese Faktorkombinationen würden auch gewählt, wenn wir die schwächere Annahme machten, daß zwar kurzfristig die Menge des zweiten Faktors vermindert werden kann, aber dennoch pro Periode ein Betrag von qjVj gezahlt werden muß. Da in Abbildung 12.15 das Grenzprodukt des auf dem Niveau v2 fixierten Faktors stets positiv ist, würde eine Verminderung der Einsatzmenge von V2 nur bewirken, daß bei gegebenen Kosten eine geringere Menge produziert wird.

304

Die Kosten

liegt, der der geometrische Ort aller Minimalkostenkombinationen ist. Nur wenn die Menge x2 produziert wird, sind kurzfristig die Kosten nicht höher als langfristig. Wird die Menge x3 produziert, muB kurzfristig mit Hilfe der durch den Punkt Ε repräsentierten Faktorkombination produziert werden. Die Kosten sind K3. Langfristig würde die dem Punkt C entsprechende Minimalkostenkombination gewählt. Es entstünden Kosten in Höhe von K'3. Auch für alle Mengen χ > x2 sind daher die kurzfristigen Kosten höher als die langfristigen Kosten. Wenn wir den unterschiedlichen Produktionsmengen die jeweiligen Kosten zuordnen, indem wir auf der Abszisse die Ausbringungsmenge und auf der Ordinate die Kosten abtragen, erhalten wir die kurzfristige Gesamtkostenkurve wie sie Abbildung 12.16 zeigt. Die Form der Kostenkurve ist bei gegebenen Faktorpreisen durch die Produktionsfunktion bestimmt. Die in Abbildung 12.16 dargestellte Form ergibt sich, wenn die Produktionsfunktion zunächst steigende und dann sinkende Skalenerträge aufweist.

In Abbildung 12.16 wurde zusätzlich zur kurzfristigen Kostenkurve die langfristige Kostenkurve K, dargestellt. Die kurzfristige Kostenkurve tangiert die langfristige Kostenkurve bei der Menge x2. Bei dieser Menge sind die kurzfristigen Kosten gleich den langfristigen Kosten. Der Punkt B' entspricht dem Punkt Β in Abbildung 12.15. Nur bei der Menge x2 kann kurzfristig die Minimalkostenkombination realisiert werden. Bei allen anderen Mengen sind die kurzfristigen Kosten größer als die langfristigen Kosten. Die gesamten kurzfristigen Kosten Kk sind die Summe aus den variablen Kosten q,v, und den fixen Kosten q2v2: K = q,v, + q2v2 Die sich daraus ergebenden Durchschnittskosten (TDK) sind Κ qiVi | qzVz X X X

Die Kosten

305

Die gesamten variablen Kosten sind Ky = qiVi Die variablen Durchschnittskosten (DVK) sind Ky

q v q q ' = DPi ' χ _ 'χ ' = x/vi

und somit gleich dem Quotienten aus dem Preis und dem Durchschnittsprodukt des variablen Faktors. Die kurzfristigen Grenzkosten sind die erste Ableitung der Gesamtkosten nach der Produktionsmenge. Graphisch werden sie gemessen durch die Steigung der Gesamtkostenkurve. Die kurzfristigen Grenzkosten sind gleich dem Quotienten aus dem Preis und dem Grenzprodukt des variablen Faktors „Ii, _— q· — _qi~ GPj f. Es ist 1/f, die Zahl der Einheiten des variablen Faktors, die eingesetzt werden müssen, um eine zusätzliche Einheit von X herzustellen; q,/f, sind also die zusätzlichen Kosten, um eine zusätzliche Einheit herzustellen. Abb. 12.17

In Abbildung 12.17a ist die kurzfristige Gesamtkostenkurve dargestellt. Die fixen Kosten betragen OF. Der vertikale Abstand der Gesamtkostenkurve Κ von F F gibt an, wie hoch die variablen Kosten bei alternativen Ausbringungsmengen sind. Abbildung 12.17b zeigt die aus der Gesamtkostenkurve Κ abgeleitete Grenzkostenkurve und die Kurve der variablen sowie der totalen Durchschnittskosten.

306

Die Kosten

Bis zu der dem Punkt W entsprechenden Menge x, nimmt die Steigung der Gesamtkostenkurve ab. Wird die Produktion über x, hinaus erhöht, nimmt die Steigung der Gesamtkostenkurve zu. Die Grenzkosten sinken also zunächst, erreichen bei der Menge x, ein Minimum und steigen dann. Der Verlauf der Grenzkostenkurve ist in Abbildung 12.17b wiedergegeben. Die variablen Durchschnittskosten werden in Abbildung 12.17a durch den Tangens des Winkels gemessen, den wir erhalten, wenn wir einen Punkt der Gesamtkostenkurve mit dem Punkt F verbinden. Dieser Winkel wird zunächst kleiner, wenn wir die Ausbringungsmenge bis zur Menge x2 erhöhen. Im Punkt Β tangiert eine von F ausgehende Gerade die Gesamtkostenkurve. Die variablen Stückkosten sinken zunächst und erreichen bei der Menge x2 ein Minimum. Wird mehr als x2 produziert, steigen die variablen Durchschnittskosten an. Man erkennt: Bei der Menge x2 sind die variablen Durchschnittskosten, gemessen durch tan ß, gleich der Steigung der Gesamtkostenkurve (Abbildung 12.17a). Bei der Menge x2, bei der die variablen Durchschnittskosten ein Minimum haben, sind daher die variablen Durchschnittskosten gleich den Grenzkosten. In Abbildung 12.17b wird deshalb die Kurve der variablen Durchschnittskosten in ihrem Minimum von der Grenzkostenkurve geschnitten. Die totalen Durchschnittskosten werden in Abbildung 12.17a durch den Tangens des Winkels gemessen, den eine Ursprungsgerade mit der positiven Richtung der Abszisse bildet. Die totalen Durchschnittskosten sinken bis zur Menge x3, haben dort ein Minimum und steigen danach an. Bei der Menge x3 sind sie gleich tan α, der zugleich die Steigung der Gesamtkostenkurve im Punkt C mißt. Im Minimum der totalen Durchschnittskosten sind also die totalen Durchschnittskosten gleich den Grenzkosten. In Abbildung 12.17b wird daher die Kurve der totalen Durchschnittskosten von der Grenzkostenkurve geschnitten. Aus Abbildung 12.17 ersieht man: Wenn die Durchschnittskosten fallen, sind die Grenzkosten kleiner als die Durchschnittskosten. Wenn die Durchschnittskosten steigen, sind die Grenzkosten größer als die Durchschnittskosten. Im Minimum der Durchschnittskosten sind die Grenzkosten gleich den Durchschnittskosten. Diese Aussagen gelten sowohl für die variablen als auch für die totalen Durchschnittskosten. C. Der Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Kosten Bei der Darstellung der kurzfristigen Gesamtkostenkurve wurde in Abbildung 12.16 schon gezeigt, daß die kurzfristige Gesamtkostenkurve (Kk) die langfristige Kostenkurve (K,) bei der Menge tangiert, bei der es auch kurzfristig möglich ist, die Minimalkostenkombination zu verwirklichen. Es verbleibt die Aufgabe darzustellen, welcher Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Stückkosten und Grenzkosten besteht.

307

Die Kosten

1. Kurzfristige und langfristige Stückkosten und Grenzkosten Abbildung 12.18 zeigt eine langfristige Stückkostenkurve LDK und eine kurzfristige Stückkostenkurve TDK. Die kurzfristigen Stückkosten sind nur bei der Menge x2 gleich den langfristigen Stückkosten. Abb. 12.18 LDK

Bei jeder anderen Menge sind die kurzfristigen Stückkosten größer als die langfristigen Stückkosten. Nur bei der Produktion von x2 ist es kurzfristig möglich, die Minimalkostenkombination zu realisieren. Der Menge x2 in Abbildung 12.18 entspricht die Menge x2 in Abbildung 12.15. Nur bei dieser Menge konnte ein Punkt auf dem Expansionspfad erreicht werden. Die kurzfristige Durchschnittskostenkurve tangiert in Abbildung 12.18 die langfristige Durchschnittskostenkurve bei der Menge, bei der in Abbildung 12.16 die kurzfristige Gesamtkostenkurve Kk die langfristige Kostenkurve tangiert. Leitet man die kurzfristigen Stückkosten nach der Menge ab, erhält man

O]

=

dx

1 fdK*jO χ [ dx χ

J

Bei der Menge, bei der die kurzfristige Gesamtkostenkurve die langfristige Gesamtkostenkurve tangiert, ist dK* dK, — -undK^K, Das bedeutet, daß bei dieser Menge die Steigung der kurzfristigen Stückkostenkurve gleich der Steigung der langfristigen Stückkostenkurve ist. Die langfristige Stückkostenkurve wird in Abbildung 12.18 nicht dort tangiert, wo die kurzfristige Stückkostenkurve ihr Minimum hat. Wenn also die Menge x2 mit langfristig minimalen Kosten produziert wird, wird nicht im Minimum der kurzfristigen Stückkosten produziert. Wenn die Menge produziert werden soll, bei der die in Abbildung 12.18 dargestellte kurzfristige Stückkostenkurve ihr Minimum hat, ist es langfristig billiger, eine größere Menge des fixen Faktors einzusetzen, um so diese Menge mit langfristig

308

Die Kosten

minimalen Kosten zu produzieren. Nur wenn jene Menge erzeugt wird, bei der die langfristigen Stückkosten ihr Minimum haben, fällt das Minimum der kurzfristigen Stückkosten mit einer Minimalkostenkombination zusammen. Abbildung 12.18 zeigt außerdem die kurzfristige Grenzkostenkurve KGK und die langfristige Grenzkostenkurve LGK, die jeweils die entsprechenden Durchschnittskostenkurven in deren Minimum von unten schneiden. Bei der Menge x2 sind die kurzfristigen Grenzkosten gleich den langfristigen Grenzkosten, da bei dieser Menge die kurzfristige Gesamtkostenkurve die langfristige Kostenkurve tangiert. Wird also eine bestimmte Menge mit der kostenminimalen Faktorkombination erzeugt, sind die kurzfristigen Grenzkosten gleich den langfristigen Grenzkosten. 2. Die langfristige Kostenkurve als Umhüllungskurve der kurzfristigen Kostenkurven Bei alternativen Mengen des kurzfristig fixen Faktors V2 ergibt sich jeweils eine andere kurzfristige Kostenkurve. Wird die Einsatzmenge des kurzfristig fixen Faktors verändert, so wird eine Schar kurzfristiger Kostenkurven erzeugt. Wenn der Expansionspfad wie in Abbildung 12.15 positive Steigung hat, ist die Ausbringungsmenge, bei der die kurzfristige Gesamtkostenkurve die langfristige Gesamtkostenkurve tangiert um so größer, je größer die Menge des kurzfristig fixen Faktors ist. In Abbildung 12.19 ergeben sich bei alternativen Mengen des fixen Faktors die kurzfristigen Gesamtkostenkurven K k ' und Kk2.

Die kurzfristigen Kostenkurven tangieren die langfristige Kostenkurve K, bei den Mengen x, und x2. Wenn das Niveau v2, auf dem die Menge des zweiten Faktors kurzfristig fixiert ist, kontinuierlich variiert wird, werden unendlich viele kurzfristige Kostenkurven generiert. Die langfristige Kostenkurve wird zur Umhüllungskurve der kurzfristigen Kostenkurven. In gleicher Weise ist die langfristige Stückkostenkurve die Umhüllungskurve der kurzfristigen Stückkostenkurven.

Die Kosten

309

3. Kurz- und langfristige Kostenfunktionen bei speziellen Produktionsfunktionen a.

Limitationale Produktionsfunktion

Bei limitationalen Produktionsfunktionen wird kurzfristig die Produktion durch den fixen Faktor absolut beschränkt. Wenn v2 der auf dem Niveau v2 limitierte Faktor ist, und a2 = Vj/x der Produktionskoeffizient ist, der angibt, wieviel Einheiten des zweiten Faktors pro Einheit von X mindestens eingesetzt werden müssen, ist der maximal erzeugbare Output x nux =v 2 /a 2 . Aus der Produktionsfunktion χ = min(v,/a,; Vj/a^) ergibt sich für v2 = v2 die Ertragsfunktion χ = min(v,/a,; Vj/aj). Für v,/a, < v2/a2 oder v, < v2a,/a2 erhält man als Ertragsfunktion x

vi =a,

;

a,_ v, px' - q , v ' , - q 2 v ' 2

(2)

p 1 x - q 1 v , - q 2 v 2 - p x ' + q 1 v , 1 -l-q 2 v' 2 >0

(3)

p-Cx-x'J + q r C v V v i H q r i v ' z - v ^ O

Nach der Faktorpreisänderung ist der Gewinn G = p · x ' - q,v', - q 2 v' 2 . Dieser Gewinn ist mindestens so groß wie der Gewinn, der erzielt würde, wenn die Menge χ produziert würde und die Faktormenge v, und v 2 eingesetzt würden. Es gilt: (4)

px'-q'1v'1-q2v'2>px-q',v1-q2v2

(5)

p x ' - q ' I v ' I - q 2 v ' 2 - p x + q,,v1+q2v2>0

(6)

-p-ix-xO-qVivVv.J-Ch-iv'j-v^O

Addieren von (3) und (6) ergibt: (7)

Qi' ( v \ - v i ) _ t l ' i ( v ' i _ v i )

(8)

(ς.-ς',Μν',-ν,^ο

Aus Gleichung (8) folgt:

332

Güterangebot und Faktomachfrage bei gegebenen Güter- und Faktorpreisen

Ist q', > q„ so ist v', < v„ ist q', < q„ so ist v', > v,. Wenn also der Preis eines Faktors steigt, so kann die Menge, die nachgefragt wird, nicht steigen. Wenn Preis eines Faktors sinkt, so kann die nachgefragte Menge nicht fallen. Es gibt bei der Faktornachfrage keinen Giffenfall. Man kann das wichtige Ergebnis, daß auch bei inferioren Faktoren eine anomale Reaktion der Faktornachfrage nicht möglich ist, auch noch anders begründen. Wenn ein Faktor inferior ist, bewirkt eine Faktorpreiserhöhung, daß die Grenzkosten sinken! Der Output steigt! Bei steigendem Output sinkt bei einem inferioren Faktor die Menge des Faktors, die eingesetzt wird. Sowohl der Substitutionseffekt als auch der Outputeffekt bewirken, daß bei einer Faktorpreiserhöhung die nachgefragte Menge sinkt. Wenn umgekehrt der Faktorpreis sinkt, steigen die Grenzkosten, wenn der Faktor inferior ist. Der Output sinkt. Bei einem inferioren Faktor bedeutet dies, daß die nachgefragte Menge steigt. Bei einer Faktorpreissenkung bewirken also sowohl der Substitutionseffekt als auch der Outputeffekt, daß die nachgefragte Menge steigt. Diese Behauptungen lassen sich wie folgt beweisen: Leitet man die Kostenfunktion K(q„ q2> x) nach dem Preis des ersten Faktors ab, erhält man nach Shephards Lemma: δΚ . g^= v i(qi>q2> x ) Bildet man die zweite gemischte Ableitung, indem man nach χ ableitet, ergibt sich: δ2Κ _ δ ν ; δχδς, δχ Wenn die zweiten gemischten Ableitungen stetig sind, gilt nach Youngs Theorem: δ2Κ δχδς,

δ2Κ δς,δχ

Folglich gilt δ2Κ δς,δχ

δνΐ δχ

Der Term auf der linken Seite gibt an, wie sich die Grenzkosten ändern, wenn der Faktorpreis qi steigt. Der Term auf der rechten Seite gibt an, wie sich bei einer Erhöhung des Outputs die gewinnmaximale Faktormenge ändert. Ist der betrachtete Faktor normal, so gilt

Güterangebot und Faktomachfrage bei gegebenen Güter- und Faktorpreisen

δ2κ δς,δχ

δν; δχ

333

Λ

Bei einem normalen Faktor ist also die Ableitung der Grenzkosten nach q, positiv. Das bedeutet, daß bei einer Faktorpreiserhöhung die Grenzkosten steigen. Bei steigenden Grenzkosten sinkt der Output. Bei sinkendem Output sinkt bei einem normalen Faktor die gewinnmaximale Faktormenge. Sowohl der Substitutionseffekt als auch der Outputeffekt bewirken, daß bei einer Faktorpreiserhöhung die nachgefragte Menge sinkt. Bei einem inferioren Faktor ist δ2Κ δν; - = — p 2 mit der Nachfragekurve des Α identisch. Erst wenn der Preis unter p2 sinkt, wird das Gut auch von Β nachgefragt. Die Gesamtnachfrage weist deshalb bei dem Preis p 2 einen Knick auf. Die nachgefragte Menge bei dem Preis p 3 ist gleich a3 + b3. 2.

Das kurzfristige Gesamtangebot

Die individuelle Angebotsfunktion gibt an, welche Menge das einzelne Unternehmen bei alternativen Preisen anbietet. Wir haben im letzten Kapitel gezeigt, daß die Grenzkostenkurve vom Minimum der durchschnittlichen variablen Kosten an die kurzfristige Angebotskurve eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz ist. Die Menge, die bei gegebenem Marktpreis insgesamt von allen Unternehmen einer Branche angeboten wird, ergibt sich durch Addition der Mengen, die von den einzelnen Unternehmen angeboten werden. In Abbildung 14.2 erhält man die Menge OC, die insgesamt angeboten wird, durch Addition der Menge OA, die vom Unternehmen Α und der Menge OB, die vom Unternehmen Β beim Preis p, angeboten wird. Man erhält die beim Preis p, insgesamt angebotene Menge auch, indem man die individuellen Grenzkostenkurven horizontal addiert, so daß sich die aggregierte Grenzkostenkurve Σ κ ' ergibt. Da die Grenzkostenkurve als individuelle Angebotskurve eines Anbieters in vollständiger Konkurrenz interpretiert wurde, liegt es nahe, die aggregierte Grenzkostenkurve als Gesamtangebotskurve aufzufassen. Es ist jedoch zu bedenken, daß die individuellen Grenzkostenkurven unter der Annahme konstanter Faktorpreise abgeleitet worden sind. Tatsächlich ist das einzelne Unternehmen nur eines von sehr vielen Unternehmen und kann deshalb durch Variation der Faktornachfrage die Faktorpreise nicht fühlbar beeinflussen. Wenn aber

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

337

Abb. 14.2 A

B

C

alle Unternehmen der Branche die Produktion und damit ihre Faktornachfrage erhöhen, kann dies zur Folge haben, daß die Faktorpreise steigen. Wenn die Faktorpreise steigen, verschieben sich die individuellen Kostenkurven nach oben. Die Wirkung, die solche Faktorpreiseffekte haben, können mit Hilfe von Abbildung 14.3 illustriert werden. Abb. 14.3

In der Ausgangssituation beim Marktpreis p! bietet das repräsentative Unternehmen (Abb. 14.3a) die Menge Xi an. Alle Unternehmen zusammen bieten die Menge X, an. Der Produktionsmenge X, entspricht eine bestimmte Faktornachfrage. Bei gegebener Faktornachfrage bilden sich bestimmte Faktorpreise. Dem Marktpreis p, sind so indirekt bestimmte Faktorpreise zugeordnet. Die Grenzkostenkurve K', gilt unter der Annahme, daß die Faktorpreise, die sich beim Güterpreis p, bilden, konstant sind. Dies gilt auch für die aggregierte Grenzkostenkurve (Abb. 14.3b), die sich durch horizontale Addition der individuellen Grenzkostenkurven ergibt. Abbildung 14.3a

338

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

zeigt, daß das repräsentative Unternehmen beim Güterpreis p 2 die Menge x' 2 anbieten würde, wenn sich die Faktorpreise gegenüber der Ausgangssituation nicht änderten. Dies wäre eine realistische Annahme, wenn beim Preis p 2 nur das betrachtete Unternehmen seine Produktion erhöhte. Zwar würde auch in diesem Fall das Unternehmen seine Faktornachfrage erhöhen, doch wäre der dadurch bewirkte Faktorpreiseffekt für das betrachtete Unternehmen und für alle anderen Unternehmen vernachlässigenswert klein. Deshalb sagt man auch vereinfachend, der Faktorpreis sei für das einzelne Unternehmen ein Datum. Wenn aber der Marktpreis von p, auf p2 steigt, wird nicht nur das betrachtete Unternehmen die Produktionsmenge steigern. Alle Unternehmen erhöhen ihre Produktion. Wenn das Faktorangebot nicht vollkommen elastisch ist, wird die gestiegene Faktornachfrage bewirken, daß die Faktorpreise für alle Unternehmen fühlbar steigen. Man sagt auch, die Produktion sei mit negativen pekuniären externen Effekten verbunden, die intern für die Branche sind. Der pekuniäre externe Effekt, der sich wegen der Produktionssteigerung eines einzelnen Unternehmens ergibt, ist für jedes der anderen Unternehmen vernachlässigenswert klein. Die Summe dieser pekuniären externen Effekte ist es nicht. Wenn alle Unternehmen die Produktion erhöhen, verändern sich die Faktorpreise für jedes einzelne Unternehmen fühlbar, sofern das Faktorangebot nicht vollkommen elastisch ist. Wenn die Faktorpreise steigen, wird dies in der Regel bedeuten, daß sich die individuellen Grenzkostenkurven nach oben verschieben.1 In Abbildung 14.3a bedeutet dies, daß beim Marktpreis p2 nicht K'„ sondern K' 2 die individuelle Grenzkostenkurve des betrachteten Unternehmens ist. Die veränderte Lage der relevanten Grenzkostenkurve spiegelt wider, daß infolge der gestiegenen Produktion die Faktornachfrage und die Faktorpreise gestiegen sind. Die Ausbringungsmenge des repräsentativen Unternehmens steigt deshalb nicht von x, auf x'2, sondern nur auf x2. Verbindet man die Punkte A, und A2 in Abbildung 14.3a, erhält man die um den Faktorpreiseffekt korrigierte individuelle Angebotskurve. Die Gesamtangebotskurve S,S 2 in Abbildung 14.3b ergibt sich durch horizontale Addition der um den Faktorpreiseffekt korrigierten individuellen Angebotskurven. Sie verläuft steiler als die Kurve, die sich durch Addition der Grenzkostenkurven ergibt. Die negativen externen Effekte bewirken also, daß das Gesamtangebot weniger elastisch ist.2

1

Steigt der Preis eines Faktors, so sind bei alternativen Mengen die Gesamtkosten stets größer als zuvor. Daraus folgt nicht zwingend, daß auch die Grenzkosten bei jeder Menge größer als vorher sind.

2

Wir haben uns auf den Fall der negativen externen Effekte beschränkt, der vorliegt, wenn bei Ausdehnung der Produktion die Faktorpreise steigen. Wenn die Produktion ausgedehnt wird, können bei verstärkter Faktomachfrage die Faktorpreise auch sinken. In diesem Fall spricht man von positiven externen Effekten. Diese werden erst bei der Diskussion der langfristigen Angebotskurve im nächsten Abschnitt erörtert. Die individuellen Grenzkostenkurven können sich auch verschieben, wenn die Produktion mit sogenannten technologischen externen Effekten verbunden ist. Auch darauf soll erst im Zusammenhang mit der Diskussion der langfristigen Angebotskurve eingegangen werden.

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

339

Natürlich kann es auch so sein, daß die Faktorpreise selbst dann nicht fühlbar steigen, wenn alle Unternehmen einer Branche ihre Faktornachfrage erhöhen. Dies ist so, wenn der Faktor vollkommen elastisch angeboten wird, die Faktorangebotskurve also eine Parallele zur Mengenachse ist. Aber selbst bei nicht vollständig elastischem Faktorangebot kann das Faktorangebot für eine bestimmte Branche vollkommen elastisch sein. Das ist dann so, wenn der betrachtete Faktor von vielen Branchen nachgefragt wird und die Gesamtnachfrage nach dem Faktor durch eine Branche relativ zur gesamten Faktornachfrage unbedeutend ist. 3. Der Gleichgewichtspreis Wir haben bisher gefragt, wie groß bei hypothetischen alternativen Preisen die angebotenen und die nachgefiragten Mengen sind. Wir wollen jetzt untersuchen, welcher Preis sich tatsächlich am Markt durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bildet. Zu diesem Zweck sind in Abbildung 14.4 eine Angebotskurve und eine Nachfragekurve in ein Preis-Mengen-Diagramm gezeichnet worden. Auf der Mengenachse tragen wir die angebotene Menge und die nachgefragte Menge ab.

Nur bei dem Preis p0 ist die Menge, die angeboten wird, gleich der Menge, die nachgefragt wird. Es gibt zum Preis p0 weder einen Angebotsüberschuß noch einen Nachfrageüberschuß. Wir nennen p0 den Gleichgewichtspreis und p0 die Gleichgewichtsmenge. Zum Gleichgewichtspreis p0 kann jeder Nachfrager die Mengen kaufen, die er kaufen möchte; jeder Anbieter kann soviel verkaufen, wie er zum Preis p„ verkaufen möchte. Alle Anbieter können also ihre Verkaufspläne verwirklichen. Der Markt wird geräumt. Die Akteure haben keinen Anlaß, ihre Pläne zu verändern. Sofern es keine von außen kommenden Störungen gibt, sofern sich die sonstigen Bestimmungsgründe des Angebots und der Nachfrage nicht ändern, bleibt die Gleichgewichtssituation erhalten. Unter Gleichgewicht verstehen wir eine Situation, in der es keine endogene Tendenz zur Veränderung gibt.

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

340

Algebraisch erhält man den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge als Lösung des folgenden Gleichungssystems: (1) (2) (3)

x n = f(p) x* = g(p) x n - x* = 0

spezielle Nachfragefunktion spezielle Angebotsfunktion Gleichgewichtsbedingung

Für die Nachfragefunktion x" = 100 - 10p und die Angebotsfunktion x* = -20 + 10p muß im Gleichgewicht gelten: 100 - 10p + 20 - 10p 20p ρ χ

= = = =

0 120 6 40

Unser eigentliches Ziel besteht nicht darin, die Bildung des Gleichgewichtspreises zu erklären. Wir wollen wissen, welcher Preis sich am Markt tatsächlich bildet. Der tatsächliche Preis ist aber nur auf ideal organisierten Märkten stets gleich dem Gleichgewichtspreis. Auf den realen Märkten weicht der Preis, zu dem gekauft und verkauft wird, zumindest kurzfristig vom Gleichgewichtspreis ab. In der Regel wird die Abweichung des tatsächlichen Preises vom Gleichgewichtspreis nicht groß sein. Vor allem aber wirken grundlegende Kräfte darauf hin, daß sich der tatsächliche Preis in Richtung auf den Gleichgewichtspreis bewegt. Deshalb stellt die Ableitung des Gleichgewichtspreises den entscheidenden Schritt zur Erklärung des tatsächlichen Preises dar. Bei jedem Preis, der vom Gleichgewichtspreis abweicht, ist die angebotene Menge entweder kleiner oder größer als die nachgefragte Menge. Nehmen wir an, der tatsächliche Preis sei p2 (siehe Abbildung 14.4). Dieser Preis ist kleiner als der Gleichgewichtspreis p0. Die Nachfrager können zu diesem Preis nicht so viel kaufen, wie sie kaufen möchten. Einige Nachfrager mögen ganz leer ausgehen. Ein Teil der Nachfrager wird lieber einen höheren Preis zahlen, als auf den Kauf des Gutes zu verzichten. Sie werden vermutlich vorschlagen, einen höheren Preis als p 2 zu zahlen. Aber auch die Anbieter werden erkennen, daß bei dem Preis p2 die nachgefragte Menge größer als die angebotene Menge ist, so daß sie einen höheren Preis verlangen und auch durchsetzen können. Der Preis wird steigen. Die Kräfte, die die Preissteigerung verursachen, sind wirksam, so lange der tatsächliche Preis noch kleiner als der Gleichgewichtspreis ist. Der Prozeß der Preissteigerung ist erst beendet, wenn beim Gleichgewichtspreis p 0 kein Nachfrageüberschuß mehr besteht. Auch wenn der tatsächliche Preis größer ist als der Gleichgewichtspreis pp, wird der Preis nicht dauerhaft bestehen bleiben. Ist der Preis zum Beispiel p „ so wird mehr angeboten als nachgefragt. Die Anbieter bleiben auf einem Teil ihrer Produktion sitzen. Bei Wettbewerb werden zumindest einige versuchen, das Gut zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Der Preis sinkt. Die Preissenkungstendenz besteht so lange fort, wie der tatsächliche Preis noch über dem Gleichgewichtspreis liegt. Erst wenn der Gleichgewichtspreis realisiert wird, gibt es keinen Angebotsüberschuß mehr.

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

341

Der tatsächliche Preis tendiert also dazu, sich in Richtung auf den Gleichgewichtspreis zu verändern. Deshalb kommt bei einer Analyse der Preisbildung der Ableitung des Gleichgewichtspreises eine überragende Bedeutung zu. Wenn im folgenden der Gleichgewichtspreis im Zentrum der Analyse steht, soll damit allerdings nicht behauptet werden, es würde stets nur zum Gleichgewichtspreis verkauft. 4. Änderungen der Nachfrage und des Angebots Wir sind jetzt in der Lage anzugeben, wie sich Änderungen der Nachfrage und des Angebots auf den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge auswirken. Nehmen wir an, daß das Einkommen steigt und somit auch die Nachfrage nach X, weil X ein normales Gut ist. Abbildung 14.5 zeigt, daß in diesem Fall der Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge steigen.

In der Ausgangssituation befindet sich der Markt im Gleichgewicht bei einem Preis Po und der Menge Xo- Bei dem Ausgangspreis p0 ergibt sich ein Nachfrageüberschuß, wenn die Nachfrage von N0 auf N, steigt. Der Preis steigt, bis der neue Gleichgewichtspreis p, erreicht ist. Zu diesem Preis wird die Menge x, angeboten. Man erkennt auch, daß bei einer gegebenen Nachfragesteigerung der Preis um so stärker steigt und die Menge um so weniger steigt, je steiler die Angebotskurve verläuft. Man macht sich auch leicht klar, daß der Preis und die Menge sinken, wenn die Nachfrage sinkt. Unterstellen wir nun, daß infolge einer schlechten Ernte das Angebot sinkt. Die Angebotskurve verschiebt sich nach links und oben. Abbildung 14.6 zeigt, daß der Gleichgewichtspreis steigt, die Gleichgewichtsmenge sinkt. Die neue Angebotskurve A, schneidet die Nachfragekurve bei dem neuen Gleichgewichtspreis p,. Die Gleichgewichtsmenge sinkt auf x,. Die Preissteigerung ist ceteris paribus um so größer, je steiler die Nachfragekurve verläuft. Ganz analog macht man sich leicht klar, daß der Preis sinkt und die angebotene Menge steigt, wenn das Angebot steigt, die Angebotskurve sich also nach rechts und nach unten verschiebt.

Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz

342

Abb. 14.6

A,

Ρ

0

χ

x,

5.

Die Wirkungen von Stücksteuern

a.

Die Anbieter zahlen die Steuer

In diesem Abschnitt soll analysiert werden, wie sich die Einführung einer Stücksteuer auf den Preis eines Gutes auswirkt. Der Staat erhebt eine Stücksteuer, die von den Anbietern zu zahlen ist. Pro Ausbringungseinheit müssen die Anbieter eine Stücksteuer von t DM zahlen. Wird eine Stücksteuer erhoben, muß zwischen dem Marktpreis p, den die Nachfrager an die Anbieter zahlen, und dem Nettopreis p" unterschieden werden. Der Nettopreis p" ist der Erlös, der pro Einheit den Anbietern verbleibt, nachdem sie die Stücksteuer von t DM gezahlt haben. Es ist p" = p-t. Die Menge, die pro Periode angeboten wird, hängt vom Nettopreis p~ ab. Es ist x" = f(p~) oder x' = f(p-t) In Abbildung 14.7 sind Ν und A„ die Nachfragekurve und die Angebotskurve vor Einführung der Steuer. Ν ist der graphische Ausdruck der speziellen Nachfragefunktion x" = 100-10p und A 1,

so ist 1/ε,ρ < 1

und also ρ • (1 — 1/ε,ρ) > 0

Isteip 1

und also ρ - (1 - 1/ε^) < Ο

Ist ε χρ = 1 ,

so ist 1/ε,ρ = 1

und also ρ · (1 - 1/ε,ρ) = 0

Der Grenzerlös ist damit positiv, wenn die Preiselastizität der Nachfrage größer als eins ist; er ist negativ, wenn die Preiselastizität kleiner als eins ist. Die Beziehung zwischen Grenzerlös und Preiselastizität

3.

ε, Ρ 1

R' 0

Die gewinnmaximale Menge und der gewinnmaximale Preis

Wenn der zusätzliche Erlös, der dem Absatz einer zusätzlichen Einheit zu verdanken ist, größer ist als die zusätzlichen Kosten der Produktion dieser zusätzlichen Einheit, kann der Monopolist seinen Gewinn noch erhöhen, indem er eine Einheit mehr produziert. Anders gesagt: Wenn der Grenzerlös größer ist als die Grenzkosten, lohnt es sich, die Ausbringungsmenge zu erhöhen. Der Monopolist maximiert seinen Gewinn, wenn er soviel produziert, daß der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. a.

Graphische Lösung

Um graphisch die gewinnmaximale Menge und den gewinnmaximalen Preis zu bestimmen, muß zusätzlich zu der Preisabsatzfunktion und zu der Grenzerlösfunktion die Grenzkostenfunktion dargestellt werden.

Die Preisbildung im Monopol

363

Abb. 15.3

Durch den Schnittpunkt der Grenzerlöskurve mit der Grenzkostenkurve ist die gewinnmaximale Menge x,„ bestimmt. Bei dieser Menge sind die Grenzkosten gemessen durch den vertikalen Abstand der Grenzkostenkurve von der Abszisse gleich dem Grenzerlös, der durch den vertikalen Abstand der Grenzerlöskurve von der Abszisse gemessen wird. Der Punkt C, der oberhalb von x,,, auf der Preisabsatzfunktion liegt, heißt zu Ehren von Antoine Augustin Cournot (1801-1877) Cournotscher Punkt. Der Abstand des Punktes C von der Mengenachse gibt die Höhe des gewinnmaximalen Preises pm an. Würde statt der Menge x,„ eine kleinere oder größere Menge produziert, wäre die Bedingung Grenzkosten gleich Grenzerlös nicht erfüllt. Der Gewinn könnte erhöht werden, indem mehr oder weniger produziert wird. Wird zum Beispiel in Abbildung 15.4 statt der Menge x„, die Menge x' produziert, so sind die Grenzkosten kleiner als der Grenzerlös. Abb. 15.4

Erhöht man die Produktion von x' auf x,„, so sind die zusätzlichen Kosten gleich der Fläche unter der Grenzkostenkurve zwischen x' und x„,. Die zusätzlichen Erlöse werden gemessen durch die Fläche unter der Grenzerlöskurve zwischen x' und x,,,. Der Gewinn steigt um die in Abbildung 15.4 schraffierte Fläche, wenn statt der Menge x' die Menge x,„ produziert wird.

364

Die Preisbildung im Monopol

Um graphisch anzugeben, wie hoch der Gewinn des Monopolisten ist, muß zusätzlich die Kurve der totalen Durchschnittskosten eingezeichnet werden. In Abbildung 15.5 sind die totalen Durchschnittskosten bei der gewinnmaximalen Menge Ox,, gleich χ,,,Β. Der Gewinn pro Stück ist BC und der Gesamtgewinn ist gleich 0x,„ · BC. Der Gesamtgewinn wird in Abbildung 15.5 durch die schraffierte Fläche dargestellt. Man erkennt: Der Preis, den der gewinnmaximierende Monopolist festsetzt, liegt über den Grenzkosten. Die ausgebrachte Menge ist kleiner als die Menge, bei der die Grenzkostenkurve die Preisabsatzfunktion schneidet. Ein Monopolist ist nicht immer in der Lage, einen Gewinn zu erzielen. Wenn in Abbildung 15.5 die Kurve der totalen Durchschnittskosten die Preisabsatzfunktion im Punkt C tangierte, so wäre der Monopolist in der Lage, gerade seine gesamten Kosten zu decken. Liegt die Kurve der totalen Durchschnittskosten bei allen Mengen oberhalb der Preisabsatzfunktion, so erleidet der Monopolist einen Verlust. Der Monopolist würde langfristig (bei konstanter Kosten- und Nachfragefunktion) die Produktion einstellen. Kurzfristig lohnt es sich zu produzieren, wenn der Preis noch höher ist als die durchschnittlichen Opportunitätskosten. Abb. 15.5

b. Algebraische Lösung Der Gewinn des Monopolisten ist G(x) = R(x)-K(x) Man findet die gewinnmaximale Menge, indem man die erste Ableitung nach der Menge bildet und diese gleich Null setzt. dG_dR_dK_0 dx dx dx dR dx

dK dx

Die Preisbildung im Monopol

365

Der Monopolist muß eine Menge ausbringen, bei der der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. Die Bedingung zweiter Ordnung verlangt: d 2 G_d 2 R

d2K,Q

dx2

dx2

~

dx2

d^R