Gläubigereinfluss durch Covenants: Hybride Finanzierungsinstrumente im Spannungsfeld von Fremd- und Eigenfinanzierung 9783161512148, 9783161497391

Über Covenants in Kreditverträgen nehmen Gläubiger Einfluss auf die Unternehmensführung. Es wird vielfach dafür plädiert

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German Pages 685 [686] Year 2008

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Problemstellung
II. Gegenstand der Arbeit, zentrale These
III. Themenabgrenzung
1. Gläubiger als Fremdkapitalgeber
2. Die über den Finanzierungsvertrag vermittelte Einfl ussnahme
IV. Gang der Untersuchung
Erster Teil Die Herausforderungen der sich wandelnden Finanzierungspraxis
§1 Die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen
I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfinanzierung
1. Verstärkte Bonitätsprüfung und -überwachung seit Basel II
2. Fokussierung auf den künftigen „Marktwert der Finanzierung“
3. Fremdfi nanzierung von Unternehmensübernahmen
4. Die sich wandelnde Rolle des Fremdkapitalgebers
II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente als Gegenstand der Kautelarpraxis
1. Charakteristische Merkmale
a. Echter Equity-Kicker
b. Non-Equity-Kicker
c. „Ewige“ Anleihen und Genussscheine
2. Typischer Anwendungsbereich
a. Unternehmenskauf
b. Brückenfi nanzierung
c. Sanierung
III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants
1. Begriff und Verbreitung von Covenants
a. Bond Covenants im internationalen Anleihegeschäft
b. Covenants bei internationalen Konsortialkrediten
c. Covenants bei Projektfinanzierungen
d. Covenants bei Akquisitionsfinanzierungen
e. Covenants im allgemeinen Kreditgeschäft
2. Arten von Covenants
a. Affirmative Covenants
b. Negative Covenants
c. Financial Covenants
3. Der Breach of Covenants
a. Maintenance Test
b. Incurrence Test
4. Rechtsfolgen beim Breach of Covenants
a. Kreditkündigung
b. Erhöhung des Zinssatzes, Nachbesicherung
c. Erfolgsabhängige Finanzierungsbeiträge – Milestone Payments
IV. Zusammenfassung
§2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht
I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber
1. Das Prognoseproblem
2. Das Problem asymmetrischer Information
a. Ursachen asymmetrischer Information
b. Gefahr des Marktversagens durch Negativauslese
II. Gegenstrategien des Kreditnehmers
1. Vertrauensbildende Maßnahmen – Das Signaling-Modell
a. Finanzierungsbeitrag der Eigentümer
b. Beachtung der Finanzierungsregeln
2. Das Modell der Self Selection
III. Gegenstrategien des Kreditgebers
1. Versicherung über den Zins
2. Bestellung von Sicherheiten
3. Information und Überwachung, Einflussnahme auf den Schuldner
IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme
1. Kompensation des Problems asymmetrischer Information
2. Kompensation der Gefahr opportunistischen Verhaltens
3. Marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren?
a. Der gewünschte Vorrang der „stillen Sanierung“
b. Größere Flexibilität privatautonomer Regelungen
c. Vorverlagerung des Einsatzzeitpunkts zur Krisenbewältigung
d. Der Breach of Covenants als Chance zur Korrektur von Fehlentwicklungen
e. Covenants als Disziplinierung der Entscheidungsträger
f. Rechtsformspezifi sche Einschränkungen?
aa. Krisenanfälligkeit der Einzelunternehmen und Personengesellschaften
bb. Überwachungsdefi zite beim Fremdorgan
V. Zusammenfassung
§3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen für die Bewältigung vergleichbarer Principal-Agent-Probleme und Interessenkonflikte
I. Konfl igierende Interessen von Fremdkapitalgeber und fi nanziertem Unternehmen bzw. dessen Eigentümern
II. Konfl igierende Interessen der Unternehmensgläubiger untereinander
III. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als unzulässige Typenvermischung?
1. Die prohibitive Wirkung der Rechtsunsicherheit
2. Die Rechtsunsicherheit als Aufforderung zur Rechtsfortbildung
IV. Zusammenfassung
§4 Die Schwächen einer auf zivilrechtliche Generalklauseln gestützten Gläubigerverantwortung
I. Die Schwächen einer auf die Sittenwidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung
1. Die grundlegende Entscheidung RGZ 136, 247
2. Von der Fallgruppenbildung zur deliktsrechtlichen Generalklausel
3. Funktionale Interpretation der Sittenwidrigkeit?
4. Übertragung dieser Rechtsprechung auf Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge
5. Die beschränkte Bedeutung von § 826 BGB als Grundlage einer Kreditgeberhaftung
a. Gefahr eines systemwidrigen deliktischen Vermögensschutzes
b. Keine autonome Beschreibung haftungswürdigen Verhaltens
c. Der problematische subjektive Tatbestand
aa. Gefahr der Vorsatzfiktion
bb. Gefahr einer konturenlosen Erfolgshaftung
d. Ungerechtfertigte Stigmatisierung des Wirtschaftsverkehrs
e. Notwendigkeit einer deliktsrechtlichen Anknüpfung bei Auslandsbezug?
aa. Die Qualifi kation des existenzvernichtenden Eingriffs als Ausgangspunkt
bb. Konsequenzen für die hier interessierende Gläubigerverantwortung
f. Zwischenergebnis
6. Möglichkeiten einer sachnäheren Begründungder Gläubigerverantwortung
a. Tatbestand der stillen Geschäftsinhaberschaft als Leerformel
b. Die möglichen Rechtsfolgen einer Gläubigerverantwortung – Lender Control Liability contra Debt-Equity Swap
c. Akzessorietät zwischen Sicherheit und Kapitalbeitrag
d. Insolvenzverschleppung als allgemeine Verhaltenshaftung
e. Vorrang der Insolvenzanfechtung
7. Zwischenergebnis
II. Die Schwächen einer auf die Unangemessenheit gestützten Gläubigerverantwortung
1. Die konturenlose Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit
a. Kriterien der Literatur
b. Kritische Würdigung
2. Die verfehlte Rechtsfolge der Unangemessenheit
3. Mögliche Vermeidungsstrategien
4. Die fehlende Berücksichtigung von Drittinteressen
III. Die Schwächen einer auf die Rechtswidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung
1. § 117 AktG als deliktische Jedermann-Haftung
2. Die zu begründende Rechtswidrigkeit des Fremdeinflusses
a. Parallele zum innergesellschaftlichen Verbot des Fremdeinflusses?
aa. Die Entscheidung des BGH zur Abberufung eines Vorstandsauf Druck der Hausbank
bb. Die gebotene Unterscheidung von Innen- und Außenperspektive
b. Die Konturenlosigkeit des Rechtswidrigkeitsmerkmals
3. Die begrenzte Analogiefähigkeit von § 117 AktG
IV. Zusammenfassung
§5 These: Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundlage einer rechtlichen Billigung der Einflussnahme
I. Das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie
1. Der Zusammenhang zwischen Leverage-Effekt und Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals
2. Zwei Arten von Kapitalgebern als Funktionsbedingung des Leverage-Effekts
II. Der gesetzlich anerkannte Leverage-Effekt zu Gunsten der Fremdkapitalgeber
III. Die zu begründende Finanzierungsverantwortung der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber
1. Das beschränkte Leverage-Risiko der Fremdkapitalgeber
2. Systemwidriger Widerspruch zur Eigentümerfinanzierung?
3. Die erzwungene Selbstbetroffenheit als Funktionsbedingung desFinanzierungsmarktes und Legitimation der externen Corporate Governance
IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung
Zweiter Teil Die Gläubigerverantwortung wegen Einfl ussnahmeals möglicher Ausschnitt einer kollektiven Pflichtzur Insolvenzvermeidung
§6 Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligungder Gläubiger als Ziel des Insolvenzrechts
I. Die Legitimation des Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung von Knappheit
II. Das veränderte Anreizsystem im Vorfeld der Insolvenz
III. Das Antragsprinzip als Gewährleistung einer letzten Sanierungschance
IV. Die Insolvenzanfechtung als Gewährleistung einer nachhaltigen Sanierung
V. Die massearme Insolvenz in der Praxis – Abhilfede lege ferenda?
1. Vorverlagerung der materiellen Insolvenz
2. Einführung eines staatlichen Insolvenzvermeidungsverfahrens
VI. Die bei der freien Sanierung auftretenden Regelungsprobleme
1. Die pluralistische Gläubigerstruktur
2. Die Herbeiführung der masselosen Insolvenz
VII. Die hieraus resultierende Notwendigkeit einer Gläubigerverantwortung
§7 Die Überwindung der Interessenpluralität durch ein System von Kooperationspflichten?
I. Vorteile konzertierten Gläubigerhandelns aus ökonomischer Sicht
II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall
1. Das Gefangenendilemma als Ausgangspunkt
2. Die notwendige Unterscheidung produktiver und unproduktiver Spiele
3. Der Maßstab gemeinschaftlicher Nützlichkeit und seine Effektuierung
4. Die Bedeutung des Kollektivhandlungsrisikos für abgestimmtes Gläubigerverhalten
a. Bei der Durchsetzung fälliger Kreditforderungen
b. Bei der Anpassung von Kreditbedingungen
III. Die rechtliche Bewältigung des Akkordstörerproblems
1. Die Begründung von Kooperationspflichten durch Eidenmüller
2. Die Akkordstörer-Entscheidung des BGH
IV. Konsequente Weiterentwicklung des Akkordstörerproblems
1. Die Unternehmensfi nanzierung als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung
2. Die Zweckförderungspfl icht als Grundlage einer rechtlichen Beurteilung von tatsächlich erfolgten oder gebotenen Verhaltensweisen
3. Mögliche Konsequenzen für die rechtliche Beurteilung unternehmerischer Einflussnahme
V. Erste kritische Würdigung
1. Umkehrschluss zum Insolvenzrecht
2. Die Zweckbindung aufgrund hypothetischer Verträge als unzulässige Fiktion
3. Die Unternehmensfi nanzierung als schlichte Interessengemeinschaft?
a. Die Entscheidung des RG zur beschränkten Vorratsschuld
b. Die Verwaltung von Knappheit als notwendige Legitimation der Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens
VI. Zwischenergebnis
§8 Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese
I. Grundprobleme bei der Definition der Unternehmensinsolvenz
II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht
1. Die Ziele des Insolvenzverfahrens
a. Gläubigerbefriedigung
b. Entschuldung
c. Sanierung
2. Die Funktionsweise der Zielverwirklichung
a. Einschränkung der Schuldnerautonomie
b. Einschränkung der Gläubigerautonomie
3. Die vom Antragsprinzip ausgehenden Anreize
a. Der Eigenantrag als Mittel zur Einschränkung der Gläubigerautonomie
b. Der Gläubigerantrag als Mittel zur Einschränkung der Schuldnerautonomie
4. Die Insolvenzgründe als notwendige Legitimation dieser Anreize
III. Die Zahlungsunfähigkeit als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge bereits erfolgter Marktauslese
1. Der missverständliche Wortlaut der Neuregelung
a. Übereinstimmung mit der früher herrschenden Meinung?
b. Erste Wortlautunterschiede
aa. Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr
bb. Verzicht auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit
cc. Verzicht auf das Erfordernis ernsthafter Geltendmachung
2. Die Gesetzgebungsmaterialen als Auslegungshilfe für eine Neuinterpretation
a. Zeitpunktilliquidität mit Prognoseelement
b. Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur im Ausnahmefall
c. Kein Erfordernis „ernsthafter Geltendmachung“ mehr
d. Zwischenergebnis
3. Die Abgrenzung von unbeachtlichen Zahlungsstockungen
a. Der Grundkonflikt
b. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Zahlungsunfähigkeit
aa. Die Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens
bb. Der Gläubigerschutz außerhalb des Insolvenzverfahrens
cc. Das Leerlaufen dieses Schutzes als Legitimation von § 17 InsO
dd. Die Kreditunwürdigkeit als notwendiges weiteres Tatbestandsmerkmal
c. Konsequenzen für die teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO
aa. Parallele zu der Insolvenzantragspflicht
bb. Übertragung auf § 17 Abs. 2 S. 1 InsO
4. Zwischenergebnis
5. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspfl ichten im Vorfeld der Insolvenz
a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife
b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese
IV. Die Überschuldung als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge Marktauslese
1. Die Vermögensinsuffi zienz als Legitimation des Insolvenzverfahrens
a. Der Übergang des Finanzierungsrisikos auf die Gläubiger
b. Das Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit
2. Das Ansatz- und Bewertungsproblem
3. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Überschuldung
4. Die Fortbestehensprognose
5. Zwischenergebnis
6. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspfl ichten im Vorfeld der Insolvenz
a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife
b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese
§9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung unter freiwilliger Beteiligung der Gläubiger
I. Gesetzgeberische Zielsetzung
II. Geringe praktische Bedeutung versus Modellcharakter
III. Die Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse
1. Die kollektive Willensbildung durch Beschluss
a. Repräsentation aller durch ein Willenbildungsorgan
b. Repräsentation aller durch die Abstimmungsmehrheit
c. Kritische Würdigung
2. Zweckverfolgung als materielle Schranke der Beschlussfassung
a. Richtigkeitsgewähr privatautonom getroffener Entscheidungen
b. Der notwendige Interessengleichlauf aller Betroffenen
c. Gegenstände der Beschlussfassung als Indizien für das gemeinsame Interesse
d. Das gemeinsame Interesse an bestmöglicher Befriedigung
3. Konsequenzen de lege lata
a. Kein gemeinschaftsähnliches Rechtsverhältnis außerhalb des SchVG
b. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse
IV. Zusammenfassung
Dritter Teil Ökonomische und rechtliche Grundlagen einer individuellen Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme
§10 Individuelle Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz
I. Das Konfl iktpotential pluralistischer Finanzierungsstrukturen als Regelungsproblem
II. Die Notwendigkeit des Außenseiterschutzes als Schranke individuellen Vorteilsstrebens
III. Überwindung der Interessenpluralität durch das Kaldor/Hicks-Kriterium?
1. Die ökonomische Entscheidungstheorie als Ausgangspunkt
2. Die Steigerung des Unternehmenswertes als Grundlage des Außenseiterschutzes
a. Die notwendigen Anreize für den Entscheidungsträger
b. Das variable Verhältnis von Unternehmenswert und individuellem Nutzen
IV. Kritische Würdigung
1. Fehlende praktische und rechtssichere Handhabbarkeit einer mathematischen Begründung rechtswidrigen Handelns
2. Erneuter Vorbehalt gegen die normative Bedeutung des Wertsteigerungsprinzips
a. Hypothetischer Vertrag als unzulässige Fiktion
b. Unverbindlichkeit wechselseitiger Risikozuweisungen gemäß § 762 Abs. 1 BGB
c. Verstoß gegen das Prinzip neminem laedere
V. Ergebnis
§11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten
I. Vertrauen der Kreditgeber untereinander –das Modell der Kreditkaskaden
II. Ökonomische Begründung des Vertrauensdürfens – Die Treuhänderstellung der adjusting creditors
1. Statistisch begründete Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen
2. Kostenvorteile bei arbeitsteiligem Vorgehen
3. Gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Verbesserung der Kreditfi nanzierung
III. Vertrauen und Vertrauendürfen – Die notwendige Überwindung der Interessenpluralität aus rechtlicher Sicht
IV. Der haftungsrechtliche Ansatz Engerts zur rechtlichen Begründung einer Treuhänderstellung der adjusting creditors
V. Grundprobleme bei der rechtlichen Begründung des Vertrauendürfens
1. Existenz eines Unternehmens als Vertrauenstatbestand
2. Zurechenbarkeit des Vertrauenstatbestands
3. Selbstverantwortung der Gläubiger
VI. Ergebnis
§12 Individuelle Gläubigerverantwortung wegen widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens
I. Widersprüchliches Verhalten bei der Unternehmensfinanzierung
1. Die rechtliche Missbilligung widersprüchliches Verhaltensals allgemeines Rechtsprinzip
2. Der ökonomisch missbilligte Selbstwiderspruch
3. Die notwendige Differenzierung von Selbstwiderspruch und Widerspruch gegen eine Sollensnorm
II. Parallelen zur Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals
1. Das dahinter stehende Prinzipal-Agenten-Problem
2. Die Selbstbetroffenheit als Mittel zur Risikominimierung
III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens
1. Die Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger als Zurechnungskriterium einer Finanzierungsverantwortung
2. Das vorrangige Verlustrisiko der Entscheidungsträger als normativer Vertrauenstatbestand
3. Abweichende Beurteilung bei der Richtigkeitsgewähr bei Mehrheitsbeschlüssen
a. Gleichrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenendiligentia quam in suis
b. Vorrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenen Mitberücksichtigung externer Drittinteressen
4. Die doppelte Kompensation der vorrangigen Verlusttragung
a. Die kaum messbare Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital
b. Die mögliche Teilhabe am Unternehmenserfolg aufgrund des Leverage-Effekts
5. Zwischenergebnis
IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung als rechtliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Lasten der Eigentümer
1. Die Selbstbetroffenheit des Einzelunternehmers
2. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft
a. Persönlich haftende Gesellschafter
b. Kommanditisten
c. Kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung
d. Möglicherweise Gleichlauf von Herrschaft und gesetzlicher Kapitalbindung
3. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft
a. Materiell-rechtlich begründeter Nachrang der Einlagen
b. Die kollektive Rechtsmacht der Gesellschafter als Gegenstand der Selbstbetroffenheit
d. Konsequenzen für die Herausarbeitung einer vergleichbarenFinanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber
4. Zwischenergebnis
V. Aufgabe der Finanzierungsverantwortung de lege ferenda?
1. Die über eine Kapitalbindung bezogene Selbstbetroffenheit als Mittel zur Verringerung der Insolvenzanfälligkeit
2. Die über die Kapitalbindung vermittelte Selbstbetroffenheit als Mittel zur Schaffung von Rechtssicherheit
3. Zwischenergebnis
VI. Vergleichbare Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber?
1. Das mehrdimensionale Prinzipal-Agenten-Problem als Ausgangspunkt
2. Die mögliche Ingangsetzungsfunktion der Fremdfinanzierung
3. Die mögliche Kompensation der erzwungenen Selbstbetroffenheit
a. Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital
b. Mögliche Teilhabe am Leverage-Effekt
4. Die notwendige Herstellung von Selbstbetroffenheit beim Fremdkapitalgeber
VII. Zusammenfassung
Vierter Teil Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als normative Korrektur des gesetzestypischen Fremdkapitalgebers
§13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der einfl usslosen Fremdfinanzierung ohne Finanzierungsverantwortung
I. Die Kündigungsrechte des Darlehensgebers
1. Ordentliche Kündigung
2. Außerordentliche Kündigung wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs
3. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB
II. Die haftungsmäßige Widmung der Darlehensvalutai n der Insolvenz
1. Sofortige Fälligkeit der Rückerstattungspfl icht gemäß § 41 Abs. 1 InsO
2. Mögliche Einschränkung unter dem Aspekt der Sanierungsfeindlichkeit
3. Teleologische Reduktion von § 41 Abs. 1 InsO als Konsequenz?
4. Zwischenergebnis
III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage
1. Beteiligung mit einer Vermögenseinlage
2. Rechtslage bei fehlender Verlustbeteiligung
3. Rechtslage bei Verlustbeteiligung
4. Die Behandlung weitergehender Verluste
IV. Zusammenfassung
§14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einfl usslosen Fremdkapitalgeber
I. Die Covenant-gestützte Fremdfi nanzierung als konzernrechtliche Beherrschung
1. Der faktisch herrschende Fremdkapitalgeber
2. Der Finanzierungsvertrag als konzernrechtlicher Beherrschungsvertrag
3. Die notwendige Überlagerung durch das Konzerninteresse
a. Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff – Notwendigkeit einer Interessenkollision
b. Konsequenzen für den Finanzierungsvertrag mit Dritten
4. Ergebnis
II. Fremdkapitalgeber als faktische Organe
1. Die neueren Ansichten in der Literatur
a. Das Erfordernis eines nach außen hervortretenden Handelns
b. Die zusätzlichen Voraussetzungen
aa. Der generalklauselartige Ansatz Fleischers
bb. Die Fallgruppenbildung von Himmelsbach/Achsnick
2. Erste Kritik an der tatbestandlichen Abgrenzung
3. Rechtsvergleichende Aspekte als Regelungsvorbild?
a. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im englischen Recht
b. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im französischen Recht
c. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im schweizerischen Recht
4. Die faktische Organstellung als rechtsformübergreifender Ansatz?
a. Übertragung auf Personengesellschaften und Einzelunternehmen
b. Parallele zur Treuepfl icht des Kreditgebers
5. Die notwendige Überwindung eines legitimen Eigeninteresses als bisher übersehenes Problem
a. Die alle Individualinteressen überlagernde Insolvenzantragspflicht
b. Die gesetzlich legitimierte Verwirklichung eines Eigeninteresses als Hindernis für die Etablierung fremdnütziger Pflichten
c. Zwischenergebnis
III. Fremdkapitalgeber als faktische Unternehmenseigentümer
1. Die Anerkennung der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen
2. Die mittels Kapitalbindung hergestellte Selbstbetroffenheit als selbstregulierendes System
3. Die hieraus begründbare Finanzierungsverantwortung des Fremdkapitalgebers
4. Bestätigung dieses Konzepts durch das Verbot der Veräußerung künftigen Vermögens
a. Die Nichtigkeit von Verträgen über das künftige Vermögen
b. Parallele zur neueren Finanzierungspraxis
c. Vorrangige Spezialregelungen
IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung
Fünfter Teil Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungs verhaltens der einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber
§15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz
I. Die Nichtgeltendmachung eines Lösungsrechts als Mittel zur Insolvenzvermeidung
1. Mögliche Einschränkungen des Kündigungsrechts
2. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung als Mittel zu Insolvenzvermeidung
3. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung zum Schutz vor Vermögensverschlechterung
4. Vorrang der Vertragsanpassung
5. Zwischenergebnis, offene Fragen
II. Die Einschränkung des Lösungsinteresseswegen widersprüchlichen Verhaltens
1. Die Verantwortungsbereiche bei der Fremdfi nanzierungeines Unternehmens
a. Die verhaltensbedingte Kündigung als Ausgangspunkt
b. Die keinem konkreten Verhalten zurechenbare Vermögensverschlechterung als Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen
aa. Der Zustand der Vermögensverschlechterung als Kündigungsgrund
bb. Die Zuweisung des Verschlechterungsrisikos in den Verantwortungsbereich des Unternehmens
cc. Korrektur bei Durchbrechung der Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen
2. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen Ingerenz
3. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen (bloßen) Selbstwiderspruchs
a. Erfordernis eines Machtgefälles?
b. Typische Fälle für die Begründung eines Vertrauenstatbestands
c. Verhinderung eines Vertrauenstatbestands durch Freizeichnung
d. Überwindung durch die normative Vorgabe konsequenten Verhaltens
aa. Die Protestatio facto contraria-Regel als untaugliche Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen
bb. Die Protestatio facto contraria-Regel als anerkannte Grundlage für die normative Gewichtung von Verhalten
4. Zwischenergebnis
III. Die Schwächen eines auf die Einschränkung von Lösungsrechten bezogenen Konzepts der Gläubigerverantwortung
1. Der dilatorische Charakter der möglichen Einschränkungen
2. Der Fremdkapitalcharakter als Einschränkung der dilatorisch wirkenden Beschränkungen
IV. Materiell-rechtliche Umqualifi zierung von Fremdkapital in Eigenkapital?
1. Die Abgrenzung privatautonomer Umqualifizierungen von Fremdkapital
a. Die Verlustbeteiligung des Stillen als gesetzlich anerkannte materiell rechtlicheUmqualifizierung
b. Vergleichbare Gestaltungen beim Darlehen
aa. Verzicht auf Zinsen
bb. Die nur schuldrechtlichen Wirkungen eines Rangrücktritts
c. Die Gefahr einer unzulässigen Fiktion solcher Gestaltungen
2. Dritte als Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots
a. Leistungen causa societatis als verbotene Einlagenrückgewähr
b. Die Einbeziehung Dritter nach der herrschenden Meinung
aa. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschafter bzw. Geschäftsanteil
bb. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschaft
c. Kritische Würdigung
aa. Die unproblematischen Fälle
bb. Der umgekehrte Drittvergleich als übersehenes Problem
cc. Die Bedeutung der Verlustbeteiligung
dd. Vergleich mit dem Nachschusskapital
ee. Vergleich mit dem ursprünglichen Eigenkapitalersatzrecht
d. Zwischenergebnis
V. Ergebnis, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung
§16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz
I. Die Gesellschafterfremdfinanzierung als Ausgangspunkt
1. Fremdfi nanzierung durch persönlich haftende Gesellschafter
a. Gesellschafterdarlehen
b. Der Gesellschafter als Stiller
c. Die unvollkommene Ingangsetzungsfunktion der persönlichen Haftung
aa. Unbeschränkte persönliche Haftung als ineffi zienter Gläubigerschutz
bb. Unbeschränkte persönliche Haftung als zweifelhafte Sicherheit
cc. Konsequenzen für die nachfolgende Untersuchung
2. Fremdfi nanzierung durch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und durch Kommanditisten
a. Gesplittete Einlagen
b. Die fehlende haftungsrechtliche Akzessorietät des Finanzierungsbeitrags
aa. Die die Haftsumme übersteigende Kommanditisten-Fremdfi nanzierung
bb. Die die Stammeinlage übersteigende Finanzierung eines Kapitalgesellschafters
c. Auseinanderfallen von Herrschaft und Selbstbetroffenheit
d. Die gesetzliche Umqualifi zierung von Finanzierungsbeiträgen als Kompensation
3. Rechtsform- und adressantenübergreifender Ansatz der gesetzlichen Subordination?
a. Parallele zum ökonomisch begründbaren widersprüchlichen Finanzierungsverhalten
b. Dogmatische Begründung der Umqualifi zierung mit der Protestatio facto contraria-Regel
c. Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung
II. Die von der gesetzlichen Umqualifizierung erfassten Unternehmensträger
1. Das Recht des Eigenkapitalersatzes bei der GmbH
a. Materiell- und insolvenzrechtliche Umqualifizierung de lege lata
b. Insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen de lege ferenda
2. Die bisher eingeschränkte Gesamtanalogie bei der AG
a. Die Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts de lege lata
b. Gleichbehandlung mit der GmbH de lege ferenda
c. Der „geschäftsführende Gesellschafter“ als einheitlicher Zurechnungstatbestand
3. Die Einbeziehung nicht-gesetzestypischer Personengesellschaften
a. Eigenkapitalersatz bei der „Kapitalgesellschaft und Co.“ de lege lata
b. Gesellschafterdarlehen bei der „Kapitalgesellschaft & Co.“ de lege ferenda
4. Die Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals
III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts
1. Vom Gesellschafter abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung
a. Die herrschende Meinung
b. Erste kritische Einwände
aa. Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH
bb. Der hierin angelegte Perspektivwechsel
c. Vom atypischen Pfandgläubiger zum atypischen Fremdkapitalgeber als naheliegende Konsequenz
2. Originäre Finanzierungs(folgen)verantwortung des Nichtgesellschafters
a. Eigenkapitalersatz als Umqualifi zierung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand?
b. Der bereits begonnene Perspektivwechsel beim „Nur-Kommanditisten“
aa. Die nicht begründbare Notwendigkeit eines mitgliedschaftlichen Verbands mit den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft
bb. Die verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung des Gebots der Eigenfinanzierung
cc. Erste Konsequenzen für die Einbeziehung Dritter
c. Die Einbeziehung des „Nur-Stillen“ nach der herrschenden Meinung
aa. Die dahinter stehende Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals
bb. Der scheinbare Widerspruch zur Einbeziehung des „Nur-Kommanditisten“
cc. Die erforderliche konkrete Betrachtung der Einflussnahme bei Dritten als Konsequenz
d. Zwischenergebnis
3. Die gesetzliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Veranlassungshaftung für Einflussnahme?
a. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht als Pfl icht zu konsistentem Finanzierungsverhalten
b. Die fehlende Kohärenz zwischen Verlustbeteiligung und Umqualifizierung
c. Der hierdurch begründete Zusammenhang von Eigenkapitalersatz und materieller Unterkapitalisierung de lege lata
d. Die einander ausschließenden Risikoanreize als ökonomische Legitimation
e. Trennung des Zusammenhangs von Eigenkapitalersatzrecht und materieller Unterkapitalisierung de lege ferenda?
IV. Die künftige Umqualifi zierung von Gesellschafterdarlehen wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens
1. Erste Ansätze in der Literatur
2. Die Rückbesinnung auf die Missbrauchsrechtsprechung des RG
a. Vorweggenommene Abkehr vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht
b. Bestätigung der Kritik an der konturenlosen Gläubigerverantwortung gemäß § 826 BGB
3. Die Verhinderung einer Quotenschmälerung der Insolvenzgläubiger als Ziel der Neuregelung
4. Die inkompatible Rolle der mit Herrschaftsmacht ausgestatteten Gesellschafter als Legitimation
5. Die hieraus resultierende insolvenzbezogene Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals
6. Zwischenergebnis
V. Die inkompatible Rolle der konkret einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Konsequenz
1. Die Mitbeeinfl ussung des Insolvenzrisikos als alleiniger Zurechnungsgrund
2. Abweichende Beurteilung wegen unterschiedlicher Interessen von Gesellschaftern und Dritten?
a. Der zurückhaltende Ansatz von Habersack/Huber
b. Kritische Würdigung
aa. Etablierung eines nicht begründbaren Bankenprivilegs
bb. Zweifelhafter Schutz der „reibungslosen Kreditversorgung“
cc. Der verfehlte Hinweis auf die Interessendivergenz
3. Abweichende Beurteilung wegen fehlender ökonomischer Legitimation?
a. Der Ansatz Eidenmüllers
b. Kritische Würdigung
aa. Die Nicht-Passivierung von Gesellschafterdarlehen als Sanierungsanreiz
bb. Die vorrangige Verlusttragung als notwendige Selbstbetroffenheit
VI. Parallelen und Unterschiede in anderen Rechtsordnungen
1. Die Rückstufung von Ansprüchen faktischer Geschäftsleiter im englischen Recht
a. Einbettung der Umqualifi zierung in die rule of fraudulent bzw. wrongful trading
b. Die hierauf gestützte Kritik Eidenmüllers an der Subordination von Finanzierungsbeiträgen
c. Kritische Würdigung des Vorrangs schadensrechtlicher Lösungen
aa. Die übersehene Dichotomie von Eigen- und Fremdinteresse
bb. Die begrenzte, aber effektive Disziplinierung der Gläubiger
cc. Fehlende Rechtssicherheit
2. Die erzwungene Rückstufung von Darlehen Dritter im US-amerikanischen Recht
a. Equitable Subordination bei missbräuchlicher Innehabung und Ausübung von Indirect Control
aa. Beispiele aus der Rechtsprechung
bb. Gibt es ein privilegiertes Gläubigerinteresse auf Einflussnahme?
cc. Kritische Würdigung
b. Umqualifi zierung von Fremdkapital durch Recharacterization
VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter
1. Kein Erfordernis einer Außenwirkung
2. Differenzierung nach unschädlicher „Warning“ und schädlicher „Guidance“
3. Die Unternehmensleitung als Gegenstand der Einflussnahme
4. Die erforderliche Intensität der Einflussnahme
a. Nochmals: Die bisher vertretenen Ansätze
aa. Die Formel der Rechtsprechung zu § 826 BGB
bb. Die Formel der Rechtsprechung zu § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG
cc. Die Anforderungen der Literatur zur Haftung als faktisches Organ
dd. Die herrschende Meinung zu § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG
b. Eigener Ansatz: Die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess
aa. Die inkompatible Doppelrolle des Einflussnehmenden als Ausgangspunkt
bb. Die Zuweisung des zufälligen Insolvenzrisikos nach Herrschaftsbereichen
cc. Jedwede Sphärenvermischung als Grundlage einer Einbeziehung Dritter?
dd. Keine Schlechterstellung von Dritten gegenüber kleinbeteiligten Gesellschaftern
ee. Die wertende Betrachtung der Einflussnahme anhand des differenziertenRollenbilds der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie
c. Zwischenergebnis
5. Die Parameter einer wertenden Gesamtbetrachtung
a. Unmittelbare Einflussnahme
aa. Stimmbindungsverträge
bb. Mitgliedschaft in einem (ggf. beratenden) Organ oder Beirat
cc. Aufsichtsratsmandate
dd. Einfl ussnahme auf die eigenverantwortliche Schuldenregulierung
b. Mittelbare Einflussnahme über Covenants
aa. Regelmäßig unschädliche affirmative Covenants
bb. Regelmäßig beachtliche negative Covenants
c. Einfl ussnahme auf Personalentscheidungen
aa. Pfl icht zur Gewährleistung eines erfahrenden Managements
bb. Auswechselung des Managements auf Druck des Fremdkapitalgebers
cc. Change-of-management-Klauseln
6. Rechtsfolgen der Einbeziehung Dritter
a. Nachrang des Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz
b. Anfechtung zurückgewährter Finanzierungen, gezahlter Zinsen und bestellter Sicherheiten
c. Berücksichtigung im Überschuldungsstatus
7. Die Wirkungen der Umqualifizierung auf die im Vorfeld der Insolvenz bestehenden dilatorischen Einschränkungen des vorzeitigen Kapitalabzugs
VIII. Sanierungsprivileg
1. Nochmals: Die „Sanierungsfeindlichkeit“ einer Subordination von Finanzierungsbeiträgen
2. Die Privilegierung von Sanierungsfinanzierungen
a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Einbeziehung gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG
b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen?
aa. Gewährung eines weiteren Sanierungsdarlehens
bb. Bloße Beteiligung an der Krisenbewältigung
3. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege lata
a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Einbeziehung gemäß § 32 a Abs. 3S. 1 GmbHG
b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen?
aa. Gewährung eines weiteren Sanierungsdarlehens
bb. Bloße Beteiligung an der Krisenbewältigung
4. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege ferenda
a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Gleichstellung
b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen?
5. Ergebnis
IX. Widersprüchliches Finanzierungsverhalten bei gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen
1. Die gesetzliche Ausgangslage de lege lata et ferenda
2. Bisherige Ansätze zur analogen Anwendung des Eigenkapitalersatzrechtsauf gesetz estypische Personengesellschaften
3. Die Aufspaltung des geltenden Eigenkapitalersatzrechts in einenrechtsformspezifi schen und einen rechtsformübergreifenden Teil
a. Die tatbestandlichen Unterschiede
b. Die rechtsfolgenseitigen Unterschiede
4. Die neue insolvenzrechtliche Subordination von Fremdkapital wegen Einflussnahme als rechtsformübergreifende Gläubigerschutzregel
a. Das geltende Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten als Teilaspekt der auf Kapitalgesellschaften beschränkten materiellen Unterkapitalisierung
b. Die künftige Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens als rechtsformübergreifende Prinzip der Unternehmensfi nanzierung
c. Die Schwächen des beschränkten Anwendungsbereichs von § 39 E-InsO
aa. Die begrenzte Wirkung der persönlichen Gesellschafterhaftung
bb. Begrenzte Wirkung der dahinterstehenden Verhaltenserwartung
cc. Die rechtsformübergreifende Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO als Kompensation der gestörten Verhaltenserwartung
5. Bestätigung dieses rechtsformübergreifenden Ansatzes durch die bisher vertretene Figur des „materiellen Eigenkapitals“
a. Gläubigerschutz durch „materielles Eigenkapital“
aa. Die grundlegende Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1984
bb. Die hierin angelegte Unterscheidung zwischen „materiellem Eigenkapital“und Eigenkapitalersatz
cc. Die kurzzeitige Aufgabe der Unterscheidung durch die Gleichstellung von Finanzplankredit und Eigenkapitalersatzrecht
b. Kritische Würdigung
aa. Gefahr einer unzulässige Fiktion einer gewillkürten Haftungsfunktion
bb. Fehlende dogmatische Begründung einer gesetzlichen Umqualifizierung
6. Ergebnis
X. Zusammenfassung
Sechster Teil Zusammenfassung
Erster Teil: Die Herausforderungen der sich wandelnden Finanzierungspraxis
§ 1 Die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen
§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht
§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen für die Bewältigung vergleichbarer Principal-Agent-Probleme und Interessenkonflikte
§ 4 Die Schwächen einer auf Generalklauseln gestützten Gläubigerverantwortung
§ 5 These: Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigen kapitalsals Grundlage einer rechtlichen Billigung der Einflussnahme
Zweiter Teil: Die Gläubigerverantwortung wegen Einfl ussnahme als möglicher Ausschnitt einer kollektiven Pflicht zur Insolvenzvermeidung
§ 6 Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligung der Gläubigerals Ziel des Insolvenzrechts
§ 7 Die Überwindung der pluralistischen Gläubigerstruktur durch ein System von Kooperationspflichten?
§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese
§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung unter freiwilliger Beteiligung der Gläubiger
Dritter Teil: Ökonomische und rechtliche Grundlagen einer individuellen Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme
§ 10 Individuelle Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz
§ 11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten
§ 12 Individuelle Gläubigerverantwortung aufgrund widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens
Vierter Teil: Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als normative Korrektur des gesetzestypischen Fremdkapitalgebers
§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der einflusslosen Fremdfinanzierung ohne Finanzierungsverantwortung
§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einflusslosen Fremdkapitalgeber
Fünfter Teil: Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens der einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber
§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz
§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz
I. Die Gesellschafterfremdfi nanzierung als Ausgangspunkt
II. Die vom Eigenkapitalersatzrecht erfassten Unternehmensträger
III. Nichtgesellschafter als Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts
IV. Die künftige Umqualifi zierung von Gesellschafterdarlehen wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens
V. Die inkompatible Rolle der konkret einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Konsequenz
VI. Rechtsvergleichende Aspekte
VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifi zierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter
1. Integration in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess
2. Unmittelbare Einflussnahme
3. Mittelbare Einflussnahme
4. Subordination, Insolvenzanfechtung, Vorwirkungen
VIII. Sanierungsprivileg
IX. Widersprüchliches Finanzierungsverhalten bei gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Gläubigereinfluss durch Covenants: Hybride Finanzierungsinstrumente im Spannungsfeld von Fremd- und Eigenfinanzierung
 9783161512148, 9783161497391

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 137

Wolfgang Servatius

Gläubigereinfluss durch Covenants Hybride Finanzierungsinstrumente im Spannungsfeld von Fremd- und Eigenfinanzierung

Mohr Siebeck

Wolfgang Servatius, geboren 1969; Studium der Rechtswissenschaft in Mainz, Glasgow und München; 2000–2005 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht der LMU München (Lehrstuhl Prof. Dr. Lorenz Fastrich); 2003 Promotion; Habilitationsstipendium der DFG; 2008 Habilitation, Lehrstuhlvertretung an der Universität Regensburg.

e-ISBN PDF 978-3-16-151214-8 ISBN 978-3-16-149739-1 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2007/2008 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Habilitationsschrift angenommen und für die Drucklegung aktualisiert. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Sommer 2008 berücksichtigt werden. Die Änderungen im Zuge des MoMiG sind dem derzeitigen Gesetzgebungsstadium entsprechend noch als Entwurf gekennzeichnet. Besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Lorenz Fastrich, an dessen Lehrstuhl ich schöne und lehrreiche Jahre verbracht habe. Er gewährte mir während meiner Assistentenzeit nicht nur den nötigen Freiraum zum eigenen wissenschaftlichen Arbeiten. Er hat mich auch darüber hinaus persönlich und fachlich in jeder Hinsicht unterstützt und gefördert. Auch das Erstellen der vorliegenden Arbeit wurde von ihm mit wertvollen kritischen Anregungen begleitet. Ebenfalls gilt mein besonderer Dank Herrn Professor Dr. Horst Eidenmüller, LL.M. für die Erstellung des Zweitgutachtens. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte mich nach Ablauf meiner Assistententätigkeit durch die Gewährung eines Habilitationsstipendiums und einen Druckkostenzuschuss. Hierfür sei an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich gedankt. Bei meiner Frau Cathrin möchte ich mich schließlich ganz besonders bedanken. Sie hat mir nicht nur persönlich stets zur Seite gestanden, sondern mich vor allem auch in vielen Gesprächen mit fachlichem Rat unterstützt und so zum Gelingen der Arbeit wesentlich beigetragen. Ihr und unserer Tochter Charlotte ist diese Arbeit gewidmet. München, im September 2008

Wolfgang Servatius

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Gegenstand der Arbeit, zentrale These . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Themenabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubiger als Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die über den Finanzierungsvertrag vermittelte Einflussnahme . . .

6 6 8

IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Erster Teil

Die Herausforderungen der sich wandelnden Finanzierungspraxis 17 §1

Die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . 1. Verstärkte Bonitätsprüfung und -überwachung seit Basel II . . . 2. Fokussierung auf den künftigen „Marktwert der Finanzierung“ . 3. Fremdfinanzierung von Unternehmensübernahmen. . . . . . . . 4. Die sich wandelnde Rolle des Fremdkapitalgebers . . . . . . . . .

20

. . . . .

20 21 22 23 24

. . . . . . . . .

27 27 28 28 29 29 30 30 31

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants. . . . . .

32

II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente als Gegenstand der Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakteristische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . a. Echter Equity-Kicker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Non-Equity-Kicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. „Ewige“ Anleihen und Genussscheine . . . . . . . . . 2. Typischer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . a. Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Brückenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

VIII

Inhaltsverzeichnis

1. Begriff und Verbreitung von Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bond Covenants im internationalen Anleihegeschäft. . . . . . . b. Covenants bei internationalen Konsortialkrediten . . . . . . . . c. Covenants bei Projektfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . d. Covenants bei Akquisitionsfinanzierungen . . . . . . . . . . . . e. Covenants im allgemeinen Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Affirmative Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Negative Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Financial Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Breach of Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Maintenance Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Incurrence Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen beim Breach of Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kreditkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Erhöhung des Zinssatzes, Nachbesicherung . . . . . . . . . . . . c. Erfolgsabhängige Finanzierungsbeiträge – Milestone Payments

33 34 34 35 36 37 39 40 42 43 44 44 44 45 45 45 46

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

§2

Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . 1. Das Prognoseproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Problem asymmetrischer Information . . . . . . a. Ursachen asymmetrischer Information. . . . . . . b. Gefahr des Marktversagens durch Negativauslese.

. . . . .

. . . . .

48

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

48 50 51 52 53

II. Gegenstrategien des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrauensbildende Maßnahmen – Das Signaling-Modell . a. Finanzierungsbeitrag der Eigentümer . . . . . . . . . . b. Beachtung der Finanzierungsregeln . . . . . . . . . . . 2. Das Modell der Self Selection . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

54 55 55 57 58

III. Gegenstrategien des Kreditgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versicherung über den Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Information und Überwachung, Einflussnahme auf den Schuldner

60 60 61 63

IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme . 1. Kompensation des Problems asymmetrischer Information . . 2. Kompensation der Gefahr opportunistischen Verhaltens . . . 3. Marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der gewünschte Vorrang der „stillen Sanierung“ . . . . . . b. Größere Flexibilität privatautonomer Regelungen . . . . .

. . . . . . . . .

64 64 67

. . . . . . . . .

68 68 70

§3

Inhaltsverzeichnis

IX

c. Vorverlagerung des Einsatzzeitpunkts zur Krisenbewältigung d. Der Breach of Covenants als Chance zur Korrektur von Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Covenants als Disziplinierung der Entscheidungsträger . . . . f. Rechtsformspezifische Einschränkungen? . . . . . . . . . . . . aa. Krisenanfälligkeit der Einzelunternehmen und Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Überwachungsdefizite beim Fremdorgan . . . . . . . . . .

71 . . .

72 73 75

. .

75 76

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Der unvollkommene rechtliche Rahmen für die Bewältigung vergleichbarer Principal-Agent-Probleme und Interessenkonfl ikte . .

80

I. Konfligierende Interessen von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen bzw. dessen Eigentümern . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

II. Konfligierende Interessen der Unternehmensgläubiger untereinander

84

III. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als unzulässige Typenvermischung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die prohibitive Wirkung der Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsunsicherheit als Aufforderung zur Rechtsfortbildung. .

87 87 89

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

§4

Die Schwächen einer auf zivilrechtliche Generalklauseln gestützten Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Schwächen einer auf die Sittenwidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die grundlegende Entscheidung RGZ 136, 247 . . . . . . . . . . . . 2. Von der Fallgruppenbildung zur deliktsrechtlichen Generalklausel 3. Funktionale Interpretation der Sittenwidrigkeit?. . . . . . . . . . . 4. Übertragung dieser Rechtsprechung auf Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die beschränkte Bedeutung von § 826 BGB als Grundlage einer Kreditgeberhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gefahr eines systemwidrigen deliktischen Vermögensschutzes b. Keine autonome Beschreibung haftungswürdigen Verhaltens . . c. Der problematische subjektive Tatbestand . . . . . . . . . . . . . aa. Gefahr der Vorsatzfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Gefahr einer konturenlosen Erfolgshaftung . . . . . . . . . . d. Ungerechtfertigte Stigmatisierung des Wirtschaftsverkehrs . . . e. Notwendigkeit einer deliktsrechtlichen Anknüpfung bei Auslandsbezug? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Qualifikation des existenzvernichtenden Eingriffs als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 97 97 99 100 101 103 103 104 106 106 107 109 111 111

X

Inhaltsverzeichnis

(1) Probleme einer deliktsrechtlichen Qualifizierung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Überprüfung nationaler Qualifikationen anhand europäischer Vorgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Konsequenzen für die hier interessierende Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Deliktisch begründete Gläubigerverantwortung als unzureichender Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sachnäher begründete Gläubigerverantwortung als ausreichender Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Möglichkeiten einer sachnäheren Begründung der Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Tatbestand der stillen Geschäftsinhaberschaft als Leerformel . b. Die möglichen Rechtsfolgen einer Gläubigerverantwortung – Lender Control Liability contra Debt-Equity Swap . . . . . . c. Akzessorietät zwischen Sicherheit und Kapitalbeitrag . . . . . d. Insolvenzverschleppung als allgemeine Verhaltenshaftung . . e. Vorrang der Insolvenzanfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

112

.

112

.

113

.

113

. .

114 115

. .

116 116

. . . . .

119 121 122 124 124

II. Die Schwächen einer auf die Unangemessenheit gestützten Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die konturenlose Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kriterien der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verfehlte Rechtsfolge der Unangemessenheit . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Vermeidungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die fehlende Berücksichtigung von Drittinteressen . . . . . . . . . III. Die Schwächen einer auf die Rechtswidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 117 AktG als deliktische Jedermann-Haftung. . . . . . . . . . . 2. Die zu begründende Rechtswidrigkeit des Fremdeinflusses. . . . a. Parallele zum innergesellschaftlichen Verbot des Fremdeinflusses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Entscheidung des BGH zur Abberufung eines Vorstands auf Druck der Hausbank . . . . . . . . . . . . . bb. Die gebotene Unterscheidung von Innen- und Außenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Konturenlosigkeit des Rechtswidrigkeitsmerkmals . . . . 3. Die begrenzte Analogiefähigkeit von § 117 AktG. . . . . . . . . .

125 125 126 127 127 128 130

. . .

131 131 133

.

134

.

134

. . .

135 137 138

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

XI

Inhaltsverzeichnis

§5

These: Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundlage einer rechtlichen Billigung der Einfl ussnahme

143

I. Das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Zusammenhang zwischen Leverage-Effekt und Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwei Arten von Kapitalgebern als Funktionsbedingung des Leverage-Effekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der gesetzlich anerkannte Leverage-Effekt zu Gunsten der Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die zu begründende Finanzierungsverantwortung der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das beschränkte Leverage-Risiko der Fremdkapitalgeber. . . . . 2. Systemwidriger Widerspruch zur Eigentümerfinanzierung? . . . 3. Die erzwungene Selbstbetroffenheit als Funktionsbedingung des Finanzierungsmarktes und Legitimation der externen Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 147 148

. . .

150 150 151

.

152

IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154

Zweiter Teil

Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als möglicher Ausschnitt einer kollektiven Pflicht zur Insolvenzvermeidung 157 §6

Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligung der Gläubiger als Ziel des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

I. Die Legitimation des Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung von Knappheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

II. Das veränderte Anreizsystem im Vorfeld der Insolvenz . . . . . . . .

162

III. Das Antragsprinzip als Gewährleistung einer letzten Sanierungschance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

IV. Die Insolvenzanfechtung als Gewährleistung einer nachhaltigen Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

V. Die massearme Insolvenz in der Praxis – Abhilfe de lege ferenda?. . . 1. Vorverlagerung der materiellen Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung eines staatlichen Insolvenzvermeidungsverfahrens . .

167 167 170

VI. Die bei der freien Sanierung auftretenden Regelungsprobleme . . . . . 1. Die pluralistische Gläubigerstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Herbeiführung der masselosen Insolvenz . . . . . . . . . . . .

172 172 173

XII

Inhaltsverzeichnis

VII. Die hieraus resultierende Notwendigkeit einer Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §7

174

Die Überwindung der Interessenpluralität durch ein System von Kooperationspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

I. Vorteile konzertierten Gläubigerhandelns aus ökonomischer Sicht . .

175

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall. . . . . . 1. Das Gefangenendilemma als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . 2. Die notwendige Unterscheidung produktiver und unproduktiver Spiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Maßstab gemeinschaftlicher Nützlichkeit und seine Effektuierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Bedeutung des Kollektivhandlungsrisikos für abgestimmtes Gläubigerverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bei der Durchsetzung fälliger Kreditforderungen. . . . . . . . b. Bei der Anpassung von Kreditbedingungen . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Die rechtliche Bewältigung des Akkordstörerproblems. . . . . . . . . 1. Die Begründung von Kooperationspflichten durch Eidenmüller . . 2. Die Akkordstörer-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . .

185 186 188

IV. Konsequente Weiterentwicklung des Akkordstörerproblems . . . . . 1. Die Unternehmensfinanzierung als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zweckförderungspflicht als Grundlage einer rechtlichen Beurteilung von tatsächlich erfolgten oder gebotenen Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Konsequenzen für die rechtliche Beurteilung unternehmerischer Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189

V. Erste kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umkehrschluss zum Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zweckbindung aufgrund hypothetischer Verträge als unzulässige Fiktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unternehmensfinanzierung als schlichte Interessengemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Entscheidung des RG zur beschränkten Vorratsschuld . b. Die Verwaltung von Knappheit als notwendige Legitimation der Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens . . . . . .

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190 190

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VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198

§8

Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200

XIII

Inhaltsverzeichnis

I. Grundprobleme bei der Definition der Unternehmensinsolvenz. . . . II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ziele des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gläubigerbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Entschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Funktionsweise der Zielverwirklichung . . . . . . . . . . . . . a. Einschränkung der Schuldnerautonomie. . . . . . . . . . . . . . b. Einschränkung der Gläubigerautonomie . . . . . . . . . . . . . . 3. Die vom Antragsprinzip ausgehenden Anreize . . . . . . . . . . . . a. Der Eigenantrag als Mittel zur Einschränkung der Gläubigerautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Gläubigerantrag als Mittel zur Einschränkung der Schuldnerautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Insolvenzgründe als notwendige Legitimation dieser Anreize III. Die Zahlungsunfähigkeit als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge bereits erfolgter Marktauslese . . . . . . . . . . . 1. Der missverständliche Wortlaut der Neuregelung . . . . . . . . . a. Übereinstimmung mit der früher herrschenden Meinung? . . b. Erste Wortlautunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr . . . . . . . . . . bb. Verzicht auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit . . . . . . . cc. Verzicht auf das Erfordernis ernsthafter Geltendmachung 2. Die Gesetzgebungsmaterialen als Auslegungshilfe für eine Neuinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zeitpunktilliquidität mit Prognoseelement . . . . . . . . . . . b. Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur im Ausnahmefall . . . . c. Kein Erfordernis „ernsthafter Geltendmachung“ mehr . . . . d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Abgrenzung von unbeachtlichen Zahlungsstockungen . . . . a. Der Grundkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Zahlungsunfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens . . . . bb. Der Gläubigerschutz außerhalb des Insolvenzverfahrens . cc. Das Leerlaufen dieses Schutzes als Legitimation von § 17 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Die Kreditunwürdigkeit als notwendiges weiteres Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Konsequenzen für die teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Parallele zu der Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . .

201 203 203 204 204 206 207 207 208 209 209 212 214

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XIV

Inhaltsverzeichnis

bb. Übertragung auf § 17 Abs. 2 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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245

Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung unter freiwilliger Beteiligung der Gläubiger . . . . . . . . .

247

IV. Die Überschuldung als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge Marktauslese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vermögensinsuffizienz als Legitimation des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Übergang des Finanzierungsrisikos auf die Gläubiger . . b. Das Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . 2. Das Ansatz- und Bewertungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Überschuldung . 4. Die Fortbestehensprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §9

I. Gesetzgeberische Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247

II. Geringe praktische Bedeutung versus Modellcharakter . . . . . . . . .

248

III. Die Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse . . . . . . . . . . 1. Die kollektive Willensbildung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . a. Repräsentation aller durch ein Willenbildungsorgan . . . . . . . b. Repräsentation aller durch die Abstimmungsmehrheit . . . . . . c. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweckverfolgung als materielle Schranke der Beschlussfassung . . a. Richtigkeitsgewähr privatautonom getroffener Entscheidungen b. Der notwendige Interessengleichlauf aller Betroffenen. . . . . . c. Gegenstände der Beschlussfassung als Indizien für das gemeinsame Interesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Das gemeinsame Interesse an bestmöglicher Befriedigung. . . . 3. Konsequenzen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 250 250 251 252 253 253 254 255 257 257

XV

Inhaltsverzeichnis

a. Kein gemeinschaftsähnliches Rechtsverhältnis außerhalb des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse . . . . . . . . .

257 258

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259

Dritter Teil

Ökonomische und rechtliche Grundlagen einer individuellen Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme 261 § 10 Individuelle Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der ParetoEffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265

I. Das Konfliktpotential pluralistischer Finanzierungsstrukturen als Regelungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

II. Die Notwendigkeit des Außenseiterschutzes als Schranke individuellen Vorteilsstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267

III. Überwindung der Interessenpluralität durch das Kaldor/HicksKriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ökonomische Entscheidungstheorie als Ausgangspunkt . 2. Die Steigerung des Unternehmenswertes als Grundlage des Außenseiterschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die notwendigen Anreize für den Entscheidungsträger . . b. Das variable Verhältnis von Unternehmenswert und individuellem Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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270 271

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IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende praktische und rechtssichere Handhabbarkeit einer mathematischen Begründung rechtswidrigen Handelns . . . . . . 2. Erneuter Vorbehalt gegen die normative Bedeutung des Wertsteigerungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Hypothetischer Vertrag als unzulässige Fiktion. . . . . . . . . b. Unverbindlichkeit wechselseitiger Risikozuweisungen gemäß § 762 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verstoß gegen das Prinzip neminem laedere . . . . . . . . . . .

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V. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276

§ 11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten . . .

278

I. Vertrauen der Kreditgeber untereinander – das Modell der Kreditkaskaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278

II. Ökonomische Begründung des Vertrauensdürfens – Die Treuhänderstellung der adjusting creditors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XVI

Inhaltsverzeichnis

1. Statistisch begründete Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenvorteile bei arbeitsteiligem Vorgehen . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Verbesserung der Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282

III. Vertrauen und Vertrauendürfen – Die notwendige Überwindung der Interessenpluralität aus rechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . .

283

IV. Der haftungsrechtliche Ansatz Engerts zur rechtlichen Begründung einer Treuhanderstellung der adjusting creditors . . . . . . . . . . . . .

284

V. Grundprobleme bei der rechtlichen Begründung des Vertrauendürfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Existenz eines Unternehmens als Vertrauenstatbestand . . . . 2. Zurechenbarkeit des Vertrauenstatbestands . . . . . . . . . . . 3. Selbstverantwortung der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

§ 12 Individuelle Gläubigerverantwortung wegen widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

I. Widersprüchliches Verhalten bei der Unternehmensfinanzierung . 1. Die rechtliche Missbilligung widersprüchliches Verhaltens als allgemeines Rechtsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der ökonomisch missbilligte Selbstwiderspruch . . . . . . . . . 3. Die notwendige Differenzierung von Selbstwiderspruch und Widerspruch gegen eine Sollensnorm . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Parallelen zur Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals . . . . . . . 1. Das dahinter stehende Prinzipal-Agenten-Problem . . . . . . . . . 2. Die Selbstbetroffenheit als Mittel zur Risikominimierung . . . . .

298 298 299

III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger als Zurechnungskriterium einer Finanzierungsverantwortung . . . . . . . . . . . . 2. Das vorrangige Verlustrisiko der Entscheidungsträger als normativer Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichende Beurteilung bei der Richtigkeitsgewähr bei Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gleichrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenen diligentia quam in suis . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Vorrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenen Mitberücksichtigung externer Drittinteressen . . . . 4. Die doppelte Kompensation der vorrangigen Verlusttragung . . . . a. Die kaum messbare Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301 302 302 303 304 305 306 306

XVII

Inhaltsverzeichnis

b. Die mögliche Teilhabe am Unternehmenserfolg aufgrund des Leverage-Effekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung als rechtliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Lasten der Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Selbstbetroffenheit des Einzelunternehmers . . . . . . . . . . . 2. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Persönlich haftende Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Möglicherweise Gleichlauf von Herrschaft und gesetzlicher Kapitalbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Materiell-rechtlich begründeter Nachrang der Einlagen . . . . . b. Die kollektive Rechtsmacht der Gesellschafter als Gegenstand der Selbstbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Konsequenzen für die Herausarbeitung einer vergleichbaren Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber . . . . . . 4. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufgabe der Finanzierungsverantwortung de lege ferenda? . . . . 1. Die über eine Kapitalbindung bezogene Selbstbetroffenheit als Mittel zur Verringerung der Insolvenzanfälligkeit . . . . . . . . 2. Die über die Kapitalbindung vermittelte Selbstbetroffenheit als Mittel zur Schaffung von Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Vergleichbare Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das mehrdimensionale Prinzipal-Agenten-Problem als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die mögliche Ingangsetzungsfunktion der Fremdfinanzierung . . 3. Die mögliche Kompensation der erzwungenen Selbstbetroffenheit a. Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital . . . . . . . . b. Mögliche Teilhabe am Leverage-Effekt. . . . . . . . . . . . . . . 4. Die notwendige Herstellung von Selbstbetroffenheit beim Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

326 326 327 328 328 329 330 331

XVIII

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als normative Korrektur des gesetzestypischen Fremdkapitalgebers 335 § 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der einflusslosen Fremdfi nanzierung ohne Finanzierungsverantwortung . I. Die Kündigungsrechte des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außerordentliche Kündigung wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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337

II. Die haftungsmäßige Widmung der Darlehensvaluta in der Insolvenz 1. Sofortige Fälligkeit der Rückerstattungspflicht gemäß § 41 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Einschränkung unter dem Aspekt der Sanierungsfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Reduktion von § 41 Abs. 1 InsO als Konsequenz? . . 4. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339

III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage 1. Beteiligung mit einer Vermögenseinlage. . . . . . . 2. Rechtslage bei fehlender Verlustbeteiligung . . . . . 3. Rechtslage bei Verlustbeteiligung. . . . . . . . . . . 4. Die Behandlung weitergehender Verluste . . . . . .

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IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348

§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einflusslosen Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349

I. Die Covenant-gestützte Fremdfinanzierung als konzernrechtliche Beherrschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der faktisch herrschende Fremdkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . 2. Der Finanzierungsvertrag als konzernrechtlicher Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die notwendige Überlagerung durch das Konzerninteresse. . . . . a. Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff – Notwendigkeit einer Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Konsequenzen für den Finanzierungsvertrag mit Dritten . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdkapitalgeber als faktische Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neueren Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .

350 350 351 353 353 354 355 356 356

XIX

Inhaltsverzeichnis

2. 3.

4.

5.

a. Das Erfordernis eines nach außen hervortretenden Handelns . . b. Die zusätzlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Der generalklauselartige Ansatz Fleischers . . . . . . . . . . bb. Die Fallgruppenbildung von Himmelsbach/Achsnick . . . . Erste Kritik an der tatbestandlichen Abgrenzung . . . . . . . . . . Rechtsvergleichende Aspekte als Regelungsvorbild? . . . . . . . . . a. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im englischen Recht b. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im schweizerischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die faktische Organstellung als rechtsformübergreifender Ansatz? a. Übertragung auf Personengesellschaften und Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Parallele zur Treuepflicht des Kreditgebers . . . . . . . . . . . . Die notwendige Überwindung eines legitimen Eigeninteresses als bisher übersehenes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die alle Individualinteressen überlagernde Insolvenzantragspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die gesetzlich legitimierte Verwirklichung eines Eigeninteresses als Hindernis für die Etablierung fremdnütziger Pflichten. . . . c. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Fremdkapitalgeber als faktische Unternehmenseigentümer. . . . . . 1. Die Anerkennung der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen 2. Die mittels Kapitalbindung hergestellte Selbstbetroffenheit als selbstregulierendes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die hieraus begründbare Finanzierungsverantwortung des Fremdkapitalgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestätigung dieses Konzepts durch das Verbot der Veräußerung künftigen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Nichtigkeit von Verträgen über das künftige Vermögen . . b. Parallele zur neueren Finanzierungspraxis. . . . . . . . . . . . c. Vorrangige Spezialregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Fünfter Teil

Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber 383 § 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Nichtgeltendmachung eines Lösungsrechts als Mittel zur Insolvenzvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Einschränkungen des Kündigungsrechts . . . . . 2. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung als Mittel zu Insolvenzvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung zum Schutz vor Vermögensverschlechterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorrang der Vertragsanpassung. . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis, offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses wegen widersprüchlichen Verhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verantwortungsbereiche bei der Fremdfinanzierung eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die verhaltensbedingte Kündigung als Ausgangspunkt . . . . . b. Die keinem konkreten Verhalten zurechenbare Vermögensverschlechterung als Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Der Zustand der Vermögensverschlechterung als Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die Zuweisung des Verschlechterungsrisikos in den Verantwortungsbereich des Unternehmens . . . . . . . . . . cc. Korrektur bei Durchbrechung der Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen Ingerenz . . . 3. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen (bloßen) Selbstwiderspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Erfordernis eines Machtgefälles? . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Typische Fälle für die Begründung eines Vertrauenstatbestands c. Verhinderung eines Vertrauenstatbestands durch Freizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Überwindung durch die normative Vorgabe konsequenten Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Protestatio facto contraria-Regel als untaugliche Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen . . . . . . .

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bb. Die Protestatio facto contraria-Regel als anerkannte Grundlage für die normative Gewichtung von Verhalten . . (1) Vorrang des Vertragsschlusses gegenüber der Geltung eigener AGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Teilnichtigkeit von perplexen Erklärungen. . . . . . (3) Konsequenzen für die Einflussnahme von Fremdkapitalgebern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Schwächen eines auf die Einschränkung von Lösungsrechten bezogenen Konzepts der Gläubigerverantwortung . . . . . . . . . 1. Der dilatorische Charakter der möglichen Einschränkungen . . 2. Der Fremdkapitalcharakter als Einschränkung der dilatorisch wirkenden Beschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der fehlende Schutz der non-adjusting creditors vor einvernehmlichem Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Abgrenzung privatautonomer Umqualifizierungen von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Verlustbeteiligung des Stillen als gesetzlich anerkannte materiell-rechtliche Umqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . b. Vergleichbare Gestaltungen beim Darlehen . . . . . . . . . . . . aa. Verzicht auf Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die nur schuldrechtlichen Wirkungen eines Rangrücktritts c. Die Gefahr einer unzulässigen Fiktion solcher Gestaltungen . . 2. Dritte als Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots . . . . . . . . . . a. Leistungen causa societatis als verbotene Einlagenrückgewähr b. Die Einbeziehung Dritter nach der herrschenden Meinung . . . aa. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschafter bzw. Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschaft . . . . . (1) Einfluss auf die Geschicke der GmbH . . . . . . . . . . . (2) Vermögensmäßige Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . c. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die unproblematischen Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Der umgekehrte Drittvergleich als übersehenes Problem . . cc. Die Bedeutung der Verlustbeteiligung . . . . . . . . . . . . . dd. Vergleich mit dem Nachschusskapital . . . . . . . . . . . . . ee. Vergleich mit dem ursprünglichen Eigenkapitalersatzrecht d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Ergebnis, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung . . . . .

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gesellschafterfremdfinanzierung als Ausgangspunkt . . . . . . . 1. Fremdfinanzierung durch persönlich haftende Gesellschafter . . . a. Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Gesellschafter als Stiller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die unvollkommene Ingangsetzungsfunktion der persönlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Unbeschränkte persönliche Haftung als ineffizienter Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Unbeschränkte persönliche Haftung als zweifelhafte Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Konsequenzen für die nachfolgende Untersuchung . . . . . 2. Fremdfinanzierung durch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und durch Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gesplittete Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die fehlende haftungsrechtliche Akzessorietät des Finanzierungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die die Haftsumme übersteigende KommanditistenFremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die die Stammeinlage übersteigende Finanzierung eines Kapitalgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Auseinanderfallen von Herrschaft und Selbstbetroffenheit . . . d. Die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen als Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsform- und adressantenübergreifender Ansatz der gesetzlichen Subordination?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Parallele zum ökonomisch begründbaren widersprüchlichen Finanzierungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Dogmatische Begründung der Umqualifizierung mit der Protestatio facto contraria-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . II. Die von der gesetzlichen Umqualifizierung erfassten Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Recht des Eigenkapitalersatzes bei der GmbH. . . . . . . . . . a. Materiell- und insolvenzrechtliche Umqualifizierung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die bisher eingeschränkte Gesamtanalogie bei der AG . . . . . . . a. Die Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts de lege lata . . b. Gleichbehandlung mit der GmbH de lege ferenda . . . . . . . .

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c. Der „geschäftsführende Gesellschafter“ als einheitlicher Zurechnungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Einbeziehung nicht-gesetzestypischer Personengesellschaften a. Eigenkapitalersatz bei der „Kapitalgesellschaft und Co.“ de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gesellschafterdarlehen bei der „Kapitalgesellschaft & Co.“ de lege ferenda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals . . . . . . . III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vom Gesellschafter abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Erste kritische Einwände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . bb. Der hierin angelegte Perspektivwechsel . . . . . . . . . . . . c. Vom atypischen Pfandgläubiger zum atypischen Fremdkapitalgeber als naheliegende Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Originäre Finanzierungs(folgen)verantwortung des Nichtgesellschafters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eigenkapitalersatz als Umqualifizierung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der bereits begonnene Perspektivwechsel beim „NurKommanditisten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die nicht begründbare Notwendigkeit eines mitgliedschaftlichen Verbands mit den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung des Gebots der Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Erste Konsequenzen für die Einbeziehung Dritter . . . . . . c. Die Einbeziehung des „Nur-Stillen“ nach der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die dahinter stehende Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Der scheinbare Widerspruch zur Einbeziehung des „NurKommanditisten“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Die erforderliche konkrete Betrachtung der Einflussnahme bei Dritten als Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die gesetzliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Veranlassungshaftung für Einflussnahme? . . . . . . . . . . . . . .

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a. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht als Pfl icht zu konsistentem Finanzierungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die fehlende Kohärenz zwischen Verlustbeteiligung und Umqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Der hierdurch begründete Zusammenhang von Eigenkapitalersatz und materieller Unterkapitalisierung de lege lata . . . . . d. Die einander ausschließenden Risikoanreize als ökonomische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Trennung des Zusammenhangs von Eigenkapitalersatzrecht und materieller Unterkapitalisierung de lege ferenda? . . . . . . IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rückbesinnung auf die Missbrauchsrechtsprechung des RG . . a. Vorweggenommene Abkehr vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Bestätigung der Kritik an der konturenlosen Gläubigerverantwortung gemäß § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verhinderung einer Quotenschmälerung der Insolvenzgläubiger als Ziel der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die inkompatible Rolle der mit Herrschaftsmacht ausgestatteten Gesellschafter als Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die hieraus resultierende insolvenzbezogene Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die inkompatible Rolle der konkret einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Mitbeeinflussung des Insolvenzrisikos als alleiniger Zurechnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Beurteilung wegen unterschiedlicher Interessen von Gesellschaftern und Dritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der zurückhaltende Ansatz von Habersack/Huber . . . . . . . b. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Etablierung eines nicht begründbaren Bankenprivilegs . . . bb. Zweifelhafter Schutz der „reibungslosen Kreditversorgung“ (1) Die Janusköpfigkeit des Marktes für Unternehmensfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die bisherigen Haftungsgefahren für Kreditinstitute . . cc. Der verfehlte Hinweis auf die Interessendivergenz . . . . . . (1) Die Interessendivergenz als nicht begründbare Fiktion (2) Die verfehlte Bezugnahme auf das lediglich de lege lata bestehende Gebot konsistenten Finanzierungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Abweichende Beurteilung wegen fehlender ökonomischer Legitimation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Ansatz Eidenmüllers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die Nicht-Passivierung von Gesellschafterdarlehen als Sanierungsanreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die vorrangige Verlusttragung als notwendige Selbstbetroffenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Parallelen und Unterschiede in anderen Rechtsordnungen . . . . . . . 1. Die Rückstufung von Ansprüchen faktischer Geschäftsleiter im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einbettung der Umqualifizierung in die rule of fraudulent bzw. wrongful trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die hierauf gestützte Kritik Eidenmüllers an der Subordination von Finanzierungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kritische Würdigung des Vorrangs schadensrechtlicher Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die übersehene Dichotomie von Eigen- und Fremdinteresse bb. Die begrenzte, aber effektive Disziplinierung der Gläubiger cc. Fehlende Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die erzwungene Rückstufung von Darlehen Dritter im USamerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Equitable Subordination bei missbräuchlicher Innehabung und Ausübung von Indirect Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Gibt es ein privilegiertes Gläubigerinteresse auf Einflussnahme?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Umqualifizierung von Fremdkapital durch Recharacterization

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VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Erfordernis einer Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung nach unschädlicher „Warning“ und schädlicher „Guidance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unternehmensleitung als Gegenstand der Einflussnahme . . . 4. Die erforderliche Intensität der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . a. Nochmals: Die bisher vertretenen Ansätze . . . . . . . . . . . . aa. Die Formel der Rechtsprechung zu § 826 BGB . . . . . . . . bb. Die Formel der Rechtsprechung zu § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Die Anforderungen der Literatur zur Haftung als faktisches Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Die herrschende Meinung zu § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG . . .

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b. Eigener Ansatz: Die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . aa. Die inkompatible Doppelrolle des Einflussnehmenden als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die Zuweisung des zufälligen Insolvenzrisikos nach Herrschaftsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Jedwede Sphärenvermischung als Grundlage einer Einbeziehung Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Keine Schlechterstellung von Dritten gegenüber kleinbeteiligten Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. Die wertende Betrachtung der Einflussnahme anhand des differenzierten Rollenbilds der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Parameter einer wertenden Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . a. Unmittelbare Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Stimmbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Mitgliedschaft in einem (ggf. beratenden) Organ oder Beirat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Aufsichtsratsmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Einflussnahme auf die eigenverantwortliche Schuldenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Mittelbare Einflussnahme über Covenants . . . . . . . . . . . . aa. Regelmäßig unschädliche affirmative Covenants . . . . . . . bb. Regelmäßig beachtliche negative Covenants. . . . . . . . . . c. Einflussnahme auf Personalentscheidungen . . . . . . . . . . . . aa. Pflicht zur Gewährleistung eines erfahrenden Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Auswechselung des Managements auf Druck des Fremdkapitalgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Change-of-management-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen der Einbeziehung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . a. Nachrang des Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz . . . . . . b. Anfechtung zurückgewährter Finanzierungen, gezahlter Zinsen und bestellter Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Berücksichtigung im Überschuldungsstatus. . . . . . . . . . . . 7. Die Wirkungen der Umqualifizierung auf die im Vorfeld der Insolvenz bestehenden dilatorischen Einschränkungen des vorzeitigen Kapitalabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nochmals: Die „Sanierungsfeindlichkeit“ einer Subordination von Finanzierungsbeiträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Privilegierung von Sanierungsfinanzierungen . . . . . . . . . .

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XXVII

3. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Einbeziehung gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen? . . . . aa. Gewährung eines weiteren Sanierungsdarlehens . . . . . . . bb. Bloße Beteiligung an der Krisenbewältigung . . . . . . . . . (1) Die Kontroverse in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Gleichstellung. . . . . b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen? . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Widersprüchliches Finanzierungsverhalten bei gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Ausgangslage de lege lata et ferenda . . . . . . . . . 2. Bisherige Ansätze zur analogen Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts auf gesetzestypische Personengesellschaften . . . . . . 3. Die Aufspaltung des geltenden Eigenkapitalersatzrechts in einen rechtsformspezifischen und einen rechtsformübergreifenden Teil . a. Die tatbestandlichen Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die rechtsfolgenseitigen Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die neue insolvenzrechtliche Subordination von Fremdkapital wegen Einflussnahme als rechtsformübergreifende Gläubigerschutzregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das geltende Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten als Teilaspekt der auf Kapitalgesellschaften beschränkten materiellen Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die künftige Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens als rechtsformübergreifende Prinzip der Unternehmensfinanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die Schwächen des beschränkten Anwendungsbereichs von § 39 E-InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Die begrenzte Wirkung der persönlichen Gesellschafterhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Begrenzte Wirkung der dahinterstehenden Verhaltenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Steuerungswirkung der unbeschränkten persönlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Fremdeinfluss als Störung der Verhaltenserwartung cc. Die rechtsformübergreifende Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO als Kompensation der gestörten Verhaltenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXVIII

Inhaltsverzeichnis

5. Bestätigung dieses rechtsformübergreifenden Ansatzes durch die bisher vertretene Figur des „materiellen Eigenkapitals“ . . . . . . a. Gläubigerschutz durch „materielles Eigenkapital“ . . . . . . . aa. Die grundlegende Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die hierin angelegte Unterscheidung zwischen „materiellem Eigenkapital“ und Eigenkapitalersatz . . . . cc. Die kurzzeitige Aufgabe der Unterscheidung durch die Gleichstellung von Finanzplankredit und Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Gefahr einer unzulässige Fiktion einer gewillkürten Haftungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Fehlende dogmatische Begründung einer gesetzlichen Umqualifizierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfehlte Heranziehung des Finanzplankredits zur Begründung eines Abzugsverbots . . . . . . . . . . . . (2) Kein erzwungenes Zuführgebot . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sechster Teil

Zusammenfassung 589

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung I. Problemstellung Das Insolvenzverfahren ist gemäß § 1 InsO auf die Befriedigung der Unternehmensgläubiger gerichtet. Dessen ungeachtet lassen sich diese zunehmend mittels vertraglicher Nebenabreden im Finanzierungsvertrag (sog. Covenants) Kontroll- und Einwirkungsrechte einräumen, um eine Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und darauf im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens reagieren zu können. Die Überwachung der Unternehmensführung durch die Gläubiger und ihre Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen (externe Corporate Governance) ist im anglo-amerikanischen Rechtskreis seit langem verbreitet und gehört mittlerweile auch in Deutschland zur Finanzierungspraxis. Insbesondere die sog. Leveraged Finance, bei der eine Unternehmensübernahme weitgehend fremdfinanziert wird und den Investoren vor allem der künftige Ertrag des Unternehmens als wirtschaftliche Sicherheit dient, zwingt zu einer engeren Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen als es beim klassischen dinglich oder persönlich besicherten Kredit der Fall ist. Zudem wird vor allem auf der Grundlage ökonomischer Erwägungen zunehmend dafür plädiert, in dieser engen Verbindung ein wirksames Mittel zur Insolvenzvermeidung, eine effiziente „marktwirtschaftliche Alternative“ zum staatlichen Insolvenzverfahren zu sehen. Diese gelte es, auch rechtlich anzuerkennen und durch einen marktorientierten, auf die Bedürfnisse der Finanzierungspraxis abgestimmten Regelungsrahmen adäquat auszugestalten. Diese Entwicklung stellt die Rechtsordnung vor neue Herausforderungen. Traditionell werden Eigen- und Fremdfinanzierung von Unternehmen anhand der formalen Stellung des Kapitalgebers als Eigentümer oder Nichteigentümer unterschieden. Im Grundsatz trifft den Einzelunternehmer und die Gesellschafter – aus Vereinfachungsgründen nachfolgend meist als Eigentümer bezeichnet – aufgrund der persönlichen oder zumindest auf die Erbringung und Erhaltung eines Kapitalbeitrags beschränkten Haftung eine Verantwortung für das finanzierte Unternehmen und seine Gläubiger. Die Verantwortung der Fremdkapitalgeber, die nicht Inhaber des Unternehmens oder Gesellschafter des jeweiligen Rechtsträgers sind, ist demgegenüber schwach ausgeprägt. Hinsichtlich der Steuerung des Unternehmens und der Teilhabe am unternehmerischen Erfolg setzt sich diese formale Zweiteilung fort. Nur die Eigentümer

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Einleitung

haben die Herrschaft und Kontrolle über das Unternehmen – ggf. vermittelt über die von ihnen eingesetzten und zu ihrer Interessenwahrung verpflichteten Geschäftsleiter. Nur den Eigentümern gebührt als Korrelat zur persönlichen Haftung bzw. dem Kapitaleinsatz ein etwaiger Gewinn. Erlangen die Nichteigentümer jedoch auf Grund des Finanzierungsvertrages Einwirkungs-, Teilhabe- und Kontrollrechte, die unter Umständen über die der Unternehmenseigentümer hinausgehen, stellt sich die Frage, ob hieraus nicht auch eine – im anglo-amerikanischen Rechtskreis als Lender Control Liability bezeichnete – Verantwortung für das finanzierte Unternehmen und diejenigen Gläubiger erwächst, die sich solche Rechte nicht einräumen lassen können oder wollen. Darlehen und stille Gesellschaft als gesetzliche Regeltypen der Unternehmensfinanzierung durch Nichteigentümer beinhalten keine konkreten Vorgaben darüber, in welchem Umfang die im Finanzierungsvertrag eingeräumten Kontroll-, Teilhabe- und Einwirkungsrechte zulässig sind und auf welche Weise sie ausgeübt werden dürfen. Die prinzipielle Vertragsfreiheit im Schuldrecht und die einhellig anerkannte Möglichkeit, den (atypischen) stillen Gesellschafter an der Geschäftsführung zu beteiligen, indizieren die Zulässigkeit einer engen Verbindung von Fremdkapitalgebern und finanziertem Unternehmen. Grenzen lassen sich jedoch – vermittelt über die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit – aus einem Verbot der Fremdbestimmung ableiten. Als Grundlage könnte man Schutzlücken anführen, weil die Verantwortung der Fremdkapitalgeber für ihre Einflussnahme auf den ersten Blick schwach ausgeprägt ist. Eine ausdrückliche Regelung, dass diejenigen, die sich an der Überwachung und Steuerung eines Unternehmens beteiligen, eine hiermit korrespondierende Verantwortung für das Unternehmen und seine Gläubiger trifft, fehlt nicht nur; die gesetzliche Ausgangslage ist geradezu vom Gegenteil gekennzeichnet: Nach § 490 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber durch außerordentliche Kündigung sein Rückzahlungsinteresse vom unternehmerischen Risiko des Darlehensnehmers abkoppeln. In der Insolvenz sind Zins und Rückerstattung konsequenterweise gewöhnliche Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO und werden im Regelfall zumindest quotal befriedigt. Gleiches gilt für die stille Beteiligung: Dauer und Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Bindung zwischen Kapitalgeber und Unternehmen können weitgehend frei bestimmt werden. Die Vermögenseinlage des Stillen erfährt gemäß § 236 Abs. 1 HGB in der Insolvenz des Unternehmens nur dann einen Nachrang, wenn die Verlustübernahme vereinbart wurde, was nach § 231 Abs. 2 HGB nicht zwingend ist. Dieser Befund könnte zum Anlass genommen werden, die an die formale Eigentümerstellung des Kapitalgebers anknüpfende Zweiteilung von Eigenund Fremdfinanzierung als eine Art Typenzwang der Finanzierungsinstrumente zu sehen, wonach die kategorische Trennung aufrechtzuerhalten und gegen sich entwickelnde Mischformen zu verteidigen sei. Als Konsequenz wäre

I. Problemstellung

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die unternehmerische Einflussnahme durch Gläubiger mangels einer mit der der Eigentümer vergleichbaren Verantwortlichkeit rechtlich zu missbilligen und durch prohibitiv wirkende Sanktionen einzudämmen. Dogmatische Ansätze für eine solche Argumentation zum Schutz des Unternehmens und seiner Gläubiger wegen unzulässiger Einmischung ließen sich über eine Konkretisierung der Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB und der Angemessenheitskontrolle des Finanzierungsvertrags gemäß § 307 BGB sowie einem dogmatischen Ausbau des Verbots nachteiliger Einflussnahme gemäß § 117 AktG verwirklichen. Auch erscheint denkbar, die Einflussnahme Dritter unter Rückgriff auf die konzernrechtlich begründete Rechtswidrigkeit einer faktischen Beherrschung zu sanktionieren. Die in der Praxis anzutreffende flexible Ausgestaltung von Finanzierungsinstrumenten könnte man jedoch auch zum Anlass nehmen, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Unternehmensfinanzierung auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung des Kapitalgebers fortzuentwickeln und damit zum Wohle aller Beteiligten zu verbessern. In der ökonomischen Theorie wird teilweise mit Nachdruck dafür plädiert, die unternehmerische Einflussnahme durch Gläubiger als einen den Marktgegebenheiten entsprechenden Mechanismus zur Disziplinierung der Unternehmensleitung auch rechtlich anzuerkennen und vor allem in der hierdurch ermöglichten frühzeitigen Krisenerkennung, Krisenvermeidung und Krisenbewältigung (sog. warning and guidance) eine effiziente Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren zu sehen. Hiernach ist es unerheblich, ob die Eigentümer ein Unternehmen steuern und am Erfolg partizipieren oder Dritte, sofern sich die hieraus resultierenden Gefahren gleichermaßen beherrschen lassen. Die den Marktgegebenheiten Rechnung tragende prinzipielle Anerkennung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch einen Teil seiner Gläubiger darf jedoch nicht unter Rückgriff auf die nach der gesetzlichen Ausgangslage konturenlose und allenfalls schwach ausgeprägte Verantwortung der Fremdkapitalgeber verwirklicht werden. Sowohl zwischen Kapitalgeber und finanziertem Unternehmen können Interessenkonflikte bestehen als auch zwischen den einzelnen Gläubigern. Die an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Shareholder und Stakeholder unterliegen keinem umfassenden Vertragsnetz oder einer gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung, auf deren Grundlage sich ein Interessengleichlauf zum Wohle aller erzwingen ließe. Der Gesetzgeber hat die Unternehmensfinanzierung vielmehr auf zwei Säulen gestellt. Im Hinblick auf die Herrschaft über das Unternehmen, die Teilhabe am Erfolg und die haftungsmäßige Widmung des Finanzierungsbeitrags gibt es zumindest im Ausgangspunkt zwei Gruppen von Kapitalgebern bzw. persönlich haftenden Personen – diejenigen, die ein unternehmerisches Risiko steuern und tragen sowie diejenigen, die ihren Finanzierungsbeitrag dieser durch die vorrangige Verlusttragung verantwortungsbewussten Steuerung anvertrauen.

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Einleitung

Selbst bei einer funktionalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers und seiner Einflussnahme liegt es daher nahe, es als einen der bisherigen Konzeption des Rechts der Unternehmensfinanzierung widersprechenden Umstand anzusehen, wenn sich Gläubiger einerseits wie ein Eigentümer Einblicke in das Unternehmen verschaffen, auf die Entscheidungen der Unternehmensführung Einfluss nehmen und ggf. am unternehmerischen Ertrag partizipieren, andererseits aber bei der Geltendmachung von Gläubigerrechten und vor allem in der Insolvenz die Rolle eines unternehmensfremden Kapitalgebers einnehmen wollen. Will man daher den Vorzügen der externen Corporate Governance Geltung verschaffen und die traditionelle, formale Zweiteilung von Eigen- und Fremdfinanzierung aufgrund einer funktionalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers überwinden, bedarf es der Klärung, ob und wie sich eine hiermit korrespondierende Verantwortung der Gläubiger für das Unternehmen und seine übrigen Gläubiger begründen lässt.

II. Gegenstand der Arbeit, zentrale These Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage, ob und mit welchen Konsequenzen sich die in der Finanzierungspraxis zunehmende und als „marktwirtschaftliche Alternative“ zum Insolvenzverfahren ökonomisch legitimierte enge Verbindung von Fremdkapitalgebern und Unternehmen in das im deutschen Recht bestehende System der Eigen- und Fremdfinanzierung einfügt. Hierbei wird sich zeigen, dass die in der ökonomischen Theorie vorgebrachten Erwägungen für die prinzipielle Anerkennung der externen Corporate Governance sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Sicht untrennbar mit der Existenz korrespondierender Schutzinstrumente zu Gunsten des Unternehmens und seiner sonstigen Gläubiger verbunden sind. Ein funktionierender Finanzierungsmarkt setzt voraus, dass diejenigen, die von der Mitsteuerung betroffen sind, darauf vertrauen dürfen, dass die Einflussnahme der Gläubiger einem mit der Einflussnahme durch die Eigentümer vergleichbaren Anreiz- und Sanktionssystem unterliegt. Als Gegensatz zu den bisher vor allem auf die konturenlosen Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, unangemessenen Benachteiligung und rechtswidrigen Einflussnahme gestützten prohibitiven Ansätze zur Begründung einer Gläubigerverantwortung soll ein wertfreies Konzept zur rechtlichen Anerkennung und sachgerechten Ausgestaltung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger entwickelt werden. Die zentrale These der Arbeit lautet, dass die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung in Anlehnung an das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie mit den Unternehmenseigentümern vergleichbar sind und ihnen eine auf den Finanzierungsbeitrag bezogene Verantwortung obliegt.

II. Gegenstand der Arbeit, zentrale These

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Die hier zu entwickelnde, anhand der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung erfolgende Neubestimmung der traditionellen Zweiteilung von Eigen- und Fremdfinanzierung stellt sicher, dass die positiven Effekte der externen Corporate Governance, insbesondere die Vorzüge einer außergerichtlichen Sanierung unter Beteiligung der Gläubiger, Geltung beanspruchen können, die hieraus resultierenden Gefahren jedoch angemessen beherrscht werden. Grundlage dieses teilweise rechtsfortbildend herauszuarbeitenden Systems einer Gläubigerverantwortung wegen unternehmerischer Einflussnahme ist die konsequente Weiterentwicklung der bisher allein auf die Eigentümerfinanzierung bezogenen gesetzlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als marktorientierte Finanzierungsregel. Diese Funktion der Selbstbeteiligung am Risiko umschreibt in der Finanzierungstheorie das typisierte Vertrauen der an einer Unternehmensfinanzierung beteiligten Kapitalgeber auf sachgerechte Entscheidungen, indem diejenigen, die die Herrschaft über das Unternehmen ausüben, von den negativen Folgen dieser Entscheidungen selbst vorrangig betroffen sind. Die über die drohende vorrangige Verlusttragung vermittelte Selbstbetroffenheit bewirkt eine Selbstkontrolle und führt so zu verantwortungsbewussten Entscheidungen im Rahmen eines sich selbstregulierenden Systems, welches die einzelfallbezogene gerichtliche Kontrolle, welche Handlungen geboten oder verboten sind, weitgehend entbehrlich macht. Sie legitimiert die Verwirklichung von Eigeninteressen und gewährleistet, dass die Interessen der von den Entscheidungen ebenfalls Betroffenen angemessen mitberücksichtigt werden. Die gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ist damit zwar keine Versicherung des Kreditrisikos, aber ein die auf Vorleistung ausgelegte Finanzierungspraxis erheblich vereinfachender Anreiz für andere, sich als einflussloser Fremdkapitalgeber an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen. Im deutschen Unternehmensrecht findet die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auf den ersten Blick nur bei den gesetzlichen Regeltypen der Eigenfinanzierung Anerkennung, sei es als unbeschränkte persönliche Haftung des Einzelunternehmers bzw. der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als gesetzliche Kapitalbindung bei den Kapitalgesellschaften und beim Kommanditisten. Ein typisiertes Vertrauen dahingehend, dass die Fremdkapitalgeber, die sich an der Unternehmenssteuerung beteiligen, auch vorrangig von den negativen Folgen ihrer Einflussnahme betroffen sind, wird auf der Grundlage des Darlehensrechts und des Rechts der stillen Gesellschaft nicht geschützt. Als rechtsform- und vertragsübergreifender Ansatz lässt sich jedoch über die normative Gewichtung einander unvereinbarer Verhaltensweisen gemäß der Protestatio facto contraria-Regel ein Verbot widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens begründen und die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch zu Lasten der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber gewährleisten. Dogmatische Grundlage dieser gesetzlichen Sanktionierung ist die mit der Einflussnahme

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Einleitung

verbundene Aufweichung der den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung und der Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens zu Grunde liegenden Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen. Den einflussnehmenden Gläubigern obliegt als Folge dieser Aufweichung insofern eine Finanzierungsverantwortung, als es ihnen bei einer über die bloße Information hinausgehenden Integration in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess verwehrt ist, sich im Vorfeld der Insolvenz und als Insolvenzgläubiger auf die Rolle eines einflusslosen Fremdkapitalgebers zurückzuziehen. Die hierüber zu begründenden materiell-rechtlichen Einschränkungen des Kapitalabzugs in der Unternehmenskrise und die als spezielle Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens zu verstehende, nunmehr allein in der Insolvenz des Unternehmens wirkende Rückstufung des Finanzierungsbeitrags gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO stellen die notwendige Selbstbetroffenheit der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber her, die ihre Beteiligung an der Steuerung des Unternehmens zur Verfolgung von Eigeninteressen legitimiert. Mit dieser Selbstbetroffenheit geht eine Selbstkontrolle einher, woraus wiederum eine Richtigkeitsgewähr der auf Krisen- und Insolvenzvermeidung abzielenden Einflussnahme resultiert. Diese entbindet die Rechtsanwendung von einer gerichtlichen Würdigung des betreffenden Verhaltens der Mitsteuerung anhand konturenloser normativer Maßstäbe als rechtswidrig oder sittenwidrig und macht das vorgestellte Konzept gegenüber schadensersatzrechtlichen Lösungen zur Begründung einer Gläubigerverantwortung überlegen.

III. Themenabgrenzung Die hier zu untersuchende Einflussnahme der Gläubiger bezieht sich auf die Unternehmensführung. Der Begriff „Unternehmen“ versteht sich als sprachliche Abkürzung. Mangels rechtlicher Verselbstständigung des Unternehmens als solches kann sich die Einflussnahme von vornherein nur auf den Unternehmensträger beziehen, mithin auf den Einzelunternehmer und die unternehmenstragenden Gesellschaften bzw. deren jeweilige Organe.

1. Gläubiger als Fremdkapitalgeber Hinsichtlich des Kreises der einflussnehmenden Gläubiger und der Art der Einflussnahme erfolgt eine mehrfache Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands. In Anerkennung der jüngeren Finanzierungspraxis sollen aus der Vielzahl der Unternehmensgläubiger vornehmlich diejenigen betrachtet werden, die sich an der Unternehmensfinanzierung durch die Hingabe von Kapital beteiligen und sich zur Absicherung ihrer finanziellen Interessen entsprechende

III. Themenabgrenzung

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Informations-, Einwirkungs- und Teilhaberechte einräumen lassen – die anpassungsfähigen Gläubiger bzw. adjusting creditors. Wenngleich auch Deliktsgläubiger oder Warenlieferanten durch die bloße Innehabung einer Forderung Gläubiger sind oder durch Stundung Finanzierungsbeiträge leisten, suchen diese zumindest im Regelfall keine enge Anbindung an das betreffende Unternehmen. Vielmehr ist es gerade der Schutz dieser nicht anpassungsfähigen Gläubiger (non-adjusting creditors), den es mittels einer der Einflussnahme von größeren Kapitalgebern wie Kreditinstituten, Private Equity-Fonds oder Finanzinvestoren korrespondierenden Verantwortung zu verwirklichen gilt. Hiermit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch ein Deliktsgläubiger oder Warenlieferant als Korrelat zum Stehenlassen einer an sich fälligen Forderung unternehmerischen Einfluss ausübt und damit ebenso Adressat einer hier herauszuarbeitenden Verantwortlichkeit sein kann. Innerhalb der adjusting creditors sollen nur diejenigen Kapitalgeber betrachtet werden, die nicht eine – sprachlich verkürzt – „Eigentümerstellung“ am Unternehmen bzw. dessen Rechtsträger innehaben, mithin förmlicher Gesellschafter sind. Dass die Rechtsordnung bei solchen hybriden Gläubigern bereits eine Überwindung der formalen Stellung des Kapitalgebers und hiermit einhergehend des Finanzierungsbeitrags vorsieht, verdeutlicht das geltende Eigenkapitalersatzrecht gemäß §§ 32 a, 32 b GmbHG, § 172 a HGB bzw. das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist vielmehr die Frage, ob der diesen Vorschriften innewohnende Rechtsgedanke für die Umqualifizierung bzw. Rückstufung des Finanzierungsbeitrags wirklich an die förmliche Gesellschafterstellung des Kapitalgebers anknüpft oder ob er sich im Wege der Analogie auch auf solche Gläubiger übertragen lässt, die auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung ihrer Interessen und Handlungen eine gesellschafterähnliche Stellung inne haben. Weiterhin auszuscheiden sind schließlich die Gestaltungen, in denen der Fremdkapitalgeber sich privatautonom bereit erklärt hat, eine besondere Verantwortung für seine Mitsteuerung zu übernehmen, sei es durch die Nichtgeltendmachung von Kündigungsrechten, zum Beispiel aufgrund eines im Insolvenzverfahren wirkenden Rangrücktritts gemäß § 39 Abs. 2 InsO oder im Rahmen eines Finanzplankredits. Dies ist bei den Covenant-unterlegten mezzaninen Finanzierungen zwar vielfach gegeben, aber nicht zwingend. Auch ist zu bedenken, dass der einmal verabredete Eigenkapitalcharakter nachträglich wieder aufgehoben werden kann. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht somit die Frage, inwieweit es zulässig ist, dass ein Fremdkapitalgeber aufgrund vertraglich eingeräumter und ausgeübter Informations-, Teilhabe- und Mitwirkungsrechte Einfluss auf die Unternehmensleitung nimmt, sich jedoch im Einklang mit der gesetzlichen Ausgangslage in der Krise auf seine Rolle als bloßer Darlehensgeber oder stiller Gesellschafter zurückzieht.

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Einleitung

Die Möglichkeiten, diese Doppelrolle den individuellen Bedürfnissen entsprechend, aber möglicherweise in nicht hinnehmbarer Weise auszuüben, sind vielfältig: Im Vorfeld der Insolvenz ist problematisch, unter welchen Voraussetzungen sich ein Darlehensgläubiger oder stiller Gesellschafter auf die ihm vielfach zustehenden vorzeitigen Lösungsrechte berufen kann und damit möglicherweise als sog. Akkordstörer eine sinnvolle außergerichtliche Sanierung erschwert oder verhindert. Das diesen Lösungsrechten sowohl beim Darlehen als auch bei der stillen Gesellschaft innewohnende legitime Ziel des Kapitalgebers, sein Rückzahlungsinteresse vom unternehmerischen Risiko des Unternehmenseigentümers bzw. der Gesellschafter abzukoppeln, könnte eine Einschränkung erfahren, wenn der Kapitalgeber das unternehmerische Risiko maßgeblich beeinflusst hat. In der Unternehmensinsolvenz stellt sich die Frage, ob der Finanzierungsbeitrag eine gewöhnliche Insolvenzforderung ist oder ob ihm – durch eine verschärfte Insolvenzanfechtung effektuiert – eine zwingende haftungsmäßige Widmung zu Gunsten anderer Gläubiger zukommt, weil der betreffende Kapitalgeber durch seine Einflussnahme im Vorfeld der Insolvenz eine Verantwortung für das finanzierte Unternehmen übernommen hat.

2. Die über den Finanzierungsvertrag vermittelte Einflussnahme Die Beteiligung der Gläubiger an der Unternehmensleitung soll auf Grund der zunehmenden Verbreitung von Covenants als die über den Finanzierungsvertrag begründete Einflussnahme auf die Geschäftsführung verstanden werden. Gegenstand einer derartigen Mitsteuerung sind einmal die vertraglich vereinbarten Informations- und Kontrollrechte, die dem Fremdkapitalgeber zur Verwirklichung seines eigenen Interesses umfassende Einblicke in das finanzierte Unternehmen geben bzw. die Unternehmensleitung zur Preisgabe von Interna verpflichten. Vor allem aber umfasst die Einflussnahme Vereinbarungen, wonach das finanzierte Unternehmen seine Geschäftpolitik nach den Vorgaben des Fremdkapitalgebers auszurichten oder dessen Zustimmung einzuholen hat, um den Finanzierungsbeitrag nicht vorzeitig zurückzahlen oder veränderte Konditionen akzeptieren zu müssen. Die Frage der Wirksamkeit solcher Klauseln hat dabei nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Kapitalgeber kann durch die entsprechende Ausgestaltung der zeitlichen Befristung der Kapitalüberlassung die Effekte wirksamer Covenants auch durch rein tatsächliche Handhabung erzielen. Funktional betrachtet ist es unerheblich, ob der Kapitalgeber mittels eines Covenants ein Anpassungsrecht vereinbart und die Nichtgeltendmachung an ein bestimmtes unternehmerisches Verhalten knüpft oder aber die fortdauernde Neuüberlassung des Kapitals lediglich ad hoc davon abhängig macht. In beiden Fällen ist die Belassung des Kapitals zu bestimmten Konditionen ein Druckmittel, ein bestimmtes unternehmerisches Verhalten herbeizuführen.

IV. Gang der Untersuchung

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Von dieser, die Entscheidungsfindung des Unternehmens nur mittelbar betreffenden Einflussnahme aufgrund von Zielvorgaben und Zustimmungsvorbehalten abzugrenzen sind auch die unmittelbar die gesellschaftliche Binnenorganisation betreffenden Rechte zu Gunsten Dritter. Zu nennen sind nur die Delegation von Organbefugnissen auf mit Nichtgesellschaftern besetzte Beiräte oder die Vereinbarung von Zustimmungsvorbehalten, die die innergesellschaftliche Willensbildung rechtlich einzuschränken vermögen. Solche, vor allem bei den Personengesellschaften und der GmbH weitgehend zulässigen Gestaltungen können zwar oftmals zur Effektuierung einer Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung vereinbart werden und sind daher bei dem Maß der Einflussnahme durch die Gläubiger zu berücksichtigen. Ihre nach den spezialgesetzlichen Vorgaben über die gesellschaftsvertragliche Gestaltungsfreiheit und dem Grundsatz der Verbandssouveränität zu beurteilende Wirksamkeit im Innenverhältnis ist hingegen als bloße Frage der Umsetzung einer sich aus dem Finanzierungsverhältnis ergebenden Mitsteuerung nicht Untersuchungsgegenstand.

IV. Gang der Untersuchung Die Untersuchung zeigt im ersten Teil, dass die jüngere Finanzierungspraxis aus einer Vielzahl von Gründen zunehmend Finanzierungsinstrumente hervorbringt, die sich nicht in die klassische Zweiteilung von Eigen- und Fremdfinanzierung einordnen lassen (§ 1). Die Fremdkapitalgeber sind einerseits bereit, ihren Finanzierungsbeitrag mezzanin auszugestalten, mithin mit einem besonderen Nachrang zu Gunsten anderer Gläubiger zu versehen und ihre Vergütung vom unternehmerischen Erfolg abhängig zu machen. Sie lassen sich andererseits umfassende Informations- und Mitspracherechte einräumen, um diese besonderen Verlust- und Erfolgsrisiken zu kompensieren. Zwingend ist der Zusammenhang von besonderem Risiko und besonderer Kontrolle und Einflussnahme indessen nicht. So wird herausgearbeitet, dass die über die Kontrolle und Einflussnahme begründete enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen auch ein leistungsfähiges Mittel ist, das Kreditrisiko des hinsichtlich Verlusttragung und Verzinsung „typischen“ Fremdkapitalgebers zu senken und hierdurch die Möglichkeiten der Unternehmensfi nanzierung insbesondere bei nicht vorhandenen Sicherheiten erheblich ausgeweitet werden. Man bezeichnet Covenants zu recht auch als atypische Sicherheit. Im Hinblick auf die frühzeitige und flexibel auf das jeweilige Unternehmen abstimmbare Krisenerkennung und -bewältigung werden Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge in der ökonomischen Theorie sogar als sinnvolle marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren angesehen (§ 2). Wie sodann gezeigt wird, stehen den kaum bestreitbaren Vorteilen der Einflussnah-

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Einleitung

me von Gläubigern auch Nachteile und Gefahren gegenüber (§ 3). Da die Interessen zwischen dem betreffenden Gläubiger und dem finanzierten Unternehmen und seinen übrigen Gläubigern nicht zwingend dieselben sind, entstehen Konfliktpotentiale. Herausgearbeitet wird, dass insofern wegen identischer Prinzipal-Agenten-Probleme Parallelen zu der Steuerung eines Unternehmens durch seine Eigentümer bestehen. Dort werden diese Konfliktpotentiale im Verhältnis zu den Nichteigentümern nach der gesetzlichen Ausgangslage mittels persönlicher oder auf einen bestimmten Kapitalbeitrag bezogenen Haftung ausgeräumt. Es zeigt sich, dass für die Einflussnahme von Dritten entsprechende Regelungen fehlen. Ob man diese unvollkommene gesetzliche Ausgangslage als Grundlage einer per se zu missbilligenden Einmischung von Dritten in die unternehmerische Freiheit ansieht oder umgekehrt als Aufforderung des Gesetzgebers an Rechtsprechung und Wissenschaft, die Vorteile der Mitsteuerung anzuerkennen und allein ihre Folgen sachgerecht auszugestalten, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es wird herausgearbeitet, dass die bisher vornehmlich auf Generalklauseln gestützten Ansätze zur Begründung einer Gläubigerverantwortung wegen der nach wie vor bestehenden Rechtsunsicherheit eine Beteiligung von Fremdkapitalgebern an der Unternehmensführung jedenfalls verhindern, ohne aber eine überzeugende Begründung für diese Sanktionierung zu bieten (§ 4). Als alle Formen der Unternehmensfinanzierung umfassender Ansatz wird daher vorgeschlagen, die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers prinzipiell zu billigen. Über die erzwungene Gewährleistung der von der Finanzierungstheorie und -praxis allgemein anerkannten Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ließe sich ein mit der Verantwortlichkeit der Eigentümer vergleichbares Konzept der Gläubigerverantwortung begründen, um die aus der Mitsteuerung resultierenden Gefahren angemessen zu beherrschen (§ 5). Die Ausführungen schließen mit der Frage, inwieweit sich die hierdurch legitimierte prinzipielle Billigung der Beteiligung der Nichteigentümer an der Unternehmensleitung auf der Grundlage des Insolvenz-, Schuld- und Gesellschaftsrechts unter Berücksichtigung ökonomischer Erwägungen dogmatisch begründen lässt und den Einflussnehmenden eine der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals entsprechende Verantwortung für die Folgen ihrer Einflussnahme obliegt. Gegenstand des zweiten Teils ist zunächst die Erörterung, ob sich eine solche Gläubigerverantwortung über die Weiterentwicklung des bereits in der Literatur vorhandenen Ansatzes zur Lösung des Akkordstörerproblems bei der außergerichtlichen Sanierung mittels umfassender Kooperationspfl ichten begründen lässt. Hierfür wird zunächst herausgearbeitet, dass sich das geltende Insolvenzrecht hinsichtlich des Ziels und der Mittel der Zielverwirklichung durchaus mit den ökonomischen Erwägungen deckt, eine enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen als „marktwirtschaftliche Alter-

IV. Gang der Untersuchung

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native“ zum staatlichen Insolvenzverfahren zuzulassen (§ 6). Auch zeigt sich, dass die veränderte Anreizstruktur im Vorfeld der Insolvenz einen Gläubigereinfluss legitimiert, soweit er auf eine Insolvenzvermeidung abzielt. Die prinzipielle Offenheit des Insolvenzrechts, alternative Vermeidungsstrategien zu billigen, steht jedoch unter dem Vorbehalt der sich aus einer pluralistischen Gläubigerstruktur ergebenden Regelungsprobleme. Es ist keineswegs gewährleistet, dass die außergerichtliche Sanierung unter Beteiligung einiger nicht auf Kosten anderer erfolgt und die Gefahr von masselosen Insolvenzen damit noch verstärkt wird. Es bedarf somit rechtlicher Vorgaben darüber, dass die Beteiligung der Gläubiger auf die Insolvenzvermeidung ausgerichtet ist und nicht allein auf die Vermeidung des Insolvenzverfahrens. Sodann zeigt sich, dass die auf der Grundlage ökonomischer Erwägungen zur Lösung des Akkordstörerproblems begründeten Kooperationspflichten der Unternehmensgläubiger im Vorfeld der Insolvenz nicht dogmatisch begründet werden können und es konsequenterweise auch ausscheidet, diesen Ansatz auf die hier interessierende Gläubigerverantwortung wegen unternehmerischer Einflussnahme zu übertragen (§ 7). Die Annahme einer gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung mit korrespondierender Zweckförderungspflicht zur Insolvenzvermeidung widerspricht den abschließenden Regelungen des Insolvenzrechts über die Gläubigerorganisation und kann auch nicht auf der Grundlage hypothetischer Verträge begründet werden. Die Annahme einer schlichten Interessengemeinschaft mit entsprechender Bindung der einzelnen Gläubiger an ein Gesamtinteresse scheidet ebenfalls aus. Das für die rechtliche Begründung einer solchen Gemeinschaft mit korrespondierenden Pflichten erforderliche Bedürfnis zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit besteht nur nach Insolvenzreife. Zudem definieren die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn man die hierfür notwendige Freiheit des Finanzierungsmarktes, die Sanierungschance eigenverantwortlich zu prüfen und sich dementsprechend zu verhalten, durch eine Pflicht zur Insolvenzvermeidung einschränkte (§ 8). Bestätigung findet die Ablehnung eines die Unternehmensfinanzierung umfassenden Systems von Kooperationspflichten schließlich im Schuldverschreibungsgesetz (§ 9). Hierin wird anerkannt, dass die Gläubiger außerhalb dieser Spezialregelung keine organisatorisch verfasste Gemeinschaft sind und ihr individuelles Vorteilsstreben auch in der Unternehmenskrise keiner rechtlichen Zweckbindung unterliegt. Gegenstand des dritten Teils ist hierauf aufbauend die Frage, ob sich auf einer anderen Grundlage eine individuelle Gläubigerverantwortung begründen lässt, die gewährleistet, dass zumindest diejenigen Fremdkapitalgeber, die sich zur Verfolgung von Eigeninteressen an der Unternehmenssteuerung beteiligen, ihren Einfluss mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung ausüben. Hierzu wird zunächst herausgearbeitet, dass die aus ökonomischer Sicht begründbare Gläu-

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bigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz und des Kaldor/HicksKriteriums nicht praktikabel und zudem als auf unzulässigen Fiktionen beruhend abzulehnen ist (§ 10). Sodann wird untersucht, ob sich eine individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten begründen lässt, mithin die Fremdkapitalgeber bei der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung Treuhänder der übrigen Gläubiger sind und diese darauf vertrauen dürfen, dass ihre Interessen angemessen mitberücksichtigt werden (§ 11). Hierbei zeigt sich zunächst, dass es in der Finanzierungspraxis regelmäßig zwei Typen von Fremdkapitalgebern gibt: Zum einen diejenigen, die sich umfangreich über das Kreditrisiko informieren und mittels Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge individuelle Vorsorge treffen (sog. adjusting creditors); zum anderen die sog. non-adjusting creditors, die diesen Aufwand nicht auf sich nehmen können oder wollen und sich darauf verlassen, dass die anderen ihre enge Verbindung zum finanzierten Unternehmen entweder dazu gebrauchen, die Kreditvergabe zu versagen oder aber darauf hinwirken, dass das Kreditrisiko für alle gesenkt wird. Dieses Vertrauen der Kreditgeber untereinander ist aus Sicht der ökonomischen Theorie keineswegs unerwünscht, sondern Bedingung für einen funktionierenden Markt der Unternehmensfinanzierung. Will man dieses tatsächliche Vertrauen hingegen zur Grundlage einer rechtlich anerkannten und gewährleisteten Gläubigerverantwortung der adjusting creditors entwickeln, müssen die allgemeinen Anforderungen an die normative Begründung des Vertrauendürfens eingehalten werden. Das tatsächliche Vertrauen darauf, dass die großen Kreditgeber die Interessen aller anderen mitberücksichtigen, ist konturenlos und lässt sich nicht vollumfänglich schützen. Zudem widerspricht ein derartiger Schutz der prinzipiell anzuerkennenden Freiheit der adjusting creditors, die umfangreiche Kreditprüfung und enge Anbindung zur Verwirklichung eigener Ziele einzusetzen. Um den notwendigen Zurechnungstatbestand einer diese Freiheit einschränkenden Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten herzustellen und der Selbstverantwortung der Vertrauenden Geltung zu verschaffen, bietet es sich jedoch an, die die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals legitimierende Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens auf die sich nicht nur informierenden, sondern Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber zu übertragen (§ 12). Hierzu wird zunächst herausgearbeitet, auf welche Weise die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals im deutschen Recht für die Unternehmenseigentümer gewährleistet wird. Die zwingende persönliche Haftung bzw. die gesetzliche Kapitalbindung stellen sicher, dass diejenigen, die – bei typisierter Betrachtung – die Herrschaft über das Unternehmen haben, sich widersprüchlich verhielten, wenn sie in der Krise eine Rolle einnehmen wollten, die denjenigen zugewiesen ist, die auf die durch die vorrangige Verlusttragung bewirkte verantwortungsbewusste Ausübung der Herrschaft durch andere vertrauen. Indem es de lege lata bereits keine dogmatische Grundlage gibt, einen Gleichlauf von Herrschaft und unbe-

IV. Gang der Untersuchung

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schränkter persönlicher Haftung zu Lasten der Eigentümer zu begründen, kann eine unbeschränkte persönliche Haftung jedoch erst recht nicht als Grundlage einer Gläubigerverantwortung für Einflussnahme herangezogen werden. Die Frage nach einer rechtsfortbildend zu begründenden Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Lasten der Nichteigentümer konzentriert sich somit darauf, eine auf den geleisteten Kapitalbeitrag bezogene Selbstbetroffenheit des Entscheidungsträgers herzustellen. Es zeigt sich, dass eine solche, über eine materiell- und/oder insolvenzrechtliche Kapitalbindung verwirklichte Finanzierungsverantwortung der Unternehmenseigentümer auch künftig Anerkennung im deutschen Recht finden wird und die vielfach als Alternative vorgeschlagenen schadensrechtlichen Lösungen allenfalls ergänzend wirken können. Unternehmerisches Tätigwerden ohne gesetzliche – materiell-rechtliche oder zumindest insolvenzrechtliche – Bindung des vom Unternehmer gewährten Kapitals wird es aus guten Gründen nicht geben. Die für die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft geltende Finanzierungsverantwortung ließe sich daher als Regelungsvorbild bei funktionaler Betrachtung auch auf die Fremdkapitalgeber übertragen, soweit diese sich an der Unternehmensführung beteiligen und hiermit hinsichtlich der Vermögensinteressen Agenten der übrigen Gläubiger und der Eigentümer selbst sind. Hierzu wird im vierten Teil zunächst herausgearbeitet, dass das Darlehen als gesetzlicher Regeltyp der Fremdfinanzierung einerseits keine Vorgaben darüber enthält, dass sich der Darlehensgeber an der Steuerung des Unternehmens beteiligen darf, er andererseits aber das gesetzlich anerkannte Interesse hat, sein finanzielles Risiko vom unternehmerischen Risiko abzukoppeln (§ 13). Für die stille Gesellschaft gilt dies gleichermaßen. Eine Einflussnahme des Stillen auf die Unternehmensleitung ist nach der gesetzlichen Ausgangslage nicht vorgesehen. Auch kann der Stille eine Beteiligung am Verlustrisiko ausschließen. Darlehen und stille Beteiligung sind so die gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung – ohne Einflussnahme und Verlustbeteiligung. Die mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebene vorrangige Verlusttragung derjenigen, die die Herrschaft über ein Unternehmen ausüben, schützt diese gesetzestypischen Fremdkapitalgeber. Will man die hiervon abweichende Einflussnahme der Fremdkapitalgeber billigen und mit einer korrespondierenden Verantwortung unterlegen, bedarf es einer normativen Korrektur dieses gesetzlichen Rollenbilds. Welche rechtlichen Ansätze zur Begründung einer derartigen Lender Control Liability bereit stehen, ist Gegenstand der nachfolgenden Erörterung (§ 14). Es zeigt sich, dass eine konzernrechtliche Beherrschung durch Fremdkapitalgeber möglich ist und mit den betreffenden Schutzinstrumenten unterlegt werden kann, im Regelfall der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung mangels Vorliegens einer konzerntypischen Interessendivergenz jedoch ausscheidet. Auch die von der Literatur zunehmend begründete Verantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als faktische

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Geschäftsführer vermag nicht zu überzeugen. Sie erzeugt einerseits große Rechtsunsicherheit und berücksichtigt vor allem nicht, dass der Einflussnehmende in legitimer Weise seine eigenen Interessen zu verwirklichen sucht. Er ist daher mit den Unternehmenseigentümern vergleichbar und nicht mit einem zur fremdnützigen Interessenwahrung verpflichteten Organwalter. Insofern konzentriert sich die rechtliche Begründung der für die Legitimation der Einflussnahme erforderlichen Selbstbetroffenheit darauf, ob sich die bei der Eigenfinanzierung eines Unternehmens durch seine Eigentümer bestehende Finanzierungsverantwortung auf die Fremdkapitalgeber übertragen lässt, mithin ihr Kapitalbeitrag eine mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vergleichbare haftungsmäßige Widmung zu Gunsten anderer, die sich aus der Steuerung eines Unternehmens heraushalten, erfahren kann. Dies herauszuarbeiten, ist Gegenstand des fünften Teils. Zunächst wird untersucht, auf welche Weise sich widersprüchliches Finanzierungsverhalten im Vorfeld der Insolvenz dogmatisch begründen und sanktionieren lässt (§ 15). Hierbei wird sich einerseits zeigen, dass sich über eine normative Gewichtung einander unvereinbarer Verhaltensweisen gemäß der Protestatio facto contrariaRegel eine Einschränkung des im gesetzlichen Regelfall legitimen Rückzahlungsinteresses bei denjenigen Fremdkapitalgebern begründen lässt, die Einfluss auf das finanzierte Unternehmen nehmen. Den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung liegt eine Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen zu Grunde. Der fehlende Einfluss des Fremdkapitalgebers auf die Verwendung des Finanzierungsbeitrags legitimiert die gesetzlich anerkannte Emanzipation seines finanziellen Interesses vom unternehmerischen Risiko. Im Umkehrschluss hierzu ist es gerechtfertigt, dass eine die Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen aufweichende Einflussnahme des Fremdkapitalgebers eine Einschränkung dieser Emanzipation begründet. Über die Protestatio-Formel wird der Umstand der Einflussnahme höher gewichtet als der fehlende Wille des Fremdkapitalgebers, kein unternehmerisches Risiko übernehmen zu wollen. Auf ein rechtswidriges Vorverhalten (Ingerenz), einen konkreten Vertrauenstatbestand auf Seiten des finanzierten Unternehmens oder ein Machtgefälle kommt es nicht an. Es zeigt sich aber, dass im Vorfeld der Insolvenz keine Möglichkeit besteht, auf der Grundlage der Protestatio-Formel eine der gesetzlichen Kapitalbindung bei GmbH, AG oder KG vergleichbare Verantwortung auf die Fremdfinanzierung zu übertragen. Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhalten kann im Vorfeld der Insolvenz allein durch eine dilatorische Einschränkung des vorzeitigen Mittelabzugs verwirklicht werden. Dies weist wegen der Gefahr einvernehmlichen Handelns und der fortbestehenden Qualifizierung der Finanzierung als Fremdkapital Schwächen auf. Eine bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende, zwingende materiell-rechtliche Umqualifizierung des Fremdkapitals in Eigenkapital wegen Einflussnahme auf die Unternehmensleitung scheidet entgegen der herrschenden Meinung aus.

IV. Gang der Untersuchung

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Es zeigt sich jedoch, dass im Insolvenzverfahren etwas anderes gilt, indem die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber weitergehend als bisher Adressaten des durch das MoMiG neu konzipierten Rechts der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO sind (§ 16). Herausgearbeitet wird, dass die hierüber begründete rein insolvenzrechtliche Rückstufung von Forderungen abweichend vom früheren Eigenkapitalersatzrecht künftig nicht mehr den Verstoß gegen ein vor allem an die formalen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft adressiertes materiell-rechtliches Gebot zur konsistenten Eigenfinanzierung in der Krise sanktioniert, sondern allein widersprüchliches Gläubigerverhalten in der Insolvenz. Dies hat Auswirkungen auf die Möglichkeit, diesen Ansatz dogmatisch auszubauen und Nichtgesellschafter einzubeziehen. Maßgeblich ist künftig nicht mehr die bisher von der herrschenden Meinung mit Zurückhaltung angewendete Formel, dass der Betreffende einem förmlichen Gesellschafter im Hinblick auf seine Mitgliedschaftsrechte und die vermögensmäßige Beteiligung an Verlust und Ertrag gleichstehen muss. Die Einbeziehung ist bereits dann möglich und im Einklang mit der Finanzierungstheorie geboten, wenn der Dritte – sei es als Darlehensgeber oder Stiller – wie ein „geschäftsführender Gesellschafter“ im Sinne des Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO faktisch oder auf rechtsgeschäftlicher Grundlage Einfluss auf die Leitung des Unternehmens nimmt, mithin auf die laufende Geschäftsführung oder Grundlagenentscheidungen. Die Begründung für diese Charakterisierung der Subordination von Kapitalbeiträgen als Veranlassungshaftung und die damit einhergehende Abkehr von der bisherigen Deutung des Eigenkapitalersatzrechts als Ausprägung der Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung folgt aus der Aufgabe des an die Gesellschafter gerichteten materiell-rechtlichen Gebots, in der Krise als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuzuführen. Aus der nunmehr allein insolvenzrechtlichen Verstrickung von Finanzierungsbeiträgen folgt der nur unter Knappheitsbedingungen zum Tragen kommende Zweck, die Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO vor Forderungsverlusten zu schützen. Insofern wirkt die für die Fremdfinanzierung nach materiellem Recht bestehende Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen insolvenzrechtlich fort. Begünstigte der Befriedigungsfunktion gemäß § 1 S. 1 InsO sind allein die Insolvenzgläubiger, die bisher keinen Einfluss auf die Unternehmensleitung hatten. Nehmen die Fremdkapitalgeber im Vorfeld der Insolvenz keinen nur unerheblichen Einfluss auf die Unternehmensführung, verhalten sie sich widersprüchlich, wenn sie sich im Insolvenzverfahren auf die Rolle des einflusslosen Insolvenzgläubigers zurückziehen wollen. Die tatbestandlichen Anforderungen an die rechtsfortbildend begründete Einbeziehung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber erfolgt in Anlehnung an das differenzierte Rollenbild der Finanzierungstheorie, ohne dass es auf eine rechtliche Qualifizierung des Verhaltens als rechtwidrig oder sittenwidrig ankommt: Sind die Fremdkapitalgeber aufgrund ihrer Einflussnahme so in den

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Einleitung

unternehmensinternen Willensbildungsprozess integriert, dass die Eigentümer und einflusslosen Gläubiger (non-adjusting creditors) bei typologischer und wertender Betrachtung auf ihre verantwortungsbewussten Entscheidungen vertrauen dürfen und hierdurch einen Anreiz haben, sich unzureichend oder gar nicht gesichert an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen, korrespondiert mit der funktionalen Treuhänderstellung der adjusting creditors auch eine rechtliche Verantwortung. Die Einflussnehmenden können ihren Finanzierungsbeitrag im Insolvenzverfahren nur nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO geltend machen. Vorinsolvenzliche Rückzahlungen unterliegen dem verschärften und mangels subjektiver Voraussetzungen leicht zu beweisenden Anfechtungsrecht gemäß § 135 InsO. Im Fall der masselosen Insolvenz ergibt sich Vergleichbares aus § 6 AnfG. Durch diese insolvenzbezogene Verstrickung des Finanzierungsbeitrags haben die Fremdkapitalgeber einen Anreiz, sich der Einflussnahme auf das Unternehmen zu enthalten oder aber diese Einflussnahme in einer Weise auszuüben, dass es nicht zur Insolvenz kommt. In analoger Anwendung des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO erfolgt nur dann keine Umqualifizierung der geleisteten und neu gewährten Finanzierungsbeiträge, wenn sich ein Fremdkapitalgeber in der dort definierten Krise erstmalig an der Steuerung des Unternehmens beteiligt. Die Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens in der Insolvenz gilt zum einen auch für Auslandsgesellschaften mit Sitz in Deutschland und zum anderen entgegen § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO auch dann, wenn ein Fremdkapitalgeber Einfluss auf eine gesetzestypische Personenhandelsgesellschaft und ein Einzelunternehmen nimmt. Sie ist damit ein umfassendes insolvenzrechtliches Modell der Finanzierungsverantwortung, welches zukünftig auch dann Geltung beanspruchen kann, wenn der bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende gesellschaftsrechtliche Kapitalschutz als Kompensation unternehmerischen Handelns mit beschränkter Haftung gelockert werden sollte. Die Ausführungen schließen im sechsten Teil mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Thesen.

Erster Teil

Die Herausforderungen der sich wandelnden Finanzierungspraxis Das Unternehmen ist aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit mit dem Ziel, durch die Kombination von Produktionsfaktoren Sachgüter und Dienstleistungen zu produzieren und diese gewinnbringend am Markt abzusetzen.1 Kern dieser Definition ist der betriebswirtschaftliche Ablauf zweier gegenläufiger Prozesse: Einerseits die Beschaffung von notwendigen Produktionsfaktoren (Güterstrom), andererseits der Absatz der produzierten Leistungen am Markt (Zahlungsstrom). Beide Ströme lassen sich als Zahlungen verstehen, freilich mit umgekehrten Vorzeichen. Der Güterstrom führt zu Auszahlungen, da die Produktionsfaktoren gegen Entgelt zu beschaffen sind. Der Zahlungsstrom führt zu Einzahlungen, weil der Absatz entsprechende finanzielle Mittel einbringt. Am Anfang des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs steht die Investition, d. h. die Ausstattung eines Unternehmens mit den notwendigen materiellen und immateriellen Produktionsfaktoren.2 Erst hieran anschließend erfolgt die Rückgewinnung der zur Investition eingesetzten Mittel zuzüglich eines Überschusses.3 Diese Abfolge beinhaltet ein Zeitproblem. Die Auszahlungen (Investitionen) fallen regelmäßig an, bevor ein Rückfluss in Form von Einzahlungsüberschüssen erfolgt. Hierauf hat die Unternehmensleitung zu reagieren. Übersteigen nämlich die Auszahlungen die Einzahlungen, kommt es zu Liquiditätsengpässen, die den Bestand des Unternehmens gefährden können. Es bedarf daher stets ausreichender finanzieller Mittel, um die zeitliche Distanz zwischen Ein- und Auszahlungen zu überbrücken (quantitatives Problem der Unternehmensfinanzierung).4 Letztlich hängt der Erfolg eines Unternehmens maßgeblich davon ab, wie gut es der Unternehmensleitung gelingt, für einen

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Statt anderer Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 2. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 103. 3 Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 1; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 103. 4 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 9, 103; Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 23 f. („finanzielles Gleichgewicht“); Drukarczyk, Finanzierung, S. 23. 2

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Erster Teil: Die Herausforderungen der Finanzierungspraxis

Ausgleich der gegenläufigen und zeitlich versetzten Zahlungsströme durch entsprechende Finanzierungsmaßnahmen zu sorgen.5 Neben Höhe und zeitlichem Rahmen des Kapitalbedarfs ist von der Unternehmensleitung zu klären, welche Kapitalarten zur Deckung dieses Bedarfs herangezogen werden sollen (sog. qualitatives Problem). 6 Traditionell werden insofern Eigen- und Fremdfinanzierung unterschieden.7 Die wohl wichtigste Abgrenzung dieser beiden Finanzierungsarten folgt aus der bestimmungsgemäßen Kapitalhaftung. Charakteristisch für die Eigenfinanzierung ist die – gesetzliche oder gewillkürte – Widmung als Haftkapital. 8 Die eingesetzten finanziellen Mittel sollen für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften und haben somit einen bestimmungsgemäßen Nachrang.9 Der Fremdfinanzierung fehlt diese Haftungsfunktion. Fremdkapital ist vielmehr nur eine Kapitalüberlassung „auf Zeit“ und begründet für das Unternehmen eine feststehende Rückzahlungsverpflichtung.10 Die Unterscheidung von Eigen- und Fremdfinanzierung legt zunächst den Schluss nahe, dass die haftungsmäßige Widmung des Finanzierungsbeitrags an die formale Stellung des Kapitalgebers geknüpft ist. Hiernach wäre die Finanzierung des Unternehmens durch seine Eigentümer Eigenfinanzierung, die Kapitalbeiträge Dritter Fremdfinanzierung. Dass die haftungsmäßige Widmung des investierten Kapitals mit einer aus der formalen Stellung des Kapitalgebers resultierenden Befugnis korrespondiert, Einfluss auf die Unternehmensleitung zu nehmen, ist jedoch weder auf der Grundlage der Finanzierungspraxis noch nach der Betriebswirtschaftslehre als empirische Wissenschaft zwingend. Nachfolgend wird herausgearbeitet, dass sich die der Differenzierung von Eigen- und Fremdfinanzierung zu Grunde liegenden Parameter auf unterschiedliche Weise von einer formalen Betrachtung eines Gleichlaufs von Herrschaft und haftungsmäßiger Widmung des Kapitalbeitrags emanzipieren. So ist es einerseits möglich, dass ein Eigentümer Fremdkapital beisteuert und ein Dritter Eigenkapital. Andererseits ist auch die Einflussnahme auf die Unternehmensleitung nicht zwingend anhand einer formalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers zu bestimmen. Nicht jeder Eigentümer beteiligt sich an der Unternehmensleitung, nicht jeder Dritte enthält sich der Einflussnahme. Letzteres 5 Zur Investitionsrechnung ausführlich Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 37 ff. 6 Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 12. 7 Die Systematisierung der Finanzierungsarten und erfolgt in der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht einheitlich; vgl. zu diesem Problem bereits K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 3 und Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 93 f. 8 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 353. 9 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 353; Drukarczyk, Finanzierung, S. 4: „Rangordnung der Verlustträger“. 10 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 354; Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 96.

Erster Teil: Die Herausforderungen der Finanzierungspraxis

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erfolgt bei den nunmehr vorzustellenden sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten mittlerweile schon geradezu institutionalisiert, mithin auf der Grundlage typischer, in der Praxis häufig anzutreffender Gestaltungen des Finanzierungsvertrags, auf die die Rechtsordnung zumindest im Ausgangspunkt nicht abgestimmt ist.

§ 1 Die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen Die vorstehend skizzierte betriebswirtschaftliche Differenzierung von Eigenund Fremdfinanzierung spiegelt sich bei den sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten kaum wieder. Bei diesen mittlerweile auch in Deutschland vielfach anzutreffenden Formen der Unternehmensfinanzierung verschwimmen die aufgezeigten Konturen der Finanzierungsarten erheblich. Die Kriterien der formalen Stellung des Kapitalgebers, seiner Befugnisse, auf das Unternehmen Einfluss auszuüben, die Teilhabe am Ertrag und die bestimmungsgemäße Haftung des Kapitals werden in der Finanzierungspraxis aufgrund individueller Nutzenvorstellungen der Beteiligten zunehmend flexibel gehandhabt.1 Die „klassische“ Differenzierung der Finanzierungsformen in das vom Nichteigentümer gewährte schuldrechtliche Darlehen und die stille Beteiligung einerseits und die Eigentümerfinanzierung mit gesellschaftsrechtlich gebundenem Stamm-, Grund- oder – beim Kommanditisten – Haftkapital gehört damit zwar nicht der Vergangenheit an. Sie ist jedoch zunehmend eingebettet in ein Gesamtgefüge verschiedener Finanzierungsformen, deren Zuschnitt bei funktionaler Betrachtung die traditionellen Kriterien von Fremd- und Eigenfinanzierung auf unterschiedliche Weise neuartig miteinander kombiniert. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfinanzierung „Märklin in der Zange – Finanzinvestoren kaufen Banken Kredite ab und gewinnen so die Kontrolle über deutsche Firmen“. Diese Überschrift aus dem Wirtschaftsteil der F. A. Z. im Frühjahr 20062 gibt einen guten Einblick in die aktuelle Entwicklung der Finanzierungspraxis in Deutschland. So heißt es in dem dazugehörigen Artikel: „Die Übernahme des Modellbahn-Herstellers 1 So bereits Fleischer, Finanzplankredite, S. 5. Zum sog. Financial Engineering ders., in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 99; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 21 f. Vom hier verwendeten Begriff abzugrenzen ist die Bezeichnung hybride Finanzinstrumente für Euronotes und Commercial Papers am Geld- und Kapitalmarkt (hierzu Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 437 f.). 2 F. A. Z. vom 18./19. März 2006, S. 25.

I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfi nanzierung

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Märklin könnte das jüngste Beispiel für einen neuen Trend in Deutschland werden. Finanzinvestoren schlüpfen als Gläubiger in die Rolle der früheren Hausbanken und bestimmen die Geschicke der Firmen. Investoren wie Goldman Sachs, Lone Star, Cerberus, einige Hedgefonds, aber auch die Deutsche Bank, wittern ein großes Geschäft. Etwa die Hälfte dieser Anleger kauft Kredite, um sie bald mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die andere Hälfte der Investoren will Einfluss auf die Firmen nehmen und die Unternehmen auch operativ wieder auf Kurs bringen.“ Die vorstehende Beobachtung aus dem deutschen Kredit- und Finanzierungsmarkt skizziert einen Entwicklungsprozess: Die an einer Unternehmensfinanzierung Beteiligten lassen sich immer weniger in die klassischen Rollenbilder der Fremdfinanzierung durch Dritte und die Eigenfinanzierung durch die Eigentümer einordnen. Die Unternehmensfinanzierung unterliegt vielmehr Marktmechanismen, die es mit sich bringen, dass die Nichteigentümer unternehmerische Risiken eingehen, am Erfolg des Unternehmens partizipieren wollen und zur Kompensation bzw. auch unabhängig davon eine enge Anbindung an die Unternehmensleitung suchen. Die Gründe hierfür sind vielseitig.

1. Verstärkte Bonitätsprüfung und -überwachung seit Basel II Zum einen besteht für die Kreditinstitute gemäß dem seit 1. 1. 2007 geltenden Baseler Eigenkapitalakkord (Basel II) ein Anreiz, das Kreditrisiko genauer zu prüfen und den Finanzierungsvertrag umfassend auf das aus der Prüfung resultierende Kreditrisiko abzustimmen.3 Nach dem bisher geltenden Basel I-Akkord4 hatten die Kreditinstitute ihre Finanzierungen pauschal mit 8% Eigenkapital zu unterlegen, um sich auf diese Weise vor unerwarteten Verlusten abzusichern.5 Mit Basel II werden diese pauschalen Anforderungen durch ein differenziertes System der Risikogewichtung ersetzt. 6 Im Kern hängt die notwendige Eigenkapitalunterlegung nunmehr von der Bonität des einzelnen Kreditnehmers ab. Bei einem Schuldner mit sehr guter Bonität sind zum Beispiel im sog. Standardansatz nur noch 20% der Kreditsumme zu 8% mit Eigenkapital zu unterlegen, wohingegen Kredite an schlechte Schuldner in voller Höhe mit 150% zu unterlegen sind.7 Die Methoden des internen und externen Ratings, aufgrund derer die Bonität des Schuldners ermittelt wird, 8 verlangen tiefe Ein3 Kersting, ZIP 2007, 56, 56 f.; Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 216 ff.; Mülbert, WM 2004, 1205, 1205; Volkenner/Walter, DStR 2004, 1399, 13400 ff.; Brösel/Matschke, DStR 2003, 2176, 2176 f.; Paetzmann, DB 2001, 493, 493 ff. 4 Hierbei handelte es sich um ein gentlemen’s agreement im Rahmen des von den G-10 Ländern beschickten Basel-Bankenaufsichtskomitees (Kersting, ZIP 2007, 56, 56 [Fn. 1]). 5 Ausführlich Zeitler, WM 2001, 1397, 1397 f. 6 Vgl. http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel.php. 7 Weitere Einzelheiten bei Heinze, BKR 2002, 212, 213. 8 Überblick bei Zeitler, WM 2001, 1397, 1398; Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 216 f.

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

blicke in das Unternehmen und eine genaue Überwachung der Unternehmensführung.9 Die Wirtschaftspresse kommentiert dies pointiert – „Die Kreditvergabe beim Kegeln ist passé“.10

2. Fokussierung auf den künftigen „Marktwert der Finanzierung“ Der zunehmende Handel mit verbrieften – nicht notwendig notleidenden11 – Krediten (asset backed securities) 12 , nachträglich zusammengefasst in Credit Default Swaps (CDS) und Collateralized Debt Obligations (CDO), bringt es weiterhin mit sich, dass der Erstkreditgeber nicht allein sein eigenes finanzielles Interesse zu befriedigen sucht. Er berücksichtigt vielmehr von Anfang an, welchen Marktwert die entsprechende Finanzierung aus Sicht potentieller Aufkäufer hat oder einmal haben wird.13 Die positive Beurteilung des betreffenden Unternehmens durch Rating-Agenturen ist somit nicht mehr allein für das Unternehmen wichtig, um in den Genuss einer günstigen Finanzierung zu gelangen.14 Auch die Fremdkapitalgeber, die ein finanzielles Engagement eingegangen sind, haben ein Interesse daran, dass die Bewertung der Bonität des Kreditnehmers durch andere positiv ausfällt und ihre zum Handel anstehenden Kredite entsprechend gute Preise erzielen.15 9 Einzelheiten aus Sicht der Bankbetriebslehre bei Pfi ngsten, Bankrechtstag 2004, S. 43, 43 ff.; vgl. auch Schmoll, Die Bank 2004, 23, 24 ff. 10 F. A. Z. vom 23. 6. 2004, S. 12. 11 Vgl. F. A. Z. vom 11. 10. 2006, S. 23 („Beraten und verkauft – Kundenrechte beim Verkauf nicht-notleidender Kredite“). 12 Nach ausländischem Vorbild werden nun auch in Deutschland immer mehr Typen von Mittelstandskrediten in kapitalmarktgängigen Wertpapieren verbrieft (Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123; Schmeisser/Leonhardt, DStR 2007, 169; vgl. aus der Wirtschaftspresse auch F. A. Z. vom 8. 7. 2005, „Neue Verbriefungsplattform für Mittelstandskredite“; F. A. Z. vom 18. 5. 2005, S. 25: „Umbruch im Kreditgeschäft“; Börsenzeitung vom 23. 12. 2004, S. 5: Dresdner Bank stößt Kreditportfolio mit Volumen von bis zu 2 Mrd. Euro an den Finanzinvestor Lone Star und die Investmentbank Merrill Lynch ab). 13 Ein CDS ist eine Art Kreditversicherung, allerdings standardisiert und dadurch handelbar. Gläubiger kaufen sich über einen CDS gegen Zahlung einer Prämie „Versicherungsschutz“ für den Fall, dass ein Schuldner zahlungsunfähig wird. Kommt es so, muss der „Versicherer“, in der Regel Banken, institutionelle Anleger und Hedge-Fonds, den Forderungsausfall aus eigener Tasche ersetzen. Die CDS-Märkte sind mittlerweile größer als die Markte für Unternehmensanleihen. – CDOs entstehen dadurch, dass Banken Hunderte oder Tausende herausgelegter Kredite zusammenführen. Dieses Portefeuille wird sodann in mehrere Tranchen zerlegt, die als CDO-Wertpapiere an Investoren verkauft werden. Die unterste Tranche ist dabei so ausgestaltet, dass zunächst ausschließlich sie Verluste absorbieren muss, die durch Ausfall eines Kredits im Gesamtportefeuille entstehen. Weil diese Tranche das höchste Risiko trägt, wird sie mit einem hohen Zins ausgelegt. Die nächsthöhere CDO-Tranche muss erst dann Verluste absorbieren, wenn die Kreditausfälle insgesamt das Volumen der untersten Tranche übersteigen usw. Auf diese Weise werden aus Krediten handelbare Wertpapiere (Einzelheiten m. w. N. bei Achleitner/Wahl, BB 2004, 1323). 14 Praetzmann, DB 2001, 493, 495; L. Krämer, Bankrechtstag 2004, S. 3, 3 ff. 15 Pape, DStR 2003, 950, 952.

I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfi nanzierung

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3. Fremdfinanzierung von Unternehmensübernahmen Schließlich ist die Fremdfinanzierung eines Unternehmens durch die Nichteigentümer oftmals lediglich ein Mittel, die Schulden zu einem späteren Zeitpunkt in Eigenkapital umzuwandeln und das finanzierte Unternehmen auf diesem Weg zu übernehmen.16 Die Kapitalgeber – Hedge- und Private EquityFonds – kaufen Kredite von Unternehmen auf17 und gehen dabei verstärkt Risiken ein, die nicht allein mit herkömmlichen Sicherheiten abgedeckt werden können.18 Als Sicherheit dient bei dieser sog. Leveraged Finance vielmehr der künftige Ertrag des Unternehmens (cash fl ow related lending).19 Die Fremdkapitalgeber haben so ein besonderes Interesse daran, dass dieser Ertrag auch den Ergebnisprognosen entsprechend erwirtschaftet und zur Zahlung von Zins und Tilgung zur Verfügung steht.20 Aus der Wirtschaftspresse erfährt man, dass Unternehmen heute bei Übernahmen zugemutet wird, fast den gesamten Überschuss für Zinsen und Tilgung ihrer Finanzierung aufzubrauchen.21 Dieser Trend scheint sich zu verstärken: Während der prognostizierte Überschuss früher noch um 25% über der Zins- und Tilgungsleistung liegen musste, genügen heute meist 5%.22 Dennoch finden die Private Equity-Gesellschaften, die sog. Finanzinvestoren, genügend Banken, die als Kreditgeber entsprechende Akquisitionsfinanzierungen zeichnen. 23 Die als Kompensation dieses erhöhten Risikos zumeist im Finanzierungsvertrag eingeräumten Mitwirkungs- und Kontrollrechte ähneln denen der Eigentümer und gehen teilweise darüber hinaus. Dieser Einfluss erfolgt in Anlehnung an die anglo-amerikanische Kreditpraxis zunehmend institutionalisiert, indem die Finanzierungsverträge umfangreiche Nebenabreden (sog. Covenants) enthalten.24

16 Vgl. auch den aktuellen Fall des Automobilzulieferers Kiekert zeigt dies (F. A. Z. vom 4. 10. 2006, S. 17, „Kiekert steht vor Eigentümerwechsel, Gläubiger wollen offensichtlich Übernahme“). 17 Zum sog. distressed debt purchase in der Praxis ausführlich Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561. 18 Jährig/Schuck, Handbuch des Kreditgeschäfts, 5. Auflage 1990, S. 190; Kästle, Rechtsfragen, S. 36 f. 19 Thießen, ZBB 1996, 19, 21; Eidenmüller, ZHR 170 (2007), 644, 655. 20 Im Rahmen einer sog. Whole Business Securitisation wandelt das kapitalsuchende Unternehmen einen Großteil der ihr zufließenden Zahlungsströme in ein Wertpapier um und gewährt dem Kapitalgeber auf diese Weise Sicherheit (hierzu, mit Fallstudien aus der Praxis Hengst, Whole Business Securitisation, München 2006; Klüwer/Marshall, ZBB 2005, 255). 21 F. A. Z. vom 29. 9. 2006, S. 23 („Übernahmefinanzierungen werden riskanter“). 22 Guter Überblick bei Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, Mezzanie Kapital, Beilage zu BB 2005, Heft 13. 23 F. A. Z. vom 29. 9. 2006, S. 23 („Übernahmefinanzierungen werden riskanter“). 24 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656.

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

4. Die sich wandelnde Rolle des Fremdkapitalgebers Die Rolle des Fremdkapitalgebers ist durch diese Entwicklungen nicht mehr auf die eines „stillen Financiers“ oder passiven Kreditgebers mit fest kalkuliertem Zins- und Rückzahlungsinteresse beschränkt. In Verwirklichung seiner vielfältigen Ziele nimmt der Fremdkapitalgeber vermehrt Einfluss auf die Unternehmensführung, um seine Interessen bestmöglich zu verwirklichen und den Marktwert der Finanzierung zu steigern. Der zu belassende oder zu gewährende Finanzierungsbeitrag wird hierbei durchaus auch als Druckmittel benutzt, die Unternehmensführung zu einer vom Kapitalgeber als sachgerecht bzw. geboten empfundenen Entscheidung zu bewegen. Im US-amerikanischen Rechtskreis ist inzwischen die Auffassung weit verbreitet, dass die Kreditinstitute aufgrund einer engen kreditvertraglichen Verbindung zum Unternehmen insbesondere in der Krise praktisch die „Herren des Reorganisationsprozesses“ sind. 25 Diese Tendenz lässt sich durchaus auf den hiesigen Finanzierungsmarkt übertragen. Der BGH hatte jüngst über einen Sachverhalt zu urteilen, wonach eine kreditgebende Bank die Prolongation der Finanzierung von der Abberufung eines nicht mehr ihr Vertrauen genießendes Vorstandsmitglieds abhängig machte.26 Auch im eingangs erwähnten Märklin-Fall drängte nicht nur die Belegschaft die Gesellschafter zum Verkauf der Anteile an den Finanzinvestor Knightsbridge Capital. Der Druck kam vor allem von Seiten der Gläubigerbanken, die während der Übernahmeverhandlungen die Zinsen erhöht und gedroht haben, die Kredite fällig zu stellen.27 Weitere Fälle wurden durch die Wirtschaftspresse bekannt: Bei der Sanierung der KarstadtQuelle AG im Jahr 2004 spielten die kreditgebenden Banken bei der Vornahme innergesellschaftlicher Restrukturierungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle. So gab es im Vorfeld einer geplanten Kapitalerhöhung Gerüchte, wonach einige der 16 Gläubigerbanken das Vertrauen in das Management verloren hätten und auf einen Rücktritt des Konzernchefs Achenbach drängten. Diese konnten erst durch eine Intervention des Aufsichtsratsvorsitzenden Middelhoff ausgeräumt werden. 28 Anlässlich der geplanten Übernahme der Ed. Züblin AG durch die Augsburger Walter Bau gelang es der Landesbank Baden-Württemberg unter dem Druck, andernfalls die Bürgschaften für das laufende Geschäft bei Züblin zu kündigen, die Aufnahme eines Zustimmungsvorbehalts in den Unternehmenskaufvertrag zu erzwingen und die Übernahme auf diese Weise letztlich zum Scheitern zu bringen. 29 Schließlich kam es auch 25 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656, unter Berufung auf Baird/Rasmussen, U. Pa. L. Rev, 154 (2006), 1209. 26 BGH, ZIP 2007, 119; als Vorinstanz OLG München, NZG 2006, 313. 27 F. A. Z. vom 26. 4. 2006, S. 23 („Märklin-Gesellschafter sollen sich einigen“); F. A. Z. vom 27. 4. 2006 („Märklin-Gesellschafter lenken offenbar ein“). 28 F. A. Z. vom 30. 11. 2004, S. 16 („Banken stärken Achenbach-Position“). 29 S. Z. vom 2. Dezember 2004, S. 21 („Walter Bau scheitert bei Züblin“).

I. Neuere Entwicklungen der Unternehmensfi nanzierung

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beim Porzellan-Hersteller Rosenthal AG im Jahr 2004 zu einer heftigen Diskussion auf der Hauptversammlung über die Frage, wie weit sich die Gesellschaft in die Abhängigkeit einer englischen Bank begeben darf.30 Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. So ist es mittlerweile auch im Mittelstand Praxis, dass die Fremdkapitalgeber im Rahmen sog. Turnaround-Finanzierungen zur Unternehmenssanierung unter dem Druck der latent drohenden Kreditkündigung den Einsatz befreundeter Unternehmensberater, InterimsManager, Treuhänder und sonstiger Spezialberater zur Beschleunigung der Entschuldung fordern.31 Die vorstehenden mehr oder weniger prominenten Beispiele machen deutlich, dass die Finanzierungspraxis Formen annimmt, die es notwendig machen, die sich wandelnde Rolle der Fremdkapitalgeber zu analysieren und diese in ein – möglicherweise fortzuentwickelndes – System adäquater Regeln einzubetten. Die neueren Entwicklungen dürfen nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die zunehmend enge Anbindung von Fremdkapitalgebern und finanziertem Unternehmen keine Garantie für das risikolose Wirtschaften ist. Aus der Wirtschaftspresse erfährt man schon lange, dass die Beteiligungsbranche in den nächsten Jahren viele Sanierungsfälle hervorbringen wird.32 Die Auswirkungen der aktuellen Krise des US-amerikanischen Hypothekenmarkts können als erster Schritt in Richtung einer Konsolidierung eines bisher „boomenden“ Marktes für Unternehmensfinanzierungen verstanden werden.33 Auch sind die Übernahmefinanzierungen häufig so ausgestaltet, dass das betreffende Unternehmen zunächst einmal – für einen Zeitraum von etwa acht Jahren – keinen Zins und Tilgung zu leisten hat (sog. bullet debt) oder dass die Zinsleistungen durch Ausgabe weiterer Schuldtitel erbracht werden (sog. payment-in-kind debt).34 Dass sich hierhinter künftige Liquiditätsrisiken verbergen, liegt auf der Hand.35 Es ist damit letztlich nur eine Frage der Zeit, wann die möglicherweise 30

F. A. Z. vom 20. 11. 2004, S. 21 („Heftige Diskussion bei Rosenthal“). Vgl. Fleischer, DStR 2006, 1507, 1514; Fromm, GmbHR 2003, 1114., der (neben anderen Gesprächspartnern aus Kreditabteilungen von Banken) die dort skizzierten Maßnahmen in einem persönlichen Gespräch mit dem Verfasser als gängige Praxis bestätigte; der Beratungsvertrag wird in der Praxis freilich meist vom Unternehmen selbst geschlossen (Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 283, Fn. 40). 32 So die Einschätzung von Roman Zeller, Geschäftsführer von Alix Partners, einer auf Sanierungsfälle spezialisierten Beratungsfirma, in der F. A. Z. vom 18./19. 3. 2006, S. 25. Ähnliche Einschätzungen in F. A. Z. vom 4. 10. 2006, S. 17 („Nach der Übernahmewelle droht die Pleitewelle“). 33 Vgl. S. Z. vom 20. 9. 2007, S. 24 („Kreditmarktkrise belastet Morgan Stanley“) sowie S. Z. vom 21. 9. 2007, S. 30 („Krise lähmt Firmenkäufe und Börsengänge“), wo auf eine Analyse des Datenanbieters Thomson Financial hingewiesen wird, wonach die Finanzinvestoren im zweiten Quartal 2007 um 77% weniger Firmen kauften als im vorherigen Quartal und die Ausgabe der eine Unternehmensübernahme meist finanzierenden, besonders risikoträchtigen Hochzinsanleihen nahezu zum Erliegen kam. 34 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655. 35 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655. 31

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

negativen Folgen der hohen Fremdkapitalisierungsraten auf der Ebene der finanzierten Unternehmen tatsächlich eintreten. In jedem Fall ist bereits jetzt davon auszugehen, dass die Fremdkapitalgeber künftig noch mehr als bisher versuchen werden, ihr Rückzahlungsinteresse durch eine besonders enge Verbindung zum finanzierten Unternehmen abzusichern, es mithin an die kurze Leine nehmen.36 Der Schutz des Unternehmens, seiner Eigentümer und insbesondere seiner sonstigen Gläubiger ist bei der rechtlichen Begleitung dieser sich wandelnden Rolle des Fremdkapitalgebers nur ein maßgeblicher Aspekt. Auch diejenigen, die sich innovativer Finanzierungsmethoden bedienen, haben ein Interesse daran, die rechtlichen Grenzen des Erlaubten vorherzusehen und ihr Handeln hieran auszurichten. So entspricht es vielfach dem Bestreben der Fremdkapitalgeber, sich „am Limit“ der Grenzziehung zwischen Fremd- und Eigenfinanzierung zu bewegen. Sie haben daher nicht nur ein Interesse, anhand rechtssicher handhabbarer Kriterien eine Schadensersatzpflicht wegen übermäßiger Einmischung (sog. Lender Control Liability) 37 vorherzusehen, sondern auch daran, den gesetzlich erzwungenen Debt-Equitiy-Swap zu vermeiden, also das nicht gewollte Umschlagen einer relativ verantwortungslosen Fremdfinanzierung in die Beteiligung als Eigenkapitalgeber mit nachrangig haftendem Vermögen oder das möglicherweise überraschende Entstehen ungewollter Nachschussverpflichtungen.38 Will man diese Grenzen herausarbeiten, ist zunächst in einem ersten Schritt zu untersuchen, welche hybriden Finanzierungsinstrumente mittlerweile Einzug in die Unternehmensfinanzierung gefunden haben und welche weitgehend auf Anglizismen beruhende Terminologie die Praxis beherrscht.

36 Insofern ist es keineswegs sicher, dass man mit Eidenmüller ( ZHR 171 [2007], 644, 656) von einer Fortsetzung des sich momentan abzeichnenden Trends zur Abschwächung des Covenant-Schutzes ausgehen muss (Europäische Zentralbank, Large Banks and Private EquitySponsored Leveraged Buyouts, S. 17 f., 21, 38, 41 [abrufbar unter http://www.ecb.int/pub/ pdf/other/largebanksandprivateequity200704en.pdf] sowie Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2007, S. 21 f. [abrufbar unter http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2007/200704mb_bbk.pdf]). 37 So die gängige Bezeichnung der Verantwortlichkeit eines das Unternehmen beherrschenden Kreditgebers im US-amerikanischen Rechtskreis (vgl. nur Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 160 ff. sowie unten § 16 VI. 38 So Weisser, GmbHR 2004, 1370. Vom erzwungenen „Debt-Equitiy-Swap“ kraft Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags abzugrenzen ist die gewollte Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital, was insbesondere im Sanierungsfall Bedeutung erlangt (vgl. hierzu Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561).

II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente

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II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente als Gegenstand der Kautelarpraxis Die vor allem im Bereich der Projekt- oder Akquisitionsfinanzierung anzutreffende sog. mezzanine Finanzierung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mittel weder durch Eigenkapital noch durch vorrangig besichertes Fremdkapital bereitgestellt werden.39 Die Kapitalgeber unterstellen ihren im Regelfall auf fünf bis zehn Jahre befristeten Finanzierungsbeitrag vielmehr aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Schuldner einem Nachrang gegenüber den Ansprüchen sonstiger Gläubiger.40 Angeboten wird mezzanines Kapital von Beteiligungs- und Venture-Capital-Gesellschaften, von Banken und Versicherungen und von Mezzanine-Fonds.41

1. Charakteristische Merkmale Eine exakte Definition des Begriffs Mezzanine-Finanzierung besteht nicht. 42 Die Vielfalt der Gestaltungen in der Praxis hat mittlerweile jedoch eine gewisse Systematisierung erfahren.43 So wird der Begriff Mezzanine-Kapital teilweise sehr weit für alle Finanzierungsinstrumente verwendet, die sowohl Fremd- als auch Eigenkapitalmerkmale aufweisen. Aufgrund dieser Weite fallen hierunter auch unbesicherte, nicht nachrangige Darlehen und stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die überwiegende Praxis verwendet jedoch einen engeren Begriff. Typischerweise handelt es sich hiernach beim mezzaninen Kapital um ein nachrangiges Darlehen (sog. second lien 44) oder die Einlage eines Stillen mit einer entsprechend höheren laufenden und/oder endfälligen Verzinsung bzw. Gewinnbeteiligung. Auch typisch ist die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Komponente (sog. Equity-Kicker).45 Hiernach wird der Kapitalgeber an der 39 Der Begriff „Mezzanine“ ist dem italienischen „Mezzanino“ entlehnt, welches ein für die Baukunst der Renaissance und des Barock typisches Zwischengeschoss eines Gebäudes bedeutet (vgl. Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 14; Berger, ZBB 2008, 92, 93); seit der zweiten Hälfte der 1980-er Jahre wird der Begriff auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur benutzt (Leopold/Reichling, DStR 2004, 1360, 1361). – Zur Mezzanine-Finanzierung allgemein Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, S. 301 ff.; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2004; Müller, Mezzanine Finance, 2003. 40 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 14, 16; Überblick bei Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Erster Teil, Rn. 1 ff. 41 Laudenklos/Sester, WM 2004, 2417, 2417. 42 Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 14; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Erster Teil Rn. 5; Sester, ZBB 2006, 443, 444 („gesetzlich nirgendwo verankert“). 43 Pointiert Laudenklos/Sester, WM 2004, 2417, 2417: kein Standardprodukt, sondern maßgeschneiderter Vertrag. Zum Folgenden Bock, DStR 2005, 1067, 1067 ff. (m. w. N.). 44 Maesch/Voß, FB 2007, 1, 1. 45 Enger Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 37: Zins-

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

Wertsteigerung des Unternehmens entweder durch die Einräumung von Bezugsrechten auf Gesellschaftsanteile beteiligt (echter Equity Kicker) oder durch einen höheren Zins bzw. eine Sonderzahlung am Ende der Laufzeit (virtueller Equity-Kicker bzw. Non-Equity-Kicker). a. Echter Equity-Kicker Beim echten Equitiy-Kicker erwirbt der Kapitalgeber aufgrund der Vertragsbedingungen das Recht, zum Ende der Finanzierung oder zum Zeitpunkt seines Ausstiegs Anteile am Unternehmen zu erwerben (Optionsrecht, Warrant) bzw. den Nennwert des Mezzanine-Kapitals in Anteile am Unternehmen zu wandeln (Wandelrecht, convertible right).46 Die Konditionen für den Erwerb der Unternehmensbeteiligung werden bereits im Finanzierungsvertrag festgelegt. 47 Im Vorfeld der Vereinbarung eines echten Equity-Kickers erfolgt daher oftmals eine Unternehmensbewertung des Schuldners.48 In Deutschland haben die Wandelanleihen eine lange Tradition und finden zunehmend im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen Verwendung.49 b. Non-Equity-Kicker Der virtuelle Equity-Kicker bzw. Non-Equity-Kicker wird regelmäßig als sog. Shadow Warrant ausgestaltet, wonach das Optionsrecht des Kapitalgebers „virtuell“ nachgebildet wird.50 Angestrebt wird hiernach nicht die tatsächliche Einräumung einer Unternehmensbeteiligung. Dem Mezzanine-Geber wird vielmehr ein vertraglich festgelegter Anteil an der Wertsteigerung des Unternehmens in Form eines Barausgleichs vergütet („Als-ob-Beteiligung“).51 Die erfolgsabhängige Zusatzvergütung (sog. Ratchet Charge) eines solchen virtuellen Equitiy-Kickers wird meist gestaffelt.52 Anhand bestimmter PerformanceKennziffern (sog. Benchmarks), wie zum Beispiel festgelegte Ergebnis- oder Cash-fl ow-Größen, Umsatz- und Eigenkapitalrenditen, wird die besondere Vergütung zu Gunsten des Kapitalgebers ermittelt. Bezieht sich die Benchmark komponente ist im Gegensatz zur Equitiy-Komponente notwendiger Bestandteil von Mezzanine-Kapital. 46 Bock, DStR 2005, 1067, 1068. 47 Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 39. 48 Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 42. 49 Achleitner/Wahl, BB 2004, 1323, 1323 f.; vgl. auch Börsenzeitung vom 23. 4. 2005, S. 2 („Wandelanleihen federn Verluste ab“). 50 Bock, DStR 2005, 1067, 1068; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 38: „Phantom Warrant“. 51 Bock, DStR 2005, 1067, 1068; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 39. 52 Wagner, Konzern 2005, 499, 501.

II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente

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auf den Zins, spricht man auch vom sog. Zins-Kicker.53 Wird die Vergütung für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Finanzierung vereinbart, nennt man sie Back End Fee.54 c. „Ewige“ Anleihen und Genussscheine Eine besondere Gestaltung mezzaninen Kapitals ist auch die sog. „ewige“ Anleihe (perpetual bond).55 Charakteristisch für diese meist als nachrangige Schuldverschreibung ausgegebene Finanzierung ist die fehlende Laufzeitbegrenzung. Auf der Grundlage des Finanzierungsvertrages als unbefristetes Dauerschuldverhältnis ist der Emittent einer solchen Anleihe nicht zur termingerechten Rückzahlung verpflichtet. Eine Rückzahlungspflicht entsteht regelmäßig erst bei Auflösung des Schuldnerunternehmens. In diesem Fall ist eine Beteiligung der Kapitalgeber am Liquidationserlös jedoch ausgeschlossen, so dass ihnen allein der nominelle Forderungsbetrag zusteht.56 Die Bayer AG begab im Jahr 2005 eine „nachrangige Hybridanleihe mit hundertjähriger Laufzeit“, welche seitens des Unternehmens erstmals nach 10 Jahren gekündigt werden kann.57 Der große Vorteil wird in Finanzkreisen darin gesehen, dass die Rating-Agenturen diese Anleihe zu 50% als EigenkapitalSurrogat anerkennen, wohingegen die Sollzinsen steuerabzugsfähig sind.58 Es wird in nächster Zeit mit weiteren Emissionen nach diesem Muster gerechnet, insbesondere bei Familienunternehmen, weil diese oftmals keine fremden Eigentümer aufnehmen wollten.59 Auch Genussscheine stellen als mezzanines Kapital neben den bereits erwähnten Wandelanleihen mittlerweile eine von der Praxis zunehmend wahrgenommene Finanzform dar. 60

2. Typischer Anwendungsbereich Der typische Anwendungsbereich mezzaninen Kapitals sind die Finanzierung von Akquisitionen und Expansionen. Nach Vorstellung der Praxis schließen die flexiblen hybriden Finanzierungsinstrumente auf diese Weise eine Lücke zwischen dem aktuellen Liquiditätsbedarf und dem verfügbarem Eigen- und 53

Bock, DStR 2005, 1067, 1068. Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 43. 55 Wagner, Konzern 2005, 499, 504 unter Hinweis auf die 2002 ausgegebene Anleihe der Allianz AG. 56 Wagner, Konzern 2005, 499, 505. 57 F. A. Z. vom 8. 7. 2005, S. 29 („Bayer begibt hundertjährige Anleihe“). 58 Sester, ZBB 2006, 443, 450, 453 ff.; pointiert Berger, ZBB 2008, 92, 99: „Ein Ziel jeder Mezzanine-Finanzierung ist die Verbesserung des zukünftigen Ratings“. 59 F. A. Z. vom 8. 7. 2005, S. 29 („Bayer begibt hundertjährige Anleihe“). 60 Sester, ZBB 2006, 4434, 445; vgl. Börsenzeitung vom 27. 11. 2004, S. 10 („GenussscheinFinanzierung für notierte Unternehmen“). 54

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

Fremdkapital traditioneller Art. 61 Erfolgt der Einsatz bei der Finanzierung von Unternehmenskäufen, spricht man von Buy-out-Mezzanine; bei Investitionen in neue Produkte oder Märkte von Wachstums-Mezzanine. 62 Darüber hinaus ist der Einsatz mezzaninen Kapitals auch als Sanierungsinstrument verbreitet. So hat sich zum Beispiel der im Jahr 2005 angeschlagene Warenhauskonzern Karstadt Quelle in der Krise ein nachrangiges Darlehen über rund 300 Mio. A beschafft. 63 a. Unternehmenskauf Der Einsatz einer mezzaninen Finanzierung beim Unternehmenskauf (sog. Buy-out) erfolgt meist in Form eines Verkäuferdarlehens (Seller’s Notes, Vendor Loans). 64 Im Kern geht es hierbei den Beteiligten darum, den Kaufpreis zu stunden und den Verkäufer wegen der Ungewissheit über den Unternehmenswert noch einige Zeit65 am Erfolg und Misserfolg des Unternehmens partizipieren zu lassen. 66 Um dies zu verwirklichen, gewährt der Verkäufer dem verkauften Unternehmen ein mezzanines Darlehen über einen Teil des vom Käufer erhaltenen Kaufpreises. Handelt es sich um eine sog. Earn-out-Konstruktion, ist dieses Darlehen nicht nur vereinbarungsgemäß nachrangig, sondern zudem auf der Basis des Unternehmenserfolgs zurückzuerstatten. In der Praxis wird dies als vertrauensbildende Maßnahme angesehen. Eine angemessene Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer macht die Transaktion wegen der vielfachen Unsicherheit oftmals überhaupt erst durchführbar. Dies gilt nicht nur beim privaten Unternehmenskauf. In jüngerer Zeit finden dieselben Gestaltungen auch Anwendung, wenn die Transaktion in den Rückzug des Unternehmens von der Börse (going private) eingebettet ist. 67 b. Brückenfinanzierung Ein weiterer Einsatzbereich für Mezzanine-Kapital ist die Brückenfinanzierung (sog. Bridge Loan). 68 Insbesondere im Vorfeld geplanter Börsengänge be61

Wagner, Konzern 2005, 499, 499. Bock, DStR 2005, 1067, 1067. 63 F. A. Z. v. 15. 2. 2005, S. 9. 64 Zum Folgenden Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 15; Müller, Mezzanine Finance, S. 231; Sester, ZBB 2006, 443, 445. 65 Üblich sind zwei bis sieben Jahre (Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 15 Fn. 19). 66 Gerade der Stundungsvorteil ist beim Management Buy Out (MBO) und beim Management Buy In (MBI) relevant, wenn die Erwerber nicht sogleich über die notwendigen Mittel zur Kaufpreiszahlung verfügen (Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 51). 67 Vgl. Römer/Groh, in: Richard/Weinheimer, Handbuch Going Private, S. 143, 168 ff. 68 Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 53. 62

II. Mezzanine Finanzierungsinstrumente

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steht ein Bedürfnis, das erst mit dem Börsengang zu erlangende Eigenkapital vorzufinanzieren, um einen aktuellen Investitionsbedarf zu decken. Das Unternehmen erhält so die erforderliche Liquidität, um unabhängiger in Bezug auf den Emissionszeitpunkt zu bleiben. Der „richtige“ Zeitpunkt einer Börsenemission hängt nämlich erheblich von externen Faktoren, wie der allgemeinen Marktstimmung ab. In der Praxis stellen daher Dritte mezzanines Kapital für einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten69 zur Verfügung und lassen sich in diesem Zusammenhang die oben erwähnten Optionen auf den Bezug entsprechender Unternehmensanteile im Zeitpunkt des Börsengangs (Equity-Kicker) einräumen, um auf diese Weise am erhofften Unternehmenserfolg teilhaben zu können. c. Sanierung Mezzanines Kapital findet schließlich als Sanierungsinstrument Verwendung. Herkömmlich nehmen die Fremdkapitalgeber als Beitrag zur Sanierung eines krisengeschüttelten Unternehmens die Stellung eines Eigenkapitalgebers ein, indem sie Unternehmensanteile, zum Beispiel Aktien, übernehmen. In jüngerer Zeit gehen vor allem die Banken dazu über, die formale Stellung des Fremdkapitalgebers zu behalten und sich im Austausch gegen ihre unbesicherten Forderungen eine Option auf die Unternehmensanteile einräumen zu lassen (sog. Debt/Equity-Swap).70 Der Betrag, den die – sanierungswilligen – Banken für die Einräumung der Optionsrechte an das Schuldnerunternehmen leisten müssen, wird mit Hilfe der am Kapitalmarkt üblichen Optionspreismodelle ermittelt.71 Verläuft die Sanierung erfolgreich, erhalten die Banken vertragsgemäß die Rückzahlung des Nominalbetrags ihrer Forderung sowie eine gewinnabhängige Verzinsung. Sie können darüber hinaus von der zwischenzeitlich erfolgten Wertsteigerung des Unternehmens profitieren, indem sie ihre Optionen auf die Anteile bzw. die erworbenen Anteile verkaufen.72 Nach anglo-amerikanischem Vorbild hat sich mittlerweile auch in Deutschland geradezu ein Markt mit dem Handel notleidender Kredite (sog. distressed debt) entwickelt. Gewerbsmäßig handelnde Investoren (sog. vulture investors) kaufen von Banken oder sonstigen Unternehmensgläubigern Forderungen auf, um sich an der Sanierung des betreffenden Unternehmens zu beteiligen.73 Um dies zu verwirklichen, erfolgt regelmäßig ein Debt/Equity-Swap im oben be69

Vgl. Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 53. Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 524, 538; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 66. – Zur Sanierung der Metallgesellschaft und von Klöckner-Humboldt-Deutz Meilicke, DB 1995, 1061; Marsch-Barner, DB 1995, 1497. 71 Hierzu statt anderer Eschbach BB 1999, 2484, 2486 ff. 72 Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 66. 73 Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417, 419. 70

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

schriebenen Sinne. Als Kompensation für die Vereinbarung des mit der Mezzanine-Finanzierung verbundenen Nachrangs lassen sich die Gläubiger umfangreiche Rechte zur Kontrolle des krisengeschüttelten Unternehmens einräumen, um auf den für sie vorteilhaften Sanierungserfolg hinwirken zu können. Werden die notleidenden Forderungen als Anleihe am Kapitalmarkt gehandelt, erfolgt mit der Unternehmenskrise regelmäßig eine Abstufung durch die Rating-Agenturen.74 Aus einer ehemals renommierten Unternehmensanleihe wird auf diese Weise ein sog. Junk Bond, dessen Verzinsung und Rückzahlung besonders risikoreich sind. Professionelle Investoren, vor allem sog. HedgeFonds, sind darauf spezialisiert, dieses hohe Risiko auf sich zunehmen.75 Sie erwerben große Teile der oft mit erheblichen Kursabschlägen versehenen Anleihen am Kapitalmarkt und wandeln die Forderung, soweit nicht bereits geschehen, in mezzanines Kapital um. Auch hier geht mit dem Debt/Equity-Swap regelmäßig eine verstärkte Ausübung von Kontrolle auf das Schuldnerunternehmen einher, um den Erfolg der Sanierung zu gewährleisten. Im bereits erwähnten Märklin-Fall erfolgte anlässlich der erfolgreichen Übernahme durch Knightsbridge Capital ein Verkauf der Kredite zweier „nervös gewordener Genossenschaftsbanken“ an die Investmentbank Goldman Sachs, welche die Kredite in nachrangiges Fremdkapital mit Eigenkapitalcharakter umwandeln wollte. 76

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants Die vorstehenden Ausführungen haben bereits angedeutet, dass die praktische Ausgestaltung von mezzaninem Kapital nicht allein den bestimmungsgemäßen Nachrang einer Gläubigerforderung und die erfolgsabhängige Vergütung betrifft. Die Kapitalgeber kompensieren die hieraus entstehenden Nachteile und die Teilhabe am unternehmerischen Risiko meist mit der Forderung, das Schuldnerunternehmen fortlaufend intensiv überwachen zu dürfen und Einfluss auf das Schuldnerunternehmen auszuüben. Die auf die formale Stellung des Kapitalgebers als Eigentümer oder Dritter bezogene traditionelle Zweiteilung von Fremd- und Eigenkapital wird daher auch durch die Funktion von Covenants in Finanzierungsverträgen als „atypische Sicherheit“77 aufgeweicht. Im Kern handelt es sich hierbei zum einen um eine vertragliche Vorsorge in Form von Nebenabreden, die dem Kreditgeber ermöglicht, frühzeitig eine drohende Krise des Kreditnehmers zu erkennen und entsprechend vorteilhafte Maßnahmen einleiten zu können (sog. warning). Darüber hinaus unterwerfen 74

Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417, 419. Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417, 419 weisen darauf hin, dass „gewöhnliche“ Investoren solche notleidenden Anleihen regelmäßig aus ihrem Portfolio ausscheiden. 76 F. A. Z. vom 13. 5. 2006, S. 17: Knightsbridge bei Märklin erfolgreich. 77 So Merkel, in Bunte/Schimansky/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 98. 75

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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Covenants den Schuldner oftmals auch einem engen Pflichtenkorsett, wonach solche Maßnahmen unzulässig sind, die die Rückzahlbarkeit des Kredits gefährden könnten (sog. guidance).78 Der Anwendungsbereich und die inhaltliche Ausgestaltung von Covenants sind wie das mezzanine Kapital vor allem Gegenstand der sich wandelnden Finanzierungspraxis.79

1. Begriff und Verbreitung von Covenants Der Begriff Covenants stammt aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. 80 Man kann ihn allgemein als Übereinkunft, Vereinbarung oder Nebenabrede übersetzen. Kennzeichnend ist das Ziel, mittels einer vertraglichen Verpflichtung des Schuldners zu einem bestimmten Verhalten das Interesse des Gläubigers an der Rückzahlung des investierten Kapitals und dem Eintritt der vereinbarten Parameter für die erfolgsabhängige Vergütungskomponente zu sichern. 81 Covenants können grundsätzlich in allen Vertragstypen enthalten sein. Sie sind im internationalen Anleihegeschäft weit verbreitet 82 und im anglo-amerikanischen Rechtskreis fester Bestandteil der Mehrheit aller Kreditverträge im Firmenkundengeschäft der Banken. 83 Aber auch deutsche Kreditinstitute haben sich wegen der Dominanz der anglo-amerikanischen Rechtspraxis im Rahmen internationaler Vertragsgestaltung84 bereits seit langem mit Covenants zu befassen. Wegen der bereits skizzierten Anreize durch Basel II setzen sie diese mittlerweile auch im inländischen Kreditgeschäft umfangreich ein. 85

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Zur Risikosteuerung durch das Prinzip von warning and guidance statt anderer Conner/Tabb, Basic Provision: Covenants, in: Leichtling/Wong (Hrsg.): Commercial Loan Documentation Guide, S. 11/1 ff. 79 Pointiert Thießen, ZBB 1996, 19, 20, wonach der Phantasie der vertragsschließenden Parteien im Prinzip keine Grenzen gesetzt sind. 80 Zur historischen Entwicklung Köndgen, Financial Covenants, S. 127, 128 (m. w. N.); Bratton, EBOR 7 (2006), 39. 81 Kästle, Rechtsfragen, S. 28: Der Kreditgeber sichert sich, indem er den Kreditnehmer „an der kurzen Leine“ führt. 82 Hierzu ausführlich Smith/Clifford-Warner/Jerold, On Financial Contracting – an Analysis of Bond Covenants, in Journal of Economics 1979, Heft 7, S. 117 ff.; Rich, Financial Covenants Revisited – The Bank’s Perspective, Butterworths Journal of International Banking an Financial Law 1991, S. 518 ff.; Gooch/Klein, Loan Documentation, S. 62 ff.; Wood, Law and Practice of International Finance, S. 159 ff.; Lingard, Bank Security Documents, S. 67 ff. 83 Droste zu Vischering, Monitoring, S. 54 unter Hinweis auf verschiedene empirische Studien. 84 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 137. 85 Drukarczyk/Kippes, in Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 26; Merkel, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 98 Rn. 255 ff.

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

a. Bond Covenants im internationalen Anleihegeschäft Unternehmensanleihen sind im Regelfall unbesichert. Die Attraktivität der Emission für den Kapitalmarkt hängt daher entscheidend von der Bonität des Schuldners ab. Die Gläubiger müssen auf seine Fähigkeit zur Bedienung der Zins- und Rückzahlungsansprüche vertrauen können. Maßgeblich sind hierfür nicht allein die Einschätzungen der Analysten und Rating-Agenturen im Emissionszeitpunkt. Besondere Gefahren für das Rückzahlungsinteresse der Gläubiger können vielmehr erst während der Laufzeit der Anleihe aus den nachteiligen Effekten von Übernahmen, Kapitalmaßnahmen, Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen an die Aktionäre resultieren. 86 Zur Verhinderung solcher Gefahren ist es daher üblich, in die dokumentierten Anleihebedingungen (bond indentures) sog. Event-Risk-Covenants aufzunehmen. Hierdurch wird der Anleiheschuldner diszipliniert, indem er bestimmte als gläubigergefährdend eingestufte Maßnahmen während der Laufzeit der Anleihe zu unterlassen hat oder diese nur beschränkt zulässig sind. 87 Im Fall der Zuwiderhandlung ist es zum Beispiel üblich, die Anleihe sofort zum Nennwert fällig zu stellen. 88 Bond Covenants haben im internationalen Anleihegeschäft zudem eine große Bedeutung zur Kompensation einer schlechten Bonität des Anleiheschuldners. Anleihebedingungen, die den Schuldner zur Sicherung des Rückzahlungsinteresses der Anleihegläubiger disziplinieren, können das an sich gegebene höhere Ausfallrisiko kompensieren oder zumindest kalkulierbar machen. Während ein sog. AAA-Schuldner in der Regel keine Covenants akzeptieren muss, kann ein Unternehmen geringerer Bonität durch die Aufnahme entsprechender Covenants seine Kreditwürdigkeit steigern und damit die Attraktivität der emittierten Anleihe auf dem Kapitalmarkt fördern. 89 Durch die Verwendung umfangreicher Bond Covenants finden in jüngerer Zeit insbesondere die sog. High Yield-Anleihen mit hoher Renditeerwartung bei hohem Ausfallrisiko eine starke Verbreitung.90 b. Covenants bei internationalen Konsortialkrediten Ähnliche Bedeutung haben Covenants traditionell bei langfristigen (internationalen) Konsortialkrediten (syndicated loans).91 Die Finanzierung von Unter86

Ebke, ZHR 155 (1995), 132, 151 ff.; Kästle, Rechtsfragen, S. 42; Droste zu Vischering, Monitoring, S. 48, weist zutreffend darauf hin, dass die Anleihegläubiger insbesondere beim Leveraged Buy Out (LBO) gegenüber dem Eigenkapitalgebern benachteiligt sind. 87 Bruder/Hirt, Die Bank 1990, 296, 296 ff.; Droste zu Vischering, Monitoring von Schuldnern, S. 22; Wood, Law and Practice of International Finance, 1980, S. 159 ff. 88 Bruder/Hirt, Die Bank 1990, 296, 299 f. 89 Drukarcyk/Kippes, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 24 unter Hinweis auf die Praxis der Bewertungsfirma Standard & Poors’. 90 Kästle, Rechtsfragen, S. 42 f.; Dittrich/Kusserow, WM 2000, 745, 749. 91 Wittig, WM 1996, 1381, 1381; Kästle, Rechtsfragen, S. 47 ff. – Zum Konsortialkredit um-

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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nehmen, Staaten (sovereign debt) oder einzelnen Großprojekten durch meist international zusammengesetzte Bankenkonsortien führt sowohl zu einer Risikostreuung als auch zu Kostenvorteilen bei der Kreditabwicklung und -überwachung.92 In Anlehnung an angelsächsische Gepflogenheiten werden in solche Kreditverträge traditionell umfangreiche Covenants aufgenommen, die dem Kreditnehmer Vorgaben zur Gewährleistung seiner Schuldendienstfähigkeit machen.93 Für Auslands- und Eurokredite gilt dies gleichermaßen.94 c. Covenants bei Projektfinanzierungen Ein weiteres Anwendungsfeld für Covenants sind cash-fl ow-orientierte Projektfinanzierungen. Hierbei handelt es sich meist um Großprojekte wie den Abbau von Rohstoffen, den Anlagenbau oder den Aufbau von Telekommunikationsnetzen.95 Diese Projekte haben im Regelfall einen sehr großen Kapitalbedarf und sind oftmals besonders risikoreich. Maßgebliches Entscheidungskriterium für die Fremdkapitalgeber ist daher nicht die finanzielle Situation des kreditnehmenden Unternehmens bzw. Konsortiums oder die Verwertbarkeit von Sicherungsgütern. Entscheidend ist vielmehr die finanzielle Trägfähigkeit des konkreten Projekts selbst.96 Die Kreditgeber erwarten die Rückzahlung des Kredits im Wesentlichen aus dem mit dem Projekt erzielbaren Cash Flow; Rückgriffsmöglichkeiten gegen die Projektbetreiber oder Dritte scheiden meist aus oder bestehen nur sehr begrenzt (sog. Non Resource Financing).97 Wegen des hohen Risikos und der geringen Eigenkapitalbasis erfolgt die Finanzierung solcher Projekte oftmals mezzanin, d. h. anstelle eines hohen anfänglichen Zinsund Tilgungsaufwands vereinbaren die Kapitalgeber einen Nachrang und erhalten die Vergütung erst nach erfolgreicher Fertigstellung des Projekts (sog. accrued interest).98 Die Kreditgeber haben daher in besonderem Maße ein Interesse, die unternehmerischen Aktivitäten des Kreditnehmers während der Laufzeit des meist langfristigen Kredits zu überwachen und zu disziplinieren. Über

fassend, De Meo, Bankenkonsortien; Hinsch/Horn, S. 25.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 133 ff., jeweils m. w. N. 92 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 135. 93 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 137; Schücking, WM 1996, 281, 284; Kästle, Rechtsfragen, S. 48. 94 Vgl. Welter, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 118 Rn 69. 95 Westermann, FS Brandner, S. 579, 584; Kästle, Rechtsfragen, S. 44 f.; zur Finanzierung des Mobilfunknetzes „e-plus“ Reuter, DB 1999, 31, 31; zur Finanzierung des Eurotunnels Gröhl, Bankpolitische Konsequenzen, S. 150 f. 96 Zum Ganzen Reuter, DB 1999, 31, 31 ff.; Stockmayer, Projektfinanzierung, S. 95. 97 Fahrholz, Unternehmensfinanzierung, S. 258; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 58. 98 Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 58 (Einsatz von Zero Bonds und Deep Discount Debts); Bock, DStR 2005, 1065, 1068.

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die Vereinbarung von Covenants in den Kreditverträgen wird insofern umfangreiche Vorsorge getroffen. d. Covenants bei Akquisitionsfinanzierungen Verwendung finden Covenants auch im Bereich der Finanzierung von Unternehmenserwerben.99 Hat der Erwerber wie im Regelfall nicht genügend Mittel, um den Kaufpreis zu entrichten, ist er auf Fremdfinanzierung angewiesen. Die notwendigen Kreditsicherheiten können dabei vor allem durch Vermögenswerte des zu erwerbenden Unternehmens erbracht werden.100 Die Durchführung eines solchen Leveraged Buy-Out (LBO) bereitet jedoch in der Praxis besondere Schwierigkeiten.101 Zum einen stellt sich ein Zeitpunktproblem. Wenn der Kaufpreis entrichtet werden muss, bevor das Eigentum an der Zielgesellschaft endgültig übergegangen ist, hat der Erwerber noch nicht die Rechtsmacht, die Anteile der Zielgesellschaft oder deren Vermögenswerte als Sicherheit zu übertragen. Eine stichtagsbezogene Deckung der Darlehensvaluta durch dingliche Sicherheiten scheidet vielfach aus. Die nur unvollständige dingliche Besicherung begründet ein besonderes Sicherheitsinteresse der kreditgebenden Banken, welches mit dem bei einer Projektfinanzierung vergleichbar ist. In beiden Fällen besteht das Bedürfnis, als Surrogat für fehlende dingliche Sicherheiten die Darlehensrückzahlung anderweitig zu gewährleisten. Im Kreditvertrag mit dem Erwerber werden daher regelmäßig umfangreiche Verhaltenspflichten in Form von Covenants vereinbart, die den Erwerber bzw. die Zielgesellschaft verpflichten, die unternehmerischen Entscheidungen im Einklang mit der der Finanzierung zu Grunde liegenden Risikoanalyse zu treffen. Weitere Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung eines mit Anteilen der Zielgesellschaft finanzierten Unternehmensakquisition ergeben sich aus den zwingenden Anforderungen des Gesellschaftsrechts. Ist die Zielgesellschaft eine AG oder GmbH, kann die Bestellung von Sicherheiten zu Gunsten eines Gesellschafters gegen die Kapitalbindung gemäß § 57 AktG bzw. § 30 GmbHG verstoßen.102 Die vollständige dingliche Besicherung des erforderlichen Darlehens scheidet daher vielfach aus. Auch deswegen besteht beim Leveraged Buy-Out typischerweise ein besonderes Interesse der kreditgebenden

99 Asquith/Wizmann, Event Risk, Covenants and Bondholder Returns in Leveraged Buyouts, Journal of Financial Economics 1990, S. 195, 199 ff.; aus deutscher Perspektive Hoffmann, ZBB 2007, 413, 414. 100 Vgl. nur Weber, ZHR 155 (1991), 120, 121 ff. 101 Becker, DStR 1998, 1429, 1429 ff.; Kühbacher; Darlehen an Konzernunternehmen, S. 121 ff.; unter dem Aspekt des § 71a AktG insbesondere Nuyken, ZIP 2004, 1893, 1893 ff. und Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 660. 102 Statt anderer Koppensteiner, ZHR 155 (1991), 97, 104 ff.; Becker, DStR 1998, 1429, 1431 ff.; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 660.

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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Banken, den überschießenden Teil der Finanzierung durch Covenants abzusichern.103 e. Covenants im allgemeinen Kreditgeschäft Im allgemeinen Kreditgeschäft der Banken waren Covenants in Deutschland – außerhalb von Sanierungskrediten104 – traditionell wenig verbreitet. Die Ursachen sind vielseitig und resultieren im wesentlichen aus einer gegenüber dem angelsächsischen Raum unterschiedlichen Rechtstradition. Zum einen werden in Großbritannien und den USA auch bilaterale Finanzierungen häufig als (verbriefte) Anleihen ausgestaltet. Dies gilt selbst dann, wenn sie als private debt nicht am öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden.105 Konsequenterweise haben die aus dem Bond-Bereich bekannten und bewährten Covenants auch Eingang in Kreditbeziehungen gefunden. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1990 ergab, dass bei börsennotierten Kreditnehmern nur 15,5% der Verträge keine Covenants enthielten.106 Der Einsatz von Covenants ist in den USA auch nicht auf das Kreditgeschäft mit Großkunden beschränkt. So beträgt die durchschnittliche Anzahl von Covenants bei kleinen Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 15 Mio. USD 18,2 pro Kreditvertrag. Kreditnehmer mit einem größeren Umsatz vereinbarten lediglich 10,8 Covenants pro Kreditvertrag.107 Wegen der Nähe zum Anleihegeschäft hat der Einsatz von Covenants im Kreditgeschäft in den angelsächsischen Staaten somit eine lange Tradition. In Kontinentaleuropa ist demgegenüber der bilaterale unverbriefte Kreditvertrag die historisch vorherrschende Form der Unternehmensfinanzierung. Zumindest für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bestehen daher keine Parallelen zum Anleihemarkt, die die Verbreitung von Covenants begünstigen könnten. Darüber hinaus bedingen Unterschiede in der Rechtskultur der Vertragsgestaltung eine bisher zurückhaltende Verwendung von Covenants in Deutschland.108 In anglo-amerikanischen Verträgen hat die ausdrückliche Regelung der gegenseitigen Vertragspflichten traditionell eine große Bedeutung. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der begrenzten Möglichkeit der (ergänzenden) Vertragsauslegung. Anstelle generalklauselartiger Formulierungen wird im Rechts103

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 678. Zum typischen Inhalt eines Covenant-unterlegten Sanierungsvertrages bereits Hopt, ZHR 143 (1979), 139, 169. 105 Droste zu Vischering, Monitoring von Schuldnern, S. 23. 106 Duke/Hunt, An Empirical Examination of Debt Covenant Restrictions an Accounting-Related Debt Proxies, Journal of Accounting an Economics, Vol. 12, 1990, S. 45, 45 ff. 107 Vgl. die Studie von Apilado/Millington, Restrictive Loan Covenants an Risk Adjustment in Small Business Lending, Journal of Small Business Management, Vol. 30, No. 1, 1992, S. 38, 38 ff. sowie Bratton, EBOR 7 (2006), 39, 64 ff. 108 Vgl. auch Kästle, Rechtsfragen, S. 50. 104

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kreis des Common Law vielfach versucht, die vertragliche Risikoverteilung detailreich und abschließend niederzulegen.109 Den Covenants kommt so weniger die Bedeutung als bloße Nebenabrede zu. Vielmehr wird hierüber umfassend festgelegt, welche Rechte und Pflichten die Parteien des Kreditvertrages haben. Das Kreditgeschäft in Deutschland ist demgegenüber eher standardisiert. Den Verträgen liegen neben der gesetzlichen Regelung gemäß § 488 BGB meist die AGB der Banken zu Grunde, so dass eine Vielzahl der Vertragpflichten bereits mehr oder weniger unbestimmt vorgegeben ist.110 Hierauf stellen sich auch die Kunden ein. Die Verwendung von Covenants, die über diesen Regelungsrahmen zu Gunsten einer spezifischen Risikovorsorge hinausgehen, sind damit zwar nicht ausgeschlossen, zumindest aber eine in der Praxis besonders begründungsbedürftige Ausnahme. Schließlich kann die bisher zurückhaltende Verwendung von Covenants im deutschen Kreditgeschäft mit dem vom anglo-amerikanischen Rechtskreis abweichenden Gläubigerschutzkonzept bei Kapitalgesellschaften begründet werden.111 Während im US-amerikanischen Rechtskreis über Covenants vor allem Vermögensverschiebungen kontrolliert und ggf. sanktioniert werden,112 entspricht es in Deutschland zumindest bei Krediten an GmbH und AG der historisch gewachsenen gesetzlichen Konzeption, den Gläubigerschutz durch eine strenge Stamm- bzw. Grundkapitalbindung zu gewährleisten. Wenngleich dieses Schutzkonzept individuelle Vorsorge der Gläubiger nicht überflüssig macht, bieten die Regeln der Kapitalaufbringung und -erhaltung dennoch Anreize, sich ungesichert auf ein Geschäft einzulassen.113 In den USA und Großbritannien fehlt ein entsprechender Schutz weitgehend, so dass die Gläubiger strukturell in besonderem Maße darauf angewiesen sind, selbst Vorsorge zu treffen.114 Konkrete vertragliche Regelungen im Kreditvertrag zur Sicherung des Rückzahlungsinteresses der Bank haben daher dort auch aus diesem Grund eine größere Bedeutung als in Deutschland. Aus den vorgenannten Unterschieden zwischen der deutschen und angloamerikanischen Rechtstradition darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, Covenants seien als Mittel der Schuldnerdisziplinierung in Deutschland weitgehend unbekannt bzw. wenig verbreitet gewesen.115 So ergibt eine genaue Ana109

Einzelheiten bei Bratton, EBOR 7 (2006), 39, 49 ff. Kühbacher, Darlehen an Konzernunternehmen, S. 19. 111 Kästle, Rechtsfragen, S. 50 f.; Merkt, ZGR 2004, 305, 313; Schön, ZGR 2000, 706, 727 („schuldrechtliche Simulation des gesetzlichen Kapitalschutzes“). 112 Einzelheiten bei Bratton, EBOR 7 (2006), 39, 64 ff. 113 Vgl. hierzu Servatius, DStR 2004 1176, 1180; kritisch Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 153. Ob es hierbei um einen „effizienten“ Gläubigerschutz handelt, ist freilich eine andere Frage (zu diesem Thema ausführlich die Beiträge anlässlich der Münchener Konferenz zum Thema Efficient Creditor Protection in European Company Law, EBOR 7 [2006], Heft 1). 114 Vgl. nur Bauer, Gläubigerschutz, S. 312 f.; Alberth, WPg 1997, 744, 744 ff. 115 Drukarcyk/Kippes, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 26. 110

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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lyse der Rechtsprechung des BGH, dass bereits Ende der Fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts Klauseln in Kredit- und Sicherheitenverträgen der Banken zu finden sind, wonach sich der Schuldner verpflichtet, den Gesamtbetrag der im Voraus abgetretenen Kundenforderungen „immer auf 200% des in Anspruch genommenen Kredits zu halten“ oder den Wert des zur Sicherung übereigneten Warenlagers „immer zwischen 25.000 bis 35.000 DM zu halten“.116 Die Einflüsse der Kreditvergabe auf unternehmerische Entscheidungen werden an diesem Beispiel deutlich, obwohl der Begriff Covenant zu dieser Zeit in Deutschland gewiss noch nicht verbreitet war. Darüber hinaus galt das an die nominelle Kapitalbindung geknüpfte Gläubigerschutzkonzept nicht für alle Kreditnehmer, sondern allein für die GmbH und AG. Bei Krediten an Einzelunternehmer oder Personengesellschaften bestand auch in Deutschland seit jeher ein besonderes Bedürfnis nach einer vertraglich begründeten Disziplinierung des Kreditnehmers zur Sicherung des Rückzahlungsinteresses. Im Zuge der rechtspolitischen Überlegungen, den über eine gesetzliche Kapitalbindung verwirklichten Gläubigerschutz abzubauen,117 wird sich dies künftig auch auf die Finanzierung von GmbH und AG beziehen. Schließlich führt die verstärkte Bonitätsprüfung des Kreditnehmers als Folge der Eigenkapitalregeln nach Basel II dazu, dass Covenants in erheblichem Umfang Einzug in die deutsche Kreditpraxis finden.118 Wie bereits erwähnt, gilt dies auch für das Kreditgeschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen.119 Es ist daher davon auszugehen, dass die Bedeutung von Covenants in Zukunft stark wachsen wird,120 zumal – wie noch aufgezeigt wird121 – auch ökonomische Gründe für ihre Verwendung sprechen.

2. Arten von Covenants Der Inhalt von Covenants unterliegt im Grundsatz allein der Parteivereinbarung. Dennoch haben sich in der Kredit- und Anleihepraxis mittlerweile eine Vielzahl typischer Gestaltungen herausgebildet. Es ist daher davon auszugehen, 116

BGH, WM 1963, 1093, 1093. Ausführlich zu diesem Aspekt die Beiträge anlässlich der Münchener Konferenz zum Thema Efficient Creditor Protection in European Company Law, EBOR 7 (2006), Heft 1 und die Beiträge in Lutter (Hrsg.), das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006; Überblick über die europäische Entwicklung der letzten Jahre bei Fuchs/Stibi, BB 2007, 93. 118 Drukarcyk/Kippes, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 26; Berger, ZBB 2008, 91, 98. 119 Oben I. 120 So auch die Einschätzung von Maesch/Voß, FB 2007, 1, 2; abweichend aber Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656, unter Hinweis auf die Untersuchungen der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank (oben Fn. 46). Vgl. auch Hoffmann, ZBB 2007, 413, 414, der darauf hinweist, dass die sich in jüngerer Zeit abzeichnende restriktive Tendenz beim Einsatz von Covenants („Covenant-lite-Finanzierung“) allein durch das zeitweilige Überangebot an Finanzierungen im Jahr 2007 begründet war. 121 Unten § 2. 117

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

dass sich die in Deutschland zunehmende Vereinbarung von Covenants im allgemeinen Kreditgeschäft – vorbehaltlich der hier herauszuarbeitenden rechtlichen Grenzen – sehr an der nachfolgenden Typisierung122 orientiert. a. Affirmative Covenants Covenants können zum einen beinhalten, dass der Kreditnehmer sich zur Einhaltung bestimmter Ziele verpflichtet. Typische Inhalte solcher affirmativen Covenants sind123 : – Pflicht, den Unternehmensbetrieb aufrecht zu erhalten – Pflicht, die gegenwärtigen Gesellschafterverhältnisse beizubehalten (sog. Ownership-Klausel) – Pflicht, das Anlage- und Umlaufvermögen zu unterhalten – Pflicht zum Abschluss der für die Unternehmenstätigkeit notwendigen Versicherungen – Pflicht, die einschlägigen Gesetze einzuhalten (insbesondere im Umweltrecht) – Pflicht zur Beibehaltung aller für die Unternehmenstätigkeit notwendigen Lizenzen und Patente – Pflicht zur Erfüllung aller eingegangenen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten sowie Steuern (sog. Cross default-Klausel) – Pflicht zur Unterhaltung einer der Geschäftstätigkeit angemessenen Buchhaltung – Sicherstellung eines erfahrenen Managements – Informationspflichten des Kreditnehmers Insbesondere die Vereinbarung von Informationspflichten zu Gunsten des Kreditgebers ist in Deutschland zunehmend anzutreffen.124 Diese gehen oftmals über das hinaus, was bereits Gegenstand gesetzlicher Informations- und Publizitätspflichten ist. Inhalt solcher Pflichten zu Gunsten der kreditgebenden Bank ist zum Beispiel auch die Offenlegung von Business-Plänen und interner Prognosen.125 Aus der Kreditpraxis ist ferner bekannt, dass Covenants den Kreditnehmer zur Bereitstellung folgenden Informationsmaterials verpflichten126 : 122 Umfangreiche Musterverträge aus der anglo-amerikanischen Kreditpraxis finden sich bei American Bar Foundation, Commentaries on Model Debenture Indenture Provisions, 1986; vgl. aus deutscher Sicht den Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergabe bei Wand, WM 2005, 1932, 1944 und WM 2005, 1969, 1975; zu den verschiedenen Artein einer Typisierung sowie zur Kasuistik auch Kästle, Rechtsfragen, S. 51 ff. (m. w. N.), mit Beispielen aus der Praxis auf S. 239 ff. 123 Vgl. nur Kästle, Rechtsfragen, S. 53; Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 20 ff. 124 Vgl. Köster, Die Bank 1997, 602, 604. 125 Kästle, Rechtsfragen, S. 54. 126 Vgl. Kästle, Rechtsfragen, S. 54 unter Verweis auf Rich, Financial Covenants Revisted

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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– Vierteljahresstatus (Bilanz, GuV, Cash Flow-Rechnung, Vergleich mit dem Business-Plan) – Monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen – Berichte über die Einhaltung der festgelegten Finanzkennzahlen spätestens 45 Tage nach Quartalsende – Business-Plan für das jeweils nächste Geschäftsjahr – Übersichten über das inländische Grundvermögen unter Angabe der Verkehrswerte sowie der nominellen und effektiven Belastungen Darüber hinaus ist es im anglo-amerikanischen Kreditgeschäft verbreitet, den Kreditnehmer durch eine sog. Material Adverse Change-Klausel zu verpflichten, den Kreditgeber über besonders wichtige Ereignisse, die die Vermögensund/oder Ertragslage verschlechtern oder eine Vermögensgefährdung darstellen, sofort zu informieren.127 Genannt werden in diesem Zusammenhang oftmals aktuelle Streitigkeiten mit den Kartellbehörden, anhängige Haftungsklagen oder andere „wesentliche Rechtsstreitigkeiten“.128 In dieselbe Richtung zielen die sog. Change-of-Control-Klauseln, die den Kreditnehmer verpflichten, eine Veränderung der Eigentümerstruktur anzuzeigen und dem Kreditgeber ggf. ein Kündigungsrecht zusprechen.129 Diese affirmativen Covenants finden auch in Deutschland seit langem bei Sanierungskrediten Verwendung. Gegenstand solcher Sanierungsverträge sind zum Beispiel Auflagen, wonach sich das Unternehmen verpflichtet, die Betriebsorganisation zu ändern (Einstellung oder Veräußerung einzelner Betriebe oder Tochtergesellschaften), einen Wechsel im Management vorzunehmen, neue Gesellschafter aufzunehmen oder bisherige zum Ausscheiden zu bewegen bzw. dies zu erzwingen, und die Zustimmung zu Neuinvestitionen oder bei der geplanten Veräußerung von Betriebsteilen einzuholen.130 Bereits dieser kurze Überblick über die gängigen affirmativen Covenants verdeutlicht eine Besonderheit der unternehmerischen Einflussnahme. Auf der Grundlage des Finanzierungsverhältnisses zwischen Kapitalgeber und Unternehmen werden die Einflussnahme gegenüber der Leitung des Unternehmens in einem alles umfassenden Sinn ausgeübt und die durchaus unterschiedlichen Kompetenzzuweisungen auf Seiten des Kreditnehmers überwunden. Verpflichtet zur Einhaltung der Covenants ist der Kreditnehmer und zwar unabhängig davon, auf welche Weise die dort maßgebliche Organisationsstruktur Vorgaben über die Pflichterfüllung enthält. Vereinfacht gesagt, richten sich die im Finanzierungsvertrag vereinbarten Pflichten damit in allen Fällen an einen Einzelun– The Bank’s Perspective, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 1992, 518, 519 sowie Simmons, The Business Lawyer 1972, 179, 190. 127 Kästle, Rechtsfragen. S. 54; Droste zu Vischering, Monitoring, S. 49 f. 128 Droste zu Vischering, Monitoring, S. 50. 129 Siehe Wand, WM 2005, 1932, 1946. 130 Vgl. bereits Hopt, ZHR 143 (1979), 139, 169.

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

ternehmer mit alleiniger Herrschaftsmacht über das von ihm betriebene Unternehmen. Wem es im Einzelnen obliegt, die entsprechenden Pflichten zu erfüllen, ist unerheblich. Dies gilt auch, wenn es sich beim Kreditnehmer um eine Körperschaft mit einem ausdifferenzierten System verschiedener Kompetenzzuweisungen handelt. Die soeben erwähnte Pflicht, den Unternehmensbetrieb aufrecht zu erhalten, erstreckt sich zum Beispiel bei den fremdorganschaftlich organisierten Kapitalgesellschaften nicht nur darauf, dass Vorstand oder Geschäftsführer alles daran setzten, im Rahmen ihrer Kompetenz die hierzu erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Sie bezieht sich ohne weiteres auch darauf, dass die Aktionäre oder Gesellschafter ihre Gestaltungsmacht bei Grundlangenentscheidungen in einer Weise ausüben, dass der entsprechende Covenant nicht verletzt wird. Zuständig, die im Finanzierungsvertrag enthaltenen Covenants einzuhalten, um einen frühzeitigen Kapitalabzug oder eine Verschlechterung der Konditionen zu verhindern, sind letztlich alle Entscheidungsträger im Unternehmen. Dies gilt bei den nachfolgend vorzustellenden negativen Covenants gleichermaßen. b. Negative Covenants Neben den affirmativen Covenants gibt es in der Kreditpraxis auch Klauseln, die den Kreditnehmer dazu verpflichten, bestimmte Handlungen generell oder ohne Zustimmung der Bank zu unterlassen. Gegenstand von negativen Covenants sind vor allem folgende Maßnahmen131 : – Investitionen ab einer bestimmten Größenordnung oder vergleichbare Geschäfte wie Leasing – Weitere Inanspruchnahme oder Aufnahme von Kreditverbindlichkeiten132 – Kreditvergabe oder Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder ähnlicher Verpflichtungen zu Gunsten Dritter, insbesondere Konzernunternehmen133 – Überlassung von Vermögensgegenständen als Sicherheiten für andere Gläubiger außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs (Negativklausel, Paripassu- oder Negative pledge-Klausel) 134 – Veräußerung gegenwärtiger oder zukünftiger Vermögensgegenstände, mit Ausnahme des Verkaufs im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs (limitation on asset sales) 135 – Abschluss, Änderung und Beendigung wichtiger Verträge – Veräußerung bestehender oder künftiger Beteiligungen 131

Weitere Einzelheiten bei Kästle, Rechtsfragen, S. 57 ff. Dazu Kühbacher, Darlehen an Konzernunternehmen, S. 200. 133 Dazu Alberth, WPg 1997, 744, 746. 134 Vgl. Wand, WM 2005, 1932, 1946; hierzu aus der deutschen Perspektive bereits Merkel, Die Negativklausel, 1985. 135 Dazu Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 750. 132

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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– Unternehmensakquisitionen und -gründungen – Sonstige Geschäftsvorfälle, die die Vermögens-, Liquiditäts- oder Ertragslage wesentlich negativ berühren oder berühren können – Gesellschafterwechsel beim Kreditnehmer (owner maintenanceship) – Dividendenzahlungen oder sonstige Zahlungen an Gesellschafter der Eigentümer (dividend restriction) – Einstellung neuer Mitarbeiter mit einer Vergütung oberhalb eines vereinbarten Schwellenwertes – Kündigung oder wesentliche Veränderung der Verträge mit wichtigen Mitarbeitern c. Financial Covenants Eine dritte Gruppe von typischen Nebenabreden im Kreditgeschäft sind die sog. Financial Covenants.136 Charakteristisch ist hierbei, dass der Kreditnehmer verpflichtet wird, bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen, wie Eigenkapitalausstattung, Verschuldung, Ertrag oder Liquidität einzuhalten. Financial Covenants werden daher auch als Kapitalstrukturauflagen bezeichnet.137 Die vereinbarten Bezugsgröße können sowohl absolute Zahlen sein wie auch bestimmte Verhältnisangaben (sog. financial ratios). Während in anglo-amerikanischen Kreditverträgen Financial Covenants die Regel sind138 , wurde ihnen in Deutschland bisher mit Zurückhaltung begegnet, da die Kreditnehmer um ihre Unabhängigkeit fürchten.139 In jüngerer Zeit zeigt sich jedoch, dass solche Nebenabreden auch hier Gegenstand der deutschen Kreditpraxis geworden sind.140 So wird unter dem Aspekt der Praktikabilität solcher Regelungen intensiv diskutiert, welchen Umfang Financial Covenants mindestens haben müssen, um einerseits das Kreditrisiko wirksam zu beschränken, andererseits jedoch nicht zu kompliziert und damit unverständlich zu sein.141

136

Kästle, Rechtsfragen, S. 62 ff.; Droste zu Vischering, Monitoring, S. 38 ff.; Hoffmann, ZBB 2007, 413, 414. 137 Merkel, Negativklausel, S. 194. 138 Vgl. Wood, Law and Practice of International Finance, 1980, S. 159 ff. 139 So die Einschätzung von Stahlschmidt, Schutzbestimmungen, S. 61, aus dem Jahr 1982. 140 Vgl. Hoffmann, ZBB 2007, 413, 414; zur Bilanzrelationenklausel in Gestalt der sog. „Bayer-Formel“ Kästle, Rechtsfragen, S. 62 f. 141 Peltzer, GmbHR 1995, 15, 23; Kühbacher, Darlehen an Konzernunternehmen, S. 191 ff.

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

3. Der Breach of Covenants Bedeutung entfalten Covenants bestimmungsgemäß als Mittel zur Risikosteuerung. Ein wesentlicher Bestandteil der Sicherung des Rückzahlungsinteresses durch Covenants ist die effektive Überwachung, ob die vom Kreditnehmer übernommenen Vertragspflichten auch tatsächlich eingehalten werden. In der (anglo-amerikanischen) Kreditpraxis hat sich diesbezüglich ein abgestuftes Überwachungssystem etabliert, welches definiert, wann eine Verletzung der Covenant-Regelung vorliegt.142 a. Maintenance Test Zum einen existiert der sog. maintenance test. In seiner strengsten Form (strong form) erfordert die vertragliche Regelung die ständige Einhaltung der Verpflichtung zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Dies ist vor allem bei den Financial Covenants der Fall. Überschreitet der Kreditnehmer die vertraglich vereinbarte betriebswirtschaftliche Kennzahl an nur einem einzigen Tag, ist der Covenant verletzt. In seiner weak form verlangt der maintenance test die Einhaltung der Covenants hingegen nur an bestimmten Stichtagen, an denen der Schuldner zu einem covenant reporting verpflichtet ist. Letzteres ermöglicht dem Schuldner in flexiblerer Weise, sein unternehmerisches Verhalten mit den Vorgaben der Covenants abzustimmen. Weiterhin ist es üblich, in den Covenants sog. Cure Rights oder Grace Periods zu vereinbaren, die dem Kreditnehmer gestatten, innerhalb einer bestimmten Frist (in der Regel zwischen 30 und 90 Tagen) den Verstoß zu heilen.143 Hiervon abzugrenzen ist der Fall, dass die kreditgebende Bank den Verstoß ignoriert, weil die Geltendmachung des Covenants ihre Risikoposition verschlechtert. Sie erteilt dann einen sog. waiver, der den Covenants meist für eine gewisse Zeit außer Kraft setzt.144 b. Incurrence Test Bei den anderen Arten von Covenants, die dem Kreditnehmer ein bestimmtes Tun oder Unterlassen abverlangen, wird vornehmlich der incurrence test angewendet. Hiernach wird der Schuldner verpflichtet, der Bank die Einhaltung der Covenants im Rahmen eines Compliance Certificate zu bestätigen und dies rechnerisch zu belegen, ggf. unter Hinzuziehung eines Wirtschaftsprüfers. Gleiches gilt umgekehrt, wenn die aus dem Covenant resultierenden Vertragspflichten nicht eingehalten wurden. In diesem Fall hat der Kreditnehmer den

142 143 144

Vgl. Droste zu Vischering, Monitoring, S. 50 ff. Droste zu Vischering, Monitoring, S. 52 f. Droste zu Vischering, Monitoring, S. 53.

III. Warning and Guidance – Risikosteuerung durch Covenants

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Gläubiger unverzüglich zu informieren (sog. notice of default).145 Die Überwachung, ob die Covenants eingehalten werden, wird so in erheblichem Umfang auf den Kreditnehmer delegiert, indem ihm entsprechende Pflichten auferlegt werden, eigene Vertragsverletzungen zu melden.

4. Rechtsfolgen beim Breach of Covenants Der Überblick über die verwendeten Nebenabreden im Kredit- und Anleihegeschäft soll abgerundet werden mit einem Blick auf die typischen Rechtsfolgen, die eintreten, wenn der Kreditnehmer gegen eine vertragliche Verpflichtung verstößt. Hierbei hat sich in der (anglo-amerikanischen) Kreditpraxis ebenfalls ein mehr oder weniger festes System von vereinbarten Rechtsfolgen etabliert, die an bestimmte Tatbestände anknüpfen (sog. Event of default-Klauseln).146 a. Kreditkündigung Die wohl wichtigste Rechtsfolge eines Breach of Covenants ist die Kreditkündigung. Im Kreditvertrag wird oftmals das Recht der Bank vereinbart, die Darlehensvaluta sofort fällig zu stellen bzw. eine Beschleunigung der Tilgung zu verlangen.147 Wegen der einschneidenden Maßnahmen wird dieses Recht oftmals auf die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten begrenzt.148 Bedeutung haben diese Kündigungsrechte jedoch nicht allein dann, wenn der Kreditnehmer frühzeitig sein Geld zurückerlangen will. In der Praxis wird das Kündigungsrecht oftmals nur „formal“ ausgeübt oder lediglich angedroht, um den Schuldner so zu Neuverhandlungen eines Kreditvertrags zu geänderten Konditionen zu bewegen149 oder auf die unternehmerischen Entscheidungen Einfluss nehmen zu können.150 b. Erhöhung des Zinssatzes, Nachbesicherung Neben der Kreditkündigung ist es auch üblich, den Breach of Covenants mit einer Erhöhung des Zinssatzes oder die Pflicht des Unternehmens zur Gewäh145

Kästle, Rechtsfragen, S. 80; Daeniker, Anlegerschutz, S. 203. Vgl. nur Alberth, WPg 1997, 744, 748. 147 Droste zu Vischering, Monitoring, S. 53. 148 Kästle, Rechtsfragen, S. 75 f. 149 Böhlhoff, FS Flick, S. 151, 157; Kästle, Rechtsfragen, S. 76 f.; Droste zu Vischering, Monitoring, S. 53 unter Bezugnahme auf die empirischen Untersuchungen von Day/Taylor, Banker’s perspectives on the Role of Covenants in Debt Contracts, Journal of International Banking Law, Vol. 11, No. 5, 1996, S. 201 ff.; Hayes, Bank lending Policies, Issues and Practices, S. 126; Smith/Warner, On Financial Contracting – An Analysis of Bond Covenants, in: Journal of Financial Economics 1979, 117, 151. 150 Vgl. Hoffmann, ZBB 2007, 413, 414. 146

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§ 1 Zunehmend enge Verbindung

rung zusätzlicher Sicherheiten durch eine sog. Default Rate zu sanktionieren.151 c. Erfolgsabhängige Finanzierungsbeiträge – Milestone Payments Die bisherigen Gestaltungen bezogen sich allein darauf, dass mezzanines Kapital hingegeben wurde und der Kapitalgeber über die Vereinbarung von Covenants sein Kreditrisiko kompensieren will. Eine weitere Möglichkeit der vertraglichen Risikosteuerung ist schließlich die planmäßige Staffelung der einzelnen Finanzierungsleistungen. Vor allem Venture Capital- und Private Equity-Fonds knüpfen ihre Kapitalzusage häufig an die Erreichung sog. Milestones durch zu finanzierende Beteiligungsunternehmen.152 Gegenstand solcher Vereinbarungen ist zum Beispiel die – stille – Beteiligung an einem sog. Portfolionternehmen in Höhe eines fest vereinbarten Rahmenbetrages, dessen Auszahlung jedoch in bestimmten Tranchen über einen längeren Zeitraum erfolgen soll.153 Neben der Vereinbarung fester Fälligkeitstermine wird die Auszahlung meist zusätzlich an bestimmte Bedingungen geknüpft, sei es das Erreichen bestimmter bilanzieller Kennzahlen oder die Durchführung einer bestimmten unternehmerischen Maßnahme.

IV. Zusammenfassung Die Betriebswirtschaftslehre als empirische, entscheidungsorientierte Wissenschaft unterscheidet bei der Unternehmensfinanzierung Eigen- und Fremdfinanzierung. Die maßgeblichen Kriterien sind traditionell zumindest im Ausgangspunkt die formale Stellung des Kapitalgebers im Hinblick auf das Eigentum am Unternehmen, seine hieraus abgeleitete Herrschaftsmacht über die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens und die Unternehmensleitung sowie die auf den Kapitalbeitrag bezogene Teilhabe am unternehmerischen Gewinn und Verlust. In der jüngeren Finanzierungspraxis zeichnet sich demgegenüber eine zunehmende Aufweichung dieser Differenzierung ab. Nichteigentümer beteiligen sich an der Unternehmensfinanzierung nicht mehr durch die bloße Kapitalüberlassung gegen Zins und Sicherheit im Vertrauen auf ein ihren Risikovorstellungen entsprechendes Verhalten des Kreditnehmers. Der Finanzierungsvertrag beinhaltet vielmehr detaillierte Vorgaben darüber, auf welche Weise sich das Unternehmen im Hinblick auf seine rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen und seine unternehmerische Tätigkeit entwickeln muss, um weiterhin in den Genuss der Finanzierung zu den 151 152 153

Droste zu Vischering, Monitoring, S. 53. Weisser, GmbHR 2004, 1370, 1370. Vgl. nur den Fall von OLG Brandenburg, GmbHR 2004, 1390.

IV. Zusammenfassung

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vertraglich vereinbarten Konditionen zu gelangen. Werden die im Finanzierungsvertrag enthaltenen Covenants nicht eingehalten, droht ein vorzeitiger Mittelabzug, die Nichtgewährung weiterer Kapitalbeiträge oder eine Verteuerung der Finanzierung. Die Risikosteuerung durch Covenants begründet so eine über den Finanzierungsvertrag vermittelte Einflussnahme der Fremdkapitalgeber auf die Steuerung des Unternehmens. Diejenigen, denen formal die Herrschaft über die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Unternehmens zusteht, und diejenigen, die die – ggf. von den Eigentümern abgeleitete – Kompetenz zur Unternehmensleitung haben, richten ihre Handlungen danach aus, die Kreditauflagen zu erfüllen. Darüber hinaus kann die Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Steuerung eines Unternehmens auch dadurch erfolgen, dass die unternehmerischen Entscheidungen von deren Zustimmung abhängig gemacht werden bzw. umgekehrt der Fremdkapitalgeber den Abstoß zur Einleitung von Maßnahmen gibt. Der Anlass für diese Arten der Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Gläubiger ist vielfach der im Finanzierungsvertrag vereinbarte haftungsmäßige Nachrang der Kapitalbeteiligung (sog. mezzanine Finanzierung). Zwingend ist dieser Zusammenhang von erhöhter Verlusttragung bzw. Erfolgsbeteiligung und Einflussnahme auf die Unternehmensführung indessen nicht. Das Ziel, mittels Covenants im Finanzierungsvertrag das Interesse des Nichteigentümers an der Kapitalrückzahlung und Verzinsung zu sichern, besteht im Zuge von Basel II und dem zunehmenden Handel mit Finanzierungen auch beim Fremdkapitalgeber, der seinen Finanzierungsbeitrag nicht durch entsprechende Nachrangvereinbarung der Eigenfinanzierung annähert. Nachfolgend soll daher aufgezeigt werden, dass die über Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge ermöglichte Mitsteuerung eines Unternehmens Vorteile aufweist, die über den Bereich der sog. Mezzanin-Finanzierung hinausgehen.

§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht Dass die von der jüngeren Finanzierungspraxis verwendete Begrifflichkeit sich – anglo-amerikanischen Gepflogenheiten entsprechend – zusehends von der gesetzlichen Terminologie entfernt, darf kein Grund sein, diese Entwicklung in Deutschland nicht Ernst zu nehmen. So gibt es Studien, wonach Volkswirtschaften, die ein breites Spektrum an Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, im Durchschnitt ein höheres Wachstum erreichten. Dies gilt auch für den Mittelstand. Nach einer Studie von Ernst & Young und der Universität Paderborn aus dem Jahr 2006 nutzen mittlerweile rund zwei Drittel der Unternehmen zusätzlich zur klassischen Innenfinanzierung oder zum Bankkredit neue Produkte wie Forderungsverbriefungen, Beteiligungskapital oder Mezzanine.1 Die Scheu vieler Mittelständler vor der mit dieser Entwicklung einhergehenden höheren Transparenz ist hiernach ein Wachstumshemmnis. So ergab die Studie ferner, dass der Umsatz der herkömmlich finanzierten Unternehmen in den vergangenen drei Jahren im Durchschnitt um 2,9% geschrumpft sei, wohingegen Unternehmen, die neuartige Instrumente nutzen, ein Umsatzplus von 8,6% erreicht hätten. Vor dem Hintergrund dieser positiven Effekte gilt es nachfolgend, die Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge genauer zu untersuchen.

I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber Im Unterschied zum gewöhnlichen Austauschvertrag iSv. §§ 320 ff. BGB tritt der Geldgeber bei der Unternehmensfinanzierung zwingend in Vorleistung und erhält als Surrogat lediglich einen zeitlich hinausgeschobenen Rückzahlungsanspruch. Der Fremdkapitalgeber kann im Zeitpunkt der Ausreichung der Mittel nicht wissen, ob der Schuldner später willens und in der Lage ist, diesen Rückzahlungsanspruch zu erfüllen. Aus seiner Sicht besteht Unsicherheit, das investierte Kapital vereinbarungsgemäß zurückzuerhalten. Gleiches gilt für die 1 Ernst & Young (Hrsg.), Finanzierungsstrukturen im deutschen Mittelstand, Wege zum Wachstum, Volkswirtschaftliche Impulse durch innovative Unternehmensfinanzierung, 2006, abrufbar unter http://www.ey.com/global/download.nsf/Germany/Studie_WegezumWachstum_2005/$file/Studie_WegezumWachstum_2005.pdf.

I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber

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kalkulierten Zinsen und beim sog. Equity-Kicker für die Werthaltigkeit der bei Fälligkeit einzuräumenden Eigentümerstellung. Konsequenterweise hängen „Ob“ und „Wie“ der Finanzierung davon ab, wie der Geldgeber diese nachfolgend als Kreditrisiko bezeichnete Unsicherheit ex ante einschätzt. Auf den ersten Blick erstreckt sich das für die Entscheidung über die Kreditvergabe und Kreditbelassung notwendige Vertrauen sowohl auf die Leistungsbereitschaft des Unternehmens zur Rückzahlung des überlassenen Kapitals nebst Zinsen als auch auf seine Leistungsfähigkeit. Diese Komponenten der Unsicherheit sind jedoch nicht gleichgewichtig. Um die voraussichtliche Leistungsbereitschaft des Schuldners braucht sich der Gläubiger bei Abschluss des Kreditvertrages weniger zu sorgen, denn diese kann er später ggf. mit gerichtlicher Hilfe erzwingen. Wichtiger ist das Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit. Wenn der Schuldner nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, seine Verpflichtungen zu erfüllen, kann dies auch nicht durch einen entsprechenden guten Willen kompensiert werden. Diese nachfolgend genauer zu analysierende Unsicherheit besteht im Ausgangspunkt bei allen Finanzierungsarten. Auch die Eigentümer eines Unternehmens überlassen das Eigenkapital auf Zeit. Für den Einzelunternehmer ergibt sich dies aus der durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit an sich. So wie es möglich ist, ein Einzelunternehmen zu gründen und am Markt aufzutreten, ist es gleichermaßen zulässig, diese Tätigkeit jederzeit wieder zu beenden. Ein Vertrauen auf den Fortbestand eines Unternehmens gegen den Willen des Unternehmers wird – von einigen Publizitätsvorschriften ausgenommen (vor allem § 15 HGB) – gesetzlich nicht geschützt. Diese Freiheit gilt für die unternehmerische Betätigung in Form von Gesellschaften gleichermaßen, sie ist lediglich unter besonderen Minderheiten- und Gläubigerschutzaspekten an gewisse Verfahrensregeln geknüpft. Zum einen besteht bei allen Gesellschaftsformen die Möglichkeit, die Gesellschaft und damit die entsprechende Eigenfinanzierung zu befristen (vgl. § 723 Abs. 1 S. 1 BGB, § 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB, § 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Selbst wenn eine solche Befristung wie im Regelfall fehlt, handelt es sich bei der Gesellschafter(eigen)finanzierung nach gesetzlicher Konzeption nur um eine Kapitalüberlassung auf Zeit, so dass man von einer – gemäß Art. 12, 14 GG sogar verfassungsrechtlich verbürgten – Desinvestitionsfreiheit sprechen kann. 2 Hieran ändert auch die freiwillige oder aufgrund gesetzlicher Regelung erfolgende Widmung der Eigenfinanzierung als nachrangiges Haftkapital nichts. Die Liquidationsvorschriften beweisen vielmehr, dass der Nachrang lediglich dann greifen soll, wenn der unternehmerische Erfolg ausgeblieben ist. Ist dies nicht der Fall, besteht ein nicht entziehbarer Anspruch auf Rückzahlung des nach Abschluss der Gläubigerbefriedigung verbleibenden Eigenkapitals (vgl. 2

So für die GmbH bereits Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 18.

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

§ 271 Abs. 1 AktG, §§ 72, 73 GmbHG, § 235 Abs. 1 HGB, § 155 HGB, § 733 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch die Eigenfinanzierung ist somit keine Schenkung iSv. § 516 BGB.3 Aus Sicht des Unternehmenseigentümers besteht daher ex ante gleichermaßen die Unsicherheit, ob er das investierte Eigenkapital bei Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit oder bei Ausscheiden aus der Gesellschaft zurückerlangen wird. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Eigentümer die Herrschaft haben, das Unternehmen zum eigenen Nutzen zu führen. In der Praxis und nach der Konzeption des Gesetzes ist dies nämlich kein vollständiger Schutz. Der Einzelunternehmer stellt Personal ein, welches in seinem Namen handelt (vgl. auch §§ 48 ff. HGB). AG und GmbH sind vom Grundsatz der Fremdorganschaft geprägt, so dass die Unternehmensleitung weitgehend spezialisierten Sachwaltern obliegt. Auch wenn dies – wie bei den Personengesellschaften zwingend – nicht der Fall ist, hat der einzelne Gesellschafter wegen des bei den Kapitalgesellschaften stets, bei den Personengesellschaften im Regelfall geltenden Mehrheitsprinzips keine völlige Gewähr dafür, seine individuellen Bedürfnisse bei der innerverbandlichen Willensbildung durchsetzen zu können. Sowohl bei der Finanzierung des Unternehmens durch die Eigentümer als auch bei der Fremdfinanzierung durch Dritte besteht somit ein sog. Principal-AgentKonflikt. Dieser kennzeichnet die Unsicherheit eines Kapitalgebers, ob ein anderer – in Erfüllung seiner treuhänderischen Pflichten, jedoch ohne notwendigerweise im selben Umfang von den Folgen seiner Entscheidung betroffen zu sein – das investierte Kapital entsprechend verwaltet.4

1. Das Prognoseproblem Zur inhaltlichen Präzisierung des Kreditrisikos ist zunächst noch einmal auf die klassische Funktion der Unternehmensfinanzierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht zurückzukommen. Die Finanzierung dient der Beschaffung der notwendigen Produktionsfaktoren, um damit die Sachgüter bzw. Dienstleistungen herzustellen und gewinnbringend am Markt abzusetzen. Anlass der Finanzierung ist hiernach ein von der Unternehmensleitung definiertes Investitionsprojekt, welches im Erfolgsfall Einzahlungsüberschüsse hervorbringt.5 Bei der Beurteilung des Erfolgs eines Investitionsprojekts besteht regelmäßig ein Zeitproblem. Die Unternehmensleitung hat ex ante zu kalkulieren, ob die mit 3 Zutreffend BGH (NZG 2006, 543) im Zusammenhang mit einer (nur) schriftlich abgegebenen Haftungszusage eines Aktionärs gegenüber der AG (Fall Boris Becker). 4 Grundlegend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 306. 5 Maßgeblich ist aus ökonomischer Sicht allein, dass die Initiative für die unternehmerische Investition von Seiten des Unternehmens ausgeht. Ob es sich in concreto um das Handeln des Eigentümers, geschäftsführenden Teilhabers oder angestellten Geschäftsführers handelt, ist unerheblich (Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 428).

I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber

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der Beschaffung der Produktionsfaktoren verbundenen Auszahlungen durch entsprechende Einzahlungen gedeckt werden. Dies beruht notwendigerweise auf einer Prognose, so dass die unternehmerische Entscheidung, die Investition vorzunehmen, eine „Entscheidung unter Unsicherheit“ ist. 6 Dass die anzustellende Prognose möglicherweise falsch ist oder durch nicht vorhersehbare Umstände nachträglich falsch wird, liegt in der Natur der Sache, und das Risiko wird mit zunehmender Laufzeit der jeweiligen Finanzierung entsprechend größer.7 Das hieraus resultierende Prognoseproblem betrifft jedoch nicht allein die Unternehmensleiter im Hinblick auf ihre Haftung für unternehmerische Fehlentscheidungen (vgl. nur § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) und die Eigentümer im Hinblick auf den Verlust ihres Eigenkapitals. Das aus dem Prognoseproblem resultierende leistungswirtschaftliche Risiko über den Erfolg eines Investitionsprojekts tragen auch die Fremdkapitalgeber. 8 Stellen sie die zur Beschaffung der notwendigen Produktionsfaktoren erforderlichen Mittel bereit, vertrauen sie auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Rückzahlungszeitpunkt. Dies gilt sowohl bei der Finanzierung des Unternehmens als Ganzes als auch bei der Finanzierung einzelner Projekte. Sie sind daher wie die Eigentümer daran interessiert, dass die der Kalkulation zu Grunde liegende Prognose richtig ist und die entsprechenden Einzahlungsüberschüsse tatsächlich erzielt werden.

2. Das Problem asymmetrischer Information Hinsichtlich des Prognoserisikos sitzen somit alle an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Kapitalgeber und die für sie tätig werdenden Agenten „in einem Boot“. Die Ungewissheit der Gläubiger über die Leistungsfähigkeit des Schuldners im Rückzahlungszeitpunkt resultiert jedoch nicht nur daraus, dass Investitionen riskant sind, mithin das jeden Kapitalgeber gleichermaßen treffende Prognoseproblem besteht. Wegen des strukturell vorgeprägten ungleichen Informationsstands ist das Kreditrisiko der Nichteigentümer zumindest im Ausgangspunkt ein besonderes. In der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie und im Bereich der ökonomischen Vertragsanalyse spricht man insofern allgemein vom Problem asymmetrischer Information.9 Hiermit werden Marktentwicklungen umschrieben, die daraus resultieren, dass nur ein 6

Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 120 ff. Aus ökonomischer Sicht grundlegend Hayes, Bank Lending Policies, 2nd Ed., Ann Arbor 1977, S. 119 f. 8 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 419. 9 Zum Ganzen ausführlich Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 527 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 419 ff.; Spremann, ZfB 60 (1990), 561, 564 ff. – Zur Entwicklung von neoklassischer und neuinstitutioneller Finanzierungstheorien Hax/Hartmann-Wendels/von Hinten, Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie, 1988, S. 705 ff.; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 23 ff. 7

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Transaktionspartner eine relevante Information hat bzw. sie sich zumindest günstiger beschaffen kann als der andere Partner. a. Ursachen asymmetrischer Information Das Problem asymmetrischer Information kann bereits bei Vertragsschluss vorliegen. Exemplarisch wird im Rahmen der ökonomischen Markt- und Vertragsanalyse meist angeführt, dass der Verkäufer über die Qualität der zu verkaufenden Ware besser informiert ist als der Käufer. Für Letzteren besteht daher eine Unsicherheit, die seine Kaufentscheidung beeinflusst. Bei der Kreditvergabe an Unternehmen besteht eine ähnliche Informationsasymmetrie. Der Kreditgeber hat als Außenstehender kaum Einblicke in das Unternehmen, so dass er die Parameter, die über den Erfolg eines Investitionsprojekts entscheiden, weniger gut überprüfen kann als das Unternehmen selbst.10 Diese sog. hidden information können sich auf die wahre finanzielle Lage des Unternehmens beziehen wie zum Beispiel auf die Qualität der herzustellenden Produkte und Dienstleistungen, die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, das Marktpotential und schließlich auf die Fähigkeiten des Managements.11 Verstärkt wird dieses Informationsgefälle durch den Umstand, dass der potentielle Kreditgeber befürchten muss, vom Unternehmen aus opportunistischen, d. h. eigensüchtigen Gründen nur ein verschleiertes Bild der Beurteilungsgrundlagen präsentiert zu bekommen.12 Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen setzt sich das Problem asymmetrischer Information auch nach Vertragsschluss fort. Beide Parteien haben ein Interesse, dass sich der jeweils andere gemäß ihren Erwartungen verhält. Ausgehen können sie davon freilich nicht, denn die Parteien handeln im Regelfall opportunistisch.13 Exemplarisch wird in der ökonomischen Analyse des Vertragsrechts der Fall vorgebracht, dass der Versicherungsnehmer wegen der Versicherung weniger Sorgfalt walten lässt und damit die Erwartung des Versicherungsunternehmens täuscht. Diese Nachlässigkeit im Anschluss an den Vertragsschluss kann das Versicherungsunternehmen nicht beobachten und damit auch kaum steuern, so dass man insofern auch von verstecktem Handeln (hidden action) spricht. Die Unsicherheit, ob sich der Vertragpartner gemäß den eigenen Erwartungen verhält, bezeichnet man als moral hazard.14 Auch dieses 10 Zur Informationsasymmetrie zu Gunsten des Unternehmens bei der Kreditvergabe grundlegend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 306, 319, 337, 345. 11 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 15; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 529. 12 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 529. Vgl. zu den Gegenstrategien des Kreditnehmers sogleich unter II. 13 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 421 f. 14 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 531.

I. Das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber

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Problem asymmetrischer Information lässt sich auf dem Kreditmarkt übertragen. Der Kreditgeber kann als Außenstehender nicht ohne weiteres kontrollieren, ob das Unternehmen die Mühe walten lässt, die mit der Investition prognostizierten Erträge zu erzielen. Nachträglich eintretende Umstände können verschwiegen werden oder die gewährten Mittel für andere, risikoreichere Projekte verwendet werden. Auch diese Verhaltensunsicherheit nach Vertragsschluss gefährdet die Realisierbarkeit des Rückzahlungsanspruchs und bestimmt somit ex ante das Kreditrisiko. b. Gefahr des Marktversagens durch Negativauslese Das Problem asymmetrischer Information bringt aus ökonomischer Sicht Gefahren für den gesamten Kreditmarkt mit sich. Ausgangspunkt ist die These Akerlofs vom Marktversagen durch Negativauslese bzw. adverse selection.15 Diese beschreibt er am theoretischen Beispiel des Marktes für gebrauchte Kraftfahrzeuge (sog. „lemon market“).16 Auf diesem Markt ist nur dem Anbieter die Qualität des von ihm angebotenen Wagens bekannt. Die Nachfrager kennen diese nicht und sind auch nicht in der Lage, die Qualität des einzelnen Wagens zu beurteilen. Sie gehen daher von der Durchschnittsqualität des Wagens aus und sind allenfalls bereit, einen der durchschnittlichen Qualität entsprechenden Preis zu zahlen. Hieraus folgt, dass Angebote über Gebrauchtwagen mit überdurchschnittlicher Qualität, für die dieser Preis zu niedrig wäre, nicht mehr angeboten werden. Es kommt zur Negativauslese bzw. adverse selection. Die Verkäufer guter, d. h. überdurchschnittlicher Autos ziehen sich zurück, weil der ihren Erwartungen entsprechende Preis nicht erzielbar ist. Dies führt wiederum dazu, dass die durchschnittliche Qualität der verbleibendenden Angebote sinkt und die Käufer ihre Preisvorstellungen nunmehr hieran orientieren. Die Negativauslese setzt sich auf einem niedrigeren Qualitätsniveau fort. Es wird gleichsam eine Spirale in Gang gesetzt wird, wonach letztlich nur noch Angebote von allerschlechtester Qualität auf dem Markt verbleiben. Bei diesem Marktgleichgewicht ist kein Raum mehr für vorteilhafte Transaktionen, so dass man von Marktversagen sprechen kann. Dagegen spricht auch nicht der pauschale Hinweis, es sei den Marktteilnehmern unbenommen, die Informationsasymmetrie auszugleichen und so ein Marktversagen zu verhindern. Aus ökonomischer Sicht ist dies unbefriedigend, denn die Kompensation verursacht Transaktionskosten.17

15

Grundlegend Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488, 489. Vgl. hierzu Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 410; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 529 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 121 ff.; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 16 f. 17 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 421. 16

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Die These Akerlofs vom Marktversagen durch Negativauslese lässt sich auf den Beteiligungs- und Kreditmarkt übertragen.18 Anstelle des wohl informierten Verkäufers von gebrauchten Automobilen tritt das Unternehmen, welches seine Kreditwürdigkeit regelmäßig besser einschätzen kann als seine Kreditgeber bzw. die neu zu gewinnenden Anteilseigner. Diese können wie die Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur schwer zwischen riskanten und weniger riskanten Unternehmen unterscheiden und bei der Vertragsdurchführung auch nicht beobachten, ob sich das Unternehmen bzw. die Eigentümermehrheit erwartungsgemäß verhält. In der Konsequenz führt dies für den hier interessierenden Kreditmarkt dazu, dass die Geldgeber eine durchschnittliche Risikoeinstufung zu Grunde legen. Für Unternehmen mit größerem Kreditrisiko als das der Durchschnittserwartung lohnt sich somit die Fremdfinanzierung, nicht jedoch für Unternehmen mit geringerem Kreditrisiko. Wie beim Markt für Gebrauchtwagen im Beispiel Akerlofs ziehen diese sich konsequenterweise vom Kreditmarkt zurück.19 Übrig bleiben die Unternehmen mit überdurchschnittlichem Risiko, so dass die Spirale dieses theoretischen Marktmechanismus’ letztlich wiederum dazu führt, dass nur noch Unternehmen schlechtester Bonität Kredite nachfragen und die Kreditgeber hierüber durch zunehmende Vorsicht und Zurückhaltung bei der Kreditvergabe reagieren. In der ökonomischen Vertragsanalyse spricht man insofern von Kreditrationierung. 20

II. Gegenstrategien des Kreditnehmers Sowohl das Prognoserisiko als auch das Problem asymmetrischer Information führen freilich in der Praxis nicht zum Zusammenbruch des Kreditmarkts. Durch diesen Befund sind jedoch nicht die oben herausgearbeiteten ökono18 Grundlegend Stiglitz/Weiss, Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, American Economic Review 71 (1981), S. 393 ff.; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 530; Eidenmüller, in Hart (Hrsg,), Privatrecht im Risikostaat, 43, 48 ff.; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 21. 19 Ob diese Unternehmen, wie von Engert (Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 21) behauptet, nach „andere Finanzierungsformen“ umsehen, ist zu relativieren. Die Negativauslese betrifft alle Finanzierungsmärkte, so dass es keinen Bereich gibt, indem die Informationsasymmetrie ohne die beschriebenen Auswirkungen ist. Die Unternehmen haben auch beim Werben um Eigenkapital oder sonstige Beteiligungsfinanzierungen zu berücksichtigen, dass die Neu-Investoren skeptisch sind. 20 Grundlegend Keeton, Equilibrum Credit Rationing, New York/London, 1979; Stiglitz/ Weiss, Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, American Economic Review 71 (1981), S. 393 ff.; Jaffee/Stiglitz, Stichwort „Credit Rationing“, in: Handbook of Monetary Economics, S. 848; Winker, Rationierung, S. 55; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 530; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420 ff.; Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 73 ff.; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 20 ff.; Mankowski, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 500 („in der Praxis vorherrschend“).

II. Gegenstrategien des Kreditnehmers

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mischen Erklärungsmodelle des Kreditrisikos in Frage zu stellen. Vielmehr ist weiterhin zu untersuchen, welche Mechanismen zur Kompensation des Kreditrisikos von Seiten des Kreditnehmers und des Kreditgebers aus ökonomischer Sicht bereit stehen und wie diese auf die Praxis der Kreditvergabe wirken. Ausgangspunkt sind die Gegenstrategien des Kreditnehmers selbst. Indem das Unternehmen ein Interesse hat, (günstiges) Fremdkapital von Dritten zu bekommen, muss es konsequenterweise versuchen, sowohl das Kreditrisiko als auch die wegen der Informationsasymmetrie möglicherweise übertriebene Skepsis des Kapitalgebers zu minimieren.

1. Vertrauensbildende Maßnahmen – Das Signaling-Modell Einen Ansatz, das Vertrauen des Kreditgebers in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern, beschreibt das Signaling-Modell.21 Hiernach sendet das Unternehmen vernünftigerweise Signale an den potentiellen Kreditgeber aus, um diesem zu zeigen, dass er das Kreditrisiko nicht allein trägt. a. Finanzierungsbeitrag der Eigentümer Das wichtigste Signal ist das Eigenkapital. 22 Es ist ein empirisch nachgewiesenes Phänomen, dass die Gläubiger in der Regel nur dann bereit sind, Fremdkapital zur Unternehmensfinanzierung beizusteuern, wenn die Eigentümer einen Teil der erforderlichen Mittel selbst aufbringen und diese Mittel vorrangig haften. 23 Vor diesem Hintergrund sind die Eigentümer gehalten, zumindest einen Teil des Investitionsprogramms im Wege der Eigenfinanzierung vorzunehmen, um auf dieser Grundlage das Vertrauen der Fremdkapitalgeber zu gewinnen (sog. Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals). 24 Indem die Eigentümer Risikokapital einsetzen, können die übrigen Kapitalgeber davon ausgehen, dass die Eigentümer zur Verhinderung eigener Verluste auf die Erfüllung der Ergebnisprognosen hinwirken und sich das Risiko in einem vertretbaren Rahmen hält. Aus Sicht der Unternehmensleitung ist die Eigenfinanzierung somit ein 21 Grundlegend Spence, Job Market Signaling, Quarterly Journal of Economics 87 (1973), 355, 355 ff. ders., Market Signaling: Information Transfer in Hiring and Related Screening Processes, Cambridge, Mass. 1974; hierzu ausführlich Swoboda, Betriebliche Finanzierung, S. 197 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424 ff.; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 530 ff. 22 Hierzu ausführlich Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, S. 27 ff.; Drukarczyk, Finanzierung, S. 132. 23 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 1a spricht insofern von der „kreditwirtschaftlichen Funktion“ des Eigenkapitals, Adams (Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, S. 40) vom „Eigenkapital als Glaubwürdigkeitssignal“; vgl. auch Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 94. 24 Weitere Umschreibungen der Bedeutung des Eigenkapitals sind „Gründungsfunktion“, „Kreditwürdigkeitsfunktion“, „Finanzierungsfunktion“ (vgl. Wengel, DStR 2001, 1316).

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Mittel, die Risikoeinschätzung der Fremdgläubiger, die sich in der Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung, der Höhe des geforderten Zinses und in der Forderung von Sicherheiten niederschlägt, zu beeinflussen. Adams spricht insofern treffend vom „Eigenkapital als Glaubwürdigkeitssignal“.25 Auf welche Art und Weise dieses Eigenkapital in das Unternehmen eingebracht wird, spielt aus ökonomischer Sicht keine Rolle, sofern der Kapitalbeitrag geeignet ist, die oben beschriebene Ingangsetzungsfunktion zu erfüllen. Die funktionale Betrachtung des Kapitalbeitrags als Grundlage eines weit verstandenen Signaling-Modells zeigt sich derzeit im Rahmen der Diskussion um das gesetzliche Stamm- und Grundkapital in Europa: Während der kontinentaleuropäische Ansatz darauf zielt, einen formal als Eigenkapital ausgewiesenen Kapitalbeitrag der Gesellschafter zu fordern, welcher auch gesellschaftsrechtlich streng gesichert ist, besteht im angelsächsischen Rechtsraum ein solches Bedürfnis weniger.26 Davies brachte dies in der Münchener Diskussion über effizienten Gläubigerschutz pointiert zum Ausdruck, indem er ausführte „Creditors are not interested in any legal capital but in getting shareholders’ funds in the company“. 27 Aus ökonomischer Sicht ist dem zuzustimmen, denn die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ist nicht zwangsläufig an einen gesellschaftsrechtlichen, materiell-rechtlich zu verwirklichenden Schutz eines bestimmten Kapitalstocks gebunden. Sie kann auch durch ein Regime strenger Ausschüttungssperren 28 oder eine insolvenzrechtliche Lösung verwirklicht werden, indem die Forderungen der Eigentümer erst im Insolvenzfall einen besonderen Nachrang genießen, davor hingegen nicht. 29 Die im Zuge des MoMiG anstehende Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO verankert diesen regulativ erzwungenen, vom Eintritt des Insolvenzereignisses abhängigen Debt Equity Swap nunmehr auch im deutschen Recht. Huber, einer der Wegbereiter des neu konzipierten Rechts der Gesellschafterdarlehen, sieht hierin konsequenterweise eine Kompensation der mangels persönlicher Haftung fehlenden Selbstkontrolle, die gesetzliche Subordination von Gesellschafterdarlehen somit die Funktion erfülle, die Gesellschafter am Risiko zu beteiligen.30 25 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, S. 40; ähnlich Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656 ff.: je höher der Fremdkapitalanteil an der Finanzierung desto höher das Insolvenzrisiko. 26 Hierzu ausführlich die Beiträge anlässlich der Münchener Konferenz zum Thema Efficient Creditor Protection in European Company Law, EBOR 7 (2006), Heft 1, sowie Lutter (Hrsg.) das (Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006. 27 Vgl. Servatius, Discussion Report, EBOR 7 (2006), 461, 461. 28 So vor allem im englischen Recht der Private Company Limited by Shares (Ltd.), vgl. nur Rehm, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 10 Rn. 35 ff., insbes. 38 ff. 29 Hiergegen freilich weite Teile der Literatur (vgl. nur Rudolph, ZBB 2008, 82, 84 ff.; Eidenmüller, FS Canaris, 2007, S. 49, 61 ff.); zum Ganzen ausführlich unten § 16 V. 30 Huber, FS Priester, S. 259, 276.

II. Gegenstrategien des Kreditnehmers

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b. Beachtung der Finanzierungsregeln Weiterhin kann auch die Beachtung der Finanzierungsregeln positive Signale für die Fremdkapitalgeber aussenden. Die goldene Finanzierungsregel etwa besagt, dass eine Investition nicht mit Kapital finanziert werden soll, dessen Laufzeit die Amortisationsdauer der Investition unterschreitet.31 Wählt das kreditsuchende Unternehmen nun bewusst eine kürzere Laufzeit des Kredits, birgt das zwar das Risiko, dass die Kalkulation wegen späterer Veränderungen des Zinsniveaus gestört wird.32 Auf der anderen Seite gibt das Unternehmen durch diese Entscheidung gegenüber potentiellen Gläubigern zu erkennen, dass es mit einer guten Geschäftsentwicklung rechnet, die dieses besondere Risiko aufwiegt bzw. darüber hinaus Vorteile bringt. Aus Sicht der Gläubiger wird durch dieses Verhalten signalisiert, dass sich das Unternehmen eine kurzfristige Finanzierung „leisten“ kann, ohne sich um eine Anschlussfinanzierung zu ungünstigen Konditionen sorgen zu müssen. Das Kreditrisiko kann somit auch durch dieses Signaling gemildert werden und die Kreditgeber zu einer positiven Beurteilung der Leistungsbereitschaft im Rückzahlungszeitpunkt bewegen. Ähnliches folgt aus der Dividendenpolitik des Unternehmens. Wird viel ausgeschüttet, kann dies aus Sicht der Gläubiger dafür sprechen, dass das Unternehmen erfolgreich arbeitet.33 In der Praxis sind diese Gegenstrategien jedoch nicht zu überschätzen.34 Zum einen wissen die Gläubiger, dass der Kreditnehmer seine Situation aus opportunistischen Gründen sehr gut darstellt und sind konsequenterweise entsprechend misstrauisch.35 Auch ist der Signaling-Effekt nicht zwingend. Während viele 31

Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 406. Ziel der goldenen Finanzierungsregel ist es, den betrieblichen Leistungsprozess kalkulierbar zu machen und die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufrecht zu erhalten. So darf etwa in Zeiten mit inverser Zinsstruktur, in der kurzfristige Ausleihungen günstiger sind als langfristige, nicht allein kurzfristig finanziert werden. Steigt nämlich nach Ablauf der Zinsbindung, aber vor Realisierung der mit der Investition verbundenen Einzahlungen, der Zinssatz, hat die ursprüngliche Kalkulation keinen Bestand mehr. Selbst ein erfolgversprechendes Investitionsprojekt kann in diesem Fall wegen nachlässiger Finanzierung unrentabel werden und zu Verlusten führen (Einzelheiten bei Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 406). 33 Grundlegend Miller/Rock, Dividend Policy Under Asymmetric Information, 1985, S. 1031 ff. 34 Abw. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 422, die davon ausgehen, es gebe unter bestimmten Voraussetzungen ein Gleichgewicht, bei dem es für das Unternehmen optimal ist, über die Eigenkapitalquote seine Einschätzung über den Erfolg wahrheitsgemäß zu signalisieren. In der Praxis wird dies wohl kaum feststellbar sein, siehe sogleich im Text. 35 So bereits Bezzenberger, Kapital, S. 110 f. Zur Bedeutung der Unsicherheit bei der praktischen Anwendung der auf feststehenden Annahmen beruhenden ökonomischen Modellen bereits Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 72. – Freilich bietet die ökonomische Analyse auch Ansätze, die Unsicherheit menschlicher Entscheidungen kalkulierbar zu machen; vgl. Hirshleifer/Riley, The Analytics of Uncertainty and Information. An Espository Survey, Journal of Economic Literature 1979, 1375, 1375 ff. 32

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Kreditgeber in der Tat davon ausgehen, eine hohe Eigenkapitalquote indiziere durch die Bereitschaft der Eigentümer zur Übernahme des Verlustrisikos eine geringes Kreditrisiko, können andere hieraus auch umgekehrt schließen, das Unternehmen bzw. investierte Projekt sei besonders risikoanfällig oder vom Markt überbewertet.36 Insbesondere bei Familienunternehmen gibt es eine Vielzahl von Motiven für die Eigentümer, den Fortbestand des Unternehmens als Lebensgrundlage um jeden Preis zu erhalten. Die Annahme ökonomisch begründeten Verhaltens der Eigenkapitalgeber kann in diesen Fällen nicht unterstellt werden. Die Gewissheit, durch einen hohen Eigenkapitalanteil einem geringeren Kreditrisiko ausgesetzt zu sein, besteht daher nicht. Im Widerspruch zur etymologischen Herkunft des Wortes Kredit beruht daher heute nur noch ein geringer Prozentsatz der Finanzierungen auf dem Vertrauen in die persönlichen Fähigkeiten des Schuldners und seine Zuverlässigkeit.37

2. Das Modell der Self Selection Ähnliche Bedenken bestehen gegen das in der ökonomischen Analyse entwickelte Modell der Self-Selection.38 Hiernach soll das Problem asymmetrischer Information dadurch überwunden werden, dass der Kreditgeber das Unternehmen durch finanzielle Anreize veranlasst, die relevanten Informationen zur Beurteilung des Kreditrisikos preiszugeben. Vorgeschlagen wird, dass der Kreditgeber dem Unternehmen verschiedene Vertragsentwürfe bzw. Finanzierungsalternativen unterbreitet und die Auswahl dem Unternehmen überlässt. Beruhen die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten auf der Annahme unterschiedlicher Kreditrisiken, offenbart der besser informierte Kreditnehmer durch die Wahl eines Vertrages, wie hoch er selbst das Kreditrisiko einschätzt.39 Im Idealfall bewirkt das Modell der Self Selection daher, dass bestimmte Vertragsbedingungen nur für Unternehmen mit guter Kreditwürdigkeit lohnend sind und Unternehmen mit hohem Kreditrisiko auf die Kreditaufnahme verzichten.40 Ob dieses Modell eine taugliche Grundlage für die Bewältigung von Informationsasymmetrien bietet, ist selbst innerhalb der ökonomischen Theorie umstritten. So wird zwar anerkannt, dass der Kreditnehmer durch die Wahl eines bestimmten Vertragstyps Informationen preisgibt, die der Kreditnehmer selbst nicht erlangt hätte. Gerade im Versicherungsbereich kann die Höhe der gewähl36 Ross, The Determination of Financial Structure: The Incentive Approach, Bell Journal of Economics, 8 (1977), 23, 23 ff.; Blazenko, Managerial Preference, Asymmetric Information and Financial Structure, 1987, Journal of Finance, 42 (1987), 839, 839 ff.; Myers/Mailuf, Corporate Financing and Investment Decisions when Firms have Information that Investors do not have, 1984, S. 187 ff. 37 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Kapitel 1 Rn. 2. 38 Grundlegend Spence, Quarterly Journal of Economics 87 (1973), 355, 355 ff. 39 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 422. 40 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 22 f.

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ten Selbstbeteiligung Auskunft gegeben, wie sehr der Versicherungsnehmer selbst mit einem Schadensfall rechnet.41 Auf der anderen Seite birgt das Modell der Self Selection auch eine Vielzahl von Unsicherheiten in sich, weshalb hierdurch in der Praxis des Kreditgeschäfts kaum mit einer Verringerung von Informationsasymmetrien zu rechnen ist. Es steht wie beim Signaling keinesfalls fest, dass das Unternehmen die ermöglichte Wahlfreiheit nicht dazu nutzt, falsche Informationen zu gewähren oder die wirtschaftliche Lage zu positiv einzuschätzen. Die Herausforderung, die der Kreditgeber durch die Wahl verschiedener Finanzierungsalternativen bietet, ist im Regelfall für den Kreditnehmer zu erkennen. So besteht auch im Bereich der Versicherungswirtschaft die Gefahr, dass der Kunde zwar eine hohe Selbstbeteiligung wählt, dann aber doch aus opportunistischen Gründen (moral hazard) nachlässig handelt, um einen viel größeren Schaden ersetzt zu bekommen. Die Aussagekraft der Wahl des Finanzierungsvertrages durch den Kreditnehmer ist daher im Hinblick auf das Kreditrisiko stets problematisch und entbindet den Kreditgeber nicht von einer eigenständigen Prüfung. Einen berechtigten Ansatz verfolgt das Modell der Self Selection jedoch für die Frage der Sicherheitenbestellung durch Gesellschafter, die an sich vor persönlicher Inanspruchnahme für Gesellschaftsverbindlichkeiten geschützt sind (vgl. nur § 1 Abs. 1 S. 1 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG). In diesem Fall kann es durchaus sinnvoll sein, eine Finanzierungsalternative unter den Vorbehalt der Bestellung persönlicher Sicherheiten durch die Gesellschafter zu stellen. Sind diese bereit, solche zu gewähren, um dadurch niedrigere Kreditzinsen zu erlangen, besteht aus Sicht des Kreditgebers eine große Wahrscheinlichkeit, dass das Investitionsrisiko richtig eingeschätzt wird und die Gesellschafter auch alles unternehmen, um das Projekt erfolgreich umzusetzen.42 Aber selbst dies schafft neben den bereits bei der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals beschriebenen Unsicherheiten aus einem weiteren Grund keine Gewissheit. Das Verlangen nach persönlichen Sicherheiten schreckt nämlich auch viele Unternehmenseigentümer ab, sich überhaupt um eine Finanzierung zu bemühen. Die Inanspruchnahme einer Gesellschaftsform ohne über den zu leistenden Kapitalbeitrag hinausgehende persönlich Haftung ist die legitime Wahrnehmung einer gesetzlich bereitgestellten Handlungsmöglichkeit. 43 Auch die Forderung nach Sicherheiten kann somit Marktverzerrungen hervorrufen, indem der Anteil an „Unternehmensgründungen mbH“ durch besonders risikofreudige Personen zunimmt. 44 Dieses führt wegen der Zweifel an der Seriosität der unternehmerischen 41 Grundlegend Rothschild/Stiglitz, Quarterly Journal of Economics 90 (1976), S. 630, 630 ff. 42 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 19 f., jedoch unter Hinweis auf die hohen Transaktionskosten. 43 Hierzu ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 5 ff. 44 Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 73 f.

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Konzepte wiederum zu einer Zunahme des leistungswirtschaftlichen Risikos. Eine Überbewertung des Modells der Self Selection bewirkt somit allein, dass eine Komponente des Kreditrisikos durch eine andere ausgetauscht wird.

III. Gegenstrategien des Kreditgebers Steht fest, dass weder das Prognoserisiko noch das Problem asymmetrischer Information allein durch Signaling und Self Selection zu bewältigen sind, liegt es auch aus ökonomischer Sicht hauptsächlich am Kreditgeber selbst, das Risiko zu minimieren. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten bereit.

1. Versicherung über den Zins Die wesentliche, den Kreditvertrag betreffende Vorsorge zur Minimierung des Kreditrisikos ist die Ausgestaltung der Verzinsung. Im Kern bedeutet dies, die Zinshöhe dem Kreditrisiko anzupassen und so einen etwaigen Ausfall infolge fehlender Leistungsfähigkeit finanziell zu kompensieren. Der neue Baseler Eigenkapital-Akkord für die Banken (Basel II) bietet hierfür starke Anreize.45 Auf den ersten Blick ist die Abstimmung der Zinshöhe auf das Kreditrisiko eine angemessene Reaktion: Je höher das Kreditrisiko eingeschätzt wird, desto höher ist die Zinsforderung. Wegen des periodischen Anfalls der Zinsen kann der Kreditgeber den an sich zeitlich hinausgeschobenen Rückzahlungsanspruch in einem gewissen Umfang wirtschaftlich vorverlagern. Hierdurch wird die Gefahr, dass mit längerer Laufzeit auch die Unsicherheit über künftige Entwicklungen steigt, gemindert. Unabhängig davon, ob die Zinshöhe durch gesetzliche Vorgaben begrenzt ist (vgl. nur § 138 Abs. 2 BGB, Wucher), hat der Zusammenhang zwischen Kreditrisiko und Zins auch ökonomisch betrachtet Grenzen. Zum einen folgt aus der Akerlofschen Theorie von der adversen Selektion, dass Unternehmen mit geringem Kreditrisiko vom Markt verdrängt werden. Aus ihrer Sicht lohnt es sich nicht, eine Fremdfinanzierung zu wählen, bei der der Kreditgeber wegen des Problems asymmetrischer Information von einer Durchschnittsbonität ausgeht und konsequenterweise auch die Versicherungsprämie Zins hierauf abstimmt. Sie ziehen sich vom Kreditmarkt zurück, so dass letztlich nur noch Unternehmen mit schlechter Bonität Kredite nachfragen. Um dem entgegenzuwirken, können die Kreditgeber auf unterschiedliche Weise reagieren. Zum einen ist ihnen aus ökonomischer Sicht zu empfehlen, einen nied45

Einzelheiten zur risikogerechten Ausgestaltung des Finanzierungsvertrages bei Polke, Basel II, S. 129 ff.; Kersting, ZIP 2007, 56; Hey, ZBB 2004, 210; Mülbert, WM 2004, 1205; vgl. auch Mankowski, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 500, der in dieser Auswirkung von Basel II zugleich einen Beitrag zur Verringerung der in der Praxis nach wie vor vorherrschenden Kreditrationierung sieht.

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rigeren Kreditzins zu verlangen als an sich erforderlich. Nur auf diese Weise würden sie auch bessere Schuldner gewinnen und damit das Ausfallrisiko im Hinblick auf das Gesamtkreditportfolio vermindern.46 Dieses Ergebnis ist zwar vorteilhaft. Seine Herleitung stellt jedoch letztlich die Zinshöhe als Element der Risikosteuerung wieder in Frage. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Kreditgeber wegen des Marktrückzugs von Schuldnern mit guter Bonität nicht mehr davon ausgehen, dass die Bereitschaft der verbliebenen Marktteilnehmer, hohe Zinsen zu zahlen, zugleich ein niedrigeres Kreditrisiko indiziert. Die Kreditgeber werden daher wegen des Effekts der adversen Selektion auch diesen Schuldnern gegenüber misstrauisch werden und im Einzelfall von einer Kreditvergabe trotz hoher Zinsen absehen.47 Eine Einschränkung des Zusammenhangs, durch hohe Zinsen auf das Kreditrisiko zu reagieren folgt schließlich aus der Gefahr des moral hazard. Wegen ihres Versicherungscharakters schaffen hohe Kreditzinsen nämlich auch einen Anreiz für hidden actions durch die Unternehmensleitung. Dem liegt die opportunistische Erwägung zu Grunde, dass es sich lohnt, die Prämie, die man ohnehin zahlt, auch auszunutzen. Nachlässiges Verhalten im Widerspruch zur Risikoeinschätzung des Kreditgebers ist hiernach vorprogrammiert und der Rückzahlungsanspruch bei Fälligkeit entsprechend gefährdet (sog. Adverse-incentive-Effekt) 48 . Die Ausgestaltung der Kreditzinsen ist somit auch ökonomisch betrachtet ein lediglich begrenztes Mittel, das Kreditrisiko zu minimieren. Gleiches gilt konsequenterweise für die unmittelbare Versicherung des Ausfallrisikos bei einem Versicherungsunternehmen, wie es etwa im Bereich der Waren- und Ausfuhrkreditversicherungen und beim Pensionssicherungsverein anzutreffen ist. Dass sich solche Versicherungslösungen bisher nicht bei Bank- und Finanzkrediten durchgesetzt haben, liegt an der Konturenlosigkeit des allgemeinen Kreditrisikos.49

2. Bestellung von Sicherheiten Als notwendige Ergänzung der begrenzten Kompensation des Kreditrisikos über den Zins bleibt nach der klassischen Finanzierungstheorie vor allem die Absicherung des Kreditgebers durch Sicherheiten. Auf den ersten Blick ist diese Lösung in der Tat der „sicherste“ Weg zur Reduzierung des Kreditrisikos. Andererseits scheidet er in der Praxis bereits mangels verfügbarer Sicherheiten oder 46 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 530 (Risikoabgeltungsthese). Zur „positiven“ Selektion durch niedrigere Kreditzinsen bereits Stiglitz/Weiss, American Economic Review 71 (1981), 393, 395. 47 Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 73. 48 Dorndorf/Frank, ZIP 1985, 65, 73. 49 Gegen den Ausfall von Bank- oder Finanzkrediten können sich Kreditgeber im Allgemeinen nicht versichern (Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 201); zur Begründung dieses Befunds aus ökonomischer Sicht Dorndorf/Franke, ZIP 1985, 65, 75.

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wegen der fehlenden Bereitschaft, solche zu gewähren, oftmals aus.50 Auch macht die Sicherheitenbestellung und -bewertung die Abwicklung eines Kredites teuerer, was möglicherweise beide Parteien davon abhält, ein Kreditverhältnis einzugehen.51 Selbst wenn diese Kosten für den Kreditgeber zumindest teilweise über den Zins abgefedert werden können, leidet die Besicherung im gewerblichen Kreditmarkt unter einer entscheidenden Schwäche. Vereinfacht gesagt führt die Besicherung dazu, dass im Extremfall keine Risikoprämie mehr vereinnahmt werden kann. Geht es dem gewerblichen Kreditnehmer, insbesondere den Banken und Finanzinvestoren, jedoch wegen der eigenen Refinanzierungskosten darum, über die Ausreichung von Krediten Erträge zu erzielen, darf die Zinsmarge oder der als Erfolgsprämie vereinbarte Equity-Kicker nicht zu gering ausfallen. Es kann daher nicht ihrem Interesse entsprechen, den Kredit vollumfänglich (gleichsam „mündelsicher“) zu besichern, um auf diese Weise das Kreditrisiko auszuräumen. Nach dem Geschäftsmodell der gewerblichen Kreditgeber muss vielmehr stets ein gewisser Risikoaspekt verbleiben, der es dem Kreditgeber ermöglicht, hierfür in Form des Zinses oder auf andere Weise ein Entgelt zu verlangen. Im Kreditgeschäft der Banken scheidet daher die Kreditvergabe unter vollständiger werthaltiger Besicherung außerhalb von Sanierungssituationen meist aus.52 Hiermit soll freilich nicht gesagt werden, dass die Banken und Finanzinvestoren ein Geschäftsmodell leichtfertiger Kreditvergabe verfolgen würden. Es geht allein um die Feststellung, dass ein „Vollkasko-Kredit“, also die Geldüberlassung auf Zeit ohne bzw. mit ganz minimalem Risiko nicht der Wirklichkeit des Marktes für Unternehmensfinanzierungen entspricht. Das Kreditgeschäft lebt in weiten Teilen gerade von der Existenz des Kreditrisikos im oben genannten Sinne, welches von den Vertragsparteien, vor allem vom Kreditgeber, zum eigenen Nutzen zutreffend einzuschätzen ist. Das Risiko, dass diese Einschätzung trotz aller Sorgfalt falsch ist oder sich die Umstände während der Laufzeit ändern, ist ein Rest-Risiko, welches über den vom Kreditgeber verlangten Zins oder eine sonstige Erfolgsbeteiligung versichert wird. Gäbe es dieses Restrisiko nicht, wäre der Kredit letztlich keine Vorleistung des Kreditgebers, die die Zinspflicht als solche und damit die Entgeltlichkeit rechtfertigten könnte. Kredit ist Kapitalüberlassung auf Zeit, nicht bloß Austausch von gebundenem Vermögen (Sicherheit) gegen Liquidität. Die zunehmende Verbreitung sog. leveraged loans, bei denen der Darlehensgeber anstelle von Sicherheiten darauf setzt, dass das kreditnehmende Unternehmen das Darlehen aus den Überschüssen des 50

Vgl. Kästle, Rechtfragen, S. 38 ff. Merkel, Die Negativklausel, S. 2. 52 Repräsentative Untersuchungen über die Sicherheitenbestellung von Kreditinstituten fehlen leider (vgl. Drukarczyk, Finanzierung, S. 483 ff.). 51

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normalen Geschäftsbetriebes verzinsen und tilgen kann (cash fl ow related loans),53 bestätigt dies. Selbst wenn man anerkennt, dass die Sicherheitenbestellung letztlich nur eine annähernde Versicherung des Kreditrisikos sein kann, bestehen auch in diesem Umfang gewisse Risiken.54 So besteht die Gefahr, dass das Kreditrisiko lediglich durch die Eingehung eines anderen Risikos kompensiert wird. Der Wert einer Sicherheit ist oftmals nicht feststellbar oder ändert sich zumindest während der Laufzeit der Finanzierung.55 Insbesondere bei den Personalsicherheiten setzen sich das Prognoserisiko und das Problem asymmetrischer Information auf die Sicherheiten bezogen fort. Der Kreditgeber kann nicht wissen, wie zahlungsfähig der Bürge bei Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs ist. Er kann auch nicht beobachten, wie sich der Bürge im Hinblick auf seine Vermögensverhältnisse nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages verhält (Gefahr von hidden actions). Das Sicherheitenrisiko ist aus der Perspektive des Kreditgebers daher oftmals nichts anderes als das Kreditrisiko. In der Literatur zur ökonomischen Analyse des Rechts nimmt die Problematik effizienter Sicherungsverträge konsequenterweise ebenso einen breiten Raum ein wie die Effizienz des Kreditvertrages selbst.56

3. Information und Überwachung, Einflussnahme auf den Schuldner Kann das Kreditrisiko nicht völlig durch die Anpassung des Zinsniveaus und durch die Bestellung von Sicherheiten minimiert werden, sucht die Praxis konsequenterweise nach weiteren Möglichkeiten. Zum Abbau von Informationsasymmetrien und zur Verhinderung eines dem Interesse des Kapitalgebers widersprechenden Schuldnerverhaltens werden die bereits erwähnten Covenants mit detailliert geregelten Informations- und Einwirkungsrechten zu Gunsten des Kapitalgebers vereinbart. Sie werden konsequenterweise auch als „atypische Sicherheiten“ bezeichnet.57 Nachfolgend soll nunmehr aufgezeigt werden, welche Vorteile solche vertraglich vereinbarten Frühwarnsysteme (warning and guidance) aus ökonomischer Sicht aufweisen.

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F. A.Z. vom 7. 9. 2006, S. 30 sowie Weitnauer, BKR 2005, 43, 48. Ausführlich Dorndorf/Franke, ZIP 1985, 65, 73 f. 55 Drukarczyk, Finanzierung, S. 491. Eidenmüller, in Hart (Hrsg.), Privatrecht im „Risikostaat“, 43, 55, weist zudem auf mögliche Wertverluste bei der Verwertung spezieller Wirtschaftsgüter hin („Zweitverwertungswert“). 56 Statt anderer Benjamin, The Use of Collateral to Enforce Debt Contracts, Economic Enquiry 1978, 333 ff.; Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, 1980; Rudolph, ZfbF 1984, 16, 16 ff. 57 Merkel, in Bunte/Schimansky/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 98. 54

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme Auf die Herkunft der Covenants im Kreditgeschäft wurde bereits hingewiesen. Der Kreditvertrag ist im US-amerikanischen Rechtskreis traditionell weniger durch gesetzliche Regelungen bestimmt als durch die – im Regelfall sehr detailreiche – Parteivereinbarung.58 Dies darf freilich nicht so verstanden werden, dass die Parteien dort lediglich aus der Not eine Tugend machten.59 Die Zurückhaltung gesetzlicher Regelungen, außerhalb des Insolvenzrechts ausführliche Gläubigerschutzmechanismen zu etablieren, 60 wird vielmehr von der ökonomisch begründeten Erkenntnis geprägt, dass die Parteien ihre Bedürfnisse durch entsprechende Vertragsregelungen („vollständiger Vertrag“) besser befriedigen können als zwingende Normen61 – ein Ansatz, der nicht nur auf die Gläubigerstellung gegenüber einer mit Haftungsbeschränkung der Eigentümer versehenen Kapitalgesellschaft bezogen ist. 62 Die nachfolgend aufgeführten Vorteile Covenant-gestützter Frühwarnsysteme betreffen wegen ihrer Risikosteuerungsfunktion63 den gesamten Bereich der Unternehmensfinanzierung durch Nichteigentümer. Dies gilt sowohl für das Bedürfnis, spezifisch auf die oben herausgearbeiteten Parameter des Kreditrisikos zu reagieren, als auch für die Forderung, dem staatlichen Insolvenzverfahren eine überlegene Vertragslösung gegenüberzustellen.

1. Kompensation des Problems asymmetrischer Information Das Kreditrisiko der Nichteigentümer ist entscheidend davon geprägt, dass diese das finanzierte Unternehmen aus der Außenperspektive beurteilen müssen. Die Richtigkeit der Prognose, dass der Kreditnehmer Kapital und Tilgung bei hinausgeschobener Fälligkeit zurückzahlen kann, hängt somit davon ab, inwieweit es dem Darlehensgeber gelingt, möglichst viele relevante Informationen zu erhalten. Dies betrifft nicht nur das Stadium vor der Kreditvergabe, sondern die gesamte Laufzeit des Kredits. Auf den ersten Blick besteht ein ausgeprägtes System gesetzlicher Publizitätspflichten, welches den Unternehmensgläubigern bzw. den Kapitalgebern 58 Vgl. nur Bratton, EBOR 7 (2006), 40, 40: „Borrowers and lenders in the United States contract against a minimal legal background that imposes the burden of protection on the lender“; zur Detailliertheit und Länge angloamerikanischer Verträge allgemein Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 495 ff. 59 In diese Richtung aber Kästle, Rechtsfragen, S. 38 („Kompromiss“). 60 Eine ausführliche Analyse des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts hierzu bei Engert, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaften in Europa, 743 ff. 61 Hierzu auf der Grundlage der nexus of contracts-Sichtweise ausführlich Hansmann/ Kraakman, in Kraakman et al., The Anatomy of Corporate Law, S. 6 ff. 62 Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, Erster Teil, § 2 A. 63 Berger, in MünchKomm BGB, Vor § 488 Rn. 39.

IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme

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Einblicke in die finanzielle Situation des Unternehmens gibt. 64 Die größte Bedeutung kommt insofern dem Bilanzrecht zu. 65 Die Pflicht, den Jahresabschluss offen zu legen, ist ein eindeutiges Angebot des Gesetzgebers an die (potentiellen) Unternehmensgläubiger zur Kontrolle der finanziellen Verhältnisse. Bereits die Publizitätsrichtlinie verfolgt mit der Pflicht zur Offenlegung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung das Ziel, dass interessierte Dritte, insbesondere künftige Geschäftspartner oder Anleger, Informationen über die Vermögens, Finanz- und Ertragslage der erfassten Gesellschaften einholen können. 66 Im deutschen Recht wurde dies durch § 325 HGB umgesetzt, wonach der Jahresabschluss von den Kapitalgesellschaften und der sog. Kapitalgesellschaft & Co. (§ 264 a HGB) offen zu legen ist. Der mit diesen Offenlegungspflichten bewirkte Funktionenschutz des Kredit- und Beteiligungsmarktes und des Individualschutzes seiner betreffenden Teilnehmer67 ist jedoch unvollkommen und nicht auf die Bedürfnisse eines potentiellen Kapitalgebers abgestimmt. Zum einen betrifft dieses gesetzliche Informationsregime von vornherein nicht die Finanzierung eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter. Hier muss sich der (potentielle) Kreditgeber erst im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Offenlegung des Jahresabschlusses „erkämpfen“. Selbst wenn die Offenlegung des Jahresabschlusses aufgrund einer Vereinbarung gelingt oder durch § 325 HGB gesetzlich angeordnet wird, ist die erlangte Information für die Abschätzung des Kreditrisikos nur bedingt geeignet. Die Bilanz ist – zumindest nach HGB-Grundätzen68 – weitgehend stichtags- und vergangenheitsbezogen. Eine unmittelbare Auskunft über die künftige Entwicklung des Unternehmens besteht kaum. Zwar sind drohende Verbindlichkeiten und Verluste gemäß § 249 HGB zu passivieren, künftige Forderungen und Erträge hingegen nicht. Das Bild, welches der Jahresabschluss von der Zukunft eines Unternehmens zeichnet, ist somit – dem Vorsichtsprinzip verpflichtet – tendenziell pessimistisch, so dass sich allein hierauf keine adäquate Risikoanalyse über die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Schuldners im Rückzahlungszeitpunkt anstellen lässt.

64 Zum Ganzen ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, 2001. 65 Auf die speziellen Informationsregelungen zu Gunsten der Arbeitnehmer (§ 106 Abs. 2 BetrVG) und die Informationspfl ichten nach Kapitalmarktrecht soll hier nicht weiter eingegangen werden. 66 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 260. 67 Statt anderer Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 325 Rn. 1. 68 Zur Entwicklung „vom deutschen zum internationalen Bilanzrecht“ und dem weitergehenden Informationsgehalt der International Accounting Standards (IAS) und der amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) im Hinblick auf den bilanziellen Ausweis künftiger Erträge statt anderer Bezzenberger, Kapital, S. 139 ff.

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Mittelbar bestätigt wird dieser Befund durch die aktuelle Diskussion um den sachgerechten Maßstab, Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften an ihre Mitglieder zu limitieren. Die im kontinentaleuropäischen Rechtskreis vorherrschende bilanzielle Betrachtung (sog. balance sheet test) gerät zunehmend unter Druck zu Gunsten eines liquiditätsorientierten Solvenztests (sog. solvency test) oder zumindest eines kombinierten Modells. 69 Dass die gesellschaftsrechtliche Diskussion noch keine konsensfähigen Ergebnisse hervorgebracht hat, liegt vor allem an der Konturenlosigkeit einer rechtlichen Vorgabe darüber, in welchem Zeitraum die Liquidität eines Unternehmens gewährleistet sein muss.70 Die in dieser Diskussion festzustellende Abhängigkeit von betriebswirtschaftlichen Erwägungen zur normativen Konkretisierung eines Solvenztests – eine Bedeutung, die der Betriebswirtschaftslehre als empirische, entscheidungsorientierte Wissenschaft überhaupt nicht zukommen kann71 – ist im hier interessierenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Aus Sicht des (potentiellen) Kreditgebers ist eine liquiditätsorientierte Betrachtung nämlich stets für den Zeitraum der jeweiligen Finanzierung anzustellen. Geht es zum Beispiel um die Gewährung eines Kredits mit zweijähriger Laufzeit, hat der Kreditgeber lediglich ein Interesse, dass das Schuldnerunternehmen in diesem Zeitraum fähig ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zur Befriedigung dieses hinsichtlich des Zeitraums ohne weiteres konkretisierbaren Informationsbedürfnisses bietet der bilanzielle Ansatz des freiwillig oder kraft zwingenden Rechts publizierten Jahresabschlusses wenig Anhaltspunkte. Der Kreditgeber ist daher aus nachvollziehbaren Gründen bemüht, vor Vertragsschluss die entsprechenden Liquiditätsplanungen vom Schuldner einzufordern und kritisch zu überprüfen. Dies setzt sich auch nach Ausreichung des Kredits fort, um eine negative Abweichung von der ursprünglichen Planung und Risikoeinschätzung zu erkennen und ggf. einen vorzeitigen Kapitalabzug herbeizuführen. Die als kreditvertragliche Nebenabrede vereinbarte Pflicht des Schuldnerunternehmens, im Vorfeld der Finanzierung die notwendigen Informationen bereit zu stellen und sie periodisch oder bei bestimmten Anlässen zu aktualisieren, ist somit zumindest für diejenigen Gläubiger, für die sich der

69 Vgl. hierzu nur Schön, EBOR 7 (2006), 181, Engert, ZHR 170 (2006), 296, 310 ff. und den Aktionsplan Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union vom 21. 5. 2003, KOM (2003), 284, eng. S. 20. 70 Exemplarisch für den rechtpolitischen Ansatz der bisherigen Diskussion und die Abwägung verschiedener möglicher Alternativen Engert, ZHR 170 (2006), 296, 325: „eine derartige Untergliederung [Anm.: nach verschiedenen Zeiträumen] kann der Gesetzgeber vorgeben, er könnte dies aber auch durch eine Generalklausel der Rechtsprechung überlassen“. Praktisch relevant wird dieser Konkretisierungsprozess bei der neuen Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsführer gemäß § 64 S. 3 E-GmbHG. 71 Vgl. nur die Ausführungen Drukarczyks zur Bestimmung der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Münch Komm InsO, § 17 Rn. 13 ff.

IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme

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Aufwand einer solchen Informationsbeschaffung und -analyse lohnt, ein sinnvolles Mittel, die Defizite der Bilanzpublizität zu kompensieren.72

2. Kompensation der Gefahr opportunistischen Verhaltens Ein weiterer Parameter des Kreditrisikos ist die Gefahr, dass der Schuldner hinter dem Rücken des Kreditgebers Maßnahmen ergreift, die die Rückzahlung des Kapitals gefährden.73 Man denke nur daran, dass die Eigentümer durch hohe Ausschüttungen versuchen, dem Unternehmen möglichst viel Kapital zu entziehen oder dass die Unternehmensleitung nach Ausreichung des Kredits ihre Strategie ändert und erheblich risikoreichere Geschäfte tätigt. Dieses typische Principal-Agent-Problem findet im Gesetz keine unmittelbare Anerkennung und erfährt konsequenterweise auch keine Lösung. Die vorhandenen Sorgfaltsanforderungen und Haftungsregeln wirken allein im Innenverhältnis der Unternehmen, also zu Gunsten der Eigentümer (vgl. nur § 43 GmbHG, § 93 AktG). Eine ausdrückliche Regelung, wonach der Kreditnehmer verpflichtet ist, auf die Rückzahlungsinteressen des Kreditgebers Rücksicht zu nehmen oder diese Interessen durch sein Verhalten aktiv zu wahren, besteht außerhalb des kritischen Stadiums der Insolvenzreife (vgl. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 64 Abs. 1 GmbHG) nicht. Insofern entspricht die Rechtslage in Deutschland zumindest im Ausgangspunkt der im US-amerikanischen Rechtskreis. Die Kreditgeber sind aufgrund der rudimentären gesetzlichen Bestimmungen gehalten, durch entsprechende Vertragsvereinbarungen eine – ggf. haftungsbewehrte – Loyalität des finanzierten Unternehmens und seiner Geschäftsleiter herzustellen. Hiermit soll freilich nicht gesagt werden, dass das deutsche Recht dem Darlehensnehmer keine entsprechenden Rücksichtnahme- oder Interessenwahrungspflichten zu Gunsten des Darlehensgebers aufbürden würde. Selbst wenn über die haftungsrechtlichen Generalklauseln gemäß § 280 Abs. 1 BGB bzw. §§ 823, 826 BGB bestimmte Nachlässigkeiten kompensiert werden könnten, wäre zumindest die Präventionswirkung dieses Sanktionsregimes wegen der Konturenlosigkeit der Tatbestände – Nebenpflichtverletzung, Rechtsguts- bzw. Schutzgesetzverletzung, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – gering. Ein Klauselwerk von detaillierten Verhaltenspflichten über Punkte, die dem Kreditgeber wichtig erscheinen, wirkt insofern effektiver. Auch im Bereich der gefährlichen hidden actions und des moral hazard kann es daher vorteilhaft sein, wenn der Kreditgeber darauf drängt, dass im Vertrag affirmative Covenants aufgenommen werden, die das Schuldnerunternehmen explizit zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichten.74 72 73 74

Klaus Schmidt, EBOR 7 (2006), 89, 90 f.; Merkt, EBOR 7 (2006), 95, 107 ff. Oben II. Kästle, Rechtsfragen, S. 29 ff.

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

3. Marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren? Die vorstehenden ökonomischen Erwägungen zielten darauf, mittels Covenantgestützter Frühwarnsysteme das Kreditrisiko des Kapitalgebers zu minimieren. Hierauf ist die Diskussion in der ökonomischen Theorie indessen nicht beschränkt. Besondere Bedeutung erlangt die Flexibilität bei der Ausgestaltung von Kreditvertrages, welche es ermöglicht, eine marktwirtschaftliche, a priori effizientere Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren zu schaffen.75 Die Ansätze gehen dabei soweit, mittels vertraglicher Vereinbarungen eine „Verfassung für den Krisenfall“ schaffen zu können, die gegenüber den durch die InsO vorgesehenen Restrukturierungsmöglichkeiten erhebliche Vorteile bietet.76 Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. a. Der gewünschte Vorrang der „stillen Sanierung“ Der Beitrag Thießens mit dem Titel „Covenants in Kreditverträgen: Alternative oder Ergänzung zum Insolvenzrecht?“77 beginnt mit einem Zitat aus einem interdisziplinären Gespräch zwischen Betriebswirten und Juristen im Jahr 1984 zur geplanten Insolvenzrechtsreform. Hierin heißt es: „Einmütigkeit bestand auch in der Erkenntnis, dass die stille Sanierung eines gefährdeten Unternehmens die beste Lösung ist. Die rechtzeitige Einleitung einer stillen Sanierung setzt ein innergesellschaftliches Frühwarnsystem voraus. Die Juristen erwarten von den Betriebswirten, dass sie solche Systeme entwickeln. Bei allen Skrupeln und aller Skepsis, operationale Kennzahlensysteme für alle Unternehmen aller Größen und aller Branchen entwickeln zu können, haben die Betriebswirte den Juristen wohl doch die Überzeugung vermittelt, ihre Erwartungen erfüllen zu können. Nicht zuletzt deshalb fand der Vorschlag, in Kreditverträgen Frühwarnsystem zu vereinbaren, Beachtung und Zustimmung“.78

Diese Einschätzung ist einerseits zu optimistisch, beinhaltet andererseits jedoch einen konsensfähigen Kern. Dass es „den Betriebswirten“ bisher immer noch nicht gelungen ist, ein normativ wirkendes Erklärungsmodell für die Beurtei75 Vor allem Thießen, ZBB 1996, 19, 19 ff.; Sundermeier/Wilhelm, DStR 1997, 1127, 1132.; speziell zu Konsortialkrediten Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 136 ff.; zum „effizienten Finanzierungsvertrag“ ausführlich Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 426 f. – Kritisch zur Bedeutung von Covenants im deutschen Recht Wittig, WM 1996, 1381, 1390; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.154a. – Zur „Wiederentdeckung der Unternehmenssanierung nach dem Zweiten Weltkrieg“ Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642 f. 76 Grundlegend Schwartz, A Contract Theory Approach to Business Bankruptcy, 107 Yale Law Journal, 1807, 1811; für das deutsche Recht grundlegend Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 123 ff.; vgl. auch Maus, DStR 2002, 1059, 1062: die außergerichtliche Sanierung ist geräuschloser, schneller, billiger; Wittig, NZI 1998, 49, 49 ff.; Drukarczyk/Kippes, in: Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 10: Kreditgeber als Impulsgeber. 77 Thießen, ZBB 1996, 19. 78 Editorial, ZfB-Diskussionsforum, ZfB 1984, 60.

IV. Die Leistungsfähigkeit Covenant-gestützter Frühwarnsysteme

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lung unternehmerischen Handelns zu entwickeln, sei nur anhand der nach wie vor kontrovers geführten Diskussion um das Vorliegen insolvenzrechtlich relevanter Zahlungsunfähigkeit iSv. §§ 17 f. InsO79 oder um die Frage, wann ein möglicherweise die Geschäftsführerhaftung auslösender Solvenz-Test missachtet wurde, 80 demonstriert. Die Rechtswissenschaft hat bereits wegen der Vielfalt der vorhandenen Modelle nach wie vor aus guten Gründen Schwierigkeiten, die „Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung“81 oder eine auf einen betriebswirtschaftlich definierten Zeitraum bezogene Liquiditätsrechnung als verbindliche Größen anzuerkennen und zur Grundlage normativer Verhaltensanforderungen zu machen. 82 Wegen der empirisch-entscheidungsorientierten Vorgehensweise der Betriebswirtschaftslehre bestehen daher nach wie vor die im Eingangszitat erwähnten Zweifel, ob es „den Betriebswirten“ jemals gelingen wird, „die Juristen“ insofern zu überzeugen. Auf der anderen Seite bringt das eingangs genannte Zitat ein beachtliches Phänomen zum Ausdruck: Die Praxis weiß Modelle anzuwenden, die sich als Frühwarnsysteme charakterisieren lassen. Ob diese Modelle verbindlich sind und sich über die jeweiligen Einzelfälle hinaus verallgemeinern lassen, ist zunächst unerheblich. Das Bedürfnis der Praxis, eine Unternehmenskrise im Vorfeld der Insolvenz zu erkennen mittels einer stillen Sanierung zu beheben, ist Anlass genug, diese Entwicklung ernst zu nehmen und nach den Ursachen und Folgen dieser Entwicklung zu fragen. Immerhin scheint das die Insolvenz definierende und den Beteiligten ein staatlich überwachtes Verfahren auferlegendes Insolvenzrecht nicht ausreichend zu sein, diese Bedürfnisse des Finanzierungsmarktes zu befriedigen. Die sich wandelnde Rolle des Fremdkapitalgebers und die hiermit einhergehende enge Verbindung zum finanzierten Unternehmen zwingt daher, die rechtliche Behandlung Covenant-unterlegter Unternehmensfinanzierungen auch mit der Frage zu verknüpfen, ob das bestehende Insolvenzrecht ein marktorientierter Regelungsrahmen83 ist, die Bedürfnisse des Finanzierungsmarktes nach einer frühzeitigen Krisenerkennung und Krisenbewältigung adäquat zu befriedigen.

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Hierzu ausführlich unten § 8 I 3. Die verschiedenen Modelle vorstellend statt anderer Engert, ZHR 170 (2006), 296, 325. 81 Hierzu ausführlich von Werder, ZfbF 1996, 27; Überblick bei Seidl, Auditing Lexikon, S. 606 ff. 82 Pointiert Hopt/Roth, in GroßKomm AktG, § 111 Rn. 13, wonach die betriebswirtschaftlich begründeten Versuche für die Konkretisierung der geschuldeten Sorgfalt „untauglich“ seien; ähnlich für bereits für die Haftung des Vorstands Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 107 f. 83 Auf die zunehmende Bedeutung einer „Marktorientierung des Rechts“ weist jüngst Eidenmüller hin (ZGR 2007, 484, 487 f.). 80

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

b. Größere Flexibilität privatautonomer Regelungen Ein weiterer Vorteil Covenant-gestützter Frühwarnsysteme ist die größere Flexibilität vertraglicher Lösungen. Die InsO ist branchen- und risikoneutral. Sieht man von dem besonderen Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) für Kapitalgesellschaften und der nur dort bestehenden Insolvenzantragspflicht (§ 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG, §§ 130 a, 177 a HGB bzw. künftig § 15 a E-InsO84) ab, ist sie zudem rechtsformneutral und bietet damit einen einheitlichen Rahmen für alle Unternehmensinsolvenzen. Eine differenzierte Betrachtung der Bonität des Kreditnehmers, der Branche oder des zu finanzierenden Projekts findet im Vorfeld der Insolvenz aus insolvenzrechtlicher Sicht nicht statt. Demgegenüber können vertragliche Klauseln über die Früherkennung und Bewältigung von Unternehmenskrisen adäquat auf den Einzelfall abgestimmt sein. Die durch Covenants definierten Auslösezeitpunkte (Breach of Covenants) können für jede Branche, jedes Unternehmen und jeden Kreditvertrag maßgeschneidert werden. 85 Empirische Untersuchungen der Covenants im US-amerikanischen Kreditgeschäft machen dies deutlich. Im Jahr 1980 konnten bei mehr als 80 Kreditverträgen keine zwei identischen Versionen ermittelt werden. 86 Insbesondere die sog. designated events, also die Voraussetzungen, an deren Eintritt oder Nichteintritt besondere Rechtsfolgen geknüpft sind, werden dort entgegen dem Trend, durch die Vereinheitlichung von Vertragsklauseln Transaktionskosten zu sparen, nicht standardisiert, sondern einzelfallbezogen festgelegt. 87 Auch dieser – zumindest im Ausgangspunkt mit einem Vorrang der Privatautonomie – zu rechtfertigende Aspekt bedingt es daher, die sich abzeichnenden Entwicklungen der Finanzierungspraxis Ernst zu nehmen und mit marktorientierten Regeln rechtlich zu begleiten. Dass es hierbei nicht darum gehen kann, die Entwicklung unter Hinweis auf eine „nicht importfähige“, im angloamerikanischen Rechtskreis verwurzelte Praxis in „Bausch und Bogen“ zu missbilligen oder umgekehrt schrankenlos hinzunehmen, liegt auf der Hand. Die Vorteile privatautonomer Regelungen sind vielmehr daran zu messen, ob die der prinzipiellen Anerkennung zugrunde liegende Richtigkeitsgewähr88 in concreto 84 Vgl. Art. 9 Nr. 3 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 für ein Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BR-Drs. 354/07, S. 55 (abgedruckt in ZIP 2007, 3); identisch Art. 9 Nr. 3 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 85 Thießen, ZBB 1996, 19, 30; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 426 f. 86 Press, Eric/Weintrop, Joseph, Accounting-Based Constraints in Public and Private Debt Agreements, in Journal of Accounting and Economics, 1990, Heft 12, 65, 71 ff. 87 Duke, Joanne/Hunt, Herbert, An Empirical Examination od Debt Covenant Restrictions ans Accounting-Related Debt Proxies, in: Journal of Accounting and Economics, 1990, Nr. 12, 45, 55 ff. 88 So für den Vertrag grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130.

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Geltung beansprucht oder ob die Ausübung der Privatautonomie nicht gesetzliche Schranken erfordert, um bestimmte Schutzinteressen zu verwirklichen. c. Vorverlagerung des Einsatzzeitpunkts zur Krisenbewältigung Weiterhin für vorteilhaft erachtet wird die mittels vertraglicher Abreden ermöglichte Vorverlagerung des Zeitpunkts der Krise. 89 Wie sich noch zeigen wird, greifen die Insolvenzgründe in der Praxis meist erst ein, wenn sich die finanzielle Situation des Schuldners so sehr verschlechtert hat, dass das Insolvenzverfahren nur darauf gerichtet sein kann, eine Knappheit zu verwalten. Alternative Verfahren, wie zum Beispiel die sog. Diskriminanzanalyse90 und das Insolvenzdiagnose-Expertensystem IDEX91, können demgegenüber zu einem früheren Zeitpunkt kritische Entwicklungen sichtbar machen und auf diese Weise einen geeigneten Zeitpunkt für den Beginn spezifischer Sanierungsbemühungen zu definieren, damit es erst gar nicht zur Insolvenz kommt. Eine von Thießen durchgeführte Befragung von Bankenvertretern bestätigt aus deren Sicht die Effektivität dieser Vorverlagerung des Krisenzeitpunkts.92 Hiernach kommt es nur selten vor, dass die Insolvenz eintritt, bevor einer der vereinbarten Covenants ausgelöst hat. In der Bankenpraxis besteht vielmehr einhellige Zufriedenheit über die Verwendung solcher Gestaltungen. Die mit dem Einsatz von Covenants hervorgerufene Minderung des Kreditrisikos überwiegt bei weitem die durch die Vereinbarung von Covenants und deren Überwachung verursachten Verwaltungskosten.93 Dies liegt vor allem daran, dass durch die frühzeitige Auslösung von Mechanismen zur Krisenbewältigung (weitere) substanzvernichtende Maßnahmen des Managements verhindert werden könnten. Dieser positiven Einschätzung lässt sich freilich entgegenhalten, dass die verwendeten Methoden zur Früherkennung einer Unternehmenskrise weder normativ begründet sind noch allgemeine Akzeptanz in der Kreditpraxis fi nden.94 Für die Praxis spielt es indessen wiederum keine Rolle, auf einen normativ wir89 Kästle, Rechtfragen, S. 34 f.: Covenants als Frühwarnsystem. Vgl. auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 687 ff.; Drukarcyk/Kippes, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 10: „Kreditgeber als Impulsgeber“. 90 Einzelheiten bei Drukarczyk, WM 1992, 1136, 1141 (m. w. N.). Kritisch zu diesem auf Zahlenmaterial oder Vergangenheit aufbauenden Verfahren Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.154 a. 91 Rödl/Weiß, Insolvenzrisiken, S. 69 ff. 92 Thießen, ZBB 1996, 19, 29. 93 Vgl. Thießen, ZBB 1996, 19, 29, der auch darauf hinweist, dass es in England auch negative Erfahrungen mit einem den Covenants ähnlichen Insolvenzverfahrenszweig („administrative receivership“) gebe. 94 Kritisch gegenüber der Ermittlung einer bestimmten Insolvenzwahrscheinlichkeit als maßgeblicher Auslösezeitpunkt für außergerichtliche Sanierungen aber Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 700 ff.

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kenden Katalog von Indikatoren als Vorboten einer drohenden Insolvenz zurückgreifen zu können. Die akzeptierten Indikatoren bilden sich vielmehr erst durch die Praxis heraus und unterliegen insofern einem steten Fluss. Auch ist keinesfalls gesichert, dass ein Indikator bei seiner erstmaligen Anwendung wirklich zutreffend ist. Standards, welche Umstände sich im nachhinein als Indiz für eine spätere Insolvenz darstellen, können im Regelfall erst nach einer längeren Praxis definiert werden.95 Diese Konturenlosigkeit darf daher nicht dazu führen, diese Praxis von vornherein nicht ernst zu nehmen. Die von der ökonomischen Theorie der Praxis unterstellte Motivation, mittels Covenants oder einer Einflussnahme auf den Schuldner eine Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen, muss man im Ausgangspunkt das Vertrauen schenken, dass ihr dies auch gelingt. Dies gilt jedenfalls solange, als dieser Ansatz im Einklang mit dem Insolvenzziel der Gläubigerbefriedigung gemäß § 1 InsO steht. Es muss nicht näher begründet werden, dass eine vollständige Gläubigerbefriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens auch aus der Perspektive des Insolvenzrechts dem Insolvenzverfahren vorzuziehen ist. Eine mittels Covenant-gestützter Frühwarnsysteme erfolgende Vorverlagerung des Erkennens einer Unternehmenskrise ist somit auch rechtlich prinzipiell gut zu heißen. d. Der Breach of Covenants als Chance zur Korrektur von Fehlentwicklungen Thießen führt weiter an, das System der Covenants sei vorteilhaft, weil die Gläubiger mit seiner Hilfe mehr Mitwirkungsrechte erlangen könnten.96 Die aus einem Breach of Covenants begünstigten sog. berechtigten Gläubiger hätten die Möglichkeit, mit der Drohung des Rückzugs der Mittel die Bedingungen der Kapitalüberlassung neu zu verhandeln.97 Dass dieses Drohpotential durchaus ernst zu nehmen ist, zeigen die Entwicklungen in der Kreditpraxis. „Typische Verhandlungsergebnisse“ im Anschluss an einen Breach of Covenants seien daher die Bezahlung sog. waiver fees durch den Schuldner für die Abgabe von Verzichtserklärungen seitens des berechtigten Gläubigers, die Vereinbarung höherer Zinssätze, die Gewährung zusätzlicher warrants (Garantieerklärungen) durch den Schuldner, die Stellung zusätzlicher Sicherheiten oder die 95 Insofern erscheint es durchaus als sachgerecht, wenn Eidenmüller das subjektiv determinierte und kaum justiziable Reorganisationsverlangen eines an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zum sinnvollen Ausgangspunkt der stillen Sanierung anerkennt (Unternehmenssanierung, S. 704 ff.). – Eine andere (zu verneinende) Frage ist freilich, ob von diesem Verlangen das Entstehen von Kooperationspflichten abhängig gemacht werden kann (hierzu ausführlich unten § 7). 96 Thießen, ZBB 1996, 19, 22; vgl. auch Kästle, Rechtfragen, S. 35 f. 97 Zu diesem System des „exit and voice“ aus US-amerikanischer Perspektive grundlegend Albert O. Hirschman, Exit, Voice and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations and States, 1970; vgl. auch Daniels/Triantis, The Role of Debt in Interactive Corporate Governance, Cal. L. Rev. 83 (1995), 1073 ff.

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Einwirkung des berechtigten Gläubigers auf das Management, die Unternehmensstrategie zu verbessern.98 Letzteres sei der besondere Reiz von Covenants. Je nachdem, wie stark der Kapitalnehmer auf das Kapital des Kapitalgebers angewiesen sei, würden mehr oder weniger viele der möglichen Unternehmensstrategien nicht mehr gegen dessen Willen durchgesetzt werden können: Der berechtigte Gläubiger bestimmt die Unternehmenspolitik mit, er kann – ggf. mit Hilfe externer (Sanierungs-)Berater – eigene Vorstellungen durchsetzen.99 Die zukünftigen Zahlungsströme des Unternehmens werden von seinen Entscheidungen abhängig.100 Auch dem ist zumindest im Ausgangspunkt zuzustimmen. Eine Unternehmenskrise ist oftmals durch das Fehlverhalten der bisherigen Entscheidungsträger im Unternehmen verursacht worden („managerial slack“101). Eine frühzeitige Korrektur solcher – möglicherweise aus reiner Nachlässigkeit – entstandener Fehlentwicklungen kann daher ein geeignetes Mittel sein, die Unternehmenskrise nicht zur Unternehmensinsolvenz ausweiten zu lassen. Der Gesetzgeber hat dies mittelbar anerkannt, indem er ein Sanierungsdarlehen eines neu eintretenden Gesellschafters von den Eigenkapitalersatzregeln freistellt (vgl. § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG bzw. künftig § 39 Abs. 4 E-InsO) 102 . Der „Ruck“, der durch den neuen Miteigentümer und seine neuen unternehmerischen Konzepte ausgelöst wird, rechtfertigt hiernach eine Privilegierung gegenüber der an sich bestehenden Finanzierungsverantwortung.103 e. Covenants als Disziplinierung der Entscheidungsträger Die mit den Covenants erlangten Einwirkungsrechte der Gläubiger auf die unternehmerischen Entscheidungen sind aus ökonomischer Sicht zudem ein sinnvoller Beitrag, das auch im Verhältnis zwischen den Entscheidungsträgern im Unternehmen und den Gläubigern bestehende Principal-Agent-Problem zu bewältigen. So hat insbesondere Franke herausgearbeitet, dass eine Covenant-gestützte Krisenerkennung im Vorfeld der Insolvenz die Möglichkeit bietet, das 98

Thießen, ZBB 1996, 19, 22. Vgl. zur Sanierungsberatung Maus, DStR 2002, 1059, 1060: „Der Einsatz eines im Insolvenzrecht und in der Insolvenzabwicklung erfahrenen Beraters ist unerlässlich. (. . .) Nur der hochqualifizierte Berater mit langjähriger Berufserfahrung ist in der Lage, in der regelmäßig nur sehr knapp bemessenen Zeit zu entscheiden, ob eine Sanierung gelingen kann oder ob besser der geordnete Rückzug anzutreten ist“. 100 Thießen, ZBB 1996, 19, 22. 101 Daniels/Triantis, The Role of Debt in Interactive Corporate Governance, Cal. L. Rev. 83 (1995), 1073, 1079. 102 Art. 9 Nr. 5 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 für ein Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BR-Drs. 354/07, S. 55 (abgedruckt in ZIP 2007, 3); identisch Art. 9 Nr. 5 b der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 103 Hierzu noch ausführlich unten § 16 VIII. 99

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

Management zu disziplinieren und bisherige Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren.104 Ausgangspunkt seines Ansatzes ist wiederum das bei allen fremdfinanzierten Unternehmen anzutreffende Auseinanderfallen von Haftung und Verfügungsmacht.105 Das Unternehmen wird von Personen geleitet, die die Folgen ihrer Entscheidungen nur partiell treffen. Bei eigentümergeführten Unternehmen wie den Personengesellschaften, beim Einzelkaufmann oder Einzelunternehmer betreffen die Entscheidungen nicht allein den Eigenkapitalgeber, sondern auch die sonstigen Gläubiger. Bei fremdorganschaftlich organisierten Unternehmensträgern wie AG und GmbH ist dieses Auseinanderfallen auf doppelte Weise vermittelt. Die Geschäfte werden im Regelfall von einem professionellen Management geführt, die Folgen der Entscheidung treffen die Eigen- und Fremdkapitalgeber. Der im Verhältnis zwischen Unternehmenseigentümer und Management bekannte Principal-Agent-Konflikt106 gilt so gleichermaßen im Verhältnis zu den Gläubigern: Die Entscheidungsträger sind stets dem Konflikt von Eigen- und Drittinteressen ausgesetzt. Die Dritten vertrauen darauf, dass die Entscheidungsträger ihre Interessen angemessen mitberücksichtigen und müssen dies ggf. besonders sicherstellen. Bezogen auf den Auslösezeitpunkt für das Insolvenzverfahren können hieraus Gefahren für die Verwirklichung des durch Antragsprinzip und Insolvenzantragspflicht zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Anliegens, auf eine frühzeitige Verfahrenseröffnung hinzuwirken, resultieren. Die Entscheidungsträger im Unternehmen haben naturgemäß ein Interesse, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem hiermit verbundenen Verlust der Herrschaftsmacht (vgl. § 80 I InsO) möglichst lange hinauszuzögern. So liegt es nahe, dass sie ihr Handeln vielfach davon abhängig machen, welche Vorteile sie selbst aus dem Hinauszögern des Insolvenzverfahrens ziehen können, etwa durch den längeren Bezug von Gehältern oder der Erhalt der Stellung an sich.107 Diese Anreize können die Entscheidungsfindung der Unternehmenseigentümer oder Manager dahingehend beeinflussen, zum eigenen Vorteil und damit möglicherweise auf Kosten der Fremdkapitalgeber zu handeln.108 Die den Gläubigerinter104 Franke, ZfB 1984, 54 (1984), 160, 161 ff.; aus US-amerikanischer Perspektive grundlegend Daniels/Triantis, The Role of Debt in Interactive Corporate Governance, Cal. L. Rev. 83 (1995), 1073, 1079. – Zur Unternehmensfinanzierung als Prinzipal-Agenten-Beziehung ausführlich Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 428 ff. 105 Dazu im Hinblick auf die Frage der rechtzeitigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch R. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrecht, S. 61 ff.; Drukarczyk, ZfB 51 (1977), 235, 248 ff. 106 Grundlegend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 306. 107 Fastrich spricht am Beispiel des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH treffend von der Selbsttäuschung der Entscheidungsträger (DStR 2006, 656, 661). 108 Zum Interessenkonflikt zwischen den verschiedenen Gruppen von Kapitalgebern früher bereits Franke, KTS 44 (1982), 37, 40 ff.

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essen zu Grunde liegende Erwartung, dass das Handeln der Entscheidungsträger im Unternehmen auf die Unternehmenswertmaximierung gerichtet ist, kann daher in besonderem Maße im Vorfeld einer (drohenden) Insolvenz enttäuscht werden. Auch insofern bietet eine durch Covenants begründete enge Pflichtenbindung des Managements sowie die Einräumung weitgehender Kontroll- und Mitwirkungsrechte für die Gläubiger einen Ansatz, den PrincipalAgent-Konflikt durch die Ausgestaltungen der Finanzierungsbeziehungen, die das Risiko des moral hazard und damit der Agency-Kosten senken, zu vermindern. 109 f. Rechtsformspezifische Einschränkungen? Hierbei ergeben sich auch keine prinzipiellen Einschränkungen im Hinblick auf die Rechtsform des Unternehmensträgers. Die aus der Perspektive des Kapitalgebers zu beurteilende Vorteilhaftigkeit Covenant-gestützter Finanzierungsbeiträge gilt sowohl für die Einzelunternehmen als auch für die Personenund Kapitalgesellschaften. aa. Krisenanfälligkeit der Einzelunternehmen und Personengesellschaften So ließe sich zwar anführen, die persönliche Haftung des Einzelunternehmers würde von vornherein die Gewähr dafür bieten, dass ein von ihm betriebenes Unternehmen überhaupt nicht in die Unternehmenskrise oder gar Insolvenz gelangen könnte. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die schrankenlose Selbstbetroffenheit als Richtigkeitsgewähr zur Senkung des leistungswirtschaftlichen Risikos, wovon auch die Gläubiger profitieren, nicht überinterpretiert werden darf. Die „Rechtsform Einzelunternehmen“ nimmt mit 30–40% seit jeher Platz zwei der Insolvenzstatistiken ein (nach der GmbH).110 Die persönliche Haftung gewährleistet somit nicht zwingend, dass es dem Unternehmer gelingt, die Zahlungsfähigkeit iSv. § 18 InsO aufrecht zu erhalten oder keine unvertretbaren Risiken einzugehen. Die massearme bzw. masselose Insolvenz ist trotz dieses scheinbar optimalen Schutzes keineswegs ausgeschlossen. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Unternehmer die Möglichkeit hat, Vermögensgegenstände auf andere Rechtsträger, zum Beispiel nahe Angehörige, zu übertragen und auf diese Weise dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Die Insolvenzanfechtung mit ihren Verschärfungen für nahestehende Personen gemäß § 138 Abs. 1 InsO vermag zwar den letztgenannten Aspekt zu relativieren. Dennoch darf hieraus nicht geschlossen werden, dass die Fremdkapitalgeber keine Anreize hätten, auf die Steuerung des Unternehmens Einfluss zu 109

Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 532 ff. Ulmer, in GroßKomm GmbHG, Einl. A 91; Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung, Bericht „Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen 2006“, S. 15. 110

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nehmen und hierüber das Kreditrisiko kalkulierbarer zu machen. Insbesondere beim Einzelunternehmen ist es oftmals so, dass der Inhaber zwar eine „gute Geschäftsidee“ hat, ihm aber das notwendige Wissen fehlt, diese im Rahmen eines geordneten Geschäftsbetriebs erfolgreich umzusetzen. Der beim Einzelunternehmen auf den ersten Blick entstehende Eindruck, dass der Unternehmer aufgrund der ihn allein treffenden Haftungsrisiken zwangsläufig ein florierendes Unternehmen betreibt, ist daher vielfach Utopie. Fehlt das Kapital, sich das notwendige Wissen über eine ordnungsgemäße Unternehmensführung durch Einstellung von Experten oder Beratern zu kaufen, ist es aus Sicht der Fremdkapitalgeber möglicherweise gerade notwendig, das Unternehmen „an die kurze Leine“ zu nehmen, um eine Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und hierauf adäquat zu reagieren. Die in der ökonomischen Theorie vorgebrachten positiven Effekte einer externen Corporate Governance kommen somit auch – möglicherweise sogar gerade – beim Einzelunternehmen zum Tragen. Für die Personengesellschaften gilt im Regelfall das Gleiche. Auch hier besteht zwar aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter gemäß § 128 HGB eine berechtigte Erwartung, dass keine unvertretbaren Risiken eingegangen werden. Der Grundsatz der Selbstorganschaft, wonach die Geschäftsführung gemäß § 114 HGB zwingend den Gesellschaftern obliegt,111 birgt jedoch die bereits für das Einzelunternehmen skizzierten Gefahren. Die Gesellschafter einer vor allem im kleinen und mittleren Unternehmensbereich anzutreffenden OHG und KG haben möglicherweise die fachliche Expertise, die Geschäftsidee umzusetzen und weiterzuentwickeln, nicht aber die notwendigen Fähigkeiten im kaufmännischen bzw. betriebswirtschaftlichen Bereich. Ein gesellschaftergesteuertes Familienunternehmen ist daher aus Sicht der Fremdkapitalgeber ebenso krisenanfällig wie ein Einzelunternehmen. bb. Überwachungsdefizite beim Fremdorgan Man könnte nun anführen, diese Probleme stellten sich zumindest bei den Kapitalgesellschaften nicht, weil das Unternehmen wegen der hier zulässigen Fremdorganschaft (vgl. § 6 Abs. 3 S. 1 GmbHG112) im Regelfall von fachkundigen Personen geführt wird. Hierbei würde jedoch verkannt, dass dies nicht der Regelfall ist. Insbesondere bei der GmbH als Rechtsform für den Mittelstand113 wird von der Möglichkeit der Fremdorganschaft oftmals kein Gebrauch gemacht, so dass der oder die Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind. Selbst wenn dies wie im Regelfall bei der AG nicht der Fall ist, darf dort jedoch nicht übersehen werden, dass fremdorganschaftlich geführte Unternehmen ein 111 112 113

Statt anderer K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2. Dies gilt bei der AG gleichermaßen (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2 a). Vgl. nur Fastrich, DStR 2006, 656; Ulmer, in GroßKomm GmbHG, Einl A 77.

V. Zusammenfassung

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anderes Risiko in sich bergen. Die Einschaltung eines Experten von Seiten der Eigentümer ist entweder dadurch motiviert, dass die Eigentümer über die notwendige Expertise nicht verfügen, oder – wie bei den Publikumsgesellschaften – dass sie aus nachvollziehbaren Gründen kein Interesse daran haben, sich mit den Einzelheiten einer sachgerechten unternehmerischen Entscheidung auseinander zu setzen.114 Die Konsequenzen dieser Motivation, sich fachkundige Unternehmensleiter als Drittorgane einzukaufen, zeigen sich bei der Überwachung. Es liegt nahe, dass diejenigen, die sich die Unternehmensleitung nicht zutrauen oder diese nicht selbst wahrnehmen wollen, nicht über ausreichende Fähigkeiten bzw. den Willen verfügen, die in ihrem Interesse handelnden Fremdorgane sachgerecht zu überwachen. Hieran ändert auch wenig, dass es für die Überwachung in Form des Aufsichtsrats bei der AG ein besonderes Organ gibt. Da hierbei wiederum der Grundsatz der Fremdorganschaft gilt, wird das Prinzipal-Agenten-Problem letztlich nur um eine Komponente in der Zurechnungskette erweitert. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber spricht daher auch bei GmbH und AG als Unternehmensträger Vieles dafür, die Unternehmensleitung ihren Bedürfnissen entsprechend unmittelbar zu disziplinieren, mithin nicht darauf zu vertrauen, dass die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung dafür Sorge trägt, ihre Interessen mit zu berücksichtigen.

V. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben ein Bild davon vermittelt, welche Vorteile Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge haben. Indem der Fremdkapitalgeber das leistungswirtschaftliche Risiko über den Erfolg eines Investitionsprojekts mit trägt, besteht die Gefahr, dass das Unternehmen nicht in der Lage ist, die Rückzahlung des hingegebenen Kapitals und des vereinbarten Zinses zu leisten. Bei Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung besteht die zudem Gefahr, dass notwendigen Parameter für die Gewährung dieser Prämie nicht erreicht werden. Der Fremdkapitalgeber hat dieses Kreditrisiko ex ante zu beurteilen und ist wie die Eigentümer des Unternehmens daran interessiert, dass die der Finanzierung zu Grunde liegenden prognostizierten Einzahlungsüberschüsse tatsächlich erzielt werden. Bei der Unternehmensfinanzierung besteht insofern ein Interessengleichlauf zwischen allen Kapitalgebern. Wegen des Problems asymmetrischer Information ist das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber jedoch größer als das der Eigentümer. Ihre formale Stellung als Nichteigentümer bedingt, dass sie nicht über dieselben Informationen über das Unternehmen verfügen wie die Eigentümer. Dieses Informationsdefizit be114 Zur rationalen Apathie der Publikumsaktionäre Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 232 ff.

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§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge

gründet die Gefahr, dass der Fremdkapitalgeber die das Kreditrisiko ausmachenden Umstände nicht erkennt. Darüber hinaus bedingt die Stellung der Fremdkapitalgeber als Nichteigentümer, dass sie keinen Einfluss auf die Unternehmensführung haben. Hieraus resultiert die Gefahr, dass die Eigentümer und die ihnen verpflichteten Sachwalter bei der Unternehmensleitung opportunistisch handeln und die Interessen der schlecht informierten Fremdkapitalgeber missachten. Aus Sicht der ökonomischen Theorie begründet das Problem asymmetrischer Information die Gefahr eines Marktversagens. Die Kreditsuchenden haben wegen des Misstrauens der Fremdkapitalgeber immer weniger Anreize, ihre Bonität zu steigern. Die Fremdkapitalgeber haben immer weniger Anreize, sich an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen. Dass diese die Kreditversorgung von Unternehmens beeinträchtigende Abwärtsspirale (Kreditrationierung) realiter keinen Zusammenbruch des Finanzierungsmarktes hervorruft, liegt an den verschiedenen Möglichkeiten, das Problem asymmetrischer Information zu lösen. Diese bieten aus Sicht des Kapitalgebers jedoch nur einen unvollkommenen Schutz. Nach dem Signaling-Modell sind die Finanzierungsbeiträge der Eigentümer und die Beachtung der Finanzierungsregeln zwar gute Strategien des Kreditgebers, das Vertrauen der Fremdkapitalgeber zu gewinnen. Sie können jedoch auch umgekehrt darauf hindeuten, dass das leistungswirtschaftliche Risiko besonders hoch ist. Auch die Versicherung des Kreditrisikos über den Zins und die Bestellung von Sicherheiten als Gegenstrategien des Kreditgebers bringen vielfach nicht den gewünschten Erfolg. Verlangen die Fremdkapitalgeber wegen des Problems asymmetrischer Information und der Gefahr opportunistischen Verhaltens hohe Zinsen, werden infolge der adversen Selektion wiederum vermehrt Schuldner mit schlechter Bonität angezogen, so dass die hiermit in Gang gesetzte Zinsspirale letztlich funktionslos wird und die Grenze zum Wucher gemäß § 138 Abs. 2 BGB zu überschreiten droht. Das Verlangen nach Sicherheiten ist nicht nur kostspielig und von Bewertungsunsicherheiten geprägt, es widerspricht vor allem der wirtschaftlichen Motivation der Fremdkapitalgeber, ein kalkulierbares Risiko gegen angemessene Vergütung einzugehen. Zumindest als Ergänzung ist es daher eine sinnvolle Möglichkeit, das finanzierte Unternehmen zu überwachen und auf die Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen, damit das leistungswirtschaftliche Risiko kalkulierbar bleibt. Hierüber können einerseits Informationsasymmetrien beseitigt werden. Anstelle des generellen, weitgehend stichtagsbezogenen und retrospektiven Ansatzes der Bilanzpublizität besteht die Möglichkeit, zu Gunsten des Fremdkapitalgebers ein individuelles Regime von Informationsrechten zu etablieren, welches er zur Kalkulation und Überwachung seines Kreditrisikos benötigt. Zum anderen besteht die Möglichkeit, illoyales Verhalten der Eigentümer bzw. der ihnen zu Interessenwahrung verpflichteten Organe frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Als Mittel zur Sicherung des Rückzahlungsinteresses des Fremdkapi-

V. Zusammenfassung

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talgebers können Covenant-gestützte Finanzierungsverträge vor allem auch eine sinnvolle, auf die Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens zugeschnittene Möglichkeit sein, eine sich abzeichnende Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und außerhalb des staatlichen Insolvenzverfahrens zu beseitigen. Die Flexibilität vertraglicher Abreden, die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Krise als Ansatz für Reorganisationsvorhaben und die Möglichkeit, über den breach of Covenant Fehlentwicklungen zu korrigieren, werden in der ökonomischen Theorie so für alle Unternehmensformen als vorzugswürdige marktwirtschaftliche Alternativen zur Krisenbewältigung und Gläubigerbefriedigung gemäß den Regelungen der InsO gesehen.

§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen für die Bewältigung vergleichbarer Principal-Agent-Probleme und Interessenkonflikte Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, aus welchen Gründen die ökonomische Theorie Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als ein effektives und wegen der Flexibilität privatautonomer Ausgestaltung effizientes Mittel zur Kompensation des Kreditrisikos durch frühzeitige Krisenerkennung und -bewältigung ansieht. Die ökonomischen Erwägungen sind damit sicher „Motor“ der Finanzierungspraxis und möglicherweise ein Grund für die mit der zunehmenden Flexibilisierung der Finanzierungsinstrumente einhergehenden Verringerung der Unternehmensinsolvenzen.1 Diese Entwicklung und die dahinterstehenden Erwägungen dürfen indessen nicht unreflektiert als Grundlage einer rechtlichen Beurteilung herangezogen werden. Bei den innovativen Finanzierungsformen rücken Geldgeber, finanziertes Unternehmen und dessen Eigentümer nämlich nur auf den ersten Blick enger zusammen, ziehen gleichsam an einem Strang, verteilen das Kreditrisiko angemessen und wollen es im gemeinsamen Interesse gar nicht zur Insolvenz kommen lassen. Dies ist keineswegs zwingend. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die zunehmend flexibel und individuell ausgestalteten Kredit- und Finanzierungsverträge innerhalb der verschiedenen in einem Unternehmen im wirtschaftlichen Sinne vereinten Interessenträger – Shareholder und Stakeholder 2 – Interessenkonflikte hervorrufen können, die die Rechtsordnung als Regelungsproblem anerkennt, jedoch auf einer anderen Ebene zu bewältigen sucht. Fleischer hat die jüngere Finanzierungspraxis insofern zutreffend als Funktionenvermischung 1 Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in der Vergangenheit stets angestiegen ist, zeichnet sich seit 2003 eine Trendwende ab (Einzelheiten bei Creditreform Wirtschaftsforschung, Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, Stand 30. 11. 2006, abrufbar unter www.creditreform.de; vgl. auch S. Z. vom 9. 2. 2007, S. 34: „Niedrigste Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit sechs Jahren“). 2 So die mittlerweile gängige terminologische Differenzierung von Eigentümern und Dritten (Gläubiger, Arbeitnehmer). Grundlegend für die Denkfigur des „Unternehmens an sich“ Haussmann, Aktienwesen, S. 27 ff.; Ballerstedt, JZ 1951, 486; hierzu aus Sicht der verbandsrechtlichen Perspektive des Aktienrechts kritisch Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 43 ff.; vgl. aus aber Engert, FS Heldrich, 2005, 87, 87 ff. Zur angelsächsisch geprägten Theorie der Unternehmung als Vertragsbündel Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1042 ff.; hierzu kritisch Zöllner, AG 2003, 2, 10 f.

I. Konfl igierende Interessen von Fremdkapitalgeber und Unternehmen

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charakterisiert: Eine Fremdfinanzierung, die dem Kapitalgeber ermöglicht, unternehmerische Entscheidungen durch weitreichende Covenants zu beeinflussen, verbindet die Rolle eines Fremdkapitalgebers mit der eines Unternehmers.3

I. Konfligierende Interessen von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen bzw. dessen Eigentümern Lässt sich der Kapitalgeber mittels Covenants umfangreiche Informations- und Einwirkungsrechte einräumen, ist dies im Ausgangspunkt auch für das Unternehmen günstig. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Unterwerfung unter ein detailliertes Covenant-Regime gerade bei schlechten Schuldnern oftmals der einzige Weg ist, überhaupt an Fremdkapital zu kommen.4 Auch für Unternehmen mit guter Bonität kann die Billigung von Covenants ein Mittel sein, die Zinslast zu verringern und weiterhin über genügend freie Sicherheiten zu verfügen. Schließlich ist es aus Sicht des Unternehmens vielfach vorteilhaft, im Fremdkapitalgeber einen Experten zur Seite zu haben, der die eigenen Defizite einer „guten“ Unternehmensführung kompensiert. Definiert der Fremdkapitalgeber zum Beispiel Zielgrößen, die für den Fortbestand der Finanzierung einzuhalten sind, wird die Unternehmensleitung vor allem im sog. Mittelstand oftmals darauf vertrauen, dass diese Vertragsbindung auch dem Unternehmen und seinen Eigentümern zu Gute kommt. Macht der Fremdkapitalgeber sein finanzielles Engagement von der Zustimmung zu unternehmerischen Entscheidungen abhängig oder verlangt er eine restriktive Dividendenpolitik, mag dies Anlass sein, in diesen Forderungen einen sinnvollen Beitrag zur Beherrschung des für alle Kapitalgeber bestehenden leistungswirtschaftlichen Risikos zu sehen. Besteht der Fremdkapitalgeber darauf, dass ein externer Unternehmensoder Sanierungsberater eingeschaltet wird oder wird dieser sogar vermittelt,5 kann dies ebenfalls als eine sinnvolle Arbeitsteilung verstanden werden, die die fehlende Expertise des Managements und der Eigentümer ersetzt. Insbesondere in Banken bestehen mittlerweile fachlich hoch qualifizierte Workout-Teams, 6 die über eine große Sanierungserfahrung verfügen und damit wertvolle Unterstützungsleistungen bieten können. 7 Auch institutionelle Investoren wie Private-Equity- oder Hedgefonds sind teilweise hoch spezialisiert, konzentrieren 3

Fleischer, ZIP 1998, 313, 317. Oben § 1 II 2 c. 5 Die ist in der Praxis durchaus üblich, vgl. Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1120. 6 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 264 ff.; Drukarcyk/Kippes, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3 Rn. 10. 7 Anders noch Herrhausen, Die Bank 1979, 358, 359, wonach sich die Kreditinstitute aus dem Geschäft ihrer Kunden heraushalten sollten. 4

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

sich auf bestimmte Branchen und verfügen so über die notwendigen Kontakte zu den qualifizierten Beratern, und können so bei Bedarf Hilfe leisten. Wegen dieser positiven Effekte ist es verfehlt, die Mitsteuerung eines Unternehmens durch die Nichteigentümer a priori als Verletzung der unternehmerischen Freiheit bzw. des Aktieneigentums als unzulässige Fremdbestimmung oder als Verstoß gegen den Grundsatz der Verbandssouveränität 8 zu sehen. Der Satz, die Gesellschaft solle über „ihr Bestes“ selbst befinden,9 erscheint nach dem Vorgesagten vielmehr als begriffsjuristische Förmelei, die für sich genommen keine Überzeugungskraft aufweist, die sinnvolle Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Gläubiger, die einen Finanzierungsbeitrag leisten, unter Hinweis auf ihre Stellung als Nichteigentümer zu missbilligen. Soweit der Interessengleichlauf zwischen Fremdkapitalgeber, Unternehmen und Eigentümern reicht, spricht Vieles dafür, die Einflussnahme durch Nichteigentümer im Prinzip zu billigen und als Chance zu sehen, den Kräften des Marktes zum Wohle aller ihren freien Lauf zu lassen. Dass dieser Interessengleichlauf besteht und die Zurückhaltung rechtlicher Regeln legitimiert, ist indessen keineswegs sicher. Man denke nur an die Frage des maßgeblichen Zeithorizonts unternehmerischer Zielverfolgung, mithin ob lang- oder kurzfristige Unternehmensziele verfolgt werden sollen.10 Die derzeit geführte Debatte über das Verhalten der Finanzinvestoren, die wegen ihrer kurzfristigen Renditeziele eine Ausplünderung der Unternehmen betrieben und damit „Eigenkapitalräuber“ seien,11 verdeutlicht, dass von einem Interessengleichlauf nicht zwingend auszugehen ist. Dies gilt spätestens, wenn es zur Krise kommt und sich die Frage nach der „richtigen Strategie“ für die Krisenbewältigung stellt. Es ist naheliegend, dass die möglicherweise ursprünglich homogenen Interessen auseinanderfallen, wenn die Kreditinstitute als „Herren des Reorganisationsprozesses“12 die maßgeblichen Entscheidungen treffen wollen. Bereits die lange Diskussion über die mittlerweile in § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verankerte business judgement rule zeigt, dass es im Bereich der unternehmerischen Entscheidungen selten nur eine richtige und viele falsche Handlungsmöglichkeiten gibt.13 Das Prognoseproblem verstärkt die Komplexität der Entscheidungsfindung zusätzlich.14

8

Hierzu Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, 2003. 9 So Fleischer, ZIP 1998, 313, 318. 10 Hierzu als Problem der Entscheidungsfindung im Personenverband bereits Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 127 ff. 11 So Schneider, AG 2006, 577. 12 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656 ff., unter Hinweis auf die vorherrschende Auffassung im US-amerikanischen Rechtskreis. 13 Ausführlich Markus Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, München 2001.

I. Konfl igierende Interessen von Fremdkapitalgeber und Unternehmen

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Vor diesem Hintergrund scheint der jüngst vom BGH zu entscheidende Sachverhalt, wonach die Hausbank mit dem Abzug der überlassenen Mittel drohte,15 wenn ein bestimmtes Vorstandsmitglied der AG nicht vom Aufsichtsrat abberufen werde, wohl ein Sonderfall zu sein, bei dem es keine divergierenden Interessen zwischen Unternehmen und Kreditgeber gab. Man kann dem Urteil nicht entnehmen, aus welchen Gründen das Vorstandsmitglied aus Sicht der Bank untragbar geworden war. Der Vertrauensentzug durch die Hausbank wurde weder vom BGH noch der Vorinstanz16 hinterfragt, sondern einfach als berechtigt hingenommen. Es bleibt daher offen, ob die Druck-Abberufung ein Fall war, indem es nicht um die generelle Unfähigkeit des Vorstands zur Unternehmensführung ging, sondern vielmehr darum, dass der Vortand ein anderes – bei objektiver Betrachtung nicht notwendig schlechtes – Sanierungskonzept verfolgen wollte als die kreditgebende Bank.17 Das auf der Expertise der Fremdkapitalgeber oder der von ihnen eingesetzten externen Berater beruhende Konzept ist insofern möglicherweise nur ein Aspekt innerhalb der komplexen Entscheidungsfindung, auf welche Weise das Unternehmen zur Erfüllung der gemeinsamen Interessen richtig geführt wird. Es liegt daher nahe, dass die Ansichten von Fremdkapitalgebern, Eigentümern und Management hierbei durchaus differieren können und die Verfolgung des einen Konzepts zugleich die Nichtberücksichtigung eines anderen bedeutet.18 Auf welcher rechtlichen Grundlage der Vorrang des einen gegenüber dem anderen begründet werden kann, und auf welche Weise die Folgen für das Scheitern eines solchen Konzepts rechtlich bewältigt werden, lässt sich der gesetzlichen Ausgangslage nicht ohne weiteres entnehmen. Während das Innenrecht der Unternehmen über eine Vielzahl von Regelungen verfügt, die gewährleisten, dass die von den Eigentümern eingesetzten Sachwalter in deren Interesse handeln (vor allem § 43 GmbHG, § 93 AktG), fehlt für die Außenperspektive Vergleichbares. Die Einflussnahme durch die Fremdkapitalgeber unterliegt insofern allein den allgemeinen, für jedermann geltenden generalklauselartigen Schranken gemäß § 138 BGB wegen unzulässiger Knebelung oder Fremdbestimmung, gemäß § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung und den Deliktstatbeständen, vor allem § 826 BGB, bei der AG noch gemäß § 117 AktG. Man muss sich daher fragen, ob diese Regelungen geeignet sind, die nach dem Vorgesagten nicht a priori zu missbilligende Einflussnahme der Fremdkapitalgeber adäquat rechtlich auszugestalten oder ob es erforderlich ist, für die Au14

14 Zur sog. Entscheidung unter Unsicherheit statt anderer Hopt/Roth, in GroßKomm AktG, § 93 Rn. 81. 15 BGH, ZIP 2007, 131. 16 OLG München, NZG 2006, 313. 17 In diese Richtung aber zumindest Goette, DStR 2007, 262, 263. 18 Ähnlich Merkt, ZGR 2004, 305, 314, der zudem darauf hinweist, dass die aus Covenants resultierenden Verpflichtungen einander widersprechen können.

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

ßenperspektive eines Unternehmens rechtsfortbildend ein neues Konzept der Gläubigerverantwortung zu entwickeln.

II. Konfligierende Interessen der Unternehmensgläubiger untereinander Diese Fragestellung ergibt sich ebenso aus den möglicherweise konfligierenden Interessen der Unternehmensgläubiger selbst. Auch die Vorleistungen von Werkunternehmern und Anbietern von Dienstleistungen sind letztlich Bestandteil der Unternehmensfinanzierung und die betreffenden Personen damit funktional betrachtet Fremdkapitalgeber im hier verstandenen Sinn. Innerhalb dieser Gruppe von Stakeholdern gibt es jedoch einen entscheidenden Unterschied: Nicht jeder Gläubiger ist willens und in der Lage, sich die Vorteile eines Covenant-unterlegten Finanzierungsvertrages zu Nutze zu machen. Kleinen Lieferanten, Abnehmern, Deliktsgeschädigten und Arbeitnehmern ist das Aushandeln solcher Regelungen, ihre Überwachung und Anpassung an geänderte Umstände zu kostspielig oder gar unmöglich.19 Selbst wenn diese in Anlehnung an Bebchuk/Fried20 meist als non-adjusting Creditors bezeichneten Gläubiger den Willen und die finanziellen und fachlichen Möglichkeiten hätten, sich über das finanzierte Unternehmen zu informieren und auf die Unternehmensleitung Einfluss auszuüben, wäre keineswegs gesichert, dass sie sich mit den anpassungsfähigen Gläubigern, den sog. adjusting Creditors, in einem Interessengleichlauf befinden. Mankowski bringt dies zutreffend auf den Punkt, indem er anführt, was gut für eine Bank sei, müsse noch lange nicht für einen Verbrauchergläubiger gut sein.21 Gerade im Vorfeld der sich abzeichnenden Insolvenz kann es insofern zu erheblichen Interessengegensätzen kommen, ggf. sogar innerhalb der Gruppe der adjusting Creditors selbst. Verfolgen zum Beispiel einige Gläubiger eine langfristige Strategie, um in den Genuss einer erst später fälligen Rückzahlung und Erfolgsbeteiligung zu gelangen, können demgegenüber andere ein kurzfristiges Interesse daran haben, dass das Unternehmen nur solche Risiken eingeht, die es in die Lage versetzt, jederzeit die eingegangenen Rückzahlungs- und Zinspflichten vollständig zu erfüllen. Erstere haben ggf. einen „langen Atem“ und wollen teilweise am unternehmerischen Risiko partizipieren, Letztere haben 19 Engert, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaften in Europa, 743, 785; Merkt, EBOR 7 (2006), 95, 107 f.; ders., ZGR 2004, 305, 313; Mülbert, EBOR 7 (2006), 357, 366 ff.; hierauf im Hinblick auf Sachsicherheiten bereits hinweisend Henckel, FS Weber, 248. 20 Bebchuk/Fried, Yale L. J. 105 (1996), 857, 864; aus der deutschen Perspektive hierauf Bezug nehmend etwa Mankowski, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaften in Europa, 488, 496; Merkt, EBOR 7 (2006), 96, 107 ff.; Mülbert, EBOR 7 (2006), 357, 366 ff. 21 Mankowski, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaften in Europa, 488, 496.

II. Konfl igierende Interessen der Unternehmensgläubiger

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ggf. ein Interesse, dass das finanzierte Unternehmen in der Krise möglichst schnell in die Insolvenz fällt, damit ihnen anstelle der bloßen Hoffnung auf Verbesserung zumindest eine schnell zu realisierende, noch akzeptable Quote zufällt. Man könnte nun anführen, diese Interessendivergenz würde dadurch nivelliert, dass das Unternehmen als Bindeglied für den notwendigen Ausgleich sorgt und sich nur solchen Bedingungen und Einflussnahmen unterwirft, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Die Motivation hierzu erscheint nicht fernliegend. Immerhin weiß die Unternehmensleitung, dass das alleinige Vorhandensein von anpassungsfähigen Großgläubigern den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg regelmäßig nicht zu vermitteln vermag. Ein Unternehmen, welches nicht allein für die Verwirklichung eines bestimmten Projekts gegründet wurde oder eine begrenzte Funktion innerhalb eines Konzernverbundes erfüllen soll, sondern am Markt auftritt, ist vielmehr darauf angewiesen, dass sich auch die non-adjusting Creditors an der Unternehmensfinanzierung beteiligen – mithin „Geschäfte gemacht“ werden. Eine auf Tauschwirtschaft bzw. den sofortigen vollständigen Leistungsaustausch bezogene Wirtschaftsordnung ist heute undenkbar.22 Bereits der zeitliche Ablauf einer Unternehmensfinanzierung lässt jedoch Zweifel darüber aufkommen, ob das Interesse des Unternehmens, beim Aushandeln Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge auf die Interessen der am Verhandlungsprozess nicht beteiligten non-adjusting Creditors Rücksicht zu nehmen, als Korrektiv ausreicht, um das Konfliktpotential zu bewältigen. Wie eingangs erwähnt, steht die Finanzierung am Anfang des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs. Es ist daher vielfach so, dass die Finanzierungsbeiträge der adjusting Creditors neben dem Kapitalbeitrag der Eigentümer die wesentliche Finanzierungsgrundlage darstellen und die Forderungen der non-adjusting Creditors eine untergeordnete Rolle spielen, mithin bestimmungsgemäß auch aus dem übrigen, von den adjusting Creditors aufgebrachten Fremdkapital befriedigt werden. Das Finanzierungskonzept und die Wahl der entsprechenden Finanzierungsarten werden daher vielfach im Einvernehmen von Unternehmensleitung und adjusting Creditors gemeinsam entworfen. 23 Hierbei werden die Interessen der anderen Stakeholder – und zumindest bei Publikumsgesellschaften auch die der nur mit geringen Anteilen beteiligter Eigentümer – nur insoweit berücksichtigt, als deren Verhalten zur Verwirklichung des gemeinsamen Konzepts notwendig ist, also nicht um ihrer selbst willen.

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Zutreffend Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Kapitel 1 Rn. 1. Paradigmatisch hierfür ist wiederum die bereits erwähnte Entscheidung des BGH zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds auf Druck der Hausbank, wo – soweit ersichtlich – überhaupt nicht problematisiert wurde, welche Einstellung die übrigen Gläubiger und sogar die Eigentümer selbst zu dem Vorstandsmitglied hatten (BGH ZIP 2007, 131). 23

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

Die Unternehmenseigentümer bzw. die von ihnen eingesetzte Unternehmensleitung haben daher im Regelfall nur ein schwach ausgeprägtes Interesse, den adjusting Creditor im zweiseitigen Finanzierungsvertrag zu einer besonderen Rücksichtnahme gegenüber den anderen Gläubigern zu verpflichten. Indem mit zunehmender Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen das Kreditrisiko sinkt und die Kreditkonditionen entsprechend günstiger ausfallen können, 24 besteht vielmehr die Vermutung, dass die Covenant-unterlegten Finanzierungsverträge „über die Köpfe“ der übrigen Stakeholder hinweg ausgehandelt und durchgeführt werden. Die Gefahr, dass sich einzelne adjusting Creditors hieraus Vorteile gegenüber den anderen Gläubigern verschaffen, liegt insbesondere in der Unternehmenskrise auf der Hand.25 Man denke nur an den insolvenznahen Abzug von Mitteln oder das Verlangen nach insolvenzfesten Sicherheiten. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass die Unternehmensleitung im Einvernehmen mit ihren „wichtigen“ Fremdkapitalgebern nach Wegen sucht, über eine Verlegung des Unternehmens ins europäische Ausland und die dortige Rechtsordnung gezielt Vorteile auf Kosten kleiner, ungesicherter Gläubiger zu suchen. 26 Es soll hiermit nicht gesagt werden, dass solche Handlungen per se zu missbilligen wären. Vielmehr geht es wiederum allein um den Hinweis, dass ein vergleichbares Konfliktpotential auf einer anderen Ebene dezidiert rechtlichte Beachtung findet. 27 Das vorstehend skizzierte Problem der konfligierenden Interessen und die Gefahr, dass sich jemand aufgrund einer Insiderstellung Sondervorteile auf Kosten anderer verschafft, wird nämlich hinsichtlich der Steuerung eines Unternehmens durch seine Eigentümer bzw. den von ihnen installierten Unternehmensleitern umfassend geregelt. Die persönliche Schuldenhaftung des Einzelunternehmers bzw. der Gesellschafter gemäß § 128 HGB und die Notwendigkeit, sich hiervon durch Aufbringung und Erhaltung eines bestimmten Kapitalstocks freizukaufen (GmbH, AG, Kommanditist), gewährleisten nach der Konzeption des deutschen Unternehmensrechts, dass diejenigen, die über andere Interessen verfügen und kein Insiderwissen haben, nicht schutzlos gestellt sind. Wenngleich dieses Schutzsystem nicht alle Unternehmenseigen24 Bei Konsortialkrediten bis hin zu den Konditionen, zu denen die Kreditinstitute untereinander mit Geld handeln (Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 152). 25 Ähnlich Engert, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 743, 785, auf 786 ff. insbesondere zur kollusiven Verringerung des Eigenkapitals bei Leveraged Buy-outs (LBO); vgl. auch Arnold, Konzern 2007, 118, 120: drittschützender Effekt von vertraglichen Abreden ist keineswegs gesichert. 26 Hierzu ausführlich Eidenmüller, EBOR 6 (2005), 423; Enriques/Gelter, EBOR 7 (2006), 417. 27 Diesen Aspekt übersieht Kuntz (ZIP 2008, 814, 816 f.), wenn er apodiktisch anführt, die non-adjusting creditors seien zu recht weitgehend schutzlos zu stellen, weil es ihrer eigenen Entscheidung obliege, eine entsprechende Sicherheit zu verlangen (zu den Voraussetzungen eines funktionierenden Finanzierungsmarktes unter Beteiligung ungesicherter Gläubiger unten § 11).

III. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als unzulässige Typenvermischung? 87

tümer gleichermaßen trifft und auch keine kritiklos hinzunehmende gesetzgeberische Lösung28 ist, kann man diesen Mechanismen jedoch auch als einen – seiner Art als gesetzliche Regelung naturgemäß unflexiblen – Vertrag mit allen Gläubigern ansehen, der deren Interessen zu schützen bestimmt ist.29 Gerade die gesetzlichen Festkapitalregeln lassen sich als gesetzgeberischen Versuch verstehen, das Bedürfnis nach individuell vereinbarten Schutzmechanismen kostengünstig auszuräumen.30 Dieser Verantwortlichkeit „der“ Unternehmenseigentümer steht keine vergleichbare Verantwortlichkeit „der“ Fremdkapitalgeber gegenüber. Wenngleich die aus der Steuerung eines Unternehmens resultierenden Interessenkonflikte dieselben sind, stehen zu ihrer Bewältigung und zur Sanktionierung des Verschaffens von ungerechtfertigten Sondervorteilen wiederum allein die soeben erwähnten zivilrechtlichen Generalklauseln gemäß § 138 BGB wegen unzulässiger Knebelung oder Fremdbestimmung, gemäß § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung oder §§ 823 ff. BGB, bei der AG noch § 117 AktG, bereit.

III. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als unzulässige Typenvermischung? Die vorstehend herausgearbeitete gesetzliche Ausgangslage, wonach die Herrschaft der Eigentümer dezidiert geregelt ist und die Einflussnahme Dritter allein auf der Grundlage von Generalklauseln beherrscht werden kann, beinhaltet zumindest insofern eine Regelungslücke, als sie die jüngere Finanzierungspraxis nicht ohne weiteres in die gesetzlich bereitgestellten Formen der Unternehmensfinanzierung einfügt. Die hieraus Schwierigkeit, die enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen rechtlich zu erfassen, kann indessen in unterschiedlicher Weise interpretiert werden.

1. Die prohibitive Wirkung der Rechtsunsicherheit Man könnte einerseits anführen, die „bloß“ generalklauselartige Sanktionierung einer Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Fremdkapitalgeber sei keine Unvollkommenheit des Gesetzes, sondern vielmehr eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung. Die an die Eigentümerstellung geknüpfte Verant28 Zur Effizienz bzw. Ineffizienz der gesetzlichen Kapitalbindung im geltenden deutschen Recht ausführlich Armour, EBOR 7 (2006), 5; Mülbert, EBOR 7 (2006), 357. 29 So Lutter, in Lutter (Hrsg.); das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1, 5. 30 Baetge, FS Beisse, 1997, S. 11, 22 f.; Kirchner, FS Beisse, 1997, S. 267, 279 f.; Schön, ZGR 2000, 706, 727; Lutter, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1, 5; an der Effizienz dieses Ansatzes zweifelnd Mankowski, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 501 f.

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

wortlichkeit der Kapitalgeber und die der ihnen verpflichteten Fremdorgane ließen sich als Ordnungsentscheidung verstehen, die ihnen im Streben nach Sicherheit und Leichtigkeit der Rechtsanwendung31 die unternehmerische Einflussnahme exklusiv zuweist und eine Typenvermischung prinzipiell auszuschließen vermag. Der unternehmerischen Freiheit der Eigentümer käme hiernach eine Abwehrfunktion zu, die Mitsteuerung eines Unternehmens durch die Nichteigentümer mit dem Mittel der Rechtsunsicherheit zu unterbinden. Ein gesetzliches Leitbild der traditionellen, an die formale Eigentümerstellung des Kapitalgebers anknüpfenden Differenzierung der Verantwortlichkeit für das finanzierte Unternehmen, seine Eigentümer und Gläubiger wäre mit der stets drohenden konturenlosen deliktischen Haftung bzw. der Sittenwidrigkeit bzw. Unangemessenheit von Rechtsgeschäften aufrecht zu erhalten. Konsequenterweise wäre die Einflussnahme der Gläubiger keine legitime Handlungsoption, die es im Hinblick auf eine rechtssicher handhabbare und auf die oben skizzierten Konfliktpotentiale angemessen bewältigend dogmatisch auszubauen gelte. Sie wäre vielmehr eine per se unzulässige Einmischung bzw. – im Sinne Fleischers – eine per se unzulässige Funktionenvermischung.32 Selbst wenn ihre Ziele für sich genommen Anerkennung fänden, würden die Fremdkapitalgeber vor die Alternative stellt, entweder als Eigentümer auf die Geschicke des Unternehmens Einfluss zu nehmen oder aber sich als Nichteigentümer herauszuhalten. Wiederum in Anlehnung an Fleischer könnte man formulieren: Über sein „Bestes“ soll das Unternehmen selbst befinden.33 Dieser Aspekt ist keineswegs neu. Bestätigung fände eine solche Sichtweise bereits im geltenden Konzernrecht. Ausgehend von der bereits in der Regierungsbegründung zum AktG anzutreffenden Formulierung, dass derjenige, der die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann, auch für Verluste einstehen muss,34 wird dort die unternehmensvertragliche Beherrschung gemäß §§ 291 ff. AktG als Ziel einer gesetzlich gebilligten Unternehmensverbindung dadurch effektuiert, dass eine vergleichbare qualifizierte faktische Beherrschung rechtswidrig ist 35 und mit den Mitteln der Unterlassungsklage36 und Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG37 bzw. nunmehr mit Hilfe der sog. Existenzvernichtungshaftung 38 verhindert werden soll. 31

Hierzu grundlegend Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 96 ff. Fleischer, ZIP 1998, 313, 317. 33 Fleischer, ZIP 1998, 313, 317. 34 Regierungsbegründung zu § 302 AktG (Kropff, Aktiengesetz, S. 391). 35 Ganz hM, vgl. nur Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 28 II 2 (S. 407); Sindler/Stilz/ Müller, AktG, Vor §§ 311–318 Rn. 25 (jeweils m. w. N.). 36 Statt anderer Kropff, in MünchKomm AktG, § 317 Anh Rn. 102 (m. w. N.). 37 Grundlegend BGHZ 107, 7, 15 ff. (Tiefbau); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 28 III (S. 408 ff.); Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 132 ff. 38 Grundlegend BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan); nunmehr BGH, ZIP 2007, 1552 (Trihotel), hierzu Weller, ZIP 2007, 1681. 32

III. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge als unzulässige Typenvermischung? 89

2. Die Rechtsunsicherheit als Aufforderung zur Rechtsfortbildung Die deutsche Kreditpraxis scheint die vorstehende prohibitive Wirkung ernst zu nehmen. Immerhin finden sich im Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergaben lediglich zwei Covenant-Klauseln.39 Von den ökonomisch sinnvollen Steuerungsinstrumenten des Kreditrisikos wird daher entweder nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht oder aber es finden Alternativlösungen statt, seien es nicht dokumentierte Nebenabreden oder die tatsächliche Einflussnahme. In jedem fall ist aber festzuhalten, dass die soeben skizzierte prohibitive Wirkung keineswegs die einzig mögliche Deutung der Unsicherheit über die rechtliche Erfassung des Fremdeinflusses ist. Andererseits wäre es nämlich auch denkbar, die gesetzliche Ausgangslage lediglich als vordergründige Unvollkommenheit bzw. Schieflage zu sehen, aus der sich gerade keine Wertentscheidung ableiten lässt, wonach die sich infolge der jüngeren Finanzierungspraxis ergebende engere Verbindung von Fremdkapitalgebern und finanziertem Unternehmen im Grundsatz zu missbilligen ist. Das Fehlen spezialgesetzlicher Regelungen zur Begründung einer besonderen Verantwortlichkeit für privatautonomes Handeln ist nicht in jedem Fall mit einer dieses Handeln missbilligenden gesetzgeberischen Grundeinstellung verbunden. Ausgehend von der grundgesetzlich verbürgten allgemeinen Handlungsfreiheit als Grundlage der Privatautonomie besagt das allgemeine zivilrechtliche Prinzip neminem laedere vielmehr umgekehrt, dass ein Handeln solange erlaubt ist, wie es nicht auf Grund einer zu begründenden Rechtsregel missbilligt wird.40 Selbst wenn die §§ 488 ff. BGB keine speziellen Regelungen darüber enthalten, ob und in welchem Umfang der Kreditgeber sich im Finanzierungsvertrag Informations- und Mitwirkungsrechte einräumen lassen darf, muss man auf der Grundlage der Vertragsfreiheit im Schuldrecht41 hieraus nicht zwingend den Schluss ziehen, dass diese Konkretisierungen des Darlehensvertrages als unzulässige Typenvermischung unzulässig wäre. Ob ein numerus clausus der Finanzierungsverträge besteht, der die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Unternehmensführung ausschließt oder zumindest an korrespondierende Schutzinstrumente knüpft, ist nicht der Ausgangspunkt der Argumentation, sondern das zu begründende Ergebnis.42 Für die stille Beteiligung gemäß §§ 230 ff. HGB gilt dies gleichermaßen. Nach der gesetzlichen Ausgangslage hat der Stille zwar einige besondere Informationsrechte, die über die Stellung des Darlehensnehmers hinausgehen (vgl. § 233 HGB). Zu bedenken ist aber, dass er an der Geschäftsführung des Geschäftsin39

Vgl. Wand, WM 2005, 1932, 1946. Grundlegend Picker, JZ 1987, 1041. 41 Vgl. nur Larenz, Schuldrecht II/1, § 38, S. 3: kein Typenzwang. 42 Ähnlich für die Einschränkung der Privatautonomie unter dem Aspekt eines objektiven Fehlgebrauchs eines Rechtsinstituts Habersack, Vertragsfreiheit, S. 36 f. 40

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

habers nicht beteiligt ist (vgl. § 230 Abs. 1 HGB: Handelsgewerbe, dass ein anderer betreibt). Auch die Verlustbeteiligung besteht gemäß § 231 Abs. 2 HGB nur im abdingbaren gesetzlichen Regelfall. Die ganz herrschende Meinung sieht jedoch die stille Beteiligung zu Recht als Innen-GbR43 und erkennt hierdurch auch an, dass die Parteien im Innenverhältnis abweichende Regelungen über die Beteiligung des Stillen an den unternehmerischen Entscheidungen des Geschäftsinhabers vereinbaren können, bis hin zur Alleingeschäftsführungsbefugnis des Stillen.44 Auch hier wäre es verfehlt, solche im Innenverhältnis geltenden Bindungen mangels spezieller Erlaubnistatbestände in den §§ 230 ff. HGB per se als rechtswidrig einzustufen und die generalklauselartigen Delikts-, Angemessenheits- und Sittenwidrigkeitsnormen gleichsam als Damokles-Schwert zu instrumentalisieren, welches eine sachgerechte Ausgestaltung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch Nichteigentümer prohibitiv eindämmt. Selbst unter Geltung des im Gesellschaftsrecht allgemein anerkannten numerus clausus der Rechtsformen45 bedarf es einer besonderen Begründung, ob die Einmischung des Stillen in die Geschäftsführung des Inhabers unzulässig ist oder zumindest eine Verantwortung für die unternehmerische Einflussnahme nach sich zieht. Vor diesem Hintergrund käme den skizzierten Generalklauseln somit nicht die Funktion zu, durch ihre Konturenlosigkeit Rechtsunsicherheit zu erzeugen und die Einmischung zu unterbinden. Sie wären vielmehr eine wertfreie dogmatische Grundlage, die es vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Konfliktpotentiale zu konkretisieren gilt, um auf diese Weise die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger im Hinblick darauf, was erlaubt ist und was nicht, sachgerecht auszugestalten.

IV. Zusammenfassung Es zeigte sich, dass den Vorteilen Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge besondere Interessenkonflikte gegenüberstehen können. Im Verhältnis zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen bzw. dessen Eigentümern ist ein Interessengleichlauf keineswegs stets gewährleistet. Die Strategie, die der Fremdkapitalgeber zur Sicherung seiner finanziellen Interessen durchzusetzen sucht, muss nicht mit den finanziellen oder ideellen Interessen der Eigentümer und der sonstigem Gläubiger übereinstimmen. In rechtlicher Sicht stellt sich daher die Frage, inwieweit es dem Fremdkapitalgeber gestattet ist, seine Strategie durch die Drohung, sich vom finanziellen Engagement zurück43

Statt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 I 1. Sog. „atypische stille Gesellschaft“ (BGHZ 8, 157, 160; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 2 b bb; ders., in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 77; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 19 Rn. 13: Teilnahme an der Geschäftsführung in beliebigem Umfang). 45 Statt anderer K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 1. 44

IV. Zusammenfassung

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zuziehen, auch gegen den Willen der Unternehmensleitung und der Eigentümer durchzusetzen ohne dem Vorwurf der Erpressung, Nötigung oder unzulässigen Einmischung in die Geschäftsleitung ausgesetzt zu sein und auf welche Weise er ggf. gegenüber dem Unternehmen und seinen sonstigen Gläubigern haftet, wenn seine Strategie nicht den gewünschten Erfolg brachte oder er sich einen Vorteil auf Kosten anderer verschafft. Diese Interessenkonflikte beruhen auf einem Principal-Agent-Problem, welches im deutschen Unternehmensrecht als durchaus Regelungsproblem erkannt wird, jedoch allein für die Unternehmensfinanzierung und -steuerung durch die Eigentümer und die ihnen verpflichteten Organe eine spezialgesetzlich Ausgestaltung erfährt. Die Fremdorgane sind gemäß § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG verpflichtet, im Interesse der Eigentümer zu handeln. Die Eigentümer sind aufgrund ihrer persönlichen Haftung bzw. der Notwendigkeit, einen bestimmten Kapitalstock aufzubringen, gehalten, bei ihren Entscheidungen die Interessen aller Gläubiger mit zu berücksichtigen. Für die Fremdkapitalgeber, die aufgrund ihres Finanzierungsvertrages Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen, fehlen vergleichbare spezialgesetzliche Regeln. Die möglichen Interessenkonflikte werden allein über die jedermann betreffenden Deliktstatbestände, die generalklauselartige Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB bzw. Angemessenheit gemäß § 307 BGB und für die AG das konturenlose Verbot nachteiliger Beeinflussung gemäß § 117 AktG bewältigt. Diese unvollkommene Gesetzeslage kann in zweifacher Weise interpretiert werden: Einmal besteht die Möglichkeit, die generalklauselartigen Tatbestände als bewusste Rechtsunsicherheit anzusehen, welche die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger einzudämmen sucht. Die unvollkommene spezialgesetzliche Ausgestaltung einer Gläubigerverantwortung kann jedoch auch als Aufforderung des Gesetzgebers verstanden werden, die generalklauselartigen Tatbestände sachgerecht zu konkretisieren oder gar rechtsfortbildend einen speziellen rechtlichen Rahmen für die Billigung der Einflussnahme durch Nichteigentümer nebst korrespondierender Schutzinstrumente zu entwickeln, um damit der Praxis einen handhabbaren Rahmen zu geben, inwieweit und mit welchen haftungsrechtlichen Folgen die Einflussnahme eines Fremdkapitalebers auf das finanzierte Unternehmens zulässig ist oder nicht. Welcher dieser Möglichkeiten der Vorzug gebührt und wie sich die dogmatisch begründen lässt, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Hierzu soll in einem ersten Schritt herausgearbeitet werden, auf welche Weise die bisher herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur versucht, diese scheinbar unvollkommene Gesetzeslage zu interpretieren und die Gläubigerverantwortung auf der Grundlage der generalklauselartigen Tatbestände zu konkretisieren. Es wird sich zeigen, dass der auf der Grundlage von §§ 138, 826 BGB, § 307 BGB und § 117 AktG entwickelte rechtliche Rahmen für eine Gläubigerverantwortung die Kernfrage, ob es sich um eine zulässige oder un-

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§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

zulässige Typenvermischung handelt, unbeantwortet lässt. Die aus dieser Rechtsunsicherheit resultierende prohibitive Wirkung steht damit ohne ausreichende dogmatische Legitimation einer sinnvollen Entfaltung der Mitsteuerung von Unternehmen durch seine Gläubiger im Wege, so dass weiterhin zu fragen ist, ob die eine Einflussnahme billigende Verantwortung der Gläubiger für unternehmerische Einflussnahme nicht anderweitig begründet werden kann.

§ 4 Die Schwächen einer auf zivilrechtliche Generalklauseln gestützten Gläubigerverantwortung Die rechtliche Erörterung einer Gläubigerverantwortung hat in Deutschland eine lange Tradition. Auch gibt es Regelungen, die sich als Ausprägung einer besonderten Verantwortung der Kapitalgeber für das finanzierte Unternehmen und seiner sonstigen Gläubiger verstehen lassen. Zu nennen ist vor allem § 117 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach jemand, der vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied der Geschäftsleitung dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Der hiernach erforderliche Einfluss muss nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt sein. Die Haftung kann daher auch Vertragspartner der AG aus Kredit- und Lieferbeziehungen treffen.1 Weiterhin können ein Finanzierungsvertrag oder einer Sicherheitenbestellung wegen Knebelung oder Gläubigergefährdung gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Die Sittenwidrigkeit kann nach Ansicht der Rechtsprechung daraus resultieren, dass das betreffende Unternehmen seine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit nahezu völlig einbüßt 2 oder dass der Vertragspartner nur noch die Stellung eines Verwalters hat und der andere Teil faktisch zum stillen Gesellschafter wird.3 Hierzu kann es ausreichen, dass sich der Darlehensgeber umfassende Eingriffs- und Kontrollbefugnisse einräumen lässt.4 Im Rahmen einer AGB-Kontrolle des Finanzierungsvertrags gemäß § 307 BGB finden sich vergleichbare Ansätze, wonach die Wirksamkeit eines Vertrages anhand des Grades der Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Kreditnehmers beurteilt wird.5 Auch das Deliktsrecht ist traditionell sedes materiae zur Begründung einer besonderen Verantwortlichkeit der Unternehmensgläubiger. Zu nennen ist für die Kapitalgesellschaften und die Personenhandelsgesellschaften ohne natürliche Person als Gesellschafter die mögliche Haftung eines Fremdkapitalgebers wegen Beihilfe oder Anstiftung zur Insolvenzverschleppung gemäß §§ 823 1 Unstreitig, Hüffer, AktG, § 117 Rn. 3; ausführlich Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004. 2 BGHZ 19, 12. 3 BGH, WM 1976, 181. 4 BGH, NJW 1993, 1587; OLG Hamm, BB 1970, 374. 5 Kästle, Rechtsfragen, S. 84 ff. vgl. auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 158 ff.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB iVm. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. §§ 130 a Abs. 1, 177 a S. 1 HGB (künftig § 15 a E-InsO). Ferner begründete das RG bereits im Jahr 1932 eine noch heute weithin akzeptierte Schadensersatzhaftung des Kreditgebers gegenüber anderen Gläubigern aus § 826 BGB im Fall der Konkursverschleppung, der Aussaugung eines Unternehmens, der stillen Geschäftsinhaberschaft, des Kreditbetrugs und der Gläubigerfährdung. 6 In der Literatur wird diese Rechtsprechung nicht nur einhellig gebilligt. Es gibt vielmehr Versuche, die tatbestandliche Sittenwidrigkeit unter Hinweis auf eine der Regelung innewohnende objektive Ordnungsethik berufs- und rollenspezifisch zu präzisieren7 oder mit Hilfe von Erkenntnissen aus der ökonomischen Theorie fortzuentwickeln. 8 Eine Verantwortung von Kapitalgebern, die nicht Eigentümer bzw. Gesellschafter sind, für das Unternehmen und zumindest reflexartig auch für dessen andere Gläubiger wird von der Literatur ferner aufgrund allgemeiner Prinzipien rechtsfortbildend begründet. So spricht sich Canaris dafür aus, dass aus dem Kreditverhältnis zwischen Unternehmen und Hausbank zumindest in der Krise auf der Grundlage des privatrechtlichen Übermaßverbots (inciviliter agere) die Pflicht resultieren könne, einen – besicherten – Sanierungskredit zu geben.9 Eidenmüller baut diesen Gedanken aus und entwickelt auf der Grundlage einer gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung umfassende Kooperationspflichten der an einer Unternehmensfinanzierung Beteiligten.10 Weiterhin gibt es Ansätze, das Verhältnis der Gläubiger untereinander als rechtsgeschäftsähnliche Vertrauensbeziehung iSv. § 311 Abs. 3 BGB zu sehen und hieraus zumindest für die Kreditinstitute eine Sachwalter- bzw. Expertenhaftung abzuleiten.11 Für möglich erachtet wird auch, den Kreditvertrag bzw. den in der Unternehmenskrise geschlossenen Sanierungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter anzusehen mit der Folge, dass hierüber eine Haftung der Vertragsparteien gegenüber den anderen Gläubigern in Betracht kommt.12 Es gibt ferner Stimmen, eine Gläubigerverantwortung in gesellschaftsrechtliche Kategorien einzubetten. K. Schmidt hat sich bereits im Jahr 1976 dafür 6

RGZ 136, 247. Coing, WM 1980, 1026; Kruppa, Bankenhaftung, S. 31 ff.; Armspach, Bankhaftung, S. 178 ff.; Gawaz, Bankenhaftung, Rn. 252 ff.; Bamberger, in Knops/Maier-Reimer/Bamberger, Recht der Sanierungsfinanzierung, S. 311 ff.; für den Bereich der Sanierungskredite Mertens, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 147; dagegen etwa Rümker, ZHR 143 (1979), 195, 197 ff. Vgl. auch die Rechtsprechung, die teilweise von einer „besonderen Verantwortung des Kreditgewerbes“ spricht (so OLG Köln, ZIP 2000, 742, 744 – zu § 826 BGB). 8 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 146 ff. 9 Canaris, ZHR 143 (1979), 131. 10 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 555 ff. 11 Vgl. Hopt, FS Pleyer, 1986, S. 341, 354: Berufshaftung als „vertrags- und deliktsübergreifende Haftung“; zustimmend Kruppa, Bankenhaftung, S. 149 f. 12 Gawaz, Bankenhaftung, Rn. 400; dagegen Hopt, ZHR 143 (1979), 139, 170, und Kruppa, Bankenhaftung, S. 147: ohne praktische Bedeutung. 7

§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

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ausgesprochen, das „drittschützende Recht der stillen Einlage“ auf langfristige Unternehmenskredite auszudehnen.13 Die Rechtsprechung greift dies auf und versagt unter Berufung auf die Figur des „materiellen Eigenkapitals“ – sogar bei der Insolvenz einer gesetzestypischen Publikums-KG – dem Gläubiger einer an sich von der Verlustbeteiligung ausgeschlossenen stillen Einlage die Berufung auf die Hingabe von Fremdkapital.14 Auch gibt es Ansätze, eine Verantwortlichkeit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber mit der Figur des „faktischen Geschäftsführers“ zu begründen und hierüber die oben erwähnte, an den doppelten Vorsatz geknüpfte deliktsrechtliche Teilnehmerhaftung wegen Insolvenzverschleppung auszuweiten.15 Weiterhin wird vertreten, Nicht-Gesellschafter wegen ihrer Nähe zu einem Gesellschafter oder der Gesellschaft selbst in den Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG einzubeziehen16 oder ihnen eine Verantwortung für die Erhaltung des Grund- bzw. Stammkapitals bei AG und GmbH aufzuerlegen.17 Wiederum andere sprechen sich für eine Verantwortlichkeit der Banken in Sanierungssituationen in entsprechender Anwendung des gesellschaftsrechtlichen Haftungsdurchgriffs wegen Unterkapitalisierung aus.18 Schließlich gibt es Ansätze, schuldrechtliche Verträge mit Nichteigentümern dem Konzernrecht zu unterwerfen. Wenngleich hierüber keine dem Beherrschungsvertrag kennzeichnenden Weisungsrechte zukommen könnten, würden nach einer Ansicht zumindest §§ 292 Abs. 1 Nr. 3, 293 Abs. 1 AktG analog gelten, so dass die Hauptversammlung einem entsprechenden Vertrag zustimmen müsse.19 Andere gehen darüber hinaus und halten auch bei einem bloß schuldrechtlich begründeten Einfluss entweder den Anwendungsbereich des faktischen Konzerns mit einer 13 K. Schmidt, ZHR 140 (1976), 475; ähnlich Schön, ZGR 1993, 210, indem er die Figur des „partiarischen Darlehens“ ablehnt. 14 BGH, NJW 1985, 1079. 15 Fleischer, AG 2004, 517, 527; Köndgen, in Prütting (Hrsg.), Insolvenzrecht 1996, S. 127, 148; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 377 ff., auch eine Haftung gegenüber dem Unternehmen aus pFV befürwortend. Einschränkend Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 34, wonach dies zumeist nur für die von den Fremdkapitalgebern eingeschalteten Sanierungsberater in Betracht kommen soll; in diese Richtung auch Kästle, Rechtsfragen, S. 149 f. 16 Grundlegend BGHZ 119, 191 (für den atypischen Pfandgläubiger); aus der Lit. vor allem Kästle, Rechtsfragen, S. 151 ff.; Fleischer, ZIP 1998, 313, 320 f.; Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 844. 17 BGHZ 80, 365; BGH, WM 1986, 237, 239; BGH, GmbHR 1996, 111; für den atypischen stillen Gesellschafter BGHZ 106, 9, und BGH, NJW-RR 2006, 760; für den atypischen Pfandgläubiger BGHZ 119, 191, 195; aus der Lit. vor allem Tries, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 81 f. 18 Kruppa, Bankenhaftung, S. 246 ff.; dagegen K. Schmidt, ZIP 1983, 635. Ähnlich neuerdings Wagner, FS Canaris, S. 473, 481, wonach die über § 826 BGB zu begründende Existenzvernichtungshaftung gegenüber Dritten, die nicht Gesellschafter sind, in Betracht komme. 19 Grundlegend Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, S. 148 ff.; für „atypische Kreditverträge“ zustimmend Veil, Unternehmensverträge, S. 294 ff.

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entsprechenden Haftung gemäß § 317 AktG analog für eröffnet. 20 Eine noch andere Ansicht spricht sich für eine Verlustübernahmepflicht des Vertragspartners analog § 302 AktG gemäß den Grundsätzen des qualifizierten faktischen Konzerns aus, soweit dieser auf das Unternehmen nachteiligen Einfluss ausübt, der nicht im Wege eines Einzelausgleichs zu kompensieren ist. 21 Vor dem Hintergrund des vorstehend skizzierten Spektrums von Regeln und Meinungen scheint kein Bedarf zu bestehen, die Frage nach der Gläubigerverantwortung erneut aufzugreifen und kritisch zu hinterfragen. Immerhin steht ein Bündel an Instrumentarien bereit, die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger rechtlich erfassen und hierauf angemessen reagieren zu können. Die Vielzahl von rechtlichen Möglichkeiten bedeutet indessen nicht notwendig, dass das Recht seiner Funktion, einen auf die Bedürfnisse der Regelungsadressaten abgestimmten Rahmen für die sachgerechte und vor allem praktisch handhabbare Konfliktbewältigung bereit zu stellen, 22 gerecht wird. Es wird ohne weiteres deutlich, dass das oben skizzierte Bündel von dogmatischen Ansätzen, die Gläubigerverantwortung rechtlich zu erfassen, eine Vielzahl sich grundlegend unterscheidender Tatbestände und Rechtsfolgen aufweist. Dies ist für sich genommen keine Schwäche der Rechtsordnung, was das Nebeneinander von Vertragsrecht und Deliktsrecht in anderen Bereichen verdeutlicht. Man muss sich jedoch fragen, ob die Vielfalt der dogmatischen Ansätze gleichsam einen gemeinsamen „roten Faden“ aufweist, der es für die Finanzierungspraxis vorhersehbar macht, was erlaubt ist und was nicht. Solche „roten Fäden“ finden sich ohne weiteres in anderen Bereichen der Anspruchsvielfalt. Schädigt ein Vertragspartner den anderen, unterscheiden sich die Rechtsfolgen des Vertrags- und Deliktsrechts nicht so gravierend. Man kann vorhersehen, was erlaubt ist und was nicht. Man kann abwägen, welche Risiken man eingeht und welche nicht. Bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung scheint dies kaum möglich. Die sich strukturell unterscheidenden Instrumente, die – wie sich noch zeigen wird – in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich teilweise nicht miteinander konkurrieren, erscheinen wie ein Damokles-Schwert der drohenden rechtlichen Missbilligung. Will ein Nichteigentümer unternehmerischen Einfluss nehmen, hat er sich mit Begründungsansätzen auseinander zu setzen, die geeignet sind, die jüngere Finanzierungspraxis grundlegend in Frage zu stellen. So heißt es in einer auch heute noch maßgeblichen Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 1981, dass es „eine un20 Mertens, ZHR 143 (1979), 174, 194 (Fn. 33); Nagel/Riess/Theis, DB 1989, 1505, 1507 f.; Fruhmann, BB 1995, 317, 319 f.; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 20 f.: „die Versklavung des Vertragspartners ist nicht erlaubt“; vgl. zur faktischen Abhängigkeit aufgrund des Depotstimmrechts der Banken Kruppa, Bankenhaftung, S. 188 ff.; für eine analoge Anwendung von § 117 AktG auf Konzernsachverhalte bei anderen Gesellschaftsformen neuerdings auch Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 34. 21 Schürnbrand, ZHR 159 (2005), 35, 54 ff. 22 Vgl. nur Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 48 ff.

I. Die auf die Sittenwidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung

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serer Rechtsordnung innewohnende Selbstverständlichkeit ist, dass niemand sein eigener Gläubiger sein kann“.23 Bereits das RG hat in einer Vorläuferentscheidung zum heute geltenden Eigenkapitalersatzrecht § 826 BGB dahingehend präzisiert, dass ein Gesellschafter nicht „Gläubiger seiner eigenen Gründung“ sein dürfe.24 Diese, hier freilich nur verkürzt skizzierten Ausführungen der Rechtsprechung bergen die Gefahr in sich, für den Bereich der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger einen „Überschutz“ zu gewährleisten, der letztlich ungemessen ist und über das Ziel, eine rechtliche Struktur zu schaffen, die die bestehenden Konfliktpotentiale angemessen bewältigt, den Parteien aber auch Raum bietet, ihre Ziele zu verwirklichen, unverhältnismäßig einschränkt. Alle vorstehend skizzierten Ansätze müssen sich dieser Kritik stellen und die zuvor herausgearbeitete Grundfrage beantworten, ob die Rechtsordnung die zunehmend enge Verbindung von finanziertem Unternehmen missbilligt und einzudämmen sucht oder umgekehrt hierin eine im Ausgangspunkt legitime, lediglich im Hinblick auf die Bewältigung der herausgearbeiteten Konfliktpotentiale einzuschränkende Entwicklung sieht. Dass sich der hinter dieser Fragestellung verbergende „rote Faden“ über die Zulässigkeit der Mitsteuerung zumindest nicht über eine auf Generalklauseln gestützte Begründung entwickeln lässt, soll nachfolgend in einem ersten Schritt gezeigt werden.

I. Die Schwächen einer auf die Sittenwidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung Die Schwäche der bisherigen Ansätze zeigt sich am deutlichsten an der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zur Begründung einer Verantwortung des Kreditgebers gegenüber anderen Gläubigern nach § 826 BGB.

1. Die grundlegende Entscheidung RGZ 136, 247 Ausgangspunkt einer bisher mehr als 70 Jahre anhaltenden Entwicklung war die Entscheidung des RG vom 9. April 1932.25 Im konkreten Fall gewährte die beklagte Kreissparkasse einer später in Konkurs gefallenen AG über einen längeren Zeitraum allmählich steigende Kredite. Hierfür ließ sie sich umfangreiche dingliche Sicherheiten bestellen, vor allem Hypotheken auf Betriebsgrundstücke, die Sicherungsübereignung des Warenbestands und die Abtretung der Kundenforderungen. Die Klägerin lieferte der AG Waren auf Kredit und fiel 23

OLG Frankfurt, WM 1981, 1371. RG, JW 1938, 862, 864. 25 RGZ 136, 247. – Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechung Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 66 ff. 24

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

mit diesen Forderungen im Konkursverfahren der AG weitgehend aus. Sie begehrte nun gemäß § 826 BGB Schadensersatz von der Kreissparkasse. Zur Begründung wurde angeführt, die zwischen der Sparkasse und der AG geschlossenen Sicherungsverträge verstießen gegen die guten Sitten, weil sie die AG der wirtschaftlichen Selbstständigkeit beraubt hätten und weil durch ihre Geheimhaltung die übrigen Gläubiger über die wahre Vermögenslage der AG getäuscht worden seien. Bei Kenntnis des Sachverhalts hätte die Klägerin an die AG nicht auf Kredit geliefert. Die Instanzgerichte gaben der Klage aus § 826 BGB statt.26 Die Kreissparkasse habe sich durch die ihr von der späteren Gemeinschuldnerin eingeräumten Überwachungs- und Befriedigungsrechte zum „Herrn der Firma gemacht“. Die AG habe nur noch für sie gearbeitet und sich daher in einem „Zustand der tatsächlichen Schuldknechtschaft“ befunden, der ihr jede wirtschaftliche Freiheit genommen habe. Die anderen Gläubiger seien durch die Geheimhaltung der Sicherungsverträge getäuscht worden. Sie hätten der AG Bar- und Warenkredite in dem Glauben gegeben, dass sie wirtschaftlich selbstständig sei. In Wahrheit seien aber die von den anderen Gläubigern gegebenen Vermögenswerte nicht in das Vermögen der AG geflossen, sondern einzig und allein dem gesicherten Gläubiger zugute gekommen. Die Kreissparkasse habe sich diesen Irrtum der Lieferanten über die Kreditwürdigkeit der AG in der Weise zu Nutze gemacht, dass sie ihre wiederholte Hilfeleistung lediglich auf Kosten anderer bewerkstelligt habe. Dies vertrage sich nicht mit den Anschauungen eines redlichen Geschäftsmannes und aller billig und gerecht Denkenden. Da die Sparkasse damit gerechnet habe, dass andere Gläubiger der AG Kredit gewähren würden, sei auch der entsprechende Schädigungsvorsatz gegenüber der Klägerin gegeben. Hätte die Sparkasse ihre „moralische Verpflichtung“ erfüllt, die umfangreiche Besicherung zu offenbaren, hätte sich die Klägerin davor gehütet, der AG Waren auf Kredit zu geben. Konsequenterweise habe die Sparkasse die Klägerin gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie sie stünde, wenn der fragliche Sicherungsvertrag nicht geschlossen worden wäre und wenn die Klägerin entweder gar nicht oder nur gegen Barzahlung oder Sicherung an die Firma geliefert hätte. Hieraus folge die Ersatzfähigkeit des gesamten Forderungsausfalls. Mit dieser Begründung setzte sich das RG sehr ausführlich auseinander und nahm die Entscheidung zum Anlass, grundlegende Ausführungen zu Tatbestand und Rechtsfolge der Kreditgeberhaftung nach § 826 BGB anzustellen. Diese Entscheidung ist auch heute noch wesentliche Grundlage zur Begründung einer Kreditgeberhaftung nach § 826 BGB. Die Bedeutung der für das RG so wichtigen Fallgruppenbildung hat jedoch an Stellenwert eingebüßt.

26

Vgl. RGZ 136, 247, 249 ff.

I. Die auf die Sittenwidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung

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2. Von der Fallgruppenbildung zur deliktsrechtlichen Generalklausel Die Gründe, die nach § 826 BGB zu einer Haftung führen könnten, waren nach Ansicht des Reichsgerichts wie folgt zu systematisieren 27 : „Tatbestand der Konkursverschleppung: Um sich aus den erlangten Sicherheiten oder dem sonstigen Vermögen des Schuldners ungehindert befriedigen zu können, hält der Sicherungsnehmer den Schuldner zum Nachteil anderer Gläubiger von dem durch die Verhältnisse gebotenen alsbaldigen Antrag auf Konkurseröffnung ab, zum Beispiel durch gleichzeitige Gewährung eines für die Gesundung des Schuldners offenbar unzulänglichen und nur zur Verlängerung seines wirtschaftlichen Todeskampfs geeigneten neuen Kredites.“ „Tatbestand der Aussaugung: Der Schuldner wird vom Sicherungsnehmer aus den gleichen eigensüchtigen Beweggründen in seinen Mitteln und seiner Bewegungsfreiheit so eingeengt und allmählich derart ausgesogen, dass sein Geschäft zu Grunde gehen muss und er zum Schaden der anderen Gläubiger in Konkurs getrieben wird.“ „Tatbestand der stillen Geschäftsinhaberschaft: Der Sicherungsnehmer erniedrigt den Schuldner zu seinem bloßen Strohmann, der nur noch nach außen hin als Inhaber des Geschäfts erscheint, ihm gegenüber aber in Wirklichkeit nur noch die Stellung eines abhängigen Verwalters hat, und zwar so, dass der ganze Gewinn des Geschäfts dem Sicherungsnehmer zufließt, ein etwaiger Verlust aber von ihm nicht getragen und jede Haftung für die Geschäftsschulden auch bei fehlender sonstiger Deckung von ihm abgelehnt wird.“ „Tatbestand des Kreditbetrugs: Der Sicherungsnehmer bestimmt – allein oder in Zusammenwirken mit dem Schuldner als dessen Anstifter, Mittäter oder Gehilfe – Dritte zur Kreditgewährung an diesen, indem sie arglistig darüber getäuscht werden, dass der Schuldner durch die hergegebenen Sicherheiten kreditunwürdig geworden ist.“ „Tatbestand der Gläubigergefährdung 28 : Die ausbedungene Sicherung bringt durch ihren Umfang und ihre Undurchsichtigkeit die von dem Sicherungsnehmer bewusst in Kauf genommene, nicht ganz fernliegende Gefahr mit sich, dass spätere, nichts ahnende Kreditgeber zu Schaden kommen, ohne dass von einem betrügerischen Vorgehen des Sicherungsnehmers ihnen gegenüber die Rede sein kann.“

Die Analyse der im Anschluss ergangenen Rechtsprechung des BGH ergibt kein einheitliches Bild. Einerseits wird betont, die vom RG entwickelten Tatbestände stünden nicht „an Gesetzes stelle“.29 Aus dem Vorliegen der Tatbestände könne weder auf einen Sittenverstoß geschlossen werden noch sei es umgekehrt ausgeschlossen, die Anwendung von § 826 BGB auch in anderen Fällen zu bejahen.30 Andererseits wird auch anerkannt, dass es sich bei den vom RG entwickelten Fallgruppen um „typische Fälle“ handelt 31, denen zumindest Hinweise für die Richtung der anzustellenden Prüfung zu entnehmen seien.32 Diese 27 28 29 30 31 32

Zum Nachfolgenden RGZ 136, 247, 258 f. Früher bereits RGZ 85, 343. BGH, WM 1956, 283, 283; BGH, WM 1963, 1093, 1093; BGH, NJW 1970, 657, 659. BGH, WM 1958, 249, 250; BGH, WM 1958, 590, 591; BGH, NJW 1970, 657, 659. BGH, WM 1963, 1093, 1093; BGH, NJW 1970, 657, 659. BGH, WM 1956, 283, 283: Tatbestände geben einen „gewissen Anhalt“.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

würden das Gericht jedoch nicht davon entbinden, eine umfassende Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen und zu prüfen, ob das in Rede stehende Verhalten des Kreditgebers mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden übereinstimmt.33 Maßgeblich seien hierfür die „in Betracht kommenden Kreise, insbesondere die ehrbare Kaufmannschaft“.34 Hierin liegt zwar keine Abkehr von der grundlegenden Entscheidung des RG, wohl aber hat sich die Rechtsprechung des BGH verselbstständigt und betont ihre Verantwortung bei der Entscheidung des konkreten Einzelfalles, insbesondere das Vorliegen des subjektiven Tatbestands.35

3. Funktionale Interpretation der Sittenwidrigkeit? In der Literatur wird die soeben skizzierte Rechtsprechung weitgehend gebilligt. Dies verwundert nicht weiter, denn die tatbestandliche Weite ermöglicht wie bei § 138 BGB vor allem die Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit. So heißt es bereits in den Pandekten zur actio doli des Römischen Rechts, auf der § 826 BGB letztlich beruht 36 , es sollte „nur eine Aushilfe gewährt werden für diejenigen Fälle, wo eine eclatante Schädlichkeit sonst durch die Rechtspflege nicht erreicht und für den Betroffenen nicht unschädlich gemacht werden könnte“.37 Vor diesem Hintergrund fällt es naturgemäß schwer, dogmatische Begründungen zu finden, die die vorstehend genannten Entscheidungen der Rechtsprechung grundlegend in Frage stellen können. Da es keinen Ansatz gibt, der Rechtsprechung zu verbieten, einen Sachverhalt bei der stets angestellten Würdigung aller Umstände des Einzelfalles unter die Generalklausel zu subsumieren, wird die Bedeutung von § 826 BGB als Grundlage einer Kreditgeberhaftung wohl stets drohen und ex ante von einer großen Unsicherheit gekennzeichnet sein.38 Die gebotene, von der Finanzierungspraxis geforderte Rechtssicherheit, unter welchen Voraussetzungen ein Kapitalgeber bei der Unternehmensfinanzierung eine bloße Gläubigerstellung inne hat und ab wann ihn eine besondere Verantwortlichkeit für andere trifft,39 lässt sich hierüber kaum erreichen. Vielmehr geht von dieser Rechtsprechung das Signal aus, eine enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen laufe Gefahr, in den kritischen Bereich der per se zu missbilligenden 33

BGH, WM 1956, 283, 284. BGH, WM 1958, 590, 591. 35 Besonders deutlich BGH, NJW 1984, 1893, 1900. 36 Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 9. 37 Von Keller, Pandekten, § 368. 38 Zum unauflösbaren Spannungsverhältnis zwischen Rechtsunsicherheit und Einzelfallgerechtigkeit ausführlich Auer, Materialisierung, S. 62 f. 39 Fromm, GmbHR 1114, 1120 (insbesondere für die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen); Weisser, GmbHR 2004, 1370 (für den sog. debt-equitiy-swap bei der Publikums-KG); Weitnauer, BKR 2005, 43, 43: „größter anzunehmender Unfall“. 34

I. Die auf die Sittenwidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung

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(Sittenwidrigkeit!) Typenvermischung zu gelangen. Der Fremdkapitalgeber soll mit dem Damokles-Schwert der generalklauselartigen Schadensersatzhaftung davon abgehalten werden, sich als „stiller Geschäftsinhaber“ in die Unternehmensleitung einzumischen. Ungeachtet seiner historischen Wurzeln und der drohenden Rechtsunsicherheit nimmt § 826 BGB in der Praxis und Dogmatik des Wirtschaftsrechts eine zunehmende Bedeutung ein. Während die Haftung früher im Einklang mit seiner historischen Entwicklung ein rechtsethisch begründeter Notbehelf für die Lösung von Extremfällen war, befürwortet die jüngere Literatur eine funktionale – und damit weitgehend wertfreie – Interpretation der Sittenwidrigkeit iSv. § 826 BGB, wie sie im Wettbewerbsrecht bereits seit langem vorherrscht.40 Bis zur UWG-Reform im Jahr 2004 war ein wettbewerbswidriges Verhalten gemäß der haftungsbewehrten Generalklausel des § 1 UWG a. F. ebenfalls als Verstoß gegen die guten Sitten definiert.41 Wegen dieser Wortlautübereinstimmung ist es nicht fernliegend, über § 826 BGB eine mit dem Wettbewerbsrecht vergleichbare Verhaltenssteuerung zu Gunsten eines fairen Leistungswettbewerbs der Kreditgeber zu etablieren42 und die Gläubigerverantwortung auch in Zukunft vor allem als deliktische Schadensersatzhaftung für Vermögensschäden zu begreifen. Dass dies erhebliche Auswirkungen auf die jüngere Finanzierungspraxis hätte, sei nachfolgend skizziert.

4. Übertragung dieser Rechtsprechung auf Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge Überträgt man die Rechtsprechung zu § 826 BGB auf die hier interessierende Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger, können alle genannten Fallgruppen einschlägig sein. Erlangt ein Fremdkapitalgeber aufgrund der im Finanzierungsvertrag eingeräumten Einsichts- und Kontrollrechte Informationen über die aktuelle und sich künftig abzeichnende finanzielle Entwicklung des Unternehmens, ist es nicht ausgeschlossen, dass er diesen gegenüber den non-adjusting creditors und ggf. auch gegenüber einigen Eigentümern bestehenden Informationsvorsprung dazu benutzt, um sich Vorteile zu verschaffen und seinen Einfluss auf die Unternehmensleitung zur Konkurs- bzw. nunmehr Insolvenzverschleppung auszunutzen. Der Tatbestand der Aussaugung mag tra40 So vor allem Wagner, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 10 ff.; für die rechtliche Erfassung von Sanierungsbemühungen bereits Kruppa, Bankenhaftung, S. 42: „Zukunftsträchtigkeit eines Ausbaus des Deliktsrechts“; auch Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 146: „§ 826 BGB als zutreffende Anspruchsgrundlage der Kreditgeberhaftung“. 41 Vgl. nunmehr § 3 UWG, wonach die bisherige Sittenwidrigkeit durch den Begriff der Unlauterkeit ersetzt wurde. 42 Zu dieser Legitimation wettbewerbsrechtlicher Verbote und Sanktionen grundlegend Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 254.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

ditionell auf die Bestellung von Sachsicherheiten bezogen sein,43 kann einen funktional einer Kreditsicherheit entsprechenden Covenant-unterlegten Finanzierungsvertrag44 jedoch gleichermaßen betreffen. Die missbilligte „Einengung des Schuldners in seinen Mitteln und seiner Bewegungsfreiheit“45 kommt sowohl bei den affirmativen als auch bei den negativen Covenants in Betracht.46 Man denke nur daran, dass das Unternehmen verpflichtet wird, seinen Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten oder bestimmte Geschäfte und Strukturmaßnahmen nur mit Zustimmung des Fremdkapitalgebers durchzuführen. Die Drohung der Bank mit der Kreditkündigung wird von Rechtsprechung und Literatur geradezu als „typischer Fall“ für eine Haftung aus § 826 BGB angesehen.47 Für die als potentiell sittenwidrig eingestufte stille Geschäftsinhaberschaft gilt dies gleichermaßen.48 Bei der zunehmenden Fremdfinanzierung von Unternehmensübernahmen49 und einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen von 30% 50 haben die Fremdkapitalgeber als Gruppe sogar ein größeres Interesse, ihren Rückzahlungsanspruch durch Information und Einflussnahme abzusichern als die Eigentümer. 51 Auch die Fallgruppen der Gläubigergefährdung kann bei Covenant-unterlegten Finanzierungsverträgen Bedeutung erlangen. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen, dass die „ausbedungene Sicherung durch ihren Umfang und ihre Undurchsichtigkeit die nicht ganz fernliegende Gefahr mit sich bringt, dass spätere, nichts ahnende Kreditgeber zu Schaden kommen“52 sind leicht zu bejahen, weil die Finanzierungsverträge im zweiseitigen Verhältnis von Kapitalgeber und Unternehmen ausgehandelt werden, ohne dass ein mit Sach- und Personalsicherheiten vergleichbarer Akt der Publikation erfolgen muss. Die non-adjusting Creditors haben somit im Regelfall keine Einblicke, mit welchem anderen Kapitalgeber und in welchem Umfang das Unternehmen ein Covenant-unterlegtes Finanzierungsverhältnis eingegangen ist.

43 44 45 46

So jedenfalls die der Rechtsprechung zu Grunde liegenden Sachverhalte. Oben § 2 IV. RGZ 136, 247, 248. Vgl. BGH, NJW 2001, 2632, 2633 für die Veranlassung der Bank zum Lastschriftwider-

ruf. 47 BGH, WM 1964, 674; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.30; Berger, in Münch Komm BGB, Vor § 488 Rn. 98. 48 So auch Berger, in Münch Komm BGB, Vor § 488 Rn. 98. 49 Vgl. bereits oben § 1 I 3. 50 So die Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2005 vom April 2007 (http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_wirtschaftsdaten_tabellen.php). 51 So bereits Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 656 ff. 52 RGZ 136, 247, 248.

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5. Die beschränkte Bedeutung von § 826 BGB als Grundlage einer Kreditgeberhaftung Nach dem Vorgesagten ist die weithin gebilligte Rechtsprechung zu § 826 BGB das bereits skizzierte Damokles-Schwert einer Kreditgeberhaftung, die die jüngere Finanzierungspraxis zu beachten hat und die mangels Vorhersehbarkeit in Tatbestand und Rechtsfolgen vor allem prohibitiv auf eine Verhinderung der Mitsteuerung wirkt. Der Fremdkapitalgeber scheint sich der drohenden Haftung nur dadurch entziehen zu können, dass er sich entweder auf die Rolle eines einflusslosen Darlehensgebers beschränkt oder aber sogleich eine Gesellschafterstellung im betreffenden Unternehmensträger eingeht und hierüber sein finanzielles Risiko steuert. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch Zweifel, über eine wertfreie, generalklauselartige Haftung gemäß § 826 BGB die jüngere Finanzierungspraxis rechtlich adäquat erfassen zu können und damit auch Zweifel darüber, ob die Entwicklung der Rechtsprechung in die richtige Richtung geht, die Bedürfnisse der Finanzierungspraxis nach Rechtssicherheit zu befriedigen. a. Gefahr eines systemwidrigen deliktischen Vermögensschutzes Zu bedenken ist einmal, dass eine extensive Auslegung von § 826 BGB Gefahr läuft, das im deutschen Deliktsrecht angelegte System der drei „kleinen“ Generalklauseln53 auf den Kopf zu stellen. Insbesondere die auf den Rechtsgüterschutz beschränkte Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB droht mit einer allzu weiten Interpretation von § 826 BGB konterkariert zu werden, was sich de lege lata nicht begründen lässt und auch rechtspolitisch fragwürdig wäre. 54 Dies gilt für die hier interessierende Unternehmensfinanzierung in besonderem Maße. Während zum Beispiel das Wettbewerbsrecht die an die frühere Sittenwidrigkeit oder nunmehr maßgebliche Unlauterkeit geknüpften Schadensersatzansprüche „lediglich“ den Mitbewerbern zuspricht,55 läuft eine deliktisch begründete Gläubigerverantwortung darauf hinaus, dass alle sonstigen Gläubiger ihre Forderungsausfälle ersetzt bekommen können. Einem allzu offenen Ansatz, die Anwendung von § 826 BGB unter funktionalen Aspekten auszuweiten, ist daher bereits wegen eines der Konzeption des Zivilrechts widersprechenden Vermögensschutzes mit Skepsis zu begegnen.

53

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 I 1. Überzeugend Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 36. Zu den Vorzügen eines katalogartigen deliktischen Rechtsgüterschutzes unter Einbeziehung rechtvergleichender Aspekte Wagner, in Zimmermann, Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189, 230 ff. 55 Pointiert Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 10.1: Die Normen des Wettbewerbsrechts bezwecken keinen Individualschutz im Vertikalverhältnis für Verbraucher und sonstige Marktpartner, auch nicht über § 823 Abs. 2 BGB. 54

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Dies erkennt letztlich auch Wagner als Befürworter eines mittels der Sittenwidrigkeit gesteuerten Verhaltenssteuerung im Wirtschaftsverkehr an, indem er zumindest bei „diffusen Schadensbildern“ das sog. fl oodgates-Argument in § 826 BGB integriert.56 Hiernach ist – auch aus ökonomischer Sicht – eine uferlose Haftung für Vermögensschäden anderer zu vermeiden.57 Diese Prämisse erlangt bei der rechtlichen Ausgestaltung der Unternehmensfinanzierung besondere Bedeutung. Die vom RG entschiedenen Fälle zeigen, dass es bei einer über § 826 BGB begründeten Kreditgeberhaftung fast ausnahmslos um die Kompensation von Vermögensschäden der ungesicherten Gläubiger geht, die auf das Verhalten eines anderen Gläubigers – oder besser gesagt: auf die hierdurch ermöglichte Fortexistenz des Unternehmens – vertraut haben. Die in der Praxis komplexe Struktur einer Unternehmensfinanzierung mit einer Vielzahl von Beteiligten brächte die Notwendigkeit mit sich, die Haftung aus § 826 BGB als schadensrechtliche Zuweisung von Insolvenzrisiken aufzufassen und zu einer umfassenden Abwicklung von reinen Vermögenspositionen außerhalb des Rechtsgüterschutzes gemäß § 823 Abs. 1 BGB auszubauen. b. Keine autonome Beschreibung haftungswürdigen Verhaltens Dass diese Einschränkungen nicht auf der alleinigen Grundlage des Deliktsrechts herausgearbeitet werden können, hat Grigoleit bereits am Beispiel der Gesellschafterhaftung aufgezeigt.58 Bei der Frage, ob die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wegen Einflussnahme ausnahmsweise persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, besteht in Rechtsprechung und Literatur traditionell ein doppelter Begründungsansatz: Neben der Durchgriffshaftung wird meist zusätzlich auf § 826 BGB abgestellt, ohne dass sich die Voraussetzungen genau voneinander abgrenzen lassen.59 Diese Parallelität ist nicht zufällig, sondern vielmehr Ausfluss der Notwendigkeit, den unbestimmten Rechtsbegriff der sittenwidrigen Schädigung durch normative Vorgaben aus dem jeweiligen speziellen Rechtsgebiet zu konkretisieren. 60 Wenngleich § 826 BGB als Teil des Deliktsrechts eine sog. Jedermannhaftung ist, kann diese nicht autonom ausgelegt werden. 61 Insbesondere im hier interessierenden Kontext 56

Wagner, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 16. Grundlegend Jaap Spier (Hrsg.), The Limits of Liability: Keeping the Flooodgates Shut, 1996. Zum Prinzip des neminem laedere aus deutscher Sicht Picker, JZ 1987, 1046. 58 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 202 ff. 59 Exemplarisch BGHZ 181, 183 ff.; BGH, NJW 1979, 2104, 2104 f.; vgl. auch Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 16: Haftung der Gesellschafter „jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 826 BGB“. 60 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 203 f.; Haas, WM 2003, 1929, 1940. Allgemein bereits Simits, Gute Sitten und Ordre Public, S. 172 ff.: Konkretisierung der Sittenwidrigkeit mit Rücksicht auf die Wertungen des Rechtssystems insgesamt. 61 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 204. 57

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des Wirtschaftsverkehrs zeigt sich die Notwendigkeit, den Kreis der Inanspruchzunehmenden aufgrund außerhalb des Deliktsrechts angesiedelter Vorgaben rollen- und verhaltensspezifisch zu bestimmen. Für die Bejahung einer mit der Sittenwidrigkeit umschriebenen persönlichen Gesellschafterhaftung gemäß § 826 BGB werden daher auch die Erkenntnisse der verschiedenen Durchgriffslehren62 herangezogen, um hierüber den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. 63 Für die Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gilt dies gleichermaßen. Anstelle eines rein gesellschaftsrechtlich begründeten Haftungsdurchgriffs 64 wird die rechtlich missbilligte Insolvenzverursachung nunmehr zwar „ausschließlich“ auf § 826 BGB gestützt. 65 Die tatbestandliche Präzisierung des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit kann indessen – freilich ohne dass der BGH dies problematisiert – nicht ohne die Beantwortung der im Gesellschaftsrecht angelegten Frage erfolgen, innerhalb welcher Grenzen die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern ein ihre Aktivlegitimation bei § 826 BGB legitimierendes Eigeninteresse hat. 66 Dass hierüber auch künftig nicht einfach hinweggegangen werden darf, ohne nach einer dogmatischen Begründung zu fragen, verdeutlicht jüngst die Entscheidung des II. Senats in Sachen „Kolpingwerk“. Hierin heißt es pauschal, dass die für die Kapitalgesellschaften nunmehr maßgebliche Konkretisierung von § 826 BGB „angesichts der grundlegenden strukturellen Unterschiede“ nicht auf den Idealverein übertragbar sei. 67 Welche Unterschiede dies sein sollen, lässt sich nur unter Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Erwägungen beantworten. Diese Entwicklung der Rechtsprechung ist zwar methodisch nicht zu missbilligen, soweit hierfür insbesondere von der Rechtsfolgenseite her Bedarf besteht, die mit dem Haftungsdurchgriff einhergehende Außenhaftung der Gesellschafter wegen fehlender Abstimmung mit der Konzeption einer Kapitalgesellschaft mbH auszuräumen. 68 Aus der Notwendigkeit, auf der Tatbestandsebene auf anderweitig geregelte Vorgaben über das Unrecht zurückgreifen zu müssen, ergeben sich jedoch weitere Zweifel, ob § 826 BGB die ange62

Vgl. nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 221 ff. BGHZ 31, 258, 270 f. 64 So die bisherige Rechtsprechung im Anschluss an BGHZ 151, 181 (KBV). 65 BGH, ZIP 2007, 665, 668 (Trihotel). 66 Daher auch heute noch zutreffend Röhricht, FS 100 Jahre BGH, 83, 83 ff. der die Frage nach der Existenzvernichtungshaftung im Spannungsfeld zwischen gesellschaftsrechtlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz ansiedelt. Ähnlich Weller, ZIP 2007, 1681, 1684, der darauf hinweist, dass der BGH § 826 BGB ohne weiteres für ausschließlich anwendbar hält, ohne mit einem Wort auf den an sich geltenden Spezialitätsgrundsatz einzugehen. 67 BGH, ZIP 2008 , 364, 367. 68 So die tragende Erwägung des BGH für seine Rechtsprechungsänderung (BGH, NZG 2007, 667, 669: „Das bisher vom Senat zum existenzvernichtenden Eingriff entwickelte Haftungsmodell ist auf der Rechtsfolgenebene von einer gewissen Inhomogenität und dogmatischer Unschärfe gekennzeichnet“). 63

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messene Lösung ist, eine allgemeine Kreditgeberhaftung zu begründen. Sollte eine sachnähere Lösung möglich sein, spricht vieles dafür, die Gläubigerverantwortung auch dort anzusiedeln. 69 Anders als zum Beispiel im Strafrecht, wo der Untreuetatbestand gemäß § 266 StGB geradezu darauf angelegt ist, Vorgaben aus anderen Regelungskomplexen aufzunehmen, besteht die Notwendigkeit für einen solchen Rechtstransfer innerhalb des – ggf. sachnah fortzuentwickelnden – Zivilrechts nicht. Insofern wäre es geradezu wertungswidersprüchlich, auf § 826 BGB gerade dann zurückzugreifen, wenn – aus welchen Gründen auch immer – eine sachnähere Lösung zur Begründung einer Gläubigerverantwortung nicht gefunden wird.70 c. Der problematische subjektive Tatbestand Weiterhin bestehen bei der Begründung einer Kreditgeberhaftung gemäß § 826 BGB besondere Probleme hinsichtlich des subjektiven Tatbestands. Erforderlich ist nach dem Wortlaut der Regelung ein Schädigungsvorsatz des zur Haftung Verpflichteten und nach herrschender Ansicht auch die Kenntnis hinsichtlich der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen.71 Eine Absicht ist nicht erforderlich. Bereits der bedingte Vorsatz, also die billigende Inkaufnahme des Schadens der anderen Gläubiger, genügt.72 aa. Gefahr der Vorsatzfiktion Das Grundproblem deliktischer Haftung ist der oftmals schwierige Nachweis dieses subjektiven Tatbestands. In der Literatur gibt es daher immer wieder Stimmen, die die Eignung von § 826 BGB als Haftungsgrundlage bereits aus praktischen Gründen ablehnen.73 Man darf jedoch nicht übersehen, dass die herrschende Meinung insofern jedoch erhebliche Erleichterungen vorsieht. So heißt es, der subjektive Tatbestand aus der Art und Weise der objektiven Um69

Noch deutlicher Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 203: Die konsequente Umsetzung der für die Präzisierung von § 826 BGB erforderlichen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Wertungen würde eine sachnähere und methodenehrlichere Begründung der Haftung erlauben; ähnlich zuvor bereits Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1842, wonach das Deliktsrecht als Grundlage des Gläubigerschutzes „viel zu undifferenziert“ sei; noch strenger Haas, WM 2003, 1929, 1940, wonach gesellschaftsrechtliche Probleme nicht in eine Generalklausel des Deliktsrechts „ausgelagert“ werden dürften; hierzu kritisch jedoch Wagner, FS Canaris, S. 471, 493 f., wonach § 826 BGB nirgendwo autonom ausgelegt werde. 70 Dies verkennt Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 146 ff., der die Kreditgeberhaftung aus § 826 BGB als gegenüber den anderen zivilrechtlichen Tatbeständen vorzugswürdig erachtet. Zum Vorrang der Insolvenzanfechtung unten 6 c. 71 Vgl. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 III 2 (m. w. N.). 72 HM, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 III 1. 73 So für die Existenzvernichtungshaftung zum Beispiel Röhricht, FS 100 Jahre BGH, S. 83, 97.

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stände abgeleitet werden.74 Wenngleich man dem unter Berücksichtigung vergleichbarer Nachweisprobleme und ihre Bewältigung im Strafrecht 75 im Ausgangspunkt zustimmen kann, liegt das hieraus resultierende Gefahrenpotential auf der Hand. § 826 BGB droht entgegen seinem eindeutigen Wortlaut und der zumindest historisch auf die Lösung von Extremfällen beschränkten Schutzrichtung zu einer weitgehend objektiven Haftung zu werden.76 bb. Gefahr einer konturenlosen Erfolgshaftung Über diese generelle Gefahr einer unzulässigen Fiktion des subjektiven Tatbestands hinaus besteht im hier interessierenden Bereich der Gläubigerverantwortung die Gefahr eines besonderen Wertungswiderspruchs. Das Bedürfnis, die Kreditgeberhaftung als deliktische über § 826 BGB begründen zu wollen, resultiert – zumindest nach Ansicht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur – im Wesentlichen daraus, dass zwischen den an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Gläubigern kein rechtsgeschäftlich begründetes Verhältnis besteht.77 Wäre ein solches Verhältnis gegeben, käme ohne weiteres auch eine Fahrlässigkeitshaftung der Gläubiger untereinander in Betracht (vgl. § 280 BGB). Indem die Haftung nach § 826 BGB gerade keine Fahrlässigkeit ausreichen lässt, erlangt die dogmatisch und praktisch schwierige Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (luxuria) eine entscheidende Bedeutung.78 Hiermit soll nicht gesagt werden, dass eine solche Abgrenzung unmöglich wäre. Zu bedenken ist aber, dass die Abgrenzung auch eine große Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Während es in den meisten Fällen einer vertraglichen oder quasi-vertraglichen Haftung offen bleiben kann, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelte, hängt es bei einer allein über § 826 BGB begründeten Kreditgeberhaftung entscheidend davon ab, welche Alternative von § 276 Abs. 1 BGB vorliegt. Da die Haftungsfälle zwangsläufig aus der Ex-post-Perspektive zu entscheiden sind, besteht möglicherweise das allenfalls moralisch oder politisch begründbare Bedürfnis, einen mittlerweile eingetretenen Schaden, zum Beispiel die masselose Insolvenz, einem vermeintlichen (ggf. kapitalkräftigen) Schädiger zurechnen zu wollen (sog. „Deep-Pocket-Doktrin“) 79. Die „öffentliche Meinung“ von der Rolle der Banken bei der Schneider-Insolvenz im Jahr 74

BGH, NJW 1979, 2104, 2105 („besonders intensives Maß der Gläubigergefährdung“); BGH, WM 1995, 882, 895; Westermann, NZG 2002, 1129, 1135. 75 Vgl. Wagner, FS Canaris, 473, 492. 76 Ebenso kritisch Westermann, NZG 2002, 1129, 1135 ff. und Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 III 1 a: „hart an der Grenze der lex lata“. 77 Vgl. ausführlich unten § 7 V. 78 Abw. aber Mertens, ZHR 143 (1979), 182, 182 ff. wonach auch die grobe Fahrlässigkeit unter § 826 BGB falle; dagegen mit Recht Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 III 1 c. 79 Die sog. „Deep-Pocket-Doktrin“ stammt aus dem US-amerikanischen Rechtskreis und beschreibt die vor allem bei den Entscheidungen im Jury-System zu beobachtende Tendenz,

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1995 ist hierfür paradigmatisch. 80 Die Tendenz, dass sich vergleichbare pauschale Vorverurteilungen auch auf die zunehmend in Deutschland agierenden Hedgefonds („Heuschrecken“) und Private Equity-Gesellschaften erstreckt, ist deutlich sichtbar. 81 Auch die bereits erwähnten Ansätze, gerade den Kreditinstituten eine besondere Verantwortung bei der Kreditvergabe aufzuerlegen, erscheint vielfach nicht ohne ideologische Tendenz. 82 Wird also die notwendige Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit nicht präzise vorgenommen, droht eine an das Verhalten anknüpfende deliktische Verantwortlichkeit (vgl. den Wortlaut von § 826 BGB „zufügt“) zu einer konturenlosen Erfolgshaftung für Vermögensschäden ausgeweitet zu werden. Verstärkt wird diese Gefahr durch die Notwendigkeit, „nur nachteiliges“ Gläubigerverhalten von sittenwidrigem Verhalten abzugrenzen. 83 Geht man davon aus, dass die Unternehmensgläubiger keine rechtsgeschäftlich begründete Gemeinschaft oder Gesellschaft bilden, sind die einzelnen Beteiligten konsequenterweise auch nicht a priori dazu verpflichtet, auf die anderen besondere Rücksicht zu nehmen oder gar deren „Wohl und Wehe“ stets mit zu berücksichtigen. 84 Dem in Anspruch genommenen Gläubiger muss daher auch im Prozess die Möglichkeit bleiben, offen auszusprechen, dass sein Verhalten allein der Verwirklichung seiner von der Rechtsordnung gebilligten Ziele als Fremdkapitalgeber diente 85 und er hierfür zum Beispiel durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung oder ein Aussonderungsrecht belohnt wird. Im Verfahren über die Haftung von § 826 BGB erscheint es indessen schwer vorstellbar, dass der Tatrichter eine solche Einlassung des Beklagten, eigensüchtig gehandelt zu haben, nicht als willkommenen Anlass nimmt, dieses an sich legitime Verhalten angesichts des jetzt eingetretenen Schaden nicht als sittenwidrig zu würdigen. Hiergegen lassen sich auch letztlich keine methodischen Argumente vorbringen. Die Vorgaben der heute nahezu einhellig gebilligten Wertungsjurispruden Schaden einem kapitalkräftigen Schädiger zuzuweisen (vgl. nur Hirte, NJW 2002, 345, 345). 80 Vgl. nur Frank/Thorn, Paläste, Pleiten, Peanuts. Der Banken-Skandal Schneider, 1996. 81 Vgl. nur Schneider, AG 2006, 577: „Alternative Geldgeber oder Eigenkapitalräuber? – Die sieben Halbwahrheiten über die ‚neuen Investoren‘“; seine Kritik an beispielen erläuternd hingegen ders., NZG 2007, 888. Die sich abzeichnende Tendenz, unter Rückgriff auf eine kaum zu begründende Gemeinwohlbindung nicht nur den Kreditinstituten eine besondere Verantwortung bei der Unternehmensfinanzierung aufzuerlegen, sondern auch privaten und institutionellen Anleihegläubigern (z. B. Pensionsfonds), kritisiert auch Sester, NJW 2006, 3402. 82 Oben vor I. 83 Ähnlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 209 für den legitimen Aspekt, dass die Gesellschafter das Insolvenzrisiko zum Teil auf die Gesellschaftsgläubiger verlagern wollen und nach der Konzeption des Kapitalgesellschaftsrechts auch dürfen. 84 Hierzu noch einmal ausführlich unten § 7 V. 85 Zur gesetzlichen Anerkennung des Rückzahlungsinteresses von Darlehensgeber und stillem Gesellschafter ausführlich unten § 13.

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denz sind zwar auch maßgeblich für die Konkretisierung von Generalklauseln. 86 Man könnte die daher vorstehend vermutete Neigung der Gerichte als eine Übersteigerung der richterlichen Freiheit missbilligen, sofern sie nicht durch eine objektive Wertentscheidung des Gesetzes abgesichert ist, dem finanziell Schutzbedürftigen im Sinne der Deep-pocket-Doktrin zu helfen. 87 In der Gerichtspraxis wird es wegen der ohnehin nur schwer fassbaren Richterbindung bei der mittels Generalklauseln gesetzlich geforderten Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit jedoch kaum zu verhindern sein, dass im Einzelfall Aspekte der Interessenjurisprudenz vorherrschend sind. 88 Die deliktische, auf den Vorsatz begrenzte Haftung nach § 826 BGB droht somit auch unter diesem Aspekt zu einer konturenlosen Haftung für Vermögensschäden auszuweiten, welche der Konzeption des deutschen Deliktsrechts widerspricht. d. Ungerechtfertigte Stigmatisierung des Wirtschaftsverkehrs Weiterhin ist auf eine Begleiterscheinung hinzuweisen, die zumindest faktisch nicht zu vernachlässigen ist. Die zivilrechtliche Haftungsabwicklung über § 826 BGB knüpft nach traditioneller Auffassung an einen gesteigerten sozialethischen Unwert89 bzw. an ein gesteigertes Unrecht90 an und führt damit – wie die Nichtigkeit nach § 138 BGB – zu einer Stigmatisierung der Beteiligten.91 Im Wettbewerbsrecht wurde dieser Aspekt jüngst zum Anlass genommen, das Merkmal der Sittenwidrigkeit gemäß § 1 UWG a. F. zu Gunsten der Lauterkeit gemäß § 3 UWG abzuschaffen. In der Regierungsbegründung heißt es hierzu ausdrücklich, dass man ein Unternehmen, welchem man den Wettbewerbsver-

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Auer, Materialisierung, S. 1 f. Tendenzen zu einem derartigen „sozialstaatlichen Legifieren“ sind ohne weiteres im deutschen Privatrecht vorhanden (vgl. nur Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 229 ff.), bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung hingegen kaum zu rechtfertigen. Wie sich noch zeigen wird, ist die Schutzbedürftigkeit der (kleinen) adjusting Creditors jedoch nicht durch die individuelle finanzielle Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt, sondern allein objektiv zur Gewährleistung eines funktionierenden Marktes der Unternehmensfinanzierung (unten § 5 und § 13). 88 So auch Auer, Materialisierung, S. 71, wonach es auf der Grundlage der hergebrachten Rechtsquellen- und Methodenlehre nicht gelingen könne, der Bedeutung richterlicher Eigenwertung im Rechtsfindungsprozess gerecht zu werden oder den richterlichen Entscheidungsspielraum vollständig oder auch nur weitgehend zu beseitigen. 89 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 48 f.: gute Sitten als „rechts- und sozialethisches Minimum“. 90 Deutsch, JZ 1963, 385, 389. 91 Abw. Wagner, in MünchKomm BGB, § 826 Rn. 7; ders., in FS Canaris, S. 473, 495; aus wettbewerbsrechtlicher Sicht auch Sack, BB 2003, 1037, 1037: bloße „sprachliche Empfindsamkeit“; dagegen Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rn. 3. 87

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stoß vorwerfe, unnötig mit dem Makel der Sittenwidrigkeit belaste (sog. Makeltheorie).92 Die hiermit für das Wettbewerbsrecht anerkannte Trennung von Sittenwidrigkeit und „gewöhnlicher“ rechtlicher Missbilligung (Unlauterkeit) gilt als Stufenverhältnis auch im allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsrecht. Nach deutschen Schadenersatzrecht genügt im Regelfall die Pflicht- oder Rechtswidrigkeit, um eine verschuldensabhängige Haftung zu begründen (vgl. nur § 280 und § 823 BGB). Bei der Gefährdungshaftung ist das haftungsauslösende Tun sogar erlaubt.93 Legt man nun § 826 BGB mit den neueren Ansichten in der Literatur zunehmend weit aus, bedeutet dies, dass die Inanspruchgenommenen dem Makel „sittenwidrigen Handelns“ ausgesetzt werden. Gerade im Wirtschaftsverkehr, wo die Haftung primär auf die Kompensation von Vermögensschäden gerichtet ist, kann dies ungerechtfertig sein. Bereits Lehmann hat im Jahr 1958 auf die „psychischen Hemmnisse“ hingewiesen, einen „angesehen Kaufmann mit dem Stigma des sittenwidrigen Vorgehens zu belasten“.94 Auch die aktuelle Diskussion über die Verantwortlichkeit der Gesellschafter einer GmbH ist von diesem Problem beeinflusst. So sprach sich zum Beispiel Veil bereits vor der jetzt vollzogenen Rechtsprechungsänderung des BGH dafür aus, die Existenzvernichtungshaftung abweichend von der herrschenden Durchgriffslösung auf § 826 BGB zu stützen.95 Bei der Vorstellung seines Konzepts auf der Tagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung im Jahr 2005 entbrannte nicht zuletzt über die hiermit verbundene Stigmatisierung der Betroffenen eine heftige Kontroverse.96 Schließlich kritisiert auch Wagner selbst die frühere Praxis der Rechtsprechung, § 826 BGB als zusätzliche Anspruchsgrundlage heranzuziehen, wenn es um die Restitution von Schäden infolge rechtswidriger Verletzungen eines von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts geht.97 Dies sei praktisch unschädlich, systematisch jedoch ohne Halt und wohl dem Bedürfnis zu verdanken, dem Beklagten die moralische Verwerflichkeit seines Verhaltens ins Stammbuch zu schreiben.98 Übertragen auf die hier interessierende Unternehmensfinanzierung zeigt sich hieran deutlich, dass die Rechtsprechung zu § 826 BGB wie ein DamoklesSchwerts wirken muss, welches die an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Kreise letztlich abschreckt, die Vorteile einer engen Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen wahrzunehmen. Die Praxis 92 Vgl. RegE zu § 1 UWG, BT-Drs. 15/1487, S. 16; abw. Wagner, FS Canaris, S. 473, 490, der hierin lediglich die Einführung eines „moderner wirkenden Begriffs“ sieht. 93 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 631. 94 Lehmann, FS Hedemann, 1958, S. 400. 95 Veil, in Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2005, S. 103. 96 Vgl. die (sehr verkürzte) Zusammenfassung im Tagungsbericht von Schreiber, in Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2005, S. 123. 97 So RGZ 163, 21, 25 f. 98 Wagner, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 4.

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wird sich scheuen, die Vorteile einer Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung zu nutzen, wenn sie befürchten muss, von den Gerichten und als Konsequenz auch von der „öffentlichen Meinung“ mit dem Makel der Sittenwidrigkeit belegt zu werden. Solange die stille Geschäftsinhaberschaft daher als Fallgruppe der Sittenwidrigkeit anerkannt ist und die „Einengung der Bewegungsfreiheit des Schuldners“ Gefahr läuft, eine sittenwidrige Aussaugung zu sein, wird mittels einer konturenlosen Deliktshaftung das traditionelle Rollenbild der an die formale Eigentümerstellung geknüpften Finanzierungstypen verteidigt und mit einer nicht kalkulierbaren Schadensersatzhaftung für den Fall des Zuwiderhandelns effektuiert. Der Fremdkapitalgeber soll sich hiernach auf seine Rolle als Außenstehender bzw. Unternehmensfremder beschränken und die wirtschaftlichen Entscheidungen dem Unternehmen, mithin den Eigentümern und den von ihnen eingesetzten Geschäftsleitern überlassen. Eine ausreichend legitimierte rechtliche Missbilligung der jüngeren Finanzierungspraxis und vor allem marktorientierte Konkretisierung von Generalklausen ist dies nicht. e. Notwendigkeit einer deliktsrechtlichen Anknüpfung bei Auslandsbezug? Schließlich ist bei einem extensiven Rückgriff auf § 826 BGB zu bedenken, dass hierüber nicht zwingend ein adäquates Mittel bereit steht, um in Fällen mit Auslandsbezug die aus nationaler Perspektive günstige deliktsrechtliche Anknüpfung gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB gelten zu lassen. aa. Die Qualifikation des existenzvernichtenden Eingriffs als Ausgangspunkt Wiederum zeigen sich Parallelen in der aktuellen gesellschaftsrechtlichen Diskussion. Dort gab es bereits vor dem nunmehr ausdrücklichen Bekenntnis des BGH zur Anwendung von § 826 BGB99 Ansätze, die für die GmbH entwickelte Existenzvernichtungshaftung trotz ihres Durchgriffscharakters als unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 40 Abs. 1 EGBGB zu qualifizieren, um sie auf diese Weise auch auf in Deutschland tätig werdende Auslandsgesellschaften anwenden zu können.100 Ob dies richtig war, soll hier nicht entschieden werden, da sich die Problematik durch die Verortung der Existenzvernichtungshaftung bei § 826 BGB nunmehr zumindest verlagert hat. Bedeutsam ist nunmehr, dass auch die Einordnung einer zu missbilligenden Handlung als sittenwidrige Schädigung iSv. § 826 BGB keineswegs zwingend den möglicherweise gewünschten Effekt erzielt, nationales Recht auf der 99

BGH, NZG 2007, 667 (Trihotel). So Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669 f.; Bayer, BB 2003, 2357, 2364 f.; Wagner, FS Canaris, S. 473, 500 ff.; für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation hingegen Weller, IPRax 2003, 207, 209 f.; Roth, NZG 2003, 1081, 1085; Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474, 487 f. 100

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Grundlage der nationalen Gerichtspraxis bei Auslandsgesellschaften zur Anwendung zu bringen. Die Qualifizierung einer Haftungsnorm erfolgt im Kollisionsrecht funktional und kann gerade bei den generalklauselartigen Tatbeständen zu anderen Ergebnissen führen als es auf den ersten Blick scheint.101 Die Gründe hierfür liegen einerseits im nationalen Kollisionsrecht selbst, andererseits in den europarechtlichen Vorgaben. (1) Probleme einer deliktsrechtlichen Qualifizierung nach nationalem Recht. Die unter Art. 40 Abs. 1 EGBGB zu fassenden unerlaubten Handlungen werden zwar nach der lex fori qualifiziert.102 Die Voraussetzungen hierfür müssen indessen nicht mit den Anforderungen des materiellen Rechts an die Einordnung einer Schadensersatzhaftung identisch sein.103 Selbst auf der Grundlage des BGH, wonach die Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs „ausschließlich“ ein Fall von § 826 BGB sei,104 ist damit nicht zwingend die Qualifikation als unerlaubte Handlung gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB verbunden. Die Erwägungen des BGH, das neue Haftungskonzept sei eine „folgerichtige Verlängerung [des] . . . Schutzsystems der §§ 30, 31 GmbHG auf die Ebene des Deliktsrechts“105 und die hiermit einhergehende Legitimation der Haftung als solches mit der Insuffizienz des gesellschaftsrechtlichen über das Kapitalerhaltungsgebot zu verwirklichenden Schutzes lässt Raum für eine Qualifikation der Haftung als untrennbarer Bestandteil des Gesellschaftsstatuts.106 Die anhand anderweitiger Vorgaben zu begründende Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsverdikts ist somit nach wie vor Anlass, die Existenzvernichtungshaftung kollisionsrechtlich zu hinterfragen mit dem möglicherweise überraschenden Ergebnis, dass die Gesellschafterhaftung aus § 826 BGB nur auf die GmbH Anwendung findet. (2) Die Überprüfung nationaler Qualifikationen anhand europäischer Vorgaben. Selbst wenn sich aus deutschem Kollisionsrecht ergeben in sollte, dass die Existenzvernichtungshaftung eine unerlaubte Handlung iSv. Art. 40 Abs. 1 EGBGB ist, wäre hiermit nicht zugleich gesagt, dass zum Beispiel eine Exis101 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rn. 21. Vgl. zum „relabeling“ von Normen auch Servatius, Tagungsbericht, EBOR 7 (2006), 461, 463 f. 102 Junker, in MünchKomm BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 8; Palandt/Heldrich, BGB, Art. 40 Rn. 3. 103 Junker, in MünchKomm BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 8. 104 BGH, NZG 2007, 667, 668 (Trihotel). 105 BGH, NZG 2007, 667, 667 (Trihotel). 106 So auch Weller, ZIP 2007, 1681, 1688 f., der dies im Ergebnis jedoch ablehnt und allein die im Gesellschaftsrecht angelegten Schutzlücken als Vorfrage nach dem Gesellschaftsstatut anknüpfen will; für eine deliktsrechtliche Anknüpfung jedoch Paefgen, DB 2007, 1907, 1812. Früher bereits für eine Anknüpfung der deliktischen Durchgriffshaftung aus § 826 BGB an das Gesellschaftsstatut Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474, 489; abw. Kindler, in Münch Komm BGB, IntGesR Rn. 614 ff.

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tenzvernichtungshaftung der Gesellschafter einer englischen Ltd. mit Sitz in Deutschland keine europarechtswidrige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Die Geltung dieses Haftungsregimes bedeutet aus der Perspektive der Gesellschafter eine Beschränkung des Marktzugangs und damit ihrer Niederlassungsfreiheit.107 Sie muss daher die Erfordernisse des 4-KonditionenTests108 erfüllen, was vor dem Hintergrund der hinsichtlich wesentlicher Fragen des Gläubigerschutzes weitgehend harmonisierter nationaler Gesellschaftsrechte zweifelhaft ist.109 Es muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, welche Ansicht zutreffend ist. Vielmehr soll es bei der Feststellung bleiben, dass die möglicherweise gewünschte Erstreckung deutscher Haftungsregeln aus Auslandsgesellschaften keinesfalls durch ein einfaches relabeling, mithin den formalen Austausch einer Norm bewirkt werden kann, um ein rechtspolitisch gewünschtes Ergebnis zu erzielen. § 826 BGB ist daher bereits im Gesellschaftsrecht nur schwach legitimiert, um hierüber den aus deutscher Perspektive gebotenen Gläubigerschutz auch bei Auslandsgesellschaften zu verwirklichen. bb. Konsequenzen für die hier interessierende Gläubigerverantwortung Bezogen auf die hier interessierende Gläubigerverantwortung gilt nichts anderes. Einerseits führt die Anwendung von § 826 BGB nicht automatisch dazu, dass ein ausländischer Fremdkapitalgeber wegen einer als sittenwidrig zu qualifizierenden unternehmerischen Einflussnahme auf ein in Deutschland ansässiges Unternehmen gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB deutschem Deliktsrecht unterfällt und dies keine europarechtswidrigen Beschränkung seiner Dienstleistungsfreiheit ist. Wie beim soeben erörterten existenzvernichtenden Eingriff kommt es für Anwendung deutschen Deliktsrechts auf Fälle mit Auslandsbezug unter beiden Aspekten ebenfalls auf die sachnäheren Begründungsansätze an, ein Verhalten als sittenwidrig einzustufen oder nicht. Die Ergebnisse einer Qualifikation sind im Hinblick auf die mit einer deliktischen Qualifikation bezweckten Schutzaspekte keineswegs eindeutig. (1) Deliktisch begründete Gläubigerverantwortung als unzureichender Schutz. Einerseits führt auch die hier interessierende Gläubigerverantwortung für unternehmerische Einflussnahme nicht zwingend dazu, diesen Sachverhalt als deliktische Schädigung zu qualifizieren und über Art. 40 Abs. 1 EGBGB auf alle im Inland ansässigen Unternehmen anzuwenden. Sieht man zum Beispiel den 107

So bereits Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474, 488. Vgl. EuGH, Rs C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, 3334. 109 So auch Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474, 488; abw. Wagner, FS Canaris, S. 473, 503 f., für den Fall, dass das Rechtsinstitut nicht übermäßig ausgedehnt wird; dogmatisch unentschieden und auf die Klärung durch den EuGH hoffend Paefgen, DB 2007, 1907, 1912. 108

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im Gesellschaftsrecht geltenden Grundsatz der Verbandsautonomie bzw. Verbandssouveränität als institutionellen Schutz der Gesellschafter vor Dritteinfluss110 als die tragende Legitimation für die rechtliche Missbilligung der Einflussnahme, liegt es durchaus nahe, den Sachverhalt wie soeben beim existenzvernichtenden Eingriff gesehen entgegen der materiell-rechtlichen Einbeziehung in § 826 BGB nicht Art. 40 Abs. 1 EGBGB, sondern dem Gesellschaftsstatut des betreffenden Unternehmensträgers zuzuweisen. Dies könnte zum Ergebnis haben, dass deutsche Rechtsformen auf der Grundlage der hierfür geltenden Verbandssouveränität weitgehend geschützt wären, wohingegen dies für in Deutschland ansässige Auslandsgesellschaften nur gilt, sofern das jeweilige nationale Gesellschaftsrecht dies ebenso vorsieht. Dem mag man zwar entgegenhalten, dass dieser scheinbar unzureichenden Schutz über den Ordre public-Vorbehalt gemäß Art. 6 EGBGB korrigiert werden kann, sofern die Anwendung ausländischen Rechts zu Ergebnissen führt, die mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sind. Immerhin finden sich in Rechtsprechung und Literatur bereits Ansätze, den Ordre public-Vorbehalt unter dem Aspekt der Knebelung Geltung zu verschaffen.111 Wegen der bisher zurückhaltenden Anwendung von Art. 6 EGBGB bestehen jedoch erhebliche Zweifel, hierüber eine durchgängige Anwendung deutschen Deliktsrechts und seine Konkretisierung durch die Rechtsprechung auf Auslandsunternehmen zu erzielen. Diese Frage muss jedoch hier nicht weiter vertieft oder gar abschließend entschieden werden. Wichtig ist wiederum allein, dass die Bejahung von § 826 BGB als zutreffender Grundlage für die rechtliche Erfassung der unternehmerischen Einflussnahme durch Dritte jedenfalls für sich genommen nicht ausreichend ist, das Bedürfnis zu befriedigen, über Art. 40 Abs. 1 EGBGB eine auch auf Sachverhalte mit Auslandsbezug anzuwenden. (2) Sachnäher begründete Gläubigerverantwortung als ausreichender Schutz. Umgekehrt ist es bei einer sachnäheren, anderweitig begründeten Gläubigerverantwortung keineswegs von vornherein ausgeschlossen, den gewünschten Schutz von in Deutschland ansässigen Unternehmen und deren Gläubigern vor unternehmerischer Einflussnahme durch Fremdkapitalgeber auch dann zu verwirklichen, wenn man nicht auf § 826 BGB zurückgreift. Würde sich im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung zum Beispiel ergeben, dass die an einer Unternehmensfinanzierung Beteiligten in der Krise untereinander aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung zur umfassenden Kooperation 110 Vgl. nur Hommelhoff, in Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 89; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, S. 140. 111 Für Finanzierungsverträge Kästle, Rechtsfragen, S. 142 f.; OLG Celle, SchiedsVZ, 2007, 145, 156.

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und Sanierung verpflichtet wären,112 bietet sich durchaus die Möglichkeit der inlandsbezogenen Anknüpfung durch ein besonderes „Kooperationsstatut“ an.113 Würde man zum Beispiel zu dem Ergebnis kommen, dass die Gläubigerverantwortung vor allem insolvenzrechtlich ausgeprägt ist, indem die Kapitalgeber unter bestimmten Voraussetzungen verwehrt wäre, in der Insolvenz des Unternehmens die Rolle eines Insolvenzgläubigers einzunehmen,114 könnte gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 2 S. 2 lit. g) und m) EuInsVO ebenfalls gewährleistet werden, dass die Fragen der haftungsmäßigen Widmung des Kapitalbeitrags und der Anfechtbarkeit deutschem Insolvenzrecht unterliegen.115 f. Zwischenergebnis Die vorstehende Kritik an § 826 BGB und seiner möglichen Bedeutung im Bereich der hier interessierenden Gläubigerverantwortung hat wegen des generalklauselartigen Charakters der Norm nur indizielle Bedeutung. Es besteht zwar keine Möglichkeit, § 826 BGB mit einer dogmatischen Begründung entweder völlig auszuschließen oder – im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des RG – einen abschließenden Katalog vorsätzlich sittenwidriger Schädigungen bei der Beteiligung an einer Unternehmensfinanzierung herauszuarbeiten. Die Ausführungen über die Schwächen von § 826 BGB verdeutlichen jedoch, dass dieser Vorschrift möglicherweise nur eine Auffangfunktion innewohnt. Sie käme nur dann zur Anwendung, wenn eine möglicherweise nicht ohne weiteres als einschlägige Regelung erkennbare, aber zumindest rechtsfortbildend sachnäher begründbare Gläubigerverantwortung wegen unternehmerischer Einflussnahme keine dem Einzelfall gerecht werdenden Ergebnisse zu liefern vermag.116 Auch ist zu bedenken, dass die Zurückhaltung spezieller Haftungsregeln oder besonderer spezialgesetzlicher Risikozuweisungen umgekehrt eine – im Rahmen des generalklauselartigen § 826 BGB freilich nur begrenzte – Sperrfunktion ausüben können, die nur mit einem erheblichen, auf den konkreten Sachverhalt bezogenen Argumentationsaufwand zu beseitigen ist. Im Wettbewerbsrecht ist dieser Ansatz seit langem anerkannt. So führte bereits das RG aus: Was nach dem UWG erlaubt ist, kann nicht im Rahmen des § 826 BGB

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Vgl. ausführlich unten § 7 V. So Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 923 ff., insbes. 927 ff. 114 Hierzu ausführlich unten § 16. 115 Vgl. Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 9 Rn. 39; hierzu ausführlich unten § 16 IV. 116 Abw. Wagner, FS Canaris, 473, 495, wonach eine Zurückhaltung bei der Anwendung von § 826 BGB wohl nur dann angebracht ist, wenn der Gesetzgeber sich entschließt, einen bisher richterrechtlich strukturierten bereich des Vermögensschadensersatzes durch sondergesetzliche Regelungen in Gesetzesform zu bringen. 113

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sittenwidrig sein.117 Das Gleiche gilt nach Ansicht des BGH im Herstatt-Fall für die Geschäftsleiterpflichten in der AG: Ein Verhalten, das nach § 92 Abs. 2 S. 1 AktG einem ordentlichen Geschäftsleiter erlaubt oder sogar geboten ist, könne nicht gleichzeitig gegen die guten Sitten verstoßen.118

6. Möglichkeiten einer sachnäheren Begründung der Gläubigerverantwortung Nachfolgend soll nunmehr herausgearbeitet werden, auf welche Weise sich die nach Ansicht der Rechtsprechung und der ihr folgenden herrschenden Meinung in der Literatur anhand des Sittenwidrigkeitsverdikts begründete Gläubigerverantwortung sachnäher, d. h. unter Berücksichtigung der für die Unternehmensfinanzierung konkret maßgeblichen Spezialregelungen, begründen ließe. a. Tatbestand der stillen Geschäftsinhaberschaft als Leerformel Nach Ansicht des RG kann es als stille Geschäftsinhaberschaft haftungsbegründend iSv. § 826 BGB sein, wenn ein Kreditgeber den Schuldner zu einem bloßen Strohmann erniedrigt, der nur noch nach außen hin als Inhaber des Geschäfts erscheint, ihm gegenüber aber in Wirklichkeit nur noch die Stellung eines abhängigen Verwalters hat und zwar so, dass der ganze Gewinn des Geschäfts dem Kreditgeber zufließt, ein etwaiger Verlust aber von ihm nicht getragen und jede Haftung für die Gesellschaftsschulden auch bei fehlender sonstiger Deckung von ihm abgelehnt wird.119 Der zur Nichtigkeit eines Finanzierungsvertrages bzw. einer Sicherheitenbestellung führende Knebelung gemäß § 138 Abs. 1 BGB wurde vom BGH auf ähnliche Weise begründet.120 Auf den ersten Blick scheint die hier beschriebene Situation in der Tat ein nicht hinnehmbarer Zustand. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das Gesetz mit der stillen Gesellschaft einen Rahmen bietet, der die beschriebene Gestaltung weitgehend legitimieren kann. Hiernach ist es keineswegs ausgeschlossen, dass jemand unternehmerisch handelt, das hieraus resultierende Risiko jedoch auf andere abwälzt. Um dies zu verdeutlichen, sollen die §§ 230 ff. HGB in Anlehnung an die nach Ansicht des RG sittenwidrige Fallgruppe der stillen Geschäftsinhaberschaft wie folgt interpretiert werden: Gemäß § 230 Abs. 1 HGB tritt allein der „Strohmann“ im Rechtsverkehr auf; die Schuldenhaftung des Stillen wird gemäß § 231 Abs. 2 HGB „abgelehnt“.

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RGZ 77, 217, 220; 79, 224, 229; 92, 132, 138 f.; zustimmend Wagner, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 12 aE. 118 BGHZ 75, 96, 114 (Herstatt). 119 RGZ 116, 247, 258. 120 Vgl. oben Fn. 325.

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Wenngleich diese Situation nicht dem gesetzlichen Regelfall der §§ 230 ff. HGB entspricht, ist sie dennoch keine nicht begründbare Wahrnehmung gesellschaftsvertraglicher Gestaltungsfreiheit. Da die stille Gesellschaft nach ganz herrschender Meinung eine Innen-GbR ist, besteht nach der gesetzlichen Ausgangslage kein Grund, den Parteien eines stillen Gesellschaftsvertrages nicht die Freiheit zuzubilligen, im Innenverhältnis Gesamtgeschäftsführungsbefugnis gemäß § 709 BGB oder sogar Alleingeschäftsführungsbefugnis des Stillen zu vereinbaren.121 Die vom RG kritisierte Abhängigkeit des Geschäftsinhabers vom Stillen ist demnach zwar nicht der gesetzliche Regelfall, mangels eines ausdrücklichen Verbots jedoch auch nicht ohne anderweitige Begründung zu missbilligen. Das Gleiche gilt für die Ablehnung der Schuldenhaftung durch den Stillen. § 231 Abs. 2 HGB sieht ausdrücklich vor, dass der Stille von der Verlusttragung ausgeschlossen werden kann, wohingegen eine Gewinnbeteiligung zwingend ist. Indem die Regeln über die stille Gesellschaft zumindest aufgrund einer vertraglichen Abrede dem entsprechen können, was nach Ansicht der Rechtsprechung sittenwidrig sein soll, muss das über solche Zustände zu fällende Unrechtsurteil entsprechend weniger scharf ausfallen. Die Rechtslage muss zumindest im Ausgangspunkt so verstanden werden, dass das Gesetz es nicht kategorisch ausschließt, die unternehmerische Einflussnahme durch Dritte an keine korrespondierende Verantwortung für andere zu knüpfen – sei es durch eine persönliche (Schadensersatz-)Haftung oder durch eine vorrangige Verlusttragung des als Fremdfinanzierung hingegebenen Kapitalbeitrags. Hiermit soll freilich nicht gesagt werden, dass die vom RG herausgearbeitete Fallgruppe der stillen Geschäftsinhaberschaft gänzlich unerheblich wäre. Das Problem der stillen Geschäftsinhaberschaft ist lediglich auf eine andere – außerhalb des Deliktsrechts angesiedelte und damit sachnähere – Begründungsebene zu verlagern: Ist es zu missbilligen, wenn ein Fremdkapitalgeber sich die oben skizzierten dispositiven Regelungen über die stille Gesellschaft nur insofern zu Nutze macht, als er sich in die Geschäftsführung einmischt, nicht aber für die anfallenden Verluste haften will? Ob dies der Fall ist, ist keine Frage der konturenlosen Sittenwidrigkeit. Es ist vielmehr eine Frage der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht bzw. – soweit zur Verwirklichung eines konkreten Schutzanliegens erforderlich – des objektiven gesellschaftsrechtlichen Institutionenmissbrauchs. Für den Darlehensgeber, der über Covenants Einfluss ausübt, gilt dies gleichermaßen. Auch hier muss man sich fragen, ob aus den Regelungen des Darlehensrechts oder den Regelungen über den Rechtsträger des finanzierten Unternehmens abzuleiten ist, dass die im gesetzlichen Ausgangspunkt 121 Sog. „atypische stille Gesellschaft“ (BGHZ 8, 157, 160; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 2 b bb; ders., in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 77; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 19 Rn. 13: Teilnahme an der Geschäftsführung in beliebigem Umfang).

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fehlende Verantwortlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen zu korrigieren ist. In Ansätzen hat die Rechtsprechung diese sachnäheren Begründungsansätze an anderer Stelle durchaus bereits angewendet. Wie eingangs erwähnt, stellte bereits das RG im Jahr 1932 den – gewiss seinerseits konkretisierungsbedürftigen – Rechtssatz auf, dass in der Insolvenz niemand sein eigener Gläubiger sein dürfe und schuf hiermit die grundlegende Entscheidung für das gesellschaftsrechtliche Eigenkapitalersatzrecht.122 Ähnliche Tendenzen finden sich in der Rechtsprechung, wenn es um die rechtliche Behandlung eines Finanzierungsbeitrags bei atypischen stillen Beteiligungen geht. So sei noch einmal darauf hingewiesen, dass das OLG Frankfurt im Jahr 1981 ausführte, es sei eine der Rechtsordnung innewohnende Selbstverständlichkeit, dass niemand sein eigener Gläubiger sein dürfe und deswegen die Berufung auf eine Gläubigerrolle trotz Ausschlusses der Verlustbeteiligung gemäß § 231 Abs. 2 HGB ausscheide.123 Ähnliche Erwägungen finden sich in einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1984, worin die Zuweisung einer als Fremdkapital gegebenen Einlage des atypischen stillen Gesellschafters unter dem Aspekt des „materiellen Eigenkapitals“ in der Insolvenz so behandelt wurde, als wenn die Verlusttragung nicht ausgeschlossen worden wäre.124 Es soll an dieser Stelle nicht weiter hinterfragt werden, ob diese Urteile überzeugen oder nicht.125 Wichtig ist zunächst allein, dass hierin zumindest versucht wird, die Einflussnahme eines Fremdkapitalgebers in gesellschaftsrechtliche Kategorien einzubetten und damit gesetzliche Wertungen zur Geltung kommen können, die über die konturenlose Sittenwidrigkeitsformel allein nicht maßgeblich sind. So findet sich zur tatbestandlichen Einschränkung der an sich missbilligten „stillen Geschäftsinhaberschaft“ in den zuvor genannten Entscheidungen des BGH lediglich die Formel, wonach „eine gewisse Kontrolle der Geschäftsführung nicht gegen § 826 BGB verstoße, solange dem Kreditnehmer noch ausreichend wirtschaftlicher Bewegungsspielraum bleibt, um seine anderen Gläubiger in angemessenem Rahmen zu befriedigen“.126 Eine Auseinandersetzungen mit den möglicherweise sachnäheren Aspekten des materiellen Rechts zu Darlehen und stiller Beteiligung und eine Heranziehung der Wertungen des Personen- und Kapitalgesellschaftsrechts im Hinblick auf die aus einer unternehmerischen Einflussnahme resultierenden Verantwortung fehlt indessen.

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RG, JW 1938, 862, 864. OLG Frankfurt, WM 1981, 1371. So BGH, NJW 1985, 1079. Hierzu noch ausführlich unten § 16 IV und IX. BGHZ 19, 12, 17 f.; BGH, WM 1981, 186, 187; BGH, WM 1955, 914, 916.

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b. Die möglichen Rechtsfolgen einer Gläubigerverantwortung – Lender Control Liability contra Debt-Equity Swap Das vorstehend herausgearbeitete Begründungsdefizit bei der „stillen Geschäftsinhaberschaft“ zeigt sich ähnlich auch im US-amerikanischen Recht. Die Gläubigerverantwortung gegenüber dem finanzierten Unternehmen wird dort traditionell sehr auf der Grundlage fiduziarischer Pflichten begründet und unter dem Aspekt der Lender Control Liability mit einer Schadensersatzhaftung effektuiert.127 Eine Fallgruppe rechtlich missbilligten Kreditgeberverhaltens ist die sog. instrumentality, auch alter ego genannt. Diese greift dann ein, wenn ein Kreditnehmer wegen der Kontrolle, die seine Bank ausübt, nur noch ein Werkzeug seines Kreditgebers ist. Als Konsequenz der Bejahung von instrumentality muss die Bank den übrigen Gläubigern gegenüber einstehen, mithin für ihre Forderungen haften, wenn sie ihre Rechte missbraucht. In der Leitentscheidung Krivo Industrial Supply v. National Distillers and Chemical Co.128 formulierte das Gericht wie folgt: „When one corporation controls and dominates another corporation to the extent that the second corporation becomes a ‚mere instrumentality‘ of the fi rst, the dominant corporation becomes liable for those debts of the subservient corporation attribuable to the abuse of that control.“

Diese auf Equity-Prinzipien beruhende Entscheidung129 bietet aus deutscher Sicht zum einen Anlass, das Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs („abuse“) oder des „inequitable conduct“130 als ebenso konturenlos und kaum rechtssicher handhabbar zu kritisieren wie die hier herrschende Sittenwidrigkeitsformel von der stillen Geschäftsinhaberschaft.131 Diejenigen, die sich auch in Deutschland zunehmend dafür aussprechen, die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme auf Unternehmen unter Hinweis auf ausländische Vorbilder schadensrechtlich auszugestalten (Haftung als faktischer Geschäftsführer), müssen daher eine dogmatisch überzeugende und rechtssicher handhabbare Konkretisierung bieten, warum und wann eine Einflussnahme unzulässig und haftungsauslösend sein soll.132 An dieser Stelle zu bemerken ist indessen ein anderer Aspekt des US-amerikanischen Rechts: Die Fallgruppe der instrumentality bietet nicht nur die Möglichkeit, eine Art gesellschaftsrechtliche Durchgriffs(schaden sersatz)haftung zu begründen. Derselbe Vorwurf kann auch dazu führen, unter 127 Ausführliche Nachweise bei Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 65 ff.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 160 ff.; Renger, Gläubigerschutz, S. 130 ff., 145 ff. 128 483 F.2d 1098 (5th Cir. 1973). 129 Hierzu noch unten § 16 VI 2. 130 So zum Beispiel DeNatale/Abram, 40 Bus. Law. 417, 430 (1985). 131 In diese Richtung auch Renger, Gläubigerschutz, S. 137: „Die Kernfrage, was ‚equitable‘ ist, blieb dagegen unbeantwortet“. 132 Hierzu ausführlich unten § 14 II.

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dem Aspekt der equitable subordination133 eine Rückstufung des vom Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber gewährten Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz des Unternehmens herbeizuführen, mithin zu einem – erzwungenen! – Debt-Equity Swap.134 Über die Konturenlosigkeit der Sittenwidrigkeit auf der Tatbestandsseite hinaus zeigt sich hieran deutlich eine weitere Konturenlosigkeit der Rechtsprechung zu § 826 BGB auf der Rechtsfolgenseite. Die mögliche Sanktionierung unzulässiger Einflussnahme kann sich einmal darauf beziehen, den Fremdkapitalgeber hinsichtlich seines Finanzierungsbeitrags wie einen Eigenkapitalgeber zu behandeln, mithin eine gesetzliche Umqualifizierung vorzunehmen oder zumindest eine in der Insolvenz wirkende Rückstufung seiner Forderungen. Zum anderen kann die Sanktionierung als – theoretisch grenzenlose – Schadensersatzhaftung ausgestattet sein. In welchem Verhältnis diese beiden Möglichkeiten stehen, kann für die hier interessierende Gläubigerverantwortung keineswegs eindeutig beantwortet werden und wurde von der Rechtsprechung zu § 826 BGB noch nicht einmal problematisiert. Um eine nicht vorhersehbare und vor allem nicht ausreichend begründete „Doppelbestrafung“ des Einfluss nehmenden Fremdkapitalgebers zu verhindern,135 bedarf es daher Kriterien, welche Rechtsfolge unter welchen Voraussetzungen Geltung beansprucht. Will man die Leerformel der stillen Geschäftsinhaberschaft als Grundlage einer auf die Rechtsfolge Schadensersatz abzielenden Gläubigerhaftung heranziehen, muss man sich daher auch rechtsfolgenseitig fragen, ob es nicht geboten ist, zumindest für die Fremdkapitalgeber, die sich wie die Eigentümer an der Finanzierung eines Unternehmens beteiligen und unternehmerischen Einfluss nehmen, auf Sanktionsinstrumente zurückzugreifen, die – aus welchen zu begründenden Gründen auch immer – eine vorrangige materiell- oder zumindest insolvenzrechtliche Verstrickung des Kapitalbeitrags herbeiführen. Entsprechend der gesellschaftsrechtlich allgemein anerkannten Wertung, dass die mittels Leistung von Kapitalbeiträgen „erkaufte“ Haftungsbeschränkung auch vor weiterer Inanspruchnahme schützt, wäre es nur konsequent, eine über die erzwungene Verstrickung des Kapitalbeitrags hinausgehende (grenzenlose) Schadensersatzhaftung auf besondere Extremfälle der Einflussnahme zu be-

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Hierzu ausführlich unten § 16 VI 2. Matter of Missionary Baptist Foundation of America, 818 F.2d 1135, 1143 (5th Cir. 1987); Einzelheiten bei Hass, 135 U. Pa. L. Rev. 1321 (1987) sowie den in Fn. 449 Genannten. – Der Begriff Debt-Equity Swap wird in der Finanzierungspraxis vor allem verwendet, wenn es um die gewollte Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital geht (Paulus, DZWiR 2008, 6). Zwingend ist dies indessen nicht wovon zum Beispiel auch Rudolph (ZBB 2008, 82, 83) ausgeht, indem er das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO als „regulativ erzwungene“ Debt-Equity Swaps bezeichnet. 135 Auf diesen Aspekt weisen zur Haftung aufgrund faktischer Organstellung zutreffend Himmelsbach/Achsnick (NZI 2003, 355, 260) hin. 134

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grenzen – in diesem Sinne durchaus im Rahmen der historisch begründbaren Auffangfunktion von § 826 BGB. c. Akzessorietät zwischen Sicherheit und Kapitalbeitrag In der Rechtsprechung erfahren nicht nur die missbräuchliche Finanzierung eines Unternehmens rechtliche Missbilligung, sondern vor allem auch die (dingliche) Sicherheitenbestellung. Haftungsbegründet iSv. § 826 BGB war nach Ansicht des RG im Fall der Konkursverschleppung, der Aussaugung, des Kreditbetrugs und der Gläubigergefährdung stets die „ausbedungene Sicherheit“.136 Auch die Rechtsprechung des BGH zu § 138 BGB begründet die sittenwidrige Knebelung vielfach aufgrund der Bestellung einer Sicherheit an den wenig verbleibenden Vermögensgegenständen des Schuldners und erklärt diese konsequenterweise für nichtig.137 Wenngleich es methodisch wiederum nicht möglich ist, der Rechtsprechung die Subsumtion einer konkreten Sicherheitenbestellung nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter die Generalklausel der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB zu verbieten, bietet sich dennoch ein sachnäherer Ansatz an, die Frage der Wirksamkeit einer Sicherheitenbestellung rechtssicher zu beantworten. Man muss nur den Bezug zwischen dem Sicherungsgeschäft und der gesicherten Forderung herstellen und konsequent verwirklichen. Würde sich zum Beispiel ein GmbH-Gesellschafter nach erbrachter Einlage sogleich oder später von der Gesellschaft für ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben eine Sicherheit bestellen lassen, wäre es nahe liegend, dieser im Insolvenzverfahren unter Hinweis auf § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG bzw. § 30 Abs. 1 GmbHG die Wirksamkeit zu versagen. Das Stammkapital ist Haftkapital zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger, so dass es widersprüchlich wäre, dem Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen ein vorzugsweise Befriedigung gewährendes Ab- oder Aussonderungsrecht zuzubilligen. Für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gemäß § 32 a GmbHG muss das Gleiche gelten.138 Eine Forderung, die – de lege lata – über die sog. Rechtsprechungsregeln bereits einen im Vorfeld wirkenden Stammkapitalbindung unterliegt und gemäß § 32 a Abs. 1 GmbHG in der Insolvenz nur nachrangig geltend gemacht werden kann,139 ist keine taugliche Grundlage für eine Sicherheit, sofern andere Gläubiger ausfallen würden. Dieser Gedanke lässt sich verallgemeinern, indem eine Sicherheit nur insofern wirksam bestellt werden kann, als die besicherte Forderung auch befriedigt werden darf. Ob dies der Fall ist, ist freilich eine andere Frage, die sachnäher auf 136 137 138

Oben 1. Vgl. nur BGHZ 19, 12, 18. Vgl. Engert, ZGR 2005, 813, 830 ff.; Cahn, AG 2005, 217, 225; ders. EBOR 7 (2006), 287,

298 f. 139

Hierzu ausführlich unten § 16 II.

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dem Gebiet der Unternehmensfinanzierung und der insolvenzrechtlichen Behandlung eines Finanzierungsbeitrags angesiedelt ist und nicht im Bereich des konturenlosen Rechts der dinglichen Sicherheiten gemäß § 138 BGB. d. Insolvenzverschleppung als allgemeine Verhaltenshaftung Schließlich ist zu bedenken, dass der Aspekt der Insolvenzverschleppung letztlich kein spezifisch in der Unternehmensfinanzierung angesiedeltes Problem ist. Die Art und Weise, auf die ein insolvenzreifes Unternehmen davon abgehalten wird, Insolvenzantrag zu stellen, ist nicht zwingend mit der Kreditgewährung verbunden. Das RG erkennt dies durchaus an. So heißt es zum Tatbestand der (damaligen) Konkursverschleppung: „. . . hält der Sicherungsgeber den Schuldner zum Nachteil anderer Gläubiger von dem durch die Verhältnisse gebotenen alsbaldigen Antrag auf Konkurseröffnung ab, zum Beispiel durch gleichzeitige Gewährung eines für die Gesundung des Schuldners offenbar unzulänglichen und nur zur Verlängerung seines wirtschaftlichen Todeskampfes geeigneten Kredits“.140 Kreditgewährung und Abhalten vom Insolvenzantrag sind hiernach zwei verschiedene Verhaltensweisen des Kreditgebers. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, weil man jemanden auch durch bloßes Zureden oder die Androhung eines mit der bisherigen Beziehung überhaupt nicht im Zusammenhang stehenden Übels von der Antragstellung abhalten kann. Veranlasser einer solchen Maßnahme kann jedermann sein, auch der kapitalmäßig nicht beteiligte Arbeitnehmer oder die Ehefrau des Geschäftsführers. Das Abhalten vom gebotenen Insolvenzantrag ist daher ein zu Recht konturenloser, allgemeiner Deliktstatbestand und damit nicht Gegenstand einer fallgruppenartigen Konkretisierung. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn bereits der Umstand der Kreditgewährung selbst – also ohne das Hinzutreten eines darüber hinausgehenden Abhaltens – als schadensersatzbegründendes Unrecht iSv. § 826 BGB aufzufassen wäre.141 Dies erscheint indessen bereits bei wirtschaftlicher Betrachtung zweifelhaft, denn immerhin erlangt der Schuldner zumindest kurzfristig wieder Liquidität.142 Die zunehmende Fremdkapitalquote ist für sich genommen

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RGZ 116, 247, 258 (Hervorhebungen vom Verf.). So Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 6, 49 ff. unter Hinweis auf BGHZ 90, 381 (BuM/WestLB) = NJW 1984, 1983. 142 Abw. möglicherweise BGHZ 90, 381 (BuM/WestLB), wo ausgeführt wird, dass eine Schadensersatzpflicht in Betracht käme, weil die Beklagte „durch die Hergabe hoher Kredite (. . .) sittenwidrig den drohenden Konkurs verschleppt hätte“ (abgedruckt in NJW 1984, 1983, 1889 f.). Aus der nachfolgende Begründung erwächst freilich der Eindruck, dass es dem BGH nicht allein um die Kreditvergabe als solches ging, sondern ein darüber hinausgehendes einvernehmliches Handeln von Kreditgeber und finanziertem Unternehmen den Vorwurf der sittenwidrigen Konkursverschleppung begründet. 141

I. Die auf die Sittenwidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung

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nicht ausreichend für die Bejahung einer Gläubigerbenachteiligung.143 Auch eine Überschuldung lässt sich durch die Hingabe von Fremdkapital nicht beseitigen. Wollte man dennoch die bloße Kreditgewährung als Beitrag zur gläubigerschädigenden Konkursverschleppung werten, wäre es konsequent, die Sanktionen auch auf den betreffenden Kapitalbeitrag als Ursache des wertevernichtenden Weiterwirtschaftens zu beschränken. Als Beispiel für einen vorhandenen, auf die Kreditgeberhaftung übertragbaren Begründungsansatz sei wiederum die Finanzierung einer GmbH durch ihre Gesellschafter genannt. Wird in der vom RG gekennzeichneten Krisensituation das Kapital gegen Einlagen erhöht, wird der sich im nachhinein abzeichnenden hierdurch allein bewirkten Verlängerung des „Todeskampfes“ der GmbH bereits dadurch Rechung getragen, dass der Finanzierungsbeitrag des Gesellschafters in der Insolvenz nachrangig ist. Dass die den Anforderungen der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung genügende Finanzierung für sich genommen ausreichen soll, eine weitergehende Schadensersatzhaftung aus § 826 BGB wegen Insolvenzverschleppung zu begründen („die sittenwidrige Kapitalerhöhung“), wird zu Recht bisher nicht vertreten. Bestätigung findet dieser Vorrang einer an die haftungsmäßige Widmung des betreffenden Kapitalbeitrags anknüpfenden Sanktionierung schließlich im (geltenden) Eigenkapitalersatzrecht. Auch dort wird die als solche missbilligte Krisenfinanzierung mittels Darlehen allein dadurch sanktioniert, dass dem Finanzierungsbeitrag über die Rechtsprechungsregeln einer Stammkapitalbindung unterliegt und im Insolvenzverfahren ein Nachrang zukommt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Letzteres ist nach der Konzeption des MoMiG künftig die alleinige Rechtsfolge.144 Eine mit der Kreditgeberhaftung aus § 826 BGB vergleichbare, weitergehende Schadensersatzhaftung des ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gewährenden Gesellschafters wird ohne das Hinzutreten weiterer Umstände bisher zu recht nicht diskutiert. Es ist daher eine sachnähere Begründung der Gläubigerverantwortung, wenn man die als Insolvenzverschleppung zu qualifizierende Finanzierung als solche, also ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, nicht mit der Haftung aus § 826 BGB erfasst, sondern mit einem materiell- oder insolvenzrechtlichen Nachrang. Ob sich ein solcher für die Fremdkapitalgeber, die nicht Gesellschafter sind, begründen lässt, ist somit eine Frage, die es jenseits des konturenlosen Begriffs der Sittenwidrigkeit zu beantworten gilt.

143 144

Kuntz, ZIP 2008, 814, 816. Ausführlich unten § 16.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

e. Vorrang der Insolvenzanfechtung Schließlich ist zu bedenken, dass die herrschende Meinung zu Recht die Insolvenzanfechtung als gegenüber der Sittenwidrigkeit vorrangig ansieht. Im Rahmen von § 138 BGB ist seit jeher anerkannt, dass die Anfechtungstatbestände gemäß § 3 AnfG und §§ 129 ff. InsO wegen Gläubigerbenachteiligung vorgehen.145 Sie wären überflüssig, wenn der betreffende Finanzierungs- oder Sicherungsvertrag bereits gemäß § 138 BGB nichtig wäre. Bei der Nichtigkeit des Finanzierungsvertrages folgt dies weiterhin daraus, dass die über § 138 BGB begründbare Rechtsfolge für sich genommen ungeeignet ist, einen Anspruch des Unternehmens gegen den Kreditgeber auf fortdauernde Kapitalbelassung oder Zurückzahlung einer insolvenznahen Rückerstattung zu begründen. Das Gleiche gilt – hinsichtlich der hier nunmehr allein interessierenden insolvenzverschleppenden Kreditgewährung, also ohne das weitere Abhalten – auch für § 826 BGB.146 Ließe es sich sachnäher begründen, dass der insolvenzverschleppende Kapitalbeitrag als solcher wegen der unternehmerischen Einflussnahme des Kapitalgebers zu Gunsten der anderen Gläubiger haftet und zum Beispiel gemäß § 135 InsO einem hierauf abgestimmten Anfechtungsrecht besteht, bestünde kein Bedürfnis, diese Rechtsfolge ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – etwa ein über die Kreditgewährung hinausgehendes Abhalten von der Stellung eines Insolvenzantrags – mit einer identischen oder gar weitergehenden Schadensersatzhaftung zu unterlegen. Der in der Insolvenz maßgebliche Nachrang und seine Absicherung über die ggf. in Anlehnung an die funktionale Eigentümerstellung des Fremdkapitalgebers verschärfte Insolvenzanfechtung wären ausreichend.

7. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass die bisher vor allem auf § 826 BGB gestützte Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme nicht in allen Einzelheiten zu überzeugen vermochte. Indem hierbei unter verschiedenen Aspekten der Bedarf besteht, die tatbestandlichen Voraussetzungen der sittenwidrigen Schädigung aufgrund anderweitiger gesetzlicher Vorgaben zu konkretisieren, erscheint es bereits methodisch betrachtet geboten, von vornherein auf ein anderes, sachnäher begründetes Konzept der Gläubigerverantwortung zurückzugreifen. Vor allem aber lässt die herrschende Meinung die zentrale Frage unbeantwortet, ob es überhaupt rechtlich zu missbilligen ist, 145

Ganz hM, BGHZ 53, 180; BGHZ 56, 355; BGH, BB 2002, 1227; Staudinger/Sack, BGB (2003), § 138 Rn. 166; Palandt/Heinrichs, BGB, § 138 Rn. 15. 146 Abw. Wagner, in Münch Komm BGB, § 826 Rn. 41: Ein Vorrang des Anfechtungsrechts sei nicht anzuerkennen; dies relativierend ders., FS Canaris, S. 473, 494, wonach mit Hilfe von § 826 BGB die Wertungen des Anfechtungsrechts nicht unterlaufen werden dürften.

II. Die auf die Unangemessenheit gestützte Gläubigerverantwortung

125

dass ein Fremdkapitalgeber sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligt, in der Krise jedoch wie ein einflussloser Dritter behandelt werden will. Vor diesem Hintergrund entfaltet die drohende Haftung aus § 826 BGB eine nicht ausreichend legitimierte prohibitive Wirkung und verhindert so die an sich vorteilhafte Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Unternehmenssteuerung.

II. Die Schwächen einer auf die Unangemessenheit gestützten Gläubigerverantwortung Covenants im Kreditvertrag sind regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB.147 Liegt kein Aushandeln gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB vor,148 stellt sich zumindest beim Darlehen die Frage, inwieweit die dort geregelten Informations-, Teilhabe- und Einwirkungsrechte der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 BGB standhalten.149

1. Die konturenlose Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit Wie bereits erwähnt, gibt es in der Literatur Ansätze, die für die Sittenwidrigkeit herangezogenen Erwägungen hierauf zu übertragen. Ob die durch den Finanzierungsvertrag begründete Einflussnahme auf den Schuldner eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB darstellt, wird mangels eindeutigem gesetzlichen Kontrollmaßstab im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Sicherungsinteresses des Kreditgebers und der Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Kreditnehmers ermittelt.150 Die hierzu vorgebrachten Lösungen differenzieren nach den möglichen Arten einer engen Verbindung von Kapitalgeber und finanziertem Unternehmen.

147 Kästle, Rechtsfragen, S. 84; von Opel, Negativklausel, S. 17: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 151; Berger, ZBB 2008, 92, 98; abw. wohl Wittig, WM 1996, 1387, 1389. – Vgl. auch den Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergabe des Bundesverbands deutscher Banken bei Wand, WM 2005, 1932, 1944 und WM 2005, 1969, 1975. 148 Die ist nach Ansicht Bergers (ZBB 2008, 92, 99) freilich der Regelfall. 149 Die speziellen Klauselverbote gemäß §§ 308 f. BGB kommen gegenüber Unternehmen regelmäßig nicht zur Anwendung (§ 310 Abs. 1 BGB). – Die stille Beteiligung fällt als Gesellschaftsverhältnis unter § 310 Abs. 2 S. 1 BGB, so dass eine AGB-Kontrolle prinzipiell ausscheidet (vgl. Berger, ZBB 2008, 92, 99; Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1443 f.), was jedoch vielfach über § 242 BGB korrigiert werden könnte (zur Geltung von § 242 BGB als Grundlage einer Inhaltkontrolle im Gesellschaftsrecht grundlegend BGHZ 64, 238, 240; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S. 124 ff.). 150 Ausführlich Kästle, Rechtsfragen, S. 84 ff.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 151 ff.; Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1446 f.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

a. Kriterien der Literatur Die Vereinbarung von Informationsrechten des Kreditgebers und Informationspflichten des Kreditnehmers sei weitgehend unbedenklich, weil sie einerseits nur einen „geringen Eingriff“ in die Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers darstellten und andererseits durch das Überwachungs- und Sicherungsinteresse des Kreditgebers gerechtfertigt seien.151 Die Verpflichtung des Kreditnehmers zur Einhaltung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen sei hingegen zumindest dann nicht unangemessen, soweit sie lediglich zu einer „gewissen Verengung“ der unternehmerischen Freiheit des Kreditnehmers führten.152 Bei der Projektund Akquisitionsfinanzierung sei dies regelmäßig der Fall, wohingegen der allgemeine Betriebsmittelkredit an „gesunde Unternehmen“ eine Beeinträchtigung der diesen zustehenden „vollen unternehmerischen Betätigungsfreiheit“ vorliege.153 Für sonstige Verbote und Zustimmungsvorbehalte gelte dies gleichermaßen. Covenants, die dem Kreditnehmer bestimmte unternehmerische Investitions- oder Finanzierungsentscheidungen verbieten oder gar ein Initiativrecht des Kreditgebers begründen, seien demnach unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB, soweit diese Regelungen nicht dazu dienten, eine spezifische Zweckbestimmung des Kredits sicherzustellen.154 Unbedenklich sei es demgegenüber, wenn die Voraussetzungen einer Zustimmung bzw. eines Dispenses ausdrücklich festgelegt werden.155 Eine Negativklausel, wonach der Kreditnehmer gesicherte Verbindlichkeiten zu Gunsten anderer Gläubiger nur dann begründen darf, wenn gleichzeitig eine (nachträgliche) Besicherung des bereits ausgereichten Kredits erfolgt, sei ebenfalls nur dann unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB, wenn dem Kreditnehmer „jegliche Freiheit für eigene unternehmerische Entscheidungen genommen wird“.156

151 Kästle, Rechtsfragen, S. 86 f.; ähnlich bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 154 („Eingriff ist minimal“, „unternehmerische Entscheidungen werden hierdurch nicht berührt“; jeweils unter Bezugnahme auf OLG Celle, ZIP 1982, 942, 950, zur sittenwidrigen Sicherheitenbestellung). 152 Kästle, Rechtsfragen, S. 87 f.; weitergehend Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 154: wegen des Interessengleichlaufs „nicht zu beanstanden“. 153 Kästle, Rechtsfragen, S. 87. 154 Kästle, Rechtsfragen, S. 90 unter Bezugnahme auf OLG Celle, ZIP 1982, 942, 950 (zur sittenwidrigen Sicherheitenbestellung); enger Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 154 f., der wegen der Gefahr, dass vorteilhafte Maßnahmen unterbleiben, generelle Bedenken hat. 155 Kästle, Rechtsfragen, S. 91; bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 155; abw. wohl Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1446 f., wonach im Zweifel gelte, dass die Mitwirkung des Kreditgebers an Geschäftsführungsmaßnahmen oder gar Gesellschafterentscheidungen eine unangemessene Benachteiligung begründet. 156 Kästle, Rechtsfragen, S. 92; Kühbacher, Darlehen an Konzernunternehmen, S,. 159; ähnlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 155 f.: Gegenüberstellung von „Neuverschuldungsinteresse“ des Kreditnehmers und „Gleichbehandlungsinteresse“ des Kreditgerbers; enger Weitnauer (vorige Fn.).

II. Die auf die Unangemessenheit gestützte Gläubigerverantwortung

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b. Kritische Würdigung Betrachtet man den vorstehenden Überblick über die bisher in der Literatur vertretenen Ansätze, zeigt sich, dass die bereits herausgearbeiteten Schwächen einer über die Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB begründeten Verantwortung für die Beteiligung von Nichteigentümern an der Unternehmensfinanzierung und ihrer Einflussnahme auf die Unternehmensleitung im Rahmen der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 BGB gleichermaßen gelten. Wenngleich es dogmatisch nicht angreifbar ist, die Inhaltskontrolle im Wege einer Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit vorzunehmen,157 gibt es jedoch wiederum keine über diese Generalklauseln hinausgehenden Anhaltspunkte zur rechtssicheren Abgrenzung. Die verwendeten Kriterien – „jegliche Freiheit für eigene unternehmerische Entscheidungen“, „volle unternehmerische Betätigungsfreiheit“, „geringer Eingriff in die Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers“ – sind gesetzlich nicht vorgeprägt und bedürfen ihrerseits einer weitergehenden Konkretisierung. Selbst wenn man nicht verhindern kann und will, Kreditverträge einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 BGB zu unterziehen, bedarf es doch anderweitig begründeter Vorgaben darüber, welche Klauseln zulässig sind und welche nicht. Die eher formale Begründung, der Nichteigentümer habe sich aus der unternehmerischen Betätigung des Eigentümers und seiner Geschäftsleiter herauszuhalten, reicht vor dem Hintergrund der vielfachen Vorteile Covenant-unterlegter Unternehmensfinanzierungen hierfür allein nicht aus.

2. Die verfehlte Rechtsfolge der Unangemessenheit Dass selbst sachnähere Begründungsansätze für die Präzisierung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB kein geeigneter Weg wären, die jüngere Finanzierungspraxis adäquat zu begleiten, ergibt sich weiterhin aus den Rechtsfolgen, die eine AGB-rechtliche Missbilligung von Covenants nach sich ziehen würde. Bejaht man die Unangemessenheit einer Klausel im Finanzierungsvertrag, ist diese gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Nach § 306 Abs. 1 BGB hat dies keine Auswirkungen auf den Vertrag im übrigen, soweit nicht gemäß § 306 Abs. 3 BGB ein Festhalten an ihm eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Auf den ersten Blick führt die Bejahung einer unangemessenen Benachteiligung hiernach zu einer mit dem Zweck der Inhaltskontrolle im Einklang stehenden Besserstellung des Kreditnehmers. Er braucht die betreffende Klausel 157 So auch die hM zur Frage, ob eine dingliche oder persönliche Sicherheitenbestellung unter dem Aspekt der Knebelung eine unangemessene Benachteiligung ist (vgl. nur für den verlängerten Eigentumsvorbehalt Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 43 Rn. 22; für die Globalzession BGH, NJW 1992, 2626 [zu § 9 AGBG a. F.])

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

nicht gegen sich gelten zu lassen, kann jedoch die Finanzierung weiter beanspruchen. Dass dies eine nur scheinbar vorteilhafte Lösung ist, folgt jedoch aus einer doppelten Überlegung. Da die Covenant-unterlegten Finanzierungsverträge und die hierauf beruhende Information und Mitsteuerung des Unternehmens im Regelfall ein Mittel zur Verringerung des Kreditrisikos sind und fehlende oder bewusst nicht gestellte Sicherheiten kompensieren,158 hat die Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel erhebliche Auswirkungen auf das finanzielle Risiko des Kapitalgebers. Kann er sich nicht mehr auf die vertraglich vereinbarten Rechte berufen, muss das Kapital aber weiter überlassen, wird die dem Finanzierungsvertrag zu Grunde liegende Kalkulation des Risikos gestört. Er wird daher regelmäßig zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 490 Abs. 1 BGB bzw. gemäß §§ 490 Abs. 3 iVm. § 313 und 314 BGB berechtigt sein und das Kapital vorzeitig abziehen können.159 In besonders gelagerten Fällen erscheint es zudem geboten, die Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel, die den Kapitalgeber zur Einflussnahme auf die Unternehmensleitung berechtigt bzw. Zustimmungsvorbehalte begründet, als Umstand anzusehen, der gemäß § 306 Abs. 3 BGB ein Festhalten am Restvertrag unzumutbar macht. In diesem Fall ist die Valuta nebst Zinsen sogleich gemäß §§ 812 Abs. 1, 819 Abs. 1 BGB, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB zurückzuzahlen.160 Die großzügige Bejahung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 BGB hat daher ebenso wie die Nichtigkeit eines Kreditvertrages nach § 138 BGB161 nur wenig Vorteile für das finanzierte Unternehmen.

3. Mögliche Vermeidungsstrategien Bestätigung findet dieser Aspekt letztlich durch die verhaltenssteuernde Wirkung, die von einer an die Nichtigkeit einzelner vertraglicher Regelungen anknüpfenden Sanktionierung der Einflussnahme gemäß § 306 Abs. 1 BGB ausgeht. Nimmt man an, dass nur die Covenants wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB nichtig sind und der Vertrag im übrigen aufrechterhalten bleibt, würden die Fremdkapitalgeber zur Verwirklichung ihres Sicherungsinteresses auf andere Mittel als die kreditvertragliche Vereinbarung zurückgreifen. Dies ist ohne weiteres möglich, verursacht allenfalls höhere Kosten, die jedoch wiederum über die Verzinsung auf den Kreditnehmer abgewälzt werden können. 158 Oben § 1 IV; vgl. für Konsortialkredite ausdrücklich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 152. 159 Einzelheiten unten § 13 I. 160 BGH, ZIP 2006, 2119. 161 Auch diesbezüglich gibt es Ansätze, die Nichtigkeit mit einer übermäßigen Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit zu begründen (vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 156; Kästle, S. 100 f.); zu den gegenüber der Angemessenheitskontrolle verschärften Anforderungen BGH, NJW 1997, 3372, 3374; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, § 3 II 2.

II. Die auf die Unangemessenheit gestützte Gläubigerverantwortung

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Die Wirkungen Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge können nämlich auf unterschiedliche Weise auch durch rein tatsächliches Kreditgeberverhalten erzielt werden. Man denke nur daran, dass der Finanzierungsvertrag in kurzen Zeitabschnitten ordentlich kündbar ausgestaltet wird und der Kreditgeber die Nichtausübung eines Kündigungsrechts von dem an sich durch Covenant regelbaren Verhalten abhängig macht. Hierüber würde faktisch derselbe Effekt erzielt wie durch eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung. Man kann sogar noch weiter gehen und eine kurzfristige (Ketten-)Befristung des Finanzierungsvertrages vereinbaren. Auch hier bedarf es keines wirksamen Covenants im Finanzierungsvertrag, um die gewünschte Überwachung und Disziplinierung des Schuldners als Voraussetzung für eine jedes Mals auf Neue zu entscheidende Prolongation zu erreichen. Diesen Vermeidungsstrategien könnte man auch nicht entgegenhalten, die Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB würde ausreichend dafür Sorge tragen, dass diese Gestaltungen unmöglich wären. Dass gesetzliche Leitbild des Darlehens sieht bereits gemäß § 488 Abs. 3 S. 2 BGB eine ordentliche Kündigungsfrist von nur drei Monaten als dispositiven162 Regelfall vor, so dass der Darlehensgeber auf Verhaltensweisen des Unternehmens, die seiner ursprünglichen Risikokalkulation widersprechen, recht schnell reagieren kann. Auch eine vertragliche Verkürzung dieser Frist erscheint keineswegs zwingend als unangemessene Benachteiligung, sofern man berücksichtigt, dass das Verbot der Kündigung zur Unzeit gemäß § 242 BGB bzw. analog § 723 Abs. 2 S. 1 BGB als bewegliche Schranke der Rechtsausübung163 flexible Lösungen im Einzelfall zur Wahrung der Interessen des Kreditnehmers ermöglicht.164 Die herrschende Meinung sieht dies ähnlich, indem sie die fristlose ordentliche Kündigung unter Beachtung des Gebots von Treu und Glauben gemäß Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken bzw. Nr. 26 Abs. 3 AGB-Sparkassen für AGB-rechtlich als zulässig zu erachtet.165 Auch eine (Ketten-)Befristung kann nicht als unangemessene Benachteiligung angesehen werden, wenn sie sich im Rahmen des gesetzlichen Leitbilds der Kündigungsfrist von drei Monaten gemäß § 488 Abs. 3 S. 2 BGB hält.166 Für eine darüber hinausgehende Verkürzung gelten hinsichtlich der Beurtei162

Unstreitig, statt aller Rohe, in Bamberger/Roth, BGB, § 488 Rn. 40. Zum Verbot der Kündigung zur Unzeit beim Darlehen BGH, NJW 1986, 1928, 1930; BGH, NJW 2003, 2676; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 208; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 242 f; OLG München, BB 1997, 435, 436; Berger, in Münch Komm BGB, § 488 Rn. 239 ff.; Rohe, in Bamberger/Roth, BGB, § 488 Rn. 43; Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch G/16. 164 Ähnlich Rohe, in Bamberger/Roth, BGB, § 488 Rn. 43, der die Wirksamkeit einer Verkürzung davon abhängig macht, dass dem Kreditnehmer eine gewisse „Schonfrist“ verbleibt, sich die Valuta anderweitig zu beschaffen. 165 BGH, WM 1991, 318; OLG Köln, WM 1999, 1004, 1005 f.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1239; Berger, in Münch Komm BGB, § 488 Rn. 243; teilw. abw. Rohe, in Bamberger/Roth, BGB, § 488 Rn. 40, der lediglich eine genaue Festlegung der kürzeren Kündigungsfrist zulassen will. 166 Zur Kontrollfähigkeit der Befristung bei Dauerschuldverhältnissen Fastrich, Inhalts163

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

lung der Unangemessenheit dieselben Anforderungen wie bei der Verkürzung der Kündigungsfrist, weil die Folgen für den Kreditnehmer dieselben sind.

4. Die fehlende Berücksichtigung von Drittinteressen Schließlich ist im Rahmen der AGB-Kontrolle zu berücksichtigen, dass das Problem der möglicherweise konfligierenden Interessen der Gläubiger untereinander167 hierüber nicht bewältigt werden kann. Anders als im Rahmen von § 138 BGB beurteilt sich die Unangemessenheit gemäß § 307 BGB grundsätzlich allein aus der Perspektive des Vertragspartners.168 Der zweiseitige Vertrag als Ausübung von Vertragsfreiheit und damit auch die hierauf bezogene Vertragskontrolle vermögen anders als die besonderen Vorschriften des zwingenden Rechts keine generelle Mitberücksichtigung spezifischer Dritt- und Allgemeininteressen zu vermitteln.169 Eine Inhaltskontrolle mit dem Ziel, hierüber Drittinteressen zu schützen, lässt sich somit nicht begründen. Zwar besteht weitgehend Einigkeit, dass dieser Grundsatz eine Einschränkung erfährt, soweit die Interessen Dritter mittelbar über diejenigen des geschützten Vertragspartners berücksichtigt werden.170 Der notwendige Zurechnungstatbestand für diese Ausweitung des Kontrollmaßstabs setzt jedoch voraus, dass die selbstverantwortliche Interessenwahrnehmung des Vertragspartners zugleich den entsprechenden Schutz der gleichlaufenden Gläubiger- oder sonstigen Drittinteressen bewirkt, der eine Vertragspartner mithin Repräsentant des Dritten ist.171 Gerade hieran fehlt es jedoch regelmäßig bei den hier interessierenden Fällen der Unternehmensfinanzierung. Über die Covenant-unterlegte Finanzierung werden typischerweise nicht alle Gläubiger hinsichtlich der Information und der unternehmerischen Einflussnahme „mit ins Boot“ geholt, sondern nur wenige. Wie bereits erwähnt, resultiert hieraus im Hinblick auf die möglicherweise konfligierenden Gläubigerinteressen die Gefahr, dass das finanzierte Unternehmen mit einem oder wenigen sog. adjusting Creditors einvernehmlich auf Kosten anderer handeln will. Es wäre daher verfehlt, im Rahmen der Inhaltskontrolle des Finanzierungsvertrages auch Drittinteressen deswegen mit zu berücksichtigen, weil das Unternehmen Repräsentant der non-adjusting Creditors ist. Würde man dies abweichend sehen, käme der Vertragskontrolle gemäß § 307 BGB hinsichtlich des Vertrags eine inhaltsbegründende Funktion zu, die sie aus kontrolle, S. 258; aus dem Arbeitsrecht grundlegend BAG, AP Nr. 16 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag. 167 Oben § 3 II. 168 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, § 9 II 2 b; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, § 307 BGB Rn. 32; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 115 ff. 169 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, § 9 II 2 b; Habersack, Vertragsfreiheit, S. 83 ff. 170 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, § 10 III 2 a aa; Palandt/Heinrichs, BGB, § 307 Rn. 7; für die Übertragung von Sicherheiten ausführlich Wolf, FS Baur, 154. 171 Habersack, Vertragsfreiheit, S. 170 ff.

III. Die auf die Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerversammlung

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sich selbst heraus nicht zu leisten vermag. Der über die AGB-Kontrolle zu vermittelnde Drittschutz ist nur abgeleitet bzw. reflexiv, so dass die Parteien des Vertrages auch darüber disponieren können, inwieweit sie einen Drittschutz zum Vertragsgegenstand erheben. Wollte man diese Freiheit einschränken, bedürfte es wiederum wie bei der Sittenwidrigkeit anderer, außerhalb der AGBKontrolle angesiedelter materieller Maßstäbe des zwingenden Rechts, die die Mitberücksichtigung von Drittinteressen anordnen.172 Auch dieser Aspekt spricht somit dafür, die Zulässigkeit der unternehmerischen Einflussnahme durch Nichteigentümer und die hieraus möglicherweise resultierende Verantwortung anderweitig zu begründen.

III. Die Schwächen einer auf die Rechtswidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung Schließlich bestehen auch Bedenken gegen die dogmatische Überzeugungskraft und praktische Handhabbarkeit einer auf das Kriterium der Rechtswidrigkeit begründeten Gläubigerverantwortung. Wie bereits erwähnt, ist nach § 117 Abs. 1 S. 1 AktG derjenige gegenüber der AG zum Schadensersatz verpflichtet, der unter Benutzung seines Einflusses ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Zumindest für die AG als Unternehmensträger scheint daher eine adäquate und ggf. zu verallgemeinernde Haftungsnorm zur Disziplinierung der Gläubiger zu bestehen.173

1. § 117 AktG als deliktische Jedermann-Haftung Über die Rechtsnatur der Haftung nach § 117 AktG besteht seit langem Streit. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte mit der Vorgängerregelung § 101 AktG 1937 eine „Generalklausel gegen den Machtmissbrauch vor allem durch Großaktionäre geschaffen werden.174 Die Regelung zielte somit vornehmlich auf die heute in §§ 291 ff. AktG erfassten Fälle der (faktischen) Ausübung von Konzernleitungsmacht durch den herrschenden Aktionär.175 Auch aufgrund der systematischen Stellung der Norm im AktG könnte man annehmen, es handele sich um eine spezielle Haftung, die an gesellschaftsrecht172 Ähnlich BGH, NJW 1982, 178, 180, wonach der durch die Inhaltskontrolle primär zu schützende Vertragspartner für die Interessen eines Dritten verantwortlich sein muss. 173 Neuerdings ausführlich Voigt, Haftung für Herrschaft auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 69; für eine Ausweitung der Haftung auf andere Rechtsformen auch Spindler/Stilz/ Schall, AktG, § 117 Rn. 4, 34. 174 Bergmann, ZHR 105 (1938), 1, 21. 175 Hierzu ausführlich Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 20 ff.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

lich begründete Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger anknüpft. Hiernach wäre es weitgehend ausgeschlossen, die in § 117 AktG zum Ausdruck kommende Verantwortlichkeit für schädliche Einflussnahmen auf Nicht-Gesellschafter auszudehnen und hierin den Teil eines gesetzlichen Konzept der Gläubigerverantwortung bei der Unternehmensfinanzierung zu sehen. Andererseits findet sich bereits in der Regierungsbegründung zu § 101 AktG 1937 der Hinweis auf die Qualifizierung der Haftung als unerlaubte Handlung.176 Im Gesetzgebungsverfahren wurde seinerzeit ausführlich darüber diskutiert, die Vorschrift auch auf Nichtaktionäre zu erstrecken. Hierzu heißt es bei Lehmann bereits im Jahr 1958: „Ebenso ist klar, dass sich auch für Dritte, die nicht Aktionäre sind, die Versuchung ergeben kann, ihre wirtschaftliche Macht auf die Verwaltungsträger zu eigensüchtigen Zwecken auszunutzen, sei es als Großlieferanten, Abnehmer, Kreditgeber oder als konzernmächtige, führende Gesellschaft (. . .). Es galt also, eine von der Treuepflicht des Aktionärs unabhängige Formel zu finden, die die Gesellschaft und die in ihr angelegten Vermögensteile vor Schädigungen schützt“.177 Rechtsprechung Literatur übertragen dies auf § 117 AktG. Sowohl die Einbeziehung von Nichtaktionären in den Kreis der Ersatzpflichtigen als auch die Einordnung als unerlaubte Handlung werden mittlerweile einhellig anerkannt.178 Der herrschenden Ansicht ist zuzustimmen, die Haftung nach § 117 AktG nicht als besondere Ausprägung der aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierenden Treuepflicht zu sehen. Hiergegen sprechen bereits gesetzessystematische Gründe. In den besonderen Haftungstatbeständen des Konzernrechts bestimmt § 317 Abs. 1 AktG eine ähnliche Ersatzpflicht für das herrschende Unternehmen, welches die abhängige Gesellschaft dazu veranlasst, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen. Der Kreis der Ersatzpflichtigen iSv. § 317 Abs. 1 AktG wird gemäß § 17 AktG legal definiert als eine (natürliche oder juristische) Person, die aufgrund eines gesellschaftsrechtlich begründeten Einflusses der abhängigen Gesellschaft Nachteile zufügt.179 Der speziellere Anwendungsbereich 176

Amtl. Begr. zum AktG 1937 bei Klausing, S. 87. Vgl. Heymann, FG Wieland, S. 221, 221 ff.; Lehmann, FS Hedemann, S. 399, 400 f. 178 BGH, NJW 1992, 3167, 3172 (Scheich Karmel); Kropff, in Münch Komm AktG, § 117 Rn. 5; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 1: „Tatbestand des Deliktsrechts“; Mertens, in Köln Komm AktG, § 117 Rn. 9: deliktische Norm; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 4: Spezialnorm von § 826 BGB; abw. neuerdings Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 82: Rechtsverhältnis zwischen Einflussnehmer und Gesellschaft müsse „verbandsrechtlich eingefärbt“ werden; dagegen Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 50 ff.; abw. wohl auch Timm, FS Semler, 611, 613: „besondere gesellschaftsrechtliche Haftung“; missverständlich auch BGHZ 129, 136, 160 (Girmes), wonach § 117 AktG „nach heutigem Verständnis als solche aus der Verletzung mitgliedschaftlicher Treubindungen hätte konzipiert werden können“. 179 BGHZ 90, 381, 394 ff. 177

III. Die auf die Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerversammlung

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von § 317 AktG als konzernrechtliche Sanktionsnorm180 ist demgemäß eng. Wer nicht als herrschendes Unternehmen qualifiziert werden kann, ist hiernach nicht ersatzpflichtig.181 Im Gegensatz hierzu sieht § 117 Abs. 1 AktG von einer tatbestandlichen Präzisierung des Ersatzpflichtigen ab (vgl. den Wortlaut „wer“). Konsequenterweise kommt es demnach nicht auf die Innehabung einer Gesellschafterstellung an, sondern vielmehr auf die Innehabung eines entsprechenden rechtsgeschäftlich begründeten oder tatsächlich vorhandenen „Einflusses auf die Gesellschaft“. Würde man dies anders beurteilen, wäre § 117 BGB überflüssig. Auch Nicht-Aktionäre können sich daher hiernach ersatzpflichtig machen. Die Haftung ist somit wie die §§ 823 ff. BGB eine sog. Jedermann-Haftung – eine Funktion, die traditionell dem Deliktsrecht zukommt.182

2. Die zu begründende Rechtswidrigkeit des Fremdeinflusses Wenngleich es im Wortlaut dieser Regelung nicht zum Ausdruck kommt, besteht Einigkeit, dass die Einflussnahme rechtswidrig sein muss.183 Wonach sich dies bemisst, lässt sich der Regelung indessen nicht entnehmen.184 Auch die tatbestandsmäßige Nachteilszufügung wird nicht näher definiert. Denkbar wäre es, bereits ein besonderes Verhandlungsgeschick oder eine bestimmte Verhandlungsmacht des Kreditgebers, welche zu einer höheren Verzinsung des Darlehens führen, als rechtswidrige Nachteilszuführung anzusehen. Denkbar wäre auch, die Darlehenskündigung und den hieraus resultierenden Bedarf nach neuen, ggf. teureren Finanzierungen als Nachteil anzuerkennen. Die nicht näher begründete Auffassung Korts, wonach die in einer geschäftlichen Beziehung „normale, auf Interessenautonomie angelegte Stellung als Partner eines schuldrechtlichen Austauschvertrages“ hierfür nicht genüge, unter Umständen aber eine „Dauerrechtsbeziehung, wie etwa ein Kreditvertrag“, verbunden mit einem „hohen Maß an Kontrollintensität“,185 reicht zur Ausräumung bzw. Bejahung des Vorwurfs unzulässiger Einflussnahme jedenfalls nicht aus. Während einige sich unter Hinweis auf den Schutz der Entscheidungsautonomie der Verwaltung dafür aussprechen, die Rechtwidrigkeit zu indizieren und damit dem Einflussnehmenden das Vorbringen von Rechtfertigungsgrün180 Dass die Regelung gegenüber § 117 AktG lex specialis ist, entspricht ganz hM (Hüffer, AktG, § 117 Rn. 1; Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 262; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 8). 181 OLG Düsseldorf, AG 1991, 106, 108. 182 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 4 c (S. 359); vgl. auch BVerfGE 49, 304. 183 Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 149; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 6; Spindler/Stilz/ Schall, AktG, § 117 Rn. 21; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 43 (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“). 184 Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 41, spricht treffend von einem „offenen Verletzungstatbestand“. 185 Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 124 und 282.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

den auferlegen,186 überwindet die herrschende Meinung diese tatbestandliche Schwäche über die Vornahme einer umfassenden Interessenabwägung zwischen Einflussnehmendem und AG.187 Dies ist zwar ein flexibler Weg zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit, weist jedoch die gleiche Konturenlosigkeit auf wie die bereits erwähnte Feststellung der Sittenwidrigkeit und Unangemessenheit.188 Für die Ansicht, die die Rechtfertigungslast dem Einflussnehmenden auferlegt, gilt dasselbe umgekehrt, wenn man nicht festlegt, welche Umstände den Rechtswidrigkeitsvorwurf ausräumen können. Wie bereits bei § 826 BGB herausgearbeitet, bietet die Haftung gemäß § 117 AktG daher für sich genommen keine rechtssicher handhabbare Grundlage für eine Kreditgeberhaftung. Will man nämlich ermitteln, ob aus der engen Verbindung zwischen Kreditgeber und finanziertem Unternehmen eine rechtswidrige nachteilige Einflussnahme resultiert, muss man auf der Grundlage der herrschenden Meinung wiederum das Sicherungsinteresse des Kreditgebers gegen die unternehmerische Freiheit der AG und ihrer Aktionäre abwägen. a. Parallele zum innergesellschaftlichen Verbot des Fremdeinflusses? Dass auch nicht ein lediglich im Innenverhältnis geltendes Verbot des Fremdeinflusses herangezogen werden darf, verdeutlicht der bereits erwähnte Fall aus dem Jahr 2006, in dem der BGH über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds auf Druck der Hausbank, die Kreditlinie nicht zu verlängern, zu befinden hatte.189 aa. Die Entscheidung des BGH zur Abberufung eines Vorstands auf Druck der Hausbank Im Einklang mit dem Berufungsgericht190 wurde diese Drohung als rechtmäßige Handlung gebilligt, mithin übertragen auf den hier interessierende Haftung aus § 117 AktG eine Ersatzpflicht verneint.191 Ohne nähere Begründung heißt es, der Aufsichtsrat habe keine andere Möglichkeit gehabt, als auf das Verlangen der Bank einzugehen, wollte er den Untergang der Gesellschaft im Rah186 Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 22, vgl. auch Rn. 4: „Einfluss nehmen ist grundsätzlich verboten“. 187 Ausführlich Brüggemeier, AG 1988, 93, 97. 188 Pointiert Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 43, wonach man die Rechtswidrigkeit in ähnlicher Weise „freihändig konstruieren“ müsse. Ähnlich kritisiert Kort zutreffend, dass der für die Bestimmung der Rechtswidrigkeit maßgebliche „deliktsrechtliche Interessenabwägungsmechanismus“ vom Richter, der nicht Unternehmer ist, verlangt, Verhaltenspflichten aufzustellen (Groß Komm AktG, § 117 Rn. 42). 189 BGH, ZIP 2007, 131. 190 OLG München, NZG 2006, 313. 191 In der Entscheidung ging es um das Vorliegen der Abberufungsvoraussetzungen gemäß § 84 Abs. 3 AktG.

III. Die auf die Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerversammlung

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men des Insolvenzverfahrens nicht riskieren. Das Berufungsgericht, dessen Begründung der BGH folgte, führte diesen Aspekt etwas genauer aus. Der Senat verkenne nicht, dass der Druck der Bank zu einer erheblichen Einflussnahmemöglichkeit Dritter auf die Unternehmensleitung einer AG führen kann. Er sei jedoch der Auffassung, dass es dem Unternehmen nicht zumutbar ist, an einem Vorstandsmitglied festhalten zu müssen, wenn dies zu einer Insolvenz des Unternehmens führt.192 Das Risiko, dass es hierdurch zu einer „Außensteuerung“ von Aktiengesellschaften durch Dritte kommt, sei in diesen Fällen, in denen tatsächlich eine Existenzgefährdung des Unternehmens droht, in Kauf zu nehmen. Im übrigen könnten sich Dritte, die derartige Forderungen erheben, unter Umständen schadensersatzpflichtig machen. Das Verhalten könne sogar strafrechtliche Relevanz haben.193 bb. Die gebotene Unterscheidung von Innen- und Außenperspektive Auf den ersten Blick ist diese Argumentation unvollkommen bzw. sogar widersprüchlich. Bezogen auf die Wirksamkeit einer Abberufung des Vorstandsmitglieds wird angeführt, die „Außensteuerung“ einer AG sei zumindest in der Krise zur Insolvenzvermeidung hinzunehmen. Andererseits heißt es zugleich, Dritte könnten sich bei der Wahrnehmung dieser Außensteuerung schadensersatzpflichtig und wegen Nötigung strafbar machen. Die scheinbar gebotene einheitliche materiell-rechtliche Würdigung, ob die Drohung mit der Kreditkündigung bei Nichtauswechslung des Vorstandsmitglieds rechtswidrig ist oder nicht, bleibt damit unbeantwortet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass diese gespaltene Argumentation durchaus zutreffend ist, der BGH mithin überhaupt nicht darüber zu befinden brauchte, ob die „Außensteuerung“ durch Dritte rechtmäßig ist oder nicht. Zu entscheiden war nämlich allein, ob die Voraussetzungen einer vorzeitigen Abberufung eines Vorstands aus wichtigem Grund gemäß § 84 Abs. 3 AktG vorlagen. Die rechtliche Würdigung betraf somit die rein innergesellschaftliche Fragestellung, ob die Entscheidung eines Gesellschaftsorgans in unzulässigerweise Dritteinflüssen ausgesetzt ist und damit den Grundsatz der Verbandssouveränität verletzt.194 Insofern entspricht es jedoch ganz herrschender Meinung, dass ein Organwalter sich bei der Ausübung seiner Kompetenz nur vom jeweiligen Verbandsinteresse leiten darf und nicht von Drittinteressen, soweit deren Verwirklichung nicht mittelbar eine Wahrung des Verbandsinteresses darstellt.195 Es war daher konsequent, dass der BGH allein das Verhalten des Auf192 Noch deutlicher Goette, DStR 2007, 262, 263, wonach man einem Kreditgeber nicht verdenken könne, wenn er seine weitere Hilfe von der Auswechslung eines für den Erfolg der Maßnahme entscheidenden Geschäftsleitungsorgans abhängig macht. 193 OLG München, NZG 2006, 313, 314. 194 Zutreffend Fleischer, DStR 2006, 1507, 1510 ff. 195 Ausführlich Schubel, Verbandssouveränität, S. 553; für die GmbH Herfs, Einwirkung

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

sichtsrats als Abberufungsorgan rechtlich würdigte. Aus dieser Innen-Perspektive heraus lässt sich jedoch nicht begründen, ob es dem Dritten selbst erlaubt ist, diesen Druck auszuüben oder nicht. Hierfür ist allein dessen Verhalten rechtlich zu würdigen. Die Begründung für die Notwendigkeit einer Differenzierung der betroffenen rechtlichen Maßstäben folgt daraus, dass es umgekehrt für die Frage eines unzulässigen Dritteinflusses bei der Ausübung von Organfunktionen auch keine allein entscheidende Rolle spielt, ob das Verhalten des Dritten rechtmäßig ist oder nicht. Zwar hat der BGH bereits im Jahr 1961 ausgeführt, dass ein rechtswidriger Streik im allgemeinen nicht als Grund für die fristlose Entlassung des Vorstandsmitglieds herangezogen werden könne.196 Diese Entscheidung darf indessen nicht so verstanden werden, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Außeneinflusses mit der Frage der Rechtmäßigkeit von Organhandeln gleichzusetzen wäre. Die im Innenverhältnis maßgebliche Ausrichtung der Organe auf die Verwirklichung des Verbandsinteresses ließe es nämlich durchaus zu, dass sich der Aufsichtsrat auch dem durch einen rechtswidrigen Streik hervorgerufenen Druck der Belegschaft beugt und ein Vorstandsmitglied vorzeitig abberuft bzw. entlässt.197 Es wäre nicht hinnehmbar, die Gesellschaft sehenden Auges in den Ruin gleiten zu lassen, und die eigene Passivität mit der Erwägung zu begründen, der Dritte würde sich rechtswidrig verhalten. Das für das Organhandeln maßgebliche Verbandsinteresse kann es daher auch rechtfertigen, auf rechtswidrige Verhaltensweisen anderer zu reagieren.198 Hiernach hat der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 somit durchaus zutreffend angeführt, dass die Drohung einer Hausbank mit der Kreditkündigung rechtswidrig sein kann, es jedoch im Gesellschaftsinteresse liegt, wenn der Aufsichtsrat die Drohung zum Anlass nimmt, den Vorstand vorzeitig abzuberufen und die Gesellschaft damit vor dem bevorstehenden Insolvenzverfahren und letztlich größerem Schaden zu bewahren. Für die hier interessierende Frage, ob der Außeneinfluss selbst rechtmäßig ist und im Rahmen von § 117 Abs. 1 AktG – bzw. rechtsformübergreifend gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb199 – eine Ersatzpflicht gegenüber dem Unternehmen begründet, lässt sich mit einem aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität begründeten Verbot des prinzipiell unzulässigen Fremdeinflusses nicht beantworten. Man kann Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994, S. 300; Fleischer, DStR 2006, 1507, 1510. 196 BGHZ 34, 392. 197 Wohl auch Fleischer, DStR 2006, 1507, 1512: Entscheidung hat sich ausschließlich am Gesellschaftsinteresse auszurichten. 198 Insofern gilt dasselbe wie bei der Druckkündigung im Arbeitsrecht (vgl. BAG Nr. 8 zu § 626 BGB Druckkündigung. 199 Für die Anerkennung als sonstiges Recht iSv. § 823 Abs. 1 BGB grundlegend BGHZ 45, 296, 307.

III. Die auf die Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerversammlung

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vielmehr festhalten, dass sich die für die deliktische Ersatzpflicht maßgebliche Rechtswidrigkeit allein auf die Einflussnahme zu beziehen hat. Es kommt weder darauf an, ob der Beeinflusste seinerseits rechtmäßig handelte oder nicht, 200 noch darauf, ob der Einflussnehmende im Außenverhältnis gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit rechtmäßig oder rechtswidrig handelte. 201 b. Die Konturenlosigkeit des Rechtswidrigkeitsmerkmals Stellt man die Rechtswidrigkeit der Einflussnahme in den Mittelpunkt der Betrachtung, bestehen wiederum keine konkreten Vorgaben darüber, wann eine Einflussnahme rechtmäßig ist oder nicht. Auch unterliegt der Fremdkapitalgeber zumindest nach der gesetzlichen Ausgangslage keiner mit den Organwaltern im Personenverband vergleichbaren Pflichtenbindung, die die Verfolgung von Eigeninteressen grundsätzlich als eine Gefahr für die Erfüllung der Organpflichten erscheinen lässt und damit ein dem innergesellschaftlichen Bereich vergleichbar ein strenges Verbot des Fremdeinflusses zu rechtfertigen vermag. 202 Bei der tatbestandlichen Erfassung der für Nachteilszufügung iSv. § 117 AktG erforderlichen Rechtswidrigkeit ist vielmehr die Verfolgung eines Eigeninteresses als der legitime Regelfall anzuerkennen, der erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände missbilligt wird. Insofern gilt das Gleiche für die hier nicht weiter zu behandelnde strafrechtliche Nötigung gemäß § 240 StGB203 und den rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Rechtsgutsverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Beeinflussung anderer zur Verfolgung von Eigeninteressen ist nicht per se rechtswidrig. Will man ermitteln, wann dies der Fall ist, können den betreffenden Regelungen selbst keine Anhaltspunkte entnommen werden. Insofern bleibt es auch hier bei der Konturenlosigkeit einer auf das Merkmal der Rechtswidrigkeit gestützten Begründung einer Gläubigerverantwortung, die sich nur anhand anderweitig zu begründender Vorgaben konkretisieren lässt. Das Bedürfnis, auf andere, sachnähere Begründungsansätze über die Rechtmäßigkeit des Einflussnahme zurückgreifen zu müssen, wird im Rahmen von § 117 Abs. 1 AktG sogar ausdrücklich anerkannt. Haftungsauslösend ist nämlich nicht nur das Bestimmen zu einem Nachteil, sondern das Bestimmen unter 200

Abw. Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 152, der aus der Rechtswidrigkeit des Handelns des Beeinflussten auf die Rechtswidrigkeit der Einflussnahme schließen will. 201 Anweichend ist insofern die rechtliche Beurteilung im Arbeitsrecht, wo die – leicht zu beantwortende – Frage der Rechtmäßigkeit eines Streiks mit der Frage der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB gleichgesetzt wird (vgl. BAG, NJW 1978, 2114; BAG, MDR 2003, 753). 202 Zu den Ansätzen, die Lender Control Liability auf der Grundlage einer faktischen Geschäftsführerstellung zu begründen, bereits oben § 4 I 5 c und ausführlich unten § 14 II. 203 Vgl. den Hinweis des OLG München im oben erwähnten Fall der Drohung mit der Kreditkündigung (NZG 2006, 313).

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

Ausnutzung „seines Einflusses auf die Gesellschaft“. Wenngleich die Haftung gemäß § 117 AktG nach zutreffender Ansicht als deliktische charakterisiert wird, ist sie dennoch keine Jedermannhaftung im herkömmlichen Sinn. Adressaten sind wegen des Wortlauts „unter Benutzung seines Einflusses“ in § 117 Abs. 1 S. 1 AktG nur Personen, die – auf welcher Grundlage auch immer – bereits Einfluss auf die Gesellschaft haben und diesen sodann ausüben.204 Nachdem mittlerweile ein durchgängiges, haftungsbewehrtes System vertraglicher und vertragsähnlicher Rechtsbeziehungen im Zivilrecht anerkannt ist, scheint kein Fall denkbar, in dem jemand aufgrund rechtsgeschäftlicher oder rein tatsächlicher Grundlage auf eine AG Einfluss hat, für die rechtswidrige Ausübung dieses Einflusses zum Nachteil der AG jedoch nicht bereits gemäß § 280 oder § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB haftet. 205 Dies muss hier freilich nicht näher vertieft werden. Zumindest im hier interessierenden Bereich der Kreditgebergeberhaftung besteht in jedem Fall ein Finanzierungsvertrag, so dass es sich vorrangig – oder im Sinne Grigoleits: methodenehrlicher206 – nach der anderweitig zu begründenden rechtlichen Qualifizierung dieses Verhältnisses richtet, welche Maßnahme zulässig ist und welche nicht. Die im US-amerikanischen Rechtskreis vorherrschende Steuerung des Kreditgebereinflusses unter dem Aspekt einer vertragimmanenten Loyalitätspflicht könnte ein derartiger Weg sein; 207 ebenso die insbesondere von Eidenmüller entwickelten Kooperationspflichten der Fremdkapitalgeber in der Unternehmenskrise. 208 Lassen sich hierüber nicht – sachnäher begründet – präzisere Vorgaben machen, welche Einflussnahme zur Verwirklichung der Interessen des Kreditgebers zulässig sind und welche nicht, wird die Finanzierungspraxis daher auch die drohende konturenlose Haftung aus § 117 AktG zum Anlass nehmen, sich der flexiblen Ausgestaltung von Finanzierungsinstrumenten zu enthalten.

3. Die begrenzte Analogiefähigkeit von § 117 AktG Darüber hinaus ist zu bedenken, dass § 117 AktG eine allein auf die AG zugeschnittene Spezialregelung ist. Sie knüpft an die Distanz zwischen Gesellschaftern und Verwaltung an (vgl. §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG) und verhindert, dass ein Mehrheitsaktionär oder sonstiger Außenstehender dieses Vakuum an Teilhabe und Kontrolle zu eigenen, gesellschaftsschädlichen Zwecken aus204 Ganz hM, vgl. nur Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 87: rechtliche Sonderverbindung nicht notwendig; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 4: Voraussetzung ist eine zumindest tatsächliche Sonderverbindung; abw. Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 82: verbandsrechtlich eingefärbtes Sonderrechtsverhältnis notwendig. 205 Zur Konkretisierung de Merkmals „ähnliche geschäftliche Kontakte“ statt anderer Emmerich, in Münch Komm BGB, § 311 Rn. 74 f. 206 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 203. 207 Hierzu unten § 14 III 4 b. 208 Hierzu unten § 7.

IV. Zusammenfassung

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nutzt.209 Dies ist gerechtfertigt, jedoch im Regelfall nur auf die AG als typische Rechtsform für Publikumsgesellschaften zugeschnitten. 210 § 117 AktG wäre daher von vornherein eine nur begrenzt analogiefähige Ausnahmeregelung für ähnlich strukturierte Gesellschaften 211 und damit auch aus diesem Grund keine geeignete Grundlage, die Kreditgeberverantwortung gegenüber anderen Unternehmensträgern rechtlich zu erfassen. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass § 117 AktG trotz seines deliktsrechtlichen Charakters212 nicht ohne weiteres über Art. 40 Abs. 1 EGBGB auf Auslandsgesellschaften mit Sitz in Deutschland Anwendung findet. Insofern gilt das Gleiche wie bei § 826 BGB. 213 Wegen der erforderlichen anderweitigen sachnäheren Begründung, wann und warum ein Fremdeinfluss rechtswidrig ist oder nicht, ist es keineswegs ausgeschlossen, die Regelung abweichend anzuknüpfen und möglicherweise dem Gesellschaftsstatut des betreffenden Unternehmensträgers zu unterstellen. 214 Es gilt daher auch hier, dass das möglicherweise vorhandene Bedürfnis, deutsches Recht auf Auslandsgesellschaften mit Sitz in Deutschland anwenden zu wollen, jedenfalls nicht zwingend an eine allgemeine Kreditgeberhaftung aus § 117 AktG geknüpft ist und sich hierüber auch nicht gleichsam automatisch befriedigen ließe.

IV. Zusammenfassung In Rechtsprechung und Literatur gibt es eine Vielzahl von Versuchen, die unternehmerische Einflussnahme durch Gläubiger rechtlich zu erfassen und ihnen im Sinne der sog. Lender Control Liability eine entsprechende Verantwortung für das Unternehmen und seine übrigen Gläubiger aufzuerlegen. Bedeutsam ist vor allem die mittlerweile gefestigte Haftung des Kreditgebers aus § 826 BGB. In Anlehnung an eine grundlegende Entscheidung des RG wird das sittenwidrige Verhalten anhand der Fallgruppen Insolvenzverschleppung, Aussaugung eines Unternehmens, stille Geschäftsinhaberschaft und Gläubigergefährdung ermittelt. Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge und die hierauf begründete Mitsteuerung durch den Fremdkapitalgeber können von allen Fallgruppen erfasst werden. Gegen eine Kreditgeberhaftung auf der Grundlage von § 826 209

Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 1; in diese Richtung bereits Lehmann, FS Hedemann, S. 399, 401 f. 210 Hierzu ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 196 ff. 211 So auch Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 4 aE, 34: analoge Anwendung auf Kapitalgesellschaften mit ähnlicher Organisationsstruktur. 212 Soeben unter 1. 213 Vgl. oben I 5 e. 214 Abw. Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 117 Rn. 33, der die Regelung auch auf ausländische Aktiengesellschaften anwenden will.

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

BGB und einer damit einhergehenden wertfreien Interpretation der Sittenwidrigkeit bestehen jedoch dogmatische und methodische Bedenken. Zum einen droht der begrenzte deliktische Vermögensschutz systemwidrig ausgebaut zu werden. Zum anderen vermag das Merkmal der Sittenwidrigkeit ohne Rückgriff auch sachnähere Begründungen keine überzeugende Begründung haftungswürdigen Verhaltens zu liefern. Wegen der praktischen Schwierigkeiten, den subjektiven Tatbestand nachweisen zu können, droht die Ersatzpflicht in eine objektive Haftung umzuschlagen, wegen der stets einzunehmenden Ex-Post-Perspektive möglicherweise sogar in eine reine Erfolgshaftung. Weiterhin führt die Begründung einer umfassenden Kreditgeberhaftung gemäß § 826 BGB zu einer ungerechtfertigten Stigmatisierung des Wirtschaftsverkehrs und hält damit von vornherein Marktteilnehmer davon ab, auch nur in die Nähe eines der umrissenen Tatbestände zu gelangen. Eine überzeugende Begründung, ob bereits die Zufuhr von Fremdkapital haftungsauslösend sein kann und der möglichen Rechtsfolgen einer Gläubigerverantwortung – Schadensersatz oder erzwungener Debt-Equity Swap – vermag die herrschende Meinung ebenfalls nicht zu liefern. Eine extensive Begründung der Gläubigerverantwortung gemäß § 826 BGB ist schließlich auch nicht erforderlich, um hierüber Fälle mit Auslandsbezug angemessen lösen zu können. Betrachtet man die unter § 826 BGB zu fassenden Fallgruppen anhand der für die Unternehmensfinanzierung maßgeblichen spezialgesetzlichen Regelungen, kann die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger nicht per se als sittenwidrig angesehen werden. Ob die stille Geschäftsinhaberschaft rechtlich zu missbilligen ist oder nicht, bestimmt sich nach den entsprechenden Regelungen des Rechts der stillen Gesellschaft und einer gesellschaftsrechtlich begründeten Einschränkung der Gestaltungsfreiheit. Für die Einflussnahme eines Darlehensgebers gilt dies gleichermaßen. Auch die Sicherheitenbestellung, der die Covenant-unterlegte Unternehmensfinanzierung funktional entspricht, muss nicht allein anhand der konturenlosen Sittenwidrigkeit iSv. §§ 138 Abs. 1, 826 BGB beurteilt werden. Das Problem ist an anderer Stelle, nämlich bei der Finanzierung durch die Eigentümer, in Akzessorietät zur haftungsrechtlichen Widmung des Kapitalbeitrags geregelt. Es wäre daher sachnäher, die Wirksamkeit einer Sicherheitenbestellung durch einen Fremdkapitalgeber in Anlehnung an die anderweitig zu begründende Frage nach der haftungsrechtlichen Widmung seines Kapitalbeitrags zu beurteilen. Insofern besteht auch ein Vorrang der Insolvenzanfechtung. Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung ist demgegenüber kein spezifisches Problem der Kreditgeberhaftung, sondern eine zutreffend im Deliktsrecht angesiedelte allgemeine Verhaltenshaftung, für die es wegen der Vielzahl der Handlungsmöglichkeiten naturgemäß keine fest umrissenen Tatbestände geben kann. Die Kreditgewährung selbst vermag die Insolvenzverschleppung nicht zu begründen.

IV. Zusammenfassung

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Für die Inhaltskontrolle eines Finanzierungsvertrages gemäß § 307 BGB gelten die vorstehenden Bedenken gleichermaßen. Die hierbei anzustellende Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit ist konturenlos und kann nicht ohne Rückgriff auf anderweitige Begründungen über das Maß der zulässigen Einmischung präzisiert werden. Auch die Rechtsfolge der Bejahung einer unangemessenen Benachteiligung ist verfehlt. Der zu verwirklichende Schutz des Unternehmens wird konterkariert, weil der Fremdkapitalgeber bei der Unwirksamkeit der entsprechenden Covenants regelmäßig zur vorzeitigen Kündigung berechtigt ist bzw. der gesamte Finanzierungsvertrag wegen Unzumutbarkeit des Festhaltens am verbleibenden Teil nichtig ist. Zudem gibt es mit der Vereinbarung kurzer Kündigungsfristen und der (Ketten-)Befristung des Finanzierungsvertrages Vermeidungsstrategien. Auf die Berücksichtigung von Drittinteressen ist die AGB-Kontrolle im Grundsatz nicht ausgerichtet. Dies gilt auch für die potentiell gläubigerschädigenden Gestaltungen, die das Unternehmen mit einem adjusting Creditor einvernehmlich trifft. Soll dieser Drittschutz die Gestaltungsfreiheit der Parteien einschränken, bedarf es hierfür eines sachnäheren, außerhalb der AGB-Kontrolle angesiedelten rechtlichen Maßstabs. Auch eine auf das Merkmal der Rechtswidrigkeit gestützte Begründung der Gläubigerverantwortung im Rahmen von § 117 Abs. 1 AktG und § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nicht ohne Rückgriff auf anderweitige Maßstäbe begründbar und vermag auch keine Rechtssicherheit zu erzeugen, welche Einflussnahme erlaubt ist und welche nicht. Die den innergesellschaftlichen Bereich betreffende Diskussion über den verbotenen Fremdeinfluss ist von der Frage der Rechtmäßigkeit des Außeneinflusses zu trennen. Den vorgenannten Ansätzen in Rechtsprechung und Literatur ist es nicht gelungen, die prohibitive Wirkung einer drohenden konturenlosen Kreditgeberhaftung dadurch auszuräumen oder anzuerkennen, dass die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Angemessenheit und Rechtswidrigkeit aufgrund sachnaher, aus dem die Unternehmensfinanzierung konkret betreffenden Zivil-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht stammender Vorgaben konkretisiert werden. Hierdurch fehlt eine überzeugende dogmatischen Begründung, die die von der Rechtsunsicherheit ausgehende prohibitive Wirkung rechtfertigen könnte. Nachfolgend ist nunmehr herauszuarbeiten, dass es auf der Grundlage ökonomischer Erwägungen einen Ansatz gibt, wonach die Mitsteuerung eines Unternehmens durch die Fremdkapitalgeber funktional betrachtet wird und auf eine rechtsformübergreifende, von der Finanzierungspraxis akzeptierte einheitliche Grundlage gestellt werden kann, nämlich die für alle Einflussnehmenden gleichermaßen verwirklichte Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Sollte sich dieser Ansatz rechtlich umsetzen lassen, vermag er zwar keine Sperrwirkung gegenüber den vorgenannten generalklausealartigen Tatbestän-

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§ 4 Die Schwächen zivilrechtlicher Generalklauseln

den zu erzeugen. Der durch ein auf der Finanzierungstheorie beruhendes, wertfreies Konzept der Verantwortung für die Mitsteuerung verwirklichte Schutz des Unternehmens und seiner sonstigen Gläubiger knüpft jedoch allein an die Intensität der Einflussnahme an und entbindet die Rechtsanwendung damit von der schwierig zu beantwortenden Frage, ob die Einflussnahme sittenwidrig, unangemessen oder rechtswidrig ist. Dies kann ein Umstand sein, der das tatsächliche Bedürfnis, die Mitsteuerung eines Unternehmens über die generalklauselartigen Haftungstatbestände zu sanktionieren, weitgehend entfallen lässt und damit der Finanzierungspraxis in vorhersehbarer Weise die rechtlichen Grenzen für ihr Handeln aufzeigt.

§ 5 These: Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundlage einer rechtlichen Billigung der Einflussnahme Im vorigen Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass die auf Generalklauseln gestützten Ansätze zur Begründung einer Verantwortung des Fremdkapitalgebers gegenüber dem finanzierten Unternehmen und seinen sonstigen Gläubigern keine über das formale Argument der Stellung als Nichteigentümer hinausgehende materiell-rechtliche Begründung darüber enthalten, ob die Mitsteuerung zulässig ist oder nicht. Die wie ein Damokles-Schwert wirkende Gefahr, sittenwidrig, unangemessen oder rechtswidrig zu handeln, erzeugt Rechtsunsicherheit und wirkt ohne ausreichende Legitimation prohibitiv. Die Fremdkapitalgeber werden abgeschreckt, über Covenant-unterlegte Finanzierungsverträge eine enge Anbindung an das Unternehmen zu suchen und insbesondere in der Unternehmenskrise aktiv an deren Bewältigung mitzuwirken. Diese unbefriedigende, die Vorzüge der externen Corporate Governance nicht ausreichend berücksichtigende Perpetuierung eines nicht näher begründeten „gesetzlichen Typenzwangs“ der Finanzierungsinstrumente gilt es in Frage zu stellen. Zu suchen ist daher nachfolgend nach einem „roten Faden“ der Gläubigerverantwortung, der Auskunft darüber gibt, ob eine Einflussnahme zu missbilligen ist oder nicht und welche Konsequenzen die Einflussnahme nach sich ziehen muss. Dass sich insofern zumindest für die jüngere Finanzierungspraxis und die sich hier abzeichnende enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen ein wertfreies Konzept entwickeln lässt, welches marktorientiert ist und nicht an die konturenlosen Vorwürfe der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit oder Rechtswidrigkeit anknüpft, soll nachfolgend herausgearbeitet werden. Es wird sich zeigen, dass es auf der Grundlage der die Praxis der Unternehmensfinanzierung maßgeblich prägenden Finanzierungstheorie durchaus möglich ist, die traditionell an die Eigentümerstellung geknüpfte Aufteilung der Herrschaftsmacht aufgrund einer funktionalen Betrachtung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen zu überwinden und die Zweiteilung von Fremd- und Eigenfinanzierung anderweitig zu begründen. Man müsste lediglich das anhand tatsächlicher Einflussnahme und dem Vertrauen auf die Handlungen anderer abzugrenzende differenzierte Rol-

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§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

lenbild der Kapitalgeber konsequent fortentwickeln. Über eine erzwungene Haftungsfunktion des Finanzierungsbeitrags kann die auf diesem Rollenbild beruhende Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch hinsichtlich der einflussnehmenden Nichteigentümer verwirklicht werden. Weil diese hierdurch dieselben Anreize wie die Eigentümer haben, ihre Mitsteuerung nicht auf Kosten anderer auszuüben, ist es gerechtfertigt, die unternehmerische Einflussnahme prinzipiell zu billigen.

I. Das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie Wie bereits erwähnt, werden in der betriebswirtschaftlichen Finanzierungstheorie Eigen- und Fremdfinanzierung vornehmlich anhand der Stellung des Kapitalgebers, der haftungsmäßigen Widmung des Finanzierungsbeitrags zur Verlusttragung und der Teilhabe am unternehmerischen Erfolg voneinander abgegrenzt. Der Eigenfinanzierung durch die Unternehmenseigentümer kommt als „Glaubwürdigkeitssignal“1 die Funktion der Selbstbeteiligung am Risiko zu 2 , die das Kreditrisiko für die Fremdkapitalgeber kalkulierbar macht. Sind die Eigentümer daher wegen der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals3 gehalten, einen Teil der zur Verwirklichung eines Investitionsprojekts erforderlichen Mittel selbst aufzubringen und diese einer vorrangigen Verlusttragung zu unterwerfen, bedeutet dies jedoch keineswegs nur eine Belastung.

1. Der Zusammenhang zwischen Leverage-Effekt und Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Ein wesentlicher Vorteil der Fremdfinanzierung von Investitionsprogrammen wird in der Finanzierungstheorie und -praxis in der Möglichkeit gesehen, hierdurch die Eigenkapitalrendite zu Gunsten der Eigentümer zu steigern.4 Voraussetzung dafür ist, dass die Gesamtkapitalrentabilität, also der (prognostizierte) Ertrag aus einer Investition, größer ist als der Fremdkapitalzins. Dieser sog. Leverage-Effekt lässt sich am besten anhand eines Beispiels in Anlehnung an Wöhe/Bilstein verdeutlichen: Anzunehmen ist, dass mit einer Investition in Höhe von 100.000 A ein Ertrag von 10.000 A erwirtschaftet wird. Die Gesamtkapitalrentabilität beträgt somit 10%. Für den Fall, 1

So Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, S. 40. So für das neue Recht der Gesellschafterdarlehen auch Huber, FS Priester, S. 259, 276. 3 Vgl. bereits oben § 2 II 1. 4 Ausführlich zum Ganzen Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 410 ff.; ferner Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 464 ff.; Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 487 ff.; Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 f. 2

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I. Das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber

dass Teile der Investition mit Fremdkapital, auf das 7% Zinsen zu entrichten sind, finanziert werden können, erhält man eine unterschiedlich hohe Eigenkapitalrentabilität. Der positive Leverage-Effekt Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

100.000

100.000

100.000

100.000

Fremdkapital

0

25.000

50.000

75.000

Eigenkapital

100.000

75.000

50.000

25.000

0

0,33

1,00

3,00

10.000

10.000

10.000

10.000

0

1750

3.500

5.250

10.000

8.250

6.500

4.750

10%

11%

13%

19%

Gesamtkapital

Verschuldensgrad Gewinn vor Fremdkapitalzinsen Abzug von 7% Fremdkapitalzinsen Gewinn Eigenkapitalrentabilität

Die vorstehende Übersicht zeigt, dass die Eigenkapitalrendite, also die Verzinsung des von den Eigentümern investierten Kapitals, steigt, je höher der Verschuldensgrad ist.5 Aus Sicht der Eigentümer lohnt es sich also, eine Investition weitgehend fremd zu finanzieren. 6 Den Eigentümern kommt eine größere Rendite zu, als wenn sie das Projekt ausschließlich eigenfinanziert hätten. Auf den ersten Blick bringt der Leverage-Effekt somit nur Vorteile zu Gunsten der Eigentümer mit sich. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es sich hierbei zunächst nur um einen Anreiz handelt, der das vorrangige Verlustrisiko der Eigenkapitalgeber kompensiert. Der Leverage-Effekt ist nämlich keineswegs eine zwingende Begünstigung des Eigenkapitalgebers. Voraussetzung für die vom Verschuldensgrad abhängige Steigerung der Eigenkapitalrendite ist vielmehr, dass die Gesamtkapitalrendite größer ist als der Fremdkapitalzins. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einem negativen Leverage-Effekt, der spiegelbildlich zu einer zunehmenden Aufzehrung des investierten Eigenkapitals führt.7 Auch dies sei anhand eines Beispiels nach Wöhe/Bilstein erläutert: 8 Anzunehmen ist, dass mit einer Investition von 100.000 A statt der erwarteten Erträge von 10.000 A nur Erträge in Höhe von 3.500 A erwirtschaftet werden. Ist die Investition in unterschiedlicher Höhe mit Fremdkapital zu 7% finanziert, wirkt sich dies wiederum auf die Eigenkapitalrentabilität aus:

5 Zur mathematischen Darstellung dieser linearen Funktion Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 411 f. 6 Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655. 7 Zur zu Grunde liegenden Linearfunktion Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 413. 8 Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 412 f.

146

§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

Der negative Leverage-Effekt Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

100.000

100.000

100.000

100.000

Fremdkapital

0

25.000

50.000

75.000

Eigenkapital

100.000

75.000

50.000

25.000

Gesamtkapital

Verschuldensgrad Gewinn vor Fremdkapitalzinsen Abzug von 7% Fremdkapitalzinsen

0

0,33

1,00

3,00

3.500

3.500

3.500

3.500

0

1.750

3.500

5.250

Gewinn/Verlust

3.500

1.750

0

– 1.750

Eigenkapitalrentabilität

3,5%

2,33%

0%

– 7%

Dieser drohende negative Leverage-Effekt verlangt somit von der Unternehmensleitung zunächst einmal die Kalkulation des Leverage-Risikos, mithin eine genaue Prognose der erzielbaren Gesamtkapitalrendite, damit die Vorzüge der Fremdfinanzierung sich nicht ins Gegenteil verkehren.9 Hierbei bleibt es indessen nicht. Damit die Prognosen auch tatsächlich eintreten und vor allem die notwendige, über den Finanzierungskosten liegende Gesamtrentabilität erzielt wird, muss die Unternehmensleitung auch während der Realisierung des Investitionsprojekts alles daran setzen, dass ihre Entscheidungen zu einer optimalen Zielverwirklichung führen. Der Leverage-Effekt ist so ein Anreiz, die Gesamtkapitalrendite so zu steigern, dass sie über den Fremdkapitalkosten liegt, um damit eine hohe Eigenkapitalrendite zu erzielen. Hierbei zeigt sich ein bedeutsamer Zusammenhang: Die Verfolgung von Eigeninteressen gewährleistet eine Mitberücksichtigung von Fremdinteressen. Letztlich werden hierüber alle Interessen der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Kapitalgeber befriedigt. Die Fremdkapitalgeber können wegen des von den Eigentümern erzielbaren positiven Leverage-Effekts und des zu deren Lasten wirkenden negativen Leverage-Effekts davon ausgehen, dass die Unternehmensleitung eine über ihren Zinsen liegende Gesamtkapitalrendite erzielt und die Fremdkapitalkosten damit vorrangig gedeckt werden. Dieser Zusammenhang verdeutlicht die Bedeutung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals für den Leverage-Effekt. Der Fremdkapitalzins muss zur Begründung eines zu Gunsten der Eigentümer wirkenden positiven LeverageEffekts niedriger sein als die Gesamtkapitalrentabilität. Um dies zu bewirken, müssen die Eigentümer Anreize setzen, dass es überhaupt Fremdkapitalgeber gibt, die bereit sind, sich an der Finanzierung zu beteiligen, diese das Kreditrisiko nicht zu hoch einschätzen und damit einer relativ niedrige, kalkulierbare 9

Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 14.

I. Das differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber

147

Verzinsung verlangen. Das Eigenkapital, welches als Ergebnis eines positiven Leverage-Effekts eine entsprechend hohe Eigenkapitalrendite zu Gunsten der Eigentümer bewirkt, ist damit zugleich auch die Voraussetzung für den Leverage-Effekt selbst.

2. Zwei Arten von Kapitalgebern als Funktionsbedingung des Leverage-Effekts Die vorstehende Zusammenhang von positivem und negativem Leverage-Effekt verdeutlicht, dass die Unternehmensfinanzierung im Regelfall, dass ein Unternehmen am (Finanzierungs-)Markt auftritt, zwei verschiedene Arten von Kapitalgebern hat.10 Die Frage nach dem – ohnehin kaum bestimmbaren11 – „optimalen Verschuldensgrad“ eines Unternehmens ist daher nicht allein anhand der Bedürfnisse der Eigentümer zu beantworten, sondern vielmehr unter Einbeziehung der Fremdkapitalgeber und deren sich im „Ob“ und „Wie“ der finanziellen Beteiligung niederschlagenden Risikoeinschätzung. Die Eigentümer müssen zur Erzielung eines positiven Leverage-Effekts einen bestimmten mit vorrangiger Verlusttragung ausgezeichneten Kapitaleinsatz erbringen, der die erfolgversprechende Strategie und ihre sachgerechte Umsetzung gewährleistet, damit die Nichteigentümer sich als Fremdkapitalgeber an der Unternehmensfinanzierung gegen eine feste Verzinsung und gegenüber dem Finanzierungsbeitrag der Eigentümer vorzugsweisen Befriedigung beteiligen. Nimmt man die Erzielung eines positiven Leverage-Effekts als empirischen Regelfall der von der Unternehmensleitung zu Gunsten der Eigenkapitalgeber zu verwirklichende Handlungsmaxime,12 benötigt man zwingend eine andere Gruppe von Kapitalgebern, die kein unternehmerisches Risiko tragen will und sich mit einer festen – und damit für die Unternehmensleitung – kalkulierbaren Verzinsung begnügt. Vereinfacht lässt sich klassische Zweiteilung der Unternehmensfinanzierung in Eigen- und Fremdkapitalgeber, ihre Möglichkeit, das unternehmerische Risiko zu steuern und hiervon zu profitieren bzw. die Verluste zu tragen, wie folgt darstellen:

10 Etwas anderes gilt bei reinen Projekt- und Konzerngesellschaften, die lediglich Transaktionsvehikel sind oder zu Abrechnungszwecken eingesetzt werden, ohne selbst Fremdfinanzierung in Anspruch zu nehmen oder am Geschäftsverkehr teilzunehmen. 11 Hierzu grundlegend kritisch Modiglionai/Miller, 48 Am Econ. Rev. 261, 268 ff. (1958); zum Ganzen auch Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft, S. 501 ff. 12 So auch Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644, 655 f., wonach der Leverage-Effekt ein „wesentlicher Treiber des Geschäfts“ sei.

148

§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

Klassische Zweiteilung der Unternehmensfi nanzierung Herrschaft über das Unternehmen Eigentümer („Eigenkapitalgeber“)

ja

Teilhabe am Erfolg

Teilhabe am Misserfolg

positiver Leverage- negativer LeverageEffekt Effekt

Abhängigkeit Vertrauen Nichteigentümer („Fremdkapitalgeber“)

nein

nein

nein

II. Der gesetzlich anerkannte Leverage-Effekt zu Gunsten der Fremdkapitalgeber Dieses differenzierte Rollenbild ist indessen nur scheinbar auf die klassische, an die formale Eigentümerstellung geknüpfte Zweiteilung von Eigen- und Fremdfinanzierung beschränkt. Der Leverage-Effekt als Anreiz eines Kapitalgebers, mit der Risikobeurteilung und dem Verhalten anderer – durchaus im positiven Sinne! – zu spekulieren, setzt nicht voraus, dass die Eigentümer davon profitieren können, wenn die Nichteigentümer sich zum Preis der fehlenden Verlustbeteiligung mit einer festen, kalkulierbaren Verzinsung begnügen. Der Effekt kann gleichermaßen den Fremdkapitalgeber begünstigen, der sich durch eine mit der Eigenfinanzierung vergleichbare Finanzierung beteiligt, mithin eine erfolgsabhängig Verzinsung vereinbart. Seine variable Verzinsung („Fremdkapitalrendite“) steigt gleichermaßen an, wenn die Gesamtkapitalrendite größer ist als die feste bzw. niedrigere Verzinsung des Kapitals der anderen Gläubiger oder die – möglicherweise – bewusst niedrig gehaltene Gewinnausschüttung zu Gunsten der Eigentümer. Die gesetzlichen Regeltypen für die Finanzierung eines Unternehmens durch Nichteigentümer erkennen diese Möglichkeit durchaus an. Für die stille Gesellschaft ist die Gewinnbeteiligung des Kapitalgebers ist gemäß § 231 Abs. 2 2. Hs. HGB sogar zwingend.13 Das Gleiche gilt jedoch zumindest mittlerweile auch für das Darlehen gemäß §§ 488 ff. BGB. Herkömmlich wird unter „Gewinn“ iSv. § 231 Abs. 2 HGB die Beteiligung am Unternehmenserfolg14 gesehen, die 13 Wurde die Gewinnbeteiligung ausgeschlossen, führt dies allein dazu, dass keine stille Gesellschaft iSv. §§ 230 ff. HGB vorliegt, ggf. aber ein anderer Vertragstyp (Ebenroth/Boujong/Joost/Gehrlein, HGB, § 231 Rn. 9). 14 Statt anderer K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 38.

II. Der Leverage-Effekt zu Gunsten der Fremdkapitalgeber

149

von der Festverzinsung des Darlehens abzugrenzen sei.15 Diese kategorische Zweiteilung findet indessen im Gesetz keine Stütze (mehr). Seit Einführung von § 609 a Abs. 2 BGB im Jahr 1986 und der Aufrechterhaltung dieser Regelung in § 489 Abs. 2 BGB durch die Schuldrechtsreform im Jahr 2002 wird das variabel verzinste Darlehen ausdrücklich anerkannt. Nach der Konzeption des Gesetzes kann im Darlehensvertrag hiernach ebenso wie bei der stillen Gesellschaft eine an den „Unternehmenserfolg“ geknüpfte Verzinsung vereinbart werden. Der Vertragsfreiheit sind für ein solches partiarisches Darlehen16 zumindest im Ausgangspunkt keine Grenzen gesetzt: Die Höhe des variablen Zinses kann mit dem Unternehmenserfolg korrespondieren; sie kann sich dazu jedoch auch umgekehrt verhalten, um ein steigendes Kreditrisiko durch höhere Zinsen zu kompensieren. Soweit gewollt, ist die Beteiligung am Unternehmenserfolg über den Zins somit auch beim Darlehen möglich und der Leverage-Effekt zu Gunsten eines Nichteigentümers erzielbar. Die vorstehende schematische Darstellung ist insofern zu erweitern, als es nunmehr zwei Arten von Fremdkapitalgebern gibt: Einmal diejenigen „typischen“ Fremdkapitalgeber die sich mit einer festen Verzinsung begnügen, nicht am Verlust partizipieren wollen und auf die sachgerechte Herrschaft der Eigentümer vertrauen; zum anderen diejenigen „atypischen“ Fremdkapitalgeber, die hinsichtlich der Verzinsung am Erfolg des Unternehmens profitieren wollen und zur Verwirklichung möglicherweise auf die Unternehmensführung Einfluss nehmen, nicht aber am Misserfolg teilhaben wollen.

15 Ganz hM, RGZ 122, 387, 390; RG, JW 1936, 921; BGH, LM BGB § 139 Nr. 8; BGH, WM 1967, 321; BGHZ 127, 176, 181; Baumbach/Hopt, HGB, § 321 Rn. 2; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 38; Staub/Zutt, HGB, § 230 Rn. 17. 16 Zur Abgrenzung von partiarischem Darlehen und stiller Beteiligung anhand des gemeinsamen Zwecks iSv. § 705 BGB statt anderer Berger, in Münch Komm BGB, Vor § 488 Rn. 28; Schön, ZGR 1993, 210; .

150

§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

Die mögliche Dreiteilung der Unternehmensfinanzierung Herrschaft über das Unternehmen Eigentümer („Eigenkapitalgeber“)

ja

Teilhabe am Erfolg

Teilhabe am Misserfolg

positiver Leverage- negativer LeverageEffekt Effekt Abhängigkeit

Vertrauen Nichteigentümer („typische Fremdkapitalgeber“)

nein

nein

nein

Vertrauen? Abhängigkeit Nichteigentümer („atypische Fremdkapitalgeber“)

ja

positiver Leverage- hinsichtlich KapitalEffekt anteil: nein hinsichtlich Erfolgsprämie: ja

III. Die zu begründende Finanzierungsverantwortung der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber Lässt sich der positive Leverage-Effekt auch zu Gunsten von Nichteigentümern erzielen, darf jedoch nicht übersehen werden, dass der negative Leverage-Effekt nach dem Vorgesagten zunächst einmal lediglich den auf das investierte Kapital anfallenden Ertragsanteil erfassen würde, nicht aber die überlassene Substanz selbst.

1. Das beschränkte Leverage-Risiko der Fremdkapitalgeber Eine variable, an den unternehmerischen Erfolg geknüpfte Verzinsung des Fremdkapitals entfaltet nur eine beschränkte Ingangsetzungsfunktion. Die übrigen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten können einer solchen Gestaltung nur ein beschränktes Glaubwürdigkeitssignal dahingehend entnehmen, dass der Kapitalgeber aus dem Kapital keine Erträge erzielt, bei Ausbleiben des erhofften Erfolgs jedoch auch nur diesen Ertragsanteil einbüßt. Die gesetzliche Ausgangslage erkennt auch dies unmittelbar an, indem bei der stillen Beteiligung die Verlusttragung gemäß § 231 Abs. 1 HGB ausgeschlossen werden kann. Beim Darlehen bedarf es einer dispositiven Regelung über die Abbedingung einer Verlustbeteiligung nicht, weil das Darlehen gemäß § 488

III. Die Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber

151

Abs. 3 S. 1 BGB ohnehin nur Kapitalüberlassung auf Zeit ist. Um hiervon abzuweichen, müssen die Parteien einen gesonderten Verzichts- oder Erlassvertrag schließen oder für die Insolvenz einen Rangrücktritt iSv. § 39 Abs. 2 InsO vereinbaren. Dies ist im Bereich der vielfach anzutreffenden hybriden Finanzierungsinstrumente zwar üblich, nicht aber zwingend.17 Während die vorstehend beschriebenen „atypischen“ Fremdkapitalgeber somit in vollem Umfang von einem positiven Leverage-Effekt profitieren können, trifft sie der umgekehrte negative Leverage-Effekt allein bezogen auf den Ertragsanteil des investierten Kapitals. Eine Aufzehrung der stillen Beteiligung bzw. Darlehensvaluta selbst müssen sie nicht befürchten. Die Fremdkapitalgeber, die sich eine erfolgsabhängige Vergütung für die Kapitalüberlassung einräumen lassen, tragen somit nur ein beschränktes Leverage-Risiko. Soweit sie nicht auf Grund privatautonomer Gestaltung die Finanzierung eigenkapitalähnlich ausgestalten – exemplarisch zu nennen sind die Vereinbarung einer langen Laufzeit, die Abbedingung ordentlicher Kündigungsrechte und die Vereinbarung eines Rangrücktritts gemäß § 39 Abs. 2 InsO – können sie einen positiven Leverage-Effekt erzielen, nicht aber einen negativen.

2. Systemwidriger Widerspruch zur Eigentümerfinanzierung? Dass hierin ein bedeutender Unterschied zum soeben skizzierten „Normalfall“ des Leverage-Effekts ist, welcher zu Gunsten und zu Lasten der Eigentümer wirkt, liegt auf der Hand. Es wäre indessen voreilig, hierin sogleich einen ökonomisch oder rechtlich zu missbilligenden Widerspruch zu sehen. Die Finanzierungstheorie vermag nur das optimale Verhalten der Marktteilnehmer zu beschreiben. Als empirische, entscheidungsorientierte Wissenschaft enthält sie keine Vorgaben darüber, wie die Kapitalgeber sich verhalten müssen.18 Aus der Perspektive der Fremdkapitalgeber wäre es sogar anerkennenswert, wenn ihnen gelingt, durch „Verhandlungsgeschick“ Gestaltungen durchzusetzen, von denen sie fast nur profitieren können. Auch rechtlich kann auf Grund der gesetzlichen Ausgangslage nicht ohne weiteres festgestellt werden, dass das beschränkte Leverage-Risiko der Fremdkapitalgeber zu missbilligen wäre. Als Begründung sei wiederum angeführt, dass dies bei der stillen Beteiligung sogar ausdrücklich vorgesehen ist, indem der Stille gemäß § 231 Abs. 2 HGB zwingend am Gewinn des Geschäftsinhabers teilnimmt, seine Verlustbeteiligung hingegen ausgeschlossen werden kann. Für das variabel verzinste Darlehen gilt dies erst recht. Die §§ 488 ff. BGB enthalten überhaupt keine Vorgaben darüber, dass der Darlehensgeber auch am Verlust des Darlehensnehmers beteiligt sein kann oder soll. 17 18

Vgl. nur Weisser, GmbHR 2004, 1370. Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 52 ff., 60 ff.

152

§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

3. Die erzwungene Selbstbetroffenheit als Funktionsbedingung des Finanzierungsmarktes und Legitimation der externen Corporate Governance Zu fragen ist aber, ob das nur beschränkte Leverage-Risiko der Fremdkapitalgeber nicht zumindest dann eine nicht hinnehmbare Belastung des Finanzierungsmarktes ist, wenn sich der Kapitalgeber an der Steuerung eines Unternehmens beteiligt. Wie bereits erwähnt, hängen in der Finanzierungstheorie Leverage-Effekt und Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals untrennbar zusammen. Letztere kommt als Erleichterung bei der Kapitalbeschaffung denjenigen zu Gute, die nicht nur hinsichtlich ihres Ertragsanteils Einbußen erleiden können, sondern auch bezogen auf das investierte Kapital selbst. Allein diese doppelte vorrangige Verlusttragung begründet das Glaubwürdigkeitssignal und vermittelt den Fremdkapitalgebern, dass die herrschenden Eigentümer bzw. die ihrer Interessenwahrung verpflichteten Unternehmensleiter sachgerechte Entscheidungen treffen und hierdurch auch die Interessen der übrigen mit berücksichtigen. Man muss sich daher fragen, ob es nicht folgerichtig wäre, einem Teil der Fremdkapitalgeber, nämlich denjenigen, die sich an der Steuerung eines Unternehmens beteiligen, bei funktionaler Betrachtung der Gruppe der Eigentümer zuzuordnen und ihnen durch die gesetzliche Umwidmung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital eine vergleichbare Verantwortlichkeit zu Gunsten des finanzierten Unternehmens und der übrigen Gläubiger aufzuerlegen, um auf diese Weise die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger prinzipiell billigen zu können. Die erzwungene Verlustbeteiligung der Einfl uss nehmenden Fremdkapitalgeber zur Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion Herrschaft über das Unternehmen Eigentümer („Eigenkapitalgeber“)

ja

Teilhabe am Erfolg

Teilhabe am Misserfolg

positiver Leverage- negativer LeverageEffekt Effekt Abhängigkeit

Vertrauen Nichteigentümer („typische Fremdkapitalgeber“)

nein

nein

nein

Vertrauen? Abhängigkeit Nichteigentümer („atypische Fremdkapitalgeber“)

ja

positiver Leverage- hinsichtlich KapitalEffekt anteil: ja hinsichtlich Erfolgsprämie: ja

III. Die Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber

153

Es soll in dieser Arbeit nicht ermittelt und entschieden werden, ob die Finanzierungspraxis die gesetzlich gewährleistete und hier dogmatisch auszubauende Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zwingend benötigt. Es spricht jedenfalls Vieles dafür, auch die kaum sichtbaren Funktionsbedingungen einer auf Risikominimierung ausgerichteten Finanzierungspraxis ernst zu nehmen und das grobe Glaubwürdigkeitssignal, welches vom Eigenkapital durch hiermit gewährleisteten den Zusammenhang von Selbstbetroffenheit und Selbstkontrolle ausgeht, zu schützen. Solange nicht jeder Kapitalgeber willens und in der Lage ist, einen seinen Bedürfnissen entsprechenden effizienten Finanzierungsvertrag durchzusetzen, wird die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ein Umstand sein, der die Risikoeinschätzung der sog. non-adjusting Creditors beeinflusst und damit letztlich die Unternehmensfinanzierung insgesamt verbessert. Erkennt man in der möglichen Erzielung eines positiven LeverageEffekts einen starken Anreiz, sich an der Unternehmensfinanzierung und Unternehmenssteuerung zu beteiligen, benötigen diese Personen geradezu einen Gegenpart, der auf das risikobewusste Handeln vertraut und dieses Vertrauen aus der mit der Ingangsetzungsfunktion umschriebenen Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger herleitet. Schützt man deren Vertrauen nicht, geben sie sich nicht mit Zinsen zufrieden, die unter der Gesamtkapitalrendite liegen, so dass auch der positive Leverage-Effekt nicht zum Tragen kommen kann. Der Anreiz, unternehmerisch tätig zu werden, wäre stark geschmälert. Zumindest solange daher die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals im deutschen Recht für die Eigentümerfinanzierung in Gestalt der persönlichen Haftung bzw. der Notwendigkeit, sich hiervon durch Aufbringung eines Kapitalbeitrags freizukaufen oder einer im Insolvenzverfahren erfolgenden Rückstufung von Gesellschafterdarlehen gilt,19 ist sie als gesetzlich gewährleistet zu unterstellen und vermag daher eine taugliche Grundlage zu sein, die hierauf bezogene gesetzliche Gewährleistung im Wege der Analogie auf die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber zu übertragen. Es soll daher nachfolgend herausgearbeitet werden, ob sich über die gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch für die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber ein wertfreier, marktorientierter „roter Faden“ der Gläubigerverantwortung entwickeln lässt. Kennzeichnend hierfür wäre, dass die Rechtsfolge – gesetzliche Zuweisung einer Haftungsfunktion hinsichtlich des hingegebenen Kapitals – allein an die Unvereinbarkeit zweier Verhaltensweisen des Kreditgebers geknüpft wäre – Einflussnahme einerseits, Innehabung der Stellung als Gläubiger, der auf die verantwortungsbewusste Steuerung durch andere vertraut, andererseits – und damit ohne Rückgriff auf die rechtliche 19 Für das neue Recht der Gesellschafterdarlehen spricht Huber ausdrücklich von einer der hier umschriebenen Ingangsetzungsfunktion entsprechenden „Funktion der Selbstbeteiligung am Risiko“ als Legitimation für die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen (Huber, FS Priester, S. 259, 276).

154

§ 5 Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion

Qualifizierung einer Handlung als sittenwidrig, unangemessen oder rechtswidrig auskommt.

IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass sich die bisher konturenlosen, auf Generalklauseln gestützten Ansätze zur Billigung bzw. Missbilligung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger mit dem Gebot, die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu gewährleisten, präzisieren lassen. Das in der Finanzierungstheorie anzutreffende Rollenverständnis der voneinander zu unterscheidenden Eigen- und Fremdkapitalgeber kann Grundlage einer funktionalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers und seiner hieraus resultierenden Verantwortung für das finanzierte Unternehmen und seine Gläubiger sein. Auf diese Weise kann ein mit der Eigentümerfinanzierung vergleichbares Anreiz- und Sanktionsregime herausgearbeitet werden, welches die Chancen der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger anerkennt, zugleich aber die hierdurch hervorgerufenen Risiken angemessen bewältigt. Die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger ist hiernach prinzipiell zulässig, soweit es aufgrund der für die Unternehmensfinanzierung maßgeblichen Regelungen des Zivil-, Gesellschafts- und Insolvenzrechts gelingt, eine mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vergleichbare Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger herzustellen. Auf welche Weise diese Selbstbetroffenheit gewährleistet werden soll und kann, bedarf freilich einer näheren ökonomischen und rechtlichen Untersuchung. Die verschiedenen Möglichkeiten sollen daher an dieser Stelle nur skizziert werden: Eine sehr weitgehende Lösung wäre es, die Unternehmensfinanzierung als Netzwerk von Verträgen aufzufassen, den Beteiligten in Anlehnung an gesellschaftsrechtliche Denkfiguren Handlungspflichten aufzuerlegen und damit die möglichen Interessenkonflikte aufgrund einer für die Innen- und Außenperspektive des Unternehmens einheitlichen Betrachtung des Principal-Agent-Problems einheitlich zu lösen, mithin die Beteiligten zumindest in der Unternehmenskrise zur Verfolgung der „richtigen Strategie“ zu verpflichten. Sollte sich diese umfassende Überwindung einer formalen Betrachtung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen nicht begründen lassen, wäre zur Begründung einer individuellen Verantwortung für Einflussnahme eine schadensersatzrechtliche Lösung denkbar, wie sie die Ansätze zum faktischen Geschäftsführer favorisieren (Lender Control Liability). Möglich ist auch, die Gläubigerverantwortung als vom Konzernrecht umfasst anzusehen und über die dort vorhandenen Schutzinstrumente eine vergleichbare Selbstbetroffenheit herzustellen. Denk-

IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung

155

bar ist schließlich, den Kapitalbeitrag in den Mittelpunkt zu rücken und die Selbstbetroffenheit in enger Anbindung an die materiell-rechtlichen und insolvenzrechtlichen Regelungen für die Eigentümerfinanzierung zu suchen und den Fremdkapitalgebern eine vergleichbare Finanzierungsverantwortung aufzuerlegen, mithin einen gesetzlich angeordneten Debt-Equity Swap. Unabhängig davon, welchem Ansatz letztlich gefolgt wird, sind diese jedenfalls im funktionalen Vergleich mit der Herrschaft des Fremdkapitalgebers mit der der Eigentümer bzw. der ihnen verpflichteten Geschäftsleiter verwurzelt und damit eine sachnähere dogmatische Grundlage als die zuvor erörterten Versuche, die konturenlosen Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit und Rechtswidrigkeit als Grundlage einer Gläubigerverantwortung heranzuziehen. Um das hier vorgestellte Konzept einer auf die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gestützten Gläubigerverantwortung begründen zu können, sind mehrere Hürden zu nehmen. Den Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung nimmt im nachfolgenden Teil der Aspekt, die unternehmerische Einflussnahme durch Gläubiger als Instrument zur Insolvenzvermeidung zu sehen. Immerhin gibt es bereits Ansätze, die bei formaler Betrachtung differenzierte Stellung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen zumindest in der Krise durch ein System umfassender Kooperationspflichten zu überwinden und allen gemeinsam eine kollektive Verantwortung für das Gelingen einer erfolgversprechenden außergerichtlichen Sanierung aufzuerlegen. Sollte dies zutreffen, wäre hierüber nicht nur die prinzipielle Billigung des Gläubigereinflusses dogmatisch begründbar. Die Betrachtung der Unternehmensfinanzierung als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung aller hieran Beteiligten wäre auch nicht auf die Lösung des sog. Akkordstörerproblems beschränkt. Wegen einer hierüber begründeten funktionalen Stellung der Kapitalgeber als Beteiligte einer auf Insolvenzvermeidung gerichteten Gemeinschaft böte sich vielmehr auch die Möglichkeit, den einflussnehmenden Gläubigern eine aus der Zweckförderungspflicht abgeleitete Vorgabe für die „richtiges“ Handeln zur Insolvenzvermeidung zu geben und Fehlverhalten ggf. haftungsrechtlich zu sanktionieren.

Zweiter Teil

Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als möglicher Ausschnitt einer kollektiven Pflicht zur Insolvenzvermeidung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass sich die unternehmerische Einflussnahme der Gläubiger zumindest aus ökonomischer Sicht prinzipiell billigen ließe, sofern hiermit eine den Eigentümern vergleichbare Verantwortung einhergeht. Dies herauszuarbeiten, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Hierzu ist in einem ersten Schritt der Frage nachzugehen, ob sich zumindest in der Unternehmenskrise aufgrund eines umfassenden Systems von Kooperationspflichten eine kollektive Gläubigerverantwortung zur Insolvenzvermeidung begründen ließe. In Erfüllung einer hieraus resultierenden Zweckförderungspflicht könnten die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber gehalten sein, ihren Einfluss auf das überindividuelle Ziel der Insolvenzvermeidung hin auszurichten. Die Möglichkeit, dieses insbesondere von Eidenmüller für die Lösung des Akkordstörerproblems entwickelten Konzept zur Überwindung der formalen Stellung aller an der Unternehmensfinanzierung beteiligter Personen auf die hier interessierende Verantwortung wegen Einflussnahme zu übertragen, erscheint naheliegend, weil die Covenant-gestützte Beteiligung der Gläubiger an der Unternehmensführung vor allem auch als „marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren“ gesehen wird, mithin als Sanierungsinstrument.1 Die prinzipielle Billigung und ggf. rechtsfortbildende Ausgestaltung eines wertfreien Konzepts der externen Corporate Governance ist somit auch davon abhängig, dass das Ziel der Insolvenzvermeidung unter Beteiligung der Nichteigentümer gesetzliche Anerkennung findet. Man muss daher die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen zunächst einmal dahingehend hinterfragen, ob sie nicht den Wertungen des Insolvenzrechts widerspricht. Hierbei versteht es sich von selbst, dass das Insolvenzrecht die Privatautonomie im Vorfeld des maßgeblichen Einsatzzeitpunkts nicht oder allenfalls durch die Regelungen über die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO einzuschränken vermag. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass eine „marktwirtschaftliche Alternative“ zum Insolvenzverfahren aus der 1

Thießen, ZBB 1996, 19, 22.

158

Zweiter Teil: Die Gläubigerverantwortung wegen Einfl ussnahme

Perspektive des Insolvenzrechts eine prinzipiell zu billigende Handlungsoption ist. Das Regelungsanliegen des Insolvenzrechts soll somit nicht unter dem Aspekt untersucht werden, im Umkehrschluss hierzu die außergerichtliche Sanierung als solche zu legitimieren. Zu fragen ist vielmehr zum einen, ob das Insolvenzrecht Wertungen darüber enthält, die Einflussnahme von Gläubigern außerhalb des Insolvenzverfahrens als Mittel zur Insolvenzvermeidung zu legitimieren. Wäre dies nicht der Fall, bestünde kaum Raum, die traditionelle Zweiteilung der Unternehmensfinanzierung mit dem Vorzug privatautonomer Handlungen zur Insolvenzvermeidung zu begründen. Hierauf aufbauend ist zum anderen der Frage nachzugehen, ob das Ziel der Insolvenzvermeidung eine ökonomisch und rechtlich begründbare Legitimation ist, die formale Betrachtung der an einer Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen zu überwinden und allen an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen eine kollektive Verantwortung für das Gelingen außergerichtlicher Sanierungen aufzuerlegen. Dieser Ansatz hätte zur Folge, dass die traditionelle Zweiteilung der verschiedenen Kapitalgeber mit unterschiedlicher Herrschaft und Verantwortlichkeit von einem umfassenden System der Kooperationspflichten überlagert würde, welches die Beteiligung an der Unternehmensleitung nicht nur legitimiert, sondern ggf. erzwingt. Sollte ein solches System von Kooperationspflichten Vorgaben über die „richtige Strategie“ der Insolvenzvermeidung enthalten, ließen sich die zuvor herausgearbeiteten Schwächen einer konturenlosen Gläubigerverantwortung beseitigen.

§ 6 Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligung der Gläubiger als Ziel des Insolvenzrechts Indem die in der ökonomischen Theorie für vorteilhaft erachteten Krisenerkennungs- und Krisenbewältigungsinstrumente als Kompensation des Kreditrisikos verstanden werden, zielen sie letztlich darauf ab, dass der Fremdkapitalgeber sein investiertes Kapital nebst Zinsen bzw. ausbedungener erfolgsabhängiger Vergütung in Übereinstimmung mit seiner Risikoerwartung zurückerhält.1 Diese Funktion verwirklicht auch das gemäß § 1 InsO auf Gläubigerbefriedigung gerichtete Insolvenzverfahren. Man kann es somit als eine gesetzliche Versicherung des Kreditrisikos sehen, welche sich hinsichtlich des Ziels mit den vorgenannten marktwirtschaftlichen Gläubigerstrategien deckt. So lässt sich das geltende Insolvenzrecht durchaus als staatliches Angebot verstehen, die Befriedigung der Gläubiger, die nach Alternativen suchen, zu verwirklichen. Weiterhin kann das Insolvenzverfahren zumindest seit Einführung der InsO zum 1. 1. 19992 als Sanierungsinstrument verstanden werden (vgl. § 1 S. 1 InsO: „abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“). Auch die Einflussnahme als Mittel zur Verwirklichung eines Sanierungsziels findet in der InsO ausdrückliche Erwähnung. Verfügt das Unternehmen bei Insolvenzeröffnung noch über einen Geschäftsbetrieb, ist der Verwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO berechtigt und verpflichtet, diesen im Einklang mit den Zielen des Insolvenzverfahrens fortzuführen oder stillzulegen.3 Seine Eigenverantwortlichkeit ist jedoch insbesondere dann eingeschränkt, wenn die Fortführung zu weiteren Verlusten führt. In diesem Fall hat der Insolvenzverwalter die Gläubigerversammlung einzuberufen, damit diese gemäß § 157 InsO über die Stilllegung, Fortführung, eine übertragende Sanierung oder sonstige Verfahrensziele beschließen kann.4 Die Entscheidung dieser für eine Sanierung wichtigen Vorfragen obliegt somit im Insolvenzverfahren den Gläubigern, die die einmal getroffene Entscheidung auch wieder ändern können.5 Eine besondere Einfluss1

Oben § 2 I. Vgl. Art. 110 Abs. 1 EGInsO. 3 Statt anderer Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 135; Einzelheiten bei Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 199 ff. 4 BGHZ 99, 151, 156. Zu den möglichen Beschlüssen über das Verfahrensziel Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 3 ff. 5 Zur Pflicht des Insolvenzverwalters, eine erneute Entscheidung der Gläubigerversamm2

160

§ 6 Die Förderung der freien Sanierung

nahme erfolgt weiterhin über den Gläubigerausschuss, dessen Befugnisse sich gemäß § 69 S. 1 InsO auch auf die Unterstützung des Insolvenzverwalters bei seiner Geschäftsführung erstrecken und der gemäß § 160 InsO ein Zustimmungsrecht für besonders bedeutsame Rechtshandlungen hat. Schließlich ist die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger zur Krisenbewältigung im Planverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO mittlerweile geradezu institutionalisiert und bietet einen Rahmen für alternative Reorganisations- und Sanierungskonzepte. 6 Auf der Grundlage dieser Übereinstimmung von Ziel und Mitteln zur Zielverwirklichung könnte man im Umkehrschluss zur gesetzlich vorgesehenen Einflussnahme anführen, die Gläubiger sollten sich außerhalb des Regel- bzw. Planverfahrens aus der Unternehmensleitung heraushalten. Eine rechtliche Legitimation der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung wäre schwer begründbar. Dies gilt umso mehr, als man erwägen könnte, das geltende Insolvenzrecht und die hierin enthaltenen Regelungen über die Beteiligung der Gläubiger an der Unternehmensleitung vorrangig auszuweiten, etwa durch eine Vorverlegung der Insolvenzgründe oder durch Einführung eines besonderen staatlich geregelten Insolvenzvermeidungsverfahrens.7 Sollten solche Vorschläge überzeugen, bedeutete auch dies erhebliche Schwierigkeiten, die unternehmerische Einflussnahme durch die Gläubiger mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung außerhalb solcher Verfahren rechtlich zu billigen. Auf der anderen Seite stehen diese insolvenzrechtlichen Ansätze unter dem Vorbehalt, dass sie das Ziel der Covenant-gestützten Einflussnahme möglicherweise nur unzureichend verwirklichen. Das Insolvenzverfahren könnte bereits seiner eigenen Konzeption nach lediglich eine Notlösung zur Krisenbewältigung sein. Wäre dies der Fall, müsste man umgekehrt anführen, dass die sich zunehmend entwickelnden marktwirtschaftlichen Alternativen hierzu durchaus gesetzlich gewünscht und durch ggf. rechtsfortbildend zu entwickelnde adäquate Rechtsregeln zu unterstützen sind. Hierfür spricht sich insbesondere Häsemeyer aus, wenn er anführt, es möge in zahlreichen Fällen genügen, dass ein staatliches Verfahren als – womöglich schlechtere – Alternative zu Gebote steht, damit ein flexibleres, den Beteiligten vorzugswürdig erscheinendes freiwilliges Schuldenbereinigungsverfahren (sog. freie Sanierung8 oder workout 9 ) stattfinden kann.10 Dass eine derartige Offenheit für marktwirtschaftliche Allung herbeizuführen, wenn nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Betriebsfortführung weggefallen sind, Mönning, Betriebsfortführung, Rn. 829 ff. 6 Hierzu ausführlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 51 ff., insbes. 96 ff. 7 Hierzu unten V. 8 Diesen Begriff prägte K. Schmidt in seinem Gutachten D zum 54. Deutschen Juristentag 1982. 9 So die mittlerweile auch hier gängige, aus dem US-amerikanischen Rechtskreis stammende Bezeichnung, vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 4. 10 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 5.01.

I. Die Legitimation des Insolvenzverfahrens

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ternativen unter Beteiligung der Gläubiger dem geltenden Insolvenzrecht entspricht und auch eine Ausweitung insolvenzrechtlicher Regelungen de lege ferenda einer prinzipiellen Billigung des Gläubigereinflusses mit dem Ziel der außergerichtlichen Sanierung nicht entgegen stünde, soll nachfolgend herausgearbeitet werden.

I. Die Legitimation des Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung von Knappheit Das Insolvenzverfahren bezweckt § 1 InsO die Befriedigung der Gläubiger und ist somit eindeutig darauf angelegt, die Interessen derer, die in der Finanzierungspraxis und ökonomischen Theorie nach Alternativen suchen, zu verwirklichen. Es wäre jedoch zu einfach, die aktuelle Entwicklung und die diese motivierenden ökonomischen Ansätze mit dem Argument beiseite zu schieben, der Gesetzgeber habe sich nun einmal für ein staatliches Insolvenzverfahren ausgesprochen. Auch wäre es verfehlt, alle Tendenzen, dieses zu vermeiden, per se als Umgehung einzustufen, die zwar nicht unzulässig wären, im Hinblick auf die Beteiligung der Gläubiger an den notwendigen Entscheidungen zur Fortsetzung bzw. Neuausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit des potentiellen Gemeinschuldners jedoch einem erhöhten Rechtfertigungsdruck unterlägen. Das Insolvenzverfahren ist nämlich gemäß § 1 InsO nicht auf eine individuelle Gläubigerbefriedigung gerichtet, sondern auf eine gemeinschaftliche. Hiernach ist der gläubigerschützende Aspekt des Insolvenzverfahrens im engen Zusammenhang mit dem Grundsatz par conditio creditorum zu sehen. Diesen Grundsatz bedarf es allein, um eine Einschränkung der Vollbefriedigung zu legitimieren. Der gläubigerschützende Befriedigungszweck des Insolvenzverfahrens ist somit von vornherein darauf angelegt, Verteilungsgerechtigkeit unter Knappheitsbedingungen herzustellen.11 Die noch näher zu untersuchenden Insolvenzgründe bestätigen dies. Bei der Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO muss bereits eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen stattgefunden haben, indem der Schuldner nicht in der Lage ist, deren fällige Forderungen zu begleichen. Auch bei der Überschuldung iSv. § 19 InsO liegt bereits eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen vor, indem eine Befriedigung aus dem Schuldnervermögen nicht möglich ist.

11 Ähnlich bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 18, der jedoch auf S. 21 zudem davon ausgeht, dass die kollektive Haftungsverwirklichung in der Insolvenz auch dadurch legitimiert ist, dass die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse größer ist als bei Geltung des zwangsvollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips.

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II. Das veränderte Anreizsystem im Vorfeld der Insolvenz Nimmt man die Knappheit als tragende Legitimation des Insolvenzverfahrens und der hieraus resultierenden Einschränkung der Gläubiger- und Schuldnerautonomie, versteht es sich von selbst, dass dieser Eingriff in die eigenverantwortliche Schuldentilgung nicht veranlasst ist, wenn die betreffende Knappheit nicht vorliegt. Ohne Knappheit wird der Privatautonomie der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten – wie im gesamten Zivilrecht – ein prinzipieller Vorrang eingeräumt. Die Gläubiger sind durch das System des Verzugsschadens und die Möglichkeit, materielle Ansprüche mit gerichtlicher Hilfe und im Obsiegensfall ohne eigene Kosten durchzusetzen, ausreichend geschützt. Ausgehend von der allgemeine Grundrechtsdogmatik, wonach ein staatlicher Eingriff zur Verfolgung eines legitimen Ziels unter anderem auch erforderlich sein muss,12 ergibt sich im hier interessierenden Zusammenhang somit folgender Umkehrschluss: Schaffen es die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, dass es überhaupt nicht zur der einen Insolvenzgrund charakterisierenden Knappheit kommt, ist dieses Ergebnis ein gegenüber dem Insolvenzverfahren vorzugswürdiger Weg. Dies scheint nur auf den ersten Blick als trivial. Es insofern von Bedeutung, als mit dem Vorrang privatautonomer Handlungen mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung zugleich das individuelle Vorteilsstreben der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen anzuerkennen ist. Eidenmüller hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies für eine den Grundprinzipien der Marktwirtschaft verpflichtete Rechtsordnung schlechthin konstitutiv ist.13 Will man daher aus dem begrenzten Regelungsanliegen des Insolvenzrechts ableiten, dass die freie Sanierung der vorzugswürdigere Weg zur Krisenbewältigung ist, muss man zumindest im Ausgangspunkt auch die Freiheit aller Beteiligten anerkennen, sich hieran zu beteiligen oder von einer Beteiligung abzusehen. Auf der Grundlage dieser Freiheit kommt den Anreizen, diese Freiheit in der einen oder anderen Weise auszuüben, besondere Bedeutung zu. Das prinzipiell legitime individuelle Vorteilsstreben entfaltet gerade bei der hier interessierenden Insolvenzvermeidung eine besondere Bedeutung für das Handeln der Fremdkapitalgeber und legitimiert mittelbar ihre Beteiligung am Zustandekommen der das Insolvenzverfahren vermeidenden außergerichtlichen Sanierung. Indem das Insolvenzverfahren auf die Verwaltung von Knappheit des Schuldnervermögens angelegt ist, bedeutet dies zugleich, dass die entsprechenden Nachteile bei den Eigentümern bereits zuvor eingetreten sind. Die Kapitalgeber, die das Unternehmen mit Eigenkapital oder einer diesbezüglichen 12 Zu diesen Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips BVerfGE 61, 126, 134; BVerfGE 69, 1, 35; BVerfGE 76, 256, 359; BVerfGE 80, 109, 120. 13 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 21.

II. Das veränderte Anreizsystem im Vorfeld der Insolvenz

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persönlichen Haftung finanzieren, haben ihren Einsatz im Fall der Überschuldung bereits verloren. Das Gleiche gilt regelmäßig auch bei der Zahlungsunfähigkeit. Die Insolvenzgründe machen so deutlich, dass die Eigentümer in einer insolvenznahen Situation meist nur noch ein schwaches Interesse haben, das Unternehmen rentabel zu führen bzw. zu sanieren.14 Die unmittelbar Begünstigten des Insolvenzverfahrens sind allein die Gläubiger, indem die hierüber ermöglichte Beseitigung der Knappheit des Schuldnervermögens ihrer Befriedigung dient. Die Wiederauffüllung der Eigenkapitalbeiträge der Eigentümer ist nicht Insolvenzziel. Ihr finanzielles Interesse wird gemäß § 199 S. 1 InsO nur reflexiv berücksichtigt, sofern ein Überschuss verbleibt – zu erzielen ist dieser gemäß § 1 InsO nicht (vgl. bereits den Wortlaut „die Gläubiger“). Der außerhalb der Krise bestehende, im Verhältnis zu Eigentümern und Nichteigentümern identische Principal-Agent-Konflikt, also die Gefahr, dass die Unternehmensleitung nicht im gemeinsamen Interesse der Eigen- und Fremdkapitalgeber handelt,15 gilt bei Insolvenzreife nur noch eingeschränkt. Soweit bei den Eigentümern bereits der Vermögenseinsatz aufgezehrt ist, haben nur die Fremdkapitalgeber noch ein Interesse, dass die bereits eingetretene Knappheit nicht noch weiter auf ihre – alleinigen – Kosten vertieft wird. Das Ziel der Insolvenzvermeidung ist mit zunehmender Tatbestandsmäßigkeit der Insolvenzgründe vor allem eines der Fremdkapitalgeber.16 Die eingangs als selbstverständlich vorangestellte These, dass der Nicht-Eintritt des durch Knappheit gekennzeichneten Insolvenzverfahrens besser ist als der Eintritt der Knappheit, ist damit um zwei Aspekte zu ergänzen: Zum einen ist es konsequent, den an einer Insolvenzvermeidung in besonderer Weise interessierten Gläubigern iSv. 38 InsO auch das Recht zuzusprechen ex ante dafür Sorge zu tragen, dass das finanzierte Unternehmen nicht in den Zustand der allein sie gefährdenden Knappheit gerät. Hält man außergerichtliche Sanierungsversuche für zulässig und notwendig, muss man zum anderen im Grundsatz auch eine starke vorübergehende Kontrolle der Geschäftsführung durch die Fremdkapitalgeber bis hin zur Übernahme der Geschäftsführung für zulässig halten.17 Nur diese Gruppe von Kapitalgebern hat die entsprechenden Anreize, die allein auf ihre Kosten gehende Verwaltung von Knappheit zu verhindern.

14 Auf die durchaus naheliegende Möglichkeit, dass die Eigentümer-Familie aus ideellen Gründen ein Interesse am Fortbestand des Unternehmens hat, sei im Rahmen dieser typisierenden Betrachtung nur hingewiesen. 15 Oben § 5 I. 16 Vgl. auch die Gesetzesbegründung zur künftigen Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 a Abs. 1 E-InsO (Art. 9 Nr. 3 MoMiG): „Bezweckt wird durch die Antragspflicht die rechtzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens und damit der Schutz der Altgläubiger vor weiterer Verringerung der Haftungsmasse“ (abgedruckt ZIP 2007, 3, 31; Hervorhebung vom Verf.). 17 So bereits Möllers, Haftung der Bank, S. 155; zustimmend Kästle, Rechtsfragen, S. 127.

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Die prinzipielle Billigung der Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Steuerung eines Unternehmens zur Insolvenzvermeidung überzeugt auch wertungsmäßig. Die außergerichtlichen Sanierungsversuche zielen zumindest im „Idealfall“ darauf ab, die drohenden Insolvenzgründe auszuräumen, so dass die an einer Insolvenzvermeidung interessierten Fremdkapitalgeber daher vielfach bereit sind, Rangrücktritte zu erklären oder die an sich fälligen Rückzahlungen zu stunden.18 Als Korrelat muss ihnen auch die Einflussnahme gestattet sein, die Beteiligung an der Insolvenzvermeidung von einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Strategie abhängig zu machen bzw. gezielt darauf hinzuwirken. Dies hat Canaris bereits im Jahr 1976 herausgearbeitet und dafür plädiert, dass es in der Unternehmenskrise erforderlich sein könne, einen Treuhänder einzuschalten oder einen Vertrauensmann der Bank in das Unternehmen zu entsenden und diesen an dessen Vertretung zu beteiligen.19

III. Das Antragsprinzip als Gewährleistung einer letzten Sanierungschance Bestätigt wird die Konzeption des Insolvenzrechts als Notlösung auch durch das Antragsprinzip gemäß § 13 InsO. Indem es von den an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten abhängt, das Verfahren in Gang zu setzen, darf der hiermit verwirklichte Anreiz nicht nur in den jeweiligen Vorteilen der Verfahrenseröffnung gesehen werden. Das Antragsprinzip vermittelt auch den Anreiz für die Entscheidungsträger, sich entweder zum ersten Mal, mit Sicherheit aber zum letztmöglichen Zeitpunkt ernsthaft Gedanken darüber zu machen, ob die Unternehmenskrise durch bisher nicht bedachte Lösungen außerhalb des Verfahrens ausgeräumt werden kann. Wegen der Drei-Wochen-Frist gilt dies auch bei den Insolvenzantragspflichten gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG und § 92 Abs. 2 AktG bzw. künftig gemäß § 15 a Abs. 1 E-InsO. 20 Das Damokles-Schwert, mit dem Insolvenzverfahren in der Schuldner- und Gläubigerautonomie weitgehend eingeschränkt zu sein, kann auch als sinnvoller Druck verstanden werden, dass die Betroffenen zunächst außerhalb des Insolvenzverfahrens Sanierungsbemühungen unternehmen und die Möglichkeiten einer stillen Liquidation nutzen.21 18

Vgl. zu den Möglichkeiten im Einzelnen Wittig, NZI 1998, 49, 50 ff. Canaris, ZHR 143 (1979), 113, 134. 20 Es besteht Einigkeit, dass diese Frist die Möglichkeit geben soll, nach Sanierungsmöglichkeiten zu suchen (statt anderer Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 50). 21 So bereits Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 3. Ähnlich Paulus, BB 2001, 425, 426: Vorzugswürdig sei die außergerichtliche Sanierung gegenüber der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO), weil das Management noch das Sagen habe und nicht aufgrund des Verfahrens bereits entmachtet sei. 19

IV. Die Insolvenzanfechtung als Gewährleistung einer nachhaltigen Sanierung

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IV. Die Insolvenzanfechtung als Gewährleistung einer nachhaltigen Sanierung An der Effektivität dieser Offenheit der InsO für außergerichtliche Sanierungen wird jedoch kritisiert, dass die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO hierauf nicht abgestimmt sei und solche Sanierungsmühungen erschweren bzw. konterkarieren würde.22 Hieran ist zunächst richtig, dass alle Rechtshandlungen und Zahlungen des Schuldnerunternehmens in der Krise Gefahr laufen, bei nachträglicher Insolvenzeröffnung anfechtbar zu sein. 23 Dies betrifft vor allem den oftmals in Sanierungsfällen praktizierten teilweisen Schuldenerlass gegen sofortige Befriedigung der übrigen Verbindlichkeiten und die im Gegenzug zur weiteren Kreditvergabe in der Krise erfolgende Gewährung von Sicherheiten aus dem Schuldnervermögen. 24 Dem „destruktiven Befund“, solche Maßnahmen seien nicht anfechtungsfest, so dass den Beteiligten letztlich jeder Anreiz genommen werde, auf die außergerichtliche Sanierung hinzuwirken, 25 ist jedoch nicht zuzustimmen. Zu kritisieren ist einmal die nicht genaue Abgrenzung des zeitlichen Bereichs, in dm sich das gesetzliche Konzept der InsO für einen Vorrang der außergerichtlichen Sanierung ausspricht. So führt Paulus als Beispiel der Sanierungsfeindlichkeit des Anfechtungsrechts den Fall an, dass der Verwalter in einem nachfolgend eröffneten Verfahren nachweisen kann, dass die Beratung über ein Sanierungskonzept und dessen Ausführung zu einem Zeitpunkt stattfanden, in dem die dreiwöchige Frist gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG bereits überschritten war.26 Eine solche Tatsachenlage zur Begründung der Sanierungsfeindlichkeit des Anfechtungsrechts heranzuziehen, scheint von vornherein verfehlt. Wie bereits herausgearbeitet, begründet die den Insolvenzgründen gemäß §§ 17, 19 InsO innewohnende Sanierungsfrist das Ende eines Zeitraums, in dem die eigenverantwortliche Schuldenverwaltung noch gesetzliche Billigung erfährt.27 Ist ein Unternehmen nach Ablauf dieser Frist insolvenzreif, besteht nach der Konzeption der InsO von vornherein kein Raum mehr für eine außergerichtliche Sanierung. 28 Entwickeln die Beteiligten in diesem Zeitraum Sanierungskonzepte (sog. pre-packaged plans) 29, sind diese allein im Planver22

Paulus, BB 2001, 425, 426 f. Überblick über die verschiedenen Anfechtungstatbestände bei Smid, Insolvenzrecht, § 30 Rn. 10. 24 Vgl. Paulus, BB 2001, 425, 426; Wittig, NZI 1998, 49, 51 ff. 25 So Paulus, BB 2001, 425, 426. 26 Paulus, BB 2001, 425, 427. 27 Oben § 4 II. 2. 28 Vgl. bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 689 ff., der auf S. 691 jedoch auch auf die abweichende Praxis und die „laxe“ Praxis der Staatsanwaltschaften, dies zu sanktionieren, hinweist. 29 Hierzu ausführlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437 ff. 23

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fahren gemäß §§ 217 ff. InsO umzusetzen. Gerade für die Kapitalgesellschaften stellt die gemäß § 823 Abs. 2 BGB haftungs- und gemäß § 401 AktG, § 84 GmbHG strafbewehrte Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter diese Zäsur nachdrücklich klar. Dass ein Sanierungskonzept im Zeitraum nach Eintritt der Insolvenzreife den Anfechtungsfolgen unterliegt, ist somit nicht sanierungsfeindlich, sondern die notwendige Konsequenz des vom Gesetzgeber für diesen Zeitraum vorrangig bereitgestellten Planverfahrens. Auch der Ansatz, die drohende Anfechtbarkeit von Sanierungsbemühungen bei Scheitern der Sanierung würde allein Anreize schaffen, eine (vorteilhafte) Sanierungsmaßnahme zu unterlassen, ist weiterhin nur auf den ersten Blick plausibel und wertungsmäßig überzeugend. Zuzugeben ist, dass die Folgen des Anfechtungsrechts jedenfalls einen Anreiz bieten, eine Sanierungsmaßnahme zu unterlassen. Im Fall des teilweisen Schuldenerlasses droht durchaus, dass der die spätere Quote übersteigende Teil gläubigerbenachteiligend und damit anfechtbar ist. Das Gleiche gilt für die Gewährung zur Aus- oder Absonderung berechtigender Sicherungsrechte aus dem Schuldnervermögen. Dennoch kann der nur negativen Einschätzung des Anfechtungsrechts („destruktiver Befund“) 30 nicht zugestimmt werden. Diese Kritik berücksichtigt nämlich nicht ausreichend, dass die Anfechtungstatbestände durchaus ein Sanierungsprivileg enthalten, welches die befürchteten destruktiven Wirkungen meist verhindert. So erkennt Paulus selbst an, dass die subjektiven Anforderungen an die Insolvenzanfechtung vielfach dazu führen, einen – den Anforderungen an das Sanierungsdarlehen iSv. § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG entsprechenden – Sanierungsbeitrag der Gläubiger als anfechtungsfest anzusehen.31 Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, den §§ 129 ff. InsO allein Anreize zuzuschreiben, sich jeglicher Sanierungsbemühungen zu enthalten. Das gestaffelte Fristensystem mit seinen hierauf abgestimmten Anforderungen an den subjektiven Tatbestand kann vielmehr als Mittel verstanden werden, dass die Beteiligten ihre Sanierungsbemühungen mit dem notwendigen Ernst betreiben und es auch ex ante objektiv wahrscheinlich ist, dass diese Bemühungen zum Erfolg, also zur Insolvenzvermeidung, führen. Indem sie stets befürchten müssen, bei einem Scheitern der Sanierung innerhalb der Anfechtungsfristen zur Rückerstattung von Zahlungen verpflichtet zu sein, legt das Gesetz ihnen die Obliegenheit auf, bei Beginn der Bemühungen zu prüfen, ob der Erfolg nachhaltig ist und die Insolvenz nicht nur hinausgeschoben wird.32 Ist die Perspektive, dass die Sanierung das Fristensystem der §§ 129 ff. InsO überdauert, negativ, spricht nichts dagegen, 30

Paulus, BB 2001, 425, 426. Paulus, BB 2001, 425, 426 f. 32 Ähnlich Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 62 ff., wonach auch ein Anfechtungstatbestand auf den Insolvenzfall durch den vermittelten Schutz von Vermögen bzw. Liquidität ex ante dazu beitrage, die Insolvenzwahrscheinlichkeit zu verringern, mithin zumindest eine gewisse Präventionswirkung aufweise. 31

V. Die massearme Insolvenz in der Praxis – Abhilfe de lege ferenda?

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den Insolvenzgründen sogleich Geltung zu verschaffen und das vom Markt als nicht überlebensfähig eingestufte Unternehmen vom Markt zu nehmen. Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept bei objektiv bestehender Sanierungschance vermag jedoch auch insoweit die ernst gemeinten Sanierungsversuche aus dem Anfechtungsrecht weitgehend herauszunehmen.33

V. Die massearme Insolvenz in der Praxis – Abhilfe de lege ferenda? Steht die prinzipielle Offenheit des deutschen Insolvenzrechts für eine im Vorfeld der Insolvenzreife erfolgende, vom Sanierungswillen und der objektiven Sanierungswahrscheinlichkeit getragenen freien Sanierung fest, ist freilich noch nicht gesagt, ob eine Vorverlagerung der materiellen Insolvenz de lege ferenda oder die Einführung eines gesetzlich geregelten Insolvenzvermeidungsverfahrens nicht ein gegenüber den hier interessierenden „marktwirtschaftlichen Alternativen“ unter Beteiligung der Gläubiger vorzugswürdiger Weg wäre. Immerhin belegen die Statistiken nach wie vor, dass die Insolvenzgründe in der Praxis meist viel zu spät erkannt werden und die massearme Insolvenz somit der Regelfall ist. Wenngleich die Insolvenzordnung vielfach sicherstellt, das Schuldnervermögen bestmöglich zu verwerten, ist es doch der empirische Regelfall, dass eine Vielzahl von Gläubigern erhebliche Forderungsausfälle erleiden. Die Deckungsquote bei eröffneten Insolvenzverfahren beläuft sich durchschnittlich auf 5–10% der Forderungen.34

1. Vorverlagerung der materiellen Insolvenz Dieser Befund könnte zum Anlass genommen werden, die Insolvenzgründe de lege ferenda auszuweiten. Man könnte erwägen, auch den Gläubigern ein Antragsrecht wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zuzubilligen oder eine von Amts wegen einzuleitende Zwangsliquidation einzuführen, wenn das nach dem Vorsichtsprinzip berechnete Eigenkapital aufgebraucht ist.35 Auch wäre es denkbar, den bisher nur im Eigenkapitalersatzrecht maßgeblichen Begriff der „Krise“ iSv. § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG zur Definition der Insolvenzreife heranzuziehen. Hiernach wäre ein Unternehmen insolvenzreif, wenn der objektiv erforderliche Kapitalbedarf nicht mehr vom Fremdkapitalmarkt befriedigt wird 33 Auf die Einzelheiten ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen; vgl. hierzu ausführlich Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 133 Rn. 21 (m. w. N.). 34 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts „Insolvenzen in Deutschland 2003“ vom 18. 3. 2004, S. 31. 35 Vgl. zu einer solchen Lösung im französischen Recht Wilhelmi, GmbHR 2006, 22. – Eine Modifizierung der bisherigen Überschuldungsprüfung für die GmbH de lege ferenda befürwortend auch Zöllner, GmbHR 2006, 12. Vgl. auch Fastrich, DStR 2006, 656, 661.

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(fehlende Kreditwürdigkeit).36 Diese kann durchaus auch der Überschuldung iSv. § 19 InsO vorgelagert sein. Der BGH hat dies jüngst bestätigt, in dem er betonte, dass Insolvenzreife und Krise zwei eigenständige, in ihren Anwendungsvoraussetzungen voneinander unabhängige Tatbestandsmerkmale der Krise iSv. § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG seien.37 Die Möglichkeiten, das Insolvenzrecht vorzuverlagern, um möglichst hohe Befriedigungsquoten zu erlangen, sind denkbar weit. Für eine solche Lösungen würde stets sprechen, dass die InsO mit dem Planverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO ein Instrument bereit hält, eine Unternehmenskrise mit anderen Mitteln als der Zerschlagung des Unternehmens zu bewältigen.38 Die erfolgreiche Sanierung im staatlich überwachten Verfahren könnte auf diese Weise eine sinnvolle Zäsur im Leben eines Unternehmens sein, welches nicht zwangsläufig auf Zerschlagung oder Liquidation ausgerichtet wäre. Die gesetzgeberische Konzeption, mit dem Planverfahren eine dem US-amerikanischen Verfahren nach „Chapter 11“ vergleichbare insolvenzrechtliche Möglichkeit zur Unternehmensrestrukturierung zu schaffen, ist jedoch bisher nicht sehr erfolgreich gewesen.39 Wenngleich die jüngere Zeit auch erfolgreiche Sanierungen mittels eines Insolvenzplans brachte,40 bestehen doch nach wie vor große Zweifel, ob eine insolvenzrechtliche Lösung, im Rahmen des Planverfahrens die mögliche Reorganisation des betroffenen Unternehmens zu einem früheren Zeitpunkt als der materiellen Insolvenz nach bisheriger Rechtslage durchzuführen, tatsächlich von der Praxis angenommen wird. Zumindest in Deutschland ist auch in Unternehmenskreisen der „Gang zum Konkursrichter“ nach wie vor ein Makel, welcher ein erfolgreiches Weiterwirtschaften erheblich erschwert.41 Die Nichtwahrnehmung der gemäß § 18 InsO ermöglichten frühzeitigen „Flucht in die Insolvenz“ bestätigt dies.42 Die Gründe hierfür sind auch in Deutschland vielfältig. Teilweise bestehen erhebliche Vorbehalte gegen den „von einem in anderen Welten lebenden Insolvenzrichter bestellten Amtsverwalter, der möglicherweise ‚von Tuten und Blasen‘ keine Ahnung hat und das Rad neu erfinden will“.43 Ferner bringt die Er36 37 38 39 40

Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 46 ff. BGH, NZI 2006, 419. Hierzu ausführlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 51 ff. Vgl. Eidenmüller, in MüchKomm InsO, Vor § 217 Rn. 58 f. Paulus (BB 2001, 425, 425) weist unter anderem auf die Sanierung von Küppersbusch

hin. 41 Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1641; vgl. auch Fastrich, DStR 2006, 656, 661: Planverfahren hat nach außen den Makel der Insolvenz. Ähnlich Maus, DStR 2002, 1059, 1062: Die fehlende Publizität ist für den Verfahrensablauf und die Weiterführung des Unternehmens von großer Wichtigkeit. 42 Die Zahl beträgt nach wie vor weniger als 1% der eröffneten Verfahren (unten § 8 III). 43 Maus, DStR 2002, 1059, 1062; ähnlich, aber sachlicher bereits K. Schmidt auf dem 54. Deutschen Juristentag: „Die stille Sanierung ist die beste Sanierung“ (Gutachten zum 54. DJT, D 60, 61.).

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öffnung eines – im Ausgang zu Beginn offenen – Verfahrens in der Praxis regelmäßig einen erheblichen Bewertungsabfall des Schuldnervermögens mit sich.44 Dieser indiziert, dass die Gläubiger zunächst einmal skeptisch sind, ob innerhalb des Insolvenzverfahrens – sei es im Regelverfahren, in Eigenverwaltung oder im Planverfahren – eine sinnvolle Reorganisation möglich ist. Diese Skepsis mag kulturelle Ursachen haben.45 Im Ergebnis beansprucht jedoch auch heute noch der von Ernst Jaeger bereits zu Beginn des vorigen Jahrhundert aufgestellte Satz Geltung, wonach bereits die Tatsache der Konkurseröffnung das Schuldnervermögen entwertet.46 Das Insolvenzverfahren beeinträchtigt auch in Deutschland zunächst einmal die Befriedigungschancen der Gläubiger.47 Es wäre daher rechtspolitisch verfehlt, die Insolvenzreife vorzuverlagern. Gegen eine Vorverlagerung der Insolvenzgründe de lege ferenda spricht weiterhin, dass mit dem Insolvenzverfahren zumindest nach bisheriger Konzeption des Insolvenzrechts eine erhebliche Einschränkung der Schuldner- und Gläubigerautonomie einhergeht. Solange sich – wie sich noch zeigen wird – diese Einschränkung mit der aus der Knappheit resultierenden gesteigerten Gläubigergefährdung rechtfertigen lässt,48 ist dem zuzustimmen. Verteilungsgerechtigkeit nach dem Grundsatz par conditio creditorum kann nicht hergestellt werden, wenn die Beteiligten willkürlich handeln dürfen. Würde das Insolvenzverfahren jedoch an Voraussetzungen geknüpft, die eine solche durch die bereits eingeleitete Knappheit gekennzeichnete gesteigerte Gläubigergefährdung nicht voraussetzten, bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung. Sie liefe wegen der konturenlosen und damit nicht rechtssicher handhabbaren Bestimmung dieser Gefährdung letztlich auf eine staatliche Zwangswirtschaft hinaus, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Hiermit soll freilich nicht gesagt werden, dass der gegenwärtige Zustand der massearmen, insbesondere bei der GmbH49 vielfach masselosen, Insolvenz de lege ferenda hinzunehmen wäre. Die Kompensation der Massearmut muss jedoch auf eine andere Weise erfolgen als eine Vorverlagerung der materiellen Insolvenz, nämlich durch eine Effektuierung der bisherigen Rechtslage. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet der jüngst unterbreitete Vorschlag des BDI und der Kanzlei Hengeler Mueller, die Insolvenzantragspflichten der Geschäftslei44

Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 9. Uhlenbruck weist darauf hin, dass der US-amerikanische Gesetzgeber wegen des dort völlig anderen Verständnisses vom Insolvenzverfahren sogar veranlasst wurde, das Insolvenzrecht wegen missbräuchlicher Nutzung mehrfach zu verschärfen (BB 2001, 1641, 1641). 46 Ernst Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, 1926, S. 216. Ähnlich die Einschätzung von Wittig (NZI 1998, 49, 50), wonach damit gerechnet werden müsse, dass der Insolvenzantrag zum vollständigen Zusammenbruch eines Unternehmens führt. 47 Smid, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 12. 48 Vgl. unten III und IV. 49 Vgl. Fastrich, DStR 2006, 656, 656 (m. w. N.). 45

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§ 6 Die Förderung der freien Sanierung

ter gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG bzw. künftig gemäß § 15 a Abs. 1 E-InsO auf den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit iSv. 18 InsO auszudehnen.50 Auch die aktuellen Vorschläge, die Tatbestände ungeeigneter Personen von der Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft zu erweitern, erscheinen sinnvoll, um das Problem der zu spät erkannten Insolvenzen oder der vorsätzlichen oder fahrlässigen Ignoranz über die sich anbahnende Gläubigerbefährdung einzudämmen.51 Am Grundprinzip, die Insolvenz erst eintreten zu lassen, wenn eine durch die Knappheit des Schuldnervermögens begründete gesteigerte Gläubigergefährdung gerade begonnen hat, ist indessen festzuhalten.

2. Einführung eines staatlichen Insolvenzvermeidungsverfahrens Bereits im Jahr 1978 stellte eine vom Bundesminister der Justiz eingesetzte Reformkommission Überlegungen an, in Deutschland ein Insolvenzverhütungsverfahren einzuführen.52 Auf den ersten Blick erscheint ein solcher Ansatz durchaus vorteilhaft, soweit es gelingt, dieses Verfahren von den traditionellen Vorbehalten gegen ein Insolvenzrecht zu emanzipieren. Im internationalen Vergleich finden sich hierfür durchaus Vorbilder. So sieht das japanische Sanierungsverfahren für Aktiengesellschaften die Möglichkeit einer gerichtlich begleiteten privaten Sanierung vor. 53 Besteht die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, kann das Gericht auf Antrag von Vorstandsmitgliedern, Prüfern und unter gewissen Voraussetzungen sogar Aktionären und Gläubigern eine Reorganisationsverfahren einleiten.54 In Frankreich besteht seit 1967 ein dem Insolvenzverfahren vorgeschaltetes Sanierungsverfahren („Phase Amiable“), welches im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden kann. 55 In den Niederlanden gab es bereits 1975 eine Reformdiskussion darüber, Betrieben, die sich in ernstlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, eine „Abkühlungsperiode“ einzuräumen, in der das Unternehmen die Möglichkeit hat, Sanierungsmaßnahmen ein50 BDI/Hengeler Mueller (Hrsg.), Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen. Modernisierungsbedarf im Recht der GmbH, 2006. Dies wurde im Rahmen des MoMiG nicht aufgegriffen (vgl. § 15 a E-InsO, abgedruckt ZIP 2007, 3, 31); identisch Art. 9 Nr. 3 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 51 Vgl. den Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Forderungssicherungsgesetz vom 2. 2. 2006 (BT-Drs. 16/511). Zur Kritik an der gegenwärtigen Rechtslage Triebel/Otto, ZIP 2006, 311, 314. Vgl. zu den Reformüberlegungen auch K. Schmidt, in Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 143, 145 ff. 52 Vgl. Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642. 53 Einzelheiten bei Mikami, ZZP 101 (1988), 34. 54 Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642. 55 Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642; zu den Neuregelungen der französischen Insolvenzrechtsreform im Jahr 29005 Bauerreis, ZGR 2006, 294, 320 ff.; zu den praktischen Erfahrungen Damman, NZI 2008, 420.

V. Die massearme Insolvenz in der Praxis – Abhilfe de lege ferenda?

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zuleiten.56 In Österreich besteht schließlich ein außerinsolvenzrechtliches Reorganisationsverfahren, welches der Unternehmer mit der Behauptung, dass er nicht insolvent sei und das Unternehmen Reorganisationsbedarf habe, eingeleiten kann.57 Der Grund dafür, dass die entsprechende Reform in Deutschland nicht weiter verfolgt wurde, liegt im Wesentlichen in den bereits erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken. Um den Vorwurf einer nicht gebotenen und unverhältnismäßigen Zwangswirtschaft auszuräumen, ist ein geeigneter Zeitpunkt für den Beginn eines solchen Verfahrens zu definieren. Dieser muss zur Verfolgung eines – gesetzliche keineswegs vorgegebenen! – Reorganisationsziels die Erforderlichkeit kennzeichnen, mit staatlichen Mitteln die eigenverantwortliche Schuldenregulierung zumindest auf Zeit einzuschränken, um insbesondere durch ein Vollstreckungsverbot „Luft“ für eine ernsthafte Sanierung zu schaffen. Wird dieser an die freiwillige Einleitung durch das Schuldnerunternehmens geknüpft, erscheint kaum zu begründen, welche Erwägungen die hiermit einhergehende Bevormundung der eigenverantwortlich handelnden Gläubiger rechtfertigen sollte. Zu bedenken ist weiterhin, dass der Einsatzzeitpunkt eines staatlichen Insolvenzvermeidungsverfahrens geeignet sein muss, dass von der eingeleiteten Maßnahme keine negativen Signale an den Markt ausgehen, die die Beteiligten voreilig resignieren lässt. Die Erfahrungen in den ausländischen Rechtsordnungen bestätigen, dass ein solcher Kompromiss letztlich kaum möglich ist. Die „ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ der niederländischen Diskussion oder der „Reorganisationsbedarf“ nach österreichischem Recht sind konturenlose Rechtsbegriffe, die ein erhebliches Missbrauchspotential enthalten.58 Auch ist wegen der bereits skizzierten Vorbehalte des Marktes gegen staatliche Regelungen an sich davon auszugehen, dass die negative Wahrnehmung eines als Insolvenzvermeidungsverfahren bezeichneten Regimes letztlich dieselben negativen Effekte haben würde wie das geltende Insolvenzverfahren. Insofern scheint es konsequent, dass der deutsche Gesetzgeber es bisher vermieden hat, ein weiteres Verfahren zur Insolvenzvermeidung einzuführen. Die lex lata ist auf diese Weise ein nachdrückliches Angebot an den Markt, sofern gewünscht, im Vorfeld der materiellen Insolvenz durch die Kraft der Selbstregulierung nach sachgerechten Alternativen zu suchen.

56

Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642. Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1642. 58 AA wohl Eidenmüller, S. 704 ff., der das Entstehen vorinsolvenzlicher Kooperationspflichten daran knüpft, dass das finanzierte Unternehmen „Reorganisationsbedarf“ anmeldet. 57

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§ 6 Die Förderung der freien Sanierung

VI. Die bei der freien Sanierung auftretenden Regelungsprobleme Konnte somit nachgewiesen werden, dass die InsO aus ihrer eigenen Konzeption heraus offen für marktwirtschaftliche Alternativen zum Insolvenzverfahren ist und eine aktive Beteiligung der Gläubiger hieran aus insolvenzrechtlicher Sicht prinzipiell zu billigen ist, bedeutet dies nicht, dass den ökonomischen Erwägungen bzw. der hierdurch motivierten Finanzierungspraxis normativ keine Grenzen gesetzt wären. Die „freie Sanierung“ ist kein Rechtbegriff und auch in tatsächlicher Hinsicht konturenlos.

1. Die pluralistische Gläubigerstruktur So ist bereits unklar, mit welcher Zielrichtung die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten sich an einer solchen Sanierung beteiligen. Wollen sie die Fortführung des Unternehmens um seiner selbst Willen, oder wollen sie bloß gewährleisten, dass das Unternehmen die ihnen gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten befriedigen kann? Soweit die Sanierung des Unternehmens Mittel zur Gläubigerbefriedigung ist, könnte dies unproblematisch sein, immerhin scheinen hierdurch alle Interessen Berücksichtigung zu finden. Zu bedenken ist aber der bereits erwähnte Umstand, dass das Unternehmen eine Vielzahl von unterschiedlichen Gläubigern hat und auch die Gläubigerund Eigentümerinteressen nicht notwendig übereinstimmen. 59 Wollen nur einige auf die Fortführung des Unternehmens hinwirken, damit ihre Verbindlichkeiten befriedigt werden, haben die anderen Gläubiger hiervon keine unmittelbaren Vorteile. Ihren Interessen könnte es umgekehrt eher entsprechen, mit einer Quote im Insolvenzverfahren abgefunden zu werden. 60 Klärungsbedürftig ist auch, wie mit denjenigen Gläubigern umzugehen ist, die die ökonomisch sinnvollen Finanzierungsverträge – wie im Fall der gesetzlichen Gläubiger – entweder nicht abschließen können oder – wie im Fall der meisten Kleingläubiger – auch nicht wollen, sondern darauf hoffen, dass „alles gut geht“. Auch für Letztere hat das Recht bzw. der Gesetzgeber eine Verantwortung. Die prinzipielle Offenheit des deutschen Insolvenzrechts darf daher nicht so verstanden werden, dass es im Vorfeld der Insolvenz „abenteuerliche Selbsthilfeversuche“61 geben sollte, die sich zwar auf den prinzipiellen Vorzug der Selbstregulierung berufen können, das legitime Schutzbedürfnis der hiervon Betroffenen jedoch nicht ausreichend berücksichtigen.

59

Hierzu bereits oben § 3. Vgl. noch einmal Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 496: „Was gut für eine Bank ist, muss noch lange nicht für einen Verbrauchergläubiger gut sein“. 61 Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1643 unter Hinweis auf die Praxis. 60

VI. Die bei der freien Sanierung auftretenden Regelungsprobleme

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2. Die Herbeiführung der masselosen Insolvenz So hat auch Paulus darauf hingewiesen, dass die Bestrebungen der Parteien, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern, nicht nur positiv sein müssen. 62 Sollte es den Akteuren nämlich gelingen, das Schuldnervermögen durch das Streben nach eigenem Vorteil so sehr zu schädigen, dass die Eröffnung eines Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird, kann ihr Handeln auch durch ein völlig anderes Anreizsystem motiviert sein. Kommt es nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, besteht die begründete Erwartung, dass die möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Haftungstatbestände oder die Anfechtung nach AnfG aus praktischen Gründen nicht geltend gemacht werden. Dieser Aspekt findet in der Reform des geltenden Eigenkapitalersatzrechts ausdrückliche Beachtung. So heißt es in der Begründung zur – nunmehr erweiterten63 – Insolvenzanfechtung bei Gesellschafterdarlehen gemäß § 135 E-InsO und § 6 E-AnfG ausdrücklich, „wo es keine Eröffnung gibt, scheidet auch eine Insolvenzanfechtung aus“. 64 Äußerungen der Sanierungspraxis bestätigen ferner, dass eine solche Motivation tatsächlich vorhanden ist. Hiernach ist das Ziel einer außergerichtlichen Sanierung oftmals allein, das Unternehmen bis zum Ablauf der Anfechtungsfristen am Leben zu halten. Durch die Herbeiführung einer masselosen Insolvenz entkommt man nämlich nicht nur der Insolvenzanfechtung, sondern auch der gezielten und professionellen Suche nach Anfechtungsmöglichkeiten und ihrer Durchsetzung durch einen Insolvenzverwalter. 65 Dass an dessen Stelle ein gewiefter Gläubiger im Rahmen eines Anfechtungsprozesses nach dem AnfG tritt, dürfte in der Praxis zumindest ein deutlich geringeres Risiko sein. 66 Dies betrifft vor allem diejenigen Anfechtungstatbestände, die – anders als zum Beispiel § 135 InsO – an besondere Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht geknüpft sind. 67 Die pointiert-zynische Aussage Kilgers, „der Könner macht nicht einfach Konkurs, er macht masselos Konkurs“, ist traditionell auf die Eigentümer des Unternehmens bezogen. 68 Das hierin zum Ausdruck kommende Gefahrenpotential im Hinblick auf die Eigentümer muss als Folge einer Billigung der Beteiligung der Gläubiger an der Krisenbewältigung jedoch konsequenterweise auch für die Nichteigentümer gesehen werden. Die Offenheit des Insolvenzrechts für 62

Paulus, BB 2001, 425, 429. Zum Unterschied gegenüber dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht ausführlich § 19 II. 64 Begründung MoMiG, Allgemeiner Teil, S. 35 (abgedruckt ZIP 2007, 3, 31). 65 Paulus, BB 2001, 425, 429. 66 Paulus, BB 2001, 425, 429. 67 Abw. Eidenmüller, ZHR 170 (2007, im Erscheinen), der sich unter IV für einen dogmatischen Ausbau der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO im bereich der leveraged fi nance ausspricht; zur Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO als hier vorgeschlagene rechtliche Sanktionierung des Gläubigereinflusses ausführlich unten § 16 VII. 68 Kilger, FS Ulmer, 2003, 323. 63

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§ 6 Die Förderung der freien Sanierung

marktwirtschaftliche Alternativen unter ihrer Beteiligung steht somit unter dem Vorbehalt, dass es gelingt, die möglicherweise divergierenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, damit die Ziele des Insolvenzverfahrens, zumindest eine quotale Befriedigung im geordneten Verfahren zu gewährleisten, nicht leer laufen.

VII. Die hieraus resultierende Notwendigkeit einer Gläubigerverantwortung Es muss daher gewährleistet werden, dass die hier befürwortete prinzipielle Billigung der Mitsteuerung durch die Gläubiger nicht allein dazu führt, dass einige adjusting creditors ihre Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten dazu nutzen, ihre Interessen rechtzeitig zu verwirklichen und die übrigen an der Unternehmensfinanzierung beteiligten non-adjusting creditors und Eigentümer letztlich in der masselosen Insolvenz „alleine gelassen“ werden. Die prinzipielle Billigung der Mitsteuerung hängt somit davon ab, inwieweit den betreffenden Fremdkapitalgebern eine rechtliche Verantwortung für das finanzierte Unternehmen und seine übrigen Gläubiger obliegt, ihren Einfluss mit dem Ziel auszuüben, die materielle Insolvenz des Unternehmens zu vermeiden und nicht bloß die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Konstruktiv ließe sich eine solche Verantwortung am besten dadurch verwirklichen, dass den betreffenden Fremdkapitalgebern bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende Kooperationspflichten treffen, die eine entsprechende Insolvenzvermeidung bewirken. Dieser Frage soll nachfolgend nachgegangen werden.

§ 7 Die Überwindung der Interessenpluralität durch ein System von Kooperationspflichten? Nach dem Vorgesagten steht fest, dass die außergerichtliche Sanierung zur Insolvenzvermeidung unter Einbeziehung der ihren individuellen Vorteil suchenden Fremdkapitalgeber mit dem auf die Verwaltung von Knappheit beschränkten Regelungsanliegen des deutschen Insolvenzrechts gebilligt werden kann. Nunmehr soll herausgearbeitet werden, inwieweit sich rechtlich gewährleisten lässt, dass die einzelnen Beteiligten hierbei nicht auf Kosten anderer ungerechtfertigte Vorteile erzielen und die Ziele des Insolvenzverfahrens, zumindest eine gemeinschaftliche quotale Befriedigung aller zu verwirklichen, nicht wie bei der masselosen Insolvenz leer laufen. Nachfolgend gilt es daher zu untersuchen, ob die rechtlichen Vorgaben über die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber nicht als Ausschnitt eines die gesamte Unternehmensfinanzierung umfassenden Systems von Kooperationspflichten mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung verstanden werden können. Dieser, von der Literatur bisher auf die Lösung des sog. Akkordstörerproblems beschränkte Ansatz könnte dahingehend auszubauen sein, die Einflussnahme anhand einer die Eigentümer gleichermaßen treffenden Zweckförderungspflicht zu beurteilen. Hierüber ließe sich auch Fehlverhalten haftungsrechtlich sanktionieren. Die die Einflussnahme durch Nichteigentümer legitimierende Selbstbetroffenheit als Funktionsbedingung des Finanzierungsmarktes wäre hierdurch zumindest in der Unternehmenskrise gewährleistet.

I. Vorteile konzertierten Gläubigerhandelns aus ökonomischer Sicht Ein Unternehmen hat nicht nur einen Fremdkapitalgeber. Auch die Abhängigkeit von einer „Hausbank“, die den gesamten Bedarf an Fremdkapital befriedigt, gehört selbst beim Mittelstand zunehmend der Vergangenheit an.1 Die im vorherigen Teil herausgearbeiteten Vorteile der Kompensation des Kreditrisikos mittels Covenants und der hiermit ermöglichten frühzeitigen Krisenerkennung und -bewältigung unter Einbeziehung der Gläubiger stehen damit unter dem Vorbehalt einer genauen Prüfung, inwieweit sie auch bei komplexen Gläu1

Überblick über die aktuelle Entwicklung bei Achleitner/Wahl, BB 2004, 1323.

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

bigerstrukturen gelten. Auch hierfür hält die ökonomische Theorie Modelle bereit, die als Grundlage einer rechtlichen Ausgestaltung herangezogen werden könnten. Die nachfolgend skizzierten ökonomischen Erwägungen wurden aus deutscher Perspektive insbesondere von Eidenmüller grundlegend herausgearbeitet.2 Die aktuelle Entwicklung in der Finanzierungspraxis, Einzelkredite in Credit Default Swaps (CDS) und Collateralized Debt Obligations (CDO) zu bündeln und zu verbriefen,3 bestätigt die empirische Richtigkeit seiner Ausführungen.

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall Konzertiertes Gläubigerhandeln ist in der Finanzierungspraxis indessen nur ausnahmsweise Gegenstand entsprechender vertraglicher Abreden aller Beteiligter. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob sich dieses auch ad hoc erzwingen lässt, mithin die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten einem Pflichtensystem unterliegen, der sie letztlich in ihrem eigenen Interesse zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Die materielle Legitimation für eine derartige Erzwingung abgestimmten Gläubigerhandels liegt aus ökonomischer Sicht in den Vorteilen der Verringerung des sog. Kollektivhandlungsrisikos begründet. Ziel ist es so, dass eine im Krisenfall wünschenswerte Maßnahme – vor allem die Reorganisation des Schuldners – nicht an dem obstruktiven Verhalten Einzelner scheitert.4 Wie sich noch zeigen wird, lässt sich dieser Ansatz jedoch verallgemeinern und zur Grundlage einer allgemeinen Gläubigerverantwortung für unternehmerische Einflussnahme ausbauen. Im Vorfeld dieser Ausweitung ist jedoch zunächst einmal herauszuarbeiten, auf welchen Prämissen die erzwungene Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos beruht.

1. Das Gefangenendilemma als Ausgangspunkt Steht eine Vielzahl von Entscheidungsträgern unverbunden nebeneinander, besteht die Gefahr, dass der an sich gegebene Interessengleichlauf mangels Koordination des Verhaltens nicht verwirklicht wird. Der empirische Nachweis des Kollektivhandlungsrisikos bei komplexen Entscheidungsprozessen ist Gegenstand der Organisationssoziologie und wird auf der Grundlage der Spieltheorie ökonomisch begründet.5 Zur Verdeutlichung bietet sich folgendes dem amerikanischen Mathematiker Tucker zugeschriebene Standardbeispiel zum sog. Ge2

Zum Ganzen Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 123 ff. Oben § 1 I 2. 4 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 163 ff. 5 Grundlegend v. Neumann, Zur Theorie der Gesellschaftsspiele, Mathematische Annalen, 1928, Bd. 100, S. 295 ff. 3

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall

177

fangenendilemma6 an: Die Gefangenen A und B werden der gemeinsamen Begehung eines Verbrechens verdächtigt und getrennt voneinander verhört. Die Verurteilung hängt entscheidend davon ab, wie sie sich zu den Vorwürfen äußern. Würden beide Gefangenen schweigen, können sie nur wegen eines minder schweren Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt werden. Würden beide gestehen, bekommen sie eine mittlere Strafe von drei Jahren. Gesteht nur einer, ist er Kronzeuge und bekommt eine ganz niedrige Strafe von einem Jahr, wohingegen der andere eine ganz hohe Strafe von vier Jahren bekommt. Das Gefangenendilemma B A

schweigt

gesteht

schweigt

2/2

4/1

gesteht

1/4

3/3

In Kenntnis dieser denkbaren Folgen werden sich die Gefangenen überlegen, welches eigene Verhalten für sie in Unkenntnis des Verhaltens des anderen am günstigsten ist. Die Gewichtung der jeweiligen Risiken für die eigene Verurteilung ergibt, dass es günstiger ist, zu gestehen. Wenn nämlich der andere schweigt, ist man selbst Kronzeuge und erlangt eine ganz geringe Strafe von einem Jahr. Wenn der andere ebenfalls gesteht, erlangt man die mittlere Strafe von drei Jahren. Das Risiko der eigenen Strafe beträgt im Fall des Geständnisses somit durchschnittlich zwei Jahre. Würde man hingegen schweigen, stellt sich die Situation ungünstiger dar. Schweigt der andere ebenfalls, beträgt die Freiheitsstrafe zwei Jahre; gesteht er, beträgt sie vier Jahre, so dass hieraus ein Durchschnitt von drei Jahren folgt. Unabhängig davon, wie sich der andere verhält, ist es für einen selbst immer günstiger, zu gestehen. 7 Diese dominante Strategie werden beide Parteien wählen. Es ist daher am wahrscheinlichsten, dass sie wegen des beiderseitigen Geständnisses zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt werden. Das zentrale Anliegen der ökonomischen Theorie (des Rechts) ist die Verhinderung solcher zwar rationaler, jedoch „aus der Not geborener“ Kompromissentscheidungen. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass die oben aufgezeigte dominante Strategie bei einer gemeinschaftlichen Betrachtung der Gefangenen keinesfalls das günstigste Szenario ist. Gestehen beide Gefangenen, beträgt die Summe der zu verbüßenden Haftstrafen sechs Jahre – zweimal drei Jahre. Würden jedoch beide Gefangenen schweigen, käme eine Gesamtstrafe von vier Jah6 In Anlehnung an Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 19 f.; vgl. auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 308 ff. 7 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 19.

178

§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

ren zusammen – zweimal zwei Jahre. Unterstellt man, dass es im Interesse der beiden Gefangenen ist, als Gemeinschaft gegenüber dem Staat eine möglichst geringe Strafe auferlegt zu bekommen, liegt es nahe, dass die oben aufgezeigte dominante Strategie nicht ihren Bedürfnissen entspricht und zu korrigieren ist. Die Kernaussage des modellhaft dargestellten Gefangenendilemmas lautet konsequenterweise, dass sich die Beteiligten wegen einer rational gefassten Entscheidung letztlich schädigen. 8 Könnten die Gefangenen vor der Vernehmung miteinander kommunizieren, würden sie sich auf ein gemeinsames Schweigen verständigen. Ist dies nicht möglich, führt die – rationale, aber in Unsicherheit über das Verhalten des anderen erfolgende – Entscheidungsfindung zu suboptimalen Ergebnissen. Betrachtet man die Gefangenen als Einheit und stellt sie dem Staat gegenüber, wäre eine Abstimmung des Verhaltens ad hoc oder durch entsprechende Vereinbarung im Voraus wünschenswert. Aus ökonomischer Sicht ist das Gefangenendilemma somit der Ausgangspunkt, die Vorteilhaftigkeit abgestimmten Verhaltens zu begründen und ggf. als Grundlage zu einer entsprechenden normativen Erzwingung dieses Verhaltens ad hoc heranzuziehen. So plausibel dieser Ansatz auf den ersten Blick ist, so nahe liegt auch eine wesentliche Kritik an seiner Eignung zur normativen Verallgemeinerung. Der Grund dafür folgt daraus, dass das notwendige Bedürfnis der Beteiligten zur Optimierung eines gemeinschaftlichen Kooperationsgewinns oftmals eine bloße Fiktion ist.9 Bei der Ermittlung, was wünschenswert ist und was nicht, wird ein Interessengleichlauf nebst Verteilungsmaßstab der Beteiligten untereinander zu Grunde gelegt, der nicht in jedem Fall gegeben ist – noch einmal: nur aus Sicht beider Gefangenen gemeinsam ist es günstiger, wenn sie beide gestehen, weil sie dann mit zweimal zwei Jahren davon kommen, was gegenüber allen anderen Möglichkeiten günstiger ist; würde einer das Risiko eingehen wollen, sich nicht mit am anderen abzustimmen, wäre es möglich, dass er mit nur einem Jahr davon kommt! In der Praxis ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass sich die Parteien bewusst opportunistisch und strategisch verhalten und darauf spekulieren, gegenüber einer anderen Partei Vorteile zu erlangen. Gerade im oben aufgezeigten Gefangenbeispiel ist es durchaus nahe liegend, dass ein Gefangener nur deswegen gesteht, weil er es für unwahrscheinlich hält, dass der andere ebenfalls gesteht. Er spekuliert darauf, als Kronzeuge mit einer sehr geringen Strafe davon zu kommen, indem er den anderen belastet. Auch mag es vorkommen, dass ein Gefangener um jeden Preis verhindern will, eine höhere Strafe auferlegt zu bekommen als sein Mittäter. Um dies zu verhindern, wäre ihm ebenfalls anzuraten, ein Geständnis abzulegen, weil er in diesem Fall keine längere Strafe verbüßen müsste als der andere. In beiden Fällen streben die Gefangenen nicht an, als 8 9

Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 308. Hierzu ausführlich Graf, Vertrag und Vernunft, S. 114 f., 146 ff.

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall

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Gemeinschaft gegenüber dem Staat den größtmöglichen Vorteil zu erlangen. Ihnen geht es vielmehr um den größtmöglichen Vorteil als Individuum – ggf. auf Kosten anderer, ggf. unter Inkaufnahme eines erhöhten Verlustrisikos, falls der „Plan“ schief geht.

2. Die notwendige Unterscheidung produktiver und unproduktiver Spiele Die vorstehend für möglich erachtete Interessendivergenz der Beteiligten lässt bereits anklingen, dass sich Schlussfolgerungen aus dem oben skizzierten Gefangenendilemma nur auf der Grundlage weiterer Prämissen ziehen lassen. Dies wird in der Spieltheorie und der hierauf aufbauenden ökonomischen Theorie auch durchaus anerkannt, indem zwischen unproduktiven und produktiven Spielen differenziert wird.10 Unproduktive Spiele sind dadurch gekennzeichnet, dass die Vorteile der einen Spieler immer korrespondierende Nachteile anderer Spieler hervorrufen. Die Summe aller Vorteile ist daher gleich Null, so dass man die unproduktiven Spiele auch als Nullsummenspiel bezeichnet. In diesen Situationen sieht auch die Spieltheorie keine Notwendigkeit, dominante Strategien zu verhindern. Für diese Fälle wird akzeptiert, dass der „Kampf“ zwischen den Beteiligten, also das Erreichen von Vorteilen auf Kosten des anderen, die optimale Strategie ist. Bei den produktiven Spielen geht es hingegen nicht um die Verteilung eines feststehenden Gewinns. Dieser ist vielmehr eine variable Größe, ohne dass jedem Vorteil einer Person ein entsprechender Nachteil der anderen gegenüber steht. Die Summe aller Vorteile ist daher größer als Null. Nur in diesem Fall ist es sinnvoll, das Kollektivhandlungsrisiko durch abgestimmtes Verhalten zu mindern und die Summe aller Vorteile, den sog. Kooperationsgewinn, zu steigern. Will man das Gefangenendilemma zum Ausgangspunkt optimaler Entscheidungsfindung heranziehen, bedarf es somit stets der vorgelagerten Klärung, ob ein produktives oder unproduktives Spiel vorliegt. Nur im ersteren Fall besteht das aufgezeigte Bedürfnis, dominante Strategien zu Gunsten koordinierten Verhaltens abzulösen, um den Kooperationsgewinn aller Beteiligten zu steigern. Andernfalls ist es gerade erforderlich, opportunistischem Verhalten Raum zu geben. Ob diese Unterscheidung praktisch handhabbar ist, erscheint zweifelhaft. Die Verallgemeinerung der modellartigen Beispielsfälle zum Gefangenendilemma steht jedenfalls stets unter dem Vorbehalt einer genauen Prüfung, ob das abgestimmte Verhalten der Beteiligten „nur“ einen Verteilungskampf verhindert oder ob es die Vorteile aller Beteiligten steigert.11

10

Zum Nachfolgenden Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 308. Die Genauigkeit der Prüfung leidet naturgemäß, wenn man pauschal annimmt, eine funktionsfähige Wettbewerbsordnung ermögliche ein produktives Spiel (so Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 308). 11

180

§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

3. Der Maßstab gemeinschaftlicher Nützlichkeit und seine Effektuierung Ein weiteres Problem, das am Beispiel des Gefangenendilemmas veranschaulichte Kollektivhandlungsrisiko in der Praxis zu verringern, liegt in der Notwendigkeit, selbst bei Vorliegen eines produktiven Spiels die gemeinschaftliche Nützlichkeit als verbindlichen Maßstab zu etablieren. Betrachtet man das oben aufgezeigte Standardbeispiel, liegt ein produktives Spiel vor, denn die Summe der Freiheitsstrafen ist nicht in allen Konstellationen gleich. Die Beteiligten können durch sinnvolle Koordinierung ihres Verhalten den Strafanspruch des Staates von maximal sechs Jahren (jeweils drei Jahre bei beiderseitigem Geständnis) auf minimal vier Jahre (jeweils zwei Jahre bei beiderseitigem Schweigen) reduzieren und damit den gemeinschaftlichen Kooperationsgewinn (2 × 2 Jahre) steigern. Die Vorteilhaftigkeit konzertierten Verhaltens leuchtet ohne weiteres ein. Stellt man hingegen auf die Perspektive des Einzelnen ab, macht es durchaus einen Unterschied, dem Risiko von einem bzw. drei Jahren Freiheitsstrafe ausgesetzt zu sein (so im Fall des eigenen Geständnisses) oder dem Risiko von zwei oder vier Jahren im Fall des eigenen Schweigens. Erhebt man dennoch die Steigerung des Kooperationsgewinns zu Gunsten beider Regelunterworfener zum verbindlichen Maßstab einer ökonomisch vorteilhaften Rechtsregel, bleibt dieser Umstand ausgeblendet. Die ökonomisch begründete Vorteilhaftigkeit abgestimmten Verhaltens macht es somit beim produktiven Spiel erforderlich, die individuelle Perspektive aufzugeben und die Nützlichkeit auf alle Beteiligten als wirtschaftliche Einheit zu beziehen, mithin gleichsam einer Vergesellschaftung zu unterziehen. Für die hier interessierende Unternehmensfinanzierung hat Engert in mehreren Arbeiten das Wertsteigerungsprinzip als Bezugspunkt für die überindividuelle Nützlichkeit herausgearbeitet.12 Die ökonomisch begründbare Vorteilhaftigkeit, also der Kooperationsgewinn, bestimme sich anhand der Steigerung des Gesamtunternehmenswertes als Summe aller Anspruchspositionen der Fremd- und Eigenkapitalgeber. Die Erhöhung des Unternehmenswertes habe Vorrang vor seiner Verteilung. Im Einklang mit dem sog. Pareto-Kriterium13 sei eine – freiwillige oder erzwungene – Kooperation selbst dann ökonomisch sinnvoll und geboten, wenn der Wert der einen Anspruchsposition gemindert werde, sich der Wert einer anderen Anspruchsposition jedoch dadurch um einen größeren Betrag erhöhe.

12 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 122; ders., in FS Heldrich, 2005, 87, 91 ff. Allgemeiner bereits zur Marktwertmaximierung Drukarczyk, Theorie und Politik der Finanzierung, 1993, S. 130. Ähnlich für den hier interessierenden Bereich bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 560 ff., indem er die Chancen eines abgestimmten Verhaltens bei der Sanierung von Unternehmen herausarbeitet. 13 Hierzu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 51 ff.

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall

181

Fraglich ist indessen, ob sich dieser Ansatz auch de lege lata begründen lässt. Ob die Figur sog. „hypothetischer Verträge“14 oder die Annahme besonderer „Vertrauensbeziehungen der Beteiligten untereinander“15 hierfür eine taugliche Grundlage bilden, wird noch herausgearbeitet.16 Eng damit verbunden ist die Frage, inwieweit es gerade die ökonomischen, d. h. finanziellen Erträge sind, deren Maximierung normativ geboten ist. Der pauschale Hinweis auf die Gerechtigkeit und die Sozialvertragstheorie Rawls’ 17 erscheint auf den ersten Blick jedenfalls nicht ausreichend. Ideelle Motive können mit materiellen Motiven einhergehen, so dass einmal die einen, einmal die anderen überwiegen. Auch können die Parteien ein Interesse haben, einmal nachteilig zu handeln oder behandelt zu werden, um dann – wenn überhaupt – an anderer Stelle diesen Verlust wieder wett zu machen. In den Modellen der ökonomischen Theorie werden solche strategischen Überlegungen der Parteien („Mischkalkulation“) meist ausgeblendet. Einen „homo oeconomicus der Unternehmensfinanzierung“, der diesen ökonomisch nicht nachvollziehbaren Vorlieben nicht unterliegt und damit der alleinige Adressat von Rechtsregeln ist, wird man aber empirisch kaum nachweisen können. Aus den angerissenen Bedenken gegen die Etablierung des Maßstabs ökonomischer Nützlichkeit resultiert jedoch keine Ablehnung des mit dem Gefangendilemma skizzierten Kollektivhandlungsrisikos an sich. Das Risiko ist lediglich weiter zu formulieren, indem – zumindest vorläufig – offen gelassen wird, welche rechtliche Verbindlichkeit die Vorteilhaftigkeit des abgestimmten Verhaltens für den einzelnen hat. Es ist zunächst allein als empirischer Befund für bestimmte – näher zu definierende – Entscheidungsprozesse anzuerkennen: Die einzelnen Entscheidungsträger wählen wegen der Unkenntnis vom Verhalten der anderen Entscheidungsträger eine Strategie, die insofern suboptimal ist, als die Beteiligten bei entsprechender gemeinsamer Abwägung der verschiedenen Konstellationen eine Entscheidung treffen würden, die ihre Bedürfnisse besser befriedigt. Liegt ein solcher Fall vor, ist es vorteilhaft, durch eine – zunächst einmal freiwillige – Abstimmung des Individualverhaltens ad hoc oder im Voraus durch vertragliche Vereinbarungen untereinander die Verfolgung dominanter Strategien zu verhindern.

14

Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff. So Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 311. 16 Sogleich unter III. 17 Vgl. nur Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 124 unter Hinweis auf Rawls, A Theory of Justice, 1972, S. 136 ff. 15

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

4. Die Bedeutung des Kollektivhandlungsrisikos für abgestimmtes Gläubigerverhalten Dies zeigt sich – wiederum in Anlehnung an Eidenmüller – anhand zweier Beispiele für die Kreditpraxis. a. Bei der Durchsetzung fälliger Kreditforderungen Ein großes Bedürfnis für abgestimmtes Gläubigerhandeln wird bei der Liquiditätskrise des Schuldners angenommen.18 Ist das Schuldnerunternehmen nicht in der Lage, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, droht der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Dies erscheint aus der Perspektive der Gläubiger zunächst vorteilhaft. Immerhin ist davon auszugehen, dass aufgrund irgendwelcher Gründe der unternehmerische Erfolg ausblieb und es daher nur konsequent ist, das Unternehmen zumindest vorläufig „vom Markt“ zu nehmen. Der Insolvenzgrund verhindert, dass die Gläubiger „schlechtem Geld“ noch „Gutes“ hinterherwerfen. Würde man allein hierauf abstellen, bestünde für die an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Fremdkapitalgeber in der Tat kein Anlass, ihr Verhalten untereinander auf vertraglicher Grundlage abzustimmen. Sie könnten sich zurücklehnen und abwarten, bis das vorläufige Scheitern aus insolvenzrechtlicher Sicht eintritt und sie vor weiterem Schaden bewahrt. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig. So wurde bereits herausgearbeitet, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, es erst gar nicht zu diesem staatlich geregelten und überwachten Insolvenzverfahren kommen zu lassen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass kurzfristige Liquiditätskrisen bei Unternehmen nie völlig auszuschließen sind. Es ist daher in gewisser Weise auch für die Fremdkapitalgeber vorhersehbar, dass das Schuldnerunternehmen während der Laufzeit der Finanzierung kurzfristige Liquiditätskrisen erleiden kann. Die Gläubiger müssen dies in die Kalkulation ihres Kreditrisikos einbeziehen und der Insolvenz die Vorteile gegenüber stellen, die eintreten würden, wenn die Krise überwunden werden kann. In der Praxis wird diese Kalkulation oftmals so ausfallen, dass der Kreditgeber wie der Schuldner selbst ein Interesse hat, die Liquiditätskrise zu überwinden und den langfristigen Erfolg wie geplant eintreten zu lassen. Insbesondere bei Projektfinanzierungen ist es üblich, dass der Erfolg einer bestimmten unternehmerischen Tätigkeit zumindest stillschweigend Grundlage der Finanzierung ist und die Fremdkapitalgeber damit ebenso wie die Eigentümer davon profitieren, dass das Projekt letztlich erfolgreich ist. Für die gewöhnliche Unternehmensfinanzierung kann dies gleichermaßen gelten. Auch hier ist es oftmals so, dass die Kombination von gesicherten und un18

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 164 ff.

II. Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos im Krisenfall

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gesicherten Krediten auf den dauerhaften Erfolg der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners angelegt ist und eine vorzeitige Insolvenz diese Kalkulation stören würde. Legt man diese Prämisse zu Grunde, gilt es konsequenterweise zu verhindern, dass dem Unternehmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit durch seine Geldkreditgeber weitere liquide Mittel entzogen werden und die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO verstärkt wird.19 Diejenigen Gläubiger, die ein Interesse haben, die Insolvenz zu verhindern, müssen sich so verhalten, dass andere Gläubiger, die dieses Interesse nicht haben, vom Insolvenzantrag absehen. Dies kann dadurch erfolgen, dass die an der Insolvenzvermeidung interessierten Gläubiger die Geltendmachung der eigenen fälligen Forderungen gegenüber dem Schuldner unterlassen oder ihm zusätzlich Mittel zur Behebung des Liquiditätsengpasses gewähren. Auf diese Weise wird der Schuldner zum Beispiel in die Lage versetzt, die offenen Rechnungen der Warenlieferanten zu begleichen und den zur Erzielung des langfristigen unternehmerischen Erfolges notwendigen betrieblichen Umsatzprozess aufrecht zu erhalten. 20 Die ökonomische Theorie knüpft an diese Motivation an und sucht nach Möglichkeiten, das Kollektivhandlungsrisiko zu verringern. Gläubiger, die – aus welchen Gründen auch immer – das Interesse an der Insolvenzvermeidung haben, sollten sich aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zusammenschließen und ihr Verhalten im Krisenfall verbindlich abstimmen.21 Auf diese Weise können die aus der Unsicherheit über das Verhalten anderer resultierenden dominanten Strategien verhindert werden. Darüber hinaus können über solche vertraglichen Regelungen auch sog. Trittbrettfahrer diszipliniert werden, die möglicherweise aus opportunistischen Gründen die Durchführung von sinnvollen Maßnahmen behindern.22 Das Kollektivhandlungsrisiko und die Strategien zu seiner Vermeidung sind jedoch nicht allein geeignet, die gewünschte Reorganisation des Schuldnerunternehmens außerhalb des Insolvenzverfahrens zu erreichen. 23 Die aus dem Kollektivhandlungsrisiko resultierende Vorteilhaftigkeit, alle potentiellen Widersacher durch vertragliche Regelungen „mit ins Boot“ zu holen und damit 19

So Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 164 ff. So Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 164. 21 Für Unternehmensanleihen in diese Richtung bereits Hopt, FS, Steindorff, S. 341, 361, der anregt, in die Kapitalüberlassungsbedingungen Regelungen für im Krisenfall wirkende Abänderung von Zahlungsmodalitäten, Zinssatzermäßigungen, Stundung oder Sanierungsbeiträge einzelner Gläubiger aufzunehmen; zustimmend für Kreditverträge Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 177 f. 22 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 177 f. weist zutreffend darauf hin, dass dem Schuldner solche vertraglich vereinbarten, auf Krisenbewältigung gerichteten Anpassungsautomatismen nicht kenntlich gemacht werden sollten, da dieser dann einen Anreiz für nachlässiges Handeln hat. 23 Hierauf beschränkt Hopt, FS, Steindorff, S. 341, 361; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 164 f. 20

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

Interessengleichlauf zu gewährleisten, gilt auch im umgekehrten Fall. So kann es aus der Perspektive eines Gläubigers durchaus vorteilhaft sein, die fortdauernde Kreditgewährung anderer Kreditgeber zu überwachen oder gar zu unterbinden. Gerade für die – ggf. teilweise – ungesicherten Gläubiger ist es durchaus wünschenswert, dass andere, besser informierte Kreditgeber ihre Finanzierung im Krisenfall einstellen und das Unternehmen damit frühzeitig in die Insolvenz zwingen. Auf diese Weise können sich dann auch die Befriedigungschancen der anderen Gläubiger erhöhen. b. Bei der Anpassung von Kreditbedingungen Ein weiteres Beispiel für die Geltung des Kollektivhandlungsrisikos im Finanzierungsgeschäft sei anhand der in der Krise regelmäßig notwendig werdenden Anpassung der Kreditbedingungen genannt.24 Bereits Hopt hat erwogen, dass in den Bedingungen eines Anleihevertrages eine Anpassungsautomatik vereinbart werden kann, wonach zum Beispiel die Zahlungsmodalitäten oder der Zinssatz vom Eintritt bestimmter Umstände abhängen. 25 Das Kollektivhandlungsrisiko der Anleihegläubiger würde durch eine solche im Voraus von allen konsentierte Bedingung ausgeräumt. Eine Übertragung auf den Kreditvertrag ist daher im Grundsatz möglich.26 Nach Eidenmüller ist dies jedoch ökonomisch betrachtet nicht sinnvoll, weil das Schuldnerunternehmen hierdurch Anreize erhält, negative Entwicklungen nicht zu verhindern bzw. aktiv zu fördern.27 Dem ist zuzustimmen, wenngleich sich die Kreditpraxis oftmals anders verhält. Insbesondere im Bereich der Gesellschafterfremdfinanzierung durch Darlehen gibt es oftmals vertraglich vereinbarte Rangrücktritte iSv. § 39 Abs. 2 InsO. Sind diese mit einem sog. Besserungsschein 28 versehen, hat das Schuldnerunternehmen ebenso wenig Anreize, eine Bewältigung der Krise herbeizuführen wie bei der soeben genannten Anpassungsautomatik. Der Darlehensgeber scheint sich vielmehr besonderer Kompensationsmechanismen zu bedienen, die gewährleisten, dass der Erfolg der Sanierung und damit der automatische Wegfall des Rangrücktritts auch tatsächlich eintritt.

5. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, das Kollektivhandlungsrisiko bei der Unternehmensfinanzie24

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 176 ff. Hopt, FS Steindorff, 1990, S. 341, 361. 26 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 177. 27 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 177 f. 28 Ausführlich Teller/Stephan, Rangrücktrittsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2003. 25

III. Die rechtliche Bewältigung des Akkordstörerproblems

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rung zu verringern. Der praktische Nutzen der herausgearbeiteten Vorteile konzertierten Handelns, insbesondere mit dem Ziel einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung, steht jedoch unter zwei zentralen Vorbehalten: Zum einen ist die pluralistische Struktur der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten in der Praxis durch eine weitgehende Anonymität gekennzeichnet. Mit Ausnahme des Konsortialkredits sind die Fremdkapitalgeber nicht durch vertragliche Vereinbarungen miteinander verbunden und kennen sich meist noch nicht einmal. Will man der ökonomischen Prämisse, das Kollektivhandlungsrisiko zu verringern, Geltung verschaffen, bedarf es somit einer rechtlichen Möglichkeit, diese Anonymität zumindest in der Unternehmenskrise aufzuheben. Zum anderen zeigte sich, dass der im ökonomischen Modell unterstellte Interessengleichlauf auf das Wertsteigerungsprinzip bzw. eine vergleichbare als Kooperationsgewinn zu definierende Größe keinesfalls gesichert ist. Aus Sicht der Gläubiger kann es durchaus sinnvoll sein, das Insolvenzverfahren nicht zu vermeiden, sondern eine Gewähr dafür zu haben, dass es rechtzeitig eingeleitet wird oder aber, dass sie ihre Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung frühzeitig beenden. Auch kann es einem Beteiligten gerade darauf ankommen, möglichst viel zu erreichen, ohne hierbei auf die Interessen der anderen Rücksicht nehmen zu wollen. Schließlich können auch die Unternehmensleitung und die Eigentümer der Ansicht sein, ein staatliches Insolvenzverfahren sei immer noch besser, als wenn – bildlich gesprochen – die Gläubiger das Kommando übernähmen. Will man mit der ökonomischen Theorie solche individuellen Interessen einem Gesamtinteresse der außergerichtlichen Sanierung unterordnen, bedarf es einer rechtlichen Möglichkeit, die Interessendivergenzen zumindest im Krisenfall zu überwinden und hierdurch ein abgestimmtes Verhalten zu erzwingen. Diskutiert wird diese Möglichkeit bisher vor allem als Lösung des Akkordstörerproblems.

III. Die rechtliche Bewältigung des Akkordstörerproblems Die vielfältigen Vorteile einer Überwindung des Kollektivhandlungsrisikos entsprechen zwar dem modellhaften Gefangendilemma, nicht aber in jedem Fall der Finanzierungspraxis. So ist es durchaus möglich, dass einzelne an der Unternehmensfinanzierung Beteiligte, aus welchen „sachfremden“ Erwägungen auch immer, nicht bereit sind, sich an einer freien Sanierung zu beteiligen (sog. Akkordstörer). 29 Oftmals hängt das Gelingen einer solchen Maßnahme jedoch gerade davon ab, dass alle dem das Insolvenzverfahren vermeidenden Kompromiss zustimmen, zum Beispiel durch die Beteiligung an einem Ver29 Nach Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 41, ist die Akkordstörung ein Hauptproblem für außergerichtliche Sanierungen.

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

gleich iSv. § 779 BGB oder einem teilweisen Schuldenerlass.30 Boykottieren einzelne Gläubiger oder – was in der bisherigen Literatur nicht immer ausreichend bedacht wird – das Unternehmen selbst solche Sanierungsinitiativen, stellt sich rechtlich die Frage, ob die Beteiligten zur Kooperation verpflichtet sind. Inhaltlich können sich solche Pflichten einmal darauf erstrecken, gemeinsam über die „richtige Strategie“ zu verhandeln und damit die an sich gegebene Anonymität der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zu überwinden. Darüber hinaus ist es möglich, über eine Kooperationspflicht konkrete Verhaltensvorgaben zu machen, die einen einzelnen Beteiligten verpflichten, sich aktiv am allseits oder zumindest mehrheitlich gewünschten Sanierungskonzept zu beteiligen.

1. Die Begründung von Kooperationspflichten durch Eidenmüller Eidenmüller hat sich in seiner grundlegenden Arbeit über die Unternehmenssanierung für ein System von Kooperationspflichten als ökonomisch notwendige und normativ begründbare Grundlage zur Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos bei der außergerichtlichen Unternehmenssanierung ausgesprochen.31 Seine zentrale These lautet, dass die Beteiligten an einer außergerichtlichen Unternehmensorganisation durch ein Netz von schuldrechtlichen Sonderverbindungen miteinander verknüpft sind. Durch das in Reorganisationssituationen präsente Kollektivhandlungsrisiko werde zwischen den an einem Reorganisationsvorhaben Beteiligten eine gesellschaftsähnliche Verbindung geschaffen, die bestehende schuldrechtliche Verbindungen intensiviert und dort, wo eine solche Verbindung noch nicht bestand, eine Sonderverbindung erstmalig begründet. Hieraus können sowohl Verhandlungs-, Stillhalteund Mediationspflichten resultieren als auch die Pflicht, sich an einer Brückenfinanzierung oder einer Umschuldungsvereinbarung zu beteiligen.32 Auf den ersten Blick scheint dieser Ansatz zirkulär. Eidenmüller begründet Kooperationspflichten der „Beteiligten an einer außergerichtlichen Unternehmensorganisation“. Diese Wortwahl legt nahe, dass die von ihm entwickelten Pflichten von vornherein nur diejenigen treffen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – bereits an der Reorganisation beteiligen. Bei diesem Verständnis wäre der Ansatz ohne weiteres dogmatisch nachvollziehbar, denn wenn sich die Parteien zur außergerichtlichen Sanierung zusammenfinden, fällt es leicht, einen gemeinsamen Zweck iSv. § 705 BGB anzunehmen und die Treue- und Loyalitätspflichten auf der Grundlage der Gesellschaftsrechtsdoktrin zu begrün-

30 Zu den typischen Unterstützungs- und Verzichtsleistungen in der Sanierungspraxis Wittig, NZI 1998, 49, 51 ff. 31 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 583 ff.; ders., EBOR 7 (2006), 239, 254 ff. 32 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 707 ff.

III. Die rechtliche Bewältigung des Akkordstörerproblems

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den. Der Konsortialkredit ist hierfür paradigmatisch.33 Der Ansatz Eidenmüllers geht indessen über diese enge Sichtweise hinaus und erfasst alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, nicht also bloß diejenigen, die sich bereits auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zumindest in Grundzügen zu einer Kooperation mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung zusammengeschlossen haben.34 Er bietet somit eine unmittelbare Lösung des Akkordstörerproblems, indem hierüber auch diejenigen zur Mitwirkung verpflichtet werden können, auf die es nach einem ad hoc entwickelten Konzept der Insolvenzvermeidung ankommt. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass Eidenmüller die gesellschaftsähnliche Verbindung rechtsfortbildend auf der Grundlage hypothetischer Verträge entwickelt.35 Die Beteiligten an einer außergerichtlichen Unternehmensreorganisation – oder besser gesagt: die Beteiligten an der Unternehmensfinanzierung im Zeitpunkt der Krise – hätten neben einem individuellen Interesse an der Maximierung ihrer persönlichen Befriedigungsaussichten auch ein gemeinsames Interesse an einer Maximierung des haftenden Schuldnervermögens und damit auch an einem Gelingen der Reorganisationsbemühungen.36 Bezogen auf das oben skizzierte Gefangenendilemma begründet Eidenmüller eine Verpflichtung der beiden Gefangenen, zu schweigen, um auf diese Weise den Kooperationsgewinn der insgesamt niedrigeren Strafe zu erlangen.37 Die im Vorfeld des in Rede stehenden Sanierungsvorhabens begründete gesellschaftsähnliche Sonderverbindung ist somit ein Mittel, den möglicherweise aktuell entgegenstehenden Willen Einzelner im Zeitpunkt der gebotenen Sanierung zu überwinden – ein Mechanismus, der insbesondere durch die Zweckbindung im 33 Zur GbR als überwiegende Korporationsform ausführlich De Meo, Bankenkonsortien, Zweites Kapitel, Rn. 1 ff. 34 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 609. 35 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610, vgl. auch S. 904, wo das praktische Bedürfnis von Kooperationspfl ichten damit begründet wird, dass einzelne Beteiligte bereits eine Teilnahme an außergerichtlichen Reorganisationsverhandlungen ablehnten. Teilw. kritisch zur Annahme einer gesellschaftsähnlichen Verbindung der Gläubiger Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 144 ff. 36 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 599, 905. Dieser Ansatz (hypothetischer Konsens über das maßgebliche Wertsteigerungsprinzip) wird von Engert aufgegriffen, um eine juristische Theorie vom Unternehmen zu entwickeln (FS Heldrich, 2005, 93 ff.); gegen eine unternehmensrechtliche Konzeption des Verbandsrechts bereits Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 33 ff. (m. w. N.). 37 Dass sich die ökonomisch begründete Pflicht allein auf den insgesamt niedrigeren Strafausspruch bezieht – zwei mal zwei Jahre bei beiderseitigem Schweigen gegenüber zwei mal drei Jahren beim beiderseitigen Gestehen – ergibt sich aus der bereits erwähnten Außerachtlassung, dass es einem Gefangenen gerade darauf ankommen kann, keine höhere Strafe als der andere zu erlangen. Ist diese Motivation vorhanden, was in der pluralistischen Gesellschaft durchaus möglich ist, gesteht er, was die für ihn auch beste Strategie ist. Es wäre daher verfehlt, die aus dem Gefangenendilemma resultierenden Ableitungen dadurch zu legitimieren, dass es dem normativ Verpflichteten bei der Pflicht zum Schweigen auf jeden Fall besser geht.

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Recht der Personenverbände seit langem anerkannt ist.38 Der von Eidenmüller hergestellte Bezug zur Girmes-Entscheidung des BGH39 über die Zustimmungspflichten von Minderheitsaktionären ist insofern die logische Konsequenz.40

2. Die Akkordstörer-Entscheidung des BGH Der BGH hat es demgegenüber in der sog. Akkordstörer-Entscheidung aus dem Jahr 1991 ausdrücklich abgelehnt, außerhalb der damals geltenden VerglO/ KO eine rechtliche Gemeinschaft der Gläubiger anzuerkennen, aus der entsprechende Kooperationspflichten erwachsen können und der Einzelne dem Mehrheitsprinzip unterworfen ist.41 Die Entscheidung betrifft die Insolvenz der co op-Gruppe im Jahr 1989. Einige (Banken-)Gläubiger schlossen mit dem Schuldnerunternehmen einen außergerichtlichen Sanierungsvergleich. Nachdem ein Gläubiger sich hiervon durch Rücktritt löste, stellte sich die Frage, ob er dazu verpflichtet war, sich an der von der Mehrheit der anderen Gläubigern gewollten weiteren Sanierung zu beteiligen. Der BGH verneinte dies.42 Die geltende Rechtsordnung stelle keine Instrumente bereit, den betreffenden Gläubiger zum Beitritt zu einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich zu zwingen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung für den gerichtlichen Vergleich gemäß § 8 Abs. 1 VerglO bzw. für den Zwangsvergleich gemäß § 181 S. 1 KO sei nicht anwendbar, so dass es an einer Gesetzesbestimmung fehle, derzufolge der Inhalt eines außergerichtlichen Vergleichs auch für solche Gläubiger maßgeblich ist, die sich ihm nicht angeschlossen haben. Auch die Teile des Schrifttums, die sich für die Annahme einer zwischen den Gläubigern eines insolventen Schuldners bestehenden Gemeinschaft aussprechen, setzten zu Recht voraus, dass das Konkursverfahren mit seiner aus dem unzureichenden Schuldnervermögen legitimierten gemeinschaftlichen Befriedigung eröffnet wäre. Eine weitergehende Rechtsfortbildung, wonach im Vorfeld der Insolvenz eine Art Gefahrengemeinschaft aller Gläubiger bestehe und in dieser Gesamtheit Mehrheitsentscheidungen zu Lasten nicht zustimmender Gläubiger zuzulassen wären, sei nicht mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Ein außerhalb von VerglO / KO zustande gekommener Vergleich sei daher für

38

Vgl. nur Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 219 ff. BGHZ 129, 136. 40 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 613 ff.; insofern zustimmend Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 144. 41 BGHZ 116, 319; zustimmend BAG, NZA 2000, 1290, 1292; der Sache nach auch OLG Hamm, NJW-RR 11991, 948 (Verneinung einer Pflicht zur Kreditvergabe); Ebenroth/ Grashoff, BB 1992, 865, 868 ff.; Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1644 f.; wohl auch K. Schmidt, in MünchKomm BGB, § 741 Rn. 73. 42 Zum Nachfolgenden BGHZ 116, 319, 322 ff. 39

IV. Konsequente Weiterentwicklung des Akkordstörerproblems

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die Gläubiger, die ihm nicht zugestimmt haben, nicht verbindlich, auch wenn ihn eine für den Vergleich nach VerglO oder KO ausreichende Mehrheit der Gläubiger aus vernünftigen wirtschaftlichen Erwägungen für geboten hält. Volkswirtschaftliche oder sozialpolitische Erwägungen, so berechtigt sie sein mögen, reichten schon angesichts der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten namentlich in Bezug auf Mindestsätze, Mehrheitsverhältnisse, Forderungssummen und die Bildung von Gläubigergruppen nicht aus, eine Rechtsfortbildung durch den Richter zu billigen. Vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, dem Sanierungsgedanken in einem weiteren Umfang als bislang geschehen, Geltung zu verschaffen.

IV. Konsequente Weiterentwicklung des Akkordstörerproblems Welchen dieser beiden Ansichten der Vorzug gebührt, wird sogleich erörtert. Zuvor gilt es jedoch, den Zusammenhang zwischen dem Akkordstörerproblem und der hier interessierenden rechtlichen Verantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber bei der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung herzustellen.

1. Die Unternehmensfinanzierung als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung Sowohl Eidenmüller als auch der BGH stützen ihre – widerstreitende – Argumentation auf die Grundfrage, ob zwischen den verschiedenen an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen eine Sonderverbindung besteht, aus der heraus sich eine Beugung des aktuellen Individualwillens zu Gunsten überindividueller Nützlichkeit begründen ließe. Unterstellt man, dass eine solche (gesellschaftsähnliche) Sonderverbindung besteht, wäre die Folge nicht nur eine hierüber begründbare Ausräumung des Kollektivhandlungsrisikos. Im Einklang mit den allgemeinen Wertungen des Gesellschafts- und Verbandsrechts wäre es durchaus folgerichtig, die Gläubiger einer Zweckbindung zu unterstellen und dem Einzelnen eine entsprechende Zweckförderungspflicht aufzuerlegen, welche die an sich bestehende Freiheit, bei seiner Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung Eigeninteressen zu verfolgen, einzuschränken vermag. Die Bezugnahme Eidenmüllers auf die Girmes-Entscheidung des BGH ist keineswegs darauf zu beschränken, Kooperationspflichten in der akuten Sanierungssituation zu begründen. Sollte seine These überzeugen, vermag dieser Ansatz vielmehr als Grundlage zu dienen, hierüber allgemeine rechtliche Vorgaben über zweckgerichtetes, mithin „richtiges“ Verhalten der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen zu entwickeln. Eine kollektive Zweckbindung zur Insolvenzvermeidung könnte damit eine umfassende Be-

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

gründung für die hier interessierende Gläubigerverantwortung wegen unternehmerischer Einflussnahme sein.

2. Die Zweckförderungspflicht als Grundlage einer rechtlichen Beurteilung von tatsächlich erfolgten oder gebotenen Verhaltensweisen Dass aus jeder Zweckbindung eine mehr oder weniger intensive Zweckförderungspflicht entsteht, steht außer Zweifel.43 Unterschiede ergeben sich allein hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Struktur des jeweiligen Personenverbands.44 Wollte man, wie von Eidenmüller vorgeschlagen, die Unternehmensfinanzierung als solches als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung anerkennen, wäre es daher konsequent, jedem einzelnen Beteiligten – sei es ein Gläubiger, ein Eigentümer oder das Unternehmen bzw. dessen Rechtsträger selbst – entsprechende Pflichten zur Beteiligung an der Insolvenzvermeidung aufzuerlegen. Die formale Trennung zwischen Eigentümern und Nichteigentümern wäre überwunden, indem alle Beteiligten – möglicherweise mit unterschiedlicher Intensität – gehalten wären, die „richtigen“ Entscheidungen zur Zweckförderung zu treffen. Dieser Ansatz könnte sowohl Geltung beanspruchen, wenn es darum geht, eine einzelne Verhaltensweise im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, als auch dann, wenn man eine noch nicht erfolgte Handlung erzwingen will. Die Zwecksetzung wäre stets der überindividuelle Maßstab richtigen Verhaltens, an dem sich die Einzelnen auszurichten hätten.45 Der „rote Faden“ einer Gläubigerverantwortung ließe sich auf diese Weise als Ausschnitt in einem umfassenden Netz von Verhaltenspflichten zur Insolvenzvermeidung begründen.

3. Mögliche Konsequenzen für die rechtliche Beurteilung unternehmerischer Einflussnahme Betrachtet man die möglichen Konsequenzen eines derartigen Konzepts, ließe sich unter Bezugnahme auf die im Gesellschaftsrecht anerkannte Loyalitätspflicht zum einen tatbestandlich erfassen, auf welche Weise ein Fremdkapitalgeber sich als Gläubiger zu verhalten hat, mithin bei der Ausgestaltung eines Finanzierungsvertrages und der Geltendmachung von Gläubigerrechten.46 Ebenso ließen sich Vorgaben darüber machen, welchen Anforderungen eine über den 43

Grundlegend Lutter, AcP 180 (1984), 84. Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 I, IV; für die AG auch Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 219 ff. 45 Zur Zweckbindung als Grundlage, den aktuellen entgegenstehenden Willen eines Verbandsmitglieds zu überwinden, statt anderer Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 50 f. 46 Zur Loyalitätspflicht als Ausprägung der gesellschaftsrechtlichen Treuepfl icht statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 27, 34. 44

V. Erste kritische Würdigung

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Finanzierungsvertrag vermittelte oder tatsächliche Einflussnahme auf die Unternehmensleitung genügen muss, um nicht als zweckwidrig und damit möglicherweise haftungsbewehrt einzustufen sein. Die verstärkte gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bei uneigennützigen Mitgliedschaftsrechten, insbesondere bei Geschäftsführungsangelegenheiten, könnte hierzu als Vorbild herangezogen werden.47 Dieser Ansatz wäre auch nicht so konturenlos wie die eingangs erwähnten auf Generalklauseln gestützten Versuche zur Begründung einer Gläubigerverantwortung.48 Indem der die gesellschaftsähnliche Sonderverbindung konstituierende gemeinsame Zweck der Insolvenzvermeidung als Bezugspunkt für die rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Verhaltens herangezogen werden kann, ist es erheblich einfacher, die konkrete Maßnahme als Zweckförderung oder Zweckvereitelung charakterisieren. Die verbleibende Unsicherheit wäre jedenfalls keine systemfremde, unangemessene Belastung des Finanzierungsmarktes. Immerhin besteht sie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Zweckförderungspflichten gleichermaßen. Dort muss sich jedes Verbandsmitglied bei der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten oder sonstigem Verhalten mit Auswirkungen auf den Verband die Frage stellen, ob sich hierbei noch im Rahmen der Zweckbindung nebst korrespondierender Treupflichtbindung bewegt oder nicht. Man muss somit konstatieren, dass der Ansatz Eidenmüllers, die Unternehmensfinanzierung selbst zumindest im Vorfeld der Insolvenz als gesellschaftsähnliche Sonderverbindung anzuerkennen, durchaus geeignet wäre, nicht nur das Kollektivhandlungsproblem zu lösen, sondern auch eine geeignete Grundlage für die rechtliche Beurteilung Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge und der hierüber vermittelten Einflussnahme der Fremdkapitalgeber.

V. Erste kritische Würdigung Stellt man die Ansätze Eidenmüllers und des BGH gegenüber, divergieren sie im Hinblick auf die zentrale Frage, ob die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, letztlich somit das Unternehmen selbst, seine Eigentümer und die Gläubiger, im Vorfeld des Insolvenzverfahrens eine rechtliche Gemeinschaft begründen, aus der die Pflicht resultieren kann, sich an einer im gemeinsamen Interesse liegenden freien Sanierung zu beteiligen. Gesichert dürfte nach beiden Ansichten sein, dass eine solche Verbindung nicht auf Grund einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Handlung begründet wird. Über §§ 145 ff. BGB begründete Rechtsbeziehungen bestehen nur zwischen Gläubiger und Unter47 48

Vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 32. Oben § 4.

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nehmen, nicht zwischen den Gläubigern.49 Das Akkordstörer-Problem kann somit im Regelfall nur dadurch gelöst werden, dass den Beteiligten normativ ein solches Verhältnis bzw. solche Pflichten auferlegt werden.50 Hiergegen bestehen unter verschiedenen Aspekten Bedenken.

1. Umkehrschluss zum Insolvenzrecht Der Ansatz des BGH, wonach im Umkehrschluss zum damals geltenden Insolvenzrecht gemäß VerglO/KO ein solches Verhältnis außerhalb dieser Verfahren gerade nicht besteht, beansprucht auch heute noch Geltung. Es ist nahezu unstreitig, dass die Unternehmensgläubiger im Insolvenzverfahren eine durch die InsO begründete Befriedigungsgemeinschaft bilden (vgl. § 1 InsO) und hieraus spezielle Treuepflichten begründet werden können.51 Gerade das Planverfahren mit dem dort geltenden Mehrheitsprinzip (§ 244 InsO) und dem Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO ist das gesetzgeberische Angebot zur Bewältigung des Kollektivhandlungsrisikos unter Berücksichtigung des Akkordstörerproblems.52 Indem das Insolvenzverfahren jedoch an formale und materielle Voraussetzungen geknüpft ist, spricht Vieles dafür, dass der Gesetzgeber eine vergleichbare Befriedigungsgemeinschaft mit einem hieraus ableitbaren Mehrheitsprinzip und Obstruktionsverbot im Vorfeld der Insolvenz nicht anerkennt. Betrachtet man die teilweise komplizierten Bestimmungen der Gläubigerorganisation im Regel- und Planverfahren, liegt es mit dem BGH nahe, dass es nicht der gesetzlichen Konzeption entspricht, diese im Wege der Rechtsfortbildung 1:1 auf das Vorfeld der Insolvenz zu übertragen. Auch eine auf das wesentliche Strukturprinzipien beschränkte Heranziehung der im Insolvenzverfahren geltenden Gläubigerorganisation, um damit die Geltung des Mehrheitsprinzips für alle Gläubiger zu verwirklichen, scheint vom Gesetzgeber nicht gewollt zu sein. Andernfalls müsste man die berechtigte Frage stellen, warum die bestehenden Regelungen der InsO so ausdifferenziert sind und eine einheitliche Abstimmung nach Köpfen oder Forderungsbeträgen gerade nicht vorgesehen ist (vgl. § 222 InsO). Für den Bereich der von der Praxis geforderten außergerichtlichen Sanierung besteht hiernach zumindest aus der Perspektive des Insolvenzrechts keine plan49 Ausnahmen bestehen jedoch beim Konsortialkredit, der jedoch stets nur einen Teil der Gläubiger repräsentiert. 50 Nach Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 583, sei der Verhandlungsraum der Beteiligten bei der Unternehmensreorganisation gewissermaßen juristisch überwölbt. 51 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.25: Gläubigergemeinschaft ist regelmäßig eine „Verlustgemeinschaft“; Schulz, Treuepflichten unter Insolvenzgläubigern, Rn. 300 ff. 52 Pointiert Maus, DStR 2002, 1059, 1062: Die Nachteile der außergerichtlichen Abwicklung sind die Vorteile der gerichtlichen Abwicklung: Die Akkordstörer können überstimmt werden.

V. Erste kritische Würdigung

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widrige Regelungslücke, die es rechtfortbildend durch die Etablierung von mit dem Insolvenzplanverfahren vergleichbaren Regelungen zu schließen gilt.53 Ob dieser prinzipielle Umkehrschluss zum Insolvenzrecht indessen mit dem BGH dazu führt, dass der Rechtsfortbildung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG kategorisch eine Grenze gesetzt wäre, ist hiermit noch nicht entschieden. Insofern besteht durchaus Raum, nach anderen – originär zivilrechtlichen – Ansätzen zu suchen, die eine Sonderverbindung der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten auch im Vorfeld der Insolvenz zu begründen vermögen.

2. Die Zweckbindung aufgrund hypothetischer Verträge als unzulässige Fiktion Hier bei zeigt sich jedoch, dass der in der ökonomischen Theorie vielfach anzutreffende Gedanke des hypothetischen Vertrages54 jedenfalls kein normativ maßgeblicher Aspekt sein kann, den aktuellen Willen eines an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zu überwinden. Zu bedenken ist einmal, dass sich das für die Begründung einer auf den gemeinschaftlichen Kooperationsgewinn bezogenen Sichtweise herangezogene Kaldor/Hicks-Kritrium in der Praxis der vorinsolvenzlichen Unternehmenssanierung kaum rechtssicher handhaben lässt. Die ökonomisch begründete Legitimation einer Rechtspflicht beruht auf der Erwägung, dass es dem hiervon Betroffenen letztlich nicht schlechter geht, als wenn er sich regelwidrig verhalten würde. Im Ergebnis dehnt eine auf diese Weise legitimierte Kooperationspflicht den gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO maßgeblichen Günstigkeitsvergleich auf das Vorfeld der Insolvenz aus, um hierüber eine Bindung des Einzelnen an den Mehrheitswillen bzw. an das als Gesamtinteresse verstandene „Wertsteigerungsprinzip“55 zu begründen. Innerhalb des Insolvenzverfahrens ist dieser Legitimation der Mehrheitsmacht zuzustimmen. Der gerichtlich überwachte und mit einer drohenden Schadensersatzhaftung (§ 60 InsO) 56 disziplinierte Insolvenzverwalter gewährleistet eine große Sicherheit bei der Berechnung der aktuellen Insolvenzquote. Die (potentiell) dissentierenden Gläubiger können zumindest in groben Zügen kalkulieren, ob das von der Mehrheit gewünschte Konzept insofern eine Verbesserung bringt und die Anforderungen gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO damit erfüllt sind. Im Vorfeld der Insolvenz fehlt es hingegen an einer entsprechenden „Instanz“. Der Günstigkeitsvergleich muss daher sehr vage ausfallen und wird 53 So auch Kuntz, ZIP 2008, 814, 816, wonach die Gläubiger untereinander außerhalb des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht zur Treue verpflichtet seien. 54 Grundlegend Rawls, A Theory of Justice, 1972; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610 f. 55 Vgl. Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 122 f.: Die Erhöhung des Unternehmenswertes hat Vorrang vor seiner Verteilung. 56 Zur Haftung des Verwalters gegenüber einzelnen Insolvenzgläubigers statt anderer Uhlenbruck, InsO, § 60 Rn. 16 f.

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

möglicherweise durch das opportunistische Verhalten einzelner Gläubiger verzerrt dargestellt. Da der einzelne Beteiligte im Vorfeld der Insolvenz kaum Möglichkeiten hat, die Richtigkeit der angebotenen Information zu überprüfen, spricht Vieles dafür, eine auf das Kaldor/Hicks-Kritierum abstellende Begründung von Kooperationspflichten bereits aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. Für die Frage, in welchem Zeitpunkt die Kooperationspflicht beginnen und enden soll, gilt dies gleichermaßen.57 Darüber hinaus vermag die Figur des hypothetischen Vertrags eine aktuelle Motivation der Beteiligten nur schwer als widersprüchlich und damit vernachlässigenswert einzustufen. Die Prämisse, dass die Beteiligten einer zu begründenden Regel zugestimmt hätten, wenn sie die Folgen eines regelwidrigen Verhaltens vorhergesehen hätten, 58 ist nämlich nur insofern nachvollziehbar, als es das Verhalten der jeweils anderen betrifft. Der Beteiligte, der aktuell „regelwidrig“ entscheiden will, hat hierfür seine Gründe, die er konsequenterweise auch hätte vorhersehen müssen.59 Die Rechtsfigur des hypothetischen Vertrages ist daher – insofern in vollständiger Übereinstimmung mit dem Ansatz Eidenmüllers – nur geeignet, aktuelle Informationsdefizite zu beheben, mithin die Beteiligten an einen Tisch zu zwingen. 60 Das Akkordstörerproblem wird auf diese Weise wenigstens entschärft, indem diejenigen, die ein besonderes Interesse an der außergerichtlichen Sanierung haben, versuchen können, die anderen von einer Mitwirkung zu überzeugen. Für die Frage, wie sich die Beteiligten sodann verhalten, vermag ein derartiger hypothetischer Vertrag keine Lösung zu bieten. 61 Einem an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, der sich in Kenntnis des Sanierungsvorhabens dafür entscheidet, dieses zu boykottieren, kann nicht unterstellt werden, er hätte im Rahmen eines vorher geschlossenen hypothetischen Vertrages in Kenntnis der künftigen Entwicklung einer dieses Verhalten sanktionierenden Regel zugestimmt. In der ökonomischen Theorie wird diese negative Schlussfolgerung indessen dadurch ausgeräumt, dass man die vorherige, hypothetische Zustimmung unter den Vorbehalt stellt, ex ante müsse allein die Chance anerkannt worden sein, später nicht in die Situation des mittels der hierauf begründeten Regel in die Verliererrolle Gedrängten zu gelangen. 62 Der hypothetische Vertrag hat hier57 Vgl. zum Beginn der Kooperationspflicht bei Vorliegen eines Reorganisationsverlangens aufgrund extern oder intern diagnostizierten Reorganisationsbedarfs Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 704 ff.; zum Ende ders,, Unternehmenssanierung, S. 794 ff. 58 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610. 59 Hierzu ausführlich Graf, Vertrag und Vernunft, S. 114 f., 146 ff. 60 Zu den aus dem gesellschaftsähnlichen Rechtsverhältnis resultierenden Verhandlungsund Mediationspflichten Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 709 ff. 61 Abw. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 731 ff. (Stillhaltepflicht), S. 738 ff. (Zustimmungspflichten bei Überbrückungskrediten und Umschuldungsvereinbarungen; dagegen OLG Hamm, NJW-RR 1991, 984). 62 Vgl. Engert, FS Heldrich, 2005, S. 87, 93 f.

V. Erste kritische Würdigung

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nach letztlich nicht den Inhalt, sich einer bestimmten Regel zu unterwerfen. Er hat vielmehr umgekehrt den Inhalt, dass der Einzelne von einer abstrakt vorzugswürdigen Regel nicht betroffen wird, so dass hierüber allein jeweils die anderen Vertragsparteien diszipliniert werden sollen. Der evidente Widerspruch, dass niemand in Vorhersehung seines späteren Verhaltens einer dem entgegenstehenden Regel ex ante zugestimmt hätte, wird hierdurch zwar ausgeräumt. Zugleich relativiert dieses Verständnis jedoch die normative Kraft des hypothetischen Vertrages als solches. Bildlich gesprochen stimmen die Beteiligten hiernach einem Vertrag nach dem „St. Florians-Prinzip“ zu: Ich bin damit einverstanden, dass ein Regime von Kooperationspflichten besteht, habe aber die Erwartung, dass ich hierdurch nicht in meiner späteren Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werde, sondern ein anderer Vertragspartner. Rechtsgeschäftlich können Verträge, die auf „alle Eventualitäten“ eingehen, durchaus geschlossen werden. Ob sie hingegen auch aus der Ex-post-Perspektive – und nur auf die kommt es bei der Frage nach aktuell bestehenden Kooperationspflichten an – unterstellt werden können, erscheint zweifelhaft. Immerhin ist der Anlass, diese Ex-post-Perspektive einzunehmen, allein der ex ante zu unterstellende unwahrscheinliche Fall. Zu bedenken ist weiterhin, dass § 762 Abs. 1 BGB für eine vergleichbare Konstellation Grenzen rechtsgeschäftlicher Bindung setzt. Hiernach sind Verträge mit der sich im Vertrag niederschlagenden entgegengesetzten Erwartung der jeweiligen Parteien, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, als aleatorische Rechtsgeschäfte unverbindlich. 63 Für einen hypothetischen Vertrag mit diesem Inhalt, muss zumindest im deutschen Recht konsequenterweise dasselbe gelten. Die Figur des hypothetischen Vertrags ist daher für die Begründung normativer Regeln ungeeignet und vermag die pluralistische Gläubigerstruktur bei der Unternehmensfinanzierung nicht durch ein Regime von Kooperationspflichten auszuräumen. Auch die Überwölbung individuellen Vorteilsstrebens auf Kosten anderer mittels eines vermeintlich im Interesse der Beteiligten zu unterstellenden hypothetischen Vertrages ist letztlich eine Form von Paternalismus, die der ökonomische Ansatz vom effizienten Vertrag gerade auf das Notwendigste beschränken will. Es bleibt somit im Hinblick auf die außergerichtliche Sanierung zunächst bei der auch von Eidenmüller anerkannten Grundregel, wonach das individuelle Vorteilsstreben für eine den Grundprinzipien verpflichtete Rechtsordnung schlechthin konstitutiv ist. 64

63 64

Hierzu ausführlich Servatius, WM 2004, 1804, 1808 ff. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 21.

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

3. Die Unternehmensfinanzierung als schlichte Interessengemeinschaft? Der Ansatz Eidenmüllers, Kooperationspflichten zur Reduzierung des Kollektivhandlungsrisikos auf der Grundlage eines hypothetischen Vertrags zu entwickeln, ist indessen nicht der einzige. In der Literatur gibt es seit langem Versuche, die Unternehmensgläubiger als Gefahren- bzw. Interessengemeinschaft iSv. §§ 741 ff. BGB (analog) zu sehen und hieraus entsprechende Pflichten abzuleiten. 65 Man könnte somit die oben skizzierten Zweifel an der normativen Bedeutung hypothetischer Verträge dadurch ausräumen, dass man auf der Grundlage der gesetzlich immerhin in §§ 741 ff. BGB anerkannten Rechtsfigur der Interessengemeinschaft das Mehrheitsprinzip gemäß § 745 Abs. 1 BGB etabliert und hierüber einen Ansatz begründet, das individuelle Vorteilsstreben des Einzelnen durch die auf ein Gesamtinteresse verpflichtete Mehrheitsmacht einzudämmen. Zu begründen wäre hierüber zwar keine gesellschaftsrechtliche Zweckbindung, da die §§ 741 ff. BGB den gemeinsamen Zweck in Abgrenzung zu § 705 BGB gerade nicht voraussetzen. 66 Zu überlegen wäre jedoch, das an sich legitime individuelle Vorteilsstreben der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten durch eine vergleichbare Interessenbindung einzuschränken. 67 Hierfür bedürfte es jedoch einer Begründung, warum es in concreto erforderlich ist, eine bestimmte Personengruppe als Gemeinschaft anzusehen und die hierauf begründete Mehrheitsherrschaft mit der Wahrung eines überindividuellen Gesamtinteresses zu legitimieren – sei es ökonomisch betrachtet die Steigerung des Kooperationsgewinns oder für die hier interessierende Unternehmensfinanzierung das Ziel der Insolvenzvermeidung. a. Die Entscheidung des RG zur beschränkten Vorratsschuld Bereits das RG hat im Jahr 1914 entschieden, dass die – rechtsgeschäftlich unverbundenen – Gläubiger einer beschränkten Vorratsschuld eine solche Gemeinschaft bilden könnten, auf deren Grundlage sich außerhalb der Insolvenz eine anteilsmäßige Befriedigung aller begründen ließe und damit eine Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens. 68 Die tragende Erwägung des RG, die Gläubiger einer beschränkten Vorratsschuld als Gefahrengemeinschaft zu sehen, liegt darin begründet, dass der vorhandene Erfüllungsgegenstand nicht 65 Behmer, Der außergerichtliche Sanierungsvergleich, 1983, S. 37 ff.; Habscheid, in GS Bruns, 1980, S. 253, 262 ff. („Gefahrengemeinschaft aller Gläubiger“). 66 Unstreitig, vgl. nur K. Schmidt, in Münch Komm BGB, § 741 Rn. 4. 67 Die überwiegende Meinung lehnt dies freilich für die schlichte Interessengemeinschaft bisher ab (vgl. nur OLG Köln, VersR 1997, 709: keine wechselseitigen Schutzpflichten; OLG Düsseldorf, DB 1998, 2159: keine Pflicht zur Förderung wirtschaftlicher Interessen; weitergehend jedoch nur K. Schmidt, in Münch Komm BGB, § 741 Rn. 35). 68 RGZ 84, 125, 128 ff.

V. Erste kritische Würdigung

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ausreicht, alle Gläubiger voll zu befriedigen. Konkret ging es darum, dass ein Saatbetrieb infolge anhaltender Dürre von einer bestimmten Samenart einen so geringen Ertrag erzielt hatte, dass es dem Betrieb nicht möglich war, die für dieses Erzeugnis in angemessenem Umfang üblicherweise vorzeitig eingegangenen Lieferungsverpflichtungen zu erfüllen. 69 Eidenmüller sieht hierin eine Parallele zu den hier interessierenden Sanierungskonstellationen.70 In beiden Fällen gehe es den Gläubigern zwar primär um die Befriedigung der eigenen Forderung. Ein gemeinsames Interesse entstehe jedoch dadurch, dass die rücksichtslose Verfolgung der jeweiligen Einzelinteressen zu einem Zustand führen kann, der für alle (!) Gläubiger suboptimal sei. Wenn sich bei der beschränkten Vorratsschuld einige unkooperativ verhalten, erlangen die anderen nichts. Konsequenterweise sei das unkooperative Verhalten eines Einzelnen ein ggf. rechtlich zu missbilligender Widerspruch zum „gemeinsamen Interesse an der Maximierung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse“.71 Die immerhin gesetzlich anerkannte schlichte Interessengemeinschaft sei konsequenterweise ein weiterer dogmatischer Ansatz, das individuelle Vorteilsstreben eines Gläubigers im Vorfeld der Insolvenz auch ohne Rückgriff auf die Figur des hypothetischen Vertrages eindämmen zu können. b. Die Verwaltung von Knappheit als notwendige Legitimation der Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens Bei näherer Betrachtung begegnet diese Sichtweise Einwänden. Zum einen verdeutlicht die vom RG begründete anteilige Befriedigung der Käufer des Samens, dass es bei der Legitimation des dort angewandten Gleichbehandlungsgrundsatzes abweichend von der Erkenntnissen der Spieltheorie 72 nicht darauf ankommt, dass durch abgestimmtes Verhalten der Korporationsgewinn gesteigert wird. Der als Leistungsgegenstand vorhandene Samen war eine feste Größe. Es ging allein um die als unproduktives Spiel zu kennzeichnende Frage, ob einige Gläubiger durch den schnellen Zugriff nach dem in der Zwangvollstreckung maßgeblichen Prioritätsprinzip vollständige Befriedigung erlangen dürfen und andere konsequenterweise nur eine geringe bzw. gar keine. Die Legitimation der rechtsfortbildend begründeten Gefahrengemeinschaft folgt allein aus der Notwendigkeit, eine Knappheit zu verwalten und unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit die durch die Privatautonomie gewährleistete Freiheit, um des eigenen Vorteils Willen zu handeln, zu Gunsten der Gleichbehandlung einzuschränken. 69 70 71 72

RGZ 84, 125, 125 f. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 599. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 599. Oben II.

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§ 7 Überwindung der Interessenpluralität durch Kooperationspfl ichten?

Dass die auf diese Weise legitimierte Gefahrengemeinschaft als Einschränkung der Privatautonomie des Einzelnen nicht im hier interessierenden Kontext Geltung beansprucht, ergäbe sich aus einem weiteren Umkehrschluss zu den Regelungen der InsO. Sollte die zentrale Legitimation der durch die InsO bewirkten Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens auf Kosten anderer daraus folgen, dass erst in der materiellen Insolvenz das vorhandene Vermögen unzureichend ist, alle Gläubiger voll zu befriedigen, bedeutete dies umgekehrt, dass die Verwaltung von Knappheit nicht als Legitimation herangezogen werden kann, eine Interessenbindung der Gläubiger zur Insolvenzvermeidung bereits im Vorfeld der Insolvenz zu begründen. Ohne das Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit wäre es nicht gerechtfertigt, das prinzipiell legitime individuelle Vorteilsstreben mittels einer auf ein überindividuelles Ziel ausgerichteten Interessenbindung zu begründen.

VI. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass es zwar viele Gründe gibt, das bei der Unternehmensfinanzierung bestehende Kollektivhandlungsrisiko zu verringern, die Beteiligten jedoch nicht auf der Grundlage eines umfassenden Systems von Kooperationspflichten zur Zusammenarbeit bei der außergerichtlichen Sanierung mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung verpflichtet werden können. Bereits die solchen Pflichten zu Grunde liegenden ökonomischen Folgerungen aus dem Gefangendilemma sind nicht widerspruchsfrei. Zum einen wird vernachlässigt, dass es den Parteien aus ideellen oder sonstigen „sachfremden“ Gründen durchaus darum gehen kann, unter Inkaufnahme eines hohen Risikos ein den Annahmen der Spieltheorie widersprechendes Einzelinteresse zu verfolgen. Will man den notwendigen Interessengleichlauf der Beteiligten durch die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel („Wertsteigerungsprinzip“) zu erzwingen, muss zum anderen ein produktives Spiel vorliegen, was sich bei der Unternehmensfinanzierung kaum rechtssicher feststellen lässt. Auch die Figur des hypothetischen Vertrags vermag die Verpfl ichtung der einzelnen zum abgestimmten Verhalten und die etwaige Überwindung eines entgegenstehenden aktuellen Willens (und nur darum kann gehen!) nicht zu begründen. Der BGH hat das Akkordstörerproblem im Vorfeld der Insolvenz zutreffend nicht auf der Grundlage einer hieraus abgeleiteten gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung entschieden. Das Obstruktionsverbot gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO beansprucht nur im geordneten und vom Insolvenzverwalter und -gericht überwachten Verfahren Geltung, nicht aber im Bereich der außergerichtlichen Sanierung. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung aufgrund einer im vornherein erfolgten hypothetischen Unterwerfung scheidet als unzulässige Fiktion aus. Ein überzeugender Begründungsansatz, den an der

VI. Zwischenergebnis

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Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen eine kollektive Pflichtenbindung aufzuerlegen, wäre allein, sie bereits im Vorfeld der Insolvenz als schlichte Interessengemeinschaft anzusehen und hieraus rechtsfortbildend Vorgaben für die Überwindung individuellen Vorteilsstrebens zu Gunsten überindividueller Nützlichkeit abzuleiten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, den vom RG entwickelten Aspekt der Gefahrengemeinschaft aufzugreifen, wonach die normative Beschränkung individuellen Vorteilsstrebens allein mit einem Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit unter Knappheitsbedingungen legitimiert werden kann. Nachfolgend gilt es daher herauszuarbeiten, ob sich dem Insolvenzrecht Wertungen entnehmen lassen, dass bereits im Vorfeld der Insolvenz ein solches Bedürfnis besteht.

§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese „Die Quelle aller Konkurse ist der Kredit.“1 – Um die Unternehmensinsolvenz als Regelungsproblem zu erfassen, bedarf es des Rückgriffs auf zwei scheinbar banale Prämissen: Zum einen ist anzuerkennen, dass eine fortschrittliche Wirtschaftsordnung, die sich nicht auf eine bloße Tauschwirtschaft beschränkt, ohne Kredit – oder allgemeiner gesagt ohne Finanzierung – nicht denkbar wäre. Darüber hinaus gilt, dass jedes wirtschaftliche Handeln die Gefahr des Scheiterns in sich birgt. Wann dieses Scheitern unternehmerischer Tätigkeit vorliegt, kann auf verschiedene Weise definiert werden. Ist es bereits das Ausbleiben unternehmerischen Erfolgs, weil die von den Kapitalgebern erwartete Rendite nicht erwirtschaftet wird? Ist es die Beendigung des Unternehmens aufgrund eines freiwilligen Entschlusses seiner Eigentümer oder zwangsweise, weil die Fremdkapitalgeber nicht mehr zur Finanzierung bereit sind? Ist es der finanzielle Ruin? Der Spielraum, das unternehmerische Scheitern zu definieren, ist denkbar weit und variiert nach den unterschiedlichen Perspektiven der am Unternehmen beteiligten Personenkreise. Der Gesetzgeber hat mit dem Insolvenzverfahren ein Instrument bereit gestellt, welches an das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit anknüpft und die eigenverantwortliche Schuldenregulierung – zumindest vorläufig – durch ein staatlich überwachtes Verfahren ersetzt. Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit an formale und materielle Voraussetzungen geknüpft. Erstere zeigen sich im Antragserfordernis gemäß § 13 Abs. 1 InsO, Letztere durch die Anknüpfung an bestimmte Insolvenzgründe (§§ 16 ff. InsO). Wie sich zeigen wird, knüpfen diese an eine durch den Beginn der Knappheit des Schuldnervermögens bedingte gesteigerte Gläubigergefährdung infolge einer bereits erfolgten Marktauslese an. Sie vermögen damit einerseits das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit überzeugend zu definieren. Sie zeigen darüber hinaus, dass sich eine kollektive Verantwortung der Beteiligten zur Insolvenzvermeidung auf der Grundlage einer schlichten Interessengemeinschaft mangels Bedürfnisses nach Verteilungsgerechtigkeit nicht begründen lässt.

1

Leopold Levi, Lehrbuch zum Konkursrecht, 1926, S. 1.

I. Grundprobleme bei der Defi nition der Unternehmensinsolvenz

201

I. Grundprobleme bei der Definition der Unternehmensinsolvenz Die Insolvenzgründe „Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“ knüpfen – vereinfacht gesagt – an eine bereits eingetretene wirtschaftliche Krise des Schuldners an und definieren ein zumindest vorläufiges Scheitern seiner unternehmerischen Tätigkeit. Bei der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ seht das Scheitern unmittelbar bevor. Bei allen Insolvenzgründen stellt sich die Frage, warum in einer solchen Situation überhaupt gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass es nicht per se ausgeschlossen ist, ein Unternehmen weitgehend oder sogar zu 100% fremd zu finanzieren. Nehmen die Gläubiger das Risiko einer bilanziellen Unterdeckung der Passiva bewusst in Kauf, bedarf es einer besonderen Begründung, ihre privatautonome Entscheidung durch ein staatlich überwachtes Insolvenzverfahren in Frage zu stellen und sie einer gesetzlichen Haftungsordnung zu unterwerfen. Die Fremdfinanzierung und die stichtagsbezogene Ermittlung einer Überschuldung sind damit allein noch kein zwingender Anlass, das Insolvenzverfahren und die hieraus folgenden Einschränkungen der Schuldner- und Gläubigerautonomie zu legitimieren. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass sich nicht jeder Gläubiger durch eine bewusste Entscheidung an der Unternehmensfinanzierung beteiligt und das Risiko eingehen will, dass sich die momentane Liquiditätskrise bzw. Überschuldung wieder zum Guten wendet. Man denke nur an die unfreiwilligen Gläubiger, die zum Beispiel aus Delikt Ansprüche erlangten und diese im Einklang mit § 271 Abs. 1 BGB sofort vollständig beglichen haben wollen. Darüber hinaus lohnt es sich auch nicht für jeden Gläubiger, eine konkrete Risikoabschätzung vorzunehmen und sich in der vom Unternehmen als „vorläufig“ bezeichneten Krise zu Zugeständnissen überreden zu lassen. Das Insolvenzverfahren bedeutet wegen dieser Interessenpluralität in jedem Fall einen Kompromiss. Der Gesetzgeber steht vor der Aufgabe, mit den Insolvenzgründen einen Zeitpunkt zu finden, der es einerseits rechtfertigt, das zumindest vorläufige Scheitern unternehmerischer Tätigkeit im Hinblick auf die bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu finden, andererseits die eigenverantwortliche Schuldenregelung der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten nicht unverhältnismäßig einschränkt. Auch gesamtwirtschaftlich betrachtet darf es sich der Gesetzgeber bei der Definition des (vorläufigen) unternehmerischen Scheiterns als materielle Legitimation des Insolvenzverfahrens nicht zu leicht machen. Fragt man nach der Bedeutung der Insolvenz für den wirtschaftlichen Wettbewerb, lässt sich nämlich nicht eindeutig sagen, ob sie nützlich oder schädlich ist. Ernst Jaeger behauptete bereits im Jahr 1932, der Konkurs sei ein „Wertvernichter schlimmster

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Sorte und obendrein das teuerste Schuldentilgungsverfahren“. 2 Stellt man allein auf die im Insolvenzfall anlaufenden Forderungsverluste ab, spricht Vieles für die Richtigkeit dieser Einschätzung. Nach Ermittlung der Creditreform betrugen die als „Insolvenzschäden“ bezeichneten Forderungsausfälle privater Gläubiger und der öffentlichen Hand im Jahr 2006 immerhin mehr als 32 Mrd. Euro.3 Weiterhin ist zu bedenken, dass bei einer insolvenzbedingten Zerschlagung oder Stilllegung eines Unternehmens Arbeitsplätze verloren gehen.4 Die hierdurch sinkende Kaufkraft kann zu einer Verödung gewachsener Wirtschaftsund Sozialstrukturen in einer Region führen. Dies verursacht für die öffentliche Hand nicht nur niedrigere Steuereinnahmen, sondern zusätzliche Kosten in Form von Sozialleistungen. Wegen der zunehmenden nationalen und internationalen Verflechtung von Unternehmen und der ebenso weit verzweigten Ausdehnung des Kreditwesens kann eine Unternehmensinsolvenz größeren Ausmaßes eine Kettenreaktion auslösen und über die Grenzen eines Wirtschaftsraumes hinaus volkswirtschaftliche Schäden hervorrufen.5 Es spricht somit einiges dafür, das „lebende Unternehmen“ als ideale Voraussetzung für einen sich selbstregulierenden Wirtschaftsprozesses anzusehen. Diese Sichtweise wäre jedoch zu einseitig. Der auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftsprozess benötigt nämlich auch eine gewisse Auslese. Vor diesem Hintergrund ist seit langem anerkannt, dass die Unternehmensinsolvenz auch eine vorteilhafte „Reinigungsfunktion“ haben kann. 6 Die Verluste, die beim insolvenzbedingten Ausscheiden eines lebensunfähigen Unternehmens entstehen, sind hiernach gleichsam eine notwendige Prämie, des Selbstreinigungsprozesses einer ansonsten „sauberen“ Wirtschaft.7 Die Unternehmensinsolvenz ist insofern ein durchaus positiv zu beurteilender „Prozess schöpferischer Zerstörung“. 8 Nimmt man diesen Prozess zum Ausgangspunkt der Gesetzgebung, spricht gesamtwirtschaftlich betrachtet nichts gegen die Existenz eines staatlichen Insolvenzrechts. Voraussetzung ist jedoch, dass sich das Insolvenzrecht in 2

Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, S. 216; weitere vernichtende Zitate über das deutsche Konkursrecht bei Uhlenbruck, BB 2001, 1641, 1641. 3 Quelle: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung, Bericht „Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen“ 2006, S. 20. 4 Hierzu Damm, ZIP 1985, 570, 577 f. Der „insolvenzbedingte Arbeitsplatzverlust“ betraf im Jahr 2006 473.000 Arbeitnehmer (Quelle: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung, Bericht „Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen“ 2006, S. 21). 5 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 19. 6 Pointiert Schumpeter, Konjunkturzyklen, Band I, S. 103: „Konkurs als Instrument zur Ausschaltung überzähliger Wirtschaftseinheiten“; ders., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 342: „wettbewerbsregelnde Funktion des Konkurses“. 7 Kritisch Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 5, unter Hinweis, dass es eine Vielzahl von Gründen gebe, die ein (Anm. d. Verf.; wohl insolvenzwürdiges) Unternehmen gegen marktwirtschaftliche Sanktionsimpulse immun macht. 8 So Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 5.

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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den Markt einfügt, mithin an einen aus dem Markt selbst resultierendend Prozess der Marktbereinigung anknüpft.9 Werden diese Voraussetzungen eingehalten, ist nicht das Insolvenzverfahren der „Wertevernichter“ im Sinne Jaegers, es zeichnet vielmehr die bereits erfolgte Auslese lebensunfähiger Unternehmen lediglich nach und verhindert aus Gründen des Gläubigerschutzes ein „Weiterwirtschaften um jeden Preis“. Nachfolgend soll nunmehr herausgearbeitet werden, dass diese Anbindung an die Marktgegebenheiten bei den Insolvenzgründen eingehalten wurde. Sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung sind letztlich nicht mehr als die konsequente Verwirklichung von Gläubigerschutz auf der Grundlage einer bereits erfolgten Marktauslese. Die Insolvenzgründe markieren so nicht nur eine zwingend zu beachtende, sondern auch eine überzeugende zeitliche Grenze für die Zulässigkeit der mit der durch Selbstregulierung zu erzielenden Effizienz begründeten privatautonomen Modelle zur Krisenbewältigung als marktwirtschaftliche Alternativen zum staatlichen Insolvenzverfahren. Darüber hinaus wird gezeigt, dass die in den Insolvenzgründen definierte gesetzliche Anknüpfung der Unternehmensinsolvenz an eine bereits erfolgt Marktauslese die bis dahin bestehende Freiheit der Beteiligten bestätigt, sich ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend zu verhalten. Eine Marktauslese setzt einen funktionierenden Markt voraus, mithin dass die Marktteilnehmer von individuellen Vorteilsstreben geleitet eigenverantwortlich handeln. Herausgearbeitet wird, dass es zumindest de lege lata nicht der Konzeption der InsO entsprechen würde, diese Freiheit durch ein System von Verhaltenspflichten, die darauf zielen, es überhaupt nicht zu dieser Marktauslese kommen zu lassen, einzuschränken.

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht Will man ermitteln, auf welche Weise das Insolvenzrecht das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit definiert, bedarf es eines Rückgriffs auf die Ziele des Insolvenzverfahrens und die Mittel, die die InsO zur Verwirklichung dieser Ziele vorsieht.

1. Die Ziele des Insolvenzverfahrens Nach § 1 S. 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuld9 Eine solche „Marktkonformität“ wird der InsO insgesamt von Balz bescheinigt (Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 18 Rn. 48 f.).

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

ners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Nach § 1 S. 2 InsO wird dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. a. Gläubigerbefriedigung Mit der zum 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Regelung des § 1 S. 1 InsO hat sich der Gesetzgeber deutlicher als zuvor10 für die Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens ausgesprochen. Eine Instrumentalisierung des Verfahrens für öffentliche oder soziale Zwecke ist somit von vornherein ausgeschlossen.11 Die gläubigerschützende Ausrichtung des Insolvenzverfahrens wird auch durch das Antragsprinzip deutlich. Indem den Gläubigern gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 InsO das Recht zur Einleitung des Verfahrens eingeräumt wird, gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass das Verfahren ein Mittel zur Verwirklichung ihrer Interessen ist. Auch materiell ist das Insolvenzverfahren auf die Verwirklichung von Gläubigerinteressen gerichtet, indem die Verfahrenseröffnung gemäß § 16 InsO an das Vorliegen eines Insolvenzgrundes geknüpft wird. Dies ist im Regelfall des § 17 Abs. 1 InsO die Zahlungsunfähigkeit bzw. gemäß § 18 InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit, bei juristischen Personen gemäß § 19 Abs. 1 InsO auch die Überschuldung. Allen Eröffnungsgründen ist gemein, dass sie aus Sicht der Gläubiger eine besondere Gefährdung dahingehend signalisieren, das investierte Kapital zurückzuerlangen. Bereits in den Motiven zur Konkursordnung von 1877 hieß es daher treffend: „Wo es keinen Kredit gibt, da ist der Konkurs kaum denkbar“.12 b. Entschuldung Besteht hiernach kein Zweifel, die Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens anzuerkennen, ist dies für die in § 1 S. 2 InsO genannte Entschuldung des redlichen Schuldners problematisch. Die Grund hierfür liegt in der missverständlichen Formulierung, wonach sich der Gesetzgeber auf die bloße Feststellung beschränkt hat, dem redlichen Schuldner werde die Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Zur Kodifizierung eines gesetzlichen Verfahrensziels hätte es sich vielmehr die Klarstellung angeboten, dass das Insolvenzverfahren auch der Entschuldung des red-

10

Die Vorschrift hat weder in der VglO, der KO oder der GesO einen Vorläufer (Braun/ Kießner, InsO, § 1 Rn. 1). 11 Hierfür mit Nachdruck Häsemeyer, FS Uhlenbruck, S. 97 ff.; Smid, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 14 ff. 12 Vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zur Konkursordnung, S. 292.

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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lichen Schuldners dient. Man könnte daher annehmen, die Entschuldung sei lediglich eine hinzunehmende Folge des Verfahrens, nicht aber dessen Ziel. Dass eine solche Interpretation nicht der gesetzlichen Konzeption entspricht, ergibt sich bereits aus der Überschrift von § 1 InsO, wonach das Insolvenzverfahren mindestens zwei „Ziele“ hat. Auch das Antragsprinzip, welches gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 InsO auch dem Schuldner die Einleitung des Verfahrens ermöglicht, spricht dafür, den Schuldnerschutz und damit auch dessen Entschuldung als eigenständiges Verfahrensziel anzuerkennen. Für die Unternehmensinsolvenz hat dieses jedoch eine sehr beschränkte Bedeutung, denn § 1 S. 2 InsO bezieht sich vor allem auf die mit der InsO erstmals eingeführte Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO. Diese ermöglicht natürlichen Personen, sich auf Antrag und unter Einhaltung besonderer Anforderungen von den verbliebenen Verbindlichkeiten zu befreien. Insbesondere im Fall der Verbraucherinsolvenz ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch Eigenantrag iSv. § 14 Abs. 1 S. 2 InsO ein vom Gesetzgeber bereit gestelltes Mittel, die eigenverantwortliche Schuldenregulierung aufzugeben, um auf diese Weise in den Genuss der Entschuldung zu kommen. Ist der Schuldner hingegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft, kommt die Restschuldbefreiung nicht in Betracht. Eine Entschuldung, d. h. die Befreiung von Verbindlichkeiten, tritt bei diesen Schuldnern nur im Planverfahren ein, wenn die Gläubiger Entsprechendes beschließen (vgl. §§ 254 ff. InsO).13 Das Regelverfahren sieht dies gerade nicht vor. Die Insolvenzgläubiger können gemäß § 201 Abs. 1 InsO vielmehr nach der Aufhebung des Verfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen und auf Befriedigung hoffen. Eine gesetzliche Entschuldung erfolgt auch nicht durch die im Regelfall erfolgende Amtslöschung wegen Vermögenslosigkeit einer insolventen AG und GmbH gemäß § 141 a Abs. 1 S. 2 FGG bzw. durch die Vollbeendigung von Personengesellschaften gemäß § 728 Abs. 1 S. 1 BGB, § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB.14 Zum einen wird die Löschung bzw. Vollbeendigung im Wege der Nachtragsliquidation rückgängig gemacht, wenn sich im nachhinein herausstellt, dass der Gesellschaft Vermögenswerte zustehen.15 Die Gläubiger können dann auch nach Erlöschen bzw. Vollbeendigung hierauf gemäß § 201 Abs. 1 InsO zugreifen. Zum anderen spricht das Erlöschen bzw. die Vollbeendigung des Schuldners in diesen Fällen notwendigerweise dagegen, dem erlöschenden bzw. vollbeendigten Schuldner ein eigenes Interesse an der Entschuldung zuzubilligen. 13 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.42 ff. Für das Insolvenzplanverfahren ebenso Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 49 f.: Ob und wie eine Unternehmensreorganisation erfolgen sollte, müssen die Gläubiger entscheiden. 14 Hierzu statt anderer für die GbR Gummert, in Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 22 Rn. 24 ff.; für die OHG Butzer/Knof, in Münchener Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 85 Rn. 50. 15 Zur herrschenden Lehre vom Doppeltatbestand des Erlöschens statt anderer Scholz/ Schmidt, GmbHG, § 60 Rn. 56 ff. (m. w. N.).

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Eine gesetzliche Entschuldung mittels Restschuldbefreiung kommt als Insolvenzziel demnach nur für Privatleute, Einzelunternehmen und Kleingewerbetreibende in Betracht.16 Nur bei diesen natürlichen Personen besteht das durch § 1 S. 2 InsO anerkannte Schutzbedürfnis der schuldenfreien Fortexistenz nach Abschluss des Regelverfahrens.17 Bei allen anderen Unternehmensträgern erlangt vorbehaltlich abweichender Regelungen im Planverfahren allein die Gläubigerbefriedigung iSv. § 1 S. 1 InsO als Ziel des Insolvenzverfahrens Bedeutung. c. Sanierung An dieser Interpretation der Ziele des Insolvenzverfahrens würde sich allenfalls etwas ändern, wenn der Sanierung von Unternehmen als eigenem – ungeschriebenem – Verfahrensziel Bedeutung zukäme. Die Sanierung wirtschaftlich angeschlagener, aber überlebensfähiger Unternehmen müsste demnach als Unterfall der Entschuldung iSv. § 1 S. 1 InsO zu sehen sein. In der Literatur finden sich Aussagen, dass die Sanierung seit Einführung der InsO Ziel des Insolvenzverfahrens sei.18 Auch wird vertreten, § 1 S. 1 InsO stelle die Aufgabe des Unternehmenserhalts durch Sanierung derjenigen der Haftungsverwirklichung als gleichwertig gegenüber.19 Diesen Ansichten kann jedoch zumindest nicht auf den Wortlaut von § 1 InsO gestützt werden. Hierin heißt es nämlich nicht, die abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, stünde als Alternative zur Befriedigung der Gläubiger bereit. Vielmehr ist das Insolvenzplanverfahren lediglich Alternative zu Verwertung des Schuldnervermögens. Im Grundsatz sind daher sowohl das Regel- wie auch das Insolvenzplanverfahren als vom Gesetzgeber als gleichwertig20 bereit gestellte Instrumente zu sehen, dem „Hauptziel der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger“21 zu dienen. Dass darüber hinaus der Sanierung des Schuldnerunternehmens in bestimmten Fällen ein besonderer Vorrang eingeräumt wird, der sich alle oder einige Gläubiger beugen müssen, wird hierdurch freilich nicht a priori ausgeschlossen.22 Eine solche „Sanierungsfreundlichkeit“ bzw. „Sanierungsoffen16 Stephan, in MünchKomm InsO, § 286 Rn. 60; Smid, Insolvenzrecht, § 30 Rn. 6. – Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.37 weist zu Recht darauf hin, dass diese Möglichkeit bei der Unternehmensinsolvenz den Druck auf die Gläubiger erhöht, eine einvernehmliche Schuldenregulierung mittels Insolvenzplans zu erreichen. 17 Pointiert Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.37: Entschuldungsverfahren im Dienste der Schuldnerexistenz. 18 Zuletzt Altmeppen, NJW 2005, 1911, 1914. 19 Smid, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11, 25. 20 Braun/Kießner, InsO, § 1 Rn. 4; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 778. 21 Begründung zu § 1 RegEInsO BT-Drs. 12/2443, S. 108 f.; BT-Drs. 12/7302, 155. 22 Ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.12, wonach es nicht ausgeschlossen sei, wirtschaftliche Zweckmäßigkeit in ein auf Haftungsverwirklichung angelegtes Insolvenzverfahren aufzunehmen.

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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heit“23 der InsO im Vergleich zu früheren KO lässt sich jedoch zumindest nicht anhand der Zielsetzung gemäß § 1 S. 1 InsO begründen. So heißt es auch in der Gesetzesbegründung, die Erhaltung von Unternehmen oder von Betrieben sei kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens.24 Das Insolvenzverfahren ist somit in erster Linie eine auf gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger zielende Haftungsordnung. 25 Es beinhaltet lediglich eine „Sanierungsoption“. 26

2. Die Funktionsweise der Zielverwirklichung Steht fest, dass das Insolvenzverfahren auf Befriedigung der Gläubiger gerichtet ist, ist noch nicht gesagt, an welche Gläubigergefährdung das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit konkret angeknüpft wird. Um dies herauszuarbeiten, bedarf es einer genaueren Untersuchung der Mittel, die das Insolvenzrecht zur Zielverwirklichung bereit hält. a. Einschränkung der Schuldnerautonomie Zentrale Merkmale des Insolvenzverfahrens sind der in § 80 Abs. 1 InsO geregelte umfassende Insolvenzbeschlag und der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter. Anstelle des in der Zwangvollstreckung geltenden Prioritätsprinzips ist es den Gläubigern nicht mehr möglich, aus dem Schuldnervermögen individuelle Befriedigung zu suchen. Umgekehrt kann der Schuldner keine Schuldentilgung mehr vornehmen. Das Insolvenzverfahren bewirkt hierdurch eine Einschränkung der individuellen Gläubiger- und Schuldnerautonomie zu Gunsten eines geordneten Verfahrens. Nach allgemeiner Ansicht kommt dem Insolvenzrecht hierdurch eine Funktion als Instrument zur Sicherung des sozialen Friedens zu. 27 Die Ausgestaltung als Verfahren führt zu einer Versachlichung der Beziehungen unter allen Beteiligten. 28 Die einzelnen Gläubiger können sich in gewisser Weise zurücklehnen, ohne befürchten zu müssen, im Zuge eines sofort eintretenden concursus creditorum irreparable Nachteile zu erleiden. Zudem wird durch den Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO verhindert, dass einzelne Gläubiger durch Absprache mit dem Schuldner bevorzugt werden. 29 23 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 778 sprechen von einer „Chance zur Erhaltung des schuldnerischen Unternehmens“. 24 BT-Drs. 12/2443, S. 108 f.; BT-Drs. 12/7302, 155. 25 Ganter, in Münch Komm InsO, § 1 Rn. 20. 26 So Paulus, BB 2001, 425, 425. 27 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.01; kritisch Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 11. 28 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.04. 29 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.02, spricht von der Verhinderung „Unfrieden stiftender Zugriffe“ und „eigensüchtiger Kumpanei“.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Sieht man im Insolvenzverfahren einen Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens, müssen die Insolvenzgründe konsequenterweise an eine Situation anknüpfen, in der der soziale Frieden gefährdet erscheint. Bereits hierdurch klingt an, dass das Insolvenzverfahren und damit auch die Insolvenzgründe zumindest im Regelfall ein unzureichendes Schuldnervermögen voraussetzen. Die Knappheit des Schuldnervermögens birgt in der Tat ein besonderes Konfliktpotential im Verhältnis der Gläubiger untereinander in sich. Steht nämlich fest, dass voraussichtlich nicht mehr alle Gläubiger vollständig befriedigt werden, ist das bis dahin mehr oder weniger stark ausgeprägte Vertrauen der Gläubiger auf die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Schuldners endgültig verloren. Die Gläubiger müssen befürchten, im Wettlauf mit den anderen zu kurz zu kommen und nehmen aus nachvollziehbaren Gründen ihr „Recht“ selbst in die Hand. Insbesondere bei Unternehmensinsolvenzen kann es zu turbulenten und gewalttätigen Verteilungskämpfen kommen.30 b. Einschränkung der Gläubigerautonomie Die Befriedungsfunktion ist eng verknüpft mit der durch die InsO bewirkten Chancengleichheit nach Verfahrenseröffnung.31 Die bis dahin geltende zweiseitige Haftungsordnung zwischen Gläubiger und Schuldner, die die Rechtsbeziehungen zu den übrigen Gläubigern im Regelfall unberührt lässt, wird ersetzt durch die Widmung des Schuldnervermögens zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (vgl. § 1 S. 1 InsO). Vorbehaltlich dinglicher Vorzugsrechte gemäß §§ 49 ff. InsO hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens insofern allseitige Wirkungen, als das Schuldnervermögen den Gläubigern im gleichen Maße – par conditio creditorum – zusteht. Die quotale Befriedigung ist das tragende Prinzip der InsO und damit die materielle Legitimation, die Gläubiger dieser Haftungsordnung zu unterwerfen.32 Auch dies bedingt, die Insolvenzgründe als Indiz für die Knappheit des Schuldnervermögens anzusehen. Wollte das Insolvenzverfahren den Gläubigern lediglich Hilfe bei der individuellen Durchsetzung ihrer Ansprüche helfen, bedürfte es den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht. Der in § 1 S. 1 InsO genannte Aspekt der gemeinschaftlichen Befriedigung kommt vielmehr erst dann zum Tragen, wenn Gründe erforderlich sind, Einbußen des Einzelnen zu legitimieren. Insgesamt liegt daher die Vermutung nahe, dass die Konzeption des Insolvenzverfahrens dadurch geprägt ist, dass nicht alle Gläubiger voll befriedigt werden und daher im Regelfall eine „Haftungsverwirklichung unter 30

Zu den „grauenhaften Folgen“ instruktiv Smid, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 18 f. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.13; Smid, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 22. 32 BGHZ 41, 101; Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 73 ff.; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 126 (m. w. N.). 31

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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Knappheitsbedingungen“ ist.33 Der BGH hat diese Einschätzung jüngst auf den Punkt gebracht: Ein Insolvenzverfahren solle immer – aber auch erst dann – eingeleitet werden, wenn nur noch die schnellsten Gläubiger zum Ziele kommen würden, die anderen hingegen leer ausgingen.34

3. Die vom Antragsprinzip ausgehenden Anreize Das Insolvenzverfahren wird gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 InsO nur auf Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 InsO die Gläubiger und der Schuldner. Während eine Reihe ausländischer Rechtsordnungen die Eröffnung eines Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens auch von Amts wegen zulassen,35 ist das Antragsprinzip fester Bestandteil des deutschen Insolvenzrechts. Im Gesetzgebungsverfahren zur InsO wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Verfahrenseröffnung von Amts wegen nicht mit der bestehenden Wirtschafts- und Privatrechtsordnung vereinbar sei.36 Sieht man von den Antragspflichten bei juristischen Personen gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG und § 92 Abs. 2 AktG ab, sollte durch das Festhalten am Antragserfordernis sowohl die Schuldner- als auch die Gläubigerautonomie respektiert werden. Den Beteiligten wird ein Verfahren bereitgestellt, welches sie zur Verfolgung ihrer individuellen Interessen einleiten können. Diese gesetzliche Anerkennung der Selbstregulierung und ihrer Effektuierung im Wege der Antragspflichten ist zu begrüßen. Wegen ihrer – wenn auch unterschiedlichen – Insiderstellung ist es den an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten im Regelfall leichter als dem Staat möglich, das Scheitern des Unternehmens zu erkennen und auf die gesetzlich bereit gestellten Schutzmechanismen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zurückzugreifen.37 Diese Freiheitsverwirklichung hat indessen ihren Preis. Dieser zeigt sich zeigt, wenn man untersucht, welche Anreiz vom Antragsprinzip ausgehen. a. Der Eigenantrag als Mittel zur Einschränkung der Gläubigerautonomie Ausgangspunkt ist der Eigenantrag des Schuldners gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 InsO. Das Insolvenzverfahren – bzw. genauer gesagt das Eröffnungsverfahren38 – kann hiernach auch vom Schuldnerunternehmen selbst in Gang gesetzt werden. Aus dem Umkehrschluss zu § 14 Abs. 1 InsO und § 15 Abs. 2 S. 1 InsO 33 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 18; ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.25: Gläubigergemeinschaft ist regelmäßig eine „Verlustgemeinschaft“. 34 BGH, NZG 2005, 811, 813. 35 Vgl. zum Beispiel Art. 4 Abs. 2 S. 5 Französ. InsolvenzG v. 25. 1. 1985. 36 So die Begründung RegE, vgl. Balz/Landfermann, S. 220. 37 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.02; Hommelhoff, ZfB 1988, H 7/8. 38 Hierzu ausführlich Gerhardt, ZZP 109 (1996), 415, 415 ff.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

folgt, dass der Schuldner beim Eigenantrag im Regelfall weder ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben noch den Eröffnungsgrund glaubhaft machen muss.39 Wird die Form gemäß § 4 InsO iVm. § 496 ZPO gewahrt, und liegt gemäß § 4 InsO iVm. § 51 ZPO Prozessfähigkeit des Antragstellers vor, bestehen beim Eigenantrag – anders als beim Antrag der Gläubiger – keine weiteren Zulässigkeitserfordernisse. Das Insolvenzgericht hat bei Eingang eines zulässigen Antrags sogleich in die gemäß § 5 Abs. 1 InsO von Amts wegen erfolgende „Begründetheitsprüfung“ einzutreten, ob ein Eröffnungsgrund gemäß §§ 16 ff. InsO gegeben ist oder nicht.40 Die geringen Anforderungen an die Zulässigkeit eines Eigenantrags machen deutlich, dass der Schuldner nach gesetzgeberischer Konzeption ermutigt werden soll, das Insolvenzverfahren zur Verfolgung eigener Zwecke – gerade im Hinblick auf die Sanierung des Unternehmens41 – zu nutzen. Auf den ersten Blick bringt das Insolvenzverfahren für das Schuldnerunternehmen nur Nachteile mit sich. Zu nennen sind insbesondere der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter und der allgemeine Insolvenzbeschlag gemäß § 80 InsO. Ähnliche weitreichende Einschränkungen der Schuldnerautonomie können gemäß § 21 InsO bereits im Eröffnungsverfahren angeordnet werden. Berücksichtigt man weiterhin, welchen schlechten Ruf das Insolvenzverfahren in der Öffentlichkeit genießt, spricht eigentlich nichts dafür, den in § 13 Abs. 1 S. 2 InsO gesetzlich vorgesehenen Eigenantrag als unternehmerisch sinnvolle Handlungsalternative anzusehen.42 Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Insolvenzverfahren nicht nur eine Einschränkung der Schuldnerautonomie herbeiführt, sondern die Gläubiger ebenfalls weitreichenden Beschränkungen unterwirft. Dies kann aus Sicht der Unternehmensleitung durchaus auch Vorteile bringen, die dafür sprechen, möglichst frühzeitig einen Eigenantrag zu stellen und „ins Insolvenzverfahren zu fliehen“.43 Im Eröffnungsverfahren hat das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 InsO von Amts wegen alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Diese vorläufigen Sicherungsmaßnahmen zielen vor allem auf die Sicherung der Gläubigerinteressen.44 Sie können jedoch auch als Mittel verstanden werden, dem Schuldner ein seinen Bedürfnissen entsprechendes Zwangsmoratorium zu gewähren. So ver39

Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 8; HK-InsO/Kirchhof § 13 Rn. 18. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.11. 41 Dies betont auch Wittig, NZI 1998, 49, 50. 42 Etwas anderes gilt freilich, wenn bei juristischen Personen die Vertretungsorgane kraft besonderer gesetzlicher Anordnung verpfl ichtet sind, einen Eigenantrag zu stellen; vgl. § 64 Abs. 1 GmbHG und § 92 Abs. 2 AktG bzw. künftig § 15 a E-InsO. 43 Hierzu aus der Perspektive des US-Rechts Eidenmüller, EBOR 7 (2006), 239, 246 ff. 44 Allein hierauf abstellend Braun/Kind § 21 Rn. 2. 40

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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hindern viele der in § 21 InsO genannten Maßnahmen die individuelle Geltendmachung von Forderungen durch die Gläubiger. Als Beispiel seien nur das allgemeine Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO oder die Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO genannt. Diese Maßnahmen richten sich zwar gegen den Schuldner, bewirken auf der anderen Seite jedoch auch eine Einschränkung der Gläubigerautonomie. Sie können im Einzelfall vom Schuldnerunternehmen durchaus als vorteilhaft erachtet werden. Zu denken sei nur an den Fall, dass ein Gläubiger mit erheblichem Druck versucht, seine Forderungen bei Fälligkeit durchzusetzen, das Schuldnerunternehmen jedoch – zumindest aus seiner Perspektive – einen nur sehr kurzfristigen Liquiditätsengpass hat. Lässt sich der Gläubiger nicht hinhalten und besteht auf pünktlicher Zahlung, kann es aus Sicht des Schuldnerunternehmens wegen der drohenden Illiquidität das endgültige Aus bedeuten, wenn der Gläubiger seinerseits auf der Geltendmachung seiner Forderung besteht. Besteht Hoffnung, dass der Zahlungsengpass nur sehr kurz ist, scheint es besser, selbst die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen und sich für eine „Verschnaufpause“ unter den Schutz der Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO zu begeben. Tritt nun während des Vorverfahrens die erhoffte Besserung ein, kann der Antrag gemäß § 13 Abs. 2 InsO wieder zurück genommen werden bzw. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird vom Gericht abgelehnt. In beiden Fällen kann der aus Sicht des Schuldnerunternehmens „uneinsichtige“ Gläubiger jedenfalls gehindert, seine Forderung gelten zu machen und ermöglicht so dem Schuldnerunternehmen, seine finanzielle Schieflage zu bereinigen. Aber auch darüber hinaus kann der Insolvenzbeschlag nach § 80 Abs. 1 InsO als vom Schuldner durchaus gewünschte Maßnahme angesehen werden, die Gläubiger an den Verhandlungstisch zu zwingen und ihre Kompromissbereitschaft zu steigern.45 Dies wird aus deren Perspektive auch nicht zwangsläufig als Nachteil empfunden. So stehen den Gläubigern im Insolvenzverfahren über den Gläubigerausschuss gemäß § 69 S. 2 InsO weitgehende Informationsrechte zu, die sie ansonsten nicht hätten. Hierdurch werden die Verhandlungen zwischen Gläubigern und Schuldner transparenter, so dass die Gläubiger weniger fürchten müssen, nicht alle notwendigen Informationen zu erlangen. Ferner ist zu bedenken, dass das Insolvenzverfahren über die Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO nicht notwendig zu einer völligen Beschränkung der Schuldnerautonomie führt. Abweichend von § 80 InsO kann der Schuldner durch dieses mit Erlass der InsO neu eingeführte Verfahren unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse verwalten und über das Schuldnervermögen verfügen. Die Eigenverwaltung kann aus der Perspektive des Schuldnerunterneh45 Generell abw. Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 10, der auch die Maßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 InsO als sanierungsfeindlich ansieht.

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mens eine sinnvolle Möglichkeit sein, anstelle einer befürchteten, vom unternehmensfremden Insolvenzverwalter auf Zerschlagung des Unternehmens angelegte Strategie46 selbst weitgehend „Herr“ des Verfahrens zu sein und das Unternehmen im Interesse der Eigentümer zu „retten“.47 Als Mittel bietet die InsO sogar die nachträgliche Korrektur materiell-rechtlich abgeschlossener wirtschaftlicher Fehlentscheidungen.48 Über die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO können ungünstige Geschäfte und Rechtshandlungen rückgängig gemacht werden, die Erfüllung unvorteilhafter Verträge kann nach Maßgabe der §§ 103 ff. InsO abgelehnt werden. Auch sog. Akkordstörer, die sich im Vorfeld der Insolvenz weigern, an einem vom Unternehmen erarbeiteten Sanierungskonzept zu beteiligen, können über das im Planverfahren geltende Mehrheitsprinzip und die Abstimmung nach Gruppen (§§ 222 ff. InsO) sowie das Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO diszipliniert werden.49 b. Der Gläubigerantrag als Mittel zur Einschränkung der Schuldnerautonomie Der Zusammenhang zwischen der Einschränkung der Gläubigerautonomie als Anreiz für die Flucht in die Insolvenz stellt sich umgekehrt beim Gläubigerantrag gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 InsO. Die Möglichkeit, dass ein Gläubiger durch Stellung eines Insolvenzantrags auf eine bestehende oder drohende Unternehmenskrise reagiert, ist wohl der Idealfall eines durch die InsO vermittelten Gläubigerschutzes. Immerhin haben es hiermit die Gläubiger in der Hand, bei Vorliegen der Eröffnungsgründe die Schuldnerautonomie zu Gunsten eines staatlich überwachten und vom Insolvenzverwalter durchgeführten Verfahrens einzuschränken. Das Gesetz sieht beim Gläubigerantrag eine höhere Zulässigkeitsschwelle vor als beim Eigenantrag. So ist der Antrag gemäß § 14 Abs. 1 InsO nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Das Erfordernis eines rechtlichen Interesses an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war in § 105 KO aF nicht erwähnt. Mit § 14 Abs. 1 InsO könnte daher eine vom Gesetzgeber gewollte Einschränkung des Antragsrechts der Gläubiger einhergehen. Andererseits ergibt die Regierungsbegründung, dass das nunmehr ausdrücklich genannte Erfordernis allein dazu bestimmt sein sollte, rechtsmissbräuchliche Antragstellungen zu verhindern.50 Eine Änderung der 46 So zumindest die Einschätzung der öffentlichen Meinung mit negativen Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit des Unternehmens, vgl. Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 11. 47 Auf den Zusammenhang eines vom Schuldner initiierten Insolvenzverfahrens und der für ihn vorteilhaften Eigenverwaltung weist auch Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 10, hin. 48 Wittig, NZI 1998, 49, 50. 49 Wittig, NZI 1998, 49, 50. 50 Amtl. Begr. Zu § 15 RegEInsO, BT-Drs. 12/2443, S. 113.

II. Das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht

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Rechtslage wurde nicht beabsichtigt. Das notwendige rechtliche Interesse des Antragstellers ist somit wie auch im sonstigen Zivilverfahrensrecht indiziert, soweit die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.51 In Verwirklichung der vom Gesetzgeber gewünschten Einschränkung gilt nur dann etwas anderes, wenn der Antragsteller verfahrensfremde Zwecke verfolgt oder auf sonstige Weise rechtsmissbräuchlich handelt.52 Im Ausgangspunkt ist die vom Gesetzgeber bewusst auf Ausnahmefälle zielende Beschränkungsfunktion daher eine Ermunterung der Gläubiger, das ihnen zustehende Antragsrecht auch tatsächlich wahrzunehmen. Auf der anderen Seite ist das erforderliche rechtliche Interesse wie auch bei den sonstigen Verfahrensordnungen nicht auf die Abwehr von rechtsmissbräuchlichen Antragstellungen beschränkt. Es ist vielmehr auch dann zu verneinen, wenn dem Antragsteller ein einfacherer, schnellerer oder billigerer Weg bereit steht, sein Interesse zu verwirklichen. 53 Grund für diese allgemeine Subsidiarität gerichtlicher Verfahren ist in concreto die in § 1 S. 1 InsO genannte Befriedigungsfunktion. Dem Antragsteller muss es darauf ankommen, durch das auf gemeinschaftliche Befriedigung gerichtete Insolvenzverfahren individuelle Befriedigung zu erlangen. Hierin wird ein gewisser Widerspruch in der Konzeption der InsO deutlich. Einerseits wird das Verfahren durch ein an individuelle Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpftes Antragsrecht in Gang gesetzt, andererseits ist es auf Gesamtvollstreckung zu Gunsten aller Gläubiger gerichtet. Der Antragsteller wird auf diese Weise gleichsam zum Stellvertreter der übrigen Gläubiger, indem er zur Befriedigung seiner rechtlichen Interessen ein Verfahren initiiert, welches zu Gunsten aller Gläubiger wirkt.54 Diese gegenüber dem Eigenantrag erhöhten und hinsichtlich ihrer Präzisierung nicht auf den einzelnen Antragsteller bezogenen Umstände führen in der Praxis dazu, dass ein Unternehmensgläubiger Schwierigkeiten hat, im Vorfeld der Antragstellung zu beurteilen, ob es zu seiner Befriedigung des auf gemeinschaftliche Befriedigung gerichteten Insolvenzverfahrens bedarf, ihm mithin kein einfacherer Weg zur Seite steht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass meist die Sozialversicherungsträger zum Insolvenzantrag greifen, wohingegen 51 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 14 Rn. 11; Schmahl, in MünchKomm InsO, § 14 Rn. 42; Braun/Kind, InsO, § 14 Rn. 9; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.08. 52 AG Hamburg, ZIP 2000, 1019. – Für das Insolvenzverfahren werden in diesem Zusammenhang genannt: die Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition des Antragstellers (vgl. OLG Köln, ZinsO 2002, 728, 728); Insolvenzantrag als Druckmittel bei zweifelhaften Forderungen (vgl. LG München, ZIP 1993, 1103); Antrag zum Ausforschen des Schuldners (vgl. AG Gummersbach, KTS 1964, 61). 53 So bereits zur KO OLG Schleswig, NJW 1951, 119; OLG Frankfurt, MDR 1973, 235; OLG Hamm, MDR 1973, 1029; OLG Köln, ZIP 1989, 789. Heute hM, vgl. nur Schmahl, in MünchKomm InsO, § 14 Rn. 48; Braun/Kind, InsO, § 14 Rn. 8; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 352. 54 Ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.02: Initiativrecht zugleich im eigenen wie im Interesse der Gesamtgläubigerschaft.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

die Privatgläubiger – zusätzlich unter dem Druck, nicht wegen falscher Antragstellung einer Schadensersatzpflicht ausgesetzt zu sein – von einer Antragstellung absehen. Wenngleich die erhöhten Anforderungen an die Zulässigkeit den Antrag eines Privatgläubigers nicht gänzlich verhindern, bedeuten sie doch eine erhebliche Verlagerung des Antragszeitpunkts nach hinten. Ein Gläubiger wird nicht zum Insolvenzantrag greifen, wenn er nicht zusätzlich über Informationen verfügt, die auf eine alle Gläubiger betreffende Unternehmenskrise hindeuten. Die Gründe, die aus der Perspektive des Gläubigers dafür sprechen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, ergeben sich ebenfalls aus den Mitteln, die dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren und später dem Insolvenzverwalter oder der Gläubigerversammlung zur Einflussnahme auf das Schuldnervermögen zustehen. Zu nennen sind wiederum die möglichen Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO. Befürchtet ein Gläubiger, dass der Schuldner sein Vermögen verschleiert oder beiseite schafft, ist der Erlass eines absolut wirkenden Verfügungsverbots gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO eine Möglichkeit, auf dieses Misstrauen zu reagieren. Befürchtet ein Gläubiger, dass andere Gläubiger die eigenen Befriedigungschancen durch Vollstreckungsmaßnahmen in das Schuldnervermögen schmälern, ist die Untersagung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO eine Maßnahme, die sein Misstrauen kompensiert. Schließlich kann ein Gläubiger über die an den Zeitpunkt der Antragstellung geknüpfte Rückschlagsperre nach § 88 InsO erreichen, dass frühere Vollstreckungsmaßnahmen unwirksam werden.

4. Die Insolvenzgründe als notwendige Legitimation dieser Anreize Im wesentlichen spiegeln die oben herausgearbeiteten Anreize die Ziele des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 S. 1 InsO wieder. Unterstellt man dem Schuldner, dass er ein Interesse hat, das Unternehmen fortzuführen, kann er sich die Antragsbefugnis nach § 13 Abs. 1 InsO zu Nutze machen, das Insolvenzverfahren mit dem Ziel des Unternehmenserhalts einzuleiten. Unterstellt man umgekehrt dem Gläubiger, primär an der Befriedigung seiner Forderungen interessiert zu sein, kann er sich die Antragsbefugnis nach § 13 Abs. 1 InsO zu Nutze machen, um das Insolvenzverfahren mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger und damit auch seiner eigenen einzuleiten. Das Antragsprinzip dient damit der Befriedigung durchaus unterschiedlicher Bedürfnisse der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten. Die Mittel, die das Insolvenzverfahren zur Befriedigung dieser Bedürfnisse bereit stellt, wiegen schwer. Es zeigte sich, dass die Interessen des Schuldners durch eine Beschränkung der Gläubigerautonomie verwirklicht werden. Das Insolvenzverfahren verschafft dem Schuldner in gewisser Weise Luft, indem die Gläubiger diszipliniert werden. Umgekehrt ergab sich, dass die gläubigerschüt-

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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zende Funktion des Insolvenzverfahrens entscheidend auf einer Einschränkung der Schuldnerautonomie beruht. Der Schuldner hat Einschränkungen hinzunehmen, damit die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger verwirklicht werden kann. Beide vom Antragsprinzip ausgehenden Anreize bedürfen als Freiheitsbeschränkungen einer gesetzgeberischen Legitimation.55 Es kann nicht allein von der – formalen – Antragstellung abhängen, die einschneidenden Wirkungen des Insolvenzverfahrens, so wünschenswert sie auch sein mögen, in Gang zu setzen. Die InsO setzt dies durch das über die bloße Antragstellung hinausgehende Erfordernis eines objektiv vorliegenden Insolvenzgrundes konsequent um. Die nachfolgend genauer zu untersuchenden Insolvenzgründe sind insoweit die materielle Legitimation für die vom formalen Antragsprinzip ausgehenden Anreize. Die nach wie vor bestehende Kontroverse, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, bringt es mit sich, die mit Einführung der InsO teilweise neu definierten Insolvenzgründe genauer zu untersuchen.

III. Die Zahlungsunfähigkeit als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge bereits erfolgter Marktauslese Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist gemäß 17 Abs. 1 InsO der allgemeine Eröffnungsgrund. Sie liegt nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Bis zum Erlass der InsO war die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ebenfalls Eröffnungsgrund, wurde jedoch in § 102 Abs. 2 KO nicht näher beschrieben. Die nunmehr aufgenommene gesetzliche Definition in § 17 Abs. 2 S. 1 InsO versteht sich daher zunächst einmal als Beitrag zur Schaffung von Rechtssicherheit.56 Darüber hinaus zielte die Neuregelung darauf, die rechtzeitige Verfahrenseröffnung zu erleichtern, um die Sanierungschancen zu erhöhen und damit letztlich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Ergebnisse der Insolvenzverfahren herbeizuführen. 57 Die Praxis hat einen Teil dieses gesetzgeberischen Anliegens aufgenommen, denn die Zahlungsunfähigkeit ist der häufigste Eröffnungsgrund.58 Dessen ungeachtet verlaufen die Versuche, die gesetzliche Definition der Zahlungsunfähigkeit zu präzisieren, nach 55 Zur notwendigen Legitimation der Folgen des Insolvenzverfahrens für Schuldner und Gläubiger statt anderer Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 248; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 16 Rn. 5; Braun/Kind, InsO, § 1 Rn. 1; vgl. auch BGH, NZG 2005, 811, 814: Insolvenzverfahren als Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen. 56 So ausdrücklich die Regierungsbegründung zu § 17 InsO (BT-Drs. 12/2443, S. 114). 57 Vgl. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 280. 58 Eilenberger, in MünchKomm InsO, § 17 Rn. 1.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

wie vor unergiebig. Die hieraus resultierende Rechtsunsicherheit ist gewiss ein Grund, warum nach wie vor beklagt wird, dass das Insolvenzverfahren zu spät einsetzt 59 und aus Sicht vieler Gläubiger wegen der geringen Befriedigungsquoten mehr oder weniger unbefriedigend verläuft. Will man daher ermitteln, an welche Voraussetzungen der Gesetzgeber das (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit knüpft, gilt es, die Definition von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO zu konkretisieren.

1. Der missverständliche Wortlaut der Neuregelung Die Regierungsbegründung ging davon aus, mit § 17 Abs. 2 S. 1 InsO eine Definition zu kodifizieren, die sich bereits unter Geltung der KO in Rechtsprechung und Literatur für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit durchgesetzt hat. 60 Hiernach sollte die Regelung nur das wiedergeben, was bei Inkrafttreten der InsO bereits „herrschende Meinung“ war. a. Übereinstimmung mit der früher herrschenden Meinung? In Rechtsprechung und Literatur hat sich bis zum Jahr 1998 in der Tat eine mehr oder weniger einheitliche Linie für die Frage herausgebildet, wann die Zahlungsunfähigkeit iSv. § 102 KO aF vorliegt. 61 Es scheint daher leicht möglich, die Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO hierauf aufbauend zu präzisieren. Erste Zweifel an der pauschalen Bezugnahme auf die „herrschende Meinung“ zur KO ergeben sich indes aus der gesetzgeberischen Zielsetzung selbst, in der es heißt, mit der Neufassung des Insolvenzgrundes solle die Zahlungsunfähigkeit vorverlegt werden. 62 Wäre bereits gemäß § 102 KO aF ein der nunmehr aufgestellten Definition entsprechender Begriff der Zahlungsunfähigkeit „herrschend“ gewesen, würde das gesetzgeberische Anliegen mangels Änderung der Rechtslage ins Leere gehen bzw. allenfalls klarstellenden Charakter haben. Bereits wegen dieser Inkonsequenz drängt sich die Frage auf, ob die gesetzgeberische Bezugnahme auf die unter der KO herausgebildete „herrschende Meinung“ nicht unpräzise oder gar ein Redaktionsversehen63 ist. Um dies zu beantworten, bedarf es einer genaueren Untersuchung, ob die mit § 17 Abs. 2 S. 1 InsO eingeführte Definition der Zahlungsunfähigkeit nicht von der bis 1999 maßgeblichen Definition abweicht und eine Vorverlagerung des Insolvenzgrunds der Zah59 60 61

Vgl. die Überlegungen für eine Vorverlegung der Insolvenzgründe oben § 6 VI. Begründung zu § 21 RegEInsO (BT-Drs. 12/2443, S. 114). Vgl. statt anderer Kuhn/Uhlenbruck, KO11, § 102 Rn. 2 ff. m. w. N. sowie sogleich im

Text. 62

Vgl. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 280. So die Vermutung von Penzlin (NZI 1999, 1203, 1204, Fn. 14) unter Hinweis die Länge des Gesetzgebungsverfahrens. 63

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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lungsunfähigkeit bewirkt. Aufgrund des Wortlauts der Neuregelung bestehen hierfür erhebliche Anzeichen. b. Erste Wortlautunterschiede Unter der Geltung von § 102 KO a. F. wurde die Zahlungsunfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur definiert als das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende andauernde Unvermögen des Schuldners, wesentliche Teile seiner fälligen und ernsthaft eingeforderten Geldschulden zu erfüllen. 64 Betrachtet man allein den Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO, weicht die Definition hiervon erheblich ab. aa. Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr Dies betrifft zum einen das Merkmal der Wesentlichkeit. Nunmehr kommt es allein darauf an, dass die fälligen Forderungen nicht erfüllt werden können, also alle fälligen Forderungen. Jeder Verstoß gegen die aus der Betriebswirtschaftslehre stammenden „goldenen Finanzierungsregel“ wonach die Fristigkeit der aufgenommenen Mittel mindestens mit der Fristigkeit ihrer Verwendung übereinstimmen soll, 65 führt hiernach zur Zahlungsunfähigkeit. Wenngleich es aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Finanzierungstheorie „gute Gründe“ für eine Durchbrechung gibt, wie zum Beispiel ein bevorstehender außerordentlicher Ertrag, 66 besteht für die Einschränkung des Eröffnungsgrundes unter Verhältnismäßigkeitsaspekten auf der Grundlage des Wortlauts kein Raum. bb. Verzicht auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit Eine weitere Wortlautabweichung liegt im Verzicht auf das Erfordernis der Dauerhaftigkeit. Unter Geltung der KO erfolgte anhand dieses Merkmals die Abgrenzung von der konkursrechtlich unbeachtlichen Zahlungsstockung. Indem es nunmehr allein heißt, der Schuldner müsse nicht in der Lage sein, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, scheint der Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO auf eine sog. Zeitpunktilliquidität abzustellen. Für die Annahme einer insolvenzrechtlich unbeachtlichen bloßen Zahlungsstockung wäre hiernach kein Raum. Kann der Schuldner bei Fälligkeit nicht zahlen, tritt sofort Zahlungsunfähigkeit ein.

64

Vgl. nur Kuhn/Uhlenbruck, KO11, § 102 Rn. 2. Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 406. 66 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 551 f.; Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 3; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 116 ff.; Drukarczyk, Finanzierung, S. 63; Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 407 f. 65

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

cc. Verzicht auf das Erfordernis ernsthafter Geltendmachung Schließlich enthält § 17 Abs. 2 S. 1 InsO nicht das früher geforderte Merkmal, dass die Forderungen gegen den Schuldner ernsthaft geltend gemacht werden müssen. Da die bloße Fälligkeit nach dem Wortlaut ausreicht, kann auch diese Abweichung von der früher „herrschenden“ Defi nition als Ausweitung des Eröffnungsgrundes der Zahlungsunfähigkeit verstanden werden. Bei alleiniger Betrachtung des Wortlauts von § 17 Abs. 2 InsO erweist sich die gesetzgeberische Einschätzung, dass die Definition nur die von Rechtsprechung und Literatur für § 102 KO aF maßgeblich Definition aufnehme, somit als unzutreffend. Nimmt man den Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ernst, führt dies zu einer erheblichen Ausweitung der Zahlungsunfähigkeit. Diese ist hiernach bereits bei Zeitpunktilliquidität anzunehmen, d. h. wenn der Schuldner bezogen auf einen Stichtag67 nicht in der Lage ist, alle an diesem Stichtag fälligen Forderungen sofort zu begleichen.

2. Die Gesetzgebungsmaterialen als Auslegungshilfe für eine Neuinterpretation Dass diese Lösung in ihrer Einfachheit und damit zu erzielenden Rechtssicherheit zu überzeugen vermag, liegt auf der Hand. Ob die hiernach strikt einzuhaltende Zeitpunktliquidität indessen auch ausreichend den Gegebenheiten der Finanzierungspraxis Rechnung trägt, ist nicht nur wegen der evidenten Wortlautabweichung gegenüber der früheren Rechtslage fraglich. Zu bedenken ist weiter, dass eine bereits erfolgte Marktauslese, die das staatliche Insolvenzverfahren lediglich als Einsatzzeitpunkt aufnimmt, jedenfalls dann noch nicht stattgefunden hat, wenn die Zeitpunktilliquidität allein darauf beruht, dass die Unternehmensleitung es unterlassen hat, das vorhandene Potential zur sofortigen Behebung der Liquiditätskrise auszuschöpfen. Man muss sich daher fragen, ob die Kennzeichnung der Zahlungsunfähigkeit nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO nicht ihrerseits konkretisierungsbedürftig ist. a. Zeitpunktilliquidität mit Prognoseelement Der Wortlaut einer Norm ist zwar der Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung, nicht aber das allein maßgebliche Kriterium. 68 Die Gesetzesmaterialien zeigen, dass einer strengen Wortlautinterpretation von § 17 Abs. 1 S. 2 InsO durchaus Grenzen gezogen sind, die eine auf die Bedürfnisse des Finanzierungsmarktes 67 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Eröffnungsgrundes ist der des Beschlusses über die Eröffnung, ggf. die Rechtsmittelentscheidung (statt anderer Braun/Kind, InsO, § 17 Rn. 23). 68 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141 ff.

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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abgestimmte Interpretation der Zahlungsunfähigkeit zulässt. Zum einen wird in der Regierungsbegründung zu § 17 InsO ausdrücklich anerkannt, dass eine „vorübergehende Zahlungsstockung“ keine Zahlungsunfähigkeit begründet. 69 Es verstehe sich von selbst, dass einem Schuldner, dem in einem bestimmten Zeitpunkt liquide Mittel fehlen – etwa weil eine erwartete Zahlung nicht eingegangen ist –, der sich die Liquidität aber kurzfristig wieder beschaffen kann, im Sinne von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO in der Lage ist, die fälligen Zahlungspfl ichten zu erfüllen. Man habe auf ein gesetzliches Merkmal der andauernden Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflichten nur deswegen verzichtet, um der „verbreiteten Neigung“ entgegen zu treten, wonach auch eine über Wochen oder gar Monate fortbestehende Illiquidität zu rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung erklärt werden könnte. Eine solche Auslegung würde das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung erheblich gefährden. Wenn eindeutig sei, dass nur eine vorübergehende Illiquidität vorliegt, könne und werde sich der Schuldner durch einen Bankkredit neue flüssige Mittel beschaffen; gelinge ihm dies nicht, sei es in aller Regel für die Gläubiger nachteilig, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinausgezögert werde.70 Berücksichtigt man vorstehende Erwägungen aus dem Gesetzgebungsverfahren, ist die Definition des § 17 Abs. 1 S. 1 InsO entgegen dem Wortlaut enger zu fassen. Es war zwar erklärtes Ziel, auf eine „rechtzeitige“ und damit frühe Verfahrenseröffnung hinzusteuern. Die Zahlungsunfähigkeit darf jedoch – im Grundsatz wie zur Zeit der KO – nicht mit einer bloßen Zahlungsstockung gleichgesetzt werden. Wonach sich die Abgrenzung konkret richtet, bleibt freilich unklar. Dem Gesetzgebungsverfahren lassen sich lediglich einige Hinweise entnehmen. Der wichtigste ist die Ablehnung der sog. Zeitraumilliquidität.71 Die Zahlungsunfähigkeit soll nicht erst dann eintreten, wenn der Schuldner über einen bestimmten Zeitraum illiquide war. Sie soll bereits dann einsetzen, wenn die Illiquidität im Sinne der stichtagsbezogenen Nichterfüllbarkeit der fälligen Forderungen vorliegt. Andererseits soll die hiernach maßgebliche Zeitpunktilliquidität einer im Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO nicht zum Ausdruck kommenden Einschränkung unterliegen. Erforderlich sei nicht nur, dass der Schuldner stichtagsbezogen nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Erforderlich sei darüber hinaus, dass er dies in absehbarer Zeit auch nicht sein wird. Nach der Konzeption des Gesetzes erfolgt die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit daher zweistufig: Steht fest, dass der Schuldner stichtagsbezogen illiquide ist, besteht nur dann (sofortige!) Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO, wenn diese Illiquidität nicht „kurzfristig“ beho69

Begründung zu § 21 RegEInsO (BT-Drs. 12/2443, S. 114). Begründung zu § 21 RegEInsO (BT-Drs. 12/2443, S. 114). 71 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.21; abw. Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 9 unter nicht näher begründetem Hinweis auf LG Hamburg, ZIP 2001, 711 und unter verfehltem Hinweis auf die sich auf die GesO beziehende Entscheidung BGH, NZI 2002, 34. 70

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ben werden kann, ggf. durch die Aufnahme von Krediten. Die Zahlungsunfähigkeit soll somit eine Zeitpunktilliquidität unter Berücksichtigung eines Prognoseelements sein. Der Zeitraum für die Prognose ist nach Ansicht der Gesetzesverfasser sehr begrenzt und beträgt in Abkehr von der früheren herrschenden Meinung jedenfalls nicht Wochen oder Monate. b. Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur im Ausnahmefall Eine weitere Auslegungshilfe zur Frage, ob die Unfähigkeit zur Zahlung einen „wesentlichen Teil“ der fälligen Verbindlichkeiten betreffen muss, bieten die Gesetzesmaterialen. Zur Zeit der KO war herrschende Ansicht, nur dann Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn die Unfähigkeit, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, wesentlich war.72 Die Wesentlichkeitsschwelle wurde anhand eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ermittelt. Vereinfacht gesagt galt folgende Gleichung: War die Nichtzahlung fälliger Verbindlichkeiten die Regel, lag Zahlungsunfähigkeit vor; war die Nichtzahlung die Ausnahme, lag keine Zahlungsunfähigkeit vor. Maßgebliche Bezugspunkte zur Berechnung waren entweder das Verhältnis der verfügbaren Mittel zu den insgesamt fälligen Zahlungsverpflichtungen, das Verhältnis sonstiger Zahlungen zu den offenen Verbindlichkeiten oder das Verhältnis der bezahlten zu den unbezahlten Schulden.73 Die Zahlungsunfähigkeit wurde erst dann bejaht, wenn sich die Illiquidität auf mehr als 10–25% der offenen Verbindlichkeiten bezog.74 Auch diesen Tendenzen, die Zahlungsunfähigkeit nach hinten hinauszuschieben, wurde im Gesetzgebungsverfahren eine ausdrückliche Absage erteilt.75 Die Ablehnung, eine Wesentlichkeitsschwelle in die gesetzliche Definition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO aufzunehmen, wurde damit begründet, dass es selbstverständlich sei, dass „ganz geringfügige Liquiditätslücken“ außer Betracht bleiben müssen. Jedoch sei den bisherigen Tendenzen zu einer übermäßig einschränkenden Auslegung des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit entgegen zu wirken. Insbesondere sei es nicht gerechtfertigt, Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass der Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO im Regelfall Geltung beansprucht. Zahlungsunfähigkeit liegt hiernach vor, wenn nicht alle fälligen Verbindlichkeiten erfüllt werden können. Eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung, in welchem Verhältnis erfüllbare und nicht erfüllbare Forde-

72

So zu § 102 KO aF BGH, LM Nr. 6 zu § 30 KO; BGH, WM 1970, 470, 472; BGH, WM 1984, 1309. 73 Kuhn/Uhlenbruck, KO11, § 102 Rn. 2a. 74 Kuhn/Uhlenbruck, KO11, § 102 Rn. 2a. 75 Begründung zu § 21 RegEInsO (BT-Drs. 12/2443, S. 114).

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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rungen stehen, findet mit Ausnahme „ganz geringfügiger Liquiditätslücken“ nicht statt. c. Kein Erfordernis „ernsthafter Geltendmachung“ mehr Schließlich bieten die Gesetzgebungsmaterialien auch Aufschluss über die Fortgeltung des Erfordernisses „ernsthafter Geltendmachung“ der fälligen Forderungen. Früher wurde in der Tat vertreten, dass in die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nach § 102 KO aF nur solche Verbindlichkeiten einbezogen wurden, deren Erfüllung von den Gläubigern ernstlich verlangt wurde.76 Das Schweigen des Gesetzgebers ist als bewusste Aufgabe dieses ohnehin in keine rechtlichen Kategorien einzuordnenden Merkmals zu werten.77 Maßgeblich soll vielmehr allein die Fälligkeit der Forderungen sein, so dass allenfalls die Nichtgeltendmachung trotz Fälligkeit Einschränkungen der an sich gegebenen Zahlungsunfähigkeit bewirken kann.78 d. Zwischenergebnis Es lässt sich daher festhalten, dass die Gesetzgebungsmaterialien als dokumentierter Wille des historischen Gesetzgebers eine wesentliche Hilfe zur Auslegung des Wortlauts von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO enthalten. Hiernach sind auch weiterhin Zahlungsunfähigkeit und bloße Zahlungsstockung voneinander abzugrenzen. Letztere ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erst dann nicht mehr gegeben, wenn sich die Illiquidität über einen gewissen Zeitraum hingezogen hat. Zahlungsunfähigkeit tritt vielmehr bereits mit dem ersten Tag der Illiquidität ein, wenn nicht bereits an diesem Tag feststeht, dass die Illiquidität kurzfristig durch Aufnahme von Mitteln oder sonstigen Zahlungseingängen behoben wird. Weiterhin wurde der notwendigen Wesentlichkeit der Illiquidität eine Absage erteilt. Zahlungsunfähigkeit liegt bereits dann vor, wenn nicht alle fälligen Verbindlichkeiten erfüllt werden können, es sei denn, es handelt sich um eine „ganz geringfügige Liquiditätslücke“. Schließlich kommt es bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nicht darauf an, dass die fälligen Verbindlichkeiten von den Gläubigern ernsthaft geltend gemacht wurden.

76

Hierzu ausführlich Kuhn/Uhlenbruck, KO11, § 102 Rn. 2a. Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 17 Rn. 5 f.; Braun/Kind, InsO, § 17 Rn. 14; abw. Kirchhof, in Kölner Schrift, S. 285 ff. 78 Dies bedenklich relativierend jüngst BGH, NZI 2007, 579, wenn eine „Gläubigerhandlung“ verlangt wird, wonach sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. 77

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

3. Die Abgrenzung von unbeachtlichen Zahlungsstockungen Auch die Neuregelung des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO erfordert somit eine Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der insolvenzrechtlich unbeachtlichen Zahlungsstockung. Der Eröffnungsgrund trägt hiermit den Forderungen der Finanzierungspraxis Rechnung, nicht sogleich jede Zeitpunktilliquidität als insolvenzauslösendes (vorläufiges) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit mit den hiermit einergehenden Einschränkungen der Gläubiger- und Schuldnerautonomie zu qualifizieren. Nachfolgend ist nunmehr herauszuarbeiten, auf welche Weise das gesetzgeberische Anliegen, es verstehe sich von selbst, dass eine „vorübergehende Zahlungsstockung“ keine Zahlungsunfähigkeit begründet, 79 als tatbestandliche Präzisierung von § 17 InsO Geltung beansprucht. a. Der Grundkonfl ikt Im Ausgangspunkt ist noch einmal zu betonen, dass die enge Anbindung der Definition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO an Wortlaut und Gesetzesbegründung zu einer gegenüber der früher herrschenden Meinung erheblichen Vorverlegung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit führt. Dies mag aus Gründen des Gläubigerschutzes wünschenswert sein, stößt jedoch auch auf erheblichen Widerstand. In der Literatur gibt es nach wie vor beachtliche Stimmen, die vor einer „kritiklosen Übernahme“ der Gesetzesbegründung warnen und – contra legem – für eine Auslegung von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO an den zu § 102 KO aF entwickelten engen Begriff der Zahlungsunfähigkeit plädieren. 80 Die Kritik an der oben herausgearbeiteten Vorverlegung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit beruht im wesentlichen darauf, dass hierdurch eine Vielzahl von Unternehmen ohne Not in die Insolvenz getrieben würde. Ausgangspunkt dieser teilweise polemischen Plädoyers für die Einschränkung der Zahlungsunfähigkeit ist stets die Prämisse, dass Liquiditätsengpässe aus dem Wirtschaftsverkehr nicht wegzudenken seien. Insbesondere bei Saisonbetrieben seien zum Teil mehrere Monate andauernde Flauten zu überbrücken. Darüber hinaus könnten nicht vorhersehbare Marktentwicklungen bei einem zu weit gefassten Begriff der Zahlungsunfähigkeit ganze Wirtschaftszweige ihrer Existenz berauben. 81 Durch die konsequente Anwendung der auf die Gesetzesbegründung und den Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO gestützte Definition würde eine Vielzahl langfristig überlebensfähiger Unternehmen zum Fall für die Insolvenzgerichte werden. 82 79

Begründung zu § 21 RegEInsO (BT-Dr.s 12/2443, S. 114). So ausdrücklich Himmelsbach/Thonfeld, NZI 2001, 11, 11. 81 So vor allem Himmelsbach/Thonfeld, NZI 2001, 11, 11; dieser Einschätzung weitgehend zustimmend der BGH (NZG 2005, 811, 813 f.). 82 Himmelsbach/Thonfeld, NZI 2001, 11, 11. – Ähnlich Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 35, der ausdrücklich befürwortet, dass ein vom Gericht zur Beurteilung der Zahlungsunfähig80

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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Wonach sich die „Überlebensfähigkeit“ der von einer Ausweitung der Insolvenzgründe bedrohten Unternehmen bestimmt, bleiben die oben skizzierten Stimmen freilich schuldig. Es liegt daher nahe, die Kritik unter Hinweis auf die ihr innewohnende petitio principi zu verwerfen. Andererseits rufen die kritischen Stimmen jedoch zutreffend in Erinnerung, dass eine Vorverlagerung der Insolvenzgründe nicht nur positive Effekte hat. Es versteht sich von selbst, dass der Gläubigerschutz mit einer Vorverlagerung der Insolvenzgründe gestärkt wird. Aber umgekehrt darf der Preis dieser Verstärkung nicht außer Acht gelassen werden. Das Insolvenzverfahren schränkt sowohl die Schuldner- als aus die Gläubigerautonomie ein. Die Begünstigung einer Partei beruht auf der Einschränkung eines anderen. Mit der Festlegung von Insolvenzgründen als gesetzliche Definition des (vorläufigen) Scheiterns unternehmerischer Tätigkeit kann daher stets nur das Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Interessen erreicht werden. 83 Auf der Grundlage praktischer Konkordanz84 darf der Gesetzgeber bei dieser Abwägung durchaus eine Entscheidung treffen, die eine Partei tendenziell begünstigt. Ist diese Entscheidung mit Erlass der InsO in Richtung einer Vorverlagerung der Insolvenzgründe gefallen, bietet sich methodisch kein Ansatz, diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Wertentscheidung durch die Hintertür zu konterkarieren. Es gilt vielmehr, die vom Gesetzgeber vorzunehmende Definition der Zahlungsunfähigkeit als Ausgangspunkt hinzunehmen und die nach wie vor bestehende tatbestandliche Unschärfe unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen zu beheben. Nachfolgend soll daher aufgezeigt werden, auf welche Weise die Definition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO im Einklang mit der Wertentscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten einer Vorverlagerung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit präzisiert werden kann, ohne dass die von der Literatur im Ausgangspunkt berechtigte Kritik an einem allzu weiten Eröffnungsgrund vernachlässigt wird. b. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Zahlungsunfähigkeit Die im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck kommende bewusste Privilegierung einer „vorübergehenden Zahlungsstockung“ und „ganz geringfügiger Liquiditätslücken“ kommt im Wortlaut von § 17 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zum Ausdruck. Sie kann daher nur im Wege einer teleologischen Reduktion der Vor-

keit (!) eingesetzter Sachverständiger den Schuldner zur Zahlung bewegen soll, damit nicht „ohne Not eine wirtschaftliche Einheit“ zerschlagen wird. Gegen einen zu weiten Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit wegen der hieraus resultierenden „Unternehmensvernichtung“ früher bereits Jäger, DB 1986, 1441, 1445. 83 Insofern zutreffend Penzlin, NZG 1999, 1203, 1207. 84 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 72.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

schrift begründet werden. 85 Hierzu ist zunächst erforderlich, die Ziele herauszuarbeiten, die mit der Anknüpfung des Insolvenzverfahrens an die Illiquidität des Schuldners erreicht werden soll. 86 aa. Die Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens Ausgangspunkt ist § 1 S. 1 InsO. Dient das Insolvenzverfahren hiernach der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, muss der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit als Einsatzzeitpunkt für die mit der Verfahrenseröffnung verbundene Einschränkung von Schuldner- und Gläubigerautonomie konsequenterweise ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel87 sein, um diese – doppelte – Zielsetzung zu verwirklichen. Die Präzisierung der oben herausgearbeiteten tatbestandlichen Unschärfe im Wege einer teleologischen Reduktion hat sich daher daran zu orientieren, über § 17 InsO das Ziel der gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger im Rahmen eines staatlich überwachten Verfahrens angemessen zu verwirklichen. 88 Andernfalls wäre es nicht gerechtfertigt, die privatautonome Schuldenregulierung im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger und im Verhältnis der Gläubiger untereinander einzuschränken. Es bedarf somit der Präzisierung, welches Bedürfnis es konkret rechtfertigt, über die Anknüpfung an die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ein auf die gemeinschaftliche Befriedigung gerichtetes Insolvenzverfahren in Gang zu setzen. Diese Präzisierung lässt sich aus einem Vergleich zur eigenverantwortlichen Schuldenregulierung außerhalb des Insolvenzverfahrens ermitteln. bb. Der Gläubigerschutz außerhalb des Insolvenzverfahrens Im „Normalfall“ der Geschäftsverkehrs außerhalb des Insolvenzverfahrens steht den Gläubigern mit dem zivilprozessualen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren ein Instrument bereit, die Forderungen gegen den Schuldner mit staatlicher Hilfe durchzusetzen – notfalls gegen den Willen des Schuldners. Strebt das Insolvenzverfahren gemäß § 1 S. 1 InsO die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger an, müssen die das Verfahren einleitenden Insolvenzgründe konsequenterweise an eine Störung dieses allgemeinen Prinzips der individuellen und eigenverantwortlichen Geltendmachung von Forderungen anknüpfen.

85

Hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 211 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 219 f. 87 Für dieses allgemeine rechtsstaatliche Erfordernis freiheitsbeschränkender Gesetzgebung grundlegend BVerfGE 65, 1, 54; 67, 157, 173; 70, 278, 286. 88 Ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.18 unter Hinweis auf die „haftungsrechtliche“ Definition der Zahlungsunfähigkeit. 86

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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Die bloße Unwilligkeit des Schuldners, eine oder alle Verbindlichkeiten zu erfüllen, kann daher nicht die Annahme der Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO rechtfertigen. 89 In diesem Fall wäre ein staatlich gesteuertes Insolvenzverfahren, welches unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 InsO) auf Haftungsverwirklichung gerichtet ist, gegenüber der eigenverantwortlichen Durchsetzung von Forderungen mit gerichtlicher Hilfe überflüssig. Der einzelne Gläubiger könnte den Willen des Schuldners anderweitig beugen. Zur Verwirklichung des in § 1 S. 1 InsO genannten Ziels der Befriedigung bedarf es daher weiterer Umstände, um das eigenmächtige Vorgehen der einzelnen Gläubiger mit staatlicher Hilfe als wenig erfolgversprechend anzusehen. cc. Das Leerlaufen dieses Schutzes als Legitimation von § 17 InsO Die Grundlage für die Ermittlung dieser besonderen Umstände folgt wiederum aus dem in § 1 S. 1 InsO genannten Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung. Stellt man allein auf die Illiquidität des Schuldners ab, ist hiervon nur ein Teil der Verbindlichkeiten betroffen, nämlich die zum relevanten Zeitpunkt fälligen. Zu bedenken ist, dass der Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens frei ist, nur einzelnen Gläubigern die Zahlung zu verweigern und es auf einen Prozess ankommen zu lassen. In der ökonomischen Theorie werden für den bewussten Vertragsbruch gute Gründe angeführt.90 Hierfür können eine Vielzahl an Motiven sprechen. Genannt sei nur, die Bevorzugung einzelner Gläubiger zur Pflege eines „guten Geschäftsklimas“. Im Wirtschaftsverkehr ist es durchaus üblich, die Gläubiger unterschiedlich zu behandeln. Der allgemeine Insolvenzbeschlag nach § 80 Abs. 1 InsO und der Grundsatz par conditio creditorum als Folge der Verfahrenseröffnung unterbinden diese Möglichkeit jedoch strikt. Zu fragen ist daher, was es rechtfertigt, die im Grundsatz bestehende Freiheit des Schuldners zur Ungleichbehandlung seiner Gläubiger einzuschränken. Die Antwort hierauf folgt mittelbar aus der Funktion des allgemeinen Zivilund Vollstreckungsrechts. Hiernach steht dem vom Schuldner zurückgesetzten Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens ein System vermögensmäßiger Kompensation bereit, welches ihn für die Benachteiligung durch den Schuldner entschädigt. Der Gläubiger muss zwar bei Nichtzahlung seine Forderung gerichtlich geltend machen und kann im Fall des Obsiegens erst im Wege der Zwangsvollstreckung gebundenes Vermögen verwerten lassen. Entscheidend ist jedoch, dass er die hiermit verbundenen zusätzlichen Kosten, die dieser Aufwand und die Verzögerung mit sich bringen, letztlich auf den Schuldner abwäl89

So auch die hM, vgl. statt anderer Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 17 Rn. 21; Kirchhof, in Kölner Schrift, S. 285 ff.; ders., in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 17 Rn. 14; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 17 Rn. 14; Braun/Kind, InsO, § 17 Rn. 19. – Abw. die überwiegende Meinung im Strafrecht, vgl. RGSt 14, 221; RGSt 41, 309, 312. 90 Statt anderer Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 266 ff.

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zen kann. Das allgemeine Zivilrecht sieht mit dem Verzugsschaden gemäß §§ 280, 288 BGB Möglichkeiten vor, die negativen Folgen dem Schuldner zuzuweisen. Gleiches gilt im Zivilprozessrecht, wonach der Unterliegende gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen hat. Erhebt § 17 InsO nun die Zahlungsunfähigkeit zum Insolvenzgrund, wird deutlich, dass nach der Konzeption des Gesetzes diese allgemeinen zivilrechtlichen Sanktionsmechanismen als nicht mehr ausreichend erscheinen.91 Es muss ein Umstand in der Sphäre des Schuldners eingetreten sein, der es nicht mehr rechtfertigt, die Gläubiger insoweit in Vorleistung treten zu lassen, dass sie erst am Ende eines möglicherweise langen Verfahrens ihre hiermit verbundenen Schäden zusätzlich zur eigentlichen Forderung ersetzt bekommen. Eine solche Situation ist nur dann gegeben, wenn die den Gläubiger materiell-rechtlich zustehenden Ersatzansprüche in vorhersehbarer Weise wertlos sind. Ist dies der Fall, läuft das allgemeine System vermögensmäßiger Kompensation leer, so dass es gerechtfertigt ist, die eigenverantwortliche Schuldenregulierung des Schuldners durch ein auf gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger gerichtetes Verfahren zu ersetzen. Es bedarf somit eines präzise handhabbaren Tatbestandsmerkmals, welches bestimmt, wann die finanzielle Situation des Schuldners im Fall der Illiquidität es rechtfertigt, die Schuldner davor zu schützen, „schlechtem Geld Gutes hinterher zu werfen“. dd. Die Kreditunwürdigkeit als notwendiges weiteres Tatbestandsmerkmal Ausgangspunkt dieses im Wortlaut von § 17 InsO nicht zum Ausdruck kommenden weiteren Tatbestandsmerkmals der Zahlungsunfähigkeit ist die Kreditfunktion der Nichtzahlung. Die soeben genannten, mit der Nichtzahlung entstehenden Schadensersatzansprüche und die notwendig zu verauslagenden Prozesskosten sind aus Perspektive des Gläubigers ein weiterer Kredit an den Schuldner. In diesem Zusammenhang kommt der in der Gesetzesbegründung anklingenden Forderung, der Schuldner könne sich im Fall „vorübergehender Zahlungsstockungen“ um die Aufnahme entsprechender finanzieller Mittel bei Dritten bemühen, um die Illiquidität zu beseitigen, entscheidende Bedeutung zu. Der Gesetzgeber bringt hierdurch in konsequenter Verwirklichung der oben herausgearbeiteten Legitimation des § 17 InsO zum Ausdruck, dass die Altgläubiger kein Kreditrisiko mehr tragen müssen, welches potentielle Neugläubiger, die eine entsprechende Kreditwürdigkeitsprüfung vornehmen, nicht mehr auf sich nehmen. Dies ist zu begrüßen, denn diese Bezugnahme auf das Marktverhalten der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten bietet im Grundsatz die beste Gewähr dafür, dass die Entscheidung richtig ist. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit erkennt damit an, dass der – informierte – Kreditmarkt am besten weiß, wie die Zukunftsperspektiven des zu finanzierenden Unterneh91

Ähnlich BGH, NZG 2005, 811, 814.

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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mens sind und die Notbremse, die der Kreditmarkt zieht, zugleich das (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit zutreffend definiert. Festzuhalten ist daher, dass der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nur vordergründig an eine unzureichende Liquidität anknüpft. Im Grunde zielt die hiermit verbundene insolvenzrechtliche Definition des (vorläufigen) Scheiterns unternehmerischer Tätigkeit darauf ab, zu verhindern, dass das Schuldnervermögen insgesamt unzureichend wird, um die bestehenden Forderungen zu befriedigen.92 Andernfalls wäre der Kapitalmarkt bereit, das vorhandene gebundene Vermögen als Sicherheit zur Gewährung von Liquidität anzunehmen. Dieser Schutzzweck macht es notwendig, die dem Wortlaut nach maßgebliche strikte Zeitpunktilliquidität im Einklang mit der Gesetzesbegründung um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal zu ergänzen, dass der Schuldner kreditunwürdig ist und die zur Behebung der Illiquidität benötigten Mittel nicht von Dritten erlangt. Hieraus folgt für die notwendige teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO, dass der im Eröffnungsverfahren anhörungsberechtigte und mitwirkungsverpflichtete Schuldner darlegen muss, ob die an sich gegebene Illiquidität durch die Aufnahme finanzieller Mittel am Kreditmarkt alsbald behoben werden kann. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit wird somit durch die Obliegenheit des Schuldners konkretisiert, die an sich gegebene Zeitpunktilliquidität zeitnah zu beheben. c. Konsequenzen für die teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO Die Einholung entsprechender Informationen am Kreditmarkt sowie die Finanzierungsverhandlungen nehmen naturgemäß einige Zeit in Anspruch. Es ist daher auch nach der hier vertretenen Interpretation von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO fraglich, welcher zeitliche Rahmen dem Schuldner zur Behebung der ZeitpunktIlliquidität zuzubilligen ist. Im Ausgangspunkt ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das oben herausgearbeitete Schutzanliegen und die eindeutige gesetzgeberische Intention es ausschließen, von vornherein die Zahlungsunfähigkeit erst ab einem bestimmten Zeitraum der Illiquidität eintreten zu lassen. Die Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 Abs. 1 InsO besteht vielmehr ab dem ersten Tag, an dem die vorhandenen Geldmittel nicht ausreichen, alle fälligen Forderungen zu begleichen. Es geht allein darum, dem Schuldner für die Erfüllung seiner Obliegenheit, den Insolvenzgrund durch das erfolgreiche Bemühen um Liquidität auszuräumen, die erforderliche Zeit zur Verfügung zu stellen. In der Literatur wird diesbezüglich oftmals darauf hingewiesen, wie sehr sich die Kreditverhandlungen mit dem Banken in die Länge ziehen können.93 Die Frist für Sanierungsverhandlungen 92 Ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.23: Zahlungsunfähigkeit als spätes Symptom einer unerkannten Überschuldung. 93 Himmelsbach/Thonfeld, NZI 2001, 11, 13.

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dürfe daher nicht zu kurz bemessen sein. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es der Schuldner stets selbst in der Hand hat, durch eine sachgerechte Liquiditätsplanung die Illiquidität iSv. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO gar nicht erst eintreten zu lassen.94 Es wäre daher verfehlt, die gesetzliche Anknüpfung des Eröffnungsgrundes an eine bestehende Illiquidität dadurch zu konterkarieren, dass dem Schuldner eine Frist eingeräumt wird, die so lange ist, als ob er erst ab Antragstellung Anlass hätte, die entsprechenden Kreditverhandlungen aufzunehmen. Erforderlich ist vielmehr ein normativer Maßstab, der einerseits genügend Raum belässt, die Kreditverhandlungen zu führen, andererseits den bis Antragstellung sorglosen Schuldner nicht ungerechtfertigt privilegiert. aa. Parallele zu der Insolvenzantragspfl icht Die Problematik einer Schonfrist für Sanierungsverhandlungen stellt sich auch bei den Insolvenzantragspflichten nach § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Hiernach haben die Geschäftsleiter einer GmbH oder AG ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Fraglich ist, ob diese Höchstfrist auch bei der Frage Geltung beansprucht, wie lange dem Schuldner Zeit einzuräumen ist, für die Behebung seines Liquiditätsproblems zu sorgen. Eine unmittelbare Übertragung der in § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG genannten Frist scheidet aus, denn der Fristlauf setzt nach dem Wortlaut das Bestehen eines Insolvenzgrundes voraus. Man müsste daher nach dem hier vertretenen Verständnis von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO dem Schuldner zunächst einen Zeitraum zubilligen, die Liquidität zu beheben und erst nach dessen fruchtlosem Ablauf die Sanierungsfrist der Insolvenzantragspflicht in Gang setzen. Dass dies nicht der Konzeption des Gesetzes entspricht, liegt wegen der eindeutigen Abkehr von der früher herrschenden Zeitraumilliquidität auf der Hand. Bei näherer Betrachtung kann dies auch nicht Zweck der Fristen gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sein. Die Insolvenzantragspflichten sollen bewirken, dass der Schuldner selbst die Initiative ergreift, im Wege des Eigenantrags auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzuwirken. Nach der Konzeption des Gesetzes kompensiert die strafbewehrte Antragspflicht somit die mögliche Zurückhaltung der Gläubiger bei der Stellung eines Fremdantrags. Es wird davon ausgegangen, dass der in Befolgung der § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gestellte Eigenantrag der erste Insol94 Insofern zutreffend Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 9; vgl. auch Eilenberger, in Münch Komm InsO, § 17 Rn. 22; K. Schmidt, GmbH-Reform in der Diskussion, S. 143, 153: Die Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 GmbHG wirkt nicht nur ex post, sondern ganz entschieden und in erster Linie ex ante. Nur wer die Liquidität und die prognostische Finanzplanung ständig im Blick hat, Krisensignale wahrnimmt und auf sie rechtzeitig reagiert, kann beizeiten einen Verstoß gegen § 64 GmbHG vermeiden.

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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venzantrag überhaupt ist. Die herrschende Meinung erkennt dies mittelbar an, denn ein bereits gestellter Fremdantrag beseitigt die Strafbarkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG nur, wenn dieser auch zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt.95 bb. Übertragung auf § 17 Abs. 2 S. 1 InsO Hieraus folgt, dass die Überlegungsfrist der § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG im Kern dieselbe Frist ist, die nach der hier vertretenen Interpretation von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO für das Entstehen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit selbst maßgeblich ist. Die Geschäftsleiter haben ab Eintritt der Zeitpunktilliquidität – die noch nicht mit der Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO gleichzustellen ist! – höchstens drei Wochen Zeit, sich durch Sanierungsverhandlungen um deren Behebung zu bemühen.96 Gelingt ihnen dies, ist die Illiquidität beendet und der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit gar nicht entstanden. Gelingt ihnen dies nicht, tritt mit Ablauf der Drei-Wochen-Frist zum einen die Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO ein, zum anderen hat der Geschäftsleiter gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sofort Insolvenzantrag zu stellen. Erweisen sich die Sanierungsbemühungen bereits vorher als aussichtslos, gilt Entsprechendes für diesen früheren Zeitpunkt.97 Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass der Schuldner – unabhängig von der Unternehmensform – in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. künftig § 15a Abs. 1 E-InsO maximal drei Wochen Zeit hat, seine Obliegenheit zu erfüllen und für die Behebung der bereits eingetretenen Illiquidität zu sorgen. Innerhalb dieses Zeitraums liegt die zu privilegierende bloße Zahlungsstockung vor, die den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit in teleologischer Reduktion von § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ausschließt.

4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen ergaben eine doppelte Legitimation des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO. Zum einen knüpft die nach eindeutiger gesetzgeberischer Intention maßgebliche Zeitpunktilliquidität daran an, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, alle fälligen Zahlungspflichten sofort zu begleichen. Abweichend von der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO kommt es nicht darauf an, dass diese Illiquidität bevorsteht. Sie muss vielmehr schon eingetreten sein. Das durch die materielle Insolvenz definierte (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit setzt somit voraus, dass die Gläubiger bereits einen Nachteil erlitten haben. Dieser Nachteil 95 96 97

Vgl. nur Schulze-Osterloh/Servatius, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 84 Rn. 29. Ähnlich nunmehr BGH, NZG 2005, 811, 813 („zwei bis drei Wochen“). Dies ist im Rahmen von § 64 GmbHG bzw. § 93 AktG unstreitig (BGHZ 75, 96).

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

ist nicht allein zeitlicher Natur und damit möglicherweise vernachlässigenswert. Durch die nach wie vor erforderliche Abgrenzung von unbeachtlichen Zahlungsstockungen macht der Gesetzgeber deutlich, dass die Zahlungsunfähigkeit eine sich zunehmend verstärkende Gläubigergefährdung ist, die nicht mehr mit den allgemeinen Mitteln des Zivilrechts – Verzugsschaden, Prozesskosten – kompensiert werden kann. Das vorläufige Scheitern unternehmerischer Tätigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Schuldner im Zustand der (Zeitpunkt-)Illiquidität innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Wochen auch nicht mehr in der Lage ist, die benötigten fi nanziellen Mittel über den Kapitalmarkt zu erhalten. Die Zahlungsunfähigkeit iSv. § 17 InsO setzt voraus, dass die regelmäßig gut informierten und risikobewussten Kreditgeber die Lebensfähigkeit des Unternehmens gering einschätzen und als Konsequenz den „Geldhahn“ zugedreht haben. Die durch die Sanierungsfrist gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG anerkannte Kreditunwürdigkeit ist ungeschriebenes weiteres Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit. Diese Anknüpfung an eine bereits erfolgte Marktauslese rechtfertigt die mit Insolvenzeröffnung einhergehenden Einschränkungen der Schuldner- und Gläubigerautonomie.

5. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz Auf der Grundlage der vorstehend herausgearbeiteten Definition des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Ansätze, die an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen bereits im Vorfeld der Insolvenz als schlichte Interessengemeinschaft zu sehen und hieraus umfassende Kooperationspflichten abzuleiten, nicht überzeugen. a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife Indem die Zahlungsunfähigkeit an den Beginn einer gesteigerten Gläubigerfährdung anknüpft, wird deutlich, dass diese bis dahin nicht besteht. Das Schuldnervermögen ist vielmehr ausreichend, dass alle Gläubiger, ggf. mit gerichtlicher Hilfe und Geltendmachung von Verzugsschäden Befriedigung, erlangen. Das individuelle Vorteilsstreben kann nicht auf Kosten anderer erfolgen, so dass es kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit gibt. Mangels Knappheit besteht somit im Vorfeld der materiellen Insolvenz keine Legitimation für eine aus der schlichten Interessengemeinschaft begründeten Geltung des Grundsatzes gleichmäßiger Verteilung und die hieraus ableitbaren Beschränkungen individuellen Vorteilsstrebens.98 98

Vgl. oben § 7 V 3.

III. Die Zahlungsunfähigkeit als gesteigerte Gläubigergefährdung

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Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass sich bei dem vom RG entschiedenen Fall zur beschränkten Vorratsschuld99 ebenfalls um eine Knappheit außerhalb der Insolvenz handelte. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dort eine gegenständliche Leistung nicht vollständig erbracht werden konnte, nicht aber eine Geldleistung. Indem es dem Schuldner (wohl) nur unmöglich war, alle Forderung auf Lieferung von Samen zu befriedigen, befand er sich nicht in der Insolvenz. Es war daher konsequent, auch außerhalb der damals geltenden Verfahren nach VerglO/KO eine allein auf den Samen bezogene Knappheit anzuerkennen, zu deren Verwaltung es als gerechte Legitimation des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung bedurfte. Bezieht sich die Knappheit hingegen auf das Schuldnervermögen in Geld bzw. in liquidierbaren Vermögensgegenständen, ist diese nach dem Vorgesagten in der materiellen Insolvenz abschließend umschrieben. Würde man diese Knappheit mit hieraus legitimierten Kooperationspflichten auch außerhalb des Insolvenzverfahrens anerkennen, liefe das Insolvenzverfahren als bereit gestelltes Verfahren zur Verwaltung dieser Knappheit leer bzw. würde nach hinten verschoben. Dies widerspräche den in den Insolvenzgründen und der Insolvenzantragspflicht innewohnenden Sanierungsfrist von maximal drei Wochen und würde letztlich die Gefahr begründen, die Zahl der masselosen Insolvenzen noch weiter zu erhöhen. b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man die Marktorientierung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit betrachtet. Aufgrund des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der fehlenden Kreditwürdigkeit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er die schwierige Entscheidung über Zukunft eines Unternehmens und damit auch über eine etwaige Sanierungschance in die Hände des Finanzierungsmarktes legt. Erst wenn das Unternehmen – ggf. innerhalb der Drei-Wochen-Frist – keinen Kredit erhält, steht das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit fest. Legte man dem Finanzierungsmarkt im Vorfeld der Insolvenz die Pflicht auf, die Insolvenz zu vermeiden, liefe diese Legitimation der materiellen Insolvenz leer. Die Marktbetrachtung, ob das Unternehmen noch eine Sanierungschance hat oder nicht, könnte nicht verwirklicht werden, wenn es zwingende Regeln gäbe, wonach die Marktteilnehmer ihr Verhalten im Vorfeld der Insolvenz auszurichten hätten. Hiermit ist freilich nicht ausgeschlossen, de lege ferenda solche Regeln zu etablieren und zum Beispiel an den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO zu knüpfen. Als Rechtsfortbildung de lege lata wäre sie indessen ein Widerspruch zum geltenden Konzept der InsO und ist daher abzulehnen. Nachfolgend soll heraus-

99

RGZ 84, 125.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

gearbeitet werden, dass sich dieses Ergebnis auch auf Grund einer Analyse des Insolvenzgrundes der Überschuldung ergibt.

IV. Die Überschuldung als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge Marktauslese Nach § 19 Abs. 1 InsO ist bei juristischen Personen auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. Gemäß § 19 Abs. 3 S. 1 InsO gilt dies gleichermaßen, wenn bei einer Personengesellschaft kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Für die Unternehmensinsolvenz ist die Überschuldung somit ein besonderer Eröffnungsgrund für alle AG, GmbH, KGaA und GmbH & Co. OHG bzw. KG. Wie bei der Zahlungsunfähigkeit erstrecken sich auch auf diesen Eröffnungsgrund die Insolvenzantragspflichten der Geschäftsleiter (vgl. § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG, §§ 130 a Abs. 1, 177 a S. 1 HGB bzw. künftig § 15 a E-InsO). Bei der Unternehmensinsolvenz stellt sich seit jeher die Frage, ob die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden überhaupt ein geeignetes Mittel ist, das (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit zur Verwirklichung der Ziele des Insolvenzverfahrens zu definieren. So wird im ökonomischen Schrifttum immer wieder davor gewarnt, dem sog. exekutorischen Element der Überschuldungsprüfung eine zu große Bedeutung beizumessen. Würde man allein darauf abstellen, ob die Verbindlichkeiten durch liquidierbare Vermögenswerte gedeckt sind, hätte dies zur Konsequenz, dass viele rentable, in hohem Umfang fremdfinanzierte Unternehmen überschuldet wären.100 Hierdurch werde der Gläubigerschutz überzogen. Gerade die Gläubiger gewerblicher Unternehmen seien vorrangig Vertragsgläubiger und könnten daher über ihre Vertragsgestaltungen und entsprechende Kontrollaktivitäten selbst für eine entsprechende Sicherheit sorgen. Die für die Funktionsfähigkeit von Kreditmärkten erforderlichen Kontroll- und Disziplinierungsstrategien der Kreditgeber würden ermüden, wenn die gesetzliche Verteidigungslinie für Gläubigerpositionen im Rahmen des Überschuldungstatbestands zu weit vorverlegt würde. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass die Insolvenzeröffnung in vielen ausländischen Rechtsordnungen lediglich an die Zahlungsunfähigkeit oder ergänzende Tatbestände geknüpft wird, nicht hingegen an die Überschuldung.101 Vor Erlass der InsO fand dieser Einwand in der juristischen Diskussion weitgehende Beachtung. Mangels präziser gesetzlicher Regelung des Überschul100 Zum Gegensatz zwischen „Liquidations- und Fortführungsstrategie“ statt anderer Drukarczyk, in MünchKomm InsO, § 19 Rn. 21 ff. (m. w. N.). 101 Vgl. die Länderberichte in MünchKomm InsO, IntInsR.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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dung ging die herrschende Meinung zur Zeit der KO davon aus, dass die Überschuldung im Fall der positiven Zukunftsprognose in jedem Fall ausgeschlossen sei, und zwar unabhängig davon, ob und wie hoch die Unterdeckung im Schuldnervermögen vorliegt.102 Der BGH stellte ausdrücklich klar, dass die Überschuldung iSv. § 63 GmbHG a. F. „grundsätzlich nur dann vorliege, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (Überlebens- oder Fortbestehensprognose)“.103 Dies musste so verstanden werden, dass die rechnerische Überschuldung bzw. Vermögensinsuffizienz allein nicht die Eröffnung des Konkursverfahrens begründen konnte.104 Erforderlich war stets zusätzlich eine negative Fortbestehensprognose. Mit Erlass der InsO hat sich der Gesetzgeber gegen dieses Vorgehen entschieden. Den aus ökonomischer Perspektive vorgebrachten Bedenken wird dadurch Rechnung getragen, dass die Fortbestehensprognose bei unternehmenstragenden juristischen Personen gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 InsO Auswirkungen auf die Bewertung des Schuldnervermögens hat. Bei positiver Fortbestehensprognose ist der Bewertung die Fortführung des Unternehmens zu Grunde zu legen. Dies beruht auf der Erwägung, dass eine Bewertung von Vermögensgegenständen zu Fortführungswerten zu höheren Ergebnissen führt als bei Zugrundelegung sog. Zerschlagungswerte. Die Legitimation für diese gesetzgeberische Prämisse folgt aus den Gegebenheiten der Praxis. Das Unternehmen als planvoll organisierte Wirtschaftseinheit ist mehr als die bloße Summe seiner Vermögensgegenstände und Schulden. Es ist – wie die Betriebswirtschaftslehre stets anerkennt – eine komplexe, lebendige Wirtschaftseinheit. Die Verbindlichkeiten werden nicht aus der Substanz beglichen, sondern aus den laufenden Erträgen. Hieraus folgt, dass es aus der Perspektive der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten für die Beurteilung des Vermögens eines Unternehmens nicht allein auf den gegenständlich vorhandenen status quo ankommt. Entscheidend ist darüber hinaus auch die sich in der Ertragsfähigkeit niederschlagende vorhersehbare künftige Entwicklung der unternehmerischen Tätigkeit. In der Praxis hat diese Sicht vor allem Auswirkungen auf die Bewertung eines Unternehmens. Der gegenwärtige Wert folgt daraus, welche Erträge künftig erwirtschaftet werden.105 Der vorherseh102

Haas, Insolvenzrecht 1998, 1, 18. BGHZ 119, 201, 214. – Für einen „neuen zweistufigen Überschuldungsbegriff“ früher bereits K. Schmidt, AG 1978, 334, 334 ff.; zustimmend Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 34 ff. 104 Drukarczyk, in MünchKomm InsO, § 19 Rn. 41. – Abw. Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 42, der eine solche Auffassung Lutters (ZIP 1999, 641, 843) als „vorübergehendes Missverständnis“ bezeichnet. 105 Bezeichnenderweise wird der Kaufpreis bei M&A-Transaktionen vielfach anhand ei103

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

baren Ertragsfähigkeit kommt auf diese Weise eine größere Bedeutung zu als den zur Schuldentilgung vorhandenen Vermögenswerten. Im Rahmen von § 19 InsO hat der Gesetzgeber dieser rein prognostischen Bewertung des Unternehmens indessen eine Absage erteilt. Entscheidend ist gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO nicht, dass die Ertragsfähigkeit gering ist oder das Unternehmen Verluste macht, sondern, dass das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.106 In bewusster Abkehr von der früher herrschenden Ansicht107 kommt es allein darauf an, dass die – wie auch immer ermittelten – Verbindlichkeiten des Schuldners dessen – wie auch immer ermitteltes – Vermögen übersteigen. Das sog. exekutorische Element, ob das Vermögen in der Gegenwart zur Schuldentilgung ausreichen würde, ist damit das maßgebliche Kriterium des Überschuldungsbegriffs nach § 19 InsO. Die aus ökonomischer Sicht gebotene Privilegierung „lebensfähiger“, also ertragskräftiger, aber hoch fremdfinanzierter Unternehmen, wird allein dadurch erreicht, dass die Bewertung des Schuldnervermögens durch eine positive Fortbestehensprognose positiver ausfallen kann als im Fall der Zerschlagung. Eine darüber hinausgehende eigenständige Bedeutung für die Annahme oder Verneinung der Überschuldung kommt ihr nicht (mehr) zu.108

1. Die Vermögensinsuffizienz als Legitimation des Insolvenzverfahrens Ist das (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit gemäß § 19 InsO an die Vermögensinsuffizienz geknüpft, stellt sich die Frage, ob dieser Anlass eine taugliche Grundlage ist, die mit der Verfahrenseröffnung verbundene Einschränkung von Schuldner- und Gläubigerautonomie zu rechtfertigen. a. Der Übergang des Finanzierungsrisikos auf die Gläubiger Wie bereits erwähnt, gilt der besondere Insolvenzgrund der Überschuldung nur bei Unternehmensträgern, die eine gesetzlich abgesicherte Kapitalbindung aufweisen. Die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter von GmbH und AG wird vor allem dadurch legitimiert, dass die Gesellschafter ein Stamm- bzw. Grundkapital aufbringen und dieses nicht in funktionswidriger Weise zurückerhalten. Das Stamm- bzw. Grundkapital erlangt auf diese Weise auch haftungsrechtlich eine Funktion als bestimmungsgemäßes Risikokapital und gener bestimmten Anzahl von (künftigen) Jahresüberschüssen ermittelt (zum Ganzen ausführlich Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 22 ff.). 106 BGH, DStR 2007, 728, 731; statt anderer Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 314 ff. 107 Zur historischen Entwicklung des Überschuldungsbegriffs ausführlich Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 13 ff.; Drukarczyk, in MünchKomm InsO, § 19 Rn. 3 ff.; Smid, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 42. 108 Zu dieser eindeutigen gesetzgeberischen Zielsetzung BT-Drs. 12/7302, S. 157 zu § 23 Abs. 2 RegE-InsO.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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währleistet – zumindest in seiner Höhe – eine vorrangige Befriedigung der Gläubiger. Die für die Überschuldung nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO erforderliche Vermögensinsuffizienz setzt voraus, dass zuvor das von den Gesellschaftern aufgebrachte Stamm- bzw. Grundkapital verbraucht wurde. Hierdurch verhindert § 19 InsO eine funktionswidrige Verwendung des vom Gesetzgeber bereit gestellten Systems der Haftungsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften. Das von einer Kapitalgesellschaft bzw. GmbH & Co. KG betriebene Unternehmen soll (zumindest vorläufig) zu einem Zeitpunkt „vom Markt genommen“ werden, indem der Vermögenseinsatz der Eigenkapitalgeber, welcher die Nicht-Haftung rechtfertigt, aufgebraucht ist. Da der Insolvenzgrund der Überschuldung nicht nur Eröffnungsgrund für das Antragsrecht gemäß § 15 InsO ist, sondern gemäß § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. künftig § 15 a E-InsO auch Auslöser der zwingenden Insolvenzantragspflichten, ist es den Gesellschaftern hiernach verwehrt, abweichend von der Grundkonzeption der Kapitalgesellschaften eine Gesellschaft zu betreiben, deren Finanzierungsrisiko allein die Fremdkapitalgeber tragen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass dieser Zusammenhang von Kapitaleinsatz und beschränkter Haftung zunehmend bestritten wird und sich viele vor allem im Hinblick auf den (europäischen) Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen dafür aussprechen, den Aspekt der nominalen Kapitalbindung zu Gunsten solvenzbezogener Ausschüttungssperren und Schadenserdsatzhaftungen aufzugeben. Für die hier interessierende Herausarbeitung des (vorläufigen) Scheiterns unternehmerischer Tätigkeit aus insolvenzrechtlicher Sicht ist diese eindeutige gesetzgeberische Entscheidung jedoch hinzunehmen, indem auch die geplante Neuregelung gemäß § 64 Abs. 2 S. 3 E-GmbHG § 92 Abs. 3 S. 3 E-AktG109 nur einen flankierenden Gäubierschutz gewährleistet. Eine taugliche Legitimation der hiermit verbundenen Einschränkung der Schuldnerund Gläubigerautonomie besteht jedenfalls unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums und lässt sich auch ökonomisch begründen. Die bereits herausgearbeitete Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zeigt, dass die Eigentümer weniger Anreize haben, das Unternehmen profitabel zu führen, wenn ihre eigene Investition bereits verbraucht wurde und sie zumindest vermögensmäßig nichts mehr zu verlieren haben.110 Aus dieser Abwälzung des Verlustrisikos auf die Fremdkapitalgeber erwächst die Gefahr, dass die Eigentümer ohne eigenen Vermögenseinsatz zwar zum eigenen Vorteil, aber auf Kosten anderer „wirtschaften“. Dies ist als legitimes Ziel zur Rechtfertigung der mit der Verfahrenseröffnung verbundenen Einschränkung der Privatautonomie de lege lata anzuerkennen. 109 Siehe Art. 1 Nr. 43 und Art. 5 Nr. 11 des Gesetzesentwurfs zum MoMiG in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 26. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 110 Oben § 5 I.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Diese Legitimation der Überschuldungstatbestands ließe sich auch auf die Fremdkapitalgeber übertragen, die sich an der Steuerung eines Unternehmens beteiligen. Will man – wie hier vorgeschlagen – diese Einflussnahme prinzipiell billigen und als notwendige Kompensation ein mit dem für die Eigentümer eines Unternehmens vergleichbares Anreiz- und Sanktionssystem entwickeln, könnte man § 19 InsO die zu verallgemeinernde Wertung entnehmen, den Einfluss nehmenden Fremdkapitalgebern sei es ebenso wie den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft verwehrt, „risikolos“ zu herrschen. Hierbei dürfte freilich nicht verkannt werden, dass die Überschuldung iSv. § 19 InsO an die Aufzehrung des Stamm-, bzw. Grundkapitals anknüpft, mithin den Gesellschaftern diesbezüglich überhaupt keine weiteren Vermögensverluste drohen. Die Herrschaft der Fremdkapitalgeber bringt demgegenüber auch nach Eintritt der Überschuldung noch Risiken mit sich, nämlich die einer weiteren Vertiefung und damit die Entwertung ihrer möglichen Ansprüche aus § 38 InsO. Wollte man daher einer mit der Herrschaft korrespondierende Verantwortung der Fremdkapitalgeber in Anlehnung an die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals begründen, müsste hinsichtlich des Finanzierungsbeitrags entweder eine mit dem Stamm- bzw. Grundkapital vergleichbare materiell-rechtliche Widmung zu Gunsten der anderen Gläubiger hergestellt werden oder aber eine mit dem (geltenden) Eigenkapitalersatzrecht vergleichbare Umqualifizierung, die zumindest im Insolvenzverfahren eine Rückstufung entsprechend § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO begründet. Die Parallele einer nur insolvenzrechtlich wirkenden gesetzlichen Subordination von Finanzierungsbeiträgen mit der hier in den Mittelpunkt gerückten Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals wird immerhin bereits von Huber, einem der Wegbereiter des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen, angesprochen, indem er anführt, die Regelung sei durch die „unbestrittene“ Funktion der Selbstbeteiligung der Gesellschafter am Risiko legitimiert.111 Es soll an dieser Stelle noch nicht naher ausgeführt werden, ob sich diese Ansätze auch auf Nichtgesellschafter erstrecken lassen.112 Vorerst bleibt es bei der Feststellung, dass der Insolvenzgrund der Überschuldung im Bereich der – unstreitig über die Stamm- bzw. Grundkapitalbindung gewährleisteten – Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals einen Übergang des Finanzierungsrisikos auf die Gläubiger missbilligt. Der Verzehr des vorrangig zur Befriedigung anderer gewidmeten Vermögens wird zum Anlass genommen, das (vorläufige) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit bei den unternehmenstragenden Kapitalgesellschaften zu definieren und die Einleitung des Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Insolvenzantragspflichten zu effektuieren.

111 112

Huber, FS Priester, S. 259, 276 Hierzu ausführlich unten §§ 15 und 16.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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b. Das Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit Als weiterer Aspekt der Legitimation von § 19 InsO ist zu bedenken, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugleich die Gläubigerautonomie einschränkt. Der Insolvenzbeschlag und der Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO verhindern die eigenmächtige Geltendmachung der Forderungen. Zudem gilt der Grundsatz par conditio creditorum, wonach die Gläubiger gleichmäßig nach den Anteilen ihrer Insolvenzforderungen befriedigt werden. Die hiermit verbundene Einschränkung kann nicht damit begründet werden, dass die Eigentümer kein Verlustrisiko mehr tragen. Erforderlich ist vielmehr eine Legitimation von § 19 InsO, die an das Verhältnis der Gläubiger untereinander anknüpft. Aufschluss über diese weitere Legitimation gibt wiederum § 1 S. 1 InsO, wonach das Insolvenzverfahren auf die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger abzielt. Es wurde bereits im Zusammenhang mit der Zahlungsunfähigkeit herausgearbeitet, dass die gemeinschaftliche Befriedigung nur dann erforderlich ist, wenn das Schuldnervermögen nicht ausreicht, alle Forderungen zu befriedigen. Die in § 39 Abs. 1 InsO zum Ausdruck kommende „Leitidee“113 des Insolvenzrechts, die Insolvenzgläubiger nach dem Verhältnis ihrer Beträge, also quotal, zu befriedigen, wird vom Gesetzgeber als gerechter Maßstab empfunden, das sich in der Überschuldung niederschlagende Problem der Vermögensinsuffizienz angemessen zu bewältigen.114 Sie ist de lege lata als eindeutige gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen.115 Ihr ist darüber hinaus auch zuzustimmen. Als legitimer Zweck zur Einschränkung der Gläubigerautonomie kann die mit dem Insolvenzverfahren einhergehende Befriedungsfunktion angeführt werden. Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn innerhalb der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten „Verteilungskämpfe drohen“, was im Fall der wegen Vermögensinsuffizienz unzureichenden Befriedigung durchaus nahe liegt.

2. Das Ansatz- und Bewertungsproblem Steht fest, dass die Vermögensinsuffizienz das zentrale Merkmal des Überschuldungsbegriffs nach § 19 InsO ist, ist hiermit noch nicht gesagt, auf welche Weise diese als (vorläufiges) Scheitern unternehmerischer Tätigkeit konkret zu ermitteln ist.

113

Vgl. bereits die Motive zur KO bei Hahn, S. 17 f. So bereits zur KO Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 73: „eine ihrem Wesen nach ganz auf der Gleichheitsidee aufgebaute Materie“. 115 So auch Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 11 aE, wonach der „Wille des Gesetzgebers“, die Individualvollstreckung durch Gesamtvollstreckung abzulösen, ausreichend sei. 114

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Es ist bereits problematisch, welche Werte in die gemäß § 19 Abs. 2 InsO erforderliche Gegenüberstellung von „Vermögen“ und „Verbindlichkeiten“ einzubeziehen sind. In diesem Zusammenhang bietet sich zunächst ein Rückgriff auf das Bilanzrecht an. Immerhin sieht § 242 Abs. 1 S. HGB ausdrücklich vor, dass der Kaufmann einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss aufzustellen hat. Die Bilanz als Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva ist die gesetzlich vorgesehene Grundform der strukturierten Vermögensübersicht. Eine Vielzahl von Ansatz- und Bewertungsvorschriften (vgl. §§ 246 ff., 252 ff. HGB) gibt an, welche Vermögensgegenstände und Schulden mit welchem Wert in die Gegenüberstellung aufzunehmen sind. Da der Jahresabschluss nach HGB unter anderem auch dem Gläubigerschutz dient,116 wäre es naheliegend, den Überschuldungsbegriff in Anlehnung an die Handelsbilanz zu entwickeln und den Insolvenzgrund zu bejahen, wenn die Passiva iSv. § 266 Abs. 3 HGB die Aktiva iSv. § 266 Abs. 2 HGB übersteigen. In diese Richtung tendierte zunächst die Gesetzesbegründung zu den Entwürfen der InsO, wonach die Feststellung der Überschuldung anhand einer – bilanziell zu verstehenden – Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden zu treffen sei.117 Darüber hinaus wäre es jedoch auch denkbar, den Überschuldungsbegriff gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO hiervon unabhängig zu entwickeln und die bilanzrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften allenfalls ergänzend heranzuziehen. Eine solche autonome Bestimmung würde den Überschuldungsbegriff iSv. 19 InsO gegenüber der handelsbilanziellen Betrachtung einerseits ausweiten, andererseits aber auch einschränken. Die Ausweitung und damit Vorverlagerung des Insolvenzgrunds würde zum Beispiel dadurch eintreten, dass die konsequente Anwendung der Fortbestehensprognose auf die Bewertung gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 InsO zu Wertberichtigungen führen kann, die über das Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB hinausgehen. Den bei der Überschuldensprüfung nach § 19 InsO anzusetzenden Vermögensgegenständen könnte hiernach ein geringerer Wert zukommen als im Rahmen der Handelsbilanz. Zu denken sei nur an den Fall, dass der bei negativer Fortbestehensprognose als maßgeblich erachtete Zerschlagungswert118 niedriger ist als der Buchwert. Eine ähnliche aus Sicht des Schuldners negative Auswirkung auf die Vermögenssituation hätte eine autonome Bestimmung des Überschuldungsbegriffs im Hinblick auf die für die Bewertung erforderliche Prognose. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Handelsbilanz im Regelfall von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegen stehen. Hiernach besteht eine Vermutung 116

Ganz hM, statt anderer Adler/Düring/Schmalz, § 268 HGB, Rn. 88. Vgl. RefE zu § 21 EInsO, 3. Teil, S. 20 sowie wortgleich die Gesetzesbegründung zu § 23 InsO (BT-Drs. 12/245, S. 12, 15). 118 Vgl. dazu unten 2. d. 117

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für die Bewertung zu Fortführungswerten.119 Nur wenn diese widerlegt wird, dürfen die im Regelfall niedrigeren Zerschlagungswerte angesetzt werden. Würde man demgegenüber die Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO unabhängig von handelsbilanzrechtlichen Erwägungen durchführen, bestünde eine solche Vermutung konsequenterweise nicht. Vielmehr könnte § 19 Abs. 2 S. 1 InsO so verstanden werden, dass im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips gemäß § 5 InsO auch die positive Fortbestehendprognose nachgewiesen werden müsste. Schließlich könnte die eigenständige Bestimmung eines insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffs auch zu einem Hinausschieben des Insolvenzgrundes führen. Als Beispiel sei zum einen erwähnt, dass über die Berücksichtigung stiller Reserven der Wert des anzusetzenden Vermögens gegenüber dem sich aus der Abschreibung iSv. § 253 Abs. 3 S. 1 HGB ergebenden Buchwerten vergrößert würde. Ähnliches gilt, wenn im Überschuldungsstatus bestimmte Rückstellungen gemäß § 249 HGB aufgelöst werden könnten, weil im Zuge der Gesamtvollstreckung im Insolvenzverfahren ohnehin nicht mehr mit dem Entstehen dieser Verbindlichkeiten zu rechnen ist.

3. Grundlagen einer teleologischen Erfassung der Überschuldung In den Begründungen des Gesetzgebungsverfahrens zur InsO finden sich keine Anhaltspunkte, welcher der vorgenannten Wertermittlungen für die Bestimmung der Überschuldung gemäß § 19 InsO der Vorzug gebührt. Vielmehr wird lediglich verlangt, das vorhandene Vermögen sei „realistisch“ zu bewerten, damit das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung nicht gefährdet wird.120 Um den Begriff der Überschuldung als Definition des (vorläufigen) Scheiterns unternehmerischer Tätigkeit präzisieren zu können, bedarf es daher wiederum eines Rückgriffs auf das Ziel des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 InsO. Ist die kollektive Haftungsverwirklichung hiernach die grundlegende Legitimation zur Einschränkung von Schuldner- und Gläubigerautonomie, muss der Einsatzzeitpunkt der Überschuldung konsequenterweise eine geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion des Gesetzgebers auf eine besondere Gefährdungslage für die Gläubiger sein.121 Aus der Notwendigkeit, das Verlustrisiko in funktionswidriger Verwendung der Kapitalgesellschaft auf die Gläubiger zu verlagern, ergeben sich jedoch auch Grenzen für eine allzu weite Auslegung des Überschuldungsbegriffs und damit auch für eine zu weite Vorverlagerung des Insolvenzgrundes. Zu bedenken ist einmal, dass die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oftmals nur formal die 119

So ausdrücklich Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 42 Rn. 245. BT-Drs. 12/7302, S. 157. 121 Zu diesen Vorgaben für eine tatbestandliche Präzisierung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO bereits oben I. 1. 120

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Stellung eines Fremdkapitalgebers innehaben, das gewährte Kapital aufgrund entsprechender Vereinbarungen jedoch einen bestimmungsgemäßen Nachrang gegenüber den sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufweist (vgl. § 39 Abs. 2 InsO). In diesem Fall liegt die von § 19 InsO vorausgesetzte Abwälzung des Finanzierungsrisikos nur dann vor, wenn die Vermögenssituation der Gesellschaft so schlecht ist, dass die Gesellschaftergläubiger auch bezüglich dieser Forderungen keine Befriedigung mehr erlangen würden. Die herrschende Meinung erkennt diesen Zusammenhang – freilich mit anderer Begründung – durchaus an. So besteht mittlerweile Einigkeit, dass Gesellschafterdarlehen, bei denen ein Rangrücktritt erklärt wurde, im Überschuldungsstatus nicht zu passivieren sind.122 Dem ist nach dem Vorgesagten zuzustimmen. Eine solche Gesellschafterfinanzierung wird kraft Vereinbarung dem Stamm- bzw. Grundkapital gleichgestellt, so dass ihre Nichtberücksichtigung bei den „Verbindlichkeiten“ iSv. § 19 InsO im Wege teleologischer Reduktion geboten ist. Ist die Vermögensinsuffizienz der tragende Grund für die Einschränkung der Gläubigerautonomie, muss die Gegenüberstellung von „Vermögen“ und „Schulden“ konsequenterweise geeignet sein, den Einsatzzeitpunkt für die zu verhindernden Konflikte der Gläubiger untereinander zu bestimmen. Die Handelsbilanz gibt hierüber keinen Aufschluss. Zum einen können Aktiva wegen des Vorsichtsprinzips gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und der Abschreibung gemäß § 253 Abs. 2 HGB einen niedrigeren „Buchwert“ haben als dem betreffenden Gegenstand bei der Verwertung zum Zwecke der Befriedigung von Verbindlichkeiten des Schuldners zukommt. Würde man diesem Umstand im Rahmen des Überschuldungsstatus’ nicht Rechnung tragen, würde die Insolvenz zu früh ausgelöst, und die damit einhergehende Einschränkung der Schuldnerund Gläubigerautonomie wäre nicht zur Verfolgung des legitimen Ziels der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit erforderlich. Aber auch umgekehrt kann die handelsbilanzielle Betrachtung Beträge als Passiva ausweisen, denen kein Gläubiger zuzuordnen ist. Als Beispiel genannt seien nur die Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB oder Aufwandsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB. Charakteristisch für diese Rückstellungen ist die Ungewissheit, ob der hiermit abgebildete Aufwand tatsächlich anfällt.123 Kann diese Ungewissheit nach Belieben des Schuldners behoben werden,124 besteht kein Grund, den nicht existierenden Gläubiger solcher „Forderungen“ in die zu verhindernde Konfliktsituation einzubeziehen. 122 BGHZ 146, 264, 271; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 133, 134; Hüffer, AktG, § 92 Rn. 11; Scholz/Schmidt, GmbHG, Vor § 64 Rn. 32; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 18; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32 a Rn. 12. 123 Zum Ganzen ausführlich Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 42 Rn. 187 ff. 124 Dies ist insbesondere bei den sog. Kulanzrückstellungen der Fall, vgl. Baumbach/ Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 42 Rn. 189.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Anliegens, mittels des eine Vermögensinsuffizienz des Schuldners voraussetzenden Eröffnungsgrundes der Überschuldung Konflikte der Gläubiger untereinander zu verhindern, eine eigenständige Ermittlung des Überschuldungstatus losgelöst von der Handelsbilanz erforderlich ist. Unter den Begriff der „Schulden“ sind daher alle diejenigen Verbindlichkeiten zu fassen, die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Masse bedient werden müssen.125 Als Vermögen sind umgekehrt aber auch alle Vermögensgegenstände anzusehen, die im Fall der Verfahrenseröffnung als Massebestandteile verwertbar wären.126

4. Die Fortbestehensprognose Die am Insolvenzweck orientierte Ermittlung der Überschuldung iSv. § 19 InsO setzt sich auch bei der gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 InsO erforderlichen Prognose fort. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei einer positiven Fortbestehensprognose das Risiko der Überschuldung iSv. § 19 Abs. 1 S. 1 InsO verringert werde. Auf welche Weise sich die Prognose auf die maßgebliche Bewertung des Vermögens und der Verbindlichkeiten niederschlägt, wurde indessen nicht näher beschrieben. Konsequenterweise besteht in der umfangreichen Literatur bereits keine Einigkeit über die konkreten Auswirkungen einer positiven oder negativen Fortbestehensprognose. Einerseits wird vertreten, eine negative Prognose bedinge die Bewertung des Schuldnervermögens zu „Zerschlagungswerten“; bei positiver Fortführungsprognose seien hingegen die mit dem Teilwert gemäß § 6 EStG vergleichbaren „Going concern-Ansatz- und Bewertungsgrundsätze“ maßgeblich.127 Andere wiederum sprechen sich bei positiver Prognose für eine Bewertung zu „Fortführungswerten“ aus, bei negativer zu „Liquidationswerten“.128 Schließlich wird auch vertreten, nach der „Going-concern-Bewertung“ im Fall der positiven Prognose und den „Liquidations-Teilwerten“ im umgekehrten Fall zu differenzieren.129 Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist die Bewertungsdifferenz zwischen positiver und negativer Fortbestehensprognose dahingehend aufzulösen, dass die jeweiligen Folgen für die Gläubiger beachtet werden müssen. Ist die Fortbestehensprognose positiv, erfolgt der Ansatz von Vermögen und Verbindlichkeiten in einer Weise, die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Unternehmen als Ganzes fortgeführt wird. Die Gläubigerbefriedigung iSv. § 1 InsO hängt in diesem Fall nicht nur beim sog. leveraged loan, sondern auch beim klassischen 125 126 127 128 129

Scholz/Schmidt, GmbHG, Vor § 64 Rn. 28. Scholz/Schmidt, GmbHG, Vor § 64 Rn. 20. Braun/Kind, InsO, § 19 Rn. 23; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 317. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 24. Lutter, ZIP 1999, 641, 643; zustimmend Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 317.

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

verzinslichen Tilgungsdarlehen weniger von der möglichen Versilberung der Unternehmenssubstanz ab als von den Erträgen, die mit dem Unternehmen fortlaufend erwirtschaftet werden. Insofern ist es konsequent, vorbehaltlich der hier nicht interessierenden Einzelheiten, ein Bewertungsverfahren anzuwenden, welches die Vermögensgegenstände sowohl als Teile einer „Sachgesamtheit Unternehmen“ als auch „going concern“ betrachtet. Ist die Prognose hingegen negativ, bedeutet dies begriffsnotwendig, dass das Unternehmen nicht weitergeführt wird. Das Befriedigungsinteresse der Gläubiger gemäß § 1 InsO wird konsequenterweise nicht mehr durch die künftigen Erträge gewahrt, sondern – im Extremfall – durch eine Zerschlagung des Unternehmens und dem Verkauf seiner Bestandteile. Dies hat sich auch bei der Bewertung dieser Vermögensgegenstände niederzuschlagen, so dass, vorbehaltlich der hier nicht interessierenden Einzelheiten, der Ansatz von Zerschlagungswerten, unter Vorwegnahme der Verwertungsarten, erforderlich ist. Durch die Verknüpfung des Überschuldungbegriffs mit der sich auf die Bewertung der Vermögensgegenstände auswirkenden Fortbestehensprognose spricht sich der Gesetzgeber somit für eine funktionale Definition der Überschuldung aus. Das steht im Einklang mit den Zielen des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 InsO. Verfahrenszweck ist hiernach allein die kollektive Haftungsverwirklichung, ohne dass a priori festgelegt wird, ob das Schuldnerunternehmen fortbestehen oder liquidiert werden soll. Im eröffneten Insolvenzverfahren kommt der Fortbestehensprognose somit erneut eine zentrale Bedeutung zu. Bestehen diesbezüglich gute Chancen, spricht aus Sicht der Gläubiger nichts dagegen, hierauf hinzuwirken. Besteht diese Chance nicht, wird liquidiert. Ist nun bereits bei der Begründung eines Insolvenzgrundes erforderlich, eine Fortbestehensprognose anzustellen, wird die im Insolvenzverfahren anzustellende Prognose gleichsam antizipiert. Unternehmen mit geringen Erfolgsaussichten fallen schneller in die Insolvenz, Unternehmen mit guten Erfolgsaussichten weniger schnell. Kommt der Fortbestehensprognose die entscheidende Bedeutung bei der Bestimmung des Überschuldungsbegriffs zu, ist fraglich, welche Vorgaben an die Fortbestehensprognose zu stellen sind. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 InsO steht lediglich fest, dass die Fortführung des Unternehmens „nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“ sein muss. Welche Parameter die Fortführung bedingen, wird freilich nicht gesagt. Fest steht allein, dass der bloße Wille der Unternehmensleitung, der Eigentümer oder einzelner Gläubiger, das Unternehmen fortzuführen alleine nicht ausreicht. Ansonsten wäre die Funktion der Insolvenzgründe, das Scheitern der unternehmerischen Tätigkeit – zumindest vorläufig – durchzusetzen, obsolet. Die Absichten der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten können daher allenfalls eine positive Fortbestehensprognose ausschließen, wenn sie sich weigern, darauf hinzuwirken und ihre Weigerung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Fortbestand unmöglich macht.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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Von diesem Ausnahmefall abgesehen ist die Fortbestehensprognose allein anhand objektiver Umstände zu ermitteln.130 Entgegen einer Ansicht in der Literatur kommt es insofern nicht auf den konturenlosen Begriff der „Überlebenschance“ an.131 Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang vielmehr wiederum § 1 S. 1 InsO.132 Ist hiernach die kollektive Haftungsverwirklichung zu Gunsten der Gläubiger oberstes Ziel des Insolvenzverfahrens, kann sich die Fortbestehensprognose nur darauf beziehen, ob die Umstände es überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass sich die Befriedigungschancen bei Fortführung des Unternehmens erhöhen. So setzt auch die ganz herrschende Meinung die Fortbestehensprognose iSv. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO zutreffend einer Zahlungsfähigkeitsprognose gleich.133 Ergibt ein auf den Zeitpunkt der potentiellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzustellender Finanzplan, dass das Schuldnerunternehmen in einem überschaubaren Zeitraum in der Lage sein wird, die bis dahin fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, ist die Fortbestehensprognose positiv. Die Überschuldung wird wegen der hiermit eröffneten Möglichkeit der Bewertung der Aktiva zu Fortführungswerten entsprechend hinausgeschoben. Fällt die Zahlungsfähigkeitsprognose negativ aus, spricht nichts dafür, mit der Insolvenzeröffnung zuzuwarten. Die Befriedigungschancen der Gläubiger würden lediglich verringert. Zentraler Bestandteil dieser Liquiditätsprognose ist damit wie bei der Zahlungsunfähigkeit das Verhalten des Kapitalmarkts. Sind Kreditgeber bereit, das in die Krise geratene Unternehmen zu finanzieren, und wird hierdurch die Zahlungsfähigkeit gewährleistet, kommt der im Übschuldensstatus indizierten Vermögensinsuffizienz aus Sicht der Marktteilnehmer keine entscheidende Bedeutung zu. Wenn der Markt wiederum bereit ist, eine Finanzierung allein oder vornehmlich auf der Basis der erwarteten Erträge vorzunehmen, besteht kein Bedarf, das Scheitern des Unternehmens und damit das staatliche Insolvenzverfahren anzuordnen. Immerhin können die Forderungen der bestehenden Gläubiger durch die gewonnenen Mittel befriedigt werden. Die in § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG und § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. künftig in § 15 a Abs. 1 E-InsO vorgesehene Sanierungsfrist ist insofern konsequent. Sie ermöglicht den Geschäftsleitern, nach Erkennen oder bei Vermutung des Überschuldungstatbestands eine Liquiditätsplanung anzustellen und sich darum zu bemühen, den ggf. nicht gedeckten Kapitalbedarf kurzfristig zu decken. Gelingt ihnen dies, ist die Fortbestehensprognose positiv und die Überschuldung kann wegen der regelmäßig günstigeren Bewertung ausgeräumt werden. Gelingt ihnen dies nicht, ist die 130

So bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 681. So aber Braun/Kind, InsO, § 19 Rn. 19. 132 Für einen funktionsbezogenen Begriff der Fortbestehensprognose bereits Scholz/ Schmidt, GmbHG, Vor § 64 Rn. 19. 133 Küting/Prütting/Pape, InsO, § 19 Rn. 18; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 64 Rn. 12. 131

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Fortbestehensprognose negativ, so dass der Ansatz niedrigerer Zerschlagungswerte und die hieraus meist resultierende Überschuldung als bloße Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese gerechtfertigt ist.

5. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass auch der auf die Kapitalgesellschaften zugeschnittene Insolvenzgrund der Überschuldung an eine gesteigerte Gläubigergefährdung anknüpft. Indem er voraussetzt, dass die Schulden größer sind als das Vermögen, haben die Gläubiger – bei stichtagsbezogener Betrachtung – bereits Vermögenseinbußen erlitten. Die hiermit einhergehende Überwälzung des Finanzierungsrisikos müssen sie nach der Konzeption des Rechts der Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung nicht hinnehmen. Darüber hinaus trägt die an die Fortbestehensprognose geknüpfte Überschuldensprüfung ähnlichen Marktgegebenheiten Rechnung wie bereits der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Die herrschende Meinung geht zutreffend davon aus, dass die Fortbestehensprognose auf der Grundlage der Konsequenzen für die Gläubiger anzustellen ist. Sie ist demnach eine Zahlungsfähigkeitsprognose. Um die negativen Folgen einer Bewertung der Aktiva zu Zerschlagungswerten zu verhindern, hat das Unternehmen die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Gelingt ihm dies nicht auf Grund der eigenen Finanzkraft, muss der Kapitalmarkt in Anspruch genommen werden. Schätzt dieser das Unternehmen positiv ein und gewährt die benötigten Mittel, ist es nicht gerechtfertigt, das Unternehmen in die Insolvenz zu führen. Die Aktivierung zu Fortführungswerten ist zumindest häufig geeignet, dies zu verhindern. Ist der regelmäßig wohl informierte Finanzierungsmarkt hingegen nicht mehr bereit, die künftige Liquidität des Unternehmens durch einen Finanzierungsbeitrag zu befriedigen, hat er bereits die fehlende Lebensfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt. Insofern ist es konsequent, die Insolvenz durch die Aktivierung von Zerschlagungswerten herbeizuführen, damit das Finanzierungsrisiko nicht noch weiter auf die Gläubiger abgewälzt wird.

6. Konsequenzen für die Begründung von Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz Auf der Grundlage der vorstehend herausgearbeiteten Definition des Insolvenzgrundes der Überschuldung ergibt sich ebenfalls im Umkehrschluss, dass es der Konzeption des geltenden Insolvenzrechts widersprechen würde, die an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen bereits im Vorfeld der Insolvenz als schlichte Interessengemeinschaft zu sehen und hieraus umfassende Kooperationspflichten abzuleiten.

IV. Die Überschuldung als gesteigerte Gläubigergefährdung

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a. Kein Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit vor Insolvenzreife Indem die Überschuldung an den Beginn einer durch Vermögensinsuffizienz gekennzeichneten gesteigerten Gläubigerfährdung anknüpft, wird wiederum deutlich, dass diese bis dahin nicht besteht. Das individuelle Vorteilsstreben durch die Geltendmachung einer Forderung kann vor Insolvenzreife nicht auf Kosten anderer erfolgen, da noch genügend Schuldnervermögen vorhanden ist. Konsequenterweise besteht kein Bedürfnis, dieses Individualverhalten mit einem Bedürfnis nach der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit in Analogie zur schlichten Interessengemeinschaft über ein umfassendes System von Kooperationspflichten einzuschränken. Die Annahme einer die Interessenbindung begründenden schlichten Interessengemeinschaft ohne entsprechende rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beteiligten ist unzulässig. b. Individuelles Vorteilsstreben als Funktionsbedingung einer Marktauslese Dieses Ergebnis wird wiederum bestätigt, wenn man die Marktorientierung des Insolvenzgrundes der Überschuldung betrachtet. Aufgrund der anzustellenden Fortbestehensprognose gibt der Gesetzgeber noch deutlicher als bei der Zahlungsunfähigkeit zu erkennen, dass er die schwierige Entscheidung über Zukunft eines Unternehmens und damit auch über eine etwaige Sanierungschance in die Hände des Finanzierungsmarktes legt. Erst wenn es dem Unternehmen – ggf. innerhalb der Drei-Wochen-Frist – nicht gelingt, seine Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten, steht das Scheitern unternehmerischer Tätigkeit fest. Legte man dem Finanzierungsmarkt im Vorfeld der Insolvenz die Pflicht auf, die Insolvenz zu vermeiden, liefe auch diese Legitimation der materiellen Insolvenz leer. Die Marktbetrachtung, ob das Unternehmen noch eine Sanierungschance hat oder nicht, könnte nicht verwirklicht werden, wenn es zwingende Regeln gäbe, wonach die Marktteilnehmer ihr Verhalten im Vorfeld der Insolvenz auszurichten hätten. Dagegen spricht auch nicht das naheliegende Gegenargument, im Vorfeld der Insolvenz bestehe wegen des oben skizzierten Kollektivhandlungsrisikos von vornherein kein funktionsfähiger Markt. Der drohende Insolvenzgrund belastet wegen der Insolvenzantragspflichten zunächst einmal die Geschäftsleiter des Unternehmens, so dass es an ihnen liegt, auf den Finanzierungsmarkt zuzugehen und sich um entsprechende Sanierungsbeiträge zu bemühen. Das Informationsdefizit der Gläubiger untereinander, welche Strategien sie verfolgen und verfolgen werden, wird hierdurch in gewisser Weise behoben. Die Geschäftsleiter müssen auf diejenigen zugehen, auf deren Sanierungsbeiträge es zur Ausräumung des Insolvenzgrundes ankommt. Wollen diese sich hieran nicht durch die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder die Gewährung neuer Mittel beteiligen, beruht dies nicht auf Marktversagen, sondern auf dem im Vorfeld der

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als Marktauslese

Insolvenz legitimen individuellen Vorteilsstreben, welches nach der geltenden Rechtsordnung keiner besonderen Legitimation oder gar Rechtfertigung bedarf. Die rechtsfortbildende Auferlegung von Kooperationspflichten begründete so einen Widerspruch zum geltenden Konzept der InsO. Durch die nachfolgend herauszuarbeitenden Wertungen des Schuldverschreibungsgesetz wird dies noch einmal unterstrichen.

§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung unter freiwilliger Beteiligung der Gläubiger Die vorstehende Untersuchung ergab, dass sich die ökonomischen Erwägungen zur Lösung des Kollektivhandlungsproblems mangels eines bei allen Beteiligten zu unterstellenden Interesses auf die Steigerung eines gemeinschaftlichen Kooperationsgewinns nicht als normative Vorgaben begründen ließen. Der Erfolg einer außergerichtlichen Sanierung mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung hängt von der freiwilligen Beteiligung der einzelnen Gläubiger ab, die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber auf das Unternehmen ist in legitimer Weise vom Streben nach individuellem Vorteil geleitet. Dass diese Ablehnung einer auf ökonomische Erwägungen gestützten kollektiven Gläubigerverantwortung zur Insolvenzvermeidung es keineswegs ausschließt, den hier interessierenden sachnah begründeten „roten Faden“ einer Verantwortung für Einflussnahme anderweitig zu begründen, liegt auf der Hand. Bevor daher herausgearbeitet wird, ob man die Freiheit der Gläubiger nicht auf einer anderen dogmatischen Grundlage einschränken kann und sich zumindest eine individuelle Gläubigerverantwortung für bestimmte Gläubiger begründen lässt, soll nachfolgend ein weiterer Aspekt herausgearbeitet werden, der gegen die Begründung von Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz spricht. So wird sich zeigen, dass sich die Freiwilligkeit der Beteiligung an außergerichtlichen Sanierungsversuchen und die prinzipielle Anerkennung individuellen Vorteilsstrebens der Unternehmensgläubiger auch aus dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) 1 als unmittelbar das Kollektivhandlungsrisiko betreffende Regelung ergibt.

I. Gesetzgeberische Zielsetzung In der amtlichen Begründung zum SchVG vom 3. Februar 18992 heißt es: „Schon lange wird das Bedürfnis empfunden, den Besitzern derartiger Schuldverschrei1 Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899, RGBl. I, S. 691 ff.; Abdruck unter Berücksichtigung nachfolgender Änderungen in BGBl. III-4134-1, S. 51 ff. 2 Regierungsbegründung zum SchVG, Stenografische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 10. Legislaturperiode, I. Session 1889–1899, 2. Anlageband, Aktenstück Nr. 105, S. 907.

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§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

bung die wirksame Geltendmachung ihrer Rechte zu erleichtern. Das hauptsächliche Hindernis, das hierbei zu beseitigen ist, liegt in dem Mangel einer Verbindung zwischen den Besitzern der einzelnen Schuldverschreibungen. Dem Schuldner steht eine große Anzahl ihrer Person nach unbekannter Gläubiger gegenüber, die zwar übereinstimmende Interessen haben, sich aber bei einer Gefährdung derselben nicht oder nur schwer zu gemeinsamem Handeln zusammenfinden können. Um hierfür den Weg zu eröffnen, ist eine rechtliche Organisation der Schuldverschreibungsbesitzer nothwendig“. Der historische Gesetzgeber hat hiernach bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts, also lange vor einer wissenschaftlichen Durchdringung des Kollektivhandlungsrisikos, erkannt, dass die fehlende Abstimmung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Gläubiger Nachteile bei der Verwirklichung eines „gemeinsamen Interesses“ mit sich bringt. Der legislatorische Anlass für das SchVG war mit der Bezugnahme auf die Pfandbriefgläubiger der Hypothekenbanken und der gewollten Ablösung bis dahin geltender Sonderrechte der deutschen Partikularstaaten 3 nur scheinbar beschränkt. Vielmehr sollte von vornherein ein einheitlicher rechtlicher Rahmen für koordiniertes Gläubigerhandeln bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen iSv. §§ 793 ff. BGB verwirklicht werden. So heißt es in der Regierungsbegründung weiter: „Die Verhältnisse, die es nothwendig machen, die Pfandbriefgläubiger der Hypothekenbanken zu einem organisierten Verbande zu vereinigen, sind bei anderen Arten von Schuldverschreibungen ebenfalls vorhanden.“ Die Zielsetzung des SchVG ist hiernach eine doppelte: Zum einen soll die Kommunikation des Emittenten mit der regelmäßig breit gestreuten Vielzahl der ihm unbekannten Anleihegläubiger vereinfacht werden. Darüber hinaus soll die Interessengemeinschaft der Obligationäre durch ein Verfahren der kollektiven Willensbildung gestärkt werden, innerhalb dessen die einzelnen Gläubiger vor einer missbräuchlichen Verschaffung und Ausübung der Stimmenmehrheit geschützt sind.4 In Umsetzung dieser Ziele hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, die Obligationäre in einem nicht näher gekennzeichneten „Verband“ zu vereinigen.

II. Geringe praktische Bedeutung versus Modellcharakter Nach der mittlerweile mehr als einhundertjährigen Geltung des SchVG gibt es immer wieder Stimmen, die auf die geringe praktische Bedeutung dieses Ge-

3 4

Hierzu Vogel, ZBB 1996, 334, 335. Zu diesem Ausgleich bereits Heinemann, JW 1933, 84, 84 ff.

III. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse

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setzes hinweisen5 oder für die Abschaffung plädieren. 6 Wenngleich mittlerweile ein Referentenentwurf für eine Neuregelung vorliegt,7 liegt es doch nahe, diesem Gesetz trotz der sich aus der gesetzgeberischen Zielsetzung ergebenden Relevanz für die hier interessierende Fragestellung kaum Bedeutung beizumessen. Auch bei den kritischen Stimmen klingt jedoch an, dass dem SchVG in gewisser Weise Modellcharakter zukommen könnte, der nicht ohne sachliche Berechtigung sei. So heißt es etwa in der Stellungnahme des Zivilrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins zum Diskussionsentwurf des Justizministeriums aus dem Jahr 2003, 8 man befürworte die Abschaffung des SchVG, „wenn das BGB eine dispositive Regelung über Gläubigerversammlungen trifft, in die einige Vorschriften des bisherigen Gesetzes übernommen werden“. Ferner wird in der Literatur anerkannt, dass die Regelungen des SchVG im Rahmen der AGBrechtlichen Kontrolle von Anleihebedingungen Leitbildfunktion haben können.9 Es ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem (reformierten) SchVG trotz der bisher geringen praktischen Relevanz in gewisser Hinsicht Modellcharakter zukommen kann, das konzertierte Verhalten der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Fremdkapitalgeber außerhalb der Insolvenz des Schuldners rechtlich zu erfassen. Ungeachtet der Kritik am SchVG als solchem und seines geringen Anwendungsbereichs sollen daher seine zentralen Regelungen über die Gläubigerversammlung und den Vertreter der Gläubiger dahingehend untersucht werden, auf welche Weise sie eine Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos der Gläubiger bewirken und darüber Auskunft geben, welche Rolle den Gläubigern, ggf. als Gemeinschaft, bei der Bewältigung einer Unternehmenskrise nach der Konzeption des Gesetzes zukommt.

III. Die Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse In Verfolgung der bereits zitierten Zielsetzung, den im Regelfall unverbunden nebeneinander stehenden Inhabern von Schuldverschreibungen eine Möglichkeit zu bieten, ihre – vom Gesetzgeber unterstellten – gemeinsamen Interessen gegenüber dem Anleiheschuldner effektiver zu verfolgen, bildet die Gläubiger5

So Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 9.224, der sich jedoch in Rn. 9.226 zugleich für eine Ausweitung des internationalen Anwendungsbereichs de lege ferenda ausspricht. 6 So der Sachverständige Boos als Vertreter des Zentralen Kreditausschusses der Banken bei einer öffentlich Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland am 4. Juni 2003 (http://www.bundestag.de/parlament/ gremien15/a07/protokolle/Protokoll_020.pdf). 7 RefE vom 9. Mai 2008, abgedruckt ZBB 2008, 200. 8 http://www.anwaltverein.de/03/05/2003/42-03.pdf. 9 Zahn/Lemke, BKR 2002, 527, 529.

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§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

versammlung den Kern des SchVG. Gemäß §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 SchVG haben die Beschlüsse, welche von einer Versammlung der Gläubiger zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, verbindliche Kraft für alle Gläubiger der bezeichneten Art.10 Hierin zeigt sich die Verwirklichung des gesetzgeberischen Anliegens zur Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos: Das SchVG bietet für den Entscheidungsfindungsprozess einer Vielzahl von Gläubigern das Verfahren der kollektiven Willensbildung einer als Gläubigerversammlung verfassten Gemeinschaft von Abstimmenden durch Beschluss unter Geltung des Mehrheitsprinzips. Ob die Gläubigerversammlung nach dem SchVG letztlich mehr der Konzeption der Körperschaften oder der InsO ähnelt, ist in der Literatur umstritten11 und braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Vielmehr gilt es herauszuarbeiten, auf welche Weise die Gläubigerversammlung die Interessen der Gläubiger durch die kollektive Willensbildung im Beschlusswege verwirklicht.

1. Die kollektive Willensbildung durch Beschluss Nach dem SchVG ist die Willensbildung der Obligationäre der Gläubigerversammlung als einem besonderen Organ zugewiesen. Dessen anwesende Mitglieder bilden den Willen aller Gläubiger durch Beschluss. Die hieraus resultierende Unterscheidung der Gesamtheit der Gläubiger von der Gläubigerversammlung ähnelt strukturell sowohl der kollektiven Willensbildung von Mitgliedern einer Körperschaft (vgl. § 118 Abs. 1 AktG, § 48 Abs. 1 GmbHG) als auch von Gläubigern im Insolvenzverfahren (vgl. § 76 Abs. 2 InsO).12 a. Repräsentation aller durch ein Willenbildungsorgan Die Vorteile der Zuweisung von Entscheidungskompetenz an ein besonderes Organ lassen sich zunächst pragmatisch begründen. Die Willensbildung der Entscheidungsträger wird erleichtert, denn es bedarf nicht der Beteiligung aller Betroffenen. Erforderlich ist lediglich, dass wenige Obligationäre an der Gläubigerversammlung teilnehmen. Diese Delegation von Entscheidungsmacht auf die Anwesenden begründet jedoch auch die Gefahr, dass die Betroffenen sich – aus welchen Gründen auch immer – an der Beschlussfassung nicht beteiligen.13 Die schrankenlose Befugnis einiger Gläubiger, für und gegen die übrigen zu 10

Ebenso § 4 Abs. 2 S. 1 RefE-SchVG (ZBB 2008, 200, 204). Für die Parallele zur Willensbildung in der Körperschaft, Stucke, Die Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, Frankfurt am Main 1988, S. 55; für die Parallele zum Insolvenzrecht Vogel, ZBB 1996, 334, 334 f. 12 Ausdrücklich Smid, Insolvenzrecht, § 13 Rn. 1: Gläubigerversammlung als Organ der Gläubiger. 13 Für die Gläubigerversammlung nach InsO weist hierauf Ehricke, NZI 2000, 57, 57 ff. hin; für die AG Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 205 ff. 11

III. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse

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entscheiden, wäre daher keine geeignete Methode, das Kollektivhandlungsrisiko zu verringern. Dies entspricht auch nicht der Konzeption des SchVG. Neben den nachfolgend erörterten materiellen Grenzen der Entscheidungskompetenz bieten zunächst verschiedene Verfahrensregelungen den Betroffenen Anreize, sich an der Willensbildung aktiv zu beteiligen. So ist zum Beispiel die Gläubigerversammlung gemäß § 6 SchVG rechtzeitig durch öffentliche Bekanntmachung einzuberufen. Den Gläubigern wird hierdurch die Gelegenheit gegeben, sich auf die Teilnahme an der Versammlung einzustellen. Durch § 7 SchVG werden die Gläubiger ferner vorab darüber informiert, zu welchem Zweck die Einberufung erfolgt und welche Anträge gestellt werden. Der Einzelne kann sich auf diese Weise im Vorfeld der Versammlung überlegen, wie er zu den Beschlussgegenständen steht und ggf. weitere Informationen einholen. Das Beschlussverfahren begründet damit zwar für die einzelnen Gläubiger die Obliegenheit, an der Versammlung teilzunehmen und auf das Abstimmungsergebnis Einfluss auszuüben. Der Gefahr von Entscheidungen der abstimmenden Gläubiger zum Nachteil der übrigen wird jedoch dadurch begegnet, dass jeder Gläubiger die notwendigen Informationen erhält, eine sachgerechte Entscheidung über die Teilnahme an der Entscheidung zu treffen. Insofern bestehen sowohl Parallelen zum Recht der Körperschaften (vgl. §§ 121 ff. AktG, §§ 49 ff. GmbHG) als auch zum Insolvenzverfahren (vgl. §§ 74 f. InsO). b. Repräsentation aller durch die Abstimmungsmehrheit Über die Differenzierung von Gesamtheit der Gläubiger und Gläubigerversammlung hinaus ist für das SchVG die Geltung des Mehrheitsprinzips charakteristisch. Für die Beschlussfassung sieht § 10 Abs. 1 SchVG als Regelfall die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vor. Lediglich für bestimmte Beschlussgegenstände – dazu sogleich – wird gemäß § 11 Abs. 2 SchVG eine qualifizierte Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen verlangt.14 Der Stimmwert entspricht gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 SchVG dem Nennwert der gehaltenen Schuldverschreibung. Das Mehrheitsprinzip kann ebenfalls als pragmatisch begründete Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos verstanden werden. Indem es letztlich nur noch auf den übereinstimmenden Willen der Mehrheit innerhalb der Gläubigerversammlung ankommt, wird die oben skizzierte Tendenz, die Willensbildung einer Vielzahl von Entscheidungsträgern dadurch zu erleichtern, dass es nur auf diejenigen ankommt, die an der Versammlung teilnehmen, nochmals verstärkt.

14

Ähnlich § 4 Abs. 4 RefE-SchVG (ZBB 2008, 200, 204).

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§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

c. Kritische Würdigung Betrachtet man das im SchVG niedergelegte Beschlussverfahren, kann dies durchaus als Antwort des Gesetzgebers auf das von ihm erkannte Kollektivhandlungsrisiko verstanden werden. Die Methode ist indes zumindest auf den ersten Blick fragwürdig. So scheint die Lösung darin zu liegen, die Problematik einer Vielzahl von Entscheidungsträgern durch die gewollte Reduzierung auf die Entscheidung durch wenige zu bewältigen. Dem Willen der das Abstimmungsergebnis tragenden Mehrheit muss sich sowohl die überstimmte Minderheit beugen wie auch die Gläubiger, die an der Versammlung überhaupt nicht teilgenommen haben. Auf diese Weise wird das Kollektivhandlungsrisiko nicht verringert, sondern lediglich auf eine andere Ebene verlagert. Dort stellt es sich gleichermaßen. Auch die Gläubigerversammlung ist nämlich nach der Konzeption des SchVG interessenpluralistisch angelegt. Andernfalls käme der Geltung des Mehrheitsprinzips keine eigenständige Bedeutung zu. Es besteht daher wie in den anderen Verfahren kollektiver Willensbildung im Recht der Körperschaften oder im Insolvenzverfahren nach wie vor das Problem, dass sich die Teilnehmer der Versammlung untereinander nicht richtig abstimmen und jeder einzelne eine dominante Strategie verfolgt, die ihm letztlich schadet.15 Bereits an dieser Stelle sind daher erste Zweifel angebracht, ob dem Verfahren der kollektiven Willensbildung nach dem SchVG Modellcharakter zukommen kann, die Abstimmung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Gläubiger sachgerecht zu regeln. Nimmt man die prozeduralen Anforderungen des SchVG zum Anlass, einen verallgemeinerungsfähigen Modellcharakter herauszuarbeiten, ergibt sich dennoch ein erster Befund: Der Gesetzgeber hat die – nach dem Vorgesagten möglicherweise fragwürdige – kollektive Willensbildung einem bestimmten Verfahren zugewiesen, welches einen hohen Grad an Transparenz und Verbindlichkeit aufweist. Weiterhin ist auffällig, dass sich das Maß der Berücksichtigung des Einzelnen an diesem Willensbildungsprozess wie bei den Kapitalgesellschaften (vgl. § 134 Abs. 1 S. 1 AktG und § 47 Abs. 2 GmbHG) und der Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren (vgl. § 77 Abs. 1 InsO) nicht nach Köpfen, sondern nach der vermögensmäßigen Beteiligung richtet. Je größer das Verlustrisiko des Einzelnen ist, desto größer ist sein Einfluss bei der kollektiven Willensbildung.

15 Hierzu für die Hauptversammlung einer Publikums-AG ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 229 ff.

III. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse

253

2. Zweckverfolgung als materielle Schranke der Beschlussfassung Weiterhin gibt das SchVG die Zweckverfolgung als materielle Schranke der Beschlussfassung vor. Ausgangspunkt ist § 1 Abs. 1 SchVG, wonach die Gläubiger die Beschlüsse zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen fassen. a. Richtigkeitsgewähr privatautonom getroffener Entscheidungen In der Literatur wird diese Vorschrift als zentrale Kompetenzzuweisung an die Gläubigerversammlung verstanden, die ihre Befugnisse abschließend regelt.16 Beschlüsse, die nicht zu dem Zweck, die gemeinsamen Interessen der Gläubiger zu wahren, gefasst werden, seien von vornherein unwirksam, ohne dass es einer besonderen Anfechtung bedürfe. Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit bestehe jedoch eine wesentliche Einschränkung. So könne der Prozessrichter nicht nachprüfen, ob die von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abhängige Verfolgung der gemeinsamen Gläubigerinteressen tatsächlich vorliegt. Der gemeinsame Zweck sei daher subjektiv zu bestimmen.17 Die inhaltliche Schranke des § 1 Abs. 1 SchVG sei somit bereits dann nicht verletzt, wenn der Beschluss objektiv das gemeinsame Interesse der Gläubiger betreffe und subjektiv zum Zwecke der Wahrung desselben gefasst worden sei. Die Beschlussmehrheit hat es hiernach selbst in der Hand, die Zweckbindung ad hoc zu definieren und eine geeignete Maßnahme zur Umsetzung derselben zu bestimmen. Wenngleich die Literatur durchgängig offen lässt, welche Grenzen dieser Definition des gemeinsame Interesses iSv. § 1 Abs. 1 SchVG gesetzt sind, ist diesem subjektiven Ansatz zuzustimmen. Dem Gesetzgeber ging es bei Erlass des SchVG vor allem darum, den Gläubigern ein Instrument zur Verfügung zu stellen, mittels dessen sie ihre „gemeinsamen Interessen“ gegenüber dem Schuldner sachgerecht artikulieren können.18 Der – hierbei unterstellte – Interessengleichlauf der Obligationäre ist auch im Recht der Personenverbände und deren Verfahren kollektiver Willensbildung als materielle Legitimation des Mehrheitsprinzips anzutreffen.19 Der Gesetzgeber überlässt mit dem Verfahren der Beschlussfassung der Mehrheit die Entscheidungsmacht über die Minderheit und diejenigen, die sich überhaupt nicht beteiligen, weil das Ergebnis des Beschlusses alle gleichermaßen betrifft. Eine weitergehende Sachkontrolle des Beschlusses findet regelmäßig nicht statt. Der Gedanke, dass die Beschlussfassung wegen dieser Selbstbetroffenheit eine gewisse Richtigkeitsgewähr begründet, rechtfer16

Vogel, ZBB 1996, 334. Ansmann, SchVG, § 1 Anm. 50; Göppert/Trendelenburg, SchVG, § 1 Anm. 6. 18 Vgl. die Regierungsbegründung oben unter I. 19 Zum Ganzen ausführlich Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 15 ff., vor allem S. 20 f.; für die Willensbildung in der AG, Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 196 ff. 17

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§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

tigt somit die Einschränkung einer richterlichen Überprüfung des Beschlusses. Diese elementare Funktionsbedingung des Mehrheitsprinzips20 findet in § 1 Abs. 1 SchVG durch die Bezugnahme auf die gemeinsamen Interessen Anerkennung.21 Er wird zusätzlich durch § 11 Abs. 1 SchVG in besonderer Weise abgesichert, indem ein Beschluss der Gläubigerversammlung für alle Gläubiger die gleichen Bedingungen festsetzen muss. Jedes diesem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende Abkommen des Schuldners oder eines Dritten mit einem Gläubiger, durch welches dieser begünstigt werden soll, ist hiernach nichtig. b. Der notwendige Interessengleichlauf aller Betroffenen Das SchVG unterstellt somit den Interessengleichlauf der Obligationäre, den die ökonomische Theorie beim Kollektivhandlungsrisiko zum Anlass nimmt, eine Korrektur dominanter Strategien Einzelner zu verlangen. Inhaltliche Vorgaben darüber, welchen Inhalt dieses Interesse hat und auf welche Weise die Obligationäre möglicherweise verpflichtet sind, dieses zu fördern, finden sich indessen nicht. Mit der herrschenden Meinung ist es vielmehr letztlich die Mehrheit der Gläubigerversammlung, die diese gemeinsamen Interessen ad hoc definiert, ohne dass dies auf Antrag eines überstimmten oder nicht erschienenen Obligationärs gerichtlich nachprüfbar ist. Hierin liegt jedoch ein wesentlicher Unterschied zu dem bereits skizzierten Prinzip der Selbstregulierung im Verbandsrecht. Die Zurückhaltung gerichtlicher Kontrolle über die Sachgerechtigkeit eines Mehrheitsbeschlusses wird dort zwar ebenfalls mit der Selbstbetroffenheit aller begründet. Diese Selbstbetroffenheit ist jedoch nicht grenzenlos, sondern im engen Zusammenhang mit der Zweckbindung des Personenverbands zu sehen. Sowohl Gesellschaft als auch Körperschaft sind zweckverfasste Personenverbände, was den jeweiligen Mitgliedern – freilich in unterschiedlichem Umfang – entsprechende Zweckförderungs-, Treue- und Loyalitätspflichten aufbürdet. 22 Das Beschlussergebnis ist somit zumindest in groben Zügen vorgezeichnet, indem sich ein Mehrheitsbeschluss innerhalb der durch die Zwecksetzung gezogenen Grenzen halten muss. Diese Grenzen sind auch von der Minderheit und den an der Abstimmung nicht teilnehmenden Mitgliedern im vorhinein gebilligt worden. Das konkrete Beschlussergebnis ist für sie daher in gewisser Weise vorhersehbar. 20

Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 20. Dass der RefE zur Neuregelung des SchVG keine § 1 Abs. 1 SchVG entsprechende Regelung vorsieht, verwundert, bedeutet jedoch keine Neukonzeption der kollektiven Willensbildung der Obligationäre. Immerhin wird sieht § 19 RefE-SchVG die Anfechtbarkeit von Beschlüssen vor und stellt so einen Gleichlauf zur kollektiven Willensbildung im gesellschaftsrechtlichen Personenverband her. 22 Grundlegend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsbindung bei den privatrechtlichen Personenverbänden, München Berlin 1963; Lutter, AcP 180 (1980), 84. 21

III. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse

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Eine solche Zweckbindung der Obligationäre untereinander sieht das SchVG hingegen nicht ausdrücklich vor. Im Unterschied zum gesellschaftsrechtlich und körperschaftlich verfassten Personenverband fehlt bei den Obligationären auch das zumindest einmalige Zusammenwirkung zur Etablierung eines Gesellschaftsvertrages oder einer Satzung. Das darf jedoch nicht zum Anlass genommen werden, eine solche Zweckbindung der Obligationäre untereinander zu verneinen. Indem das SchVG von einem aus der Selbstbetroffenheit resultierenden Interessengleichlauf aller ausgeht, wird die notwendige Zweckbindung gemäß § 1 Abs. 1 SchVG fingiert. Diese Zwecksetzung ist auch nicht inhaltsleer oder – so im Ergebnis die herrschende Meinung – von der Mehrheit in gerichtlich nicht nachprüfbarer Weise ad hoc zu definieren. Das Prinzip, aus der Selbstbetroffenheit die Zurückhaltung gerichtlicher Überprüfung zu begründen, beruht nämlich darauf, dass sowohl die Überstimmten und vor allem auch diejenigen, die an der Abstimmung überhaupt nicht teilnehmen mit der Beschlussmehrheit in einem Boot sitzen – nicht nur hinsichtlich der Rechtsfolge, also der Betroffenheit, sondern auch hinsichtlich des Interesses, welches das Beschlussergebnis typischerweise herbeiführt. Will man die Richtigkeitsgewähr von Entscheidungen der Gläubigerversammlung begründen, bedarf es somit eines höherrangigen Maßstabs, welches das gemeinsame Interesse aller Obligationäre bestimmt und von der Gläubigersammlung ad hoc lediglich in gerichtlich kaum zu überprüfender Weise konkretisiert wird. Der Inhalt dieser fingierten Zwecksetzung der Obligationäre lässt sich dem SchVG mittelbar entnehmen. c. Gegenstände der Beschlussfassung als Indizien für das gemeinsame Interesse Die gesetzlichen Regelungen über die möglichen Beschlussgegenstände der Gläubigerversammlung sind auf den ersten Blick widersprüchlich. Während die Generalklausel des § 1 Abs. 1 SchVG die Vermutung nahe legt, den Gläubigern würde durch das Gesetz erleichtert, ihre Forderungen gegen den Schuldner durchzusetzen, ergibt sich aus §§ 11, 12 SchVG die gegenteilige Tendenz. Diese Vorschriften sehen eine qualifizierte Mehrheit bei der Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger, insbesondere die Ermäßigung des Zinsfußes oder die Bewilligung einer Stundung vor. Die im SchVG ausdrücklich genannten Beschlussgegenstände sind stets mit einem Verzicht der Gläubiger auf ihre vertraglich vereinbarten Rechte gegenüber dem Schuldner verbunden. Eine Vereinfachung der uneingeschränkten Geltendmachung dieser Rechte gegenüber dem Schuldner ist scheinbar nicht bezweckt. Aus den Regelungen des SchVG ergibt sich daher zunächst einmal die gesetzgeberische Intention, die mit der kollektiven Willensbildung bewirkte Bündelung der gemeinschaftlichen Interessen im Sanierungsfall zur Geltung kommen zu lassen. § 11 Abs. 1 SchVG stellt dies ausdrücklich klar. Hiernach darf die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger nur zur Ab-

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§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

wendung der Zahlungseinstellung oder des Konkurses des Schuldners beschlossen werden. Das SchVG ist hiernach vor allem ein besonderes Sanierungsinstrument, welches die Interessen der Gläubiger dadurch verwirklicht, dass sie im Zusammenhang mit einem Nachgeben gegenüber dem Schuldner letztlich Vorteile erlangen. Im Kern wird insofern die bereits herausgearbeitete Motivation der Gläubiger anerkannt, sich kurzfristig an der Bewältigung einer Krise des Schuldnerunternehmens zu beteiligen, weil man an den Eintritt eines damit bewirkten langfristigen Erfolges glaubt. Das in § 1 Abs. 1 SchVG erwähnte gemeinsame Interesse kann daher in einem ersten Schritt dahingehend beschrieben werden, dass der Gesetzgeber den an der Schuldverschreibung beteiligten Gläubigern unterstellt, sie hätten dieses langfristige Interesse und würden daher mit Ausnahme des Verzichts (vgl. § 12 Abs. 3 SchVG) kurzfristige Nachteile in Kauf nehmen. Die sich aus dem SchVG ergebende tatbestandliche Präzisierung des gemeinsamen Interesses der Gläubiger ist jedoch nicht auf die Rechtfertigung mehrheitlich beschlossener Sanierungsmaßnahmen beschränkt. Die Begründung dafür folgt aus § 10 Abs. 1 SchVG. Hiernach bedürfen die Beschlüsse der einfachen Mehrheit, soweit nicht etwas anderes vorgeschrieben ist. Nach der Konzeption des SchVG ist die Abstimmung über andere, nicht in § 11 Abs. 1 SchVG genannte Beschlussgegenstände damit der gesetzliche Regelfall. Aus dem Umkehrschluss zum besonderen Mehrheitserfordernis nach § 11 Abs. 1 SchVG ergibt sich weiter, dass diese nicht ausdrücklich genannten Beschlussgegenstände gerade nicht mit einem Verzicht auf die Geltendmachung von Rechten aus der Schuldverschreibung gegenüber dem Schuldner verbunden sind. Nach der Konzeption des SchVG soll die Gläubigerversammlung daher auch über Angelegenheiten beschließen, die die Geltendmachung der Gläubigerrechte zum Gegenstand haben – im Regelfall also im Interessenwiderstreit mit dem Schuldner liegen. Praktische Anwendung könnte ein solcher Beschluss zum Beispiel bei der Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts haben, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Schuldner sich mit einigen Gläubigern zum eigenen Vorteil in Verbindung setzt und zu Handlungen überredet, die dem Interesse der anderen Gläubigern widersprechen. Insofern zeigt sich wiederum das bereits oben herausgearbeitete Interesse einiger Gläubiger, dass das Schuldnerunternehmen möglichst frühzeitig in die Insolvenz fällt, um die Befriedigungschancen nicht noch weiter sinken zu lassen. Dieses Interesse findet im SchVG ebenfalls Anerkennung, indem eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit Maßnahmen erlaubt, die auf die strikte Geltendmachung der aus der Schuldverschreibung resultierenden Ansprüche der Gläubiger zielen und den Schuldner möglicherweise frühzeitig in die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit führen. Das gemeinsame Interesse iSv. § 1 Abs. 1 SchVG beinhaltet damit in gesetzlich anerkannter Weise auch, sich gerade nicht an Sanierungsbemühungen zu betei-

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257

ligen. Ein entsprechendes, mit einfacher Mehrheit zu erlangendes Abstimmungsergebnis hätten nach der Konzeption des SchVG auch die sanierungswillige Minderheit oder die nicht an der Versammlung teilnehmenden Gläubiger zu akzeptieren. d. Das gemeinsame Interesse an bestmöglicher Befriedigung Die Ambivalenz der vom SchVG vorgesehen Beschlussgegenstände verdeutlicht, dass das gemeinsame Interesse der Obligationäre gemäß § 1 Abs. 1 SchVG nur das der bestmöglichen Befriedigung ist. Die Mehrheitsmacht in der Gläubigerversammlung ist somit bereits dadurch legitimiert, dass die beschlossene Maßnahme geeignet ist, dieses Ziel zu verfolgen – sei es durch einen kurzfristigen Verzicht auf Rechte zu Gunsten eines langfristigen Ertrages oder durch eine sofortige Geltendmachung der den Obligationären zustehenden Rechte, weil sich die finanzielle Situation des Schuldners ohne Sanierungschance verschlechtert. Der Gesetzgeber vermied auf diese Weise, Vorgaben darüber zu machen, wann eine Sanierung geboten ist und auf welche Weise die Obligationäre dazu beitragen müssen. Wenn dies bereits für die zumindest in der Praxis großvolumigen Unternehmensanleihen gilt, trifft den einzelnen Unternehmensgläubiger eine dahingehende Verantwortung hiernach im gesetzlichen Regelfall erst recht nicht. Er ist wie die Gläubigerversammlung frei, darüber zu befinden, auf welche Weise er sein Interesse an bestmöglicher Befriedigung verwirklicht.

3. Konsequenzen de lege lata Inwieweit das SchVG de lege ferenda eine über den bisher beschränkten Anwendungsbereich hinaus eine sachgerechte Möglichkeit zur Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos bei der Unternehmenssanierung ist, 23 soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Auf Grund der vorherigen Analyse der Regelungen des SchVG über die Gläubigerversammlung, ergeben sich jedoch de lege lata einige Konsequenzen für die Bewältigung einer Unternehmenskrise außerhalb des Insolvenzverfahrens. a. Kein gemeinschaftsähnliches Rechtsverhältnis außerhalb des SchVG Aus den Gesetzesmotiven, die Obligationäre durch das SchVG „zu einem organisierten Verbande zu vereinigen“24 , ergibt sich methodologisch eine Sperre, außerhalb des Gesetzes eine vergleichbare gesetzlich begründete Bindung anzuerkennen. Die gesetzgeberische Intention, die „rechtliche Organisation“ der 23

In diese Richtung Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 9.226 (vgl. auch oben

II). 24

Oben Fn. 276.

258

§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell

Schuldverschreibungsbesitzer anzuordnen, wäre überflüssig, wenn diese bereits als schlichte Interessengemeinschaft oder aufgrund einer gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung bestehen würde. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass das SchVG von vornherein nur die Obligationäre einer Anleihe erfasst. Insofern läge es durchaus nahe, zumindest die Zeichner einer bestimmten Anleihe aufgrund eines gemeinsamen, durch die nur sie betreffenden Anleihebedingungen konkretisierten Befriedigungsinteresses als solche Gemeinschaft zu sehen. Selbst diesem Ansatz erteilt die konstitutive Begründung der rechtlichen Gemeinschaft jedoch eine Absage, so dass eine materiell-rechtlich begründete Interessengemeinschaft der Gläubiger außerhalb des SchVG abzulehnen ist. b. Dispositionsfreiheit über das Gläubigerinteresse Konsequenzen de lege lata entfalten auch die Regelungen des SchVG über das gemeinsame Interesse der Obligationäre. Das SchVG unterstellt den Obligationären einen Interessengleichlauf ohne das Interesse jenseits der ohne weiteres nachvollziehbaren bestmöglichen Befriedigung selbst zu definieren. Die kollektive Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss knüpft daran an, dass die Obligationäre selbst am besten wissen, was gut für sie ist. Diese Richtigkeitsgewähr privatautonom getroffener Entscheidungen 25 bedingt einmal den Rückzug der Gerichte bei der Inhaltskontrolle. 26 Sie verbietet darüber hinaus – erst recht – die inhaltliche Konkretisierung einer privatautonom getroffenen Entscheidung mittels normativer Vorgaben. Indem das SchVG diesen allgemeinen zivilrechtlichen Ansatz auf die Fälle der Unternehmenskrise erstreckt, wird deutlich, dass eine normativ begründete Verpflichtung der Beteiligten auf ein Gesamtinteresse der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten oder das ökonomisch begründete Wertsteigerungsprinzip27 nicht besteht. Ein Interessenwiderstreit zwischen Schuldner und Obligationären ist vielmehr ebenso möglich wie ein Interessengleichlauf. Sind die Obligationäre hiernach frei, ihr gemeinsames Interesse selbst zu definieren und hiernach zu handeln, gilt dies für die übrigen Unternehmensgläubiger gleichermaßen. Schranken bestehen somit nicht durch eine generelle Verpflichtung auf ein Gesamtinteresse, sondern allenfalls aufgrund einer anderweitig zu begründenden Einschränkung der Privatautonomie.

25 26 27

Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130. Zum Ganzen Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 9 ff. Vgl. oben § 7 V 3.

IV. Zusammenfassung

259

IV. Zusammenfassung Ziel der vorstehenden Ausführungen war es, herauszuarbeiten, inwieweit sich aus den Ansätzen, das Kollektivhandlungsrisiko bei der Unternehmensfinanzierung zu vermeiden, eine kollektive Gläubigerverantwortung begründet lässt, innerhalb derer die hier interessierende Verantwortung für unternehmerische Einflussnahme angesiedelt werden könnte. Hierbei ergab sich, dass die ökonomisch hergeleitete Prämisse, die Beteiligten auf ein Gesamtinteresse der Insolvenzvermeidung zu verpflichten und hieraus Kooperationspflichten abzuleiten, rechtlich nicht begründbar ist. Der Ansatz, eine gesellschaftsähnliche Sonderverbindung der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten aufgrund hypothetischer Verträge anzunehmen, vermag allenfalls Verhandlungspfl ichten zu begründen, ohne den Beteiligten jedoch aufzugeben, in welcher Weise sie hierbei vorgehen. Eine Lösung des Akkordstörerproblems kann hierüber ebenso wenig erreicht werden wie die Etablierung allgemeiner Verhaltensanforderungen auf der Grundlage einer gesellschaftsähnlichen Zweckförderungspfl icht. Da auch das für die außergerichtliche Sanierung modellhafte SchVG davon ausgeht, dass die Obligationäre frei sind, mit welchen Mitteln sie ihr Interesse gegenüber dem Schuldnerunternehmen und den übrigen Gläubigern verwirklichen, besteht nach gesetzlicher Konzeption kein Zwang zu abgestimmtem Vorgehen oder zur Insolvenzvermeidung. Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass die außergerichtliche Sanierung im Vorfeld der Insolvenz unzulässig wäre. Fest steht allein, dass sie nicht in den auf wesentliche Elemente des Planverfahrens reduzierten Formen erfolgt, sondern – wie im übrigen Zivilrecht der Regelfall – im freien Spiel der Kräfte. Die Beteiligten sind frei, ob sie sich miteinander verbinden oder nicht. Sie sind zumindest im Ausgangspunkt frei, ihre selbst definierten Individualinteressen gegenüber dem Schuldnerunternehmen und den übrigen Gläubigern durchzusetzen. Die pluralistische Gläubigerstruktur und die hieraus resultierenden Interessenkonflikte sind damit nach wie vor die Grundlage für die rechtliche Beurteilung, welches Individualverhalten zulässig ist. Will man daher die hier interessierende Mitsteuerung der Gläubiger rechtlich prinzipiell billigen und mit einer korrespondierenden Verantwortung für andere unterlegen, ist nachfolgend herauszuarbeiten, welche Grenzen dem individuellen Gläubigerverhalten aus ökonomischer und rechtlicher Sicht gesetzt sind.

Dritter Teil

Ökonomische und rechtliche Grundlagen einer individuellen Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme Der vorherige Teil ergab, dass die Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Gläubiger zumindest in der insolvenznahen Unternehmenskrise gerechtfertigt ist, es jedoch kein alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten erfassendes Pflichtenkorsett gibt, wonach jeder Einzelne als Partei eines hypothetischen Vertrages oder als Mitglied einer schlichten Interessengemeinschaft gehalten wäre, sich an der außergerichtlichen Sanierung mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung zu beteiligen. Konsequenterweise konnte auf diesen Ansatz auch nicht zurückgegriffen werden, um hierauf die über das Akkordstörerproblem hinausgehende Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme dogmatisch auszubauen. Eine Pflicht der Gläubiger, ihr Verhalten, mithin auch die unternehmerische Einflussnahme, auf ein überindividuelles Ziel der Insolvenzvermeidung hin auszurichten, lässt sich de lege lata nicht begründen. Dass dieser rechtliche Befund das in der ökonomischen Theorie für vorteilhaft erachtete Konzept der marktwirtschaftlichen Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren unter Beteiligung der Gläubiger erheblich relativiert, liegt auf der Hand. Mangels einer sachnah begründeten Verantwortung für die unternehmerische Einflussnahme bleibt es bei der zu Beginn beschriebenen Rechtsunsicherheit, die von der bisher herrschenden generalklauselartigen Erfassung als potentiell sittenwidrig, unangemessen oder rechtswidrig ausgeht. Will man die zunehmend enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen rechtlich billigen uns ausgestalten, müssen daher andere ökonomische und rechtliche Begründungsansätze herausgearbeitet werden, um die Einflussnahme an eine für das Funktionieren des Finanzierungsmarktes notwendige Selbstbetroffenheit der Handelnden zu knüpfen. Die zuvor begründete Ablehnung einer kollektiven Verantwortlichkeit aller an der Unternehmensfinanzierung Beteiligter entfaltet jedenfalls diesbezüglich keine Sperrwirkung oder stellt das auf Insolvenzvermeidung ausgelegte Konzept der externen Corporate Governance in Frage. Selbst wenn man nämlich eine kollektive Verantwortung der Beteiligten zur Insolvenzvermeidung ablehnt, ließe sich über eine individuelle Gläubigerverantwortung dem mittels Covenants zu verwirklichenden Sanierungsziel außerhalb eines staatlichen In-

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Dritter Teil: Ökonomische und rechtliche Grundlagen

solvenzverfahrens Geltung verschaffen. Man muss nur die bisherige Diskussion über das Akkordstörerproblem von einer anderen Seite aus betrachten. Dieses wurde als Sanierungshindernis bisher vornehmlich als eine Frage des fehlenden Konsenses aller an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten über eine mehrheitlich gewünschte außergerichtliche Sanierung erörtert. Die Figur des alles umspannenden hypothetischen Vertrages und die hieraus resultierende gesellschaftsähnliche Sonderverbindung waren konsequenterweise der zutreffend umfassende Ansatz zur Begründung einer alle Beteiligten treffenden kollektiven Sanierungsverantwortung. Dass dieser dogmatisch nicht zu überzeugen vermochte, schließt nicht aus, die im Akkordstörerproblem zum Ausdruck kommende Weigerung eines Gläubigers, sich an der Insolvenzvermeidung zu beteiligen, im Verhältnis zwischen ihm und dem finanzierten Unternehmen anzusiedeln und auch dort zu lösen. Das so gefasste Akkordstörerproblem – mithin der fehlende Wille eines Gläubigers, sich an einer erfolgversprechenden außergerichtlichen Sanierung durch Stundung oder teilweisem Forderungsverzicht zu beteiligen – deckt sich im Kern mit der hier interessierenden rechtlichen Gewährleistung, dass die unternehmerische Einflussnahme nicht bloß auf die Vermeidung des Insolvenzverfahrens, mithin die masselose Insolvenz, abzielt, sondern auf die Vermeidung der Insolvenz als Unternehmenskrise. In beiden Fällen geht es darum, mittels einer rechtlichen Regel ein bestimmtes, auf Insolvenzvermeidung abzielendes Verhalten zu erzwingen. Sollte es mittels rechtlicher Vorgaben gelingen, dass die unternehmerische Einflussnahme eines Gläubigers von vornherein auf die Insolvenzvermeidung abzielt, wäre gewährleistet, dass der mit den Insolvenzgründen umschriebene Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung vermieden werden könnte. Hierüber würden auch die Interessen derjenigen Gläubiger verwirklicht, die sich der unternehmerischen Einflussnahme enthalten. Zu fragen ist daher, ob man abweichend von der bisherigen Diskussion über das Akkordstörerproblem nicht zumindest einer bestimmten Gruppe von Gläubigern eine besondere individuelle Verantwortung auferlegen kann, die die für eine Insolvenzvermeidung erforderlichen Handlungen nach sich zieht. Diese an zurechenbares Verhalten Einzelner geknüpfte individuelle Verantwortung hätte zwar nicht die Reichweite wie ein alle Beteiligten gleichermaßen überwölbendes Pflichtenkorsett, sie ließe sich aber möglicherweise in engerer Anbindung an die der Unternehmensfinanzierung zu Grunde liegenden Regeln begründen als unter Bezugnahme auf hypothetische Verträge oder die konturenlose Bejahung einer schlichten Interessengemeinschaft. Auch ist es keineswegs zwingend, die hier interessierende Gläubigerverantwortung auf der Grundlage entsprechender Rechtspflichten zu entwickeln, sei es eine Pflicht zur Insolvenzvermeidung oder eine Pflicht zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung, worauf die Befürworter einer Gläubigerverantwortung als faktische Geschäftsführer plädieren. Die an eine Pflichtverletzung geknüpfte Sanktionie-

Dritter Teil: Ökonomische und rechtliche Grundlagen

263

rung von Verhalten birgt stets die Gefahr in sich, dass diese Pflicht ex ante für die potentiell Betroffenen schwer vorhersehbar ist und die drohende Haftung wegen Pflichtverletzung damit entweder nicht die gewünschte Steuerungswirkung entfaltet oder aber umgekehrt die Beteiligten von vornherein abhält, sich „im Bereich des Erlaubten“ zu bewegen, um nur nicht in die Nähe des Vorwurfs pflichtwidrigen Handelns zu gelangen. Die Unsicherheit bei der gerichtlichen Ex-post-Kontrolle von Pflichten verstärkt diese Tendenz noch. Zur rechtlichen Sanktionierung eines die Sanierungschancen außerhalb des Insolvenzverfahrens mindernden opportunistischen Verhaltens der Gläubiger könnte auch ein Weg beschritten werden, der ohne die rechtliche Qualifizierung von Handlungen als pflichtwidrig – und erst recht als sittenwidrig – auskommt. Die rechtlich zu begründende Gläubigererantwortung als Anreiz, die unternehmerische Einflussnahme auf eine Insolvenzvermeidung hin auszurichten, könnte so ausgestaltet werden, dass man zumindest bestimmten Gläubigern auf der Grundlage eines wegen ihrer vorherigen Einflussnahme individuell widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens das Recht abspricht, sich in der insolvenznahen Krise oder zumindest in der Insolvenz auf die Rolle eines unternehmensfremden Kapitalgebers zurückzuziehen und ihr Rückzahlungs- und Zinsinteresse durch eine Abkoppelung vom unternehmerischen Risiko des Schuldners zu verwirklichen. Eine derartige gesetzliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital bzw. eine vergleichbare insolvenzrechtliche Rückstufung von Forderungen würde die prinzipiell zulässige Verwirklichung von Eigeninteressen anerkennen und böte als Vorwirkung die – mit der Verantwortlichkeit der Eigentümern vergleichbare – Gewähr, dass die Einflussnahme auf das Unternehmen in einer Weise ausgeübt wird, dass es nicht zu diesen für den Einzelnen negativen Wirkungen kommt. Nachfolgend gilt es nunmehr herauszuarbeiten, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, zumindest denjenigen Gläubigern eine Verantwortung für das finanzierte Unternehmen, seine Eigentümer und sonstigen Gläubiger aufzuerlegen, die sich im Vorfeld der Krise bereits über die dem gesetzlichen Regelfall entsprechende Rolle des einflusslosen Fremdkapitalgebers hinaus an der Mitsteuerung eines Unternehmens beteiligt haben. Sollte es gelingen, widersprüchliches Finanzierungsverhalten ökonomisch und rechtlich zu missbilligen, wäre die aus der Einflussnahme der Fremdkapitalgeber auf die Unternehmensführung resultierende Verantwortung nicht nur die notwendige Kompensation, den drohenden Vorwurf der „unzulässigen Einmischung“ auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers auszuräumen. Die mit der Einflussnahme auf das Unternehmen korrespondierende Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Zeitpunkt der vorinsolvenzlichen Krise und in der Insolvenz wäre zudem ein Anreiz für die betreffenden Fremdkapitalgeber, ihren Einfluss von vornherein mit dem Ziel auszuüben, es gar nicht zu einer Krise mit Sanierungsbedarf kommen zu lassen. Die

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Dritter Teil: Ökonomische und rechtliche Grundlagen

Kennzeichnung der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung als „marktwirtschaftliche Alternative zum staatlichen Insolvenzverfahren“ ließe sich auch rechtlich begründen. Die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber wären infolge der drohenden Einschränkung ihrer an sich bestehenden Rechte als Nichteigentümer gehalten, sich bei der Überwachung und Mitsteuerung des Unternehmens so zu verhalten, dass es überhaupt nicht zu einer Krise kommt. Auf diese Weise könnte den Vorzügen der marktwirtschaftlichen Alternativen zum staatlichen Insolvenzverfahren Geltung verschafft werden, ohne dass die Einflussnahme Gefahr läuft, in nicht hinnehmbarer Weise auf Kosten anderer ausgenutzt zu werden.

§ 10 Individuelle Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz Indem nach dem Vorgesagten feststeht, dass es keine rechtliche Möglichkeit gibt, die pluralistische Interessenstruktur der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten auf ein gemeinsames Interesse hin auszurichten, soll nachfolgend untersucht werden, wie sich eine entsprechende individuelle Gläubigerverantwortung anderweitig begründen lässt. Auch hierzu werden in der ökonomischen Theorie Lösungen vorgebracht, die möglicherweise als Grundlage für die Begründung und Ausgestaltung rechtlicher Regeln heranzuziehen sind. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst der Ansatz, die rechtliche Zulässigkeit eines individuellen Gläubigerverhaltens an die Einhaltung sog. Pareto-Effizienz zu knüpfen. Nach Maßgabe des Kaldor/Hicks-Kriteriums wäre der Gläubigereinfluss zumindest dann uneingeschränkt zulässig, wenn es hierdurch keinem der an der Unternehmensfinanzierung Betroffenen schlechter gehe, was ggf. über eine Schadensersatzhaftung wegen Fehlverhaltens zu gewährleisten wäre. Sollte dieser Ansatz zutreffen, könnte die zu Beginn der Arbeit kritisierte Konturenlosigkeit einer auf die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit und Rechtswidrigkeit gestützten Gläubigerverantwortung dahingehend präzisiert werden, dass die rechtliche Missbilligung der Einflussnahme jedenfalls dann ausscheidet, wenn hierdurch bei finanzieller Betrachtung keiner eine Einbuße erleidet. Dass dies nicht von vornherein ausgeschlossen ist, ergibt eine Parallele zum Aktienrecht. Gemäß § 243 Abs. 2 S. 1 AktG ist eine Beschlussfassung in der AG, wonach ein Aktionär für sich oder einen Dritten Sondervorteile zu erlangen sucht, rechtswidrig und anfechtbar. Gemäß § 243 Abs. 2 S. 2 AktG gilt dies jedoch nicht, wenn der Beschluss den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Dieser – hier freilich nicht unmittelbar anwendbare – Zusammenhang, dass die Vermögenskompensation eine einseitige Vorteilsnahme legitimiert, könnte durchaus eine tragfähige gesetzgeberische Analogiegrundlage sein, den Nichteigentümern eine nach Maßgabe der Pareto-Effizienz begründete Verantwortung der Einflussnahme im hier interessierenden Bereich der Unternehmensfinanzierung aufzuerlegen.

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§ 10 Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz

I. Das Konfliktpotential pluralistischer Finanzierungsstrukturen als Regelungsproblem Thießen als entschiedener Befürworter Covenant-gestützter Finanzierungsverträge führt selbst an, die konkrete Ausübung der an sich vorteilhaften Flexibilität vertraglicher Abreden hinge entscheidend von den Fähigkeiten derjenigen ab, die diese Regelungen vereinbaren. Er nennt exemplarisch das „Können der jeweiligen Juristen“ und die „Verhandlungsstärke der Beteiligten“.1 Hiermit wird – aus ökonomischer Sicht! – anerkannt, dass die Fähigkeit der Parteien zur Selbstregulierung aus einer Vielzahl von Gründen gestört sein kann. Die Überwachung und Mitsteuerung des Schuldners aufgrund vertraglicher Abreden erscheinen daher zunächst nur aus der Perspektive des diese Gestaltungen durchsetzenden Fremdkapitalgebers als vorteilhaft. Wie bereits erwähnt, drohen hieraus auch Nachteile für das finanzierte Unternehmen, seine Eigentümer und übrigen Gläubiger.2 Durch die von einigen Gläubigern gewünschte Disziplinierung des Schuldners verschieben sich die Herrschaftsverhältnisse von den Eigentümern zu einzelnen Fremdkapitalgebern.3 Man könnte dem zwar entgegenhalten, dass kein Unternehmen gezwungen ist, eine Fremdfinanzierung aufzunehmen und die Verhandlungsstärke daher auf beiden Seiten gleich groß ist. Selbst wenn Unternehmen und Fremdkapitalgeber dieselbe Verhandlungsstärke aufweisen und dieselben Interessen haben, ist jedoch zu bedenken, dass bei der Unternehmensfinanzierung typischerweise auch Dritte mit möglicherweise divergierenden Interessen betroffen sind. Wie bereits erwähnt, ist nicht jeder Unternehmensgläubiger willens und in der Lage, über die Vereinbarung von Covenants eine sich abzeichnende Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und die wie auch immer ausfallenden adäquaten Gegenmaßnahmen, meist verbunden mit einem zumindest teilweisen Forderungsverzicht oder einer Stundung, einzuleiten und mitzutragen. Mankowski weist zutreffend darauf hin, dass bei Verhandlungen über die Neustrukturierung von Gesellschaftsschulden oder des Unternehmens „mit großem Kaliber“ geschossen wird und die Interessen der Kleingläubiger die ersten Opfer der durch die professionellen Gläubiger dominierten Strategien sind.4 Etablieren daher lediglich einige (wichtige) Gläubiger ein entsprechendes Covenantgestütztes Frühwarnsystem in ihren Finanzierungsverträgen, besteht die Gefahr, dass sie sich Vorteile auf Kosten anderer Gläubiger verschaffen.5 Die 1 2 3

Thießen, ZBB 1996, 19, 22. Zu den Konfliktpotentialen bereits oben § 3. So bereits Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488,

297. 4

Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 496. So bereits Fleischer, ZIP 1998, 313, 317 ff.; Merkt, ZGR 2004, 305, 314; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 724, 730 f.; Bezzenberger, Kapital, S. 117; Arnold, Konzern 2007, 118, 5

II. Die Notwendigkeit des Außenseiterschutzes

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Selbstregulierung durch den Verhandlungsmechanismus zwischen den Beteiligten ist hiernach zunächst nur als eine typisierte Vorteilhaftigkeit gegenüber zwingenden Regeln anzuerkennen. 6 Letztlich zu überzeugen vermag diese Überlegenheit der Selbstregulierung auch aus ökonomischer Sicht daher nur, wenn das aus der pluralistischen Finanzierungsstruktur resultierende Problem des Außenseiterschutzes gelöst werden kann.

II. Die Notwendigkeit des Außenseiterschutzes als Schranke individuellen Vorteilsstrebens Die Vorteilhaftigkeit privatautonom getroffener Lösungen gegenüber staatlichen Regeln kann auch aus ökonomischer Sicht nur dann begründet werden, wenn man die Frage mit einbezieht, inwieweit die jeweils Handelnden die (finanziellen) Interessen der anderen beeinflussen. Anhand des bereits vorgestellten modellhaften Gefangenendilemmas zeigt sich, dass dieser Aspekt eine Grundvoraussetzung für die Legitimation ökonomischer Regeln ist. Stellt man allein auf die Interessen der beiden Gefangenen in Gemeinschaft ab, fällt es leicht, keine Notwendigkeit für einen Außenseiterschutz zu sehen. Die ökonomisch begründete Regel, sich auf ein beiderseitiges Schweigen zu verständigen, wirkt nur zu ihrer beider Gunsten und ist daher insofern unbestreitbar sinnvoll. Der legitime Strafanspruch des Staates als Dritter würde hierbei freilich ausgeblendet. Selbst wenn man jedem Beschuldigten das Recht zuspricht, sich nicht selbst zu belasten, muss beim Beispiel des Gefangenendilemmas doch Anerkennung finden, dass der Staat, mithin die Justiz, das Recht hat, die Gefangenen getrennt voneinander zu verhören und damit letztlich darauf hoffen darf, dass die beiden Gefangenen sich – im Sinne der Wahrheitsfindung durchaus positiv – in Widersprüche verstricken. Die notwendige Überzeugungskraft zur Legitimation verbindlicher Rechtsregeln erhält eine auf dem Gefangenendilemma basierende ökonomische Theorie somit nur dann, wenn man die beschränkte Perspektive der konkret Handelnden verlässt und auch auf die Interessen der von dem betreffenden Verhalten betroffenen Dritten abstellt. Im Wettbewerbsrecht besteht diese Notwendigkeit gleichermaßen und wird recht deutlich berücksichtigt. Aus Sicht zweier Marktteilnehmer kann es geboten sein, ein Kartell zu 120: drittschützender Effekt vertraglicher Vereinbarungen von anpassungsfähigen Gläubigern ist keineswegs gesichert. Zur Ausplünderung eines Unternehmens mit dem Ziel der masselosen Insolvenz bereits oben § 6 VI 2. 6 Abw. jedoch vielfach die Literatur, wenn sie – gestützt auf eine „Suboptimalitätsvermutung“ – annimmt, zwingende Regelungen seien Verhandlungslösungen unterlegen (vgl. nur Götz, Juristische und ökonomische Analyse des Eigenkapitalersatzrechts, S. 212; dagegen zum Beispiel Renger, Gläubigerschutz, S. 86 ff.).

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§ 10 Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz

bilden. Dass dennoch ein gesetzliches Kartellverbot besteht, folgt aus der Erkenntnis, dass über ein solches Verhalten die anderen Marktteilnehmer beeinträchtigt werden können und damit letztlich der Markt insgesamt zu versagen droht. Zur dogmatischen Begründung und Legitimation der Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Gläubiger bedarf es daher einer umfassenden Betrachtung, wie individuell-motiviertes Handeln gegenüber Dritten wirkt. Da diese Drittinteressen typischerweise nicht Gegenstand der die Richtigkeitsgewähr begründenden Selbstregulierung zweier Vertragsparteien sind, 7 muss man fragen, inwieweit der Privatautonomie bzw. dem individuellen Vorteilsstreben zur Verwirklichung eines angemessenen Drittschutzes Grenzen gesetzt sind. Die in der ökonomischen Theorie vielfach angeführte generelle Skepsis vor zwingenden Regeln („Suboptimalitätsvermutung“) 8 wird hierdurch erheblich relativiert. Dieser Ansatz ist im Bereich der die Kapitalbindung bei GmbH, AG und KG potentiell unterlaufenden Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern anerkannt.9 Während Geschäfte zwischen der Gesellschaft und Dritten zur Gewährleistung des gesetzlichen Kapitalschutzes nicht auf ihren Inhalt hin kontrolliert werden, erfolgt im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG, § 57 AktG bzw. § 172 Abs. 4 HGB eine generelle Überprüfung des Geschäfts unter Heranziehung der Kriterien eines hierfür maßgeblichen „Als-Ob-Marktes“.10 Die Insiderstellung der Gesellschafter begründet die Sorge, dass das Rechtsgeschäft mit „ihrer“ Gesellschaft nicht den allgemeinen, durch Wettbewerb verobjektivierten, weitgehend kontrollfreien Marktmechanismen folgt, sondern einen sanktionswürdigen Widerspruch zur privatautonom getroffenen und gesetzlich gewährleisteten Bindung des Stamm- bzw. Grundkapitals darstellt.11 Die Gläubiger, deren Interesse mit den gesetzlichen Kapitalschutzregelungen primär verwirklicht werden, nehmen an den in Rede stehenden Transaktionen nicht teil. Als Kompensation des fehlenden Auftretens der Gesellschaft am Markt, welches die Grundlage für die Risikoeinschätzung der Gläubiger ist,12 erfolgt eine entsprechende inhaltliche Überprüfung der Vermögenstransfers.

7

Vgl. bereits oben § 3 II und § 4 II 3. In diesem Sinne nachdrücklich Götz, Juristische und ökonomische Analyse des Eigenkapitalersatzrechts, S. 149 ff. 9 Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 146. 10 Zum „Drittvergleich“ als marktkonformes Abgrenzungskriterium unzulässiger Leistungen causa societatis von zulässigen Drittgeschäften statt anderer Fastrich, in Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 22 ff.; Servatius, GmbHR 1998, 723, 725 ff. 11 Für die GmbH Servatius, DStR 2004, 1176, 1180. 12 Vgl. bereits Servatius, DStR 2004, 1176, 1180: Gesetzliche Kapitalbindung als Gewährleistung der durch die über die Publizität des Unternehmensgegenstands ermöglichten Risikoanalyse der Gläubiger. 8

III. Überwindung der Interessenpluralität durch das Kaldor/Hicks-Kriterium? 269

Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Covenant-gestützten Finanzierungsverträge übertragen. Funktional betrachtet ist die hieraus resultierende Kompensation des Kreditrisikos mit dem gesetzlichen Kapitalschutzsystem vergleichbar.13 Die Fremdkapitalgeber, die sich die entsprechenden Rechte einräumen lassen, das Unternehmen überwachen und auf die unternehmerischen Entscheidungen Einfluss nehmen, wollen hierüber ihr Rückzahlungsinteresse schützen. Im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen dem Unternehmen und dem sog. adjusting creditor, der über den Willen und die Fähigkeiten verfügt, diese individuellen Finanzierungsinstrumente zu vereinbaren, wird so ein inter partes wirkendes Gläubigerschutzsystem etabliert. Will man wie hier vorgeschlagen die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers auf das finanzierte Unternehmen als prinzipiell zulässig erachten, muss der Aspekt, den hiervon betroffenen Drittinteressen angemessen Geltung zu verschaffen, ebenfalls Rechnung getragen werden. Dies wird in der ökonomischen Theorie der Unternehmensfinanzierung freilich nicht verkannt. Es gibt vielmehr einen Ansatz, die Vorteilhaftigkeit privatautonomen Verhaltens in den Kontext hiervon betroffener Drittinteressen zu stellen und unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs eine Gläubigerverantwortung zu entwickeln.

III. Überwindung der Interessenpluralität durch das Kaldor/Hicks-Kriterium? Thießen führt an, Covenants könnten so formuliert werden, dass durch die hierdurch vermittelten Eingriffe kein anderer Kapitalgeber geschädigt wird.14 Während er noch offen ließ, auf welcher dogmatischen Grundlage diese Prämisse bei Fehlverhalten haftungsrechtlich effektuiert werden soll, spricht sich mittlerweile Engert für eine durch die Pareto-Effizienz und das Kaldor/HicksKriterium konkretisierte Kreditgeberhaftung gemäß § 826 BGB aus.15

1. Die ökonomische Entscheidungstheorie als Ausgangspunkt Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die ökonomische Entscheidungstheorie. Diese erkennt – als empirischen Regelfall – an, dass die Wahl einer Handlungsoption von der jeweiligen Entlohnung abhängt. Ein Gläubiger macht sein Tätigwerden von dem hieraus resultierenden finanziellen Anreiz abhängig. Lässt man die nicht in jedem Fall gerechtfertigte Beschränkung der modell13

Ähnlich bereits Schön, ZGR 2000, 706, 727, der Covenant-gestützte Finanzierungsverträge – vor allem aus der Perspektive des US-amerikanischen Rechts – als schuldrechtliche Simulation des Kapitalschutzes sieht. 14 Thießen, ZBB 1996, 19, 23 ff. 15 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 126 ff.

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§ 10 Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz

haften Betrachtung auf finanzielle Anreize beiseite,16 ist dieser Ansatz banal. Jedes privatautonome Handeln ist zumindest auch von einer Abschätzung der hieraus erwarteten Folgen motiviert. Auf der Grundlage dieser Prämisse kommt es gerade zu den oben skizzierten Problemen einer pluralistischen Finanzierungsstruktur: Wenn jeder (nur) daran denkt, welche Vorteile ihm aus einer Handlung erwachsen, liegt es nahe, dass diese Vorteile zumindest zu weiten Teilen auf Kosten anderer erwirtschaftet werden. Zwingend ist dies indessen nicht. So ist es auch möglich, dass eine durch das individuelle Anreizsystem beeinflusste Handlung allen Beteiligten nutzt – unmittelbar oder wenigstens mittelbar. Hierauf stellt die nachfolgend nachzuzeichnende ökonomische Legitimation Covenant-unterlegter Unternehmensfinanzierungen durch Thießen ab.17

2. Die Steigerung des Unternehmenswertes als Grundlage des Außenseiterschutzes Die zur Verwirklichung des Außenseiterschutzes notwendige Einschränkung privatautonomen Handelns folgt nach Ansicht Thießens aus dem Zusammenhang zwischen der Handlung eines Gläubigers und der hiermit verbundenen Veränderung des Unternehmenswerts. Aus ökonomischer Sicht besteht jedenfalls dann kein Anlass zur Missbilligung, wenn der einzelne Gläubiger eine Strategie wählt, die den Unternehmenswert maximiert und damit mittelbar allen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zu Gute kommt.18 Im Ergebnis bedeutet dies unter Anwendung des Kaldor-Hicks-Kriteriums, dass ein Gläubigerverhalten solange zulässig ist, wie es – vermittelt über die Steigerung des Unternehmenswerts – keinen anderen Beteiligten schädigt, mithin Paretoeffizient ist. Die Parallele zu dem bereits im Zusammenhang mit der Begründung vorinsolvenzlicher Kooperationspflichten erörterten Wertsteigerungsprinzip19 ist nicht zufällig. Sie verdeutlicht vielmehr, dass die ökonomische Theorie ein universelles Erklärungsmuster ist, welches auf keinen numerus clausus der Anwendungsfälle beschränkt ist.

16

Zu dieser Schwäche der ökonomischen Theorie bereits oben § 7 II 3. Ähnlich Engert bei der Begründung Kreditgeberhaftung aus § 826 BGB zur Sanktionierung nicht-gesamtwertsteigernden Verhaltens (Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 125 ff.). 18 Thießen, ZBB 1996, 19, 23 f.; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 122 f. 19 Oben § 7 V 3. 17

III. Überwindung der Interessenpluralität durch das Kaldor/Hicks-Kriterium? 271

a. Die notwendigen Anreize für den Entscheidungsträger Die Verwirklichung dieses aus ökonomischer Sicht gewünschten Zusammenhangs von Individualverhalten und der Steigerung des Unternehmenswertes ist in der Praxis erheblichen Gefahren ausgesetzt. Handelt nämlich der Gläubiger egoistisch und orientiert sich nur an den auf ihn selbst entfallenden Ertrag, ist nicht gewährleistet, dass er eine Strategie verfolgt, die zu einer Steigerung des gesamten Unternehmenswertes führt. Die zur Verwirklichung des Außenseiterschutzes notwendige Maximierung des gesamten Unternehmenswertes ist nämlich nicht zwingend mit dem persönlichen Nutzen des an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten identisch. Es bedarf daher eines Korrektivs, welches gewährleistet, dass der aus einem Covenant berechtigte Gläubiger eine Strategie wählt, die – zumindest auch – eine allen Beteiligten zukommende Steigerung des Unternehmenswertes und damit ihrer Anspruchspositionen herbeiführt. Dieser Anreiz folgt nach der ökonomischen Theorie aus der Größe des individuellen Nutzens bei Vornahme einer Handlung im Verhältnis zum Nichtstun. 20 Aus Sicht des Entscheidungsträgers ist eine Strategie immer dann zu wählen, wenn es keine andere Strategie gibt, die – durchgeführt von ihm oder einem anderen Entscheidungsträger – zu einem größeren individuellen Ertrag führt. Übertragen auf die Covenant-unterlegte Unternehmensfinanzierung bedeutet dies, dass es für einen durch den Breach of Covenant berechtigten Gläubiger nur dann attraktiv ist, seine hieraus resultierenden Rechte geltend zu machen, wenn der ihm hiermit zukommende Ertrag kleiner ausfallen würde, wenn ein anderer in der konkreten Situation entsprechende Konsequenzen ziehen würde. Gibt es solche anderen Strategien, etwa die Einflussnahme auf das Management durch einen anderen Gläubiger oder die Eigentümer des Unternehmens, wäre es für den berechtigten Gläubiger nicht optimal, seine Rechte aus dem Covenant für die Durchsetzung seiner Strategie zu nutzen. Er überlässt in diesem Fall die Strategiefindung besser anderen Entscheidungsträgern. Dieser aus den Auswirkungen von Handlungen resultierende Zusammenhang lässt sich auch spiegelbildlich darstellen und berechnen. Für die anderen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten ist die vom berechtigten Gläubiger durchgeführte Strategie dann nicht nachteilig, wenn der auf die anderen anfallende Anteil an der Steigerung des Unternehmenswertes größer oder gleich groß ist als bei der Durchführung der Strategie durch einen anderen Entscheidungsträger. 21 Im Kern reduziert sich diese ökonomische Betrachtung damit auf den Unternehmenswert: Als pareto-effizient zu wählen ist stets diejenige Strategie, bei der die größte Steigerung des Unternehmenswerts bei optimalem Nutzen des Entscheidungsträgers erreicht wird. In diesem Fall kann der Aus20 21

Thießen, ZBB 1996, 19, 23 f. Einzelheiten bei Thießen, ZBB 1996, 19, 23.

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§ 10 Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der Pareto-Effizienz

nutzung einer aus dem Breach of Covenants resultierenden Rechtsmacht nicht vorgeworfen werden, sie begünstige einseitig den Berechtigten und führe insgesamt zu suboptimalen Lösungen. b. Das variable Verhältnis von Unternehmenswert und individuellem Nutzen Der entscheidende Effekt dieser ökonomischen Betrachtung ist der variable Zusammenhang von individuellem Nutzen und Steigerung des Unternehmenswertes. Dies zeigt sich daran, dass die Partizipation der einzelnen am Unternehmenswert nicht einer feststehenden Aufteilungsregel unterliegt. Der Anreiz des individuellen Nutzens entfaltet vielmehr erst dann seine Wirkung, wenn es sich aus Sicht eines Beteiligten lohnt, seinen Anteil am Unternehmenswert durch die Vornahme einer bestimmten Strategie zu vergrößern. So erlaubt die Ausübung einer durch den Breach of Covenants ermöglichten Strategie dem berechtigten Gläubiger, seine Beteiligung am Unternehmenswert zu vergrößern, etwa durch die Erhöhung des Darlehenszinses oder das Verlangen nach waiver fees.22 Die unterschiedliche Partizipation der Beteiligten am Unternehmenswert und die Möglichkeit, die eigene Position zu vergrößern, werden nicht als Schwäche des Außenseiterschutzes empfunden. Vielmehr ist bei der ökonomischen Legitimation einer Handlung allein danach zu fragen, ob sie die Anspruchspositionen der anderen Beteiligten verschlechtert. Das Aufteilungsproblem ist daher aus ökonomischer Sicht nicht dadurch zu lösen, dass alle Beteiligten an den mit der Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf den Unternehmenswert gleichermaßen – pro rata – partizipieren. Es gilt vielmehr auch dann als gelöst, wenn der Entscheidungsträger einen größeren Ertrag erlangt als die übrigen, diese aber wiederum trotz der hiermit verbundenen Verschiebung der Aufteilungsregel absolut gesehen nicht weniger bekommen als bei einer anderen Maßnahme, die den Entscheidungsträger weniger stark begünstigt. Vereinfacht gesagt, beruht die ökonomische Erklärung der Vorteilhaftigkeit des Einsatzes Covenant-gestützter Unternehmensfinanzierung somit darauf, dass der Vorteil eines Beteiligten nicht missbilligt wird, solange es den übrigen – finanziell betrachtet – nicht schlechter geht, als wenn die entsprechende Maßnahme unterblieben wäre. Richtet sich das Verhalten der Beteiligten hieran aus, profitieren schließlich alle, so dass die Bezeichnung als marktwirtschaftlich orientierte Alternative gerechtfertigt ist. Umgekehrt ist ein Verhalten, welches zu einer Schädigung anderer führt, ökonomisch nicht zu billigen und damit Anlass für dessen rechtliche Missbilligung.

22

Hierzu oben § 1 III 4.

IV. Kritische Würdigung

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IV. Kritische Würdigung Auf den ersten Blick ist eine hierauf gestützte Gläubigerverantwortung in sich schlüssig: Ein Fremdkapitalgeber darf grenzenlos eigensüchtig handeln, wenn hierdurch kein anderer schlechter gestellt wird. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieser Ansatz weder rechtssicher handhabbar ist noch eine taugliche Grundlage zur Konkretisierung einer entsprechenden normativen Regel, insbesondere der Schadensersatzhaftung gemäß § 826 BGB, ist.

1. Fehlende praktische und rechtssichere Handhabbarkeit einer mathematischen Begründung rechtswidrigen Handelns Die Bestimmung ökonomischer Gebotenheit (Pareto-Effinzienz) nach dem Kaldor/Hicks-Kriterium ist zumindest im hier interessierenden Bereich bereits nicht praktisch handhabbar und erfüllt damit nicht die Mindestvoraussetzung an eine normative Regel zur Begründung einer entsprechenden Verantwortung. Die komplizierten Berechnungen Thießens für eine ökonomisch optimale Strategie23 lassen sich in der Praxis nicht anwenden. Wie will man zum Beispiel berechnen, inwieweit eine Einflussnahme auf das Schuldnerunternehmen konkret wertsteigernd oder wertmindernd war? Die Möglichkeiten, auf das Schuldnerunternehmen Einfluss auszuüben, sind vielfältig und in einem Bündel mit anderen Faktoren zusammengefasst. Die mathematisch ermittelte Zurechenbarkeit eines Zustands zu einer bestimmten Handlung wäre im Regelfall reine Fiktion. Weiterhin berücksichtigen diese Modelle nicht ausreichend den Zeitfaktor. Verlangt ein Gläubiger zum Beispiel waiver fees, weil sich die Entwicklung der Geschäftstätigkeit verschlechtert, führt dies zunächst zu einer weiteren Verschlechterung der Vermögenssituation des Schuldners. Kommt es nachfolgend zum Aufschwung, profitieren hiervon möglicherweise nicht mehr die Gläubiger, die unter dem Druck der aktuell schlechten Situation auf Teile ihrer Forderungen verzichtet haben. Derartige Einwände ließen sich beliebig fortführen. Die mathematische Herangehensweise Thießens, anhand einer Formel mit vierzehn (!) – teils auf Wahrscheinlichkeiten bezogenen – Variablen 24 die Rechtmäßigkeit eines Gläubigerhandelns normativ bestimmen zu wollen, kann nicht geeignet sein, die ex ante notwendige verhaltenssteuernde Wirkung und ex post notwendige Justiziabilität zu gewährleisten. Dass der Gesetzgeber es bisher unterließ, ein vergleichbares Vorgehen zur Bestimmung rechtswidrigen Verhaltens zum Inhalt einer Norm zu machen, verdeutlicht dies zusätzlich. 25 Auch der gesetzlich anerkann23

Thießen, ZBB 1996, 19, 23 ff. Thießen, ZBB 1996, 19, 23; vgl. auch die Berechnungen Engerts (Haftung für drittschädigende Kreditgewährung) auf S. 126 ff.). 25 Eine ebenso untaugliche, nicht auf den differenzierten Rechtsgüterschutz abgestimmte 24

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te Ausschluss der Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gemäß § 243 Abs. 2 S. 2 AktG vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Die Beschlussfassung erfolgt bei der AG in einem förmlichen Verfahren und erfasst daher – anders als die Einflussnahme gemäß § 117 AktG – nur genau bestimmte Beschlussgegenstände. Insofern fällt es gegenüber dem Vorgesagten noch relativ leicht, den Sondervorteil und die vermögensmäßige Kompensation zu bestimmen. Als Grundlage einer allgemeinen Regel ist dieses Schlechterstellungsverbot als Legitimation an sich rechtswidrigen Handelns somit nicht geeignet.

2. Erneuter Vorbehalt gegen die normative Bedeutung des Wertsteigerungsprinzips Gegen den Ansatz Thießens und das von Engert für maßgeblich erachtete Wertsteigerungsprinzip spricht ein weiterer Aspekt. Selbst wenn es gelänge, die erforderlichen Berechnungen für jeden Einzelfall anzustellen, ließe sich die maßgebliche Vereinbarkeit mit dem Kaldor/Hicks-Kritrium als Ziel dieser Berechnungen jedenfalls nicht normativ begründen. Die nachfolgende Kritik ähnelt der bereits bei der Ablehnung ökonomisch begründeter Kooperationspflichten geäußerten. Auch haftungsrechtlich entbehrt der zentrale Satz der ökonomischern Theorie, dass das Vorteilsstreben nur insofern Grenzen findet, als es der Gruppe der anderen insgesamt nicht schlechter geht, de lege lata einer gesetzlichen Grundlage. a. Hypothetischer Vertrag als unzulässige Fiktion Wie bereits anhand des Gefangenendilemmas ausgeführt, definiert die ökonomische Sichtweise die Motivation der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zu Gunsten eines finanziellen Gesamtinteresses und ist damit ebenso paternalistisch wie eine zwingende gesetzliche Regel, die von ihr gerade bekämpft wird. 26 Noch einmal: die ggf. erzwungene Verständigung auf ein beiderseitiges Schweigen ist nur dann „vorteilhaft“, wenn man die hierdurch bezweckte Strafe der beiden Täter dem Strafanspruch des Staates gegenüberstellt. Aus Sicht eines Einzelnen vermag dies nur dann zu überzeugen, wenn man zum Beispiel die Motivation außer Acht lässt, auf jeden Fall eine geringer Strafe als die des Komplizen erlangen zu wollen. Dies wird bei der hier interessierenden Herangehensweise ist die sog. Learned Hand-Formel im Haftungsrecht. Hiernach handelt jemand fährlässig, wenn sein Vorsorgeaufwand zur Schadensvermeidung kleiner ist als der drohende Schaden multipliziert mit der Schadenswahrscheinlichkeit (vgl. Wagner, in Münch Komm BGB, Vor § 823 Rn. 39 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 121 ff.). Problematisch ist auch der Ansatz Eidenmüllers, die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO von einer „Insolvenzwahrscheinlichkeit größer 0,5“ abhängig zu machen (ZHR 17 [2007], 644, 669). 26 Vgl. oben § 7 II.

IV. Kritische Würdigung

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individuellen Gläubigerverantwortung nach Maßgabe des Kaldor/Hicks-Kritierums übersehen. So liegt auch dem Ansatz Thießens zur Legitimation des für maßgeblich erachteten Gesamtinteresses letztlich die Figur des hypothetischen Vertrages zu Grunde, wonach alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten damit einverstanden sind, einer hierüber entwickelten Regel unterworfen zu sein. Konkret bedeutet dies, dass zum Beispiel ein Kreditgeber damit einverstanden sein soll, später einmal einer rechtlich wirkenden Gläubigerverantwortung ausgesetzt zu sein, die es ihm verbietet, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen, die einem anderen schadet. Dass sich unter diesen Vorzeichen niemand ex ante an der Unternehmensfinanzierung beteiligt, liegt auf der Hand.27 Man könnte den Parteien genauso gut umgekehrt unterstellen, dass es ihnen allein darauf ankommt, einen Vorteil zu erzielen – unabhängig davon, ob dieser auf Kosten anderer erfolgt oder auf Kosten eines zuvor gesteigerten Korporationsgewinns. Die aufgrund eines hypothetischen Vertrags entwickelte Haftungsregel ist somit wie eine hierüber begründete Kooperationspflicht eine unzulässige Fiktion. b. Unverbindlichkeit wechselseitiger Risikozuweisungen gemäß § 762 Abs. 1 BGB Weiterhin ist wiederum zu berücksichtigen, dass der von der ökonomischen Theorie unterstellte Vertrag selbst bei Wirksamkeit keine rechtliche Billigung erfahren würde.28 Auch bei der hier interessierenden Begründung einer Verantwortlichkeit für Individualverhalten bei der Unternehmensfinanzierung gemäß dem hypothetisch konsentierten Kaldor/Hicks-Kritrium handelt es sich um einen Vertrag nach dem St. Florians-Prinzip. Alle hieran Beteiligten, also die Unternehmensgläubiger, -eigentümer und -leiter, sollen einen Vertrag in der Erwartung schließen, von der hierdurch begründeten Regel nicht betroffen zu sein.29 Da der Betroffene dieser Regel jedoch zwangsläufig die jeweils andere Partei des hypothetischen Vertrages ist, die ebenfalls davon ausgeht, hiervon nicht betroffen zu sein, handelt es sich um die durch § 762 Abs. 1 BGB geregelte gegenläufiger Risikoübernahme, welche – bei unterstellter Wirksamkeit – gerade unverbindlich ist.30 Überträgt man dies wiederum auf die Figur des hypothetischen Vertrages, muss die Unverbindlichkeit erst recht gelten: Die Rechtsordnung versagt auch einer Regel die Verbindlichkeit, wonach die Parteien vereinbaren, von dem drohenden Anwendungsfall zu Lasten der anderen jeweils 27

Vgl. bereits zur hierüber begründeten Kooperationspfl icht oben § 7 V 3. Hierzu bei den Kooperationspflichten oben § 7 V. 29 Dies verkennt Engert, indem er davon ausgeht, die Parteien würden lediglich nicht wissen, ob eine bestimmte Regelung ihnen nutzen oder Schaden wird (FS Heldrich, S. 87, 93). 30 Ausführlich Servatius WM 2004, 1804, 1808 ff. 28

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anderen Vertragspartei hoffentlich nicht betroffen zu sein. Letztlich ist die Figur des hypothetischen Vertrages damit auf ihren Ursprung als „Sozialvertrag“31 reduziert, mithin ohne rechtliche Verbindlichkeit. c. Verstoß gegen das Prinzip neminem laedere Schließlich widerspricht eine zur Haftungsbegründung herangezogene Figur des hypothetischen Vertrages den Wertungen des Deliktsrechts. In den „drei kleinen Generalklauseln“32 gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 und § 826 BGB kommt zum Ausdruck, dass außerhalb einer Sonderverbindung der Grundsatz des neminem laedere gilt.33 Es gibt keine auf den Vermögensschutz bezogene allgemeine gesetzliche Jedermann-Haftung.34 Eine solche würde hingegen geschaffen, wenn man über die Rechtsfigur des hypothetischen Vertrages die grenzenlose Welt der „Jedermänner und -frauen“ in bestimmte Segmente aufteilte, innerhalb derer eine nach dem Kaldor/Hicks-Kriterium ermittelte Verantwortlichkeit besteht. Diese betrifft nicht nur den Kreis der an einer Unternehmensfinanzierung Beteiligten. Er ließe sich beliebig ausweiten, zum Beispiel auf den Kreis der an einem Unternehmen beteiligten shareholder und stakeholder 35 oder auf die Teilnehmer des Straßenverkehrs. Der hypothetische Vertrag wäre auch hier ein Mittel, außerhalb rechtsgeschäftlicher oder unter dem Vertrauensaspekt normativ anerkannter Bindungen ein auf den Vermögensschutz bezogenes Unrecht zu begründen und damit eine systemwidrige Umgehung der haftungsbeschränkenden Funktion des Deliktsrechts.

V. Ergebnis Die ökonomische Theorie erkennt zutreffend an, dass die Effizienz von sich selbstregulierenden Krisenerkennungs- und -bewältigungsmechanismen unter dem Vorbehalt steht, einen angemessenen Außenseiterschutz zu verwirklichen. Das sog. Kaldor/Hicks-Kriterium, wonach eine individuelle oder von einem Teil der Betroffenen privatautonom vereinbarte Gestaltung solange zulässig ist, wie es keinem der hiervon Betroffenen schlechter geht als wenn die betreffende Regelung unterblieben wäre, kann jedoch nicht zur Grundlage einer normativen Begründung des rechtlichen Zulässigen herangezogen werden. Die Anwen31 Zur Entwicklung der konsenstheoretischen Ansätze ausführlich Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 234 ff.; Graf, Vertrag und Vernunft, 1997. 32 Statt anderer Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, § 75 I 3 (S. 354 ff.). 33 Grundlegend Picker, AcP 183 (1983), 460. 34 Hierfür mit Nachdruck Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 48 f.: „besondere Errungenschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches“. 35 Hierzu Engert, FS Heldrich, S. 87.

V. Ergebnis

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dung des Kaldor/Hicks-Kriteriums ist nicht praktisch handhabbar und damit nicht rechtssicher durchzuführen. Seine Verbindlichkeit und die Maßgeblichkeit des sog. Wertsteigerungsprinzips entbehren einer dogmatischen Grundlage und können ebenfalls nicht auf die Figur des hypothetischen Vertrages gestützt werden. Auch stellt eine mit dem Wertsteigerungsprinzip konkretisierte deliktische Schadensersatzhaftung für Vermögensschäden einen Verstoß gegen das Prinzip des neminem laedere dar.

§ 11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten Lehnt man die Maßgeblichkeit der Pareto-Effizienz ab, ist hiermit noch nicht ausgeschlossen, eine ökonomisch legitimierte Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme auf die Unternehmensführung anderweitig zu begründen. Ein weiterer, in der ökonomischen Theorie anzutreffender Ansatz zielt nämlich darauf ab, eine besondere Verantwortlichkeit der adjusting creditors unter Vertrauensaspekten zu begründen. Engert hat für das deutsche Recht ein Modell der sog. Kreditkaskaden herausgearbeitet.1 Kern seiner Überlegungen sind die ökonomischen und normativen Folgerungen aus dem empirisch nachweisbaren Vertrauen der Kreditgeber untereinander. Vereinfacht gesagt sind die adjusting creditors wegen ihrer umfangreichen Kreditprüfung und engen Anbindung an das finanzierte Unternehmen Treuhänder der übrigen Gläubiger und tragen auf dieser Grundlage eine Verantwortung dafür, dass das Vertrauen der anderen in die fortbestehende Kreditwürdigkeit des Unternehmens nicht enttäuscht wird. Sollte dies überzeugen, böte sich wiederum die Gelegenheit, die hier interessierende Gläubigerverantwortung wegen unternehmerischer Einflussnahme als Ausschnitt einer auf Vertrauensaspekte gestützten Verantwortlichkeit anzusehen und dogmatisch auszubauen.

I. Vertrauen der Kreditgeber untereinander – das Modell der Kreditkaskaden Für die Abschätzung des Kreditrisikos stehen der Finanzierungspraxis eine Vielzahl unterschiedlicher Informationsmöglichkeiten bereit. Zu nennen sind nur die Rechnungslegungspublizität, die Publizität des Kapitalmarktrechts, die Ergebnisse externer Ratings und natürlich die eigene Recherche. 2 Aus einer Vielzahl von Gründen werden diese Informationsquellen jedoch vielfach nur unzureichend genutzt.3 Nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 1

Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 83 ff. Grundlegend, auch rechtsvergleichend Merkt, Unternehmenspublizität, S. 132 ff.; ders. in EBOR 7 (2006), 95. 3 Ausführlich Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 83 ff.; Bezzenberger, Kapital, S. 116 f. 2

I. Vertrauen der Kreditgeber untereinander

279

1985 bemühen sich zum Beispiel nur 21,8% der Handelskreditgeber um zusätzliche Information über die Kreditwürdigkeit des betreffenden Unternehmens.4 Die sog. „Schneider-Pleite“ im Jahr 1995 ist hierfür paradigmatisch: Die Handwerker und Ingenieure, die in Vorleistung traten, waren oftmals überhaupt nicht in der Lage, das Kreditrisiko zu prüfen und hierauf angemessen zu reagieren, insbesondere durch das Verlangen nach adäquaten Sicherheiten. Sie fielen konsequenterweise bei der Insolvenz besonders hoch aus.5 An diesem tatsächlichen Befund ändert auch die Aussage des damaligen Vorstandsprechers der Deutsche Bank AG nichts, bei den nicht beglichenen Handwerkerrechnungen handele es sich lediglich um „Peanuts“. Nach Ansicht Engerts weist dieser (scheinbare) Mangel an Selbstschutz breiter Gläubigerkreise darauf hin, dass die Kreditgeber anderen Informationen eine ausschlaggebende Bedeutung zumessen würden, nämlich der „schlichten Existenz des Unternehmens“. Diese Existenz beweise zumindest, dass es dem Unternehmen bisher gelungen ist, seine Finanzierung sicherzustellen. 6 Kaum etwas wecke so viel Vertrauen, wie das Vertrauen anderer. – Kaum jemand erhalte so leicht Kredit, wie der, der bereits Kredit hat.7 Die Kreditgewährung durch einen Kapitalgeber zieht die Kreditgewährung durch andere nach, so dass es zu einer sog. Kreditkaskade komme. 8 Dieser empirisch belegbare soziologische Zusammenhang 9 bzw. dieses Herdenverhalten10 ist ohne weiteres nachzuvollziehen. Man muss ihn nur auf ein anderes Gebiet übertragen: Kaum jemand besucht in einer fremden Stadt ein Restaurant, in dem sich nur wenige oder gar keine Gäste befinden. Man begibt sich vielmehr in eine Lokalität, in der die vermeintlich wohl informierten Einheimischen oder zumindest eine große Zahl anderer Touristen speisen. Selbst wenn man diesen Zusammenhang anerkennt, bedeutet dies noch nicht, dass das tatsächliche Vertrauen der betreffenden Personen schützwürdig und durch die Unterlegung mit einer rechtsfortbildend begründeten Haftung gesetzlich legitimiert wird. Der Herdentrieb kann – wie das Beispiel der Lem-

4

Vgl. Drukarczyk/Duttle/Rieger, Mobiliarsicherheiten, S. 80. Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 95. 6 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 86. 7 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 1.; zustimmend Kuntz, ZIP 2008, 814, 820. 8 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 87; früher für den Finanzierungsmarkt bereits Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, J. Pol. Econ. 100 (1992), 992, 1001 („Informationskaskade“). 9 Vgl. jüngst die Untersuchung von Sufi zum US-amerikanischen Recht, wonach bei syndizierten Krediten der Hauptkreditgeber (Lead Bank) bewusst einen großen Anteil am gesamten Finanzierungsvolumen übernimmt, um damit den nachfolgenden Kreditgebern zu signalisieren, dass das Kreditrisiko nicht zu groß ist (62 J. of Fin. 629, 641 f., 644 ff.). 10 Vgl. nur die Untersuchungen von Shiller, Conversation, Information, and Herd Behaviour, Am. Econ. Rev. 85 (1995), 181. 5

280

§ 11 Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten

minge, die in die Tiefe springen, belegt – auch ins Verderben führen.11 Bezogen auf das triviale, aber leicht nachvollziehbare Restaurantbeispiel muss man nur bedenken, dass das vermeintlich gute Lokal nur deswegen gut besucht ist, weil ein ebenso unerfahrender Fahrer eines Reisebusses seine Passagiere dort allein wegen der Nähe zur Straße abgesetzt hat. Auch der Aspekt der Selbstverantwortung droht bei einer allzu großzügigen Anerkennung von Vertrauen vernachlässigt zu werden. Faktisches Vertrauen ist somit zunächst nicht mehr als ein psychologisches und soziales Phänomen.12 Um hieraus Schlüsse ziehen zu dürfen, bedarf es sowohl einer ökonomischen als auch einer normativen Begründung, ob und inwieweit die betreffenden Gläubigerkreise auch vertrauen dürfen.13

II. Ökonomische Begründung des Vertrauensdürfens – Die Treuhänderstellung der adjusting creditors Aus ökonomischer Sicht ist dies zu bejahen. Modellhaft lässt sich das Phänomen, dass die Kreditgeber aus der Existenz und dem Umfang eines Unternehmens Schlüsse auf seine Kreditwürdigkeit ziehen, als Informationskaskade erklären: 14 Eine Reihe von Kreditgebern wird nacheinander vor die Entscheidung gestellt, ob sie dem Unternehmen Kredit gewähren oder nicht. Jeder Kreditgeber stellt eine Prüfung der Kreditwürdigkeit an, welche jedoch nicht vollständig zuverlässig ist. Das Prüfungsergebnis „kreditwürdig“ ist nicht mehr als die Wahrscheinlichkeit, dass der Kredit auch planmäßig zurückgezahlt wird. Die nachfolgenden Kreditgeber können jedoch in ihre eigene Kreditwürdigkeitsprüfung das bisherige Verhalten der anderen Kreditgeber einbeziehen, vor allem durch die grobe Analyse der Bilanz, welche gemäß § 266 Abs. 3 C HGB die Beteiligung der Vorgänger ausweist und die bis dato fehlende Stellung eines Insolvenzantrags. Sie können schließlich durch die bloße Existenz des Unternehmen am Markt davon ausgehen, dass andere noch nicht eingegriffen haben, um diese Existenz mangels Kreditwürdigkeit zu beenden.15 Diese zusätzliche Information bringt den nachfolgenden Kreditgebern nicht nur den Vorteil, in ihrem eigenen Prüfungsergebnis Bestätigung zu finden. Sie veranlasst die nachfolgenden Kreditgeber zugleich, nicht mehr allein ihrer eige11 Zum möglichen Widerspruch zwischen der pars maior und der pars sanior auch Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 20. 12 Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, S. 192. 13 Ausführlich zum Unterschied zwischen tatsächlichem und normativem Vertrauen Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, S. 190 ff. (m. w. N.). 14 Zum Nachfolgenden Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 86 f.; grundlegend Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, J. Pol. Econ. 100 (1992), 992. 15 Zur Legitimation der Insolvenzgründe durch eine bereits erfolgte Marktauslese unter Beteiligung der potentiellen Fremdkapitalgeber oben § 8 III und IV.

II. Ökonomische Begründung des Vertrauensdürfens

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nen Kreditwürdigkeitsprüfung Vertrauen zu schenken, sondern das bisherige Verhalten der anderen zumindest mit einfließen zu lassen. Im Extremfall der sog. Kreditkaskaden verselbstständigt sich dieses Phänomen: Die späteren Kreditgeber stützen die Kreditvergabe nicht mehr auf eine eigene Kreditwürdigkeitsprüfung, sondern auf das Vorverhalten der anderen Kreditgeber.16

1. Statistisch begründete Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen Dies ist ökonomisch betrachtet nicht das blinde oder leichtfertige Vertrauen, als das es auf den ersten Blick erscheint. Je mehr Kreditgeber sich nämlich in der Vergangenheit am Unternehmen beteiligt haben, desto wahrscheinlicher wird – zumindest aus Sicht der Nachfolgenden – die statistische Richtigkeit dieser positiven Einschätzung.17 Mit zunehmender Beteiligung anderer Kreditgeber kostet es einen einzelnen Kreditgeber somit aus durchaus nachvollziehbaren Gründen eine besondere Überwindung, wenn er sich als einziger gegen eine Gruppe von anderen stellt, die bei unterstellt identischer Motivation eine andere Einschätzung von der Kreditwürdigkeit des Unternehmens haben. In Anlehnung an das vorgenannte Restaurant-Beispiel, bedeutet es unbestreitbar ein besonders hohes Risiko, wenn man in der fremden Stadt ein leeres Lokal aufsucht und auf einen bisher unerkannten „Geheimtip“ hofft. Im Bereich der Unternehmensfinanzierung kann die psychologische Sperre, sich abweichend von der Mehrheit zu verhalten, letztlich dazu führen, dass der nachfolgende Kreditgeber eine bereits erfolgte Kreditwürdigkeitsprüfung mit negativem Ausgang ignoriert und sich im scheinbaren Einklang mit der Masse der anderen dennoch an der Finanzierung beteiligt.18

2. Kostenvorteile bei arbeitsteiligem Vorgehen Weiterhin ist zu bedenken, dass die Kosten einer Informationsgewinnung zur Ermittlung des Kreditrisikos nicht notwendig auf die Kreditvergabe abgestimmt sind. Die Analyse der traditionellen Parameter der Kreditwürdigkeitsprüfung erfordert einen Grundaufwand, der von der Kreditsumme unabhängig ist. Aus diesem Grund ist es im Einklang mit der ökonomischen Entscheidungstheorie nachvollziehbar, dass eine Vielzahl von Klein- oder Waren- bzw. Handelskreditgebern eine Kreditwürdigkeitsprüfung unterlässt. Kreditinstitute, Hedgefonds oder sonstige Beteiligte an einer Private-Equitiy-Finanzierung 16

Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 87. Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 87; hierzu für Mehrheitsentscheidungen kritisch Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 20. 18 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 87; Banerjee, Q. J. Econ. 57 (1992), 797: herd behavior. 17

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scheuen diesen Aufwand oftmals nicht, weil das betreffende Finanzierungsvolumen so groß ist, dass er sich lohnt.19 Nimmt man den ökonomischen Aspekt, die Transaktionskosten zu minimieren und an der „richtigen“ Stelle anzusiedeln, ernst, spricht im Ausgangspunkt nichts gegen eine differenzierte „Zuständigkeitsverteilung“ bei der Kreditfinanzierung eines Unternehmens. 20 Ökonomisch betrachtet ist der Grundsatz des caveat creditor somit nicht durchgängig gleich streng. Die sog. adjusting creditors nehmen einen Aufwand auf sich, von dem die non-adjusting creditors profitieren können. Die großen Kreditgeber sind funktional betrachtet Treuhänder der Kleinen. 21

3. Gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Verbesserung der Kreditfinanzierung Diese Reduzierung eigenverantwortlichen Handelns der „Kleinen“ wird ökonomisch damit legitimiert, dass das Vertrauen der Kreditgeber untereinander gesamtwirtschaftlich zu einer wünschenswerten Verbesserung der Kreditversorgung führt. 22 Es sei nicht sinnvoll, wenn auch kleine Kreditgeber eine umfassende Kreditprüfung unternehmen müssten. Dies würde die Prüfungs- und Überwachungskosten der Kreditgewährung erhöhen und damit die Kreditfinanzierung der Unternehmen insgesamt verschlechtern. Auch sei zu verhindern, dass kleine Kreditgeber die Gewährung von Krediten einschränkten. Konsequenterweise müssten sch die kleinen Kreditgeber auf die Prüfungs- und Überwachungsanstrengungen großer Kreditgeber verlassen können. Die „funktionierende Kreditkaskade“ sei also ein gesamtwirtschaftlich wünschenswertes Mittel zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Das Vertrauen von Kreditgebern mit relativ schlechtem Zugang zu kreditrelevanten Informationen verdiene es deshalb, gegen vermeidbare Enttäuschungen geschützt zu werden.

19 Ausführlich Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 92 ff.; vgl. auch Kuntz, ZIP 2008, 814. 20 Grundlegend Daniels/Trinatis, Cal. L. Rev. 83 (1995), 1073, 1082 ff. 21 Merkt, EBOR 7 (2006), 95, 109; ähnlich Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 170: informierter Kreditgeber als „Sachwalter fremder Interessen“; vgl. auch Arnold, Konzern 2007, 118, 120: drittschützender Effekt vertraglicher vereinbarungen von anpassungsfähigen Gläubigern. 22 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 96 f. („Kreditkaskaden als Mittel zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung“).

III. Vertrauen und Vertrauendürfen

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III. Vertrauen und Vertrauendürfen – Die notwendige Überwindung der Interessenpluralität aus rechtlicher Sicht Auf den ersten Blick klingt die ökonomische Begründung des Vertrauendürfens plausibel und scheint ein geeignetes Modell zu sein, die Verantwortung der informierten Gläubiger auf der Grundlage einer funktionalen Treuhänderstellung zu Gunsten der anderen zu begründen. Sollte es sich als richtig erweisen, dass bereits die bloße Beteiligung eines – wie auch immer zu defi nierenden – adjusting creditors an der Unternehmensfinanzierung ausreichend ist, um den anderen Gläubigern die berechtigte Erwartung zuzubilligen, dass ihre Interessen angemessen mit berücksichtigt würden und ein enttäuschtes Vertrauen rechtlich geschützt wäre, ließe sich die Covenant-unterlegte Unternehmensfinanzierung ohne weiteres hierauf stützen, ohne dass es überhaupt auf die hierüber vermittelte Einflussnahme ankäme. Bereits der Aspekt der Information („warning“) wäre ausreichend, um dem betreffenden Kapitalgeber auch rechtlich eine Treuhänderstellung zu Gunsten anderer zuzuweisen. Dass dies dogmatisch nur in Einzelfallen zu begründen ist, sei nachfolgend herausgearbeitet. Zu bedenken ist nämlich, dass es sich bei der rechtlichen Begründung und Durchsetzung einer solchen Gläubigerverantwortung um eine gesetzlich angeordnete Umverteilung zu Lasten der „Großen“ und zu Gunsten der „Kleinen“ handeln würde. Wie bereits herausgearbeitet, ist die Motivation zur umfangreichen Kreditprüfung und zur Krisenfrüherkennung und -bewältigung nicht altruistisch bzw. auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet. 23 Die sich wandelnde Finanzierungspraxis – vor allem der Einsatz von Covenants und das Bestreben, marktwirtschaftliche Alternativen zum staatlichen Insolvenzverfahren zu finden – sind allein Ausdruck dessen, dass die Kapitalgeber, die hiervon Gebrauch machen, ihre eigenen Interessen besser verwirklichen wollen und dies auch dürfen. Wohlstand für alle ist nicht ihr Ziel. 24 Da ein Wille, im Interesse der anderen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten zu handeln, kaum besteht 25 , darf ein solcher konsequenterweise auch nicht mit Hilfe eines hypothetischen Vertrages unterstellt werden.26 Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass die Interessenpluralität einfach hinzunehmen wäre. Die Privatautonomie findet ihre Grenzen im zwingenden Recht. Das tatsächliche Vertrauen der uninformierten Kleingläubiger und die empirisch nachweisbare und ökonomisch sinnvolle Treuhänderstellung der adjusting creditors zu Gunsten der non-adjusting 23

Oben § 7 V 3. Mankowski, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 496; ähnlich Arnold, Konzern 2007, 118, 120: drittschützender Effekt von vertraglichen Abreden ist keineswegs gesichert. 25 Ausnahmen bestehen nur im Rahmen syndizierter Kredite beim Verhältnis der vertraglich verbundenen Kreditgeber untereinander (vgl. Kuntz, ZIP 2008, 814, 820). 26 Oben § 7 V 3 b. 24

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creditors kann daher durchaus Anlass sein, die Interessenpluralität der Unternehmensgläubiger mittels zwingender Regeln zu überwinden und das eigensüchtige Handeln einiger insofern einzuschränken, als hierüber in Verwirklichung eines funktionierenden Marktes der Unternehmensfinanzierung auch andere begünstigt werden. Zu fragen ist daher, auf welche Weise man das tatsächliche Vertrauen der non-adjusting creditors nicht nur ökonomisch für sinnvoll hält, sondern es auch rechtlich legitimiert, sie mithin auch vertrauen dürfen. Erst wenn dies begründbar wäre, ließe sich die funktionale Treuhänderstellung der adjusting creditors auch rechtlich begründen und als Grundlage für eine Gläubigerverantwortung heranziehen.

IV. Der haftungsrechtliche Ansatz Engerts zur rechtlichen Begründung einer Treuhänderstellung der adjusting creditors Einen Ansatz, die Interessenpluralität zu überwinden und die Freiheit einzelner zu Gunsten einer auch rechtlich begründeten Treuhänderstellung zu Gunsten anderer einzuschränken, vertritt Engert als Grundlage einer deliktischen Kreditgeberhaftung. Er überwindet die im Regelfall divergierenden Interessen von adjusting und non-adjusting creditors über eine besondere Gläubigerhaftung gemäß § 826 BGB. Auch er sieht das aufgrund eines hypothetischen Vertrages für alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten maßgebliche Wertsteigerungsprinzip als ökonomisch und rechtlich begründbare Richtschnur für die Gläubigerverantwortung: „Die ideale Kreditgeberhaftung verpflichtet die Kreditgeber auf die Maximierung aller Anspruchspositionen am Unternehmen“.27 Die Grundlage der tatbestandlichen Präzisierung von § 826 BGB erfolgt somit nach Maßgabe der bereits mehrfach angeführten Pareto-Effizienz: Auf Grund der Figur des hypothetischen Vertrages stimmten auch die wohl informierten Großkreditgeber einer Regel zu, wonach sie zumindest in der Unternehmenskrise einer Haftung ausgesetzt sind, wenn ihr eigennütziges Verhalten einen anderen Beteiligten schädigt. Nach Engerts Ansatz kommt eine Schadensersatzhaftung der adjusting creditors gegenüber den non-adjusting creditors im Fall einer qualifizierten Interessendivergenz in Betracht. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass die Kreditgewährung objektiv unvertretbar und allein für den besser informierten Kreditgeber noch von Vorteil sei. Der besser informierte Kreditgeber sei in einem solchen Fall gehalten, einem nicht kreditwürdigen Unternehmen den Kredit zu verweigern, um so die Interessen anderer, uninformierte Kreditgeber zu schützen. Widerspricht er diesem Gebot, kann er sich gegenüber den Gläubigern er27 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 131; zum Wertsteigerungsprinzip S. 120 ff.

V. Grundprobleme bei der rechtlichen Begründung des Vertrauendürfens

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satzpflichtig machen, die auf die Existenz eines solide finanzierten Unternehmens vertrauen und in der Insolvenz durch eine entsprechend niedrige Quote in diesem Vertrauen enttäuscht werden. Letztlich begründet Engerts so eine deliktische Schadensersatzhaftung wegen Insolvenzverschleppung durch bloße Kreditvergabe. Es muss an dieser Stelle nicht wiederholt werden, dass die ökonomische Begründung Engerts sowohl eine unzulässige Fiktion ist als auch der rechtlichen Wertung des § 762 Abs. 1 BGB und dem Prinzip des neminem laedere widerspricht. 28 Dies führt indessen nicht dazu, diesen Ansatz zur Begründung einer rechtlichen Treuhänderstellung der adjusting creditors unter Vertrauensaspekten sogleich wieder zu verwerfen. Das Modell funktionierender Kreditkaskaden kann durchaus ein für die Begründung von Rechtsregeln maßgeblicher Aspekt sein, ohne dass es auf das verbindliche, mit der Figur des hypothetischen Vertrags begründete Wertsteigerungsprinzip und das Kaldor/Hicks-Kriterium ankäme. Dass die Unternehmensgläubiger untereinander vertrauen, ist empirisch nachvollziehbar und möglicherweise ein Umstand, von dem auch die adjusting creditors selbst profitieren. Nachfolgend soll daher herausgearbeitet werden, welchen Grundanforderungen der Vertrauenshaftung das ökonomische Modell der Kreditkaskaden genügen muss, um hieraus eine Treuhänderstellung der adjusting creditors zu Gunsten anderer auch rechtlich begründen zu können.

V. Grundprobleme bei der rechtlichen Begründung des Vertrauendürfens Die Vertrauenshaftung ist seit langem als grundlegendes zivilrechtliches Rechtsprinzip anerkannt. 29 Für den hier interessierenden Kontext der Unternehmensfinanzierung gibt es durchaus einzelne Ausprägungen dieser Vertrauenshaftung, die das Modell der Kreditkaskaden normativ wiederspiegeln. So lässt sich zum Beispiel die seit dem RG ständige Rechtsprechung zur Kreditgeberhaftung gemäß § 826 BGB30 – zumindest teilweise – auf Vertrauensaspekte stützen: Der uninformierte Gläubiger ist so zu stellen, als wenn er entweder gar nicht oder gegen Sicherung an den Gemeinschuldner geliefert hätte. Auch die Ansätze der Literatur, über die Figur des Finanzierungsvertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter oder die Sachwalterhaftung gemäß § 311 Abs. 3 S. 2 BGB31 Eingriffe in die pluralistische Gläubigerstruktur vorzunehmen und das eigensüchtigen Verhalten eines Gläubigers zu sanktionieren, sind letztlich Folgen der An28 29 30 31

Hierzu bereits oben § 10 IV 2 b. Grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 9 ff., 491 ff. Oben § 4 I. Oben § 4 vor I.

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erkennung von Vertrauen. Schließlich knüpft die Haftung wegen betrügerischer Verleitung zur Beteiligung an einer aussichtslosen Unternehmensfinanzierung gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB ganz konkret an den am Modell der Kreditkaskaden veranschaulichten Vertrauensaspekt an. Wird das Vertrauendürfen als ein die Vertrauenshaftung auslösender Umstand anerkannt, ist hiermit noch nicht gesagt, dass das einer Kreditkaskade zu Grunde liegende tatsächliche Vertrauen der Kreditgeber auf das auch ihnen zu Gute kommende Finanzierungsverhalten anderer hierunter gefasst werden kann. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die mit den Kreditkaskaden umschriebene Treuhänderstellung einiger Gläubiger zu Gunsten anderer in die allgemeinen Anforderungen einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit unter Vertrauensaspekten einfügt. Eine Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten setzt somit Vertrauenstatbestand, Zurechenbarkeit und Schutzwürdigkeit voraus.32

1. Existenz eines Unternehmens als Vertrauenstatbestand Problematisch ist bereits der Vertrauenstatbestand. Nach dem ökonomischen Modell der Kreditkaskaden ist die schlichte (Fort-)Existenz des Unternehmens der Vertrauenstatbestand, aus dem die Kleingläubiger das Signal „kreditwürdig“ ableiten und sich deshalb (ggf. ungesichert) an der Unternehmensfinanzierung beteiligen.33 Dass die Existenz eines Unternehmens als solches ein tauglicher Vertrauenstatbestand ist, mag zweifelhaft sein, findet aber durchaus rechtliche Anerkennung. So beruhen die §§ 25 ff. HGB nach ganz herrschender Auffassung auf einem durch das Vertrauensprinzip legitimierten Grundsatz der Unternehmenskontinuität („Schutz der Haftungserwartungen des Verkehrs“).34 Die §§ 25 ff. HGB ließen sich somit als spezialgesetzliche Ausprägung des Modells der Kreditkaskaden auffassen. Man müsste lediglich annehmen, dass die Fremdkapitalgeber Unternehmensinhaber sind – sei es aufgrund der ihnen kraft Vereinbarung zustehenden Rechte oder aufgrund tatsächlicher Ausübung von Einfluss. Gegen einen solchen – bisher freilich noch nicht vertretenen – Ansatz spräche jedoch der Umstand, dass die §§ 25 ff. HGB zwar das Vertrauen auf die Haftung eines (beliebigen) Unternehmensträgers für die Verbindlichkeiten schützt, die Zurechnung einer bestimmten Person als Adressat der Haftung hingegen nicht zu begründen vermögen. Die Forthaftung bei Unternehmenskontinuität knüpft an die wechselnde Inhaberschaft an, ohne die Inhaberschaft als solches zu begründen bzw. zu fingieren. Übertragen auf die hier interessierende Verantwor32 Zu den allgemeinen Merkmalen Vertrauenshaftung Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 491 ff. 33 Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 87. 34 Statt anderer Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 18.

V. Grundprobleme bei der rechtlichen Begründung des Vertrauendürfens

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tung der Fremdkapitalgeber bestünde eine Gläubigerhaftung nach dem Modell der §§ 25 ff. HGB daher nur dann, wenn sich aufgrund anderer rechtlicher Vorgaben begründen ließe, dass die Fremdkapitalgeber – rechtsgeschäftlich oder faktisch – Geschäftsinhaber sind.

2. Zurechenbarkeit des Vertrauenstatbestands Hiermit wird freilich nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Zurechnungszusammenhang unter einem weiteren Vertrauensaspekt hergestellt werden könnte. Als Ausprägung der allgemeinen handelsrechtlichen Rechtsscheinshaftung gibt es nicht nur die Lehre von der Scheingesellschaft, sondern auch die Lehre vom Scheingesellschafter.35 Gibt sich zum Beispiel jemand zu Unrecht als Gesellschafter einer OHG aus oder duldet er, dass deren Gesellschafter dies tun, haftet er gutgläubigen Dritten gegenüber für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 128 HGB.36 In der bisherigen Diskussion ist diese Lehre auf die Personengesellschaften begrenzt, um den Dritten die dort maßgebliche persönliche Gesellschafterhaftung zukommen zu lassen. Indem jedoch mittlerweile auch bei den Kapitalgesellschaften eine in Anlehnung an § 128 HGB entwickelte Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung, Sphärenvermischung und Unterkapitalisierung gibt,37 wäre es nur konsequent, die Lehre vom Scheingesellschafter auch hierauf zu erstrecken. Auch eine solche extensive Anwendung des handelsrechtlichen Vertrauensschutzes vermag das Modell der Kreditkaskaden jedoch nur unvollkommen zu erfassen. Erforderliches Zurechnungskriterium ist nämlich stets, dass der betreffende Rechtsschein vom Adressaten der Rechtsscheinhaftung durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten gesetzt wurde.38 Hieran wird es im hier interessierenden Bereich der Unternehmensfinanzierung im Regelfall aber fehlen. Selbst der Fremdkapitalgeber, der sich umfangreiche Teilhabe-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte einräumen lässt oder der im Finanzierungsvertrag eine Option auf Erhalt einer Eigentümerstellung eingeräumt bekommt (Equitiy Kicker), tritt in den seltensten Fällen nach außen als – untechnisch gesprochen – „Miteigentümer“ des Unternehmens in Erscheinung. Auch duldet er nicht, dass das Unternehmen am Rechtsverkehr auftritt unter dem Hinweis, ein bestimmter Fremdkapitalgeber beteilige sich aktiv an der Steuerung des Unternehmens. Sollte ein solcher Rechtschein ausnahmsweise vorhanden sein, sprechen keine Gründe dagegen, den Fremdkapitalgeber in Fortentwicklung der Lehre vom Scheingesellschafter hierunter zu fassen und hierüber eine auf die Besonder35 36 37 38

Statt anderer Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 27 ff. BGHZ 17, 13, 16. Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 14 ff. Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 28, 69 f.

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heiten der jeweiligen Rechtsform des Unternehmensträgers abgestimmte persönliche Haftung zu begründen. Auch die von der Literatur befürwortete Expertenhaftung gemäß § 311 Abs. 3 S. 2 BGB wäre in einem solchen atypischen Fall dogmatisch begründbar, immerhin wird nunmehr ausdrücklich anerkannt, dass auch ein Dritter einer Haftung aus culpa in contrahendo unterliegen kann, wenn er „in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat“.39 Gleiches gilt für die über den Wortlaut von § 311 Abs. 3 S. 2 BGB hinaus anerkannte Fallgruppe des „besonderen wirtschaftlichen Eigeninteresses“. Die hiernach begründete Vertrauenshaftung eines Dritten setzt voraus, dass dieser in einer besonderen Weise in Erscheinung getreten ist, 40 sei es als Vertreter, Vermittler, Verhandlungsgehilfe oder durch die nach außen kundegegebene Expertise.41 Gleiches gilt erst Recht für eine Haftung des gegenüber den uninformierten Gläubigern in Erscheinung tretenden Fremdkapitalgebers gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB wegen Eingehungsbetrugs.42 All dies sind jedoch dogmatisch begründbare Lösungen für atypische Einzelfälle und damit keine adäquate rechtliche Ausgestaltung des Modells der Kreditkaskaden. Hierbei geht es eben nicht darum, dass die konkrete Kreditwürdigkeitsprüfung eines bestimmten Fremdkapitalgebers erfolgt ist und in zurechenbarer Weise anderen gegenüber offenbart wurde, die wiederum hierauf vertrauten. Die Zurechenbarkeit soll auf eine viel weitergehende Art, gleichsam als abstrakter Vertrauensschutz, begründet werden: Aus einer im eigenen Interesse erfolgenden, nicht offen gelegten Kreditprüfung und Kreditgewährung soll der einem bestimmten Gläubiger zurechenbare Vertrauenstatbestand der schlichten Fortexistenz des finanzierten Unternehmens resultieren, aus dem andere Gläubiger den Schluss ziehen dürfen, kein unvertretbares Kreditrisiko einzugehen.43 Hierüber lässt sich die zur Bejahung einer Vertrauenshaftung notwendige Zurechenbarkeit nicht begründen. Das die Zurechnung begründende Verhalten des wohlinformierten Kreditgebers ist nämlich in beiden Fällen die eigene positive Kreditwürdigkeitsprüfung. Diese soll ausreichend sein, die Kreditwürdigkeitsprüfung anderer Gläubiger zu ersetzen. Ohne es offen auszusprechen oder näher zu begründen, legen die Befürworter eines mit der ökonomischen Vorteilhaftigkeit begründeten haftungsbewehrten Modells der Kreditkaskaden dem informierten Kreditgeber die Pflicht auf, nicht nur sein eigenes Kreditrisiko zu prüfen, sondern zugleich das der theoretisch beliebig vielen anderen, die zeitlich nachfolgend mit dem finanzierten Unternehmen Geschäfte abschlie39 Vgl. zum Beispiel BGH, WM 1963, 1343 (Haftung einer Bank wegen falscher Auskünfte über die Kreditwürdigkeit). 40 Statt anderer Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 61. 41 Vgl. BGH, WM 1985, 866, 868. 42 Hierzu BGH, WM 1961, 1103, 1106; BGH, NJW 1979, 1823 und 1829 (Herstatt). 43 Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1019: Schutzreflex zu Gunsten der Kleingläubiger.

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ßen. Einen Einfluss darauf, ob und gegenüber wem diese „Information“ weitergegeben wird, soll der Haftende hingegen nicht nehmen müssen. Nach den für die Vertrauenshaftung notwendigen Zurechnungskriterien lässt sich dies nicht begründen. Nach allen Lehren (Veranlassungsprinzip, Verschuldensprinzip, Risikoprinzip) muss der Vertrauenstatbestand mindestens eine „drittgerichtete Rechtstatsache“ sein.44 Die im eigenen Interesse folgende Kreditprüfung und gewährung erfüllt dieses Merkmal ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht.45 Die Zurechenbarkeit des – in der Praxis vorhandenen – tatsächlichen Vertrauens der uninformierten Unternehmensgläubiger zur rechtlichen Begründung eines Vertrauendürfens muss daher anderweitig begründet werden.

3. Selbstverantwortung der Gläubiger Schließlich wird auch der Selbstverantwortung des uninformierten Gläubigers in der ökonomischen Theorie von den Kreditkaskaden keine bzw. nur unzureichende Aufmerksamkeit geschenkt. Auf der Grundlage des Vertrauensprinzips kann eine Verantwortung nämlich nur gegenüber gutgläubigen, mithin schutzbedürftigen Verkehrskreisen begründet werden.46 Dieser Aspekt findet bei Engert zum Beispiel überhaupt keine Erwähnung. Der Umstand, dass es sich für weite Gläubigerkreise nicht lohnt, eine Kreditwürdigkeitsprüfung anzustellen, sei vielmehr allein ausreichend, dass ihre Interessen über eine unter Vertrauensaspekten begründete Kreditgeberhaftung gewahrt werden. Sein Beispiel47 aus der Schneider-Insolvenz, wonach ein Bauingenieur Vorleistungen im Wert von 2,3 Mio. DM erbringt und in der Insolvenz des Generalunternehmers entsprechende Ausfälle erleidet, verdeutlicht das Grundproblem: Muss sich der Ingenieur nicht entgegenhalten lassen, er habe leichtfertig eine solch hohe Vorleistung erbracht? Muss sich nicht jeder Lieferant entgegenhalten lassen, er handele bei Abbedingung des über §§ 320 ff. BGB vermittelten Schutzes auf eigenes Risiko? Die Alternativen zur Vorleistung im Vertrauen auf die Verantwortung anderer sind vielfältig. Sie reichen von dem Verlangen nach 100%-iger Sicherheit (z. B. durch Bankbürgschaft) über den Einsatz von Kreditversicherungen bis zu Abstandnahme vom Vertrag. Selbst wenn man die Prämissen einer ökonomisch begründeten Vorteilhaftigkeit des Vertrauens der Unternehmensgläubiger untereinander anerkennt, bedarf es rechtlicher Maßstäbe für die Frage, wie weit dieses Vertrauen reichen darf. Die vielfach anzutreffende Zweiteilung zwischen adjusting und non-adjusting creditors48 ist als alleinige Abgrenzung viel zu pau44 45 46 47 48

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 473 ff., 517 f. Hierauf nicht eingehend Kuntz, ZIP 20908, 814, 820. Grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 503 ff. Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 95. Vgl. nur Mülbert, Konzern 2004, 151, 153 ff.; ders., EBOR 7 (2006), 357, 366 ff.

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schal, um hierüber den Grundsatz des caveat creditor für weite Teile der Unternehmensgläubiger einzuschränken. Nur weil es sich für eine Partei nicht lohnt, die Kosten einer genauen Kreditprüfung vorzunehmen, kann nicht abgeleitet werden, sie unter Vertrauensaspekten schutzwürdig. Blindes Vertrauen wird nicht geschützt. Gleiches gilt für die pauschale Forderung, der Markt der Unternehmensfinanzierung benötige rechtliche Regeln, wonach die Kleingläubiger auf das auch ihnen zu Gute kommende Verhalten der informierten Gläubiger vertrauen dürfen.49 Auch ein mit Haftungsgefahren überzogener Finanzierungsmarkt kann sich im Hinblick auf eine „gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Verbesserung der Kreditfinanzierung“50 nachteilig entwickeln, wenn die informierten Gläubiger wegen der drohenden Verantwortung gegenüber anderen keine Anreize haben, dass sich der Aufwand für sie lohnt und sie sich deshalb vom Kreditmarkt zurückziehen. Die konturenlose Leerformel Armsbachs, bei der Haftung aus Kreditgewährung aus § 826 BGB komme gemäß § 254 BGB ein Mitverschulden des Drittgläubigers in Betracht, wenn dieser es unterließ, sich über die Kreditwürdigkeit seines Vertragspartners zu informieren,51 bestätigt ebenfalls die nach wie vor bestehende Rechtsunsicherheit bei der die Vertrauenshaftung ausschließenden oder zumindest mindernden Selbstverantwortung der uninformierten Kleingläubiger. Nach welchen Maßstäben ist auch ein Kleingläubiger gehalten, sich über die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens zu informieren? Wann ist ein Gläubiger adjusting creditor, wann nicht? Gibt es Abstufungen innerhalb der konturenlosen, aber schützenswerten Gruppe der Kleingläubiger? Genießen auch die gesetzlichen (Delikts-)Gläubiger den Schutz einer unter Vertrauensaspekten begründeten Gläubigerverantwortung? In gewisser Weise ähnelt diese hier aufgezeigte Unvollkommenheit einer haftungsrechtlichen Verwirklichung des Modells der Kreditkaskaden der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Insolvenzverschleppungshaftung gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG (künftig § 15 a E-InsO). Nach mittlerweile herrschender Meinung begründet diese für Neugläubiger, die erst nach Ablauf der Insolvenzantragspflichten vertragliche Gläubiger der betreffenden Gesellschaft werden, einen außerhalb der Insolvenzmasse abzuwickelnden Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens.52 Soweit ersichtlich, wird in der hierzu umfangreich anzufindenden Rechtsprechung und Literatur überhaupt nicht auf die Frage der Selbstverantwortung dieser Neugläubiger eingegangen. Unter Hinweis auf den zweifelsfrei richtigen Aspekt, die Insolvenzantragspflicht bezwecke, insolvenzreife Gesellschaften 49

Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 14 ff. Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 96 f. 51 Armsbach, Bankhaftung, S. 198. 52 Grundlegend BGHZ 126, 181, 192. Zum Ganzen m. w. N. Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 92. 50

VI. Ergebnis

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vom Geschäftsverkehr fernzuhalten,53 erhalten die Neugläubiger das Vertrauensinteresse ersetzt, ohne dass problematisiert würde, inwieweit sie überhaupt davon ausgehen durften, dass keine Insolvenzreife vorliege.54 Dieses Schweigen zur maßgeblichen Selbstverantwortung der Neugläubiger hat seine Ursache wohl in dem Umstand, dass es bei der Unternehmensfinanzierung bereits praktisch unmöglich ist, für jeden Gläubiger eine entsprechende Schutzwürdigkeit festzustellen, zumal es keine mit § 15 HGB vergleichbaren Beweislastregeln gibt. Für den Bereich der – hier nicht unmittelbar interessierenden – Haftung aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG spricht daher Vieles dafür, die von der heute herrschende Meinung angenommene Differenzierung von Quotenschaden der Altgläubiger und Vertrauensschaden der Neugläubiger wieder aufzugeben und die Haftung wegen Insolvenzverschleppung – wie von K. Schmidt schon immer vertreten – als einheitliche, den Schutz aller Gläubiger verwirklichende Haftung auf Quotenschmälerung anzusehen, ohne dass es auf ein konkretes Vertrauen der Ersatzberechtigten ankäme.55 Besteht der Bedarf, einen über die hiernach allein maßgebliche Quotenschmälerung hinausgehende Ersatzpflicht unter Vertrauensaspekten zu begründen, ist § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB die zutreffende Anspruchsgrundlage.56 Für die hier unter Vertrauensaspekten zu begründende allgemeine Gläubigerverantwortung in Anlehnung an das ökonomische Modell der Kreditkaskaden kann nichts anderes gelten. Ohne anderweitig begründete rechtliche Maßstäbe, die zu berücksichtigende Selbstverantwortung zu präzisieren, lässt sich in Verwirklichung des ökonomisch sinnvollen Modells der Kreditkaskaden eine allgemeine Gläubigerverantwortung nicht auf Vertrauensaspekte stützen.

VI. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass die ökonomische Begründung einer Treuhänderstellung der adjusting creditors gegenüber anderen anhand des Modells der Kreditkaskaden zwar überzeugt, die von der Literatur hieraus abgeleiteten rechtlichen Folgen für eine Vertrauenshaftung hingegen nicht. Eine Gläubigerverantwortung wegen der Vorspiegelung einer nicht (mehr) gegebenen Kreditwürdigkeit des finanzierten Unternehmens lässt sich 53

BGHZ 126, 181, 194. Insofern unbefriedigend auch der Ansatz Eidenmüllers, FS Canaris, S. 49, 58 f., der sich anstelle einer Rückstufung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz für eine Ausdehnung der (faktischen) Geschäftsleiterhaftung ausspricht. 55 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 37 ff.; zustimmend Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 93. 56 Überzeugend Schulze-Osterloh, in: FS Lutter, 2000, S. 707, 712 ff. 54

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§ 11 Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten

nur begründen, wenn hierfür ein konkreter, einem bestimmten Gläubiger zurechenbarer und über die bloße Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung hinausgehender Vertrauenstatbestand vorliegt, auf den ein anderer konkret vertraut hat und vertrauen durfte. Die richtige Anspruchsgrundlage für eine solche Haftung ist § 311 Abs. 3 S. 3 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB. Unter Anwendung der Grundvoraussetzungen einer Vertrauenshaftung ist wegen der bloßen Kreditvergabe jenseits dieser besonderen Fälle mangels Zurechenbarkeit einer drittgerichteten Tatsache weder im Rahmen von § 826 BGB noch rechtsfortbildend eine allgemeine Gläubigerverantwortung der wohlinformierten Gläubiger gegenüber den anderen für die Kreditwürdigkeit des Unternehmens begründbar. Will man daher die Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten begründen, bedarf es für die Annahme einer rechtlichen Treuhänderstellung der adjusting creditors eines Rückgriffs auf die Einflussnahme als Zurechnungsgrund. Darüber hinaus konnte aufgezeigt werden, dass eine mittels Schadensersatzhaftung konkretisierte Gläubigerverantwortung bereits rechtsfolgenseitig kein rechtssicher handhabbarer Weg ist, eine solche Haftung umzusetzen. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Ersatzpflicht eines Gläubigers gegenüber anderen auf der Grundlage von § 826 BGB, § 311 Abs. 3 S. 2 BGB oder einer allgemeinen Vertrauenshaftung begründet. Stets ist problematisch, welcher Gläubiger überhaupt in den Genuss einer solchen Gläubigerverantwortung kommen soll und in welchem Umfang die ihn selbst treffenden Sorgfaltsanforderungen anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind. Schließlich ist insbesondere im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen, dass eine etwaige Gläubigerverantwortung aus Gründen der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger und zur Verhinderung eines Wettlaufs nicht als Individualschaden geltend gemacht werden sollte, sondern vom Insolvenzverwalter gemäß § 92 InsO. Es erscheint daher insgesamt vorzugswürdig, die Gläubigerverantwortung nicht als Mittel zur individuellen Befriedigung schutzloser Kleingläubiger auszugestalten, sondern über das betreffende Unternehmen selbst abzuwickeln. Auf welcher dogmatischen Grundlage eine solche rechtssicher handhabbare und im Insolvenzverfahren auf die kollektive Haftungsabwicklung abgestimmte Gläubigerverantwortung begründbar ist, soll nachfolgend herausgearbeitet werden.

§ 12 Individuelle Gläubigerverantwortung wegen widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens Die soeben herausgearbeiteten Einwände gegen eine unter Vertrauensaspekten begründete rechtliche Treuhänderstellung des sich lediglich über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens informierenden Gläubigers darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Vertrauen der Gläubiger untereinander tatsächlich vorhanden ist und möglicherweise auf eine andere Weise geschützt werden kann. Der ökonomischen Theorie ist durchaus zuzugeben, dass es widersinnig wäre, wenn jeder Gläubiger eine umfangreiche Kreditprüfung anstellen müsste und andernfalls unter Hinweis auf das Prinzip des caveat creditor völlig schutzlos gestellt wäre. Eine fortschrittliche, nicht auf Tauschwirtschaft beschränkte Rechtsordnung muss auch Anreize bieten, dass sich jemand unzureichend abgesichert an der Unternehmensfinanzierung beteiligt, mithin das Misstrauen nicht überzogen ist.1 Nimmt man die Verantwortung des Gesetzgebers ernst, einen rechtlichen Rahmen für funktionierende, sich eben „nur“ prinzipiell selbstregulierende Märkte bereitzustellen, 2 ist daher weiterhin zu fragen, ob eine Verantwortlichkeit zumindest der Gläubiger, die mittels Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge eine enge Anbindung an das Unternehmen suchen, aufgrund eines anderen Ansatzes entwickelt werden kann. Wollte man die hierüber vermittelte Einflussnahme zum Anlass nehmen, eine unter Vertrauensaspekten gebotenen Treuhänderstellung zu Gunsten anderer zu begründen, müsste zwei gegensätzlichen Aspekten Rechnung getragen werden: Das ökonomisch gebotene Vertrauen einiger darauf, „es wird schon gut gehen“, muss im Einklang stehen mit den Grundanforderungen an einen normativ zu begründenden, vor allem nicht überzogenen Vertrauensschutz. Auch müsste einer unter Vertrauensaspekten begründeten Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme dem Aspekt der Selbstverantwortung Geltung verschaffen. Das Vertrauen der Kreditgeber untereinander darf nicht dazu führen, dass die „Kleinen“ überhaupt keine Anreize mehr haben, das Kreditrisiko zu prüfen und Eigenvorsorge zu treffen. Nachfolgend wird nunmehr herausgearbeitet, dass sich ein solcher Vertrauensschutz im geltenden Recht bereits findet und dieser die eingangs skizzierte 1 2

Zur beschränkten Bedeutung von Kreditsicherheiten bereits oben § 2 III 2. Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 43 ff.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals rechtlich absichert – auf den ersten Blick freilich nur im Verhältnis zwischen Gläubigern und Eigentümern. Um diese Gewährleistung im Wege der Rechtsfortbildung bzw. Analogie einzelner Regelungen auch auf die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber übertragen zu können, bedarf es daher einer genaueren Untersuchung, auf welche Weise die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals für die Eigenfinanzierung durch die Unternehmenseigentümer konkret gewährleistet wird.

I. Widersprüchliches Verhalten bei der Unternehmensfinanzierung Wie bereits mehrfach erwähnt, stützt sich die ökonomische Theorie des Rechts zur Begründung normativer Gebote im wesentlichen auf die Figur des hypothetischen Vertrages. Es soll an dieser Stelle nicht nochmals dafür plädiert werden, dieser Figur mangels dogmatischer Begründbarkeit eine normative Wirkung abzusprechen. Wichtiger ist es, einem bisher nur unzureichend gewürdigten Nebenaspekt dieses Begründungsansatzes Beachtung zu schenken. Eng mit dem Gedanken der hypothetischen Zustimmung verbunden ist nämlich eine ökonomisch begründete Missbilligung widersprüchlichen Verhaltens.

1. Die rechtliche Missbilligung widersprüchliches Verhaltens als allgemeines Rechtsprinzip Dieses gemäß § 242 BGB auch im Zivilrecht aus Gründen des Vertrauensschutzes3 anerkannte Instrument zur Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens als widersprüchlich bedarf zu seiner Legitimation nicht eines Rückgriffs auf den Gedanken der hypothetischen Zustimmung.4 Ein unzulässiges venire contra factum proprium kann vielmehr zum einen auch daraus resultieren, dass sich jemand zu einem tatsächlichen Vorverhalten in Widerspruch setzt. Nach Singer hat das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als eigenständiges Rechtsprinzip gerade beim Schutz des Vertrauens auf „konsequentes Verhalten“ Bedeutung5 und vermag daher einen diesem Schutz widersprechenden Individualwillen zu überwinden. Die Sanktionierung widersprüchlichen Verhaltens kann zum anderen – wie das Beispiel des derzeit geltenden Eigenkapitalersatzrechts mit dem in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG enthaltenen Gebot, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuzuführen, 6 zeigt – auch als sofortiger Verstoß gegen eine

3 4 5 6

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 287 ff. So aber die Anhänger des hypothetischen Vertrages, vgl. Engert, FS Heldrich, S. 87, 92. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 79 ff. Hierzu noch ausführlich unten § 16 III.

I. Widersprüchliches Verhalten bei der Unternehmensfi nanzierung

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Sollensnorm verstanden werden, die die Beteiligten zu einem bestimmten vertrauensstiftenden Verhalten zwingt.7 Wenngleich das Verbot widersprüchlichen Verhaltens allgemein anerkannt ist, erscheint es keineswegs einfach, hierüber eine normative Beschränkung privatautonomen Individualverhaltens abzuleiten. Auch zwei in ihrem Erklärungswert oder ihren Auswirkungen „widersprüchliche“ Verhaltensweisen einer Person können von der Rechtsordnung nicht ohne weiteres missbilligt werden. Im Ausgangspunkt ist jedermann frei, seinen Erklärungs- und Handlungswillen ad hoc zu bilden, ohne hierbei an bestimmte Vorgaben gebunden zu sein. Sowohl die rechtliche Missbilligung eines Verhaltens als Widerspruch gegenüber einem bestimmten Vorverhalten als auch die sofortige Missbilligung eines Verhaltens als Widerspruch gegen eine Sollensnorm bedürfen daher einer entsprechend begründeten zwingenden Rechtsregel. Dies gilt sowohl für die Konkretisierung von § 242 BGB, die vorgibt, aus welchen Gründen sich jemand nicht zu einem früheren Verhalten in Widerspruch setzen darf, als auch für eine rechtsfortbildend zu entwickelnde oder auf die hier interessierende Fremdfinanzierung analog anzuwendende Sollensnorm, die gewährleistet, dass man sich nur in einer bestimmten Weise „konsequent“ verhält. Bevor der Frage nachgegangen wird, ob diese Begründung bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung erfolgen kann, soll zunächst die ökonomisch begründete Missbilligung widersprüchlichen Verhaltens genauer untersucht werden. Immerhin könnte diese eine taugliche Legitimation sein, die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber der Einflussnahme durch die Eigentümer gleichzusetzen und ein vergleichbares Konzept der Verantwortung zu entwickeln.

2. Der ökonomisch missbilligte Selbstwiderspruch Am deutlichsten wurde das ökonomisch zu missbilligende widersprüchliche Verhalten bisher von Engert für die Gesellschafter einer GmbH herausgearbeitet. 8 Bei der Frage nach einer ökonomischen Legitimation (existierender) gesetzlicher Ausschüttungssperren gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG erkennt er einerseits an, dass es bei isolierter Betrachtung für die Gesellschafter keine Gründe gäbe, einer Regelung zuzustimmen, derzufolge sie die Gesellschaft nicht durch Entnahmen causa societatis wirtschaftlich vernichten dürfen. Andererseits würden auch die Gesellschafter „bei verständiger Würdigung“ einräumen müs7 Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 144 ff.; in diese Richtung auch Huber (FS Priester, S. 259, 276), wenn er anführt, das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Nr. 5 E-InsO erfülle durch die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen die Funktion der Selbstbeteiligung der Gesellschafter am Risiko. 8 Engert, FS Heldrich, S. 87, 94 f.; ähnlich für § 30 Abs. 1 GmbHG bereits Servatius, GmbHR 2000, 1028, 1031: Leistungen causa societatis als Widerspruch gegen die ursprünglich privatautonome Entscheidung, der Gesellschaft das Stammkapital zur Verfügung zu stellen und nur im Rahmen der gläubigerschützenden Liquidation zurückzuverlangen.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

sen, dass ohne eine derartige Regelung die Kreditfinanzierung der Gesellschaft erschwert oder verhindert würde, was wiederum die Geschäftsanteile der Gesellschafter stark entwerten würde. Die Gesellschafter würden „über den Umweg des Kreditmarktes“ für eine Regelung kompensiert, die ihren Interessen bei isolierter Betrachtung zuwider laufen würde.9 Die Gesellschafter verhielten sich somit „selbstwidersprüchlich“, wenn sie zunächst von einem Vertrauen der Gläubiger profitieren, hiervon aber im Konfliktfall nichts mehr wissen wollen.10 Nach Ansicht Engerts sind die zwingenden Ausschüttungsverbote der notwendige Preis, damit die Gesellschafter auf andere Weise Vorteile erzielen können. Sie müssen auf die Entnahme desjenigen Kapitals verzichteten, welches andere als Grundlage herangezogen haben, sich ihrerseits an der Finanzierung zu beteiligen.

3. Die notwendige Differenzierung von Selbstwiderspruch und Widerspruch gegen eine Sollensnorm Dieser Zusammenhang von Vor- und Nachteilen wird von Engert wegen seiner Fokussierung auf den hypothetischen Vertrag als – seiner Ansicht nach ausreichende – Legitimationsgrundlage für eine normativ wirkende Pflicht zu konsequentem Verhalten11 nicht näher präzisiert. Vor allem bleibt offen, auf welches konkrete Verhalten des Gesellschafters als notwendiges Zurechnungskriterium einer unter Vertrauensaspekten begründeten Sanktionierung widersprüchlichen Verhaltens abzustellen ist. Ist es bereits die privatautonome Entscheidung, ein bestimmtes Stamm- bzw. Grundkapital aufzubringen, welches der vorrangigen Verlusttragung zu Gunsten anderer gewidmet ist? In diesem Fall wäre es auf den ersten Blick gerechtfertigt, von einem Selbstwiderspruch zu sprechen. Verpflichtet sich ein Gesellschafter zur Aufbringung von Eigenkapital, welches der vorrangigen Gläubigerbefriedigung gewidmet sein soll, stünde es hierzu im Widerspruch, wenn er bei der Erfüllung dieses Versprechens hiervon nichts mehr wissen will.12 Auf der anderen Seite darf auch die Anerkennung einer privatautonomen Widmung als Haftkapital nicht darüber hinwegtäuschen, dass es normative Grenzen der Aufhebbarkeit geben muss. Das Recht der Kapitalerhaltung bei AG und GmbH (§ 57 AktG, §§ 30, 31 GmbHG) wäre überflüssig, wenn die rechtsgeschäftliche Einlagepflicht ausreichen würde, Entnahmen causa societatis zu verbieten und verbotswidrige Verfügungen rückabzuwickeln. Der Gläubigerschutz kann auch auf der Grundlage einer ursprünglich rechtsgeschäft9

Engert, FS Heldrich, S. 87, 95. Engert, FS Heldrich, S. 87, 94. 11 Vgl. Singer, a.a.O., oben Fn. 96. 12 Zu diesem Aspekt als Begründung widersprüchlichen Verhaltens bei der Kapitalaufbringung bereits Servatius, GmbHR 2000, 1028, 1031. 10

I. Widersprüchliches Verhalten bei der Unternehmensfi nanzierung

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lichen Bindung nicht ohne eine drittgerichtete gesetzliche Sanktionierung auskommen, die den fehlenden Vertrag des Gesellschafters mit allen Gläubigern ersetzt.13 Insofern ist auch die gesetzliche Kapitalbindung entgegen Engert weniger ein Fall des ökonomisch missbilligten Selbstwiderspruchs als die ökonomisch legitimierte gesetzliche Sanktionierung eines Verhaltens. – Der Gesellschafter mag durchaus von seinem ursprünglichen Versprechen nichts mehr wissen wollen und findet hierbei die Unterstützung „seiner“ GmbH. Beide Parteien dürfen indessen den nunmehr gewollten und damit aus ihrer Sicht keinesfalls selbstwidersprüchlichen Vermögenstransfer aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht durchführen. Dies hat auch Auswirkungen auf die terminologische Erfassung des hier interessierenden widersprüchlichen Verhaltens: Die gesetzliche Kapitalbindung sanktioniert nicht einen etwaigen „Selbstwiderspruch“, sondern ein Verhalten als zu dem in der Kapitalaufbringung zur Ausdruck kommenden Schutzanliegen zu Gunsten der Gläubiger widersprüchlich. Beim geltenden Eigenkapitalersatzrecht wird dies noch deutlicher. Man denke nur an das bereits erwähnte Gebot gemäß § 32 a Abs. 1 GmbHG, als ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zuzuführen. Hier kann nicht auf einen bloßen Selbstwiderspruch abgestellt werden, weil die gesetzliche Umqualifizierung gerade voraussetzt, dass der betreffende Gesellschafter kein Eigenkapital beisteuern wollte.14 Wollte man auch diese gläubigerschützende Regelung als ökonomisch missbilligten Widerspruch ansehen, bedarf es daher einer anderen Legitimation, mithin den Verstoß des Gesellschafters gegen eine Sollensnorm zur Unternehmensfinanzierung. Diese Norm könnte durchaus im Sinne Engerts ökonomisch legitimiert sein, sofern der Gesellschafter von deren Existenz dadurch profitiert, dass andere die Existenz dieser Norm zum Anlass nehmen, sich an der Unternehmensfinanzierung als Fremdkapitalgeber zu beteiligen. Es bleibt daher festzuhalten, dass auch die ökonomisch begründete Missbilligung eines bestimmten Verhaltens voraussetzt, dass eine normative Vorgabe darüber besteht, wozu sich der Handelnde nicht in Widerspruch setzten darf, weil er im Vorfeld bereits davon profitiert hat, dass es eine solche Vorgabe gibt. Woran eine solche zwingende Vorgabe anknüpft, soll nachfolgend anhand der Finanzierung eines Unternehmens durch seine Eigentümer mit Eigenkapital herausgearbeitet werden.

13 Zum Sanktionscharakter von §§ 30, 31 GmbHG bereits Servatius GmbHR 2000, 1028, 1031 ff. 14 So bereits Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 144 ff.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

II. Parallelen zur Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Dass die reine privatautonome Widmung eines Kapitalbeitrags zur Begründung eines Abzugsverbots wegen widersprüchlichem Verhaltens nicht ausreicht, sondern es eines zusätzlichen Kriteriums bedarf, eine Einschränkung der Möglichkeit zur Aufhebung der privatautonomen Entscheidung zu rechtfertigen, folgt auch aus der bereits erwähnten Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals.15 Nach den betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzipien für die richtige Finanzierungsart16 hat die Unternehmensleitung zu berücksichtigen, dass die Gläubiger vor allem dann bereit sind, Fremdkapital zur Unternehmensfinanzierung beizusteuern, wenn die Eigentümer einen Teil der erforderlichen Mittel selbst aufbringen. Die diese Mittel treffende vorrangige Verlustragung signalisiert, dass sie sachgerechte unternehmerische Entscheidungen treffen.

1. Das dahinter stehende Prinzipal-Agenten-Problem Überträgt man diesen Zusammenhang auf das Finanzierungsverhalten der Fremdkapitalgeber nach Engerts Modell der Kreditkaskaden, mithin das Vertrauen der Kreditgeber untereinander, erkennt man einerseits Parallelen: Es führt zu einer gesamtwirtschaftlich gewünschten Verbesserung der Kreditfinanzierung von Unternehmen, wenn bestimmte Fremdkapitalgeber die finanzielle Beteiligung anderer als positives Signal der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens wahrnehmen dürfen. Andererseits zeigen sich jedoch noch einmal die Begründungsdefizite, aus der Kreditgewährung als solcher einen Vertrauenstatbestand abzuleiten, der das Vertrauen anderer in die Kreditwürdigkeit des betreffenden Unternehmens zu rechtfertigen vermag und als Folge einer Enttäuschung dieses Vertrauens haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen soll. Da die Kreditgewährung als solche und das Ergebnis einer zuvor erfolgten positiven Kreditwürdigkeitsprüfung im Regelfall nicht nach außen kundgegeben werden, handelt es sich nicht um eine „drittgerichtete Tatsache“ im Sinne der Grundanforderungen an die Vertrauenshaftung.17 Will man mit dem Modell der Kreditkaskaden das Vertrauen der Kreditgeber untereinander legitimieren, bedarf es eines anderen Zurechnungskriteriums, welches vorgibt, worauf sich das Vertrauendürfen bezieht. Ein derartiges Zurechnungskriterium ergibt sich auf der Grundlage der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ohne weiteres: Die möglicherweise bestehende funktionale Treuhänderstellung der großen Gläubiger zu Gunsten 15

Oben § 2 II 1 a und § 5. Zum sog. qualitativen Problem der Unternehmensfinanzierung ausführlich Fleischer, in Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 6 Rn. 12 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 103. 17 Soeben unter § 11 V. 16

II. Parallelen zur Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals

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der kleinen18 ist nämlich hier zunächst einmal nur im Verhältnis zwischen Eigentümern und Nichteigentümern angesiedelt. Zurechnungsgrund für die vorrangige Verlusttragung der Eigentümer ist nicht die nach außen kundgegebene Beteiligung mit Eigenkapital. Wäre dies der Fall, dürften zum Beispiel Deliktsgläubiger, die von der Kapitalausstattung eines Unternehmens überhaupt keine Kenntnis haben, auch nicht von der haftungsmäßigen Widmung des Eigenkapitals profitieren. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschreibt damit keinen konkreten Vertrauenstatbestand, sondern eine durch abstraktes Vertrauen gekennzeichnete Bedingung für einen funktionierenden Finanzierungsmarkt. Grundlage für das Vertrauen der Fremdkapitalgeber ist nicht die Kapitalgewährung als solche, sondern vielmehr die mit der Eigentümerstellung einhergehenden Befugnisse, das im Unternehmen aggregierte Vermögen zu verwalten.19 Die Eigentümer, die im Ausgangspunkt die alleinige Herrschaft über das Unternehmen und die dazu gehörenden Aktiva haben, sind die Agenten der Fremdkapitalgeber. 20 Letztere haben ein Interesse daran, dass ihr finanzieller Beitrag nicht außerhalb des übernommenen Kreditrisikos verwendet wird. Nur über die Herrschaft als Zurechnungskriterium erschließt sich somit die funktionale Treuhänderstellung der Eigentümer gegenüber den Gläubigern.

2. Die Selbstbetroffenheit als Mittel zur Risikominimierung Im Bereich eines privaten Darlehens kann der Geldgeber relativ leicht überschauen, inwieweit sich der Darlehensnehmer erwartungsgemäß verhält. Bei der Unternehmensfinanzierung scheidet dies zumindest für eine Vielzahl von Gläubigern regelmäßig aus. Die Menge an Geschäftsvorfällen, das leistungswirtschaftliche Risiko21, die große Anzahl der beteiligten shareholder und stakeholder und deren Interessenpluralität sowie die weitgehende Anonymität machen eine adäquate Überwachung von außen nahezu unmöglich und begründen Informationsasymmetrien. 22 Dieses Defizit vermag das ggf. gesetzlich als solches zu behandelnde Eigenkapital zumindest teilweise zu kompensieren, indem hierüber eine Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger hergestellt

18 Merkt, EBOR 7 (2006), 95, 109; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 170. 19 Ähnlich Huber (FS Priester, S. 259, 276), wenn er anführt, das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Nr. 5 E-InsO erfülle durch die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen die Funktion der Selbstbeteiligung der Gesellschafter am Risiko. 20 Engert, ZGR 2004, 813, 820 ff. 21 Dieses Risiko kennzeichnet die Ungewissheit über den Erfolg des Investitionsprojekts, mithin die Frage, ob die aus dem betriebswirtschaftlichen Prozessablauf erwarteten Einzahlungen tatsächlich eintreten (Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 419). 22 Zum Kreditrisiko ausführlich oben § 2 II.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

wird.23 Soweit die Eigentümer ein vorrangiges Verlustrisiko tragen, besteht ein starker Anreiz, die ihnen zustehende Herrschaftsmacht in einer Weise einzusetzen, dass es nicht zum Eintritt eigener und damit erst recht nicht fremder Verluste kommt. Die mit der Eigenfinanzierung verbundene Selbstbetroffenheit der Eigentümer ist auf diese Weise ein Mittel zur Risikominimierung, welches reflexartig auch den Fremdkapitalgebern nutzt. Fehlt dieser Anreiz, besteht nach der Finanzierungstheorie ein sog. Unterinvestitionsproblem, was das Kreditrisiko der Gläubiger signifikant erhöht, 24 und konsequenterweise negative Auswirkungen auf die Bereitschaft anderer hat, sich – nicht vollständig informiert oder besichert – an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen. Die aus der Selbstbetroffenheit der Handelnden resultierende Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer ist kein auf die Unternehmensfinanzierung beschränkter, neuartiger Zusammenhang. Sie kennzeichnet und rechtfertigt auch das Mehrheitsprinzip bei der kollektiven Willensbildung im Personenverband und – wie gesehen – innerhalb der Gläubigerversammlung nach dem SchVG.25 Der entscheidende Ertrag, aus der Selbstbetroffenheit eine Richtigkeitsgewähr abzuleiten, liegt in der hiermit einhergehenden Zurückhaltung staatlicher (gerichtlicher) Kontrolle der jeweiligen Maßnahmen.26 Soweit die Selbstbetroffenheit reicht, reicht auch die Selbstkontrolle, so dass die Rechtsordnung die Verwirklichung von Individualinteressen prinzipiell anerkennen kann und hierfür keine normativen Vorgaben machen muss. Dies gilt sowohl im allgemeinen Vertragsrecht 27 als auch bei der Willensbildung durch Beschluss. 28 Nicht geboten ist diese Zurückhaltung hingegen, wo die Entscheidungsmacht nicht mit einer korrespondierenden Selbstbetroffenheit unterlegt ist, wie zum Beispiel bei den drittorganschaftlich verfassten Personenverbänden. Indem die Vorstände einer AG und die Geschäftsführer einer GmbH nicht notwendig am Wohl und Wehe ihrer Entscheidungen mitgliedschaftlich partizipieren, sondern allein Verwalter fremder Vermögensinteressen sind, 29 muss die Selbstbetroffenheit haftungsrechtlich hergestellt werden und ex post gerichtlich voll überprüfbar sein.30

23 Ähnlich Huber (FS Priester, S. 259, 276): Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Ausgleich der mangels persönlicher Haftung fehlenden Selbstkontrolle. 24 Grundlegend Myers, J. Fin. Econ. 5 (1977), 147, 159 ff.; zum Ganzen auch Engert, ZGR 2004, 813, 820 ff. 25 Vgl. oben § 9 III. 26 Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130. 27 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S. 29 ff. 28 Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 15 ff. 29 Vgl. jüngst die treffende Formulierung des BGH in der Strafsache Mannesmann, wonach die Organe einer AG nicht Gutsherren, sondern Gutsverwalter seien (BGH, AG 2006, 110). 30 Die sog. business judgement rule ist insofern eine durch die Unsicherheit über künftige Entwicklungen begründete Ausnahme (vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 177 ff.).

III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell

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III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens Der von Engert als Kreditkaskade bezeichnete Zusammenhang, dass Gläubiger auf die Kreditvergabe anderer vertrauen und vertrauen dürfen, findet sich somit im Ausgangspunkt bei der in der Finanzierungstheorie anerkannten Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals, so dass diesbezüglich die Bezeichnung Eigenkapitalkaskade nahe liegt. Dies darf freilich nicht so verstanden werden, dass Eigenkapital nur anderes Eigenkapital anzieht. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals beschreibt vielmehr den Umstand, dass Eigenkapital die Fremdfinanzierung erleichtert, mithin Fremdkapital anzieht. Eine den unternehmensfremden Kapitalgebern vorrangig zu Gute kommende kapital- bzw. haftungsmäßige Beteiligung der Eigentümer senkt das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber und ist damit ein Mittel zur ökonomisch begründeten Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Insofern ist es unter dem Aspekt eines ökonomisch begründeten Selbstwiderspruchs nur konsequent, die rechtlichen Vorgaben für einen funktionierenden Markt der Unternehmensfinanzierung so auszugestalten, dass sich die Eigentümer nicht zu dieser vom Rechtsverkehr erwarteten Selbstbetroffenheit in Widerspruch setzen dürfen, indem sie das investierte Kapital entgegen der Widmung zur Gläubigerbefriedigung abziehen, obwohl es zur Realisierung der vorrangigen Verlustragung benötigt wird. Es lässt sich daher festhalten, dass eine entsprechende Finanzierungsverantwortung als rechtliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ökonomisch betrachtet gerechtfertigt wäre, mithin im Verhältnis zwischen Eigentümern und Kreditgebern.31 Nachfolgend soll nunmehr untersucht werden, ob es über eine Abstimmung von Engerts Modell der Kreditkaskaden auf die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch möglich ist, die bisher unvollständige Legitimation eines Vertrauensdürfens der Kreditgeber untereinander zu vervollständigen und damit die soeben herausgearbeiteten Einwände gegen eine konturenlose Vertrauenshaftung der Kreditgeber zu entkräften. Auf dieser Grundlage ließe sich sodann ein Konzept entwickeln, welches die Treuhänderstellung bestimmter Gläubiger zu Gunsten anderer auch rechtlich anerkennt und wie bei der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gewährleistet, dass die Einflussnehmenden verantwortungsbewusst handeln und die Interessen der hiervon Betroffenen angemessen mitberücksichtigten. 31 Der Begriff der Finanzierungsverantwortung soll sich hier allein auf die für die Ingangsetzungsfunktion notwendige vorrangige Verlusttragung des Eigenkapitals beziehen und deckt sich daher nicht mit der im Rahmen der materiellen Unterkapitalisierung und beim geltenden Eigenkapitalersatzrecht diskutierten Frage, ob die Eigentümer gehalten sind, einen über die Mindestkapitalregeln hinausgehenden Eigenkapitalanteil beizusteuern. Vgl. hierzu noch unten § 16 II 4.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

1. Die Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger als Zurechnungskriterium einer Finanzierungsverantwortung Das Modell der Kreditkaskaden vermochte nicht zu erklären, warum die schlichte Fortexistenz eines Unternehmens einem bestimmten Kapitalgeber in haftungsbegründender Weise zurechenbar sein sollte. Die hier herausgearbeitete Bezugnahme auf die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals verdeutlicht demgegenüber, dass das Vertrauen auf das Verhalten anderer überhaupt nur in Betracht kommt, wenn dieses Verhalten geeignet ist, die Interessen der Vertrauenden mit zu berücksichtigen (sog. „drittgerichtete Rechtstatsache“).32 Diese Zurechnung erfolgt bei der gesetzlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals anhand der Rechtsmacht der Eigentümer, auf die Vermögensinteressen anderer Einfluss ausüben zu können. Eine mit der Ingangsetzungsfunktion begründete Gläubigerverantwortung kann konsequenterweise ebenfalls nur solchen Personen zugerechnet werden, die auf das Unternehmen Einfluss ausüben. Die bloße finanzielle Beteiligung am Unternehmen mit der Folge, dass andere diesen Finanzierungsbeitrag verwalten, ist nicht ausreichend, um jemanden als „Treuhänder bzw. Sachwalter fremder Vermögensinteressen“33 anzusehen. Anders als zum Beispiel nach Engert und der herrschenden Meinung, kann die bloße Kapitalüberlassung somit keine Eigentümer- oder Kreditgeberhaftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 826 BGB oder eine Haftung wegen Hervorrufens eines die Kreditwürdigkeit vorspiegelnden Vertrauenstatbestands gemäß § 311 Abs. 2 BGB begründen, soweit nicht weitere Umstände hinzutreten.34

2. Das vorrangige Verlustrisiko der Entscheidungsträger als normativer Vertrauenstatbestand Darüber hinaus wird anhand der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals deutlich, auf was sich das über die Existenz des Unternehmens als solches vermittelte, ohnehin sehr vage Vertrauen der übrigen Kapitalgeber überhaupt bezieht und inwieweit es schutzwürdig ist. Gegenstand des Vertrauens ist hiernach nicht die im eigenen Interesse erfolgende Kreditwürdigkeitsprüfung anderer.35 Zu einer „drittgerichteten Tatsache“ wird diese Prüfung nur, wenn eine anderweitig zu begründende, aus dem vorrangigen Verlustrisiko resultierende Selbstbetroffenheit den Betreffenden aufgibt, die Interessen der anderen bei der Risikoeinschätzung mit zu berücksichtigen. Die der Überlassung von Eigenka32

Oben § 11 V. So die Kennzeichnung der adjusting creditors durch Merkt, EBOR 7 (2006), 95, 109, und Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 170. 34 Für die Insolvenzverschleppung als allgemeine Verhaltenshaftung oben § 4 I 6 3; zur Haftung nach § 311 Abs. 2 BGB oben § 11 V 2. 35 So aber Engert für das Modell der Kreditkaskaden, vgl. oben § 11 IV. 33

III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell

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pital vorausgehende Prüfung und die Überwachung, ob die Beträge drohen, aufgezehrt zu werden, können nur dann einen Drittschutz vermitteln, wenn gewährleistet ist, dass der in Rede stehende Kapitalbeitrag die drohenden Verluste vorrangig abfedern muss. Im Rahmen des mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebenen Zusammenhangs vertraut der Rechtsverkehr somit auf die aus dem vorrangigen Verlustrisiko resultierende Selbstbetroffenheit und zieht hieraus Schlüsse auf ein geringeres Kreditrisiko. Im Regelfall ist kein Kapitalgeber bereit, mit verbindlicher Wirkung ein vorrangiges Verlustrisiko zu übernehmen und sich hieran selbst in der Insolvenz festhalten zu lassen. Die Motivation ist im Ausgangspunkt geradezu umgekehrt: Der wichtigste Anreiz für unternehmerisches Handeln ist die Minimierung des Risikos, im Extremfall durch den Ausschluss einer persönlichen Haftung.36 Es wäre daher verfehlt, einem Unternehmenseigentümer auf normativer Grundlage die Motivation zu unterstellen, dass er ein vorrangiges Verlustrisiko tragen will.37 Für einen Fremdkapitalgeber gilt dies erst recht.38 Dies bedeutet freilich nicht, dass der entgegenstehende Wille, der darauf zielt, ein solches vorrangiges Verlustrisiko nicht zu tragen, in jedem Fall gesetzliche Anerkennung findet. In Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ließe sich ein solcher Wille auch überwinden.39 Der Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Rechtsverkehrs wäre insofern die zu begründende Norm selbst, wonach jemand, der die Herrschaft über ein Unternehmen hat, ein vorrangiges Verlustrisiko zu tragen hat.

3. Abweichende Beurteilung bei der Richtigkeitsgewähr bei Mehrheitsbeschlüssen Diese vorrangige Selbstbetroffenheit für die negativen Folgen als Gewährleistung „richtigen“ Handelns zu Gunsten anderer unterscheidet sich von dem bereits erwähnten, strukturell vergleichbaren Zusammenhang bei der kollektiven Willensbildung im Personenverband.

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Hierzu ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 31 ff. Gegen einen auf diese Weise verstandenen Selbstwiderspruch bereits im Zusammenhang mit dem Eigenkapitalersatzrecht Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 144 ff. Vgl. auch die Kritik an der Figur des hypothetischen Vertrages oben § 7 V 3 und § 10 IV 2. 38 Undeutlich in diesem Zusammenhang die teilweise auf Fiktionen bzw. einem Zirkelschluss beruhende Annahme, dass der Kapitalgeber eines Finanzplankredits das Kapital „wie Eigenkapital“ behandelt wissen wolle (in diese Richtung aufgrund einer Betrachtung von Indizien Fleischer, Finanzplankredite, S. 128 ff.). Gegen eine Gleichstellung von gewillkürter und gesetzlicher Widmung als Eigenkapital überzeugend BGHZ 142, 116, 119: Finanzplankredit ist kein Fall des Eigenkapitalersatzes. 39 Ähnlich für das geltende Eigenkapitalersatzrecht bereits Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 146: Widerspruch gegen eine – zu begründende – Sollensnorm. 37

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

a. Gleichrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenen diligentia quam in suis Auch dort besteht zwar zwischen der mit Herrschaftsmacht versehenen Mehrheit und den übrigen Verbandsmitgliedern ein Prinzipal-Agenten-Problem. Die Verbandsmitglieder haben ein Interesse, dass die Mehrheitsbeschlüsse nicht zu ihrem Nachteil gefasst werden. An Stelle des durchaus möglichen Ansatzes, die Beschlussmehrheit wie ein Drittorgan als Sachwalter (nur) fremder Interessen anzusehen und ihr ein entsprechend enges, ex post gerichtlich weitegehend überprüfbares und haftungsrechtlich sanktioniertes Pflichtenkorsett aufzuerlegen, wird anerkannt, dass die Mehrheit zuvörderst ihre eigenen Interessen verwirklicht und auch verwirklichen darf. Die hieraus resultierende Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen als Grundlage eines Rückzugs intensiver gerichtlicher Kontrolle40 findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass sowohl die Mehrheit als auch die übrigen hiervon Betroffenen „im selben Boot“ sitzen.41 Grundlage der Prämisse, dass ein Mehrheitsbeschluss die Richtigkeit in sich trägt, ist somit nicht, dass die Entscheidenden gegenüber den anderen einer vorrangigen negativen Betroffenheit unterliegen. Ausreichend ist vielmehr die gleichrangige Betroffenheit. Gegen eine bei der kollektiven Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss die Richtigkeitsgewähr legitimierende gleichrangige Betroffenheit spricht auch nicht, dass die Stimmrechtsmacht zumindest bei den Kapitalgesellschaften von der Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung abhängt (vgl. § 47 Abs. 2 GmbHG, § 134 Abs. 1 S. 1 AktG). Auf den ersten Blick scheint hiernach die Beschlussmehrheit gegenüber der überstimmten Minderheit wegen ihrer insgesamt größeren Beteiligung ein vorrangiges Verlustsrisiko zu tragen, falls die betreffende Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg bringt. Eine solche Sichtweise wäre indessen verkürzt. Die Richtigkeit eines Beschlusses gegenüber der überstimmten Minderheit ist nämlich nur ein Aspekt der aus der Selbstbetroffenheit resultierenden Richtigkeitsgewähr. Wie bereits anhand des SchVG aufgezeigt wurde, überwindet die kollektive Willensbildung mittels Mehrheitsbeschlusses nicht nur die an der Abstimmung teilnehmende Minderheit, sondern auch die überhaupt nicht erschienenen Stimmberechtigten.42 Die Zuweisung der Entscheidung an ein besonderes Willensbildungsorgan kann somit dazu führen, dass die Beschlussmehrheit nicht notwendig die Mehrheit aller Stimmberechtigten ist. Soweit nicht die Zustimmung aller erforderlich ist, ist daher keineswegs gesichert, dass die Abstimmungsmehrheit aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung insgesamt stärker betroffen ist als die anderen. Im Verbandsrecht

40 41 42

Hierzu bereits oben II 2. Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 20. Oben § 9 1.

III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell

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genügt somit zur Legitimation einer aus der Selbstbetroffenheit resultierenden Richtigkeitsgewähr die gleichrangige Betroffenheit aller. Dass dies für die Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals entgegen der Ansicht von Teilen in der Literatur43 nicht ausreichend wäre, ergibt sich aus einer genaueren Betrachtung der jeweils zu Grunde liegenden Prinzipal-Agenten-Probleme: Bei der hier interessierenden Finanzierungsverantwortung der Eigentümer haben diese die Herrschaftsmacht über das Unternehmen, nicht hingegen die Fremdkapitalgeber. Bei der kollektiven Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss steht diese Herrschaftsmacht hingegen im Ausgangspunkt allen zu, wird jedoch auf freiwilliger Basis entweder gar nicht44 oder dissentierend wahrgenommen. Die dort aus der – gleichrangigen – Selbstbetroffenheit resultierende Richtigkeitsgewähr ist daher allein ein Instrument, um die Mehrheitsmacht gegenüber der überstimmten Minderheit und den nicht erschienenen Verbandsmitgliedern zu legitimieren. Beide schützenswerten Gruppen haben zumindest die Möglichkeit, sich an der Willensbildung zu beteiligen und auf das Erreichen der entsprechenden Sperrminoritäten hinzuwirken. Dies rechtfertigt es, die Richtigkeitsgewähr eines Mehrheitsbeschlusses nicht daran zu knüpfen, dass die Mehrheit von den negativen Folgen der Maßnahme stärker betroffen ist als die übrigen. Würde man es haftungsrechtlich ausdrücken, müssen die Abstimmenden allein die Sorgfalt ausüben, die sie in eigenen Angelegenheiten einzuhalten pflegen (§ 277 BGB). Auf eine haftungsrechtliche Effektuierung und gerichtliche Überprüfung dieses Gebots wird unter Anerkennung der Selbstregulierung prinzipiell verzichtet. b. Vorrangige Selbstbetroffenheit als Gewährleistung der gebotenen Mitberücksichtigung externer Drittinteressen Im Verhältnis zwischen Eigentümern und Nichteigentümern eines Unternehmens steht ein solches Verfahren der kollektiven Willensbildung hingegen nicht bereit. Die Unternehmenseigentümer können gemäß Art. 14 GG und § 903 BGB die ihnen zustehenden Rechte im Ausgangspunkt schrankenlos ausüben und insbesondere über die ihrer Verfügungsmacht unterliegenden Aktiva verfügen. Will man über die Selbstbetroffenheit eine Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer erzeugen, ist somit zu berücksichtigen, dass diese anderen im Regelfall überhaupt keine Möglichkeit haben, auf die Entscheidungen Einfluss zu 43 Im Hinblick auf die Umqualifizierung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand vor allem Cahn, AG 2005, 217, 222 ff.; Bork, ZGR 2007, 250, 257; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 192; ders., FS Canaris, S. 49, 58 f.; die die hier umschrieben Ingangsetzungsfunktion letztlich allein dadurch erreichen wollen, dass die Eigentümer im Insolvenzverfahren über die wegen der Insiderstellung verschärften Anfechtungsregeln als Insolvenzgläubiger behandelt werden sollen. 44 Zur rationalen Apathie der Publikumsaktionäre ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 196 ff.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

nehmen. Im Verhältnis zwischen Eigentümern und Nichteigentümern muss die mit der Selbstbetroffenheit zu erzielende Richtigkeitsgewähr daher mit einem effektiveren Mittel durchgesetzt werden als innerhalb eines Personenverbands. Denkbar wäre, die Eigentümer wie ein Drittorgan als Sachwalter fremder Gläubigerinteressen zu sehen und ihnen entsprechende fremdgerichteten Sorgfaltspflichten aufzuerlegen und die Einhaltung ggf. gerichtlich zu kontrollieren.45 Diesen von großer Rechtsunsicherheit geprägten Weg vermeidet eine die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals verwirklichende Finanzierungsverantwortung, weil sie anerkennt, dass die Entscheidungsträger in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen wollen und lediglich einen Anreiz brauchen, hierbei die Interessen anderer angemessen mit zu berücksichtigen. Wegen des aus der strukturellen Nicht-Teilnahme an der Unternehmensleitung resultierenden größeren Gefährdungspotentials ist es daher gerechtfertigt, die aus der Selbstbetroffenheit resultierende Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer an die schärfere Voraussetzung zu knüpfen, dass der Entscheidungsträger für entsprechende Verluste vorrangig haftet. Übertragen auf eine haftungsrechtliche Interpretation dieses Zusammenhangs bewirkt die vorrangige Verlusttragung somit, dass die Entscheidungsträger nicht nur die diligentia quam in suis anwenden müssen, sondern in Anlehnung an den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab gemäß § 276 BGB die Vermögensinteressen der anderen mit besonderer Sorgfalt zu wahren haben. Wegen der – freilich zu begründenden – vorrangigen Selbstbetroffenheit bedarf dieses Gebot jedoch keiner besonderen, mit einem Drittorgan vergleichbaren, haftungsrechtlichen Effektuierung.

4. Die doppelte Kompensation der vorrangigen Verlusttragung Die vorstehend herausgearbeitete Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals bringt den Eigenkapitalgebern auch Vorteile. a. Die kaum messbare Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital Nach dem bereits skizzierten Ansatz Engerts zur ökonomischen Begründung widersprüchlichen Verhaltens sind die zwingenden Ausschüttungsverbote bei der GmbH der notwendige Preis, damit die Gesellschafter die Vorteile einer erleichterten Kreditfinanzierung erzielen können. Dem ist zuzustimmen. Die mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebene Selbstbetroffenheit der Eigentümer mindert das Kreditrisiko und erleichtert so die Fremdfinanzierung. Soweit die Eigentümer für ihr Handeln gegenüber den Nichteigentümern vorrangig persönlich oder mit einem entsprechenden Kapitalbetrag 45 So die hM in der Lit. zur Begründung einer Gläubigerverantwortung unter Rückgriff auf die Figur des faktischen Organs (vgl. unten § 14 II).

III. Die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell

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haften, besteht die Gewähr, dass sie ihre Herrschaftsmacht auch zum Wohle der Nichteigentümer ausüben. Der – realistischerweise nicht messbare – Faktor, um den das Kreditrisiko durch die Eigenfinanzierung minimiert wird, bedeutet umgekehrt eine Erleichterung der Kreditfinanzierung, wovon wiederum die Eigentümer profitieren. b. Die mögliche Teilhabe am Unternehmenserfolg aufgrund des LeverageEffekts Bei dieser konturenlosen Betrachtung bleibt es indessen nicht. Zu Beginn der Arbeit wurde bereits auf den sog. Leverage-Effekt hingewiesen. Die Eigenkapitalrentabilität steigt hiernach exponentiell an, soweit die Gesamtrentabilität über den kalkulierbaren, d. h. im Regelfall festen Fremdkapitalkosten liegt. Es lohnt sich hiernach für die Eigentümer, ein Projekt weitgehend fremd zu finanzieren, wenn der aus dem Projekt resultierende Ertrag die Zinslast gegenüber den Fremdkapitalgebern übersteigt. Liegt die Gesamtkapitalrendite zum Beispiel bei 10%, erlangen die Eigenkapitalgeber bei einem Verschuldensgrad von 33% (zu 7% Zinsen) eine Eigenkapitalrendite in Höhe von 11%, wohingegen bei einem Verschuldensgrad von 66% eine Eigenkapitalrendite von 19% zu erzielen ist.46 Der Leverage-Effekt bedeutet so einen wichtigen Anreiz, ein Unternehmen mit vorrangig haftendem Eigenkapital zu finanzieren. Hierauf begründet sich ein weiterer für die Anerkennung eines ökonomischen Selbstwiderspruchs notwendiger Zusammenhang vom Risiko und Vorteil: Die Eigentümer dürfen mit dem Verhalten der Nichteigentümer kalkulieren und exponentiell hohe Erträge erzielen; sie dürfen aber nicht eine notwendige Voraussetzung, unter der sich die Nichteigentümer zur Beteiligung an der Finanzierung beteiligt haben, einseitig ignorieren.

5. Zwischenergebnis Fasst man die vorstehenden Erwägungen zusammen, ergeben sich folgende Parameter einer unter dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens legitimierten Finanzierungsverantwortung wegen Einflussnahme: Grundlage einer Verantwortung ist die mit dem Prinzipal-Agenten-Konflikt umschriebene Gefahr, dass diejenigen, die die Herrschaft über das Unternehmen und seine Aktiva haben, auf Kosten der Fremdkapitalgeber handeln. Im Hinblick auf eine gesamtwirtschaftlich gewünschte Förderung der Unternehmensfremdfinanzierung ist es gerechtfertigt, wenn die Nichteigentümer eines Unternehmens in gewisser Weise darauf vertrauen können, dass die Eigentümer ihre Herrschaftsmacht auch in ihrem Interesse ausüben. Anstelle einer gerichtlich voll überprüf46

Vgl. zum Ganzen das Beispiel von Wöhe oben § 1 III. 5.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

baren Pflichtengebundenheit lässt sich mittels Selbstbetroffenheit eine Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer zu erzielen. Hierzu ist es erforderlich, dass die Unternehmenseigentümer ein vorrangiges Verlustrisiko tragen und sie damit eine Finanzierungsverantwortung trifft. Die Eigentümer verhielten sich folglich widersprüchlich, wenn sie ihren Kapitaleinsatz in der Krise wie Fremdkapital behandelt wissen wollten. Eine zwingende Regel, die den Eigentümern dieses vorrangige Verlustrisiko zuweist, ist dadurch legitimiert, dass die erzwungene vorrangige Verlusttragung die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert und die Möglichkeit bietet, in den Genuss des positiven Leverage-Effekts zu kommen. Bevor untersucht wird, ob eine solche zwingende Regel im Wege der Analogie oder Rechtsfortbildung auch auf die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber übertragen werden kann, soll nachfolgend herausgearbeitet werden, inwieweit diese Regel überhaupt als Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gegenüber den Unternehmenseigentümern gilt. Wie sich zeigen wird, wird die mit Einflussnahme einhergehende Finanzierungsverantwortung dort auf zwei unterschiedliche Weisen verwirklicht.

IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung als rechtliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Lasten der Eigentümer Die aus der Betriebswirtschaftslehre stammende, anhand Herrschaftsmacht, Teilhabe am unternehmerischen Erfolg und bestimmungsgemäßer Haftung eines Kapitalbeitrags gekennzeichnete Eigenfinanzierung47 spiegelt sich rechtlich für die – untechnisch gesprochen – Eigentümer eines Unternehmens weitgehend wider. Bei typologischer Betrachtung der Eigentümer als eine von den an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Dritten abzugrenzende Gruppe gewährleistet eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen eine auf die vorrangige Verlusttragung bezogene Selbstbetroffenheit und damit die vorerwähnte Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer. Dies lässt sich als – möglicherweise ineffizienter, jedoch de lege lata hinzunehmender – gesetzlicher Ansatz zur Verringerung des Kreditrisikos verstehen, der darauf zielt, die Aufnahme von Fremdkapital zu erleichtern.48 Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass nicht alle Ansätze einer analogen Anwendung auf Nichteigentümer zugänglich sind.

47

Vgl. bereits oben Vor § 1. So bereits Baetge, FS Beisse, 1997, S. 11, 22 f.; Kirchner, FS Beisse, 1997, S. 267, 279 f.; Schön, ZGR 2000, 706, 727; Lutter, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1, 5. 48

IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung

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1. Die Selbstbetroffenheit des Einzelunternehmers Kennzeichnend für das Einzelunternehmen ist zumindest im Ausgangspunkt ein strikter Gleichlauf von Unternehmensführung, Teilhabe am Ertrag und Schuldenhaftung. Einerseits hat der Inhaber aufgrund seiner dinglichen Rechtsposition über die das Unternehmen ausmachenden Gegenstände49 und seiner Stellung als weisungsberechtigter Arbeitgeber (vgl. § 106 GewO) die alleinige Herrschaftsmacht und kann diese Befugnisse gewinnbringend ausüben. Andererseits haftet er auch persönlich für alle aus der unternehmerischen Betätigung resultierenden Verbindlichkeiten. Für vertragliche Ansprüche folgt dies aus dem jeweiligen vertraglichen Versprechen, ggf. begründet über den Einsatz von Stellvertretern gemäß § 164 BGB. Schadensersatzansprüchen ist der Unternehmer persönlich aus Vertragsverletzung und Delikt ausgesetzt und trägt über § 278 BGB und § 831 BGB auch die Verantwortung für den Einsatz von Arbeitnehmern. Die persönliche Haftung des Unternehmers ist – abgesehen von der Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO – unbeschränkt, so dass die Gläubiger, denen aus der geschäftlichen Tätigkeit Ansprüche gegen den Inhaber zustehen, auf dessen gesamtes Vermögen zugreifen können. Hierbei konkurrieren sie jedoch mit „Privatgläubigern“ des Unternehmers, die ihre Forderungen aus einem nicht mit der unternehmerischen Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Sachverhalt herleiten. Stellt der Unternehmer „Betriebskapital“ zur Verfügung, indem er Privatvermögen zur Verfolgung unternehmerischer Zwecke einsetzt, handelt es sich in der betriebswirtschaftlichen Terminologie zwingend um eine Eigenfinanzierung. Das Einzelunternehmen ist im Verhältnis zu seinem Inhaber nicht rechtlich verselbstständigt. Es ist daher von vornherein ausgeschlossen, dass der Einzelunternehmer Rechtsgeschäfte mit sich oder seinem Unternehmen abschließt. Er kann ihm weder ein Darlehen gewähren noch kann er einseitig einen Teil seines Vermögens mit dinglicher Wirkung als Betriebsvermögen widmen bzw. das Privatvermögen einer Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten entziehen. Die im Bilanz- und Steuerrecht vielfach anzutreffende Unterscheidung von Privat- und Betriebsvermögen ist haftungsrechtlich bedeutungslos. Der beim Einzelkaufmann notwendige bilanzielle Ausweis des „Eigenkapitals“ gemäß § 247 Abs. 1 HGB dient lediglich der Information potentieller Gläubiger über die Vermögensverhältnisse des von der Buchführungspflicht gemäß § 238 Abs. 1 HGB erfassten Handelsgeschäfts. Da in diese Bilanz weder das Privatvermögen noch die Privatschulden des Kaufmanns aufzunehmen sind, 50 ist der Informationsgehalt freilich gering.51 49 Das Unternehmen ist eine Sachgesamtheit aus materiellen und immateriellen Rechten (statt aller Canaris, Handelsrecht, § 8 Rn. 1). 50 Ganz hM, vgl. ADS, § 246 Rn. 435 f., 431 (jeweils m. w. N.). 51 ADS, § 246 HGB Rn. 431.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

Es kann jedoch festgehalten werden, dass der Einzelunternehmer gleichsam den „Idealfall“ folgender, vom BGH mittlerweile in ständiger Rechtsprechung wiederholten Formel ist, dass „nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus resultierenden Verbindlichkeiten haftet, soweit dies nicht durch das Gesetz abgeändert wird“.52 Bezogen auf die hier interessierende Selbstbetroffenheit gewährleistet die persönliche Haftung, dass der Unternehmer beim Eingehen von Risiken stets berücksichtigt, im Fall des Fehlschlags vorrangig für die hieraus resultierenden Verluste zu haften. Nimmt man für den Regelfall an, dass es dem Einzelunternehmer nicht gleichgültig ist, wegen der Eingehung größerer Verbindlichkeiten Gefahr zu laufen, insolvent zu werden, verwirklicht die persönliche Haftung somit – nach der Konzeption des Gesetzes – einen mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vergleichbaren Drittschutz, auf den seine Gläubiger vertrauen dürfen.

2. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft Die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sind trotz der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft gemäß § 124 Abs. 1 HGB letztlich die „Eigentümer“ des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens. Die Kompetenz, über den rechtlichen Bestand der Gesellschaft als solches zu bestimmten, obliegt als Grundlagengeschäft den Gesellschaftern. Der Grundsatz der Selbstorganschaft gewährleistet, dass über die Geschäftsführungsbefugnis gemäß §§ 114 ff. HGB und die Vertretungsmacht gemäß §§ 125 ff. HGB zumindest einem Gesellschafter uneingeschränkt, also ohne Bindung an Nicht-Gesellschafter, die Verfügungsmacht über das Gesellschaftsvermögen und die Kompetenz zur Unternehmensleitung zusteht.53 Hinsichtlich der hier interessierenden Selbstbetroffenheit ist jedoch nach den verschiedenen Typen von Gesellschaftern zu differenzieren. a. Persönlich haftende Gesellschafter Die Gesellschafter einer OHG und die Komplementäre einer KG haften gemäß § 128 (iVm. § 161 Abs. 2) HGB persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Gesellschaftsgläubiger können hiernach unmit-

52 BGH, NJW 1997, 1507, 1507 (zur Gründerhaftung bei der Vorgesellschaft); BGH, NJW 1999, 3438 (zur einseitigen Haftungsbeschränkung bei der GbR). 53 Statt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2.

IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung

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telbar gegen die Gesellschafter vorgehen und im Wege der Zwangsvollstreckung auf deren vorhandenes Vermögen zugreifen. Aus rechtlicher Sicht besteht für die persönlich haftenden Gesellschafter keine Pflicht, die Gesellschaft überhaupt mit (Eigen-)Kapital auszustatten. Die persönliche Haftung der Gesellschafter kompensiert nach der Konzeption des Gesetzes vielmehr eine völlige Finanzierungsfreiheit. Hiernach können die persönlich haftenden Gesellschafter selbst entscheiden, ob und welche Vermögensgegenstände aus ihrem Privatvermögen in das gemäß § 105 Abs. 3 HGB iVm. §§ 718 f. BGB gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen eingelegt werden. Umgekehrt bestehen anders als im Recht der Kapitalgesellschaften auch keine Beschränkungen, Vermögensgegenstände aus dem Gesellschaftsvermögen in das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter zu überführen. Entgegen teilweise missverständlichen Formulierungen in der bilanzrechtlichen Literatur, wonach zum Eigenkapital einer Personengesellschaft nur solche Beträge zu zählen seien, „die den Gläubigern gegenüber als Haftungsmasse zur Verfügung stehen“,54 besteht ein solcher Eigenkapitalbegriff haftungsrechtlich gerade nicht. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern gemäß §§ 124, 128 HGB in jedem Fall das gesamte (vorhandene) Gesellschafts- und Privatvermögen. Dies gilt auch in der Insolvenz. Wird über das Vermögen der Handelsgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, besteht die unbeschränkte persönlich Haftung fort, wird jedoch durch § 93 InsO verfahrensrechtlich überlagert. Hiernach geht die aus der unmittelbaren Haftung gemäß § 128 HGB resultierende Befugnis der Gläubiger, Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter geltend zu machen, auf den Insolvenzverwalter über. Den Gläubigern, die ihre Forderungen gegen die Gesellschaft im Insolvenzverfahren angemeldet haben, ist es verwehrt, unmittelbar auf das Vermögen der Gesellschafter zuzugreifen.55 Diese Vorschrift verfolgt allein den Zweck, einen Wettlauf der Gläubiger um das bei den nach § 128 HGB haftenden Gesellschaftern vorhandene Vermögen zu verhindern.56 Eine Beschränkung der unbeschränkten persönlichen Haftung besteht hierdurch nicht. b. Kommanditisten Der Kommanditist einer KG hat in der Personenhandelsgesellschaft eine haftungs- und organisationsrechtliche Sonderstellung inne. Gemäß § 171 Abs. 1 HGB haftet er den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. 54

Vgl. ADS, § 247 HGB Rn. 60. Brandes, in MünchKomm InsO, § 93 Rn. 13. 56 BT-Drs. 12/2443, S. 139 f.; Hess, InsO, 1999, § 93 Rn. 15. – Die Einführung einer solchen Regelung forderte K. Schmidt bereits in seinem Gutachten zum 54. DJT, D 47. 55

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

Während nach dem vorstehend Gesagten weder beim Einzelunternehmer noch bei den persönlich haftenden Gesellschaftern einer GbR oder OHG die gesetzliche Pflicht bestand, die Gesellschaft bzw. das Unternehmen überhaupt zu finanzieren, geht das Gesetz beim Kommanditisten davon aus, dass eine „bedungene Einlage“ (vgl. §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 HGB) 57 geleistet wird, welche die bis dahin bestehende summenmäßig beschränkte Haftung entfallen lässt. Welche Höhe die für § 171 Abs. 1 HGB maßgebliche Haftsumme haben muss, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.58 Vielmehr wird als Folge des Zusammenhangs von Haftsumme und Einlageleistung lediglich verlangt, dass der Kommanditist die gemäß § 172 Abs. 1 HGB nach außen publizierte Summe tatsächlich aufbringt und nicht wieder causa societatis zurückerhält (vgl. § 172 Abs. 4 HGB).59 Hieraus folgt, die Aufbringung und Erhaltung der frei gewählten Haftsumme gemäß §§ 171, 172 HGB als Eigenfinanzierung im Sinne der betriebswirtschaftlichen Kategorien anzusehen. Die hingegebenen Mittel haben als Surrogat für die persönliche Haftung gegenüber den sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft einen bestimmungsgemäßen Nachrang. Der Kommanditist kann sie nur verlangen, wenn andere Gläubiger hierdurch keine Einbußen erlangen. 60 Konsequenterweise wirkt die in § 174 HGB vorgesehene Möglichkeit, die Haftsumme herabzusetzen, auch nicht gegenüber Altgläubigern. Die Mitwirkungs- und Teilhaberechte des Kommanditisten sind nach der Grundkonzeption des Gesetzes gegenüber denen der persönlich haftenden Gesellschafter beschränkt. Von der organschaftlichen Vertretung der KG ist er gemäß § 170 HGB zwingend ausgeschlossen. 61 Die Geschäftsführungsbefugnis ist gemäß § 164 HGB darauf beschränkt, dass er einer Handlung nur dann widersprechen kann, wenn sie über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgeschäfts der Gesellschaft hinausgeht oder ein Prokurist bestellt werden soll. Einschränkungen des Recht zum Gewinnbezug und zur Entnahme ergeben 57 Zur Unterscheidung von Einlage und Haftsumme statt anderer K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172, Rn. 5 ff. 58 Zur Gestaltungsfreiheit in diesem Zusammenhang K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 22. 59 Über den Wortlaut von § 172 Abs. 4 HGB hinaus besteht Einigkeit, dass nur solche Leistungen an den Kommanditisten ein Wiederaufleben der Haftung begründen, die ihr Grundlage unmittelbar im Gesellschaftsverhältnis haben, nicht aber (ausgeglichene) Drittgeschäfte (grundlegend Keuk, ZHR 135 [1971], 420; Baumbach/Hopt, HGB, § 172 Rn. 7; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 63, 67; Staub/Schilling, HGB; § 172 Rn. 9, 11). Insofern gilt das selbe wie bei den Kapitalgesellschaften (vgl. zu dieser Parallele auch BGH, NJW 1990, 1109). 60 Abzulehnen ist daher die dem Zirkelschluss, dass der Kommanditisten sein eigener Gläubiger wird, unterliegende Auffassung des BGH (NJW 1963, 1873, 1876), wonach die Umwandlung einer auf die Haftsumme geleisteten Einlage in ein Darlehen keine Einlagenrückgewähr iSv. § 172 Abs. 4 HGB sei (dagegen bereits K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 63; Koller/Roth/Morck, HGB, § 172 Rn. 23). 61 BGH, BB 1968, 797.

IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung

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§§ 167 ff. HGB, des Kontrollrechts § 166 HGB. Diese Unterscheide zum persönlich haftenden Gesellschafter sind jedoch weitgehend dispositiv. 62 Es besteht Einigkeit, dass der Kommanditist zur Vertretung der KG bevollmächtigt werden kann. 63 Auch die Geschäftsführungsbefugnis kann der eines Komplementärs entsprechen und sogar darüber hinausgehen. Anders als bei der organschaftlichen Vertretungsmacht, ist es sogar zulässig, einem Kommanditisten gemäß §§ 114 Abs. 2, 163, 164 HGB die nur das Innenverhältnis betreffende Alleingeschäftsführungsbefugnis einzuräumen. 64 Schließlich bedürfen auch Grundlagengeschäfte, mithin die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der Gesellschaft, gemäß § 161 Abs. 2, § 119 Abs. 1 HGB im gesetzlichen Regelfall seiner Zustimmung. 65 c. Kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung Betrachtet man die vorstehend skizzierten Regelungen über die Herstellung von Selbstbetroffenheit zu Lasten der Eigentümer, lassen sich erste Erkenntnisse gewinnen, inwieweit sich diese Gewährleistung analog als Finanzierungsverantwortung auf einflussnehmende Nichteigentümer übertragen lässt. So fällt es leicht, einen Gleichlauf von „Herrschaft“ und „unbeschränkter persönlicher Haftung“ bereits als zwingendes gesellschaftsrechtliches Strukturprinzip abzulehnen. 66 Bereits nach dem gesetzlichen Regelfall steht fest, dass der Kommanditist sein Haftungsrisiko gemäß §§ 171, 172 HGB beschränken und durch Aufbringung und Erhaltung eines Kapitalbeitrags ausschließen kann, ihm andererseits aber im Hinblick auf die Geschäftsführungsbefugnis gemäß § 164 HGB bestimmte „Herrschaftsrechte“ zustehen und er auch gleichberechtigtes Verbandsmitglied ist, wenn es um die Vornahme von Grundlagengeschäften gemäß §§ 161 Abs. 2, 119 HGB geht. Der BGH hat insofern im Rektor-Fall zutreffend entschieden, dass die Vermögenslosigkeit eines „vorgeschobenen“ Komplementärs und die weitreichende Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen zu Gunsten des Kommanditisten grundsätzlich keinen Haftungsdurchgriff entsprechend § 128 HGB rechtfertigen. 67

62 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten ausführlich Grunewald, in MünchKomm HGB, § 164 Rn. 21 ff. 63 Grunewald, in MünchKomm HGB, § 170 Rn. 15 ff. 64 Von Gerkan, in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 184 Rn. 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Weipert, HGB, § 164 Rn. 5. 65 Grunewald, in MünchKomm HGB, § 164 Rn. 15. 66 So auch die ganz hM, vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV; aus der Perspektive des Kapitalgesellschaftsrechts auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 18 ff. 67 BGHZ 45, 202. Ganz hM, vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III 1 c; Mülbert, in MünchKomm HGB, KonzernR Rn. 237; abw. Jäger, DStR 1997, 1813, 1815; Michalski, OHG-Recht, § 105 Anh I, Rn. 33.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

Da dies erst recht für die hier interessierende Verantwortung der Gläubiger als Nicht-Gesellschafter gelten muss, ist dieser Ansatz nicht weiter zu verfolgen. Die unbeschränkte Haftung eines Fremdkapitalgebers für die Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber anderen Gläubigern in Analogie zu § 128 HGB kommt selbst bei einer über den Finanzierungsvertrag vermittelten Einflussnahme auf die Unternehmensleitung nur nach den Grundsätzen eines Scheingesellschafters in Betracht, deren Voraussetzungen durch die bloße Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung nicht erfüllt werden. 68 Jenseits der hierfür erforderlichen konkreten Vertrauenstatbestände ist die Befriedigung einer gesetzlich legitimierten Erwartung des Rechtsverkehrs vielmehr eine Frage eines anderweitig zu begründenden institutionellen Gläubigerschutzes. 69 Dass sich dieser auch anders als über den Haftungsdurchgriff begründen ließe, soll nachfolgend gezeigt werden. d. Möglicherweise Gleichlauf von Herrschaft und gesetzlicher Kapitalbindung Die Herstellung von Selbstbetroffenheit durch ein anderes Mittel als die Begründung persönlicher Haftung ist nicht allein Gegenstand des Kapitalgesellschaftsrechts. Mangels Pflicht zur Aufbringung eines Mindestkapitals steht es auch den Kommanditisten im Ausgangspunkt frei, eine Haftsumme von 1,– A zu vereinbaren und sich hierüber die Kommanditistenstellung zu „erkaufen“. Darüber hinaus ist es möglich, dass der Kommanditist die Gesellschaft im Rahmen einer sog. gesplitteten Einlage umfangreich mit Darlehen finanziert bzw. sich über seine Kommanditistenstellung hinaus als stiller Gesellschafter am von der KG betriebenen Handelsgeschäft beteiligt und sich die bereits erwähnten weitergehenden Geschäftsführungsbefugnisse oder sonstige Einflussrechte einräumen lässt. Dass sich über die Haftsumme von 1,– A keine die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gewährleistende Selbstbetoffenheit des Kommanditisten für seine Einflussnahme herstellen lässt, liegt auf der Hand. Hier stellt sich daher gleichermaßen wie für die hier interessierenden Nichteigentümer die Frage, ob man dies als möglicherweise nicht hinnehmbare „Schieflage“ ansieht. Diese könnte ggf. rechtsfortbildend zu korrigieren sein, indem als Ergänzung zu der auf die Haftsumme bezogenen Selbstbetroffenheit auch die als Fremdkapital hingegebenen Finanzierungsbeiträge eine gesetzlich erzwungene Haftungsfunktion zu Gunsten anderer erfahren. Trotz der mittlerweile einhellig gebilligten Ablehnung eines Gleichlaufs von Herrschaft und unbeschränkter Haftung ist nämlich noch nicht gesagt, dass sich die für die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals notwendige Herstellung von Selbstbetroffenheit nicht auf andere Weise be68 69

Zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV 3 d; vgl. bereits oben § 11 V a. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2 (S. 545).

IV. Persönliche Haftung und Kapitalbindung

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gründen ließe. So hat bereits K. Schmidt darauf hingewiesen, dass der oben genannte Rektor-Fall nicht nur durch die weitgehende Herrschaftsmacht des Kommanditisten und die Vermögenslosigkeit der Komplementärin gekennzeichnet waren. Vielmehr gewährte der Kommanditist der KG auch ein seine Haftsumme weit übersteigendes Darlehen, welches er in der Insolvenz als Drittgläubiger geltend machen wollte und nach Ansicht des BGH wohl auch durfte.70 Wie sich noch zeigen wird, gibt es durchaus Ansätze, die Selbstbetroffenheit des mit Geschäftsführungsbefugnissen ausgestatteten „atypischen“ Kommanditisten auf der Grundlage des an sich für die Kapitalgesellschaften geltenden Eigenkapitalersatzrechts oder einer anderweitig zu begründenden Bindung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung herzustellen.71 Auch Wiedemann hat bereits darauf hingewiesen, dass der institutionelle Gläubigerschutz im Gesellschaftsrecht durch „Haftung oder Kapitaleinsatz“ verwirklicht wird.72 Selbst wenn die Verantwortung des Kommanditisten nicht unmittelbar Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist, liegt es doch nahe, diesen auf eine mögliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags bei der gesplitteten Einlage bezogenen Ansatz auch zur Begründung einer Gläubigerverantwortung heranzuziehen. Ob die – im Extremfall über eine Haftsumme von 1,– A vermittelte – Eigentümerposition als Kleinst-Kommanditist ein sachgerechtes Differenzierungskriterium ist, Eigentümer und Nichteigentümer hinsichtlich ihrer aus der Einflussnahme resultierenden Verantwortung unterschiedlich zu behandeln, ist zweifelhaft. Man muss sich daher bereits jetzt fragen, ob die hier herauszuarbeitende Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme nicht sachgerechter auf der Grundlage derjenigen Regeln anzusiedeln ist, die den Gesellschaftern eine entsprechende auf das hingegebene Eigen- oder Fremdkapital bezogene Finanzierungsverantwortung auferlegen. Um diese Übertragung auf die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber methodisch zu rechtfertigen, bedarf es zunächst einer Herausarbeitung, auf welche Weise die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Lasten der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährleistet wird.

3. Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft Traditionell werden GmbH und AG als Kapitalgesellschaften bezeichnet, weil die Gesellschafter gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 S. 2 AktG keine persönliche Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten trifft und als Aus-

70 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4 c.; vgl. BGHZ 45, 202 (die insolvenzrechtliche Behandlung des Darlehens war nicht Gegenstand der Entscheidung). 71 Ausführlich unten § 17. 72 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 III 2 (S. 545); Hervorhebung vom Verf.

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gleich für dieses Privileg ein bestimmter Kapitalstock aufzubringen ist. 73 Bei der GmbH beträgt das Stammkapital gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG mindestens 25.000,– A, bei der AG beträgt das Grundkapital gemäß § 7 AktG mindestens 50.000,– A. Darüber hinaus ist es auch das Wesen der Kapitalgesellschaft, die Mitgliedschaft an die individuelle vermögensmäßige Beteiligung an der Gesellschaft zu knüpfen.74 Jeder Gesellschafter muss sich mit einer Mindestkapitalanlage an der Gesellschaft beteiligen (bei der GmbH gemäß § 5 Abs. 1 Hs. 2 GmbHG zur Zeit mindestens 100,– A, künftig wie bei der AG gemäß §§ 2 Hs. 2, 8 Abs. 2 AktG mindestens 1,– A) 75 . Das Abspaltungsverbot gemäß § 8 Abs. 5 AktG stellt die Verbindung von Mitgliedschaft und Kapitaleinlage für die AG noch einmal ausdrücklich klar. a. Materiell-rechtlich begründeter Nachrang der Einlagen Dass es sich bei dieser Pflicht zur Beteiligung am Stamm- bzw. Grundkapital um eine Eigenfinanzierung im Sinne der betriebswirtschaftlichen Terminologie handelt, ergibt sich nicht allein aus der formalen Stellung des Kapitalgebers als Gesellschafter. Vielmehr gewährleisten eine Vielzahl zwingender Regelungen, dass dieses Kapital einen bestimmungsgemäßen Nachrang gegenüber den sonstigen Gesellschaftsverbindlichkeiten hat. Zentrale Ausprägung dieser Haftungsfunktion ist die umfassende Absicherung der Kapitalaufbringung und erhaltung (vgl. für die GmbH §§ 5, 7, 19, 30, 31 GmbHG, für die AG §§ 9, 27, 36 a, 54, 57, 62, 66 AktG).76 Die Gesellschafter werden hiernach an dem über die Registerpublizität nach außen kundgegebenen Versprechen festgehalten, die Gesellschaft in Höhe der gewählten Kapitalziffer zu finanzieren.77 Diese Haftungsfunktion setzt sich bei der Liquidation der Gesellschaft fort. Gemäß § 271 Abs. 1 AktG bzw. § 72 GmbHG sind zunächst die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu begleichen.78 Erst wenn hiernach ein Überschuss verbleibt, kann dieser nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 272 Abs. 1 AktG bzw. § 73 Abs. 1 GmbHG an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Die übernommenen Stamm73 Pointiert OLG Nürnberg (NZG 2001, 943, 944), wonach die Gesellschafter sich durch die Aufbringung ihrer Kapitalbeteiligung die Haftungsbeschränkung „erkaufen“. 74 Zum Ganzen (bei der AG) Bezzenberger, Kapital, S. 14 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 75 ff. (für die GmbH). 75 Vgl. Art. 1 Nr. 5 b des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 für ein Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), abgedruckt in ZIP 2007, 3; identisch Art. 1 Nr. 5 b der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 76 Zu Kapitalaufbringung und -erhaltung bei GmbH und AG statt anderer Raiser, Kapitalgesellschaften, §§ 17, 19, 37. 77 Zu diesem Zusammenhang Lutter, in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1, 7; Servatius, DStR 2004, 1176, 1176 ff. 78 Auch für die GmbH unstreitig (Schulze-Osterloh/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 72 Rn. 1).

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einlagen sind daher materiell-rechtlich zwingend zu Gunsten einer vorrangigen Gläubigerbefriedigung gewidmet. Für ausstehende Einlagen gilt nichts anderes. Die Abwickler sind verpflichtet, diese – soweit zur Gläubigerbefriedigung erforderlich – in der Liquidation einzufordern. 79 Der in Anspruch genommene Gesellschafter hat ggf. das Gegenteil zu beweisen. 80 In der Insolvenz über das Vermögen der Gesellschaft gilt dies gleichermaßen, was § 199 S. 2 InsO ausdrücklich klarstellt. b. Die kollektive Rechtsmacht der Gesellschafter als Gegenstand der Selbstbetroffenheit Die gesetzliche Gewährleistung einer über den Kapitaleinsatz vermittelten Verantwortung für die den Gesellschaftern als Eigentümern zustehende Herrschaftsmacht ist bei den Kapitalgesellschaften sehr strikt und damit eine beispielhafte Anerkennung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Auch heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf des GmbHG aus dem Jahr 1890/92, die Kapitalgarantie solle „ein gewisses Interesse der Theilnehmer an den Schicksalen des gemeinsamen Unternehmens gewährleisten“. 81 Dennoch zeigen sich Zweifel, dieses Gläubigerschutzkonzept auf die hier interessierenden Nichteigentümer übertragen zu können. Bereits bei den Personengesellschaften zeichnete sich ab, dass die aus der Gesellschafterstellung resultierende Herrschaft zur Legitimation einer haftungsrechtlich vermittelten Selbstbetroffenheit eine sehr typologische Betrachtung erfahren muss. Für die unbeschränkte, gesamtschuldnerische Außenhaftung der persönlich haftenden Gesellschafter gemäß § 128 HGB macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Betreffende Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht hat oder nicht. Der Grundsatz der Selbstorganschaft, wonach die Gesellschafter als einzige zumindest die Möglichkeit haben, die betreffenden Befugnisse eingeräumt zu bekommen, legitimiert insofern eine Verantwortung aller gegenüber Dritten. Bei den Kommanditisten sieht das Haftungsmodell der §§ 171, 172 HGB ebenfalls keine Differenzierung dahingehend vor, ob sie lediglich die grundlegenden Rechte gemäß §§ 164, 119 HGB haben oder eine weitergehende Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt wurde. Nach der gesetzlichen Ausgangslage korrespondiert somit 79

RG, WarnRspr. 14, 120; statt anderer Schulze-Osterloh/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 72 Rn. 1; § 69 Rn. 4. 80 RG, JW 1989, 305, 306; heute unstreitig, vgl. nur Schulze-Osterloh/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 69 Rn. 4 (m. w. N.). 81 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I. Session 19890/92, Fünfter Anlageband, Aktenstück 660, Begr. zu § 5 GmbHG-E, S. 3723. Ähnlich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zur kleinen GmbH-Reform im Jahr 1980, wo es heißt, das Mindestkapital habe eine „erzieherische Funktion“; es fördere das verantwortungsbewusste Wirtschaften, wenn dieses mit einem spürbaren eigenen Risiko verbunden sei (BT-Drs. 8/3908, S. 69).

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auch beim Kommanditisten die auf die beschränkte und durch Erbringung eines Kapitalbetrags auszuschließende Haftung nicht mit den ihm eingeräumten und ausgeübten gesellschaftsvertraglichen Einflussrechten. Bei den Kapitalgesellschaften wird die typologische Betrachtung der Herrschaftsmacht eines Gesellschafters noch deutlicher. Indem im Innenverhältnis regelmäßig das Mehrheitsprinzip gilt (§ 133 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG), ist bereits nicht gewährleistet, dass die einen einzelnen Gesellschafter treffende und gesetzlich vor Vermögenszugriffen gesicherte Beteiligung am Stamm- bzw. Grundkapital eine entsprechende Herrschaft kompensiert. Auch der Minderheitsaktionär bzw. -gesellschafter, der sich bei keiner Entscheidung durchsetzen kann, unterliegt bezüglich seiner Einlagen vollumfänglich der vorstehend skizzierten Kapitalbindung. Wegen des Grundsatzes der Drittorganschaft geht die fehlende Kohärenz von Kapitalbindung und Herrschaftsmacht sogar soweit, dass alle Gesellschafter von vornherein allenfalls eine mittelbare Einflussnahme auf die Unternehmensleitung ausüben können. Bei der AG kommt dies mit der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG am deutlichsten zum Ausdruck. Letztlich sind es damit die auf die Wahrung des von den Gesellschaftern verpflichteten Fremdorgane, die die Geschicke des Unternehmens lenken. Will man daher die gesetzliche Kapitalbindung als Gewährleistung einer auch zu Gunsten der Gläubiger wirkenden Selbstbetroffenheit heranziehen, ist zu bedenken, dass diese bereits im unmittelbaren Anwendungsbereich ein sehr grober, allenfalls auf die Gesellschaftergesamtheit als Gruppe der Eigentümer des Unternehmens bezogener Zurechnungstatbestand ist. d. Konsequenzen für die Herausarbeitung einer vergleichbaren Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass das Modell der für die Eigentümer eines Unternehmens verwirklichten, auf den Kapitalbeitrag bezogenen Selbstbetroffenheit von vornherein ungeeignet wäre, im Wege der Analogie oder Rechtsfortbildung auf die Nichteigentümer übertragen werden zu können. Wie nachfolgend herausgearbeitet wird, kann der formalen Betrachtung, ob jemand Eigentümer des Unternehmens, mithin Gesellschafter des Unternehmensträgers, ist oder nicht, vielmehr auch allein die begrenzte Bedeutung zukommen, dass sich die durch die Mitgliedschaft in einem Personenverband legitimierte typologische Betrachtung der Herrschaftsmacht nicht auf Dritte übertragen lässt. Eine im Einzelfall erfolgende, an die konkrete Einflussnahme geknüpfte Übertragung ist hierdurch nicht präkludiert. Die Abgrenzung, ob jemand Verbandsmitglied ist oder nicht, findet sich als grundrechtliche Gewährleistung in Art. 9 Abs. 1 GG. Mit der individuellen Vereinigungsfreiheit wird nicht nur die Freiheit anerkannt, sich mit anderen zu einem Personenverband zusammenzuschließen. Gewährleistet wird spiegel-

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bildlich auch die Freiheit, einer solchen Vereinigung fern zu bleiben. 82 Diese verfassungsrechtliche Grundwertung, die privatautonome Entscheidung über die Mitgliedschaft zu respektieren, muss auch bei der Fortbildung des einfachen Rechts Beachtung finden. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, die oben für die Gesellschafter geltende typologische Betrachtung der Herrschaftsmacht auch auf die Nicht-Gesellschafter zu übertragen. 83 Die Kollektivierung der Herrschaftsmacht der einzelnen Gesellschafter in einer nicht auf die konkrete Ausübung von Herrschaftsmacht bezogenen Verantwortlichkeit ist unmittelbarer Ausfluss der von diesen Gesellschaftern privatautonom getroffenen Entscheidung, Verbandsmitglied zu werden. Sieht man diesen Zusammenhang, ist die vorstehend herausgearbeitete typologische Betrachtung des Gesetzgebers auch keineswegs so unbillig, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Mit der Mitgliedschaft im Personenverband korrespondieren nämlich originär an die Mitgliedschaft anknüpfende Schutzrechte, vor allem der Grundsatz der Gleichbehandlung (vgl. § 53 a AktG) 84 und die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. 85 Wie bereits anhand der Figur des hypothetischen Vertrages aufgezeigt, lassen sich diese im Innenverhältnis geltenden Normen nicht auf das Außenverhältnis aller an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten übertragen. 86 Selbst wenn man die Gläubigerverantwortung daher in Anlehnung an die für die Kapitalgesellschaften geltende Selbstbetroffenheit der Eigentümer begründen kann, steht bereits jetzt fest, dass es einer konkreten Einflussnahme des Fremdkapitalgebers bedarf, um eine auf seinen Kapitalbeitrag bezogene Verantwortung zu rechtfertigen. Die bloße Nähebeziehung, die zum Beispiel bereits durch umfangreiche Informations- und Kontrollrechte begründet werden kann (warning) 87, genügt hierfür nicht.

4. Zwischenergebnis Die in der Betriebswirtschaftslehre anzutreffende Charakterisierung der Eigenfinanzierung lässt sich auch als rechtliche Kategorie einer bestimmten Gruppe von Kapitalgebern zuordnen. Die Eigentümer eines Unternehmens, mithin der Einzelunternehmer und die Gesellschafter einer unternehmenstragenden 82

Für die Koalitionsfreiheit BVerfGE 50, 330, 367; BVerfGE 64, 208, 213. Ähnlich Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f., für das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen, im Ergebnis die dort vorgenommene typisierende Betrachtung jedoch auch auf Einfluss nehmende Dritte für möglich haltend. 84 Grundlegend (für alle Personenverbände) Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 35 ff. 85 Einzelheiten bei Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht in Personenverbänden, S. 335 ff.; Zwissler, Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, Frankfurt 2002. 86 Oben § 7 V 3. 87 Zur Wirkungsweise von Covenants unter dem Aspekt von „warning and guidance“ bereits oben § 2 IV. 83

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Personenvereinigung, haben zumindest in ihrer Gesamtheit im Ausgangspunkt die Herrschaftsmacht, die rechtlichen Grundlagen des Unternehmens und – teilweise vermittelt über pflichtengebundene Organe – die Geschäftsführung zu bestimmen. Ihnen gebührt der Unternehmensgewinn, sie haften für die Verbindlichkeiten des Unternehmens entweder unbeschränkt persönlich (Einzelunternehmer, persönlich haftender Gesellschafter) oder auf einen bestimmten Kapitalbeitrag beschränkt (Kommanditist, Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft). Die persönliche Haftung des Einzelunternehmers, OHG-Gesellschafters und Komplementärs gemäß § 128 HGB sowie die gesetzlich gesicherte Kapitalaufbringung und -erhaltung beim Kommanditisten (§§ 171 ff. HGB) und den Gesellschaftern einer GmbH und AG (§§ 19, 30 GmbHG, §§ 54, 66, 57 AktG) stellen de lege lata die oben skizzierte Selbstbetroffenheit bei unternehmerischem Handeln her, die zumindest reflexartig auch den Unternehmensgläubigern zu Gute kommt. Soweit die vorrangige Beeinträchtigung von Vermögensinteressen der Unternehmenseigentümer droht, bewirken die zwingenden Haftungs- und Kapitalschutzregeln einen Interessengleichlauf zwischen allen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten. 88 Auch die Fremdkapitalgeber können aufgrund dieses Systems in gewisser Weise darauf vertrauen, dass die Ausübung unternehmerischer Leitungsmacht Zwecken dient, von denen sie wegen des haftungsrechtlichen Vorrangs ihrer Ansprüche ebenfalls – oder besser gesagt: erst recht – profitieren. Die gläubigerschützenden Haftungs- und Kapitalschutzregeln sind somit ein gesetzgeberischer Ansatz zur Lösung des Prinzipal-Agenten-Problems und damit zugleich ein wichtiges Element der corporate governance eines Unternehmens. 89 Sie legitimieren und gewährleisten die mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebene Erwartung der Gläubiger, mit den Eigentümern insofern „in einem Boot zu sitzen“, als deren Rechtsmacht in einer Weise ausgeübt wird, die die Interessen der nachrangig für Verluste haftenden Gläubiger angemessen mit berücksichtigt werden. Diese gesetzliche Gewährleistung ist ein normativer Vertrauenstatbestand für den Markt der Unternehmensfinanzierung und führt zu einer kaum messbaren, aber vorhandenen Verbesserung der Unternehmensfinanzierung mit Fremdkapital. Will man eine derartige gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals indessen als Grundlage für die Herausarbeitung einer Gläubigerverantwortung heranziehen, ergaben sich unter zwei Aspekten Einschränkungen: Zum einen besteht bereits für die Eigentümer eines Unter88

Für § 30 GmbHG bereits Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001, S. 95, 98; zustimmend Engert, BB 2005, 1951, 1952, vgl. auch Servatius, GmbHR 2000, 1028, 1031. 89 Ähnlich bereits Bezzenberger, Kapital, S. 357: Kapitalerhaltung als Element der Corporate Governance.

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nehmens im deutschen Recht kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung. Es wäre daher verfehlt, einen solchen für die Nichteigentümer begründen zu wollen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die vom Gesetzgeber für die Gesellschafter geltende typologische Herrschaftsmacht nur durch die privatautonome Entscheidung, Verbandsmitglied werden zu wollen und die aus dieser Entscheidung resultierenden Schutzinstrumente für das einzelne Verbandsmitglied gerechtfertigt sind. Es wäre daher – nicht zuletzt wegen Art. 9 Abs. 1 GG – verfehlt, diese typologische Betrachtung auch auf die Fremdkapitalgeber, die nicht Verbandsmitglied geworden sind, zu übertragen. Maßgeblicher Zurechnungstatbestand für die Begründung einer besonderen Selbstbetroffenheit kann daher allein eine konkrete Ausübung von Herrschaft sein und nicht die bloße Stellung als ein dem Unternehmen anderweitig, zum Beispiel durch umfangreichen Informationsaustausch nahestehender Fremdkapitalgeber. Bevor herausgearbeitet wird, auf welche Weise sich eine derartige Finanzierungsverantwortung wegen Einflussnahme auf der Grundlage des für die Fremdfinanzierung maßgeblichen Rechts des Darlehens und der stillen Gesellschaft dogmatisch begründen lässt, soll nachfolgend untersucht werden, ob die soeben herausgearbeitete Finanzierungsverantwortung der Eigentümer nicht de lege ferenda ein „Auslaufmodell“ ist und die möglicherweise bald zulässige Unternehmensgründung ohne Haftung und Kapitalbindung bereits für die Eigentümer jegliche Selbstbetroffenheit ausschließt, so dass dies erst recht für eine in Anlehnung an die Eigentümer entwickelte Verantwortung der Fremdkapitalgeber geltend muss.

V. Aufgabe der Finanzierungsverantwortung de lege ferenda? Betrachtet man die im Zuge der weitgehenden Niederlassungsfreiheit europäischer Gesellschaften90 entbrannte rechtspolitische Diskussion um den „Wettbewerb der Gesellschaftsrechte“91 könnte man annehmen, das vorstehend skizzierte gesetzgeberische Modell zur Gewährleistung einer mittels persönlicher Haftung bzw. gesetzlichen Kapitalbindung gewährleisteten Selbstbetroffenheit der Unternehmenseigentümer sei überholt.92 Die derzeitigen Vorschläge, das gesetzliche Mindestkapital bei der GmbH abzuschaffen bzw. der Kommandi90

Hierzu statt anderer Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3. Den Begriff prägten maßgeblich Eidenmüller, in Ausländische Kapitalgesellschaften, § 1 Rn. 10 ff. und Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, 2002, S. 177 ff. 92 Zum Ganzen die Beiträge anlässlich der Münchener Konferenz zum Thema Efficient Creditor Protection in European Company Law, EBOR 7 (2006), Heft 1, sowie die Beiträge in Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006. 91

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tistenhaftung anzupassen oder bei neuen „Unternehmensformen mbH“,93 insbesondere einer neuen Rechtsform „Unternehmergesellschaft“ (UG) 94 auf die Aufbringung eines Mindestkapitals fast gänzlich zu verzichten, stellen den vorgenannten Ansatz indessen nicht in Frage. Eine an die zumindest in der Insolvenz zwingende haftungsmäßige Widmung von Kapitalbeiträgen geknüpfte Herstellung des Interessengleichlaufs ist zwar eine grobe Kompromisslösung, letztlich aber auch in Zukunft ein gegenüber schadensrechtlichen Lösungen rechtssicher handhabbarer Weg, das Prinzipal-Agenten-Problem zwischen Gläubigern und Eigentümern zu entschärfen.95 Eine hierauf abgestimmte Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme kann daher nicht von vornherein mit dem Argument abgelehnt werden, es gäbe in Zukunft keine gesetzliche – materiell-rechtlich oder zumindest insolvenzrechtlich wirkende – Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals mehr. Dies hat gute Gründe.

1. Die über eine Kapitalbindung bezogene Selbstbetroffenheit als Mittel zur Verringerung der Insolvenzanfälligkeit Zu bedenken ist einmal, dass es auch bei der Kapitalbindung nicht darum gehen kann, ein „Garantiekapital“ zu gewährleisten, mithin den Vollstreckungszugriff der Gesellschaftsgläubiger zu gewährleisten.96 Seine Eignung als Mittel, die Insolvenzwahrscheinlichkeit zu senken, wird hingegen zu Recht kaum bestritten.97 Umgekehrt erkennt sogar Eidenmüller als einer der Befürworter einer Neukonzeption des deutschen Gesellschaftsrechts an, dass es aufgrund der liberalen Kapitalisierungsregeln vieler europäischer und außereuropäischer Gesellschaftsrechte und der damit verbundenen erhöhten Insolvenzanfälligkeit entsprechender Auslandsgesellschaften sogar zu einem sprunghaften Ansteigen der diesbezüglichen Insolvenzfälle kommen könnte.98 Die aus der Selbstbetroffenheit der Eigentümer resultierende Richtigkeitsgewähr unternehmerischer Entscheidungen als Mittel zur Verringerung des Insolvenzrisikos und damit erst recht als Mittel zur Stärkung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens

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Überblick bei Drygala, ZIP 2006, 1797. Hierzu Gehb/Heckelmann, NZG 2006, 88. 95 Für die GmbH bereits Servatius, DStR 2004, 1176, 1180: Zweckbindung des Stammkapitals als Anreiz für die Gläubiger, sich auch auf ungesicherte Geschäfte einzulassen. 96 Zutreffend Engert, BB 2005, 1951, 1951: Läge der Zweck des Kapitalschutzes darin, den Gläubigern effektive Vollstreckungsmöglichkeiten zu sichern, könnte man ihn getrost abschaffen. 97 Vgl. neuerdings Engert, GmbHR 2007, 337, 338 ff., mit empirischer Datenauswertung. 98 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 9 Rn. 1; ähnlich ders., ZHR 170 (2000), 644, 656, wenn er anführt, ein hoher Grad an Fremdfi nanzierung bewirke ein erhöhtes Insolvenzrisiko. 94

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scheint insofern durchaus Billigung zu finden.99 Die aktuelle Diskussion über eine effizienten Gläubigerschutz sollte daher darauf beschränkt werden, ob mit dem festen Mindestkapital und einer darüber hinausgehenden frei wählbaren100 höheren Kapitalziffer, deren Aufbringung und Erhaltung gesetzlich abgesichert wird, das richtige Maß gefunden wird, um die Verringerung der Insolvenzwahrscheinlichkeit zu erreichen. Die völlige Abschaffung einer durch vorrangige Verlusttragung gekennzeichnete, ggf. erst im Insolvenzfall wirkende Finanzierungsverantwortung dürfte kaum drohen.101

2. Die über die Kapitalbindung vermittelte Selbstbetroffenheit als Mittel zur Schaffung von Rechtssicherheit Zu bedenken ist weiterhin der auch aus ökonomischer Sicht wichtige Aspekt der Rechtssicherheit. Der oben herausgearbeitete Ansatz, dass die Selbstbetroffenheit typischerweise eine Richtigkeitsgewähr begründet und damit zugleich eine beschränkte staatliche bzw. gerichtliche Kontrolle legitimiert, zeigt die Überlegenheit einer über die Kapitalbindung vermittelten Selbstbetroffenheit gegenüber haftungsrechtlichen Alternativmodellen. Die im englischen Recht der Ltd. vorherrschende, die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter weitgehend kompensierende Geschäftsleiterhaftung gemäß der wrongful-trading rule102 ist letztlich nichts anderes als die allgemeine Haftung eines Verwalters fremden Vermögens – das der Gesellschafter und vor allem auch der Gläubiger103 – ohne korrespondierende Selbstbetroffenheit. Dies macht es erforderlich, das Verwaltungshandeln einem generellen Vorbehalt pflichtgemäßen Verhaltens zu unterwerfen und ggf. ex post gerichtlich vollumfänglich zu überprüfen. Aufgrund der über die Kapitalbindung vermittelten vorrangigen Verlusttragung besteht demgegenüber im Ausgangspunkt kein Anlass, den Gesellschaftern eine gerichtlich überprüfbare Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung aufzuerlegen. Die Kontrolle kann sich vielmehr darauf beschränken, dass 99 So auch Engert, BB 2005, 1951, 1951: Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung kann nur darauf gerichtet sein, die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz zu verringern. 100 Vgl. Servatius, Tagungsbericht, EBOR 7 (2006), 461, 462, wonach ein Teilnehmer auf der Münchener Conference on Effektive Creditor Protection darauf hinwies, dass die Parteien oftmals freiwillig eine über dem Mindestkapital liegende Stammkapitalziffer wählten. 101 Bezeichnenderweise geht auch der Gesetzesentwurf für Unternehmergesellschaft mit einem unter 25.000,– A liegenden Stammkapital (§ 5 a E-GmbHG) davon aus, dass die rein insolvenzbezogene Regelung über Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO Anwendung findet, so dass die Gesellschafter nicht ohne jegliche Finanzierungsverantwortung sind (vgl. Art. 1 Nr. 6 und Art. 9 Nr. 5 MoMiG, ZIP 2007, 1, 7, 33); identisch Art. 1 Nr. 6 und Art. 9 Nr. 5 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 102 Hierzu ausführlich Habersack/Verse, ZHR (2004), 174, 182 ff. 103 Zum Principal-Agent-Problem bei der Fremdorganschaft aus der Perspektive von Eigentümern und Gläubigern bereits oben § 3 I.

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die vermögensmäßige Selbstbetroffenheit nicht unterlaufen wird, mithin keine verbotenen Auszahlungen gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. § 135 InsO erfolgen.104 Die derzeitigen Überlegungen, die mittels persönlicher Haftung oder gesetzlicher Kapitalbindung hergestellte Selbstbetroffenheit gegen von den Eigentümern selbst (!) fremdorganschaftlich geleitete Unternehmensträger ohne entsprechende Selbstbetroffenheit auszutauschen, würde damit auch auf Kosten der Rechtssicherheit gehen und damit im Wettbewerb der Rechtsordnungen nicht nur Vorteile bringen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die in ihrem Heimatland zurückhaltend angewandte105 englische wrongful trading rule eine von den deutschen Gerichten herbeigeführte praktische Bedeutung erlangen wird,106 die nicht nur im Widerspruch zu ihren Grundlagen im englischen Recht steht, sondern vor allem eine ähnliche Rechtsunsicherheit hervorrufen wird, wie die drohende Gläubigerverantwortung gemäß § 826 BGB.107 Schließlich ist zu bedenken, dass das hier vorgestellte Konzept, die Gläubigerverantwortung in Anlehnung an die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu begründen, keineswegs darauf hinauslaufen muss, die Kapitalbeiträge der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber in gleicher Weise zu binden wie die Einlagen der Gesellschafter auf das Grund-, Stamm- oder Haftkapital bei GmbH, AG bzw. KG und hierüber bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende Rückzahlungssperren zu schaffen. Ein Blick in andere Rechtsordnungen zeigt, dass eine vergleichbare gesetzliche Gewährleistung durchaus nicht an die kontinentaleuropäische Tradition eines Mindestkapitals gebunden ist. Im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht wird zum Beispiel über die Institute der recharacterization und equitable subordination eine ähnliche Selbstbetroffenheit hergestellt, indem Gesellschafterdarlehen allein im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft ein zwingender, unserem für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vergleichbarer Nachrang zugewiesen wird.108 Auch im englischen Recht finden sich durchaus Ansätze, 104 Die Rechtssicherheit einer auf die Kapitalbindung gestützten Eigentümerverantwortung betont auch Fastrich, DStR 2006, 656, 662. 105 Rehm, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 10 Rn. 66 (m. w. N.). 106 Vgl. nur die Ankündigung von Goette, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 1, 20 f., wonach die deutschen Gerichte „schlummerndes englisches Gesellschaftsrecht zum Leben erwecken“ würden. 107 Hierzu oben § 4 I 4; eine der über den Kapitalbeitrag vermittelten Selbstbetroffenheit überlegenen Schadensersatzhaftung der geschäftsführenden Eigentümer favorisiert hingegen Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 53 ff., der allerdings dem Aspekt der Rechtsunsicherheit nicht ausreichend Rechnung trägt; hierzu paradigmatisch der Einwand eines Teilnehmers der Münchener Conference on Effi cient Creditor Protection im Dezember 2005, indem er aus der englischen Perspektive anführt, die zunehmende Maßgeblichkeit von standards, welche die (faktischen) Geschäftsleiter einzuhalten hätten, liefe leer, wenn es keine gemeinhin akzeptierten Vorgaben darüber gäbe, welche standards einzuhalten seien (vgl. Servatius, EBOR 7 [2006], 461, 463). 108 Zur sog. Deep Rock-Doktrin Skeel/Krause-Vilmar, EBOR 7 (2006), 259; Rehm, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 51; zu § 510 des U. S. Bankruptcy

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ein im Insolvenz wirkendes Regime der auf den Finanzierungsbeitrag bezogenen Gesellschafterverantwortung für Einflussnahme anzuerkennen. Wenngleich eine dem deutschen Eigenkapitalersatzrecht vergleichbare Rückstufung von Gesellschafterdarlehen fehlt,109 ermöglicht sec. 215 (4) Insolvency Act, dass Gesellschafter, die sich als faktische Geschäftsleiter gemäß wrongful oder fraudulent trading zu verantworten haben, ihre Anspruche gegen die Gesellschaft nur nachrangig geltend machen können. Der deutsche Gesetzgeber plant, diese rein insolvenzrechtliche Lösung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zumindest rechtsfolgenseitig zu übernehmen.110 Dies ist auf den ersten Blick eine Verkürzung des Gläubigerschutzes gegenüber der bisherigen Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts.111 Sie ist aber letztlich zu begrüßen, weil sie die bisherigen Abgrenzungsprobleme, wann eine Krisenfinanzierung vorliegt und wann nicht,112 weitgehend beseitigt werden und von der allein in der Insolvenz erfolgenden Rückstufung in besonderer Weise der Anreiz ausgeht, die Herrschaftsmacht dazu einzusetzen, dass es nicht zum Insolvenzverfahren kommt.113

3. Zwischenergebnis Es sollen in dieser Arbeit nicht die verschiedenen rechtspolitischen Vorschläge über die Zukunft des deutschen Unternehmensrechts analysiert werden, zumal sich der Gesetzgeber derzeit nicht dazu entschließt, einen grundlegenden Systemwandel zu vollziehen. Die Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit ohne eine zumindest im Insolvenzverfahren wirkende und über die Anfechtungsregelungen auf einen Zeitraum davor ausgedehnte Absicherung des Gesellschaftsvermögens gegen Zugriffe durch den Gesellschafter wird es aus guten Gründen auch in Zukunft nicht geben. Wichtig ist daher allein die Feststellung, dass die aktuelle Diskussion keinen Anlass bietet, die oben herausgearbeitete und im deutschen Recht nach wie vor bei allen Unternehmensformen vorhandene, über eine persönliche Haftung bzw. Kapitalbindung verwirklichte Selbstbetroffenheit der Eigentümer als Grundlage für eine sich selbst regulierende Selbstkontrolle, von der auch Dritte profitieren, aufzugeben. Die in der FinanzieCode Renger, Gläubigerschutz, S. 132 ff.; Vergleich mit dem derzeitigen deutschen Recht bei Cahn, EBOR 7 (2006), 287. 109 Vgl. nur Wachter, GmbHR, 2004, 88, 92; Huber/Habersack, in Lutter (Hrsg.), Kapital, 370, 385; Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 52 f. 110 Vgl. Art. 9 Nr. 5 MoMiG; zu den Unterschieden bei den tatbestandlichen Voraussetzungen unten § 16 I. 111 So auch Knof, ZInsO, 2007, 125, 131 f. 112 Hierzu Fastrich, DStR 2006, 656, 659 f. 113 In diese Richtung auch Huber (FS Priester, S. 259, 276), wenn er anführt, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Nr. 5 E-InsO erfülle durch die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen die Funktion der Selbstbeteiligung der Gesellschafter am Risiko.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

rungstheorie anerkannte Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals wird somit zumindest für die Eigentümer eines Unternehmens verwirklicht.

VI. Vergleichbare Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber? Hierauf aufbauend ist nunmehr zu fragen, ob die mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals begründete und im deutschen Recht angelegte Finanzierungsverantwortung der Eigentümer auch als Grundlage einer bereits gesetzlich vorgeprägten oder rechtsfortbildend zu entwickelnden Gläubigerverantwortung in Betracht kommt. Dass ein solcher Transfer nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sondern wertungsmäßig überzeugen würde, ergibt sich aus einer konsequenten Fortentwicklung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Das Prinzipal-Agenten-Problem hat bei der Unternehmensfinanzierung nämlich mehrere, sich bei funktionaler Betrachtung weitgehend deckende und nicht auf die formale Stellung des Kapitalgebers bezogene Dimensionen.

1. Das mehrdimensionale Prinzipal-Agenten-Problem als Ausgangspunkt Einerseits sind die mit Herrschaftsmacht ausgestatteten Eigentümer Agenten aller Fremdkapitalgeber: Sie verwalten deren Vermögen, indem sie es zu unternehmerische Zwecken einsetzen und steuern damit das leistungswirtschaftliche Risiko, dass das unternehmerische Konzept aufgeht und die zum Erhalt des finanziellen Gleichgewichts notwendigen Einzahlungsüberschüsse erzielt werden. Andererseits sind die Fremdkapitalgeber, die an der Steuerung des Unternehmens mitwirken, Agenten der Gläubiger, die dies nicht können oder wollen. Sie sind darüber hinaus Agenten der Eigentümer, die wegen ihrer geringen Beteiligung am Unternehmen oder aufgrund der Struktur des Unternehmensträgers als vor allem Anlagezwecke verwirklichende Publikumsgesellschaft kaum rechtlich begründeten Einfluss auf die Unternehmensführung haben oder diesen aufgrund rationaler Apathie114 nicht ausüben wollen. Gegenüber beiden Gruppen begründet die Einflussnahme auf die Unternehmensführung funktionale betrachtet eine Verwalterstellung, aus der die Möglichkeit resultiert, das Kreditrisiko der Betroffenen zu beeinflussen.

114 Für die Publikums-AG Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 196 ff.

VI. Vergleichbare Finanzierungsverantwortung?

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2. Die mögliche Ingangsetzungsfunktion der Fremdfinanzierung Sehen die Unternehmensgläubiger – im Ausgangspunkt alle! – in der rechtlich gebundenen Eigenfinanzierung durch die Eigentümer eine vertrauensbildende Maßnahme zur Minderung des Kreditrisikos, folgt hieraus die bereits genannte gesamtwirtschaftlich gewünschte Verbesserung der Kreditversorgung für Unternehmen. Die aus der vorrangigen Haftung des Kapitalbeitrags resultierende Selbstbetroffenheit und der damit verbundene Schutz anderer ist indessen nicht auf die bei formaler Betrachtung für die Unternehmensleitung allein zuständigen Eigentümer beschränkt. Die Selbstbetroffenheit als Garant für sachgerechte Entscheidungen kann vielmehr auch dann zum Tragen kommen, wenn Nichteigentümer im Einklang mit der sich wandelnden Finanzierungspraxis rein faktisch oder auf rechtsgeschäftlicher Grundlage Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. Dass diese externe Corporte Governance aus ökonomischer Sicht nicht zu missbilligen ist, sondern vielmehr ein Mittel, die Unternehmensinsolvenz zu vermeiden, wurde bereits gezeigt.115 Wertungsmäßig vermag diese positive Einschätzung jedoch nur zu überzeugen, wenn die betreffenden Gläubiger von den negativen Folgen einer von ihnen herbeigeführten Entscheidung ebenso vorrangig betroffen wären wie die Eigentümer. Nur auf diese Weise wäre gewährleistet, dass sie die Interessen derjenigen, die sich einer solchen Mit-Steuerung enthalten, zumindest reflexartig berücksichtigen und keine unvertretbaren Risiken eingehen. Das mit der Ingangsetzungsfunktion beschriebene Vertrauendürfen ließe sich hingegen nicht begründen, wenn der Einflussnehmende überhaupt nicht oder nur gleichrangig von den Entscheidungen betroffen wäre.116 Da die Unternehmensgläubiger meist nicht erkennen können, wer das Unternehmen tatsächlich steuert, würde der Finanzierungsmarkt ein Unterlaufen der für die Eigentümer geltenden gesetzlichen Gewährleistung der Selbstbetroffenheit befürchten. Dieses Misstrauen der Fremdkapitalgeber würde die gewünschte Verbesserung der Kreditfinanzierung und die durch die Mit-Steuerung ermöglichte Insolvenzvermeidung konterkarieren. Auch die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligenden Fremdkapitalgeber sind darauf angewiesen, dass sich weiterhin non-adjusting creditors auf eine ggf. wenig oder gar nicht gesicherte Beteiligung an der Unternehmensfinanzierung einlassen. Will ein Gläubiger die hiernach gebotene vorrangige Betroffenheit vermeiden, muss er sich aus der Steuerung des Unternehmens heraushalten und diese den vorrangig haftenden Eigentümern überlassen.

115 116

Oben § 2 IV 3. Soeben unter III 3 b.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

3. Die mögliche Kompensation der erzwungenen Selbstbetroffenheit Eine zwingende Regel, die den Fremdkapitalgebern, die sich an der Mit-Steuerung des Unternehmens beteiligen, eine die Ingangsetzungsfunktion des Kapitals gewährleistende Finanzierungsfolgenverantwortung auferlegen würde, wäre auch keine einseitige Belastung. Immerhin können zu Gunsten der Fremdkapitalgeber dieselben Vorteile wirken wie zu Gunsten der Eigentümer. a. Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Covenant-unterlegten Finanzierungsverträge ein Mittel sind, um das Kreditrisiko zu verringern.117 Die Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Krisenfrüherkennung und Krisenbewältigung soll gewährleisten, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine Verpflichtungen gegenüber dem Fremdkapitalgeber zu erfüllen. Während die Einflussnahme hiernach evident eigennützig ist, darf jedoch nicht verkannt werden, auf welche Weise die Fähigkeit des Unternehmens, die Verpflichtung gegenüber dem Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber letztlich gewährleistet wird. Hierzu ist noch einmal auf den bereits zu Beginn skizzierten betriebswirtschaftlichen Prozessablauf hinzuweisen.118 An dessen Anfang steht die Investition, also die – ggf. immer wieder aufs Neue – erfolgende Ausstattung eines Unternehmens bzw. Projekts mit den notwendigen materiellen und immateriellen Produktionsfaktoren.119 Erst hieran anschließend erfolgt die Rückgewinnung der zur Investition eingesetzten Mittel zuzüglich eines Überschusses.120 Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass stets zunächst eine Einzahlung von Kapital erfolgen muss, bevor dann zeitlich nachgelagert ein Rückfluss in Form von Einzahlungsüberschüssen erfolgen kann. Alle an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Kapitalgeber erhalten somit nicht „ihr“ investiertes Kapital zurück, sondern ein Surrogat, welches erst im Rahmen des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs „erwirtschaftet“ werden muss. Nur bei einer groben Vereinfachung könnte man sagen, dass der Kapitalgeber aus den über den Absatz der produzierten Leistungen am Markt befriedigt wird, mithin aus dem sog. Zahlungsstrom. In der Realität der Unternehmensfinanzierung ist es jedoch im Regelfall eines am Markt auftretenden Unternehmens nicht möglich, eine bestimmte erzielte Einzahlung einem konkreten Finanzierungsbeitrag zuzuordnen und diesen nebst Vergütung hieraus 117 118 119 120

S. 103.

Oben § 2 IV 1 und 2. Oben Vor § 1. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 103. Wöhe/Bilstein, Unternehmensfinanzierung, S. 1; Franke/Hax, Finanzwirtschaft,

VI. Vergleichbare Finanzierungsverantwortung?

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zurückzuzahlen.121 Vielmehr sind im betriebswirtschaftlichen Prozessablauf viele andere Finanzierungsleistungen dazwischen geschaltet, die möglicherweise einen noch nicht erzielten Zahlungsstrom ersetzen und zur Befriedigung fälliger Verbindlichkeiten herangezogen werden. Dieses „Schneeballsystem“ ist bis zur Grenze der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO keinesfalls zu missbilligen. Es ist vielmehr gerade eine „gute“ Unternehmensführung, wenn die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts durch eine Kombination der verschiedenen Möglichkeiten der Kapitalaufnahme gelingt. Der zuvor für die gesetzlich gewährleistete Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals herausgearbeitete Vorteil bei der Aufnahme von Fremdkapital kann daher gleichermaßen zu Gunsten der sich an der Steuerung eines Unternehmens beteiligenden Fremdkapitalgeber gelten. Auch diese sind darauf angewiesen, dass das von der gesetzlich erzwungenen vorrangigen Verlusttragung ausgehende Glaubwürdigkeitssignal bei anderen Fremdkapitalgebern, vor allen den sog. non-adjusting creditors, ankommt und sie veranlasst, das Kreditrisiko nicht zu hoch einzuschätzen. Man kann diesen Vorteil sogar noch weiter fortentwickeln. Betrachtet man die Professionalität der Fremdkapitalgeber, die das finanzierte Unternehmen über die Vereinbarung von Covenants disziplinieren, würde von einer vorrangigen Verlusttragung sogar ein Glaubwürdigkeitssignal für die Beteiligung von weiteren Eigenkapitalgebern ausgehen. Man denke nur an den Fall, dass ein mittelständisches Unternehmen an die „kurze Leine“ eines Finanzinvestors genommen wird und dieser seine Einwirkungsrechte nutzt, um eine Steigerung der Rentabilität des Unternehmens herbeizuführen, von der er über die erfolgsabhängige Verzinsung oder im Rahmen des vereinbarten Equity-Kickers profitiert. In einer derartigen Konstellation ist es nicht ausgeschlossen, dass sich auch die bisherigen Eigentümer veranlasst sehen, im Vertrauen auf die vorrangige Selbstbetroffenheit des Fremdkapitalgebers weiteres Eigenkapital beizusteuern oder dass neue Gesellschafter beitreten. Der zwar kaum messbare, aber vorhandene und gesetzlich legitimierte Effekt, wonach die vorrangige Selbstbetroffenheit der Einflussnehmenden die Aufnahme von Kapital erleichtert, würde somit als normativer Vertrauenstatbestand auch zu Gunsten der Fremdkapitalgeber selbst wirken. b. Mögliche Teilhabe am Leverage-Effekt Wie bereits erwähnt, könnte auch der Leverage-Effekt zu Gunsten von Nichteigentümern wirken. Wurde für die Kapitalüberlassung eine auf den Unternehmenserfolg bezogene variable Vergütung vereinbart, erlangen die betreffenden Fremdkapitalgeber eine linear steigende Kapitalrendite, soweit die Gesamtren121 Ausnahmen bestehen wiederum für die hier nicht weiter interessierenden reinen Projekt- oder Konzerngesellschaften.

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

tabilität über den sonstigen Fremdkapitalkosten liegt.122 Zumindest dann, wenn mit der tatsächlichen Einflussnahme eine Partizipation am Unternehmenserfolg einhergeht, wie dies zum Beispiel bei der am Unternehmensgewinn gekoppelten Verzinsung oder den sog. Equity-Kickern regelmäßig der Fall ist, kann der die Finanzierungsverantwortung der Eigentümer begründende Zusammenhang von Einflussnahme und Teilhabe auch auf die Fremdkapitalgeber übertragen werden, die bei formaler Betrachtung keine Eigentümerstellung im Unternehmen inne haben.

4. Die notwendige Herstellung von Selbstbetroffenheit beim Fremdkapitalgeber Auf den ersten Blick scheint hiernach der mit der Ingangsetzungsfunktion umschriebene Gleichlauf von Herrschaftsmacht, Teilhabe am Unternehmenserfolg und Selbstbetroffenheit auch bei den Fremdkapitalgebern möglich und bei funktionaler Betrachtung geboten. In der ökonomischen Theorie ist daher seit langem anerkannt, dass ein Zusammenfallen von Finanzierung und Wahrnehmung unternehmerischer Leitungsmacht nichts anderes ist als ein eigenkapitalfinanziertes Unternehmen.123 In der aktuellen Finanzierungspraxis ist zwar durchaus üblich, die Finanzierung mezzanin auszugestalten, mithin den Kapitalbeitrag vorrangig den anderen Gläubigern zu widmen und hierüber eine mit den Eigentümern vergleichbare Selbstbetroffenheit herzustellen. Zwingend ist dies indessen nach der bisher überwiegenden Meinung nicht. Es gibt konsequenterweise vielfach Gestaltungen, bei denen eine Unternehmensfinanzierung im Hinblick auf die Einflussnahme zwar insofern hybrid ausgestaltet ist, als dem Nichteigentümer eine den Eigentümern vergleichbare Herrschaftsmacht eingeräumt wird, im Hinblick auf die haftungsmäßige Widmung des Kapitalbeitrags indessen keineswegs mezzanin. Die zentrale Frage für die nachfolgende Untersuchung ist daher, ob sich eine gesetzliche Regel begründen lässt, wonach diejenigen Fremdkapitalgeber, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen und bei funktionaler Betrachtung Herrschaftsmacht ausüben, wie sie den Eigentümern zusteht, widersprüchlich verhalten, wenn sie sich – insbesondere in der Krise und Insolvenz des Unternehmens – auf die Rolle eines unternehmensfremden Kapitalgebers zurückziehen, den die soeben herausgearbeitete gesetzliche Gewährleistung zur Herstellung von Selbstbetroffenheit an sich nicht trifft. Hierzu ist zunächst herauszuarbeiten, ob sich diese Selbstbetroffenheit auf der Grundlage der gesetzlichen Regeltypen für die Fremdfinanzierung entwickeln 122

Oben § 5 III. So bereits Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, S. 37 f.; zustimmend Fleischer, ZIP 1998, 313, 317. 123

VII. Zusammenfassung

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lässt. Sollte dies nicht der Fall sein, ist konsequenterweise nach den diese Regeltypen übergreifenden dogmatischen Ansätze zu suchen, welche als Grundlage für die Herstellung eines mit der Finanzierungsverantwortung der Eigentümer vergleichbaren Dreiklangs von Einflussnahme, Teilhabe am Erfolg und vorrangiger Verlusttragung geeignet sind, hierdurch die ökonomisch gebotene funktionale Treuhänderstellung bestimmter adjusting creditors für das finanzierte Unternehmen und seine non-adjusting creditors auch rechtlich absichern und damit die prinzipielle Billigung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger legitimieren.

VII. Zusammenfassung Gegenstand der vorherigen Ausführungen war es herauszuarbeiten, ob es unter ökonomischen und funktionalen Aspekten eine Möglichkeit gibt, zumindest den einflussnehmenden Gläubigern eine Verantwortung für das Gelingen einer außergerichtlichen Sanierung aufzuerlegen, mithin ein Anreizsystem zu entwickeln, welches gewährleistet, dass die unternehmerische Einflussnahme darauf abzielt, die Insolvenz zu vermeiden. Hierbei zeigte sich, dass eine nach Maßgabe der Pareto-Effizienz entwickelte Gläubigerverantwortung weder praktisch handhabbar noch dogmatisch zu begründen ist. Zumindest im Ausgangspunkt beachtlich ist indessen ein weiterer, auf Erwägungen der ökonomischen Theorie gestützter Ansatz, welcher darauf zielt, eine individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten zu begründen. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das Modell der Kreditkaskaden. Dieses umschreibt das nachvollziehbare Phänomen, dass eine Vielzahl von Unternehmensgläubigern darauf vertraut, dass andere Gläubiger eine sorgfältige Kreditprüfung und -vergabe anstellen und hierdurch nur Unternehmen finanziert werden, deren Kreditrisiko kalkulierbar ist. In der ökonomischen Theorie sind die sog. adjusting creditors somit Treuhänder der non-adjusting creditors, wovon wegen der hieraus resultierenden Verbesserung der Unternehmensfinanzierung letztlich alle Beteiligten profitieren. Es zeigte sich jedoch, dass aus dem Phänomen der Kreditkaskaden nicht ohne weiteres eine rechtliche Verantwortung der adjusting creditors für andere abgeleitet werden darf mit der Folge, dass die bloße Kreditvergabe an nicht-kreditwürdige Unternehmen eine über § 826 BGB zu sanktionierende Insolvenzverschleppungshaftung zu Gunsten anderer begründet. Indem weder eine verbindliche Ausrichtung individuellen Handelns auf die Vorgaben der ParetoEffizienz begründbar ist noch eine Verpflichtung aller an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten auf das Wertsteigerungsprinzip, kommt eine Gläubigerverantwortung wegen der Finanzierung eines Unternehmens als Ingangsetzung einer Kreditkaskade nur in Betracht, wenn sie sich in die allgemeinen

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§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

Voraussetzungen der Vertrauenshaftung einfügt. Die schlichte Fortexistenz eines Unternehmens als vertrauensbegründender Umstand muss einem adjusting creditor zurechenbar sein, wofür die bloße Kreditvergabe nicht ausreicht. Auch muss das Vertrauen anderer in ein bestimmtes Verhalten schutzwürdig sein, mithin berücksichtigt werden, dass auch die non-adjusting creditors eine Selbstverantwortung für ihr Handeln trifft. Diesem Aspekt kann eine Schadensersatzhaftung wegen bloßer Kreditvergabe weder praktisch handhabbar und dogmatisch abgrenzbar ausreichend Geltung verschaffen. Die Ablehnung einer konturenlosen Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Vertrauen der non-adjusting creditors vorhanden ist und im Verhältnis zu den Eigentümern durch die aus der Finanzierungstheorie stammende Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals legitimiert wird. Diese Funktion beschreibt das die Unternehmensfinanzierung insgesamt verbessernde Vertrauen der Fremdkapitalgeber auf die vorrangige Verlusttragung der mit Entscheidungsmacht ausgestatteten Eigentümer. Die Unternehmenseigentümer sind hiernach unter Vertrauensaspekten die Treuhänder der Vermögensinteressen aller anderen Gläubiger. Vertrauenstatbestand ist hingegen nicht die Eigenfinanzierung der Eigentümer, sondern die gesetzliche Gewährleistung, dass die Eigentümer bei der Ausübung ihrer Herrschaft über das Unternehmen und das hierin angesammelte Fremdkapital von den negativen Folgen vorrangig betroffen sind. Es handelt sich somit um einen normativen Vertrauenstatbestand. Diese gesetzliche Gewährleistung der vorrangigen Verlusttragung begründet eine Finanzierungsverantwortung der Eigentümer. Sie verhalten sich widersprüchlich, wenn sie einerseits von der Gewährleistung der vorrangigen Verlusttragung profitieren, indem die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert wird und sie in den Genuss des positiven Leverage-Effekts gelangen können, andererseits aber in der Krise ihr Kapital abziehen wollen, damit die vorrangige Verlusttragung nicht realisiert werden kann. Im deutschen Recht wird die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals durch die persönliche Haftung und gesetzliche Kapitalbindung der mit kollektiver Herrschaftsmacht versehenen Eigentümer gewährleistet. Will man diese Gewährleistungen auf die Fremdkapitalgeber, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen, übertragen, scheidet die Begründung einer unbeschränkten persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten des Unternehmens von vornherein aus. Ein solcher Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung existiert bereits nicht für die Unternehmenseigentümer und kann daher erst recht nicht für die Nichteigentümer begründet werden. Will man indessen die gesetzliche Kapitalbindung auf die Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber übertragen, scheidet es weiterhin aus, hierfür die für die gesetzliche Kapitalbindung zu Lasten der Gesellschafter einer GmbH und AG sowie der Kommanditisten ausreichende kollektive Herrschaftsmacht ausrei-

VII. Zusammenfassung

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chen zu lassen. Eine erzwungene Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber setzt vielmehr voraus, dass die betreffende Person konkret Einfluss auf die Unternehmensleitung genommen hat. Werden diese Vorgaben beachtet, spricht aus ökonomischer Sicht nichts dagegen, die gesetzliche Herstellung von Selbstbetroffenheit auch zu Lasten der Fremdkapitalgeber gelten zu lassen, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen. Diese Fremdkapitalgeber sind wie die Eigentümer Agenten aller anderen Kapitalgeber und verwalten durch die Einflussnahme auch deren Vermögensinteressen. Eine über die vorrangige Verlusttragung des Kapitals hergestellte Selbstbetroffenheit würde als sich selbstregulierendes System eine Gewähr dafür bieten, dass die Einflussnahme das Ziel verfolgt, die vorrangige Verlusttragung nicht eintreten zu lassen. Eine auf der Ingangsetzungsfunktion des Einfluss nehmenden Fremdkapitalgebers begründete Gläubigerverantwortung wäre auch keine einseitige Belastung. Der Fremdkapitalgeber kommt gleichermaßen in den Genuss der durch die vorrangige Verlusttragung hervorgerufenen Erleichterung bei der Aufnahme von weiterem Fremdkapital der non-adjusting creditors. Auch kann zu seinen Gunsten der positive Leverage-Effekt wirken. Indem eine funktionale Betrachtung der Einfluss nehmenden Fremdkapitalgeber eine gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gebietet, ist freilich noch nicht gesagt, ob und auf welche Weise sich diese auch rechtlich begründen lässt. Dies ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Hierbei ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob Darlehen und stille Beteiligung als gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung entsprechend Raum bieten, eine mit der Einflussnahme korrespondierende Finanzierungsverantwortung zu entwickeln.

Vierter Teil

Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als normative Korrektur des gesetzestypischen Fremdkapitalgebers Im vorherigen Teil wurde herausgearbeitet, dass nur die auf die Unternehmensleitung einflussnehmenden adjusting creditors bei funktionaler Betrachtung eine Treuhänderstellung zu Gunsten der non-adjusting creditors inne haben, die die Auferlegung einer mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebenen Finanzierungsverantwortung rechtfertigen und die prinzipielle Zulässigkeit der Mitsteuerung eines Unternehmens legitimieren würde. Indem eine gesetzliche Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens bisher nur für die Unternehmenseigentümer besteht, soll nachfolgend untersucht werden, ob sich eine Regel dogmatisch begründen lässt, wonach sich derjenige, der auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt und dadurch zum Treuhänder fremder Vermögensinteressen wird, widersprüchlich verhält, wenn er in der Unternehmenskrise die Rolle eines Fremdkapitalgebers einnimmt und entsprechende Gläubigerrechte geltend zu machen sucht. Um diese Regel ggf. rechtsfortbildend entwickeln zu können, bedarf es zunächst einer Herausarbeitung, welche Vorgaben Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der Fremdfinanzierung für eine mit der Einflussnahme korrespondierende Verantwortung beinhalten. Sollte sich hierbei kein Ansatz für die Begründung einer Finanzierungsverantwortung des Fremdkapitalgebers ergeben, bedarf es eines Rückgriffs auf dogmatische Begründungsansätze, die nicht unmittelbar im Recht des Darlehens oder der stillen Gesellschaft angesiedelt sind, sondern das dort als gesetzlichen Regelfall bestehende Rollenbild des Fremdkapitalgebers normativ zu korrigieren vermögen.

§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der einflusslosen Fremdfinanzierung ohne Finanzierungsverantwortung Wollen sich Dritte, die nicht Inhaber des Unternehmens oder Gesellschafter des Rechtsträgers sind, an der Unternehmensfinanzierung beteiligen, stehen als gesetzliche Regeltypen hierfür das Darlehen iSv. §§ 488 ff. BGB als schuldrechtlicher Austauschvertrag und die stille Beteiligung gemäß §§ 230 ff. HGB als Innengesellschaft1 bereit. Beiden Finanzierungsformen gemeinsam ist die Stellung des Kapitalgebers als eine vom Geschäftsinhaber verschiedene Person: § 488 Abs. 1 BGB unterscheidet Darlehensgeber und Darlehensnehmer; § 230 Abs. 1 HGB erfordert das Handelsgeschäft eines anderen. Bei formaler Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers gegenüber dem finanzierten Unternehmen handelt es sich in beiden Fällen um eine Fremdfi nanzierung: Mit Leistung ihres Finanzierungsbeitrags verlieren sowohl der Darlehensgeber als auch der Stille die dingliche Berechtigung hieran. Betrachtet man die gesetzlich zugewiesene Haftungsfunktion dieser Finanzierungsbeiträge, gilt dies gleichermaßen.

I. Die Kündigungsrechte des Darlehensgebers Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen und das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuerstatten. Das Darlehen ist hiernach eine Kapitalüberlassung auf Zeit und begründet so den typischen Fall eines aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre von der Eigenfinanzierung abzugrenzenden feststehenden Rückzahlungsanspruchs. Dieser Gegensatz zur Eigenfinanzierung zeigt sich weiterhin durch eine Vielzahl von Lösungsrechten zu Gunsten des Darlehensgebers, welche ihm ermöglichen, sein Rückzahlungsinteresse vom unternehmerischen Risiko des Darlehensnehmers abzukoppeln.

1 Einhellige Meinung, RGZ 77, 228; RGZ 80, 268; RGZ 142, 13; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 6; Baumbach/Hopt, HGB, § 230 Rn. 2; Staub/Zutt, HGB, § 230 Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Gehrlein, HGB, § 230 Rn. 3 f.

I. Die Kündigungsrechte des Darlehensgebers

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1. Ordentliche Kündigung Nach § 488 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB kann der Darlehensgeber ein unbefristetes Darlehen mit einer Frist von drei Monaten kündigen, mithin die Fälligkeit der Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers herbeiführen. Ihm steht somit im gesetzlichen Regelfall ein fristgebundenes Lösungsrecht zu, um seine Interessen zu wahren. Dies gilt insbesondere, um auf eine sich abzeichnende Gefährdung seiner Vermögensinteressen durch rechtzeitigen Kapitalabzug reagieren zu können.

2. Außerordentliche Kündigung wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs Beim befristeten Darlehen kommt vor allem die außerordentliche Kündigung wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 490 Abs. 1 BGB in Betracht. Ausweislich der Regierungsbegründung verfolgt die Regelung das Ziel, den Darlehensgeber vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust zu bewahren.2 Dieser Vermögensverlust sei nicht nur Anlass der Insolvenz, sondern zugleich deren Folge. So heißt es weiter, dass das mit § 490 Abs. 1 BGB zu verwirklichende Ziel konterkariert würde, wenn der Darlehensgeber zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, „da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre“.3 Das Lösungsrecht des Darlehensnehmers wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs bezweckt somit, die Beteiligung des Darlehensnehmers am Insolvenzverfahren zu vermeiden und legitimiert hierdurch mittelbar das Interesse der Fremdkapitalgeber, die Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und zum eigenen Vorteil Konsequenzen zu ziehen.

3. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB Die vorstehende Möglichkeit zur Kündigung bietet auf den ersten Blick ausreichenden Schutz für den Darlehensgeber, seinen Finanzierungsbeitrag bei einer eingetretenen oder sich abzeichnenden Krise des Unternehmens abziehen zu können. Dessen ungeachtet sieht § 490 Abs. 3 BGB vor, dass die außerordentliche Kündigung gemäß § 314 BGB unberührt bleibt. Hiernach kann ein Dauerschuldverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB definiert als wichtigen Grund, dass dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen 2 3

BT-Drs. 14/6040, S. 254. BT-Drs. 14/6040, S. 254.

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In den AGB der Banken findet sich – zu Gunsten der Bank – gemäß Nr. 19 Abs. 3 S. 1 eine ähnliche Regelung. Überträgt man § 314 BGB auf das hier interessierende Kündigungsrecht des Darlehensgebers, ist bereits fraglich, welche eigenständige Bedeutung es neben der Kündigung wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs haben soll. Teilweise wird angenommen, die Kündigung aus wichtigem Grund sei mit der Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB gleichzusetzen, so dass zum Beispiel auch die drohende Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers zur Kündigung nach § 314 BGB berechtigen soll.4 Diese Gleichstellung ist jedoch abzulehnen. Bei Sachverhalten, die bereits den Tatbestand des § 490 Abs. 1 BGB erfüllen, geht diese Regelung ausweislich der Gesetzesbegründung5 und ihrer systematischen Stellung als lex specialis vor. 6 Für die Annahme eines außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 314 BGB bedarf es somit Umstände, die nicht bereits zu einer Gefährdung der Rückerstattung führen. 7 Typische Beispiele hierfür sind der Verzug des Darlehensnehmers mit der Rückzahlung von Zins- und Tilgung, obwohl er über ausreichend liquide Mittel verfügt, 8 oder die Zerrüttung eines bei Vertragsschluss bestehenden Vertrauensverhältnisses.9 Da § 490 Abs. 1 BGB nur an die Gefährdung der Rückerstattung der Valuta gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB anknüpft, ist die Zinspflicht des Darlehensnehmers gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB hiervon nicht erfasst. Konsequenterweise ist die isolierte Gefährdung des Zinsanspruchs ebenfalls ein Umstand, der nach §§ 490 Abs. 3, 314 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

4 So Palandt/Putzo, BGB, § 490 Rn. 19 für den Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers. – Hierbei wird jedoch verkannt, dass es sich bei der zitierten Entscheidung des BGH (NJW 2003, 2674) um einen Fall aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform handelt. 5 BT-Drs. 14/6040, S. 177. 6 BT-Drs. 14/6040, S. 177. Für das Widerrufsrecht nach § 610 BGB a. F. bereits Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1252; dagegen Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB12, § 610 Rn. 14. – Undeutlich Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.70: uneingeschränkt nebeneinander. 7 Freitag, WM 2001, 2370, 2377; Mülbert, WM 2002, 465, 473; v. Hase, NJW 2002, 2278, 2278; Wittig/Wittig, WM 2002, 145, 149; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 5.49. 8 Berger, in MünchKomm BGB, § 490 Rn. 55; vgl. zum alten Recht BGH, WM 1999, 840 (Verzug bei gewerblichem Millionenkredit); OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 1452 (Zahlungseinstellung). 9 Palandt/Putzo, BGB, § 490 Rn. 19; Mülbert, WM 2002, 465, 473; vgl. auch Wittig/Wittig, WM 2002, 145, 149 und Sonnenhol, WM 2002, 1259, 1265.

II. Die haftungsmäßige Widmung der Darlehensvaluta

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II. Die haftungsmäßige Widmung der Darlehensvaluta in der Insolvenz Die vorstehenden Ausführungen bezogen sich allein darauf, inwieweit es dem Darlehensgeber nach der Konzeption des materiellen Darlehensrechts möglich ist, sein Rückzahlungsinteresse durch den vorzeitigen Mittelabzug zu verwirklichen. Nunmehr soll herausgearbeitet werden, wie dieses gesetzgeberische Anliegen in der Insolvenz des Darlehensnehmers umgesetzt wird. Auszugehen ist hierbei vom gesetzlichen Regelfall, ohne dass die Parteien einen entsprechenden Rangrücktritt gemäß § 39 Abs. 2 InsO vereinbart haben.

1. Sofortige Fälligkeit der Rückerstattungspflicht gemäß § 41 Abs. 1 InsO Wurde das Darlehen bereits ausgezahlt, bietet § 41 Abs. 1 InsO eine eindeutige Lösung zu Gunsten des Darlehensgebers. Hiernach gelten nicht fällige Insolvenzforderungen iSv. § 38 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig. Nach überwiegender Meinung wird diese Regelung auch auf das Darlehen angewendet.10 Es kommt somit für Fälligstellung nicht auf eine – besonderen Voraussetzungen an Grund und Frist unterliegende – Kündigung an.11 Die Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs wird durch § 41 Abs. 1 InsO gleichsam von Gesetzes wegen unterstellt.

2. Mögliche Einschränkung unter dem Aspekt der Sanierungsfeindlichkeit Diese einseitige Ausrichtung auf das Rückzahlungsinteresse des Fremdkapitalgebers wurde bereits unter der Geltung von § 65 Abs. 1 KO a. F. kritisiert.12 Diese Ansicht findet nach der Insolvenzrechtsreform weitere Unterstützung. So sprechen sich in jüngerer Zeit Teile der Literatur dafür aus, den Darlehensgeber bei der Geltendmachung eines Rückerstattungsanspruchs anstelle von § 41 Abs. 1 InsO auf die materiellen Kündigungsrechte zu verweisen.13 Das zentrale Argument für diese Einschränkung der stichtagsbezogenen Fälligkeit ipso iure 10 Zu § 65 KO a. F. BGHZ 31, 337; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1258; K. Schmidt, JZ 1976, 756, 761; Luther, Darlehen im Konkurs, S. 112 ff. Aus heutiger Sicht Berger, in Münch Komm BGB, Vor § 488 Rn. 195; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.270; ders., ZInsO 2002, 96, 102; Bitter, in MünchKomm InsO, § 41 Rn. 7; nach ROHG XXIII (1878) Nr. 48 sollte der Darlehensvertrag mit Eröffnung des Konkursverfahrens sogar erlöschen. 11 Grundlegend Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1258; Uhlenbruck, InsO, § 41 Rn. 3; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.270. 12 Mülbert, AcP 192 (1992), 447, 467 f. 13 Heise, Verbraucherkredit, Rn. 152 ff., 156; ähnlich Schwörer, Lösungsklauseln im Insolvenzfall, S. 161 ff., Rn. 405 ff.; wohl auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.275.

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

wird in der hierdurch ermöglichten zeitlichen Verlängerung der Kapitalbelassung zu Gunsten der Insolvenzmasse gesehen, was im Einklang mit § 1 InsO zu einer Erhöhung der Sanierungschancen führe. Man muss daher fragen, ob bereits im gesetzlichen Regeltyp der Darlehensfinanzierung ein dogmatischer Ansatz vorhanden ist, die fortdauernde Kapitalbelassung in der Unternehmenskrise zu erzwingen und damit möglicherweise eine entsprechende Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Gläubiger zu begründen. Dass die flexible, an die Ausübung eines – ggf. zu begründenden – Gestaltungsrechts geknüpfte Fälligkeit der Darlehensrückzahlung die Sanierungschancen erhöht, ist wertungsmäßig nachvollziehbar. Hängt die Herbeiführung der Fälligkeit gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB von einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Darlehensgebers ab, besteht zumindest die Möglichkeit, diesen zuvor von einer weiteren Kapitalbelassung zu überzeugen und hiermit die Grundlage für umfangreiche Sanierungsbemühungen im Insolvenzplanverfahren zu schaffen. Ist die Rückerstattungsforderung bei Verfahrenseröffnung bereits nicht mehr vollwertig, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich der Darlehensgeber bei Vorliegen einer realistischen Sanierungschance auf eine Alternative zur sofortigen Fälligkeit einlässt, von der er möglicherweise profitiert. Bestehen für die Rückerstattungsforderungen werthaltige Sicherheiten, gilt dies erst recht, sofern der Darlehensgeber davon überzeugt werden kann, die Valuta ohne signifikante Belastung bis zum Abschluss der Sanierung zu belassen. In all diesen Fällen ist es aus der vom Insolvenzverwalter wahrgenommenen Perspektive des Darlehensnehmers eine günstigere Verhandlungsposition, den Darlehensgeber von der Nicht-Kündigung zu überzeugen als ihn dazu zu bewegen, die gesetzlich angeordnete Fälligstellung gemäß § 41 Abs. 1 InsO durch Stundung zu vermeiden.

3. Teleologische Reduktion von § 41 Abs. 1 InsO als Konsequenz? Hierauf aufbauend begründet etwa Heise die teleologische Reduktion von § 41 Abs. 1 InsO mit der Erwägung, dass die Fälligstellung der Rückerstattungspflicht gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB konsequenterweise auch zu einer sofortigen Beendigung des aus dem Darlehen resultierenden Kapitalbelassungsanspruchs gegen den Darlehensgeber aus § 488 Abs. 1 BGB führen würde, was mit dem begrenzten Schutzzweck von § 41 Abs. 1 InsO nicht vereinbar sei.14 Ausgangspunkt der These Heises ist eine Differenzierung der Pflichten des Darlehensgebers. So entspricht es der herrschenden Meinung in der Literatur, dass der Darlehennehmer nicht nur einen Anspruch gegen den Darlehensgeber auf Kapitalüberlassung hat, sondern gleichsam als Perpetuierung desselben

14

Heise, Verbraucherkredit, Rn. 156.

II. Die haftungsmäßige Widmung der Darlehensvaluta

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nach Auszahlung der Valuta einen Anspruch auf Kapitalbelassung.15 Indem die sofortige Fälligkeit der Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers zwangsläufig auch die Kapitalbelassungspflicht des Darlehensgebers beenden würde, liegt es durchaus nahe, mit Heise eine nicht vom Regelungsbereich des § 41 Abs. 1 InsO erfasste Rechtsfolge anzunehmen. Immerhin geht es hiernach allein darum, die Fälligkeit von Forderungen gegen den Schuldner herzustellen, nicht aber umgekehrt, die Fälligkeit von Forderungen des Schuldners gegen seine Gläubiger. Wie bei der Vorgängerregelung § 65 Abs. 1 KO a. F. soll allein den Gläubigern im Dienste der Verfahrensbeschleunigung eine eindeutige Grundlage für ihre Rechtsposition im Verfahren verschafft werden.16 Auf Forderungen des Schuldners findet § 41 Abs. 1 InsO konsequenterweise keine Anwendung.17 Mit Heise könnte man daher argumentieren, dass § 41 Abs. 1 InsO beim Darlehen keine Anwendung findet, weil die hiervon nicht erfasste Kapitalbelassungspflicht des Darlehensgebers ohnehin weiter besteht. Bei näherer Betrachtung ergeben sich hiergegen jedoch schwerwiegende Bedenken. Die Prämisse, dass die sofortige Fälligkeit der Rückerstattung als notwendige Folge eine von § 41 Abs. 1 InsO nicht erfasste Folge herbeiführt, bedarf einer Begründung, die Heise nicht liefert. Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung die Existenz einer in § 488 BGB nicht ausdrücklich genannten Kapitalbelassungspflicht unterstellt, sind die hieraus von Heise gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar. So wird verkannt, dass es bei der Beendigung einer solchen Kapitalbelassungspflicht des Gläubigers bereits gar nicht um eine nicht hinnehmbare sofortige Fälligkeit iSv. § 41 Abs. 1 InsO geht. Wie Heise selbst anerkennt, ist das Darlehen ein Dauerschuldverhältnis.18 Wurde die Darlehensvaluta ausgezahlt, tritt die sofortige Fälligkeit der Kapitalbelassungspflicht ohne weiteres ein – jeden Tag aufs Neue. Sie ist beim valutierten Darlehen zwingend sofort fällig. Würde man die künftige weitere Kapitalbelassung als hinausgeschobene Fälligkeit sehen, erzielte man über die Herstellung einer sofortigen Fälligkeit eine dogmatisch nicht begründbare Kumulation der Kapitalüberlassung auf Zeit. Man vergleiche dies nur mit dem Regelfall des Arbeitsvertrags. Hiernach hat ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung jeden Tag zu erbringen. 15 Zu § 607 BGB a. F. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 1069; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1282 (vgl. aber Rn. 1322); Staudinger/Hopt/Mülbert12, § 607 Rn. 18; K. Schmidt, JZ 1976, 756, 757; Mülbert, AcP 192 (1992), 447, 457. Zu § 488 BGB Berger, in MünchKomm BGB, § 488 Rn. 31; Freitag, ZIP 2004, 2368, 2369. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde diese Frage bisher offen gelassen (vgl. RGZ 161, 52, 56 f.; BGH, WM 1957, 1184, 1185). Auch in der Begründung zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts findet sich die Formulierung, die vertragstypische Pflicht des Darlehengebers sei die „Verschaffung und Belassung“ eines Geldbetrags (BT-Dr. 14/6040, S. 253). 16 Regierungsbegründung zu § 48 RegEInsO, BT-Drs. 12/2443, S. 124. 17 OLG Frankfurt, ZIP 1983, 1229, 1230 f. (zu § 65 KO a. F.); Bitter, in MünchKomm InsO, § 41 Rn. 5. 18 Heise, Verbraucherkredit, Rn. 103.

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

Sähe man die Arbeitspflicht als eine auf den Monat bezogene betagte Forderung des Arbeitgebers, würde eine sofortige Fälligstellung bedeuten, dass der Arbeitnehmer am betreffenden Arbeitstag die gesamte Monatsleistung erbringen müsste. Für die Anwendung von § 41 Abs. 1 InsO, der bei betagten Forderungen die sofortige Fälligkeit fingiert, besteht somit beim Darlehen tatbestandlich kein Raum, weil es sich bei der von der herrschenden Meinung angenommenen Kapitalbelassungspflicht nicht um eine betagte Forderung handelt.19 Eine Forderung, die bereits fällig ist, muss nicht als fällig fingiert werden. Bereits aus diesem Grund erscheint es verfehlt, die Beendigung der Kapitalbelassungspflicht als notwendige Folge der Fälligstellung der Rückerstattungspflicht als einen Fall anzusehen, der mit § 41 Abs. 1 InsO gerade nicht erreicht werden soll. Weiterhin ist gegen die Ansicht Heises anzuführen, dass sie auf einem nicht zu begründenden materiell-rechtlichen Zusammenhang von Kapitalbelassungsund Rückerstattungspflicht beruht. Nach seiner Ansicht hängt die Fälligkeit des Darlehens von der Beendigung des Kapitalbelassungsanspruchs ab. 20 Auf Grund einer solchen Prämisse ist die Feststellung folgerichtig, dass es außerhalb der Wahlrechte des Insolvenzverwalters nach §§ 103 ff. InsO keine Vorschrift gibt, die den Kapitalbelassungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch beendet und als notwendige Folge die Pflicht zur Rückerstattung fällig werden lässt. Diese Prämisse ist jedoch nicht zwingend. Man könnte auch anführen, dass die Darlehensrückerstattungspflicht nicht die Folge des beendeten Kapitalbelassungsanspruchs ist, sondern die Kapitalbelassungspflicht umgekehrt unter einer auflösenden Bedingung der mittels Kündigung herbeigeführten Fälligkeit der Rückerstattung steht. Hierfür würde zumindest im Insolvenzfall des Darlehensnehmers das häufig zu bejahende Kündigungsrecht gemäß § 490 Abs. 1 BGB als im Ermessen des Darlehensgebers auszuübendes Gestaltungsrecht sprechen. Auf die Frage, ob der Darlehensrückerstattungsanspruch die Folge der beendeten Kapitalbelassungspflicht ist oder umgekehrt, kommt es jedoch letztlich nicht an. Gegen die Ansicht Heises spricht nämlich in jedem Fall, dass die Kapitalbelassungspflicht, um deren Schutz zu Gunsten des Schuldners es ihm letztlich geht, bei der mit § 41 Abs. 1 InsO herbeigeführten Fälligkeit überhaupt keine eigenständige Bedeutung zukommt. Nach § 271 Abs. 2 BGB wird der Schuldner jeder Forderung vor einer vorzeitigen Inanspruchnahme durch den Gläubiger geschützt. Dies gilt unabhängig davon, ob – wie beim Darlehen nach herrschender Meinung – materiell-rechtlich zusätzlich ein Anspruch mit iden19

Ähnlich zu § 607 BGB a. F. bereits K. Schmidt, JZ 1976, 756, 757 f., indem er zur Verneinung eines Synallagmas zwischen Zins- und Belassungspfl icht anführt, dass niemand auf den Gedanken käme, den mit der Zinszahlung säumigen Darlehensnehmer zur Zahlung von Zinsen Zug um Zug gegen weitere Belassung des Kapitals zu verurteilen. 20 Heise, Verbraucherkredit, Rn. 156.

III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage

343

tischem Inhalt besteht oder nicht. Der Darlehensnehmer ist somit bereits über § 271 Abs. 2 BGB vor einer vorzeitigen Geltendmachung der Rückzahlung geschützt. Auf die aus § 488 Abs. 1 S. 1 BGB gestützte Kapitalbelassungspflicht als Schutz vor einer vorzeitigen Inanspruchnahme durch den Gläubiger kommt es insofern nicht an. Daher ist es nur konsequent, dass § 41 Abs. InsO als Vorverlagerung der Fälligkeit einmal den durch § 271 Abs. 2 BGB vermittelten Schutz des Schuldners durchbricht, zum anderen aber auch die – hier unterstellte – inhaltsgleiche Kapitalbelassungspflicht beendet. Ist das Schicksal der Kapitalbelassungspflicht somit ein bloßer Reflex ohne eigenständige Bedeutung, der funktional dem bereits durch § 271 Abs. 2 BGB vermittelten Schutz entspricht, ist es entgegen der Ansicht Heises nicht gerechtfertigt, aus der Beeinträchtigung dieser Pflicht die Fälligkeitsregelung des § 41 Abs. 1 InsO beim Darlehen in Frage zu stellen.

4. Zwischenergebnis Es kann daher festgehalten werden, dass die materiell-rechtliche Verwirklichung des Lösungsinteresses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers nicht nur fortwirkt, sondern verstärkt wird. Beim valutierten Darlehen wird die Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers gemäß § 41 Abs. 1 InsO sofort fällig und ermöglicht dem Darlehensgeber, seine Insolvenzforderung ohne Einschränkung zur Tabelle anzumelden. Der Ansatz, die sofortige Fälligstellung über eine teleologische Reduktion von § 41 Abs. 1 InsO zu beschränken, ist abzulehnen. Eine auf die Bindung des Kapitalbeitrags bezogene Finanzierungsverantwortung zu Gunsten des Unternehmens oder seiner sonstigen Gläubiger besteht somit nicht. Nachfolgend ist daher zu untersuchen, ob dies zumindest für die stille Beteiligung abweichend zu beurteilen ist.

III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage Die Finanzierung eines – kaufmännischen – Unternehmens durch Dritte kann auch als stille Gesellschaft ausgestaltet sein. Wenngleich die Gestaltungsfreiheit bei der stillen Gesellschaft weit reicht und die Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Formen aufweist, 21 lassen sich dem Gesetz doch einige wesentliche Strukturmerkmale für die hier interessierende Finanzierungsverantwortung entnehmen.

21 Überblick bei K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 70 ff.; Florstedt, Stiller Verband, S. 3 ff. (mit rechtshistorischen Hinweisen).

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

1. Beteiligung mit einer Vermögenseinlage Nach § 230 Abs. 1 HGB hat sich der Stille mit einer Vermögenseinlage zu beteiligen und diese so zu leisten, dass sie in das Vermögen des Geschäftsinhabers übergeht. Charakteristisch für die stille Gesellschaft ist hiernach, dass wie beim Darlehen kein gemeinsames Gesellschaftsvermögen gebildet wird. 22 Der Stille hat vielmehr seine Einlage an den Geschäftsinhaber zu übertragen und erlangt bei Auflösung der Gesellschaft gemäß § 235 Abs. 1 HGB einen entsprechenden Anspruch auf Auszahlung eines – vorhandenen – Auseinandersetzungsguthabens. Ein gesellschaftsrechtliches Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgebot gibt es bei der stillen Gesellschaft nicht.23 Zwar findet sich in der Rechtsprechung des BGH der pauschale Hinweis, die Einlage des stillen Gesellschafters sei „verantwortliches Kapital“ und nehme am „Schicksal des Unternehmens“ teil.24 Dass dieser Einschätzung zumindest im gesetzlichen Regelfall nicht uneingeschränkt zuzustimmen ist, ergibt sich bereits daraus, dass §§ 231 Abs. 2 1. Hs., 232 Abs. 2 S. 1 HGB lediglich als abdingbaren Regelfall eine Verlustbeteiligung vorsehen. Auch eine Nachschusspflicht besteht gemäß § 232 Abs. 2 S. 1 HGB nur dann, wenn sie besonders vereinbart wurde. 25 Die haftungsmäßige Widmung der stillen Einlage zu Gunsten der übrigen Gläubiger ist hiernach in enger Anbindung an die vereinbarungsgemäße Verlustbeteiligung zu sehen. 26 Die stille Beteiligung ist hiermit eine ausdrückliche Regelung über die in der Finanzierungspraxis anzutreffende Möglichkeit, einen Finanzierungsbeitrag aufgrund entsprechender vertraglicher Abrede mezzanin auszugestalten.27

2. Rechtslage bei fehlender Verlustbeteiligung Wurde im Finanzierungsvertrag die Verlustbeteiligung ausgeschlossen, ist der sich aus § 235 HGB ergebende Rückzahlungsanspruch des Stillen gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts im Ausgangspunkt der Darlehensfinanzierung gleichgestellt. Dies gilt auch in der Insolvenz des Geschäftsinhabers. Das gemäß § 84 Abs. 1 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens28 zu ermittelnde Auseinan-

22

RGZ 45, 31, 38. So jüngst auch Florstedt, Stiller Verband, S. 185 ff. 24 BGH, NJW 1952, 421, 421. 25 Baumbach/Hopt, HGB, § 232 Rn. 6. 26 Insofern zutreffend RGZ 168, 284, 286, indem die Einordnung als „verantwortliches Kapital“ auf den Fall einer vertraglich vereinbarten Verlustbeteiligung bezogen wird (diese Differenzierung wurde vom BGH [oben Fn. 24] wohl verkannt. Die vertragliche Vereinbarung der Verlusttragung betont auch K. Schmidt, KTS 1977, 65, 65. 27 Oben § 1 II. 28 Ganz hM, Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 84 Rn. 6; Kübler/Prütting/Lüke, § 84 Rn. 15; Braun/Kroth, InsO, § 84 Rn. 2; abw. aber K. Schmidt, KTS 1977, 1, 16 ff. 23

III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage

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dersetzungsguthaben (§ 235 Abs. 1 HGB) ist eine Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO. Die Begründung folgt mittelbar aus § 236 Abs. 1 HGB. Hiernach kann der stille Gesellschafter wegen einer Einlage, soweit sie den Betrag des auf ihn anfallenden Anteils am Verlust übersteigt, seine Forderung als Insolvenzgläubiger geltend machen. Im unmittelbaren Regelungsbereich setzt die Vorschrift eine Verlustbeteiligung voraus und bestimmt allein, dass eine darüber hinausgehende Forderung gegen den Geschäftsinhaber als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann. Da ein Verlustanteil jedoch gemäß § 231 Abs. 2 HGB ausgeschlossen werden kann, unterliegt die Rückzahlungsforderung in einem solchen Fall erst recht keiner besonderen Bindung.29 Der stille Gesellschafter kann daher auch in der Insolvenz des Geschäftsinhabers seine Forderung auf Auszahlung des nach § 235 HGB ermittelten Auseinandersetzungsguthabens zur Insolvenztabelle anmelden 30 und wird wie die übrigen Insolvenzgläubiger quotal befriedigt.31 Gleiches gilt für einen etwaigen Gewinnanspruch,32 der sich in der Insolvenz naturgemäß auf einen zurückliegenden Zeitraum bezieht. Gegen die Einordnung der Vermögenseinlage als Fremdkapital spricht auch nicht, dass die stille Gesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 728 Abs. 2 S. 1 BGB aufgelöst wird.33 Der BGH hat bereits im Jahr 1969 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Auflösung in der Insolvenz des Geschäftsinhabers gemäß § 728 Abs. 2 S. 1 BGB gerade darauf abzielt, dem Stillen einen gegen die Insolvenzmasse gerichteten Anspruch aus § 235 HGB einzuräumen.34 Eine aus dem Umstand der zwingenden Auflösung begründete Haftung der Einlage des Stillen zu Gunsten der übrigen Gläubiger würde sowohl § 230 Abs. 1 HGB widersprechen, wonach nur der Geschäftsinhaber (Insolvenz-)Schuldner ist, als auch § 230 Abs. 2 HGB, wonach die Bildung eines gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens gerade nicht erfolgt. Wurde die Verlustbeteiligung im Gesellschaftsvertrag gemäß § 231 Abs. 2 1. Hs. HGB ausgeschlossen, kommt der stillen Einlage keine materiell-rechtlich begründete Haftungsfunktion zu Gunsten der übrigen Gläubiger des Geschäftsinhabers zu. Die stille Einlage ist somit zwar nicht im gesetzlichen Regelfall, wohl aber aufgrund gesetzlich vorgesehener Vereinbarung haftungsrechtlich eine Fremdfinanzierung im Sinne der betriebswirtschaftlichen Terminologie.35 29

Stodolkowitz, in MünchKomm InsO, § 136 Rn. 1; Staub/Zutt, HGB, § 237 Rn. 7. Eine vorherige Anmeldung, um Abrechnung zu erhalten, ist nicht erforderlich Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 84 Rn. 6. 31 BGH, NJW 1969, 1211, 1211 (zur KO). 32 Staub/Zutt, HGB, § 236 Rn. 6. 33 Baumbach/Hopt, HGB, § 234 Rn. 5; § 236 Rn. 1. 34 BGH, NJW 1969, 1211, 1211 (zur KO). 35 Zutreffend OLG Köln, NZG 2000, 89, 90; missverständlich K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Rn. 22, der die Abbedingung der Verlusttragung als Fall einer „gesetzestypischen stillen Gesellschaft“ sieht. 30

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

3. Rechtslage bei Verlustbeteiligung Etwas anderes gilt, wenn die Verlustbeteiligung des Stillen nicht gemäß § 231 Abs. 2 1. Hs. HGB abbedungen wurde. In diesem Fall kann die Einlage gemäß § 236 Abs. 1 HGB im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftsinhabers nur insoweit zurückgefordert werden, als sie den auf den Stillen anfallenden Anteil am Verlust übersteigt. Die Regelung des § 236 Abs. 1 HGB selbst ist kein dispositives Recht.36 Sie knüpft die Haftung der Einlage zwingend an die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verlustbeteiligung. Auf welche Weise dieser Haftungsfunktion konkret Geltung verschafft wird, lässt sich § 236 Abs. 1 HGB indessen nicht entnehmen. Die negative Formulierung besagt allein, dass eine den Anteil am Verlust übersteigende Einlageforderung als Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO geltend gemacht werden kann.37 Über das Schicksal der wegen der Verlustbeteiligung nicht geltend zu machenden Forderung enthält die Regelung keine Hinweise. Um dies zu klären, bedarf es vielmehr eines Rückgriffs auf die gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 InsO gesellschaftsrechtliche Abwicklung der stillen Gesellschaft im Insolvenzfall. Wie bereits erwähnt, wird die stille Gesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsinhabers gemäß § 728 Abs. 2 BGB zwingend aufgelöst. Ob dies, wie von der überwiegenden Meinung angeführt, sogleich zur Vollbeendigung der Gesellschaft führt,38 erscheint wegen der unabhängig von der Existenz eines Gesellschaftsvermögens noch erforderlichen Abrechnung gemäß §§ 232, 235 HGB zweifelhaft. Diese Frage bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Wichtig ist allein, dass gemäß § 235 Abs. 1 HGB mit Auflösung eine Auseinandersetzung zu erfolgen hat mit dem Ziel, ein etwaiges Guthaben des Stillen zu ermitteln, welches vom Geschäftsinhaber in Geld zu berichtigen ist. Wie bei allen Gesellschaften führt die Auseinandersetzung somit zu einer Saldierung aller sich auf die Vermögenseinlage des Stillen auswirkenden Geschäftsvorfälle – unter Berücksichtigung des von ihm zu tragenden Verlustanteils. Ergibt diese Saldierung ein Auseinandersetzungsguthaben des Stillen, hat er gegen den Geschäftsinhaber einen entsprechenden Zahlungsanspruch (§ 235 Abs. 1 HGB). Ergibt sich ein als Verlustanteil zu qualifizierender Fehlbetrag, hängt es wiederum von der Parteivereinbarung ab, ob der

36 So aber K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Rn. 4; wie hier Ebenroth/Boujong/ Joost/Gehrlein, HGB, § 236 Rn. 2; von Gerkan, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 236 Rn. 1. 37 Vgl. hierzu BGH, 1983, 1855, 1856. 38 So unter Hinweis auf das bei der stillen Gesellschaft nicht vorhandene Gesellschaftsvermögen und die nach Auflösung lediglich erforderliche „Forderungsberechnung“ BGH, NJW 1982, 99; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Rn. 11; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 19 Rn. 17; abw. für fortbestehende Abwicklungsgesellschaft Baumbach/Hopt, HGB, § 234 Rn. 1; Blaurock, Stille Gesellschaft, Rn. 901.

III. Die gewillkürte Haftungsfunktion der stillen Einlage

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Stille maximal seine Einlage verliert (vgl. § 232 Abs. 2 S. 1 HGB) oder ob er zur unbeschränkten Verlusttragung verpflichtet ist.39 Aus der nach § 235 HGB erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Abrechnung der stillen Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens folgt, dass nicht zwischen Verlustbeteiligung und Rückzahlung der Einlage getrennt werden darf. Die Rückzahlung der Einlage iSv. § 236 Abs. 1 HGB setzt vielmehr voraus, dass im vorherigen Auseinandersetzungsverfahren ermittelt wurde, inwieweit dem stillen Gesellschafter die Rückzahlung der Einlage gebührt – nach Maßgabe der vereinbarten Verlustbeteiligung.40 Ergibt sich hiernach kein Auseinandersetzungsguthaben zu seinen Gunsten, besteht folglich bereits keine Rückzahlungsforderung, die im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnte. § 236 Abs. 1 HGB entfaltet daher entgegen der negativen Formulierung nur dann eine Wirkung, wenn aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Abwicklung ein Auseinandersetzungsguthaben, welches nach dem Vorgesagten zwangsläufig unter Einbeziehung des vom Stillen zu tragenden Verlustanteils ermittelt wurde, vorhanden ist. Für diesen Fall wird klargestellt, dass der die Verlusttragung übersteigende Teil des Auseinandersetzungsguthabens materiell-rechtlich keiner haftungsmäßigen Widmung zu Gunsten der übrigen Gläubiger unterliegt und als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geltend gemacht werden darf.

4. Die Behandlung weitergehender Verluste Nach § 232 Abs. 2 S. 1 HGB nimmt der stille Gesellschafter an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teil. Im gesetzlichen Regelfall gemäß § 231 Abs. 2 1. Hs. HGB ist das finanzielle Risiko des Stillen somit auch bei Verlustbeteiligung auf den Betrag der Einlage beschränkt. Die Regelung ähnelt insoweit der Rechtslage beim Kommanditisten. Dessen Haftung ist gemäß § 171 Abs. 1 HGB ebenfalls auf die vertraglich vereinbarte Haftsumme begrenzt. Gleiches gilt im Innenverhältnis. Der vom Kommanditisten zu tragenden Verlustanteil ist im gesetzlichen Regelfall gemäß § 167 Abs. 3 HGB auf den Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage begrenzt. Sowohl bei der stillen Gesellschaft als auch beim Kommanditisten ist das finanzielle Risiko für den Kapitalgeber somit kalkulierbar. Selbst wenn die Verluste die auf den Stillen entfallende Vermögenseinlage übersteigen, was insbesondere in den Fällen der Überschuldung des Geschäftsinhabers gemäß § 19 InsO der Fall sein kann, braucht der Stille nicht zu befürchten, weitere Leistungen in die Insolvenzmasse erbringen zu müssen.

39

Zur rechtlichen Behandlung darüber hinausgehender Verluste sogleich unter 4. Wird das Insolvenzverfahren erfolgreich beendet und die stille Gesellschaft fortgesetzt, bestimmen sich die Folgen konsequenterweise auch nicht nach § 39 Abs. 2 InsO, sondern nach § 232 Abs. 2 S. 2 HGB. 40

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§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen

Allerdings ist § 232 Abs. 2 S. 1 HGB dispositiv.41 Es bleibt den Parteien daher unbenommen, im Gesellschaftsvertrag auch eine die Einlage übersteigende Verlusttragungspflicht zu vereinbaren, ggf. gerade auf den Insolvenzfall bezogen.42 Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine – im Extremfall unbeschränkte – Nachschusspflicht iSv. § 707 BGB, die der Zustimmung des Verpflichteten bedarf.43 Wurde eine solche vereinbart, wird sie mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 735 BGB fällig.44 Ergibt die unter Einbeziehung dieser Nachschusspflicht erfolgende Auseinandersetzung gemäß § 235 Abs. 1 HGB eine entsprechende Forderung des Geschäftsinhabers gegen den Stillen, wird diese gemäß § 35 InsO Bestandteil der Insolvenzmasse und kann gemäß § 80 Abs. 1 InsO vom Verwalter geltend gemacht werden.45

IV. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass die gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung durch zwei Merkmale gekennzeichnet sind: Einerseits stehen weder dem Darlehensgeber noch dem stillen Gesellschafter Rechte zu, auf die Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen; andererseits besteht bei beiden Finanzierungsarten im Ausgangspunkt die Freiheit, das finanzielle Interesse des Kapitalgebers vom unternehmerischen Risiko abzukoppeln. Im Vorfeld der Insolvenz wird dies durch eine Vielzahl von Lösungsrechten verwirklicht, in der Insolvenz dadurch, dass der entsprechende Rückzahlungsanspruch als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geltend gemacht werden darf. Im Ausgangspunkt besteht somit keine gesetzlich gewährleistete Kapitalbindung, auf deren Grundlage sich eine mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vergleichbare Selbstbetroffenheit zur Selbstkontrolle der Fremdkapitalgeber, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen, begründen ließe. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich daher auf die Frage, ob derartige Ansätze als normative Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einflusslosen Fremdkapitalgeber begründen lassen.

41 K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 232 Rn. 33; Ebenroth/Boujong/Joost/Gehrlein, HGB, § 232 Rn. 25; Baumbach/Hopt, HGB, § 232 Rn. 6. Vgl. zur Annahme einer unbeschränkten Nachschusspflicht bereits RG, SeuffA 93 Nr. 59 und RGZ 33, 125, 129. 42 Vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 35 Rn. 191; Weisser, GmbHR 2004, 1370, 1373 f. 43 BGH, NJW 1966, 1309, unter Betonung, dass eine solche Regelung ausdrücklich vereinbart werden muss; vgl. auch OLG Karlsruhe, ZIP 1986, 916, 917 f. 44 K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270, 294 f. 45 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 35 Rn. 191.

§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einflusslosen Fremdkapitalgeber Die vorstehenden Ausführungen zu Darlehen und stiller Gesellschaft haben ergeben, dass aus diesen Vertragstypen heraus keine Möglichkeit besteht, eine zwingende Finanzierungsverantwortung der Kapitalgeber und damit eine mit den gesetzlichen Regeltypen der Eigenfinanzierung vergleichbare Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger zu begründen. Es scheint vielmehr, als seien diese rechtlichen Rahmenbedingungen auf einen „Idealfall“ des einflusslosen Fremdkapitalgebers abgestimmt, der sein Kreditrisiko über Zins und Sicherheiten, ggf. auch Information (vgl. § 233 HGB) steuert und jenseits dieser Instrumente darauf angewiesen ist, dass das Unternehmen seine Rückzahlungsinteressen mit berücksichtigt. Ist dies nicht der Fall, kann der Fremdkapitalgeber konsequenterweise einen vorzeitigen Kapitalabzug herbeiführen – mehr nicht. In der Insolvenz des Unternehmens ist der Rückzahlungsanspruch eine gewöhnliche Insolvenzforderung. Indem das finanzielle Risiko des einflusslosen Fremdkapitalgebers vom unternehmerischen Risiko abgekoppelt ist, zeigt sich so noch einmal, dass für die rechtliche Begründung einer Treuhänderstellung der diesem Rollenbild entsprechenden Fremdkapitalgeber zu Gunsten anderer kein Raum besteht. Vereinfacht gesagt gilt folgender Zusammenhang: Jedem Darlehensgeber und stillen Gesellschafter wird einerseits das Recht zugesprochen, sein Rückzahlungsinteresse zu verwirklichen, er muss andererseits jedoch auch genau beobachten, wann der „richtige“ Zeitpunkt gekommen ist, diese Freiheit auszuüben. Die in Covenants vereinbarten besonderen Informationsrechte effektuieren somit das gesetzlich anerkannte Lösungsinteresse des Fremdkapitalgebers. Der Aspekt der Krisenfrüherkennung („warning“) 1 ist daher für sich genommen kein Grund, hierauf eine besondere Verantwortung für das Unternehmen und die anderen Gläubiger zu begründen.2 Sollten die non-adjusting creditors tatsächlich darauf vertrauen, dass die eigenverantwortliche Kreditprüfung und Überwachung durch andere ihre Interessen mitberücksichtigt, handelt es sich somit allein um tatsächliches Vertrauen, ohne dass rechtlich betrachtet hieraus auch 1 Zum „warning and guidance“ als tragende Grundlage einer Risikosteuerung durch Covenants bereits oben § 1 III. 2 Abw. Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 282, wonach für die Schadensersatzhaftung aus § 117 AktG bereits ein „hohes Maß an Kontrollintensität“ ausreichen soll.

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

ein Vertrauendürfen erwächst. Die bloße Kreditgewährung oder -belassung vermag daher entgegen mancher Stimmen in der Literatur keine Kreditgeberhaftung unter Vertrauensaspekten zu begründen.3 Etwas anderes kann freilich dann geboten und dogmatisch begründbar sein, wenn die adjusting creditors sich aufgrund eines Covenant-unterlegten Finanzierungsvertrages oder rein tatsächlicher Handlungen von dem soeben herausgearbeiteten Rollenbild entfernen und über die Kontrolle hinaus auch Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen („guidance“). Nachdem bereits zu Beginn der Arbeit herausgearbeitet wurde, dass die generalklauselartigen Haftungstatbestände gemäß § 826 BGB und § 117 AktG für sich genommen keine überzeugende Grundlage zur tatbestandlichen Erfassung einer Gläubigerverantwortung sind,4 gilt es nunmehr nach anderen, sachnäheren Begründungsansätzen zu suchen. Im Mittelpunkt stehen insofern die Verantwortlichkeit der Fremdkapitalgeber als faktische Organe, wegen der Verletzung einer dem Finanzierungsvertrag innewohnenden Treuepflicht und die Begründung einer Gläubigerverantwortung unter Rückgriff auf konzernrechtliche Wertungen. Diese Instrumente sollen nach der überwiegenden Meinung in der Literatur einen Interessengleichlauf des Fremdkapitalgebers mit dem finanzierten Unternehmen herstellen und Fehlverhalten sanktionieren, wovon auch die übrigen Gläubiger profitieren können. Man kann sie daher als eine funktional der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals entsprechende Gewährleistung verstehen, freilich mit Unterschieden in den Rechtsfolgen.

I. Die Covenant-gestützte Fremdfinanzierung als konzernrechtliche Beherrschung Denkbar wäre, die Einflussnahme eines Nichteigentümers, insbesondere eines Kreditgebers, auf die Unternehmensleitung als konzernrechtliche Beherrschung zu sehen und mit konzernrechtlichen Schutzinstrumenten eine entsprechende Gläubigerverantwortung zu begründen.

1. Der faktisch herrschende Fremdkapitalgeber Über § 311 AktG ließe sich bei nachteiliger Einflussnahme ohne Ausgleich eine entsprechende Haftung gemäß § 317 AktG gegenüber dem finanzierten Unternehmen begründen.5 Der BGH und die überwiegende Literatur sind indessen 3

Vgl. bereits oben § 11. Oben § 4. 5 Für Kreditgeber explizit Mertens, ZHR 143 (1979), 174, 194 (Fn. 33); Nagel/Riess/Theis, DB 1989, 1505, 1507 f. Vgl. zur faktischen Abhängigkeit aufgrund des Depotstimmrechts der Banken Kruppa, Bankenhaftung, S. 188 ff. 4

I. Die Covenant-gestützte Fremdfi nanzierung als konzernrechtliche Beherrschung 351

traditionell der Meinung, dass es zur Bejahung des faktischen Abhängigkeitstatbestand gemäß § 17 AktG einer „gesellschaftsrechtlich bedingten oder zumindest vermittelten Einwirkungsmöglichkeit“ bedarf. 6 Hiernach wäre es von vornherein ausgeschlossen, die hier interessierende Verantwortung von Nichteigentümern für das finanzierte Unternehmen und seine sonstigen Gläubiger mit den Regeln des faktischen (und ggf. qualifizierten) 7 faktischen Konzerns zu erfassen. In der jüngeren Literatur mehren sich jedoch die Stimmen, das Konzernrecht völlig rechtsformübergreifend zu sehen und die Begriffe des herrschenden und abhängigen Unternehmens iSv. 15 ff. AktG funktional, auf den jeweils in Rede stehenden Normzweck abgestimmt, zu definieren. Hieraus folgt, dass ein abhängiges Unternehmen iSv. § 17 AktG jeder Rechtsträger, insbesondere auch ein Einzelunternehmer, sein kann und umgekehrt der Einfluss nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt zu sein braucht. 8 Die so verstandene faktische Beherrschung ließe sich hiernach als konzernrechtliches Schutzinstrument verstehen, worüber auch der zunehmende Fremdeinfluss der Unternehmensgläubiger gefasst werden könnte.

2. Der Finanzierungsvertrag als konzernrechtlicher Beherrschungsvertrag Weiterhin denkbar ist die Einordnung eines Finanzierungsvertrages als konzernrechtlicher Unternehmensvertrag iSv. §§ 291 ff. AktG. Hierbei ist zwischen den verschiedenen Vertragsarten zu unterscheiden. In Rechtsprechung und Literatur besteht seit langem Einigkeit, dass auch schuldrechtliche Austauschverträge „andere Unternehmensverträge“ iSv. § 292 AktG sein können.9 Insbesondere ein Finanzierungsvertrag, der die AG oder KGaA zur Ausführung eines Teils ihres Gewinns verpflichtet, kann unter § 292 Abs. 2 Abs. 1 Nr. 2 AktG fallen.10 Das Gleiche gilt gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG, wenn sich die Gesellschaft verpflichtet, den Betrieb für Rechnung eines

6

BGHZ 90, 381, 295 ff.; BGH, NJW 1993, 2114, 2115; BGH, NJW 1997, 1855, 1856; Ulmer, ZGR 1978, 457, 463 ff.; Koppensteiner, FS Stimpel, 1985, S. 811, 813 f.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 385; Fleischer, ZIP 1998, 313, 318. Die tatsächliche Ausübung von Herrschaft wird jedoch nicht verlangt (vgl. nur BGHZ 62, 193, 196 f.). 7 Dieser Ansatz ist trotz gegenteiliger Äußerungen des BGH im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung keineswegs obsolet (vgl. nur Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG SchlAnhKonzernR Rn. 155 sowie LG München, ZIP 2008, 242, 243). 8 Hüffer, AktG, § 15 Rn. 14, abw. aber § 17 Rn. 8; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 20 f. für den Fall, dass ein Unternehmen der betreffenden Gesellschaft seinen Willen beständig aufzwingt; Bayer, in Münch Komm AktG, § 17 Rn. 115 ff., 29, für den Fall, dass ein Wechsel zu einem anderen Kreditgeber nicht realisierbar ist. 9 Zum Ganzen ausführlich Veil, Unternehmensverträge, S. 24 ff.; aA ohne nähere Begründung Hüffer, AktG, § 292 Rn. 22. 10 Für die stille Beteiligung an einer AG BGHZ 156, 38, 43; für „atypische Kreditverträge“ auch Veil, Unternehmensverträge, S. 284 ff.

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

anderen zu führen.11 Hieraus lässt sich eine Gläubigerverantwortung indessen nicht unmittelbar begründen. Sollte man einen Finanzierungsvertrag als Unternehmensvertrag iSv. § 292 AktG qualifizieren, folgt daraus allein das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung gemäß § 293 Abs. 1 AktG und das Erfordernis der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister gemäß § 294 AktG. Weitergehende Pflichten des anderen Vertragsteils, insbesondere zur Einhaltung einer bestimmten Sorgfalt gegenüber dem Unternehmen, die Möglichkeit der Ausübung eines Weisungsrechts und die korrespondierende Verlustübernahme gemäß § 302 AktG bestehen nach der konzernrechtlichen Ausgangslage nicht und müssten daher aus dem entsprechenden Vertrag selbst abgeleitet werden.12 Wollte man daher über die konzernrechtlichen Schutzinstrumente eine Selbstbetroffenheit des Fremdkapitalgebers begründen, müsste der Finanzierungsvertrag – Darlehen, stille Beteiligung – als (verdeckter) Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 AktG zu qualifizieren sein. Dies ist keineswegs ausgeschlossen.13 Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass die Unternehmensverträge iSv. § 291 Abs. 1 AktG sowohl zwischen allen Unternehmen bzw. deren Rechtsträgern geschlossen werden können,14 als auch vor allem auch keine mitgliedschaftlich begründete Verbindung zum Vertragspartner voraussetzen.15 Dass die formalen und materiellen Anforderungen gemäß §§ 291 ff. AktG in der Regel nicht eingehalten werden, soll nach Ansicht des BGH nicht daran hindern, die Rechtsfolgen gemäß §§ 302, 303 AktG analog anzuwenden, sobald der fehlerhafte Beherrschungsvertrag tatsächlich durchgeführt worden ist und das herrschende Unternehmen erfolgreich in die Geschäftsführung des abhängigen Unternehmens eingegriffen hat.16 Hieran hat sich auch nach Aufgabe der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns durch die Rechtsprechung nichts geändert.17 Die Ausgleichspflicht gemäß § 302 AktG beim fehlerhaften Beherrschungsvertrag wurde stets als hiervon zu unterscheidender Ansatz gesehen, insbesondere wegen der erleichterten Beweisführung.18

11

BGH, NJW 1982, 1817 (Holiday Inn). Hierzu sogleich unter II. 3. b. 13 Vgl. jüngst LG München, ZIP 2008, 242; hierzu Goslar, DB 2008, 800, 805. 14 Für die GmbH BGHZ 105, 324, 334 (Supermarkt); vgl. Altmeppen, in Münch Komm AktG, § 291 Rn. 19. 15 Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 352; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 6; Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 22 Fn. 90. 16 BGH, NJW 1988, 1326, 1326 f.; BGH, NJW 1988, 3143, 3146 f.; BGH, NJW 1992, 505, 505 f.; wohl auch LG München, ZIP 2008, 242, 243. 17 Vgl. BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan). 18 Nachw. soeben Fn. 16. 12

I. Die Covenant-gestützte Fremdfi nanzierung als konzernrechtliche Beherrschung 353

3. Die notwendige Überlagerung durch das Konzerninteresse Nach dem Vorgesagten könnten sowohl die Schadensersatzhaftung gemäß § 317 AktG beim faktischen Konzern als auch eine wegen Vorliegens eines wirksamen oder fehlerhaften Beherrschungsvertrags bestehende Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 Abs. 1 AktG eine Selbstbetroffenheit des Einflussnehmenden herstellen. Das entscheidende Erfordernis zur Bejahung einer konzernrechtlichen Verbindung wird bei der Unternehmensfinanzierung durch Dritte jedoch regelmäßig fehlen. Der Beherrschungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG legitimiert nämlich nicht jedwede Leitungsmacht. Das Weisungsrecht gemäß § 308 Abs. 1 AktG findet seine Grenzen in der Verwirklichung eines gegenüber dem Interesse des abhängigen Unternehmens höherrangigen Konzerninteresses. § 308 Abs. 2 S. 2 stellt dies mittelbar klar, indem die Befolgung offensichtlich nicht den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienender Weisungen verweigert werden darf. Für den faktischen Konzern gilt dasselbe. Selbst wenn man im Einklang mit der jüngeren Literatur auf das Merkmal der gesellschaftsrechtlich begründeten Abhängigkeit verzichtet, muss es sich doch um ein herrschendes „Unternehmen“ handeln (vgl. § 311 Abs. 1 AktG). Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass auch Nicht-Gesellschafter Parteien eines (fehlerhaften) Beherrschungsvertrages sein können, stellt sich daher das allgemeine Problem des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs und das hieraus zu begründende – ggf. beschränkte – Regelungsanliegen des deutschen Konzernrechts. a. Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff – Notwendigkeit einer Interessenkollision Eine Legaldefinition des Begriffs Unternehmen iSv. § 291 Abs. 1 AktG und § 311 Abs. 1 AktG enthält das Gesetz nicht. Die in §§ 15 ff. AktG definierten Tatbestände der Unternehmensverbindungen setzen den Begriff des Unternehmens voraus und beschränken sich darauf, die verschiedenen Stufen der Abhängigkeit zu bestimmen. So wird zum Beispiel gemäß § 17 Abs. 2 AktG von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm in Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Welche Eigenschaften das Unternehmen, das den entsprechenden Aktienbesitz hält, aufweisen muss, wird nicht gesagt. Fest steht allein, dass es Aktien einer Gesellschaft halten kann oder möglicher Vertragspartner eines Unternehmensvertrages ist. Da dem Unternehmen selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, kommen hierfür alle natürlichen und juristischen Personen sowie die (teil-)rechtsfähigen Personengesellschaften in Betracht. Im Ausgangspunkt macht es somit keinen Unterschied, ob eine natürliche Person oder eine Gesellschaft Vertragspartner der

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

abhängigen Gesellschaft gemäß § 291 Abs. 1 AktG oder Einflussnehmender iSv. § 317 AktG ist. Problematisch ist jedoch, ob es aufgrund des möglicherweise begrenzten Schutzzwecks des Konzernrechts zu einer tatbestandsmäßigen Einschränkung der Adressaten einer Konzernhaftung kommt. Bereits in der Regierungsbegründung zum AktG 1965 heißt es, das neu kodifizierte Konzernrecht sei eine Reaktion auf die Gefahren, die daraus resultieren, dass bei Vorliegen eines Unternehmensverbunds iSv. § 15 AktG gesellschaftsfremde, unternehmerische Partikularinteressen verfolgt werden.19 Die aus der konzernrechtlichen Unternehmensverbindung resultierenden Gefahren für die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Gesellschaft, ihre Aktionäre und Gläubiger beruhen hiernach auf der Kollision verschiedener Interessen - die in der Zwecksetzung niedergelegten Interessen der beherrschten Gesellschaft einerseits und die Interessen des Vertragspartners, zu deren Verfolgung er sich die abhängige Gesellschaft nutzbar machen will, auf der anderen Seite. Dies gilt selbst dann, wenn man mit guten Gründen dafür plädiert, diese Interessenkollision nicht mehr auf den Bereich „klassischen“ unternehmerischen Tätigwerdens zu beschränken, sondern auch individuelle, aber verbandsschädliche Aktionärsinteressen („shareholder value“) als Grundlage für eine Konzerngefahr anerkennt.20 b. Konsequenzen für den Finanzierungsvertrag mit Dritten Gerade diese Nutzbarmachung einer Gesellschaft entgegen ihrer eigenen Zwecksetzung zu Gunsten anderer Interessen ist beim Finanzierungsvertrag mit Dritten jedoch regelmäßig nicht gegeben. Zwar erscheint es durchaus möglich, dass die Covenant-unterlegten Finanzierungsverträge dem Fremdkapitalgeber ein Weisungsrecht einräumen, die Geschäftstätigkeit des finanzierten Unternehmens nicht nur beschränken zu können, sondern zugleich eigene Initiativen auf Kosten des Unternehmens durchzusetzen.21 Dem Dritten geht es jedoch regelmäßig darum, das finanzierte Unternehmen im Rahmen seiner Zwecksetzung zu nutzen, um damit die erwartete Vergütung zu erzielen und die Rückerstattung bei Fälligkeit zu erhalten. 22 Das Mittel der Verfolgung eines Eigeninteresses ist daher gerade das Wirtschaften des finanzierten Unternehmens auf eigene Rechnung. Insofern unterscheidet sich das Interesse der Fremdkapitalgeber gar nicht von den finanziellen und unternehmerischen Interessen der Eigentümer, ohne dass dort ein Bedürfnis nach konzernrechtlichen Schutz19

Regierungsbegründung bei Kropff, Aktiengesetz, S. 373 f. Hierzu Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 28 (m. w. N.). 21 Abw. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 384. 22 Insoweit ähnlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 386, wonach es den beteiligten Banken bei der Krisenbewältigung nicht darum gehe, ein „konzernmäßiges Gesamtinteresse“ durchzusetzen. 20

I. Die Covenant-gestützte Fremdfi nanzierung als konzernrechtliche Beherrschung 355

instrumenten bestehen würde. 23 Wurde der Finanzierungsvertrag mit einem sog. Equitiy-Kicker versehen, ist diese Nähe evident, immerhin erlangt der Kapitalgeber am Ende der Laufzeit Anteile am Unternehmen. Im Regelfall wäre es daher eine unzulässige Fiktion, das finanzielle und unternehmerische Interesse des Dritten als höherrangiges Konzerninteresse iSv. § 308 AktG anzusehen und hierauf die konzernrechtlichen Schutzmechanismen anzuwenden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Mitsteuerung durch den Dritten dazu führt, dass das Unternehmen sich von der in der Satzung niedergelegten Zwecksetzung entfernt und die hiervon abweichenden Zwecke des Fremdkapitalgebers unmittelbar verwirklicht werden sollen. Man denke nur daran, dass ein Automobilunternehmen sich an seinen Zulieferern als Fremdkapitalgeber beteiligt und über den Finanzierungsvertrag dahingehend Einfluss ausübt, dass das Zulieferunternehmen sich der Automobilproduktion unterordnet und zum Beispiel zu „Konzernverrechnungspreisen“ liefert. 24 Ein ähnlicher, die konzernrechtliche Abhängigkeit begründender Tatbestand könnte dann vorliegen, wenn ein Fremdkapitalgeber mehrere Unternehmen finanziert und bei dem einen Unternehmen Maßnahmen veranlasst, die einem anderen Unternehmen nutzen, er also Einbußen im einen Unternehmens hinnimmt, um beim anderen einen entsprechend höheren Ertrag zu erzielen. Fehlt es aber an diesen, für die hier interessierenden Finanzierungsverträge atypischen Merkmalen einer konzernspezifischen Interessenüberlagerung, spricht bereits jetzt Vieles dafür, die Verantwortung der Fremdkapitalgeber auf der Grundlage einer funktionalen Vergleichbarkeit mit den Eigentümern des Unternehmens zu entwickeln, deren – legitime – Verfolgung von Eigeninteressen aufgrund gesetzlicher Regeln eingeschränkt wird.

4. Ergebnis Die Annahme einer faktischen Beherrschung bzw. eines wirksamen oder fehlerhaften Beherrschungsvertrages, die das Eingreifen der speziellen konzernrechtlichen Schutzmechanismen rechtfertigen würde, lässt sich nur begründen, wenn zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmenseigentümer bzw. der im Unternehmen inkorporierten Zwecksetzung eine konzerntypische Interessendivergenz besteht. Ist das Verhältnis zwischen Fremdkapitalgeber, Unternehmenseigentümer und der entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Zwecksetzungen hingegen von einem Interessengleichlauf gekennzeichnet, scheidet die 23 Eine abweichende Beurteilung ist nur dann geboten, wenn das Eigeninteresse im Widerspruch zum Verbandsinteresse steht, vor allem im Zusammenhang mit der jüngeren Diskussion über die Bedeutung des shareholder value (vgl. Spindler/Stilz/Schall, AktG, Vor § 15 Rn. 28). Hiermit decken sich die Fälle des hier interessierenden Fremdeinflusses jedoch nicht. 24 Hierzu Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 401 ff.

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

Begründung einer vorrangigen Verlusttragung der einflussnehmenden Nichteigentümer nach konzernrechtlichen Grundsätzen aus.

II. Fremdkapitalgeber als faktische Organe Ungeachtet des bereits angedeuteten Interessengleichlaufs zwischen Fremdkapitalgeber und Eigentümern wird vielfach versucht, über einen Vergleich des einflussnehmenden Fremdkapitalgebers mit den Organmitgliedern juristischer Personen und deren Pflichten zu Gunsten des Rechtsträgers und Dritten die Verfolgung von schädlichen Eigeninteressen haftungsrechtlich zu sanktionieren. Während der BGH hierzu bisher unter dem pauschalen Hinweis, Kreditinstitute könnten als juristische Personen per se keine faktischen Organe sein, keine für das Zivilrecht vollkommen überzeugende Stellung bezogen hat, 25 gibt es in der Literatur zunehmend Ansätze, die Figur des faktischen Organs als Grundlage einer haftungsrechtlichen Effektuierung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch Kreditgeber nutzbar zu machen.

1. Die neueren Ansichten in der Literatur Im Zentrum der bisherigen Diskussion stand vornehmlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter, der zwar keine formale Organstellung als Geschäftsführer oder Vorstand innehat, haftungs- und strafrechtlich belangt werden kann, wenn er wie ein Organ, mithin als „faktischer Geschäftsführer“ handelt. 26 Auf die Überwindung der innergesellschaftlichen Organstruktur und der hiernach differenzierten Pflichtenbindung als Gesellschafter oder Organ ist die Diskussion um die faktische Organstellung indessen nicht beschränkt. So finden sich in jüngerer Zeit Ansätze, die sich unter Hinweis auf andere Rechtsordnungen dafür aussprechen, auch Dritte, insbesondere Kreditgeber, hierunter zu fassen. 27 Gerade die hier interessierende, über Covenantunterlegte Finanzierungsverträge vermittelte Einflussnahme auf die Geschäftsleitung kann hiernach ein Umstand sein, dem Dritten eine Schadensersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft wegen nachteiliger Einflussnahme gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG und gegenüber der Gesellschafter und Drit25

BGH, NZI 2002, 395, 397; hierzu mit guten Einwänden kritisch Fleischer, AG 2004, 517,

526. 26 Grundlegend Stein, Das faktische Organ, 1984; vgl. für die GmbH statt anderer Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 3; Schulze-Osterloh/Servatius, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 82 Rn. 87; Haas, NZI 2006, 494; für eine Ausweitung auch Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 ff. 27 Vgl. Fleischer, AG 2004, 517, 520 ff.; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 377 ff.; Kästle, Rechtsfragen, S. 145 f.; Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 30 ff.; Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1783.

II. Fremdkapitalgeber als faktische Organe

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ten gemäß § 92 Abs. 3 AktG, § 64 Abs. 2 GmbHG bzw. künftig § 15 a E-InsO (ggf. iVm. § 823 Abs. 2 BGB) wegen Insolvenzverschleppung aufzuerlegen. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Diskussion steht dabei die bereits seit langem für die Bejahung einer faktischen Organstellung eines Gesellschafters geführte Auseinandersetzung, unter welchen Voraussetzungen jemand als faktisches Organ anzusehen ist. a. Das Erfordernis eines nach außen hervortretenden Handelns Ein recht gefestigtes Meinungsspektrum besteht hinsichtlich der Frage, ob eine faktische Organstellung nur dann vorliegt, wenn die betreffende Person nach außen wie ein ordnungsgemäß bestelltes Organ auftritt oder ob es bereits ausreicht, dass der Betreffende einen mit der Organkompetenz vergleichbaren Einfluss auf das Unternehmen bzw. dessen Rechtsträger ausübt, ohne dass andere hiervon Kenntnis erlangen. Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur spricht sich sowohl bei der zivil- als auch bei der strafrechtlichen Beurteilung eines „faktischen Geschäftsführers“ für Ersteres aus. Nach der gängigen Formel des BGH genügt es für eine analoge Heranziehung der Organpflichten des betreffenden angemaßten Amtes nicht, wenn eine Person auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer gesellschaftsintern einwirkt; erforderlich sei vielmehr ein nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln. 28 Für die strafrechtliche Beurteilung ist die herrschende Ansicht noch enger, indem dort nach wie vor angeführt wird, über das nach außen hervortretende Handeln des Täters hinaus bedürfe es eines zumindest dem äußeren Erscheinungsbild nach wirksamen Bestellungsakts. 29 Selbst unter Zugrundlegung dieser strengen Anforderungen erscheint es keineswegs ausgeschlossen, auch unternehmensfremde Dritte, wie professionelle Unternehmensberater und die hier interessierenden Fremdkapitalgeber als faktische Organe anzusehen und für die Beurteilung ihrer Einflussnahme das entsprechende Pflichtenkorsett der Geschäftsführer oder Vorstände heranzuziehen. Gerade bei der insolvenznahen Krisenbewältigung ist es durchaus üblich und geboten, dass die Fremdkapitalgeber Vertreter in das finanzierte Unternehmen entsenden, die bei einer Workout-Runde unter Beteiligung vieler Gläubiger die strengen Kriterien einer faktischen Geschäftsführerstellung erfüllen und einem Fremdkapitalgeber über § 278 BGB zurechenbar sind.30 28 BGHZ 150, 61, 69 (mit Nachw. zur früheren Rspr., insbes. BGH, WM 1972, 1354, 1355); ähnlich OLG Düsseldorf, NZG 2000, 1032, 1033. Zum Ganzen mit umfangreichen Nachw. Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 3; kritisch zum Erfordernis eines nach außen sichtbaren Auftretens Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1783. 29 Vgl. statt anderer Schulze-Osterloh/Servatius, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 82 Rn. 87 (m. w. N., auch zu der an das Zivilrecht angelehnten Gegenmeinung). 30 Einzelheiten bei Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 264 ff.; Fleischer, AG 2004, 517, 525 („Krisensituationen, in denen Nicht-Gesellschafter die Unternehmensleitung voll-

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b. Die zusätzlichen Voraussetzungen Im Kern reduziert sich daher die Frage darauf, unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen der Begriff des faktischen Geschäftsführers bei der zunehmend engen Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen Geltung beansprucht und die Folgen der Bejahung einer solchen faktischen Organstellung es ermöglichen, die Einflussnahme der Dritten insoweit zu steuern, als das finanzierte Unternehmen und seine Gläubiger nicht schutzlos gestellt sind. aa. Der generalklauselartige Ansatz Fleischers Nach Ansicht Fleischers können Kreditgeber als faktische Geschäftsführer zu qualifizieren sein, wenn deren Einflussnahme auf die Unternehmensleitung ein Eingriff in die „korporative Sphäre“ des Kreditnehmers darstelle.31 Hiernach seien schuldrechtlich ausbedungene Informations- und Inspektionsrechte von vornherein unschädlich. Die faktische Organschaft scheide auch dann aus, wenn Finanzinstitute die Kreditausreichung an die Einhaltung bestimmter betriebswirtschaftlicher Schlüsselgrößen knüpften oder die Beiziehung von Sanierungsberatern verlangten. Die „kritische Zone“ beginne erst dort, wo der externe Kreditgeber in die gesetzliche Organisationsstruktur der Gesellschaft eindringe. Hierzu genüge weder eine bloße Konsultation vor wichtigen Unternehmensentscheidungen noch eine gelegentliche Teilnahme an Vorstandssitzungen, wohl aber die Wahrnehmung organtypischer Entscheidungsbefugnisse, namentlich die alleinige Übernahme der Finanzangelegenheiten in Krisenzeiten einschließlich der exklusiven Verhandlungsführung mit allen Gesellschaftsgläubigern. bb. Die Fallgruppenbildung von Himmelsbach/Achsnick Dieser generalklauselartigen Kennzeichnung stellen Himmelsbach/Achsnick Fallgruppen gegenüber, die die Bejahung einer faktischen Organstellung des Kreditgebers ausschließen bzw. zur Folge haben.32 ständig an sich reißen“); vgl. für die Zurechnung von Beratern Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 35 f. Zum veränderten Anreizsystem für Eigentümer und Gläubiger bei der vorinsolvenzlichen Krisenbewältigung bereits oben § 6 II. 31 Zum Nachfolgenden Fleischer, AG 2004, 517, 527; ähnlich ders. DStR 2006, 1507, 1514. Vgl. auch Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 22, wonach eine faktische Organstellung in Betracht komme, wenn der Dritter der Gesellschaft seinen Willen beständig aufzwinge. 32 Zum Nachfolgenden Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360 ff. Ähnlich für das Strafrecht bereits BayObLGSt 97, 38, wonach eine faktische Organstellung in Betracht komme, wenn von den nachfolgenden acht Merkmalen sechs erfüllt seien: Bestimmung der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Einstellung von Mitarbeitern, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern, Verhandlungen mit Kreditgebern, Gehaltshöhe, Entscheidung in Steuerangelegenheiten und Steuerung der Buchhaltung.

II. Fremdkapitalgeber als faktische Organe

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Uneingeschränkt zulässig seien – alle Maßnahmen, die der Information und Kontrolle, also der reinen Rechtswahrnehmung dienten, also keine Außenwirkung entfalten und durch die nicht im maßgeblichen Umfang typische, d. h. gesetz- und satzungsmäßige Geschäftsführungsaufgaben übernommen würden; – Maßnahmen zur Verbesserung der Informationsbasis, wie die Einführung eines regelmäßigen Reportings, die Sicherheitenprüfung und Einsichtnahme in Kreditoren- und Debitorenlisten, die Einholung eines Gutachtens zu Überschuldung, Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit; – begrenzte Kontrollmaßnahmen wie konkrete Vorschläge zur Einschaltung Externer als Hilfe, gegebenenfalls sogar als Bedingung für die Kreditbelassung bzw. -vergabe, die Installierung eines Beirats, Entnahmebeschränkung der Gesellschafter und der Geschäftsführung, Mitentscheidung bei zu finanzierenden Investitionen und Ablehnung bestimmter Personen als Unternehmensleiter. Bedenkliche, aber noch vertretbare Maßnahmen seien: – eigenmächtige Auswahl der – wegen der in der Summe der Tagesverfügungen überschrittenen Kreditlinie – nicht ausführbaren Überweisungen durch die Bank; – Einsetzung einer Vertrauensperson (Sanierer) der Bank mit Geschäftsführungsbefugnis, wenn diese weisungsabhängig ist, von der Bank direkt beauftragt und bezahlt wird und von dieser kurzfristig kündbar ist; – Einsetzung eines Lenkungsausschusses oder Kontrollgremiums mit direkten Steuerungsmöglichkeiten ins Tagesgeschäft; – Entsendung von Mitarbeitern oder Vertrauenspersonen der Bank in das Unternehmen des Kreditnehmers, die der Geschäftsleitung mit Rat und Tat zur Seite stehen und den Kreditgeber über die Entwicklung des bedrohten Unternehmens unterrichten. Vorsicht geboten sei lediglich bei der Beauftragung und Bezahlung des Sanierers direkt durch die Bank, bei Weisungsabhängigkeit gegenüber der Bank und einer derart starken Überwachung der Geschäftstätigkeit, dass jede auch noch so kleine Verfügung über Vermögenswerte von der Zustimmung des Kreditgebers abhängig ist. So sei beispielsweise darauf zu achten, „dass der Kreditnehmer noch selbstständig über die Begleichung seiner sonstigen Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Drittgläubigern entscheidet; frei bleibt, im Rahmen der ihm eingeräumten Kreditlinie Waren oder Rohstoffe nach eigener Entscheidung zu beziehen oder herzustellen (Einkauf und Produktion); frei bleibt, seine Waren und Produkte auf die von ihm gewählte Weise zu verkaufen (Absatz), uneingeschränkt Personal einzustellen und zu entlassen und deren Gehalt bestimmen kann; die Entscheidungshoheit in Steuerangelegenheiten behält und Rechnungswesen und Buchhaltung des Unternehmens weiterhin steuert und die strategische Unternehmensplanungshoheit (das heißt über Unternehmens-

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

politik und -organisation) behält.“33 Weiter heißt es, der Kern der unternehmerischen und kaufmännischen Tätigkeit sowie die wirtschaftliche Selbstständigkeit müsse dem Kreditkunden selbst vorbehalten bleiben, wenngleich auch hier eine Kontrolle durch die Bank nicht schade. 34 Folglich sei es für die Bank empfehlenswert, das Verhandeln mit Lieferanten, Kunden, anderen Banken, Kreditversicherern, Arbeitnehmern, öffentlichen Gläubigern wie dem Finanz- oder Arbeitsamt oder den Sozialkassen, dem Steuerberater etc. jedenfalls dem ordentlichen Geschäftsführer zu überlassen und sich darauf zu beschränken, diesem intern Weisungen zu erteilen, die ihm aber noch Spielraum lassen.35 Zu vermeiden sei auch, dass die vertraglichen Grundlagen der Einflussnahme eines Darlehensgebers nicht mehr nachvollziehbar ist.36 Als letzte Fallgruppe definieren Himmelsbach/Achsnick folgende eindeutig unzulässigen Maßnahmen: – Alle Maßnahmen, die eine strafbare Täterschaft oder Teilnahme der Bank zu Insolvenzstraftaten darstellen oder in diese Nähe rücken, also wenn es um die eigennützige Vorteilserlangung und das gezielte oder zumindest bewusst in Kauf genommene Beiseiteschaffen von Vermögenswerten geht; – die Untersagung von Kontoverfügungen oder die selbstständige Auswahl und Ausführung von Überweisungen innerhalb eines freien Kreditrahmens (Kontokorrent), eigenmächtige Entscheidung über Kontoausgänge, Eingriffe in das Rechnungswesen und die Buchhaltung des Kreditkunden, wie etwa bestimmte Buchungsanweisungen, da dies herausragende Eingriffe mit Außenwirkung sind; – wiederholte Eingriffe in das Tagesgeschäft mit Außenwirkung, etwa Eingriffe ins Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsgeschäft, Kundenbesuche, Eingriffe in Personaldispositionen und in betriebliche Organisationsfragen, negative Informationen an Abnehmer/Lieferanten, aktive Warnungen, Presseangriffe.

2. Erste Kritik an der tatbestandlichen Abgrenzung Betrachtet man die vorstehenden Abgrenzungskriterien, erscheint es bereits als zweifelhaft, ob jenseits der relativ leicht zu ermittelnden Außenwirkung des Handelns eine dogmatisch begründbare und praktisch handhabbare Leitlinie besteht, die „schädliche“ von der „unschädlichen“ Einflussnahme abzugrenzen. Ein vergleichbares (Schein-)Problem besteht seit langem im Aktienrecht. Auch dort ist eine Abgrenzung von „Leitung“ iSv. § 76 Abs. 1 AktG und „Geschäftsführung“ iSv. 77 Abs. 1 AktG möglich. Ohne dass die Notwendigkeit einer Dif33 34 35 36

Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360.

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ferenzierung dieser beiden die Vorstandskompetenz kennzeichnenden Begriffe deutlich wird, gibt es eine Vielzahl von Abgrenzungskriterien, wonach sich Leitung und Geschäftsführung unterscheiden sollen.37 Dass die herrschende Meinung diese Abgrenzung zutreffend ignoriert und dem Vorstand die Kompetenz für alles zuweist, wofür nicht aufgrund einer gesetzlich bestehenden oder rechtfortbildend begründeten Regel ein anderes Organ zuständig ist,38 verdeutlicht die Fruchtlosigkeit einer tatbestandlichen Gegenüberstellung von Leitung und Geschäftsführung.39 Im hier interessierenden Bereich der faktischen Geschäftsführung gilt letztlich dasselbe. Wird nicht der ggf. begrenzte Schutzzweck der haftungsrechtlichen Sanktionierung einer Einflussnahme herausgearbeitet, erscheint eine Abgrenzung danach, ob der Dritte in die „korporative Sphäre“ des Unternehmens eindringt40 oder ob der Dritte „typische Geschäftsführungsaufgaben“ übernimmt,41 ungeeignet, die Mitsteuerung durch Dritte rechtlich zu erfassen. Betrachtet man die vermögensmäßigen Folgen einer Einflussnahme für die Eigentümer und sonstige Gläubiger, spielt es keine Rolle, ob der Einfluss durch ein Eindringen in die korporative Sphäre erfolgt oder „nur“ durch eine gezielte Beeinflussung des betreffenden Organwalters, die auch im Einzelfall schädlich sein kann.42 Will man die Verbandsautonomie schützen und damit die Gesellschafter vor einer Wahrnehmung ihrer Interessen durch nicht-pflichtengebundene Agenten, wäre es ebenso konsequent, bereits die ad hoc erfolgende, einmalige Einflussnahme für schädlich zu halten.43 So spricht bereits jetzt Vieles dafür, von vornherein auf einen anderen Ansatz zur Begründung einer die Einflussnahme kompensierende Verantwortung durch Unternehmensfremde 37 Statt anderer Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 1980, S. 9 f., 17 f.; vgl. auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7: Leitung als „Führungsfunktion des Vorstands, mithin einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung“. 38 Mertens, in KölnKomm AktG, § 77 Rn. 2: „Geschäftsführung als jedwede tatsächliche und rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die AG“; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3; zur „Auffangzuständigkeit des Vorstands bereits Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 260 ff. 39 Etwas anderes auch dann nicht, wenn der Begriff der Leitung aus einem besonderen Grund konkretisierungsbedürftig ist. So spricht sich zu Recht niemand dafür aus, die Leitungsbefugnis gemäß § 308 Abs. 1 AktG nur auf die „Führungsfunktion“ des Vorstands zu erstrecken, sondern auch auf alle Maßnahmen der „einfachen“ Geschäftsführung (so auch Hüffer, AktG, § 308 Rn. 12). 40 So Fleischer, AG 2004, 517, 537. 41 So Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. 42 Dies konzediert auch Fleischer, AG 2004, 517, 525: Ein kleiner Vorbehalt gegen das Erfordernis dauernder Einflussnahme sei angezeigt, weil gezielte Einzeleingriffe die Gesellschaft nicht minder schwer schädigen könnten; ähnlich Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 125, wonach für die Schadensersatzhaftung aus § 117 AktG bereits die Ausübung partieller Weisungsrechte aus dem Kreditvertrag ausreichen kann. 43 So auch Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1783; abw. Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 23, wonach die externe Dominanz beständig sein müsse.

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zurückzugreifen. Bevor dies abschließend entschieden wird, soll jedoch kurz dargestellt werden, dass das vorstehend skizzierte Problem bei der Begründung einer schadensrechtlichen Lender Control Liability durchaus auch in anderen Rechtsordnungen anzutreffen ist und von der Literatur als Regelungsvorbild herangezogen wird.

3. Rechtsvergleichende Aspekte als Regelungsvorbild? Insbesondere Fleischer stützt seinen zurückhaltenden Ansatz zur Bejahung einer faktischen Organstellung Dritter mit rechtsvergleichenden Aspekten.44 Auch Schall spricht sich dafür aus, die Schadensersatzhaftung Dritter wegen „externer Dominanz“ in Anlehnung an die englische Vorstellung einer cession of autonomy zu begründen.45 a. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im englischen Recht Nach englischen Recht können Dritte einmal de facto director einer Gesellschaft sein, wenn sie nach außen als Direktoren auftreten, ohne wirksam in dieses Amt berufen worden zu sein.46 Mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs nehmen die Gerichte eine funktionsorientierte Abgrenzung anhand der Gesamtumstände des Einzelfalles vor.47 Bezogen auf Kreditgeber wurde die Einbeziehung als de facto director bisher mehrfach erörtert, von den Gerichten jedoch im Ergebnis stets verneint.48 Insofern gibt es derzeit keine verbindliche gerichtliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen jemand de facto director ist.49 In der Literatur finden sich jedoch Stimmen, wonach der de facto director wie der faktische Geschäftsführer im deutschen Recht nach außen den Anschein erweckt haben muss, zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein.50 Die hiervon abzugrenzende Figur des shadow director wird zwar unter anderem in sec. 251 Insolvency Act als eine Person definiert, deren Anweisungen und Instruktionen die Direktoren der Gesellschaft gewöhnlich befolgen. Ein Auftreten nach außen ist nicht erforderlich. 51 Während die Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine Bank als shadow director wegen wrongful trading auf 44 Fleischer, AG 2004, 517, 520 ff.: „Rechtsvergleichender Rundblick“; vgl. rechtsvergleichend für die Einbeziehung von Gesellschaftern auch Haas, NZI 2006, 494, 496; für die Einbeziehung Dritter Kort, in Groß Komm AktG, § 117 Rn. 271 ff. 45 Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 17 Rn. 23. 46 Re Hydrodam (Corby) Ltd. (1994) 2 BCLC 180, 183. 47 Fleischer, AG 2004, 517, 520 (m. w. N.). 48 Secretary of State v. Becker (2003) 1 BCLC 555, 573; vgl. auch Fleischer, AG 2004, 517, 520 und Levitt, in VGR 2004, S. 151, 164. 49 Ferran, Company Law and Finance, S. 155. 50 Vgl. Haas, NZI 2006, 494, 496; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 204. 51 Haas, NZI 2006, 494, 496.

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Schadensersatz haften kann,52 ist die tatbestandliche Abgrenzung auch auf der Grundlage dieser Legaldefinition schwierig.53 In der Entscheidung Re PFTZM Ltd.54 wird die Grenze zwischen „haftungsunschädlicher Einflussnahme und haftungsschädlicher Usurpierung von Leitungsbefugnissen“55 für die hier interessierenden Kreditgeber wie folgt gezogen: Eine Finanzierungsgesellschaft gewährte einer in die Krise geratenen Gesellschaft ein Darlehen gegen 125-jähriges Nutzungsrecht am Gesellschaftsgrundstück. Dieses Grundstück wurde ihr sogleich wieder für 25 Jahre mietweise überlassen. Als die Gesellschaft mit dem Mietzins in Rückstand geriet, wurden knapp zwei Jahre lang wöchentliche Geschäftsbesprechungen abgehalten, an denen Angestellte der Finanzierungsgesellschaft teilnahmen. Unter Hinweis, dass die Finanzierungsgesellschaft nur ihre eigenen Interessen als Darlehensgeberin wahrgenommen habe, wurden vom High Court keine Anhaltspunkte für die Bejahung einer shadow directorship gesehen. b. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im französischen Recht Der faktische Geschäftsleiter ist als dirigeant de fait auch im französischen Recht bekannt.56 Nach Art. L 241–9, L 244–4, L 245–16, L 246–2c.com genügt es zwar, wenn der faktische Geschäftsführer die Leitung über eine SARL oder SA durch einen Strohmann offen oder verdeckt ausübt. Maßgebliches Kriterium ist, ob der Hintermann frei und unabhängig Aufgaben der Geschäftsführung wahrnimmt.57 Dies wird bei Kreditgebern indessen nicht bejaht, wenn der Dritte lediglich Kontrollrechte ausübt, die Ablösung eines unfähigen Geschäftsleiters oder die Aufstellung eines geeigneten Sanierungsplanes verlangt.58 Andererseits begründeten die Instanzgerichte bereits die Stellung einer Bank als faktischen Geschäftsleiter, die sich intensiv in die Geschäftsführung einmischt und dauerhaft einen Beauftragten abstellt, der den Gesellschaftsorganen alle wesentlichen Entscheidungen diktiert.59

52

Re a Company (No 005 009/1987), ex parte Copp (1989) BCLC 13. Einzelheiten und Nachweise aus der englischen Gerichtspraxis bei Fleischer, AG 2004, 517, 520; Hirt, ECFR 2004, 71, 89. 54 1995 BCC 166. 55 Fleischer, AG 2004, 517, 520. 56 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétées, Rz. 384; Fleischer, AG 2004, 517, 521; Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 277. 57 Haas, NZI 2006, 494, 496 (m. w. N.). 58 CA Paris, 15. 12. 1995, D. 1996 IR 74; CA Paris, 17. 3. 1978 D. 1978 IR 420. 59 Fleischer, AG 2004, 517, 521 unter Hinweis CA Paris, 3. 3. 1978, Gaz. Pal. 1978, somm. II, 394; für einen Franchisegeber Cass. Comm. 9. 11. 1993, Rev. Soc. 1994, 321. 53

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c. Kreditgeber als faktische Geschäftsführer im schweizerischen Recht Im schweizerischen Aktienrecht werden faktische Organe allgemein dadurch gekennzeichnet, dass sie, ohne gewählt oder besonders bezeichnet zu sein, Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen. 60 Auch hier kommt es entscheidend darauf an, dass die betreffenden Personen nach außen den Eindruck einer wirksamen Organbestellung erwecken. 61 Die bloße Mithilfe bei einer Entscheidung der Unternehmensleitung genügt nicht. 62 Für Kreditgeber hat das Bundesgericht diese Voraussetzungen im sog. Zumbrunn-Entscheid für den Fall bejaht, dass das Unternehmen aufgrund des Finanzierungsvertrages in allen Fragen der Unternehmensführung beraten wurde und die Bank darüber hinaus ein Teilnahme- und Äußerungsrecht bei allen Verwaltungssitzungen hat, was sie auch durch Entsendung zweier Vertreter wahrnahm. 63 Aus diesen Umständen schloss das Gericht auf gewichtige Einflussmöglichkeiten auf die Willenbildung und hieraus auf eine materielle Organstellung der Bankvertreter. 64 Etwas anderes solle hingegen für den Fall gelten, dass der Kreditgeber die Kapitalüberlassung und -belassung lediglich von einer bestimmten Geschäftspolitik abhängig macht. 65

4. Die faktische Organstellung als rechtsformübergreifender Ansatz? Betrachtet man das vorstehende Meinungsspektrum und die auch im internationalen Vergleich weitgehend für möglich erachtete faktische Organstellung eines Kreditgebers bei entsprechender Einflussnahme, scheint ein dogmatisch überzeugender Weg vorzuliegen, die verantwortungsbegründende Selbstbetroffenheit der Fremdkapitalgeber herzustellen. Erfüllt die Einflussnahme nicht die für Organmitglieder maßgebliche „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ (so § 43 Abs. 1 GmbHG) oder die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ (so § 93 Abs. 1 S. 1 AktG), haben die betreffenden Fremdkapitalgeber der Gesellschaft Schadensersatz zu leisten (§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG). 66 Von dieser vermögensmäßigen Kompensation zu Gunsten des Unternehmens könnten auch die übrigen Gläubiger pro60 BGE 117 II 432, 442; BGE 117 II 570, 571; BGE 128 III 29, 30; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 37 Rn. 4; Fleischer, AG 2004, 517, 523; Haas, NZI 2006, 494, 496; Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 277. 61 Bärtschi, Verantwortlichkeit im Aktienrecht, S. 104 ff. 62 BGE 128 III, 29, 31. 63 BGE 107 II, 349, 354. 64 BGE 107 II, 349, 355. 65 BGE 107 II, 349, 355. 66 Haas, NZI 2006, 494, 495 f.; Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1793 (für Unternehmensberater); der BGH hat die Frage, ob eine Schadensersatzhaftung als faktischer Geschäftsführer auch außerhalb der Insolvenzantragspfl ichten in Betracht kommt, bisher offen gelassen (BGH, NZI 2002, 395, 397).

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fitieren. 67 Das Vertrauen der Kreditgeber untereinander, dass die einflussnehmenden adjusting creditors auf die passiven non-adjusting creditors Rücksicht nehmen, wäre nicht nur tatsächlich vorhanden, 68 sondern würde über die hierüber vermittelte Haftung auch gesetzlich als schützenswert anerkannt. a. Übertragung auf Personengesellschaften und Einzelunternehmen Dass der Organbegriff bisher weitgehend auf die für juristische Personen, insbesondere GmbH und AG, maßgebliche Rechtslage zugeschnitten ist, hat wohl zwei Gründe. Zum einen gilt dort der Grundsatz der Drittorganschaft, wonach Organwalter und Verbandsmitglied nicht notwendig identisch sein müssen. Die Schwelle, rechtsfortbildend auch sonstige Dritte auf Grund einer zwingenden Regelung hierunter zu fassen und ihnen fremdnützige Organpflichten aufzuerlegen, liegt entsprechend niedrig. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die zivil- und strafrechtlichen Insolvenzantragspflichten gemäß § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG und § 130 a Abs. 1 HGB (künftig § 15 a E-InsO) nur bei den Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften bestehen. Das Bedürfnis einer vor allem früher auf die Insolvenzantragspflichten bezogenen Sanktionierung faktischen Organhandelns besteht daher nur bei diesen Unternehmensträgern. Dieser bisher enge Ansatz ließe sich jedoch zumindest zivilrechtlich durchaus auch auf die gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen erstrecken. 69 Lässt man den dort nicht relevant werdenden Aspekt der Insolvenzverschleppung durch Unterlassen beiseite, ist in allen oben genannten Ansichten die Wahrnehmung von Geschäftsleiterfunktionen haftungsbegründend. Die Nicht-Bestellung in das entsprechende Organ wird auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite dadurch überwunden, dass die entsprechenden Organpflichten analog herangezogen werden.70 Sieht man daher eine für die Innehabung der Geschäftsleiterfunktion einzuhaltende und ggf. schadensersatzbewehrte Sorgfalt gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG als das geeignete Instrumentarium zur Steuerung eines Fremdeinflusses, müsste dieser Ansatz konsequenterweise auch auf „faktische Prokuristen“, „faktische Handlungsbevollmächtigte“ und „faktische Generalvertreter“ anzuwenden 67

Zu den Vorteilen einer haftungsrechtlichen Abwicklung von Ansprüchen über das Vermögen des Unternehmens gegenüber der Geltendmachung von Einzelansprüchen bereits oben § 11 V 3. 68 Oben § 11 I. 69 Zu strafrechtlichen Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz als Grenzen für die Bejahung faktischer Organstellungen statt anderer Schulze-Osterloh/Servatius, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 84 Rn. 30; § 82 Rn. 87. 70 So auch im englischen Recht: Die fiduziarischen Geschäftsleiterpfl ichten gegenüber der Gesellschaft treffen auch den de facto director (Re Hydrodam [Corby] Ltd. [1994] 2 BCLC 180, 182; Ferran, Company Law and Finance, 1999, S. 155).

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sein. Auch diese können bei wirksamer „Bestellung“ Geschäftsleiterfunktionen ausüben. Nach § 117 Abs. 1 S. 1 AktG werden sie konsequenterweise Vorständen und Aufsichtsräten gleichgestellt. Fremdkapitalgeber können durchaus auch bei Einzelunternehmen oder gesetzestypischen Personengesellschaften im Einklang mit den o. g. zivilrechtlichen Anforderungen an das „faktische Organ“ Aufgaben mit Außenwirkung unter Verdrängung der wahren Entscheidungsträger wahrnehmen, mithin des Einzelnunternehmers selbst bzw. der geschäftsführungsbefugten Gesellschafter einer Personengesellschaft. Sieht man daher das Bedürfnis, einen nur faktisch die Unternehmensleitung maßgeblich bestimmenden Dritten einem Pflichtenkorsett zu unterwerfen, welches an anderer Stelle für wirksam bestellte Organe besteht, wäre es nur konsequent, diesem Ansatz über die Anwendung der für die wirksam bestellten Prokuristen, Handlungsbevollmächtigen oder Generalvertreter maßgeblichen Sorgfaltsanforderungen im Wege einer „Alsob-Betrachtung“ über § 280 Abs. 1 BGB analog rechtsformübergreifend Geltung zu verschaffen. b. Parallele zur Treuepflicht des Kreditgebers Auf einer anderen dogmatischen Grundlage wurde dieser umfassende Ansatz bereits vertreten. So gibt es Ansichten in der Literatur, die sich – auch ohne Rückgriff auf die Figur des faktischen Organs – dafür aussprechen, dem Kreditgeber auf vertraglicher Grundlage eine Treuepflicht zu Gunsten des finanzierten Unternehmens aufzuerlegen.71 Hiernach sei eine nachteilige Einflussnahme haftungsrechtlich über § 280 Abs. 1 BGB zu sanktionieren, weil den betreffenden Kreditgeber eine „gesellschaftsrechtliche Mitverantwortung“72 für das finanzierte Unternehmen trifft, wenn er oder ein ihm gemäß § 278 BGB zurechenbarer Dritter auf die Unternehmensleitung nachteilig Einfluss genommen hat.73 Am deutlichsten begründet dies Möllers unter Hinweis auf die im USamerikanischen Recht anerkannte fiduciary duty des Kreditgebers wegen Ausübung von Kontrolle über das finanzierte Unternehmen (control).74

71

Grundlegend Canaris, ZHR 143 (1979), 113. So Möllers, Haftung der Bank, S. 156; ähnlich Kästle, Rechtsfragen, S. 144. 73 Köndgen, Insolvenzrecht, S. 127, 148; Kästle, Rechtsfragen, S. 144; Möllers, Haftung der Bank, S. 155 f.; auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 380 für den Fall, dass die Bank einen faktischen Geschäftsführer in das finanzierte Unternehmen entsendet hat. 74 Möllers, Haftung der Bank, S. 156; zur Verletzung von Sachwalterpfl ichten des Kreditgebers im US-amerikanischen Recht auch Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 71 ff. und Ebke, RIW 1987, 329, 334 ff. Zu den auf den Kapitalbeitrag bezogenen Folgen dieses Ansatzes unten § 16 VI 2. Eine Rücksichtnahmepfl icht des Kreditgebers bei der Covenant-unterlegten Finanzierung völlig ablehnend Kuntz, ZIP 2008, 814, 816. 72

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5. Die notwendige Überwindung eines legitimen Eigeninteresses als bisher übersehenes Problem Besteht zwischen finanziertem Unternehmen und Fremdkapitalgeber eine stille Gesellschaft, kann die vertraglich eingeräumte oder geduldete Mitsteuerung des Kapitalgebers im Regelfall als Geschäftsführungsmaßnahme iSv. § 709 BGB angesehen werden, 75 die dem Geschäftsinhaber ggf. einen über §§ 280 Abs. 1, 705 BGB begründeten Schadensersatzanspruch gewährt.76 Dieser wäre zwar geeignet, auch eine abbedungene Verlusttragung des Stillen zu „überwinden“, denn vorausgesetzt wird ein pflichtwidriges Handeln. Er ist jedoch unter zwei Aspekten ein nur schwaches Instrument, um hierüber auch zu Gunsten Dritter eine funktionale Treuhänderstellung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber 77 zu begründen. Zum einen ist zu bedenken, dass der Ersatzanspruch mangels Kapitalbindung bei der stillen Gesellschaft jederzeit verzichtbar wäre. 78 Zum anderen gilt im Innenverhältnis zwischen Stillem und Geschäftsinhaber nur der reduzierte Haftungsmaßstab gemäß §§ 708, 277 BGB. Der Stille hat hiernach nur die ihm eigene Sorgfalt einzuhalten, 79 was zur Begründung eines Vertrauens der übrigen Kreditgeber auf die Wahrung auch ihrer Vermögensinteressen nicht ausreichend ist. 80 Darüber hinaus verdeutlicht jedoch die im Recht der stillen Gesellschaft an sich mögliche Sanktionierung fehlerhafter Geschäftsführungsmaßnahmen einen auch für die überzeugende Bejahung einer Treuepflicht des Kreditgebers bzw. für eine überzeugende Heranziehung der Pflichten eines Drittorgans entscheidenden, bisher von der Literatur nicht ausreichend bedachten Aspekt: Dem einflussnehmenden Fremdkapitalgeber geht es zumindest bei den hier interessierenden Covenant-unterlegten Finanzierungsverträgen im Regelfall allein darum, über die Einflussnahme sein Eigeninteresse zu verwirklichen. Man muss sich daher fragen, ob diese Ansätze überhaupt strukturell als dogmatische Grundlage für die rechtliche Erfassung der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Fremdkapitalgeber geeignet sind. Sie könnten durch ihre Verpflichtung zur fremdnützigen Interessenwahrung nämlich auch zu weit gehen und die Fremdkapitalgeber damit letztlich schlechter stellen als die Unternehmenseigentümer.

75 76 77 78 79 80

Zur stillen Gesellschaft als Innen-GbR bereits oben vor I. Statt anderer Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 3 ff. Vgl. oben § 11 II. Vgl. bereits oben § 13 III. Statt anderer Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 5. Vgl. oben § 11 II.

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a. Die alle Individualinteressen überlagernde Insolvenzantragspfl icht Hierzu ist noch einmal auf die Figur des faktischen Geschäftsführers im Rahmen der Insolvenzantragspflicht zurückzukommen. Will man Dritte als faktische Geschäftsführer ansehen, um ihnen die Insolvenzantragspflichten aufzuerlegen, steht aufgrund eindeutiger gesetzlicher Anordnung einer solchen Pflicht fest, dass die Individualinteressen aller an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen hierdurch überlagert werden – unabhängig davon, ob es sich um ein wirksam bestelltes Organ handelt oder eines hiermit gleichzustellenden Dritten. Liegen die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG und § 130 a Abs. 1 HGB (künftig § 15 a E-InsO) vor, hat derjenige, der die Geschäftsleitung inne hat, zwingend Insolvenzantrag zu stellen. Au welchen Motiven er dies unterlässt, spielt keine Rolle. Bei der Begründung einer Insolvenzantragspflicht zu Lasten faktischer Organe liegt somit allein darin ein Problem, das Merkmal der Geschäftsleitung anhand einer hiermit vergleichbaren objektiven Aufgabenwahrnehmung zu bejahen, ohne dass es auf den Willen oder das Interesse der betreffenden Person ankäme. Ein legitimes Interesse, bei Vorliegen der Insolvenzgründe keinen Insolvenzantrag zu stellen, gibt es nicht. b. Die gesetzlich legitimierte Verwirklichung eines Eigeninteresses als Hindernis für die Etablierung fremdnütziger Pfl ichten Insofern unterscheidet sich die Begründung einer faktischen Organstellung mit dem Ziel, die zwingende Insolvenzantragspflicht zu effektuieren, grundlegend von der hier interessierenden Begründung einer faktischen Organstellung mit dem Ziel, sachgerechte unternehmerische Entscheidungen zu gewährleisten und die Missachtung des entsprechenden Gebots haftungsrechtlich zu sanktionieren. Es wäre bereits eine unzulässige Fiktion, der faktischen Einflussnahme eines Fremdkapitalgebers die rechtsgeschäftliche Verpfl ichtung hierzu iSv. § 705 BGB zu unterstellen, mithin aus der Einflussnahme auf eine stille Beteiligung zu schließen. Dies gilt umso mehr, wenn man begründen wollte, der Einfluss nehmende Fremdkapitalgeber wollte seinen Individualwillen einer gemeinsamen Zweckverwirklichung unterordnen, 81 um hieraus im Extremfall sogar abzuleiten, dass die Verlustragung gemäß § 231 Abs. 2 HGB nicht abbedungen worden sei. 82 Es muss noch einmal betont werden: Eine Regel, wonach sich Einflussnahme und korrespondierende Verlusttragung decken, ist nach dem Vorge81

Hierzu für den hypothetischen Vertrag bereits oben § 7 V und § 10 IV 2. In diese Richtung aber der BGH (NJW 1985, 1079), wenn er unter dem Begriff des „materiellen Eigenkapitals“ anführt, die Einflussnahme eines atypischen stillen Gesellschafters verwehre ihm, sich auf die fehlende Verlusttragung zu berufen (hierzu unten § 16 IX). 82

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sagten nur bei funktionaler Betrachtung geboten, findet sich in den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung hingegen nicht. Insofern bedarf es einer besonderen dogmatischen Begründung dafür, dass es wie bei der Insolvenzantragspflicht kein legitimes Interesse ist, die Einflussnahme auf die Unternehmensleitung als Mittel zur Verfolgung von Eigeninteressen einzusetzen, und aus dieser Verfolgung eine Verantwortung für andere abzuleiten. Wie bei § 117 Abs. 1 AktG stellt sich somit auch bei der Einordnung von Fremdkapitalgebern als faktische Organe die schwierige Frage, wann die an sich legitime Ausnutzung einer Verhandlungsposition oder Vertragsstellung eine rechtwidrige nachteilige Beeinflussung der Organe der AG darstellt. 83 Es wird dort zu Recht von niemandem vertreten, dass die erfolgreiche Verfolgung von Eigeninteressen automatisch eine auf der Grundlage von Geschäftsleiterpflichten entwickelte Haftungsfolge nach sich zieht. Bei einer analogen Heranziehung der für wirksam bestellte Geschäftsleiter maßgeblichen Sorgfalt – ggf. vermittelt über eine aus dem Kreditvertrag resultierende Treuepflicht – würde dieser Umstand jedoch für unbeachtlich erklärt und ein gesetzlich anerkannter Interessengegensatz zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen ohne ausreichende Begründung überwunden. Die Organpflichten, die einem Fremdkapitalgeber über die Figur des faktischen Organs auferlegt werden, sind nämlich fremdnützige Interessenwahrungspflichten zu Gunsten des finanzierten Unternehmens. Die (wirksam bestellten) Organe sind – wie der BGH in Sachen Mannesmann zutreffend ausgeführt hat – Gutsverwalter und nicht Gutsherren. 84 In welche dieser Kategorien der einflussnehmende Fremdkapitalgeber einzuordnen ist, bedarf gerade einer dogmatisch begründeten Entscheidung. Vor dem Hintergrund der zuvor herausgearbeiteten gesetzlich anerkannten Möglichkeit, dass der Fremdkapitalgeber seine eigenen fi nanziellen Interessen verfolgen darf, sind die Geschäftsleiterpflichten daher bereits strukturell nicht geeignet, eine gesetzlich legitimierte Verwirklichung von Eigeninteressen haftungsrechtlich zu erfassen. Die Ansichten, die sich für eine Einbeziehung der Kreditgeber in die Figur des faktischen Organs aussprechen, machen den Fremdkapitalgeber aufgrund der eigennützigen Einfl ussnahme zum Sachwalter fremder Interessen. Dies zeigt sich deutlich, wenn man den Regelfall der Organwalterpflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG betrachtet. Hierbei fehlt es gerade an der anhand der gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung aufgezeigten Dichotomie zwischen finanziellem Risiko des Fremdkapitalgebers und unternehmerischem Risiko. Der sich hierhinter verbergende Interessengegensatz – Fleischer spricht von antagonistischen Interes83

Oben § 4 III. BGH, AG 2006, 110; zur Vermögensbetreuungspflicht der Organe auch Fastrich, FS Heldrich, 143, 149 f. 84

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sen85 – findet im originären Bereich der entsprechenden Organpflichten überhaupt keine Anerkennung. Das Organverhältnis und die dieses begleitenden zivilrechtlichen Anstellungs- bzw. Dienstverträge verpflichten den Organwalter von vornherein auf die alleinige Interessenwahrung des Organträgers. Die Verwirklichung eines Eigeninteresses ist aufgrund dieser Pflichtenbindung per se unzulässig, was die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG neu gefasste business judgement rule ausdrücklich klarstellt („zum Wohle der Gesellschaft“). 86 Bei den vorgenannten Ansichten, auch Kreditgeber als faktische Organe anzusehen, klang dieser Aspekt durchaus an, ohne jedoch weiter ausgeführt zu werden. Sowohl für das deutsche Recht als auch in den skizzierten ausländischen Rechtsordnungen wird nahezu einhellig anerkannt, dass es eine die faktische Organstellung ausschließende Privilegierung des Kreditgebers sein könne, wenn er „nur“ seine eigenen Interessen wahrnimmt. 87 Dieser Aspekt darf indessen nicht nur eine indizielle oder untergeordnete Bedeutung haben. Wenn Fleischer zum Beispiel anführt, dass derjenige, der als Kreditgeber Kontrollrechte oder Mitverwaltungsrechte ausübt, dadurch nicht zum faktischen Geschäftsleiter werde, sondern er zuvörderst seine eigenen Interessen wahre, 88 ist dies nicht bloß eine tatsächlicher Befund. Es ist vielmehr die Wahrnehmung seiner in den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung anerkannten Stellung als Fremdkapitalgeber. Wenn es bei Fleischer weiter heißt, die Schwierigkeit bestehe darin, herauszuarbeiten, wo die legitime Einflussnahme endet und die illegitime Einmischung in Geschäftsleiterbelange beginnt und dass dies aufgrund einer sorgfältigen Interessenanalyse im Einzelfall zu ermitteln sei, 89 wird deutlich, dass letztlich die legitime Interessenwahrnehmung durch das Kriterium der Einflussnahme überwunden werden soll. Auf welcher dogmatischen Grundlage diese an sich legitimen Eigeninteressen zwingend hintangestellt werden, bleibt er ebenso schuldig wie die herrschende Meinung zu § 117 Abs. 1 AktG, die die nachteilige Einflussnahme aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zwischen Sicherungsinteresse des Einflussnehmenden und unternehmerischer Freiheit der AG abgrenzen will.90 Es soll freilich nicht gesagt werden, dass die eigennützige Ausübung von Einfluss für sich genommen keine rechtliche Möglichkeit zur Begründung einer fremdnützigen Verantwortlichkeit bietet. Im Deliktsrecht ist die tatsächliche Übernahme von Aufgaben eine allgemein anerkannte Fallgruppe für die Be85

Fleischer, AG 2004, 517, 526. Zur rechtlich missbilligten Verfolgung von Eigeninteressen durch Organmitglieder statt anderer Hopt, In GroßKomm AktG, § 93 Rn. 144 ff. 87 Besonders deutlich der High Court in RE PFTZM Ltd., 1995 BCC 166 für das englische Recht (vgl. oben 3 a). 88 Fleischer, AG 2004, 517, 526 unter dem zutreffenden Hinweis auf Praxis in den ausländischen Rechtsordnungen. 89 Fleischer, AG 2004, 517, 526. 90 Oben § 4 III. 86

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gründung einer entsprechenden Verkehrspflicht zu Gunsten eines anderen.91 Es spricht daher nichts dagegen, zum Beispiel externe Berater oder nachgeordnete Unternehmensangehörige, die bereits aufgrund ihres Vertrages zur Interessenwahrung verpflichtet sind, über die Figur des faktischen Organs mit einer erhöhten – vor allem objektiven92 – Verantwortlichkeit eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu belegen, soweit diese bei funktionaler Betrachtung eine Organstellung ausüben.93 Für die hier interessierende Verantwortlichkeit ist es denjenigen, die sich für eine Ausweitung der Figur des faktischen Geschäftsleiters auf Fremdkapitalgeber aussprechen, jedoch nicht gelungen, eine dogmatische Begründung dafür zu bieten, warum die an sich legitime Verfolgung von Eigeninteressen gerade dann nicht mehr zulässig sein soll, wenn der Betreffende die Verwirklichung dieser Eigeninteressen durch die Einflussnahme auf die Unternehmensführung sucht. Insoweit gilt letztlich das Gleiche wie für die von der herrschenden Meinung vorgenommene konturenlose Interessenabwägung im Rahmen von § 117 Abs. 1 AktG. Für eine die Analogievoraussetzungen erfüllende Vergleichbarkeit zwischen Fremdkapitalgeber und wirksam bestelltem Organ reicht diese konturenlose Formel nicht aus. Auch bleibt bei der zur Bejahung einer faktischen Organstellung anzustellenden umfassendem Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Intensität der Einflussnahme letztlich offen, warum ein allein ein besonders intensiver Einfluss eine Verantwortlichkeit nach sich ziehen soll. Wie bereits erwähnt, kann auch die einzelne „Weisung“, eine bestimmte Unternehmensstrategie zu wählen oder ein konkretes Investitionsprojekt durchzuführen oder zu unterlassen, immense finanzielle Folgen haben. Es spricht daher Vieles dafür, ein Konzept für die rechtliche Begründung einer Gläubigerverantwortung zu entwickeln, welches die Voraussetzungen an die Bejahung einer Verantwortlichkeit einerseits niedriger ansetzt als das konturenlose und beim Einzelunternahmen ohnehin nicht anwendbare Kriterium eines tiefen Eindringens in die korporative Sphäre eines Verbands,94 andererseits aber hinsichtlich der Rechtsfolgen vorhersehbarer ist als eine grenzenlose Schadensersatzhaftung.

91 Grundlegend der Milzbrandfall RGZ 102, 372; zum Ganzen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 92 Die Sorgfaltsmaßstäbe gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sind objektiv, so dass die persönliche Unfähigkeit nicht entlastet (hM, statt anderer Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4; Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 11. 93 Insofern zutreffend Fleischer, AG 2004, 517, 520 f., 526 ff. (auch diesbezüglich mit rechtsvergleichenden Aspekten); so auch Müller-Feldhammer, NJW 2008, 1777, 1782 (für Unternehmensberater). 94 So Fleischer, AG 2004, 517, 524 ff.

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

c. Zwischenergebnis Es lässt sich somit festhalten, dass die Figur des faktischen Geschäftsführers nur insoweit eine überzeugende dogmatische Grundlage zu Sanktionierung einer Mitsteuerung von Fremdkapitalgebern ist, als es um die Verletzung der Insolvenzantragspflicht geht. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und überlagert alle gegenläufigen Individualinteressen. Konsequenterweise kann – insofern im Einklang mit der herrschenden Meinung – jeder als faktisches Organ hiervon betroffen sein, wenn er die entsprechenden Aufgaben eines Geschäftsleiters tatsächlich wahrnimmt, sei es ein Gesellschafter oder ein Fremdkapitalgeber. Für den darüber hinausgehenden Bereich der haftungsrechtlichen Sanktionierung nachteiliger Einflussnahme in Analogie zu § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. den entsprechenden Pflichten eines sonstigen Geschäftsleiters entsprechend § 280 Abs. 1 BGB genügt die bloße Wahrnehmung von Geschäftsleiterfunktionen hingegen nicht. Die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber – und auch der Gesellschafter95 – erfolgt regelmäßig mit dem Ziel, das legitime Rückzahlungsinteresse zu verwirklichen. Will man daher diese eigennützige Interessenwahrung haftungsrechtlich sanktionieren, darf nicht auf die Einhaltung fremdnütziger Pflichten zurückgegriffen werden. Es bedarf vielmehr eines dogmatischen Ansatzes, der ohne dieses Merkmal auskommend darauf zielt, die an sich legitime Verwirklichung von Eigeninteressen mit einer Verantwortung für Dritte zu belegen.

III. Fremdkapitalgeber als faktische Unternehmenseigentümer Genau dieses Begründungsdefizit vermag die bereits herausgearbeitete, aus ökonomischer und funktionaler Sicht gebotene und gerechtfertigte Gleichstellung der einflussnehmenden Fremdkapitalgebern mit den Eigentümern96 zu überwinden.

1. Die Anerkennung der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen Die im Regelfall gewollte Verwirklichung des legitimen Rückzahlungsinteresses der Fremdkapitalgeber deckt sich nicht mit der Schutzrichtung der den Organwaltern iSv. § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG obliegenden fremdnützigen Interessenwahrungspflichten. Man kann den Fremdkapitalgebern nicht den Vor95 Wie bereits erwähnt, hat der BGH es bisher – zutreffend – offen gelassen, ob die Figur des faktischen Geschäftsführers auch geeignet ist, einem Gesellschafter entsprechende Organpflichten aufzuerlegen (BGH, NZI 2002, 395, 397). 96 Vgl. oben § 10.

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wurf machen, sich nicht ordnungsgemäß zum Gesellschaftsorgan haben bestellen zu lassen – was bei der Figur des faktischen Organs letztlich die gebotene rechtmäßige Handlungsalternative wäre. Die gesetzlich anerkannte und im Regelfall gewollte Verwirklichung des Rückzahlungsinteresses der Fremdkapitalgeber deckt sich vielmehr mit der gesetzlich legitimen Interessenwahrung der Unternehmenseigentümer. Diese üben die ihnen zustehende Herrschaftsmacht über das Unternehmen – ggf. vermittelt über die von ihnen eingesetzten und ihren Interessen verpflichteten Organe – mit dem Ziel aus, ihr eigenes finanzielles Interesse im Hinblick auf die Erhaltung des geleisteten Kapitals und die zu erwartenden Erträge zu verwirklichen. Will man daher sanktionieren, dass diese eigennützige Interessenwahrung zum Schutze anderer einer bestimmten Verantwortlichkeit unterliegt, ist dies nicht über die Figur des faktischen Organs zu erreichen, sondern über die des faktischen Eigentümers. Betrachtet man vor diesem Hintergrund noch einmal das Schutzanliegen des Konzernrechts, zeigen sich durchaus Parallelen. Das herrschende Unternehmen bzw. die Partei eines Beherrschungsvertrages verfolgt mit der Einflussnahme ebenfalls ein Eigeninteresse, nämlich das höherrangige Konzerninteresse. Die Schadensersatzhaftung bei fehlendem Ausgleich gemäß § 317 AktG und die Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 AktG zeigen, dass auch die Verfolgung von Eigeninteressen keineswegs ohne korrespondierende Verantwortung ist. Wenn das Konzernrecht für die hier interessierende Einflussnahme der Fremdkapitalgeber mangels konzerntypischer Interessendivergenz im Regelfall nicht einschlägig ist,97 muss man nur nach der Verantwortlichkeit suchen, die das Gesetz den Eigentümern im unverbundenen Unternehmen für mit der Ausübung von Herrschaft zur Verfolgung eines legitimen Eigeninteresses auferlegt. Auf diese Weise ließen sich die Vorzüge der externen Corporate Governance verwirklichen, zugleich aber der nicht von der Hand zu weisende Vorwurf, der Fremdkapitalgeber habe sich über die an sich nur den Eigentümern zustehende Einflussnahme auf das Unternehmen im Widerspruch zur hierfür als Regelfall bereit gestellten Eigenfinanzierung durch persönlich oder auf einen Kapitalbeitrag beschränkt haftende Gesellschafter gesetzt, ausräumen.

2. Die mittels Kapitalbindung hergestellte Selbstbetroffenheit als selbstregulierendes System Auf der Grundlage der für eine Analogie bzw. Rechtsfortbildung notwendigen Vergleichbarkeit der Sachverhalte und Interessenlagen98 ist es daher naheliegend, die bereits erwähnte gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals durch Selbstbetroffenheit als Grundlage einer auch 97 98

Soeben I 3. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff.

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für die Fremdkapitalgeber maßgeblichen Finanzierungsverantwortung heranzuziehen und hierüber widersprüchliches Finanzierungsverhalten zu sanktionieren.99 Dem Fremdkapitalgeber geht es – in Ausübung seiner negativen Vereinigungsfreiheit – im Regelfall gerade darum, keine Rechte in einem Personenverband eingeräumt zu bekommen kommen, schon gar nicht darum, eine gesetzlich gebundene Einlage zu leisten. Er macht seine Einflussnahme vielmehr nur mittelbar geltend, mithin über im Finanzierungsvertrag vereinbarte Rechte, die im Fall des Breach of Covenants allein einen vorzeitigen Kapitalabzug, eine Veränderung der Konditionen oder die Nichtgewährung weiterer Mittel hervorrufen können.100 Hieraus eine „Verbandsstruktur“ zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen abzuleiten mit der Folge, dass alle das Innenrecht einer Gesellschaft oder Körperschaft maßgeblichen Regelungsinstrumente Geltung beanspruchen würden,101 wäre jedoch im Regelfall als unzulässige Fiktion und Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG nicht zu begründen. Darüber hinaus würde sich hieraus für die hier interessierende Verantwortlichkeit des Einflussnehmenden ohnehin nichts ergeben. Wie bereits gesehen, bietet die stille Gesellschaft durchaus eine Möglichkeit, dem Fremdkapitalgeber gesellschaftsrechtlichen Einfluss zu verschaffen, ohne dass die §§ 230 ff. HGB eine entsprechende Finanzierungsverantwortung begründen.102 Dass die Einflussnahme eine entsprechende Verantwortung nach sich zieht, ist daher nicht mit einer verbandsartigen Innenorganisation der stillen Gesellschaft zu begründen, sondern allenfalls mit einer ggf. analog heranzuziehenden gesetzlichen Gewährleistung der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter. Da bereits für die Verbandsmitglieder selbst kein verallgemeinerungsfähiger Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Schuldenhaftung besteht,103 kommt als analog heranzuziehende Verantwortung nur die gesetzliche Kapitalbindung in Betracht. Deren Erstreckung auf Nichtmitglieder ist keineswegs ausgeschlossen. Wie bereits herausgearbeitet wurde, weist das deutsche Recht den Gesellschaftern einer GmbH oder AG die kollektive Rechtsmacht zu, die Herrschaft über das Unternehmen auszuüben – ggf. vermittelt über einen ihrer Interessenwahrung verpflichteten Geschäftsleiter – und legt diesen als Gruppe eine entsprechende Finanzierungsverantwortung auf.104 Dass man wegen der negativen Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 GG die im unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Kapitalgesellschaften maßgebliche typisierte Betrachtung des Einflusses 99

Vgl. oben § 12. Oben § 1 III 3. 101 In diese Richtung aber neuerdings Florstedt, Stiller Verband, S. 13 ff. 102 Insofern zutreffend Florstedt, Stiller Verband, S. 174 ff. 103 Oben § 12 IV 2. 104 Oben § 12 IV. 100

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und der durch eine auf den Kapitalbeitrag bezogenen vorrangigen Verlusttragung nicht als dogmatische Grundlage für die Einbeziehung einflussnehmender Nichteigentümer heranziehen kann, wurde bereits herausgearbeitet.105 Dies verhindert indessen nicht, diese kollektive Finanzierungsverantwortung im Rahmen einer konkreten Betrachtung der Einflussnahme auf die hier interessierenden Fremdkapitalgeber zu übertragen und sie insoweit als mit einem Gesellschafter vergleichbar anzusehen. Nur dieser Vergleich ermöglicht es, die hier interessierende Einflussnahme durch Fremdkapitalgeber auf eine besondere, ggf. zu privilegierende Grundlage zu stellen, welche sich von der Einflussnahme sonstiger Dritter, die keine eigenen Finanzierungsbeiträge geleistet haben, unterscheidet. Während solche Dritte typischerweise die für das Entstehen konzernrechtlicher Schutzinstrumente erforderliche Interessendivergenz zum finanzierten Unternehmen aufweisen und damit auch ohne weiteres als faktische Organe haftbar sein können, bietet sich für die rechtliche Begründung einer die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber der Vergleich mit der den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft obliegenden Finanzierungsverantwortung an.

3. Die hieraus begründbare Finanzierungsverantwortung des Fremdkapitalgebers Hiermit ist freilich noch nicht gesagt, dass die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber einer mit dem Recht der GmbH und AG vergleichbaren gesetzlichen Kapitalbindung unterliegen oder ihre Ansprüche in der Insolvenz nur nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO geltend machen können.106 Die Charakterisierung eines Fremdkapitalgebers, der sich an der Steuerung eines Unternehmens beteiligt als faktischer Unternehmenseigentümer soll zunächst allein verdeutlichen, dass sich mit einer rechtlichen Begründung dieser Vergleichbarkeit eine Selbstbetroffenheit herstellen ließe die – wie im unmittelbaren Bereich der gesetzlichen Kapitalbindung – gewährleistet, dass die Einflussnahme nicht Gefahr läuft, auf Kosten anderer zu erfolgen. Indem es den Fremdkapitalgebern verwehrt wäre, ihr finanzielles Interesse vom unternehmerischen Risiko, welches sie über ihre Einflussnahme mitgestalten, abzukoppeln und sich in der Unternehmenskrise und/oder Insolvenz auf die Rolle eines den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung entsprechenden Fremdkapitalgebers zurückzuziehen, bedürfte es – wie im unmittelbaren Bereich der gesetzlichen Kapitalbindung – keiner gerichtlich überprüfbaren Maßstäbe, welche Einflussnahme „richtig“ oder „falsch“ bzw. pflichtgemäß oder pflichtwidrig war. Eine auf den Finanzierungsbeitrag bezogene vorrangige Verlusttragung stünde im Einklang mit der von der Finanzierungstheorie und -praxis anerkannten In105 106

Oben § 10 IV 3. Hierzu ausführlich unten § 16.

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gangsetzungsfunktion des Eigenkapitals und würde den Einflussnehmenden wie den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft einen Vertrauensvorschuss einräumen, in Verwirklichung ihrer vorrangig betroffenen eigenen Interessen die Interessen der übrigen Beteiligten mit zu berücksichtigen. Die zunehmend enge Verbindung von Fremdkapitalgebern und finanziertem Unternehmen könnte die gewünschten positiven Effekte der externen Corporate Governance zur Geltung bringen. Der Vorteil einer über den Finanzierungsbeitrag vermittelten Selbstbetroffenheit ist die bereits mehrfach herausgearbeitete Erzielung von Richtigkeitsgewähr auf Grund eines sich prinzipiell selbstregulierenden Systems.107 Wären die Fremdkapitalgeber gehalten, ihre Einflussnahme in einer Art und Weise auszuüben, dass es nicht zur Unternehmenskrise oder Insolvenz kommt, in der eine sich auf den Finanzierungsbeitrag auswirkende vorrangige Verlusttragung regelmäßig nur relevant wird, bestünde von vornherein ein Anreiz, sachgerechte Entscheidungen zu treffen mit dem Ziel der Krisen- und Insolvenzvermeidung.108 Insofern gilt nichts anderes als für die gesetzliche Kapitalbindung zu Lasten der Eigentümer. Indem es ihnen verwehrt ist, das Grund- und Stammkapital einer GmbH oder AG auf Kosten der Gläubiger abzuziehen, haben sie einen Anreiz, die unternehmerischen Entscheidungen so sorgfältig zu treffen, dass es nicht zur Krise kommt. Eine gerichtliche Überprüfung der entsprechenden Einflussnahme ist anders als beim nicht selbstbetroffenen Fremdorgan entbehrlich.109 Über die – freilich dogmatisch noch zu begründende – Verwirklichung einer auf den Kapitalbeitrag bezogenen Selbstbetroffenheit lässt sich somit die an sich bestehende Dichotomie von Eigeninteresse und unternehmerischem Risiko überwinden. Der Fremdkapitalgeber handelt nicht bereits widersprüchlich, weil er seine eigenen Interessen durch die Einflussnahme zu verwirklichen sucht. Er handelt nur dann widersprüchlich, wenn er sich trotz einer über seine Mitsteuerung begründeten Mitveranlassung der finanziellen Situation des Unternehmens auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers zurückzieht, der dieses unternehmerische Risiko – im Einklang mit den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung – nicht steuert. Ließe sich eine solche gesetzliche Gewährleistung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens begründen, wäre diese die Grundlage für das normative Vertrauen, welches zu Gunsten der übrigen Gläubiger wirkt, die sich nicht an der Steuerung des Unternehmens beteiligen.110 Die 107 Vgl. für das SchVG oben § 9 III, für die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals oben § 10 III. 108 So für den unmittelbaren Anwendungsbereich des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO auch Huber (FS Priester, S. 259, 276), wenn er von „Selbstkontrolle“ spricht. 109 Hierzu bereits oben § 12 III. 110 Vgl. oben § 12 III 2.

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bisher konturenlose Gegenüberstellung von adjusting creditors und non-adjusting creditors wäre dahingehend zu präzisieren, als sich die adjusting creditors an der Steuerung des unternehmerischen Risikos beteiligen und bezogen auf den Finanzierungsbeitrag nicht die Rolle eines den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung entsprechenden Kapitalgebers einnehmen dürfen. Die nonadjusting creditors hingegen halten sich aus der Steuerung des unternehmerischen Risikos heraus und können konsequenterweise ohne Einschränkungen ihr Rückzahlungsinteresse und damit das finanzielle Risiko von dem der Eigentümer – und adjusting creditors im hier verstandenen Sinne – abkoppeln.

4. Bestätigung dieses Konzepts durch das Verbot der Veräußerung künftigen Vermögens Dass die Herstellung einer über die Kapitalbindung hergestellten Selbstbetroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber ausreichend ist, den bei formaler Betrachtung naheliegenden Einwand „unzulässigen Fremdeinfluss“ durch Nichteigentümer zu legitimieren und damit die Vorzüge der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger Geltung erlangen können, folgt schließlich aus § 311 b Abs. 2 BGB. a. Die Nichtigkeit von Verträgen über das künftige Vermögen Nach § 311 b Abs. 2 BGB ist ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil davon zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, nichtig. Das seit dem BGB von 1900 bestehende Verbot soll ausweislich der Motive die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Einzelnen vor übermäßigen Beschränkungen schützen. Es soll verhindern, dass sich jemand seiner Vermögensfähigkeit begibt und dadurch zugleich jede Motivation für eine Erwerbstätigkeit verliert.111 Auf den ersten Blick verwirklicht diese Regelung einen fragwürdigen, paternalistischen Individualschutz zu Gunsten des sich Verpflichtenden. Die Regelung ist vor allem eine Einschränkung der Freiheit des Einzelnen zu Gunsten seiner Freiheit.112 Jedermann solle seine wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit erhalten bleiben. Eine Beeinträchtigung dieser Freiheit käme einem Verzicht auf die Vermögensfähigkeit und damit auf ein wesentliches Merkmal der Rechtsfähigkeit gleich.113 Dieser ausschließlich individualschützenden Deutung der Norm ist wegen der mittlerweile umfassend anderweitig geregelten 111

Motive II, bei Mugdan S. 186. So auch Kanzleitner, in: Münch Komm BGB, § 311 b Rn. 87. 113 So zu § 310 BGB a. F. Staudinger/Löwisch, BGB, 1995, § 310 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 4 II b. 112

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formalen und materiellen Vertragskontrolle114 in der Tat mit Skepsis zu begegnen. Sie ist daher zu eng. Die Sanktionierung von Verpflichtungen über die Übertragung des ganzen zukünftigen Vermögens oder die Belastung desselben mit einem Nießbrauch entfaltet nämlich auch Drittschutz und lässt sich auf diese Weise als notwendige Bedingung einer funktionierenden Privatrechtsordnung verstehen. Bei formaler Betrachtung könnte man zur individualschützenden Rechtfertigung dieser Norm anführen, dass die Vertragsfreiheit nicht selbst Gegenstand der Vertragsfreiheit sein kann.115 Materiell findet diese Einschränkung der Privatautonomie ihre Rechtfertigung jedoch letztlich allein in den Folgen, die eine Übertragung des gesamten künftigen Vermögens oder die Belastung mit einem Nießbrauch für andere hätte. Der Einzelne verlöre im Einklang mit der Gesetzesbegründung jeglichen Anreiz, ein künftiges Vermögen zu erwerben und fiele möglicherweise der staatlichen Fürsorge zur Last, die der Staat gemäß Art. 20 Abs. 1 GG zu leisten hat. Der mit § 311 b Abs. 2 BGB verwirklichte Individualschutz gewährleistet so, dass die Rechtssubjekte bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr die notwendige Selbstbetroffenheit in Gestalt eines ihnen zustehenden Vermögens haben können, aus der die korrespondierende Selbstverantwortung erwächst, die vermögensmäßigen Entscheidungen davon leiten zu lassen, welche negativen Folgen für den Betreffenden selbst eintreten. Diese materielle Legitimation von § 311 b Abs. 2 BGB betrifft nicht nur natürliche Personen, um so eine übermäßige Beanspruchung des Sozialstaatsprinzips zu verhindern. Bereits das RG hat sich dafür ausgesprochen, auch juristische Personen hierunter zu fassen.116 Auf der Grundlage des materiellen Schutzzwecks ist dies konsequent: Auch gewerblich tätige Wirtschaftssubjekte würden ihren Anreiz verlieren, das künftige Vermögen zu steigern, wenn dies aufgrund eines Vertrags an einen Dritten abzuführen wäre. Schlimmer noch: Das betreffende Unternehmen hätte die Folgen seines Handelns nicht zu befürchten, weil die Verluste – das Nichtentstehen des abzuführenden Vermögens – andere trügen. Der fehlende Anreiz, zum eigenen Vor- und Nachteil zu wirtschaften, würde wie bei Privatleuten zu einer Funktionsstörung der Ausübung von Privatautonomie führen. Hier droht ebenso „Verarmung“, nur eben nicht auf Kosten der sozialen Fürsorge, sondern auf Kosten der anderen Gläubiger, die wegen des leichtfertigen Wirtschaftens möglicherweise in der masselosen oder massearmen Insolvenz Forderungsausfälle erleiden. Aus § 311 b Abs. 2 BGB lässt sich somit mittelbar eine gesetzliche Bestätigung der Selbstbetroffenheit als bester Garant für die Richtigkeit von Entscheidungen ableiten. 114

Hierzu ausführlich Canaris, AcP 200 (2000), 273. Krüger, in: Münch Komm BGB, § 311 b Rn. 87. 116 RGZ 169, 65, 83; zustimmend Staudinger/Wufka, BGB, 2001, § 311 b Rn. 8; Palandt/ Grüneberg, BGB, § 311 b Rn. 59; Kanzleitner, in: Münch Komm BGB, § 311 b Rn. 89. 115

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b. Parallele zur neueren Finanzierungspraxis Wie im ersten Teil der Arbeit herausgearbeitet, unterliegt die aktuelle Finanzierungspraxis einem Wandel. Im Rahmen der sog. Leveraged Finance ist das Unternehmen wirtschaftlich betrachtet selbst die Kreditsicherheit. Die Investoren sichern ihr Kreditrisiko zunehmend nicht mehr dinglich oder unter Rückgriff auf die Unternehmenssubstanz ab, sondern betrachten den zukünftigen cash fl ow als Gewähr für Zins und Rückzahlung. Die Verstrickung dieses Gegenstands als Sicherheit erfolgt entweder schuldrechtlich durch die mittels Covenants eingeräumten Einfluss- und Kontrollrechte oder die Ausübung solcher Maßnahmen auf rein tatsächlicher Basis. Dies ist aus Sicht der Kapitalgeber konsequent: Das – sprachlich verkürzt! – Unternehmen, welches sich an einer solchen Finanzierung beteiligt, hat im Einklang mit dem oben skizzierten Schutzzweck von § 311 b Abs. 2 BGB keine Anreize, diese künftigen Erträge zu erwirtschaften. Es ist daher nachvollziehbar, wenn der Fremdkapitalgeber durch verstärkte Einflussnahme versucht, die prognostizierten Erträge durch Ausübung von Leitungsmacht „mit zu erwirtschaften“ bzw. der Unternehmensleitung enge Vorgaben zu machen, was sie unternehmen darf und was nicht. c. Vorrangige Spezialregelungen Führt man diese wirtschaftliche Betrachtung zu Ende, könnten Finanzierungsverträge in direkter oder zumindest analoger Anwendung von § 311 b Abs. 2 BGG nichtig sein, wie dies zum Beispiel auch für die Abtretung aller künftigen Forderungen vom RG angenommen wird.117 Die sog. Leveraged Finance ist gerade bei den auf das wirtschaftliche Tätigwerden beschränkten, keine „Privatsphäre“ habenden juristischen Personen der Idealfall der nach allgemeiner Ansicht vom Verbot gemäß § 311 b Abs. 2 BGB erfassten societas omnium bonorum.118 Dass die Nichtigkeitsfolge indessen nicht zwingend ist, folgt daraus, dass der Gesetzgeber das Problem einer Verpflichtung der Übertragung des künftigen Vermögens teilweise anderweitig speziell geregelt hat und eine generelle rechtliche Missbilligung der jüngeren Finanzierungspraxis damit nicht begründbar ist. Herkömmlich wird als solche vorrangige Regelung allein auf die Gesamtrechtsnachfolge nach § 4 Abs. 1 S. 2 UmwG abgestellt.119 Dies ist richtig, aber 117 RGZ 67, 168. Dagegen die hM mit der Begründung, die Abtretung sei durch den Gegenstand der Forderung begrenzt, was wegen der Einbeziehung von Bruchteilen des künftigen Vermögens jedoch nicht haltbar ist (vgl. Staudinger/Wufka [2006], § 311 b Rn. 8). 118 Unstreitig, vgl. nur Krüger, in Münch Komm BGB, § 311 b Rn. 88; Palandt/Grüneberg, BGB; § 311 b Rn. 59. 119 Palandt/Grüneberg, BGB, § 311 b Rn. 59; Kanzleitner, in: Münch Komm BGB, § 311 b Rn. 89.

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nicht erschöpfend. Auch der konzernrechtliche Gewinnabführungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 Alt. 2 AktG begründet die Gefahr, dass das betroffene Unternehmen keinen Anreiz mehr hat, einen Gewinn zu erzielen und damit zu „verarmen“ droht. Insofern ist es konsequent, dass sich die Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 Abs. 1 AktG auch hierauf erstreckt und so der Vertragteil einen Vermögensverfall auf Kosten anderer zu kompensieren hat. Aus dem drittschützenden Charakter des Verbots gemäß § 311 b Abs. 2 BGB folgt schließlich konsequenterweise auch, dass die Nichtigkeit eines Vertrages und damit rechtliche Missbilligung solcher Gestaltungen dann nicht eingreift, wenn der fehlende Anreiz, künftiges Vermögen zu erwirtschaften, durch einen entsprechenden Anreiz des Erwerbers bzw. Nießbrauchers kompensiert wird. Die drohende Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 Abs. 1 AktG beim Beherrschungsvertrag oder die Pflicht zum Nachteilsausgleich des faktisch herrschenden Unternehmens gemäß § 311 AktG können für Konzernsachverhalte als solche Anreize verstanden werden.120 Genau diese Kompensation vermag jedoch auch das hier vorgeschlagene Konzept des funktionalen Vergleichs der einflussnehmenden Fremdkapitalgebern mit Unternehmenseigentümern zu leisten, indem versucht wird, die gesetzliche Selbstbetroffenheit der Unternehmenseigentümer auf die sich an der Steuerung eines Unternehmens beteiligenden und damit auf das Erlangen künftigen Vermögens einflussnehmenden Fremdkapitalgeber zu übertragen.

IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung Ziel der vorstehenden Ausführung war es herauszuarbeiten, aufgrund welcher umfassenden Ansätze sich eine Selbstbetroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als rechtliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals herstellen ließe. Hierbei zeigte sich, dass die konzernrechtlichen Schutzinstrumente nur Geltung beanspruchen, wenn zwischen dem Einfluss Nehmendem und dem Unternehmen bzw. seinen Eigentümern ein konzerntypischer Interessengegensatz vorliegt, mithin der Herrschende anderweitige unternehmerisch Interessen hat und über die Einflussnahme auf Kosten des Unternehmens zu verwirklichen sucht. Dies ist bei der Fremdfinanzierung eines Unternehmens nur ausnahmsweise der Fall. Regelmäßig sucht der Fremdkapitalgeber allein die Verwirklichung seines Rückzahlungsinteresses über die Verwirklichung desselben unternehmerischen Interesses wie das der Eigentü120 Dass mangels konzernspezifischer Interessendivergenz diese Schutzinstrumente bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung regelmäßig nicht einschlägig sind, wurde unter I 3 bereits herausgearbeitet.

IV. Zusammenfassung, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung

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mer, nämlich die Erzielung von Erträgen aus dem unverbundenen Unternehmen. Auch über die Figur des faktischen Geschäftsführers lässt sich eine Gläubigerverantwortung nur im Hinblick auf die Insolvenzantragspflichten begründen, nicht aber im Hinblick auf eine Geschäftsleiterhaftung gegenüber dem finanzierten Unternehmen analog § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 AktG. Soweit die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber – wie regelmäßig – das legitime Ziel verfolgt, ihr Rückzahlungsinteresse zu verwirklichen, ist die Auferlegung fremdnütziger Interessenwahrungspflichten bereits strukturell nicht geeignet, eine Verantwortung zu begründen. Geboten ist vielmehr, nach einem dogmatischen Ansatz zu suchen, der die legitime Verfolgung von unternehmerischen Eigeninteressen mit einer besonderen Verantwortung für andere belegt. Hierfür bietet es sich an, den bereits funktional und ökonomisch begründbaren Vergleich der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber mit den Eigentümern auch rechtlich als Grundlage zur Begründung einer Finanzierungsverantwortung heranzuziehen. Hiernach könnte es den einflussnehmenden Fremdkapitalgebern in Analogie zur gesetzlichen Kapitalbindung bei der GmbH und AG wegen widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens verwehrt sein, in der Krise des Unternehmens bzw. zumindest in der Insolvenz das dem gesetzlichen Regelfall entsprechende, vom unternehmerischen Risiko abgekoppelte Rückzahlungsinteresse zu verwirklichen. Nach dieser Grundlegung soll nachfolgend herausgearbeitet werden, auf welche Weise sich dieser Ansatz begründen lässt. Hierbei ist zwischen dem Zeitraum im Vorfeld der Insolvenz und dem in der Insolvenz zu differenzieren.

Fünfter Teil

Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber Nach dem Vorgesagten ist es nicht nur ökonomisch, sondern auch rechtlich geboten, die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Abweichung vom gesetzestypischen Rollenbild des Darlehensgebers und stillen Gesellschafters anzusehen und ihnen eine die Einflussnahme billigende Verantwortung als faktische Unternehmenseigentümer aufzuerlegen. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich nunmehr darauf, nach dogmatischen Ansätzen zu suchen, die es den Einflussnehmenden verwehrt, die Rolle eines gesetzestypischen Fremdkapitalgebers einzunehmen, mithin sein finanzielles Risiko vom unternehmerischen Risiko abzukoppeln und den Kapitalbeitrag in der Krise abzuziehen. Will man eine derartige Sanktion begründen und als Mittel zur Insolvenzvermeidung legitimieren, bestehen hierfür zwei grundlegend verschiedene Ziele und Möglichkeiten zur Zielverwirklichung. Die Einschränkung eines vom unternehmerischen Risiko abgekoppelten Rückzahlungsinteresses könnte einmal (allein) das Ziel verfolgen, die Liquidität des finanzierten Unternehmens in der Krise aufrecht zu erhalten, mithin eine Chance zur Beseitigung bzw. dem Nichteintritt der Illiquidität iSv. § 17 InsO bieten. Während sich eine solche Stillhaltepfl icht nicht für alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten auf der Grundlage eines hypothetischen Vertrages oder der Verpflichtung aller auf die Verfolgung eines Wertsteigerungsprinzips begründen ließ,1 würde nach dem hier vorgeschlagenen Konzept zumindest die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber eine solche sinnvolle2 – untechnisch gesprochen – Kooperationspflicht treffen. Das finanzierte Unternehmen und zumindest reflexiv auch die dem gesetzlichen Regeltyp des Fremdkapitalgebers entsprechenden non-adjusting creditors könnten davon profitieren, dass die adjusting creditors bereits im Vorfeld der Krise ihren Einfluss dazu einsetzen, es überhaupt nicht zur Krise und der damit einhergehenden Einschränkung ihres Rückzahlungsinteresses kommen zu lassen. Die in der ökonomischen Theorie für vorteilhaft angenommene funktionale Treuhänderstel1

Oben § 7 III. Dies betont für die Stillhaltepflicht auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 731 ff. (freilich auf der Grundlage seines von vornherein kollektiven Ansatzes zur Begründung von Kooperationspflichten). 2

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Fünfter Teil: Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

lung der adjusting creditors3 würde dadurch auch rechtlich gewährleistet. Die übrigen an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten dürften darauf vertrauen, dass ein einflussnehmender Fremdkapitalgeber nicht nur die Vorteile seiner Einflussnahme genießt, sondern dass seine Einflussnahme auf die Krisenvermeidung bzw. -bewältigung abzielt. Dies wäre keine vollständige Versicherung des Kreditrisikos der non-adjusting creditors, sondern allein ein kaum messbarer vertrauensstiftender Umstand. Es wäre jedoch ein wichtiger Anreiz, sich an der Unternehmensfinanzierung als non-adjusting creditor zu beteiligen. Indem das Kreditrisiko nur von Personen gesteuert wird, die von den negativen Folgen dieser Steuerung selbst vorrangig betroffen sind, wird nämlich gewährleistet, dass diese die Interessen der übrigen mit berücksichtigen. Betrachtet man die Rechtsfolgen einer derartigen Einschränkung bzw. vorrangigen Betroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber, wird sich jedoch zeigen, dass diese nur dilatorisch wirken würde, d. h. einen Kapitalabzug auf Zeit zu verhindern wüsste. Der Charakter des Finanzierungsbeitrags als Fremdkapital, welches keiner vorrangigen Verlusttragung unterliegt, bliebe hiervon unberührt. Es drängt sich daher die weitergehende Frage auf, ob die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens zu Lasten der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber auch so weit reicht, den Finanzierungsbeitrag selbst in Eigenkapital umzuqualifizieren zu können, welches die aus der Einflussnahme resultierenden Verluste vorrangig trägt. Hierüber würde nicht nur die Chance zur Beseitigung des Insolvenzgrundes der Illiquidität geboten, sondern – bei den unternehmenstragenden Kapitalgesellschaften – zugleich die Beseitigung der Überschuldung iSv. § 19 InsO. Nachfolgend soll nunmehr zunächst herausgearbeitet werden, welche Einschränkungen sich materiell-rechtlich begründen lassen, mithin bereits im Vorfeld der Insolvenz wirken. Hierauf aufbauend stellt sich konsequenterweise die Frage, ob es nicht zusätzliche Möglichkeiten gibt, widersprüchliches Finanzierungsverhalten der Fremdkapitalgeber auf den Insolvenzfall bezogen zu begründen.

3

Oben § 11 I, II.

§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz Will man widersprüchliches Finanzierungsverhalten im Vorfeld der Insolvenz sanktionieren, zeigen sich in dem durch die Schuldrechtsmodernisierung reformierten Darlehensrecht durchaus gesetzgeberische Ansätze, die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber in der Krise zur fortdauernden Belassung ihres Finanzierungsbeitrags zu verpflichten, was für die stille Beteiligung erst recht zu gelten hat.

I. Die Nichtgeltendmachung eines Lösungsrechts als Mittel zur Insolvenzvermeidung Wie bereits erwähnt, kann der Darlehensgeber gemäß § 490 Abs. 1 BGB den Darlehensvertrag vor Auszahlung der Valuta im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen bestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird.1 Ausweislich der Regierungsbegründung verfolgt § 490 Abs. 1 BGB das Ziel, den Darlehensgeber vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust zu bewahren. 2 Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, da die Ansprüche der Fremdkapitalgeber bei Vorliegen der Insolvenzgründe ohnehin meist nicht mehr vollwertig sind.3 Wichtiger ist der hierin anklingende weitere Aspekt: Der zu verhindernde Vermögensverlust ist nicht nur Anlass der Insolvenz, sondern zugleich deren Folge. So heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, dass das mit § 490 Abs. 1 BGB zu verwirklichende Ziel konterkariert würde, wenn der Darlehensgeber zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, „da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre“.4 Das Lösungsrecht des Darlehensnehmers wegen Gefährdung des 1 2 3 4

Oben § 13 I 2. BT-Drs. 14/6040, S. 254. Oben § 8. BT-Drs. 14/6040, S. 254.

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Rückerstattungsanspruchs bezweckt somit, die Beteiligung des Darlehensnehmers am Insolvenzverfahren zu vermeiden und legitimiert hierdurch mittelbar das Interesse der Fremdkapitalgeber, die Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und hieraus zum eigenen Vorteil Konsequenzen zu ziehen.

1. Mögliche Einschränkungen des Kündigungsrechts Liegen die Voraussetzungen einer Gefährdung der Rückerstattung vor, ist der Darlehensgeber nach Valutierung gemäß § 490 Abs. 1 Alt. 1 BGB „in der Regel“ zur Kündigung berechtigt. Eine tatbestandliche Präzisierung dieses möglicherweise die Kündigungsfreiheit des Darlehensgebers einschränkenden Merkmals hat zunächst in Abgrenzung von der Kündigung vor Valutierung zu erfolgen. Diese kann gemäß § 490 Abs. 1 BGB Alt. 2 nicht nur „in der Regel“, sondern „im Zweifel stets“ erfolgen. Wenngleich die Wortlautdifferenzierung kein eindeutiges Stufenverhältnis erkennen lässt,5 kann man doch der Gesetzesbegründung entnehmen, dass das Kündigungsrecht nach Valutierung „weicher ausgestaltet“ ist als das vor Valutierung. 6 Nach Auszahlung soll hiernach eine Kündigung und damit die Rückforderung nur möglich sein, wenn „durch das weitere Belassen der Mittel beim Darlehensnehmer die Rückgewähr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist“.7 Die Gesetzesbegründung bringt hiermit noch einmal das bereits herausgearbeitete zentrale Schutzanliegen des außerordentlichen Kündigungsrechts wegen Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs zum Ausdruck: Aus zivilrechtlicher Sicht wird das Interesse des Darlehensgebers an der Rückerstattung der Darlehensvaluta vom finanziellen Risiko des Darlehensnehmers abgekoppelt. Verschlechtert sich die Vermögenslage des Schuldners, soll dem Darlehensgeber mit § 490 Abs. 1 BGB ein Mittel in die Hand gegeben werden, die eigenen Vermögensinteressen durch vorzeitigen Mittelabzug zu verwirklichen und hierdurch am (unternehmerischen) Risiko des Schuldners nicht weiter partizipieren zu müssen. Dessen ungeachtet hält die Gesetzesbegründung zu § 490 Abs. 1 BGB Situationen für denkbar, in denen trotz Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs ein Belassen der Darlehensvaluta geboten und „durchaus zumutbar“ ist. 8 So heißt es, dem Darlehensgeber könne es im Fall einer „lediglich vorübergehenden Vermögensverschlechterung“ zumutbar sein, dem Darlehensgeber das

5

So bereits Freitag, WM 2001, 2370, 2375. Wörtlich BT-Drs. 14/6040, S. 254. 7 BT-Drs. 14/6040, S. 254 in wörtlicher Übereinstimmung mit Westermann, in MünchKomm BGB3, § 610 Rn. 13. 8 BT-Drs. 14/6040, S. 254. 6

I. Die Nichtgeltendmachung eines Lösungsrechts

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valutierte Darlehen zu belassen.9 Ob hierin wirklich eine Einschränkung des an sich bestehenden Kündigungsrechts zu sehen ist, erscheint zweifelhaft. Handelt es sich nämlich um eine bloß vorübergehendende Vermögensverschlechterung, scheidet regelmäßig bereits der Tatbestand der Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs aus.10 Ist die Restlaufzeit des Darlehens länger als die bloß vorübergehende Vermögensverschlechterung, ist allenfalls die – durch § 490 Abs. 1 BGB nicht geschützte11 – periodisch fällige Zinspflicht gefährdet, nicht aber die Rückerstattung des Darlehens. Läuft das Darlehen umgekehrt innerhalb der bloß vorübergehenden Vermögensverschlechterung ohnehin aus, besteht für das außerordentliche Kündigungsrecht bereits kein Bedarf. Bedeutet somit die bloß vorübergehende Vermögensverschlechterung im Regelfall bereits den tatbestandlichen Ausschluss von § 490 Abs. 1 BGB, folgt hieraus umgekehrt, dass die durch den Wortlaut „in der Regel“ für möglich erachtete Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts gerade im Fall bestehender oder drohender Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs Geltung beanspruchen soll. Dogmatisch begründen lässt sich eine derartige Einschränkung eines tatbestandlich gegebenen Gestaltungsrechts als Ausübungskontrolle.12 So ist auch beim Darlehen seit langem anerkannt, dass eine an sich berechtigte „Kündigung zur Unzeit“ gemäß § 242 BGB bzw. in Analogie zu §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675 Abs. 1 Hs. 2, 723 Abs. 2 BGB zumindest auf Zeit unwirksam ist.13 Auch die Generalnorm für die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund verlangt gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB die „Abwägung der beiderseitigen Interessen“ und bietet so Raum für die nach der Gesetzesbegründung gebotene Prüfung des Lösungsrechts im konkreten Einzelfall. Fraglich ist, welche Zwecke nach der Gesetzesbegründung mit dieser für möglich erachteten Einschränkung verfolgt werden sollen.

2. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung als Mittel zu Insolvenzvermeidung Die in der Gesetzesbegründung erwähnte Einschränkung des Kündigungsrechts zwingt den Darlehensgeber, sich unter Umständen länger an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen als es seinen Vorstellungen entspricht. Das zentrale Schutzanliegen von § 490 Abs. 1 BGB, das Risiko des Darlehensgebers 9 BT-Drs. 14/6040, S. 254; zustimmend Berger, in MünchKomm BGB, § 490 Rn. 17; Reiff, in AnwKomm BGB, § 490 Rn. 8; Palandt/Putzo, BGB, § 490 Rn. 8. 10 So bereits Mülbert, WM 2002, 465, 474. 11 Vgl. oben § 13 I 3. 12 Ähnlich Berger, in MünchKomm BGB, § 490 Rn. 19, wonach die hiernach zu berücksichtigenden Umstände keine „keine selbstständige Einschränkung des Kündigungsrechts“ darstellten, sondern im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung mit zu berücksichtigen seien. 13 Statt anderer Berger, in MünchKomm BGB, § 488 Rn. 241.

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

von dem des finanzierten Unternehmens abzukoppeln, wird hierdurch stark relativiert. Durch den für möglich erachteten Ausschluss des Kündigungsrechts wird der Darlehensvaluta zumindest auf Zeit eine Haftungsfunktion zugewiesen, die sie im Regelfall gerade nicht hat. Obwohl bereits die tatbestandliche Gefährdung der Rückerstattung eingetreten ist, soll dem Darlehensgeber zugemutet werden, das Risiko einer sich noch verschlechternden Vermögenssituation mitzutragen. Gerechtfertigt sei dies dadurch, dass die Nichtgeltendmachung einer Darlehensforderung ein Mittel zur Insolvenzvermeidung sei, welches sowohl dem finanzierten Unternehmen als auch seinen sonstigen Gläubigern nutzte.

3. Die Perpetuierung der Kapitalüberlassung zum Schutz vor Vermögensverschlechterung Auch darüber hinaus erstreckt sich die in der Gesetzesbegründung für möglich erachtete Einschränkung des Kündigungsrechts auf den Schutz der übrigen Darlehensgeber. Es wurde bereits erwähnt, dass die Insolvenz des Darlehensnehmers als solche nach Ansicht der Gesetzesbegründung eine Vermögensverschlechterung bewirkt.14 Verknüpft man diese Einschätzung mit dem Anliegen, den Mittelabzug zur Insolvenzvermeidung einzuschränken, wird deutlich, dass die Gesetzesbegründung den Eintritt einer Kettenreaktion verhindern will. Kündigt ein Darlehensgeber wegen der Gefährdung seiner Rückerstattung und führt der hieraus resultierende Mittelabzug zu einer (weiteren) Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers, sind die verbleibenden Kreditgeber ihrerseits gemäß § 490 Abs. 1 BGB zur Kündigung berechtigt. Der auf der Vermögensverschlechterung beruhende Mittelabzug, der seinerseits eine Vermögensverschlechterung bewirkt, führt somit zu einer vorhersehbaren Handlungsfolge. Dass diese aus Sicht des Gesetzgebers unerwünscht ist, beruht auf zwei verschiedenen Aspekten. Zum einen kann der als Kettenreaktion ausgestaltete Mittelabzug der Gläubiger die finanzielle Grundlage des Unternehmens irreparabel erschüttern und damit die an sich bestehende Sanierungsmöglichkeiten vereiteln. Zum anderen können bei einer solchen Kettenreaktion die „nur“ auf die Erstkündigung reagierenden übrigen Gläubiger möglicherweise schlechter stehen, als wenn die erste Kündigung ausgeblieben wäre. Der in der Gesetzesbegründung genannte Ansatz, das an sich gegebene Kündigungsrecht eines Darlehensgebers nach § 490 Abs. 1 BGB einzuschränken, ist daher nicht allein auf das zweiseitige Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer beschränkt. Im hier interessierenden Kontext verwirklicht er darüber hinaus eine Stabilität der Unternehmensfinanzierung in der Krise des Darlehensnehmers. 14

BT-Drs. 14/6040, S. 254.

I. Die Nichtgeltendmachung eines Lösungsrechts

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4. Vorrang der Vertragsanpassung Die in der Gesetzesbegründung erwähnte Einschränkung des Kündigungsrechts gemäß § 490 Abs. 1 BGB ist entgegen auch beim Darlehen mit EinmalTilgung bei Endfälligkeit nicht von vornherein ausgeschlossen. Richtig ist jedoch der Ausgangspunkt, wonach ein ratenweises Belassen der Darlehensvaluta in einem solchen Fall nicht durch die Einschränkung des Kündigungsrechts bewirkt werden kann. Schuldet der Darlehensnehmer die Rückzahlung am 31. Dezember des kommenden Jahres, kann die außerordentliche Kündigung im Jahr davor gemäß § 490 Abs. 1 BGB („fristlos“) allein die sofortige Fälligkeit herbeiführen. Eine einseitige Umgestaltung des Schuldverhältnisses durch „Teilkündigung“ scheidet ohne entsprechende vorherige Vereinbarung regelmäßig aus.15 Das gesetzgeberische Anliegen, die außerordentliche Kündigung auch beim Darlehen mit Einmal-Tilgung auszuschließen, lässt sich mit diesem Grundsatz jedoch nicht entkräften. So wird das Verbot der Teilkündigung vielfach durchbrochen, insbesondere beim Darlehen, wenn es darum geht, dass der Darlehensgeber eine Reduzierung der Kreditlinie erreichen will.16 Man muss sich daher fragen, ob dies nicht auch spiegelbildlich für den Darlehensgeber gilt, der als milderes Mittel zur sofortigen Fälligstellung der Gesamtvaluta mittels außerordentlicher Teilkündigung analog § 490 Abs. 1 BGB das Darlehen mit Einmal-Tilgung auf Ratenzahlung umstellen kann. Beim Darlehen als Dauerschuldverhältnis stellt sich zudem in besonderem Maße die Frage, ob die Parteien nicht aufgrund vertragsimmanenter Loyalitätspflichten verpflichtet sind, in Nachverhandlungen zu treten (vgl. nur die Grundnorm einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB: „unter Abwägung der beiderseitigen Interessen“). Das Anliegen, die außerordentliche Kündigung im Fall des § 490 Abs. 1 BGB mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung einzuschränken, könnte daher auch ein Indiz dafür sein, dass solche Pflichten beim Darlehen bestehen und in bestimmten Situationen eine andere Lösung vorrangig sein soll. Schließlich ist im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, auf dessen Grundgedanken § 490 BGB beruht,17 gemäß § 313 Abs. 3 S. 1 BGB der Vorrang der Vertragsanpassung gegenüber der Auflösung ausdrücklich anerkannt.

5. Zwischenergebnis, offene Fragen Dem Darlehen iSv. § 488 BGB kommt im Ausgangspunkt keine Haftungsfunktion zu Gunsten der anderen Unternehmensgläubiger zu. Demgegenüber finden sich in der Gesetzesbegründung zu § 490 BGB Hinweise darauf, dass be15 16 17

Ganz hM, Palandt/Grüneberg, BGB, Vor § 346 Rn. 12. Vgl. für die Reduzierung eines Kontokorrentkredits BGH NJW 1999, 2269. Sogleich unter II.

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

stimmte Umstände eine zeitliche oder qualitative Einschränkung dieses Kündigungsrechts im Einzelfall rechtfertigen können. Welche Umstände dies sind und auf welcher dogmatischen Grundlage diese Ausübungskontrolle bzw. vorrangige Vertragsanpassung erfolgen soll, lässt sich dem Gesetzeswortlaut und den Materialien indessen nicht entnehmen. Deutlich wird allein, dass die Kapitalbelassung im Unternehmen als Mittel zur Insolvenzvermeidung anerkannt wird. In Verhinderung einer Kettenreaktion soll dies auch zu Gunsten der übrigen Darlehensgeber wirken und für eine Stabilität der Unternehmensfinanzierung in der Krise sorgen. Ferner soll es Fälle geben, in denen der fristlosen Kündigung mildere Mittel unter Belassung der Valuta beim Darlehensgeber – Nachverhandlung, Vertragsanpassung – vorgehen. Nachfolgend ist nunmehr herauszuarbeiten, auf welcher dogmatischen Grundlage dieses gesetzgeberische Anliegen umzusetzen ist und sich damit eine die Mitsteuerung legitimierende Selbstbetroffenheit der Fremdkapitalgeber herstellen ließe.

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses wegen widersprüchlichen Verhaltens Beim außerordentlichen Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB besteht Einigkeit, dass die Kündigung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist, wenn die Gründe hierfür in den Verantwortungsbereich des Kündigungswilligen fallen.18 Wertungsmäßig ist dem für den hier interessierenden Bereich der Fremdfinanzierung eines Unternehmens ohne weiteres zuzustimmen. Führt der Darlehensgeber die Umstände für einen an die Gefährdung seines Rückzahlungsinteresses anknüpfenden Kündigungsgrund herbei, wäre es zumindest gegenüber seinem Vertragspartner widersprüchlich, ein legitimes Lösungsinteresse anzuerkennen, welches im Einklang mit den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung darauf beruht, dass der Kapitalgeber gerade keinen Einfluss auf die Unternehmensführung genommen hat.19 Präzisieren lässt sich diese an die Zuweisung von Verantwortungsbereichen geknüpfte Einschränkung eines Kündigungsrechts mittlerweile auch unter Rückgriff auf § 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB. Hiernach ist der Rücktritt beim gegenseitigen Vertrag ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.20 Hierdurch sollte die Rechtslage beim Ausschluss des Rücktrittsrechts der18 BGHZ 44, 271, 275; BGH, NJW 1981, 1265 (im Fall beiderseitiger Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses); Rohe, in Bamberger/Roth, BGB, § 314 Rn. 118; für §§ 490 Abs. 3, 314 BGB zustimmend Berger, in MünchKomm BGB, § 490 Rn. 55. 19 Hierzu ausführlich oben §§ 18, 19. 20 Ernst, in MünchKomm BGB, § 323 Rn. 257 sieht hierin eine überflüssige Kodifizierung des seit jeher geltenden Gebots der eigenen Vertragstreue.

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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jenigen beim Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 BGB angepasst werden, wo die Ersatzpflicht gemäß § 254 BGB ausgeschlossen sein kann. 21 Da Rücktritt und Kündigung funktional vergleichbar sind, ist es geboten, dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens bei beiden Rechtsinstituten in gleicher Weise Geltung zu verschaffen und § 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB als Spezialfall von § 242 BGB auch beim Darlehen anzuwenden bzw. diese ausdrückliche Regelung zur Konkretisierung der für alle Rechtsverhältnisse maßgeblichen Generalklausel von Treu und Glauben heranzuziehen. 22 Um unter dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens eine Einschränkung der Rechtsausübung zu begründen, genügt jedoch die vielfach anzutreffende Bezugnahme auf den konturenlosen Begriff der Mitverantwortung des zur Kündigung Berechtigten für die Kündigungsgründe oder die nicht näher präzisierte Abgrenzung von Verantwortungsbereichen nicht. Es bedarf vielmehr genauerer Kriterien, anhand derer ermittelt werden kann, welche Umstände in die Verantwortungsbereiche von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen fallen.

1. Die Verantwortungsbereiche bei der Fremdfinanzierung eines Unternehmens Hierzu ist noch einmal die gesetzliche Ausgangslage für die Regeltypen der Fremdfinanzierung zu skizzieren: Der Fremdkapitalgeber hat beim Darlehen im gesetzlichen Regelfall und bei der stillen Beteiligung aufgrund gemäß § 231 Abs. 2 HGB zulässiger privatautonomer Gestaltung ein legitimes Interesse, das unternehmerische Risiko nicht mittragen zu müssen.23 Insofern ist es nur konsequent, dass weder im Recht des Darlehens noch bei der stillen Gesellschaft als gesetzlicher Regelfall vorgesehen ist, dass der Fremdkapitalgeber sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligt. a. Die verhaltensbedingte Kündigung als Ausgangspunkt Um nun herausarbeiten zu können, welche Auswirkungen eine durchaus mögliche und nach dem hier vertretenen Konzept auch prinzipiell zulässige Einflussnahme auf die Steuerung eines Unternehmens für die Zuweisung des unternehmerischen Risikos in den für § 242 BGB bzw. § 323 Abs. 6 S. 1 BGB maßgeblichen Verantwortungsbereich des Fremdkapitalgebers hat, muss man zunächst ermitteln, welche Folgen es hätte, wenn die Folgen Einflussnahme aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung als Handlungsgebot dem finanzierten Unternehmen selbst auferlegt gewesen wäre. Als Beispiel sei der in der Fi21

BT-Drs. 14/6040, S. 185. So letztlich auch Ernst, in MünchKomm BGB, § 323 Rn. 257 auf der Grundlage seines Ansatzes eines seit jeher geltenden Gebots der eigenen Vertragstreue. 23 Oben § 13. 22

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

nanzierungspraxis durchaus übliche Fall einer Projektfinanzierung mit Verwendungsabsprache genannt. Hierbei wird das Fremdkapital zur Verfügung gestellt, um ein bestimmtes, genau definiertes Finanzierungsprojekt zu verwirklichen. Auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit dem Fremdkapitalgeber ist das Unternehmen gehalten, die Valuta nur zur Verwirklichung dieses Projekts zu verwenden und alles daran zu setzen, dass die im Rahmen der sog. ROI-Rechnung kalkulierten Erträge auch erzielt werden, um das Rückzahlungsinteresse des Kapitalgebers zu verwirklichen. 24 Bei dinglicher Betrachtung geht die Darlehensvaluta bzw. stille Beteiligung in das Vermögen des unternehmenstragenden Rechtsträgers über, so dass dieser gemäß § 903 BGB frei darüber disponieren kann. 25 Beim Darlehen lautet die gängige Formel für das notwendige „zur Verfügung stellen“ iSv. § 488 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Darlehensgegenstand endgültig aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form zugeführt werden muss. 26 Bei der stillen Gesellschaft wird gemäß § 230 Abs. 1 HGB kein gemeinsames Gesellschaftsvermögen gebildet, so dass der Geschäftsinhaber Alleineigentümer der Valuta wird. Wird nun eine – gemäß § 137 S. 2 BGB zulässige – rechtsgeschäftliche Verpflichtung vereinbart, in welcher Weise der Darlehensnehmer über die Valuta zu verfügen hat, könnte der Fremdkapitalgeber den Finanzierungsvertrag ohne weiteres vorzeitig kündigen, wenn sich das Unternehmen nicht an die Absprachen hält. Insofern spielt es auch keine Rolle, ob der Finanzierungsvertrag ein Darlehen ist mit der Folge, dass das Kündigungsrecht aus § 314 Abs. 1 BGB folgt oder eine stille Beteiligung mit der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit gemäß § 723 Abs. 1 BGB. Die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung ist in beiden Fällen zur Bejahung eines wichtigen Grundes geeignet. Dies kann jedoch auch anders zu beurteilen sein. So wäre das einen vorzeitigen Kapitalabzug legitimierende absprachewidrige Verhalten des Unternehmens kein Kündigungsgrund, wenn der Fremdkapitalgeber in die – an sich absprachewidrige – Verwendung eingewilligt hätte. Entweder handelt es ich hierbei um eine einvernehmliche Änderung oder Aufhebung der Verwendungsabsprache oder um eine die Pflichtwidrigkeit beseitigende Einwilligung.27 Eine an das pflichtwidrige Verhalten des Darlehensgebers anknüpfende vorzeitige Kündigung wäre in beiden Fällen nicht zu begründen. Überträgt man diesen Aspekt auf den hier interessierenden Fall, dass der Fremdkapitalgeber selbst auf 24 Zur Berechnung des Return on Investment statt anderer Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 177 ff. 25 Aus Vereinfachungsgründen wird auf die Finanzierung mit Bargeld abgestellt; zu den sonstigen Zahlungsformen Berger, in MünchKomm BGB, § 488 Rn. 28 ff. 26 HM, BGH, ZIP 2003, 64, 66; statt anderer Berger, in MünchKomm BGB § 488 Rn. 27. 27 Zur Einwilligung als Rechtfertigungsgrund statt anderer Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rn. 36 d.

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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die Steuerung des Unternehmens Einfluss nimmt, mithin auf die Verwendung des hingegebenen Kapitals, muss dies erst recht gelten: Die Verwendung der Valuta durch den Darlehensgeber selbst bzw. die Beeinflussung, auf welche Weise der Darlehensnehmer hiermit zu verfahren hat, schließen es aus, dass sich der Darlehensgeber bei der Geltendmachung eines Lösungsrechts auf eine absprachewidrige Verwendung beruft. Insofern ist es nur konsequent, dass auch die tatsächliche Beeinflussung eines unternehmerischen Risikos dem Fremdkapitalgeber das Recht nimmt, sein Lösungsinteresse wegen eines abredewidrigen Verhaltens des Unternehmens zu verwirklichen, welches die ursprünglich vertraglich vorausgesetzte Risikoerwartung stört. Mit der Einflussnahme hat der Fremdkapitalgeber entsprechend einer Einwilligung die betreffende Verantwortung hierfür mit übernommen. b. Die keinem konkreten Verhalten zurechenbare Vermögensverschlechterung als Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen Gegen diese durch ein Verhalten des Fremdkapitalgebers begründete Zuweisung eines Verantwortungsbereichs als Einschränkung für die Geltendmachung von Lösungsrechten lässt sich auch nicht einwenden, dass die zur Kündigung berechtigende finanzielle Situation oftmals nicht genau einem konkreten Verhalten zurechenbar ist und das vorstehend erarbeitete Aspekt der Einwilligung daher praktisch leer liefe. aa. Der Zustand der Vermögensverschlechterung als Kündigungsgrund Zuzugeben ist diesem Einwand freilich, dass der Grund für die Geltendmachung eines vom unternehmerischen Risiko abgekoppelten Rückzahlungsinteresses in der Praxis der Unternehmensfinanzierung kaum je einem konkreten Verhalten zurechenbar ist. Ist die finanzielle Situation eines Unternehmens zum Beispiel schlecht, weil Dritte sich in nicht vorhersehbarer und vor allem auch nicht durch die Unternehmensleitung oder den Fremdkapitalgeber zu beeinflussender Weise verhalten haben, läge es in der Tat nahe, hierin überhaupt keinen Verantwortungsbereich zu sehen, der entweder einem Verhalten des Fremdkapitalgebers oder des Unternehmens zurechenbar wäre. Indem § 490 Abs. 1 BGB nicht darauf abstellt, wer die finanzielle Situation herbeigeführt hat, ist der Fremdkapitalgeber bereits wegen des bloßen Zustands der Gefährdung seines Rückzahlungsinteresses zum frühzeitigen Kapitalabzug berechtigt. Für die außerordentliche Kündigung einer stillen Beteiligung wegen der Gefährdung eines – bei Ausschluss der Verlustbeteiligung durchaus legitimen – Auseinandersetzungsguthabens gemäß § 723 Abs. 1 BGB gilt dies gleichermaßen. Zeichnet sich bei der typischen stillen Gesellschaft ohne Verlusttragung des Stillen ab, dass die Geschäfte schlecht laufen und sein Kapital langsam aufgezehrt wird,

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

steht dem Stillen wie dem Darlehensgeber ein entsprechendes außerordentliches Kündigungsrecht zu, ohne dass es auf ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsinhabers ankäme. 28 bb. Die Zuweisung des Verschlechterungsrisikos in den Verantwortungsbereich des Unternehmens Wird das Lösungsinteresse des Fremdkapitalgebers somit bereits bei einem objektiv bestehenden Zustand der Vermögensverschlechterung durch Zubilligung außerordentlicher Kündigungsrechte verwirklicht, besteht kein Raum, eine unter dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens bzw. der Einwilligung begründete Einschränkung der Lösungsmöglichkeiten zu rechtfertigen. Es scheint, als komme es bei der Zuweisung des Verschlechterungsrisikos beim Darlehen und der stillen Beteiligung ohne Verlusttragung überhaupt nicht darauf an, wer den betreffenden Zustand herbeigeführt hat. Die Aufrechterhaltung der zur Befriedigung der Rückzahlungsansprüche notwendigen Liquidität, mithin das sog. finanzielle Gleichgewicht, ist hiernach eine allein in den Verantwortungsbereich des Unternehmens fallende Obliegenheit. Mischt sich der Darlehensgeber bzw. stille Gesellschafter ein, kann das im Erfolgsfalle nutzen, bleibt im Fall des Scheiterns jedoch ohne Folgen. cc. Korrektur bei Durchbrechung der Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass diese Zuweisung des Verschlechterungsrisikos daran geknüpft wird, dass sich der Fremdkapitalgeber der Einflussnahme über die Mittelverwendung und damit bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung einer Beteiligung an der Steuerung des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs enthält. Wie bereits erwähnt, besteht zu Gunsten des Darlehensgebers nur dann ein Kündigungsrecht wegen Gefährdung der Rückerstattung gemäß § 490 Abs. 1 BGB, wenn sich die Vermögensverhältnisse nachträglich verschlechtern.29 Hieraus folgt zum einen, dass die Einschätzung der finanziellen Situation bei Beginn der Finanzierung dem Risikobereich des Darlehensgebers zuzurechnen ist, wenn sie nicht vom Darlehensnehmer verschleiert wurde. Er kann nicht außerordentlich kündigen, wenn er lediglich nachträglich erkennt, dass seine Einschätzung falsch war. 30 Indem eine nachträgliche Vermögensverschlechterung zur vorzeitigen Lösung berechtigt, zeigt sich weiterhin, dass die an den bloßen Zustand der Vermögensverschlechterung anknüpfenden Lösungsrechte eine gesetzliche Risiko28 29 30

Oben § 13 III 2. Oben § 13 I 1. Ganz hM, vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, § 490 Rn. 7.

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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zuweisung nach Herrschaftsbereichen sind.31 Die materielle Legitimation, bereits den Zustand einer nachträglichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers zum außerordentlichen Kündigungsgrund zu Gunsten des Darlehensnehmers zu erheben, folgt bei dinglicher Betrachtung daraus, dass der Darlehensgeber nach Auszahlung der Valuta keine Möglichkeit mehr hat, die Verwendung seiner Valuta (und erst recht auch der übrigen Vermögenswerte des Darlehensgebers) zu beeinflussen.32 Die Valuta ist somit im Regelfall – durchaus vergleichbar mit den Mindesteinlagen bei Kapitalgesellschaften gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG – zur freien Verfügung des Darlehensnehmers zu leisten.33 Der Darlehensgeber begibt sich mit Valutierung seiner Rechte aus § 903 BGB und vertraut darauf, dass es dem Darlehensgeber gelingt, die Valuta und sein sonstiges Vermögen so zu erhalten, dass der Rückzahlungsanspruch bei Fälligkeit befriedigt werden kann. 34 Für die stille Gesellschaft gilt im gesetzlichen Regelfall nichts anderes. Wenngleich dort die Gewinnerzielung gemeinsamer Zweck iSv. § 705 BGB35 ist und sich beide Parteien zur Zweckverwirklichung verpflichten, obliegt es im gesetzlichen Regelfall allein dem Geschäftsinhaber, die zur Zweckverwirklichung erforderlichen Geschäftsführungsmaßnahmen durchzuführen. Die Zweckförderungspflicht des Stillen beschränkt sich auf die Leistung der Vermögenseinlage und – soweit nicht abbedungen – die Verlusttragung. Darüber hinaus hat er allein bestimmte Kontrollrechte gemäß § 233 HGB. Diese Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen zu Lasten des Darlehensnehmers bzw. Geschäftsinhabers wegen der Möglichkeit zur freien, allenfalls durch das Gebot der Gewinnerzielung eingeschränkte Verfügung über die Valuta bzw. Vermögenseinlage ist gestört, wenn der Darlehensgeber auf die Mittelverwendung durch den Darlehensnehmer Einfluss nimmt. Die Begründung ergibt sich zum einen daraus, dass die gesetzliche Zuweisung eines nicht an konkrete Verhaltensanforderungen geknüpften Verschlechterungsrisikos nur gerechtfertigt ist, wenn der Betreffende auch frei darüber entscheiden kann, wie er dieses Risiko steuert, um einer – bezogen auf die Tatbestandsmäßigkeit eines 31 Zum Risikoprinzip in Abgrenzung zum Veranlassung- und Verschuldensprinzip grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 479 ff. 32 Vgl. noch einmal die gängige Formel des „zur Verfügung Stellens“, wonach der Darlehensgegenstand endgültig aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form zugeführt erden muss (Berger, in MünchKomm BGB, § 488 Rn. 27). 33 Ähnlich die hM zum Darlehen, wonach der Darlehensnehmer bei der Verschaffung von Buchgeld in die Lage versetzt sein muss, „hierüber wie bares Geld zu verfügen“ (BGHZ 6, 121, 124 f.; BGH, NJW 1996, 1207; Berger, in MünchKomm BGB, § 488 Rn. 29). 34 Zum Kreditrisiko bereits oben § 2 I. – Auf die etymologische Herkunft des Wortes Kredit vom lat. credere sei an dieser Stelle nur am Rande hingewiesen. 35 RGZ 77, 223; RGZ 80, 268; BGH, WM 1967, 321; Staub/Zutt, HGB, § 230 Rn. 7; zur stillen Gesellschaft als Innen-GbR statt anderer Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 19 Rn. 4.

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Lösungsrechts – „Garantiehaftung“ zu entgehen. Zum anderen bedarf auch der von der Zuweisung des Verschlechterungsrisikos profitierende Fremdkapitalgeber dieses weitgehenden Schutzes nur, wenn er keinen Einfluss darauf hat, die Vermögensverschlechterung zu verhindern. Lassen sich die Herrschaftsbereiche nicht voneinander trennen, ist es einerseits nicht gerechtfertigt, dem Unternehmen das Verschlechterungsrisiko zuzuweisen, andererseits aber auch nicht geboten, den Fremdkapitalgeber für den bloßen Zustand einer Vermögensverschlechterung ein Lösungsinteresse zuzubilligen, welchen er durch seine Einflussnahme mit steuern könnte. Die Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Steuerung des Unternehmens ist daher auch bei den Lösungsrechten, die an den bloßen Zustand einer Gefährdung des Rückzahlungsinteresses anknüpfen, ein Umstand, der eine unter dem Aspekt widersprüchlichen Verhaltens gebotene Einschränkung der Lösungsrechte zu begründen vermag. Nachfolgend soll nunmehr herausgearbeitet werden, in welchen Fallgruppen die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Fremdkapitalgeber die Einschränkung eines an sich bestehenden Lösungsrechts nach sich zieht.

2. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen Ingerenz Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB wird – auch beim Darlehen – dann angenommen, wenn sich eine Partei in rechtswidriger oder aus sonstigen Gründen zu missbilligender Art und Weise verhalten hat und hieraus Vorteile suchen will. So kann zum Beispiel einem Gesellschafter die Erhebung einer Auflösungsklage gemäß § 242 BGB verwehrt sein, wenn er den Eintritt des Auflösungsgrundes selbst treuepflichtwidrig verschuldet hat.36 Auch der Arbeitgeber darf aus dem bloßen Verdacht von Verfehlungen seines Arbeitnehmers keine Rechte herleiten, wenn er diesen Verdacht durch falsche Anschuldigungen begründet oder verstärkt hat.37 Das Gleiche gilt für einen Bürgschaftsgläubiger, wenn er – zum Beispiel unter Verletzung einer unter den Beteiligten bestehenden (gesellschaftsrechtlichen) Treuepflicht den Bürgschaftsfall herbeigeführt hat.38 In der Literatur wird diese Fallgruppe meist als unredlicher Erwerb einer Rechtsstellung umschrieben.39 Letztlich handelt es sich hierbei um die im Strafrecht relevante Fallgruppe der Ingerenz, wonach derjenige, der durch sein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen eine Gefahr für den Eintritt eines schädlichen Erfolges geschaffen hat, verpflichtet ist, den drohenden Schaden zu ver36

RGZ 164, 257, 263. BAG, BB 1967, 630. 38 BGH, WM 1968, 874. 39 Vgl. nur Larenz/Wolf, AT, § 16 Rn. 29 ff. (m. w. N.); ähnlich Roth, in MünchKomm BGB, § 242 Rn. 219 („missbräuchlich begründete Rechtsstellungen“). 37

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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hindern.40 Im Zivilrecht findet dieser bereits im römischen Recht als exceptio doli preateriti bekannte Gedanke41 zur Präzisierung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens an zwei Stellen ausdrückliche Anerkennung: zum einen bei der Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB, zum anderen gemäß § 162 BGB bei der treuwidrigen Vereitelung des Bedingungseintritts. Auf einen Vertrauenstatbestand auf Seiten der anderen Partei kommt es bei dieser Fallgruppe richtigerweise nicht an.42 Die Einschränkung der Rechtsausübung folgt vielmehr generell aus rechtsethischer Notwendigkeit.43 Die Rechtsordnung darf sich nicht zum Gehilfen einer Person machen, die ihre Rechtsposition in rechtswidriger oder auf sonstige zu missbilligende Art und Weise begründet hat. Die materielle Rechtfertigung der unzulässigen Rechtsausübung wegen Ingerenz ergibt sich somit weniger aus der Sanktionierung widersprüchlichen Verhaltens unter Vertrauensschutzaspekten. Verhindert wird vielmehr, dass ein bereits erfolgtes Fehlverhalten mit Hilfe der dem Berechtigten formal zustehenden Rechtsmacht einseitig zu Lasten des Betroffenen perpetuiert wird und es zu einer Schadensvertiefung kommt. Der Geschädigte wird nicht davor geschützt, dass der Betreffende sich zu einem Vorverhalten in Widerspruch setzt, sondern davor, dass dieser das bisherige Fehlverhalten konsequent weiterführt. Überträgt man dies auf die hier interessierenden Lösungsrechte des Fremdkapitalgebers nach §§ 490 Abs. 1, 314, 723 BGB, ist eine Einschränkung des Kündigungsrechts dann geboten, wenn der Kapitalgeber in rechtswidriger oder aus sonstigen Gründen zu missbilligender Art und Weise einen Kündigungsgrund herbeigeführt hat. Ein Evidenzfall für rechtswidriges Vorverhalten ist gewiss die auch strafrechtlich relevante Nötigung bzw. Erpressung, zum Beispiel wenn der Darlehensgeber das finanzierte Unternehmen in verwerflicher Art und Weise unter Druck setzt, bestimmte Entscheidungen zu treffen, weil ansonsten der Kredit gekündigt würde. Die rechtswidrige oder auf andere Weise zu missbilligende Mitverantwortung des Darlehensgebers ist jedoch nur auf den ersten Blick eine taugliche Fallgruppe, die Geltendmachung eines Lösungsrechts einzuschränken. Das Dilemma, die hierzu notwendige Feststellung treffen zu können, wann eine Vorver40

Grundlegend RGSt 68, 104. Zum Ganzen Staudinger/Weber, BGB11, § 242 Anm. D 5; Roth, in MünchKomm BGB, § 242 Rn. 185; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 274 ff. 42 Wie hier Roth, in Münch Komm BGB, § 242 Rn. 219 ff.; aA Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 55 unter Hinweis auf BGHZ 32, 273, 279; BGHZ 94, 344, 354, wo es aber jeweils um einen bloßen Selbstwiderspruch ohne vorheriges rechtswidriges oder auf sonstige Weise zu missbilligendes Verhalten ging (dazu sogleich). Vgl. auch Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 6, wonach Hauptgrund und rechtstheoretische Legitimation für das Verbot des venire contra factum proprium nach hM in Rechtsprechung und Literatur der Vertrauensschutz sei; auf S. 6 ff. jedoch auch zum venire contra factum proprium ohne Vertrauensbegründung. 43 Zu diesem Kriterium – unter dem Aspekt der Vertrauenshaftung – grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 273 ff. 41

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

halten rechtswidrig ist und wann nicht, zeigte sich bereits bei dem zu Beginn der Arbeit erwähnten Fall, dass eine Bank die Nicht-Kündigung eines Kredites vom Auswechseln des Managements abhängig machte.44 Will man keinem Zirkelschluss erliegen oder die Rechtswidrigkeit gleichsam „freihändig konstruieren“45 , muss man eingestehen, dass es keine präzisen handhabbaren Kriterien dafür gibt, wann eine Einflussnahme rechtswidrig oder auf andere Weise zu missbilligen ist. Die Extrempositionen einer vom BGH und der Vorinstanz46 im vorgenannten Fall überhaupt nicht näher präzisierten konturenlosen Abwägung seien noch einmal in Erinnerung gerufen: Einerseits kann angeführt werden, es gelte, die unternehmerische Freiheit des finanzierten Unternehmens in Personalentscheidungen zu verteidigen, so dass es sich um eine per se zu missbilligende Einmischung handelt. Dies scheint nicht abwegig. Immerhin stellen die Urteile und die diese Entscheidungen zustimmenden Ansichten noch nicht einmal die Frage, ob das bisherige Management Fehler gemacht hat oder unzuverlässig ist. Lässt man diese Aspekte nicht unbeantwortet, ist eine die Rechtswidrigkeit bzw. Verwerflichkeit oder die in sonstiger Weise erfolgende Missbilligung einer derartigen Mittel-Zweck-Relation nicht ausgeschlossen. Auch die extreme Gegenposition, wonach man es einer Bank andererseits nicht verdenken könne, wenn sie die weitere Hilfe von der Auswechslung eines für den Erfolg einer Maßnahme entscheidenden Geschäftsleitungsorgans abhängig macht,47 vermag die schwierige Abgrenzung von erlaubten und unerlaubten Vorverhalten nicht überzeugend aufzulösen. Man muss daher konzedieren, dass die Fallgruppe der Ingerenz für sich genommen genauso wenig geeignet ist, die Mitsteuerung eines Unternehmens rechtlich auszugestalten wie eine auf die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit und Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung.48

3. Beschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen (bloßen) Selbstwiderspruchs Abhilfe bietet insofern der Ansatz, den Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens auch dann anzunehmen, wenn die Ausübung einer dem Berechtigten zustehenden Rechtsposition zu einem rechtmäßigen Vorverhalten in Widerspruch steht. Als Schulbeispiel der Sanktionierung eines bloßen Selbstwiderspruchs dient der Fall, dass ein Vertrag unerkannt 44

Oben § 4 III. Pointiert Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 43. 46 BGH, ZIP 2007, 131; OLG München, NZG 2006, 313; ein bloßer Hinweis auf die strafrechtliche Relevanz eines solchen Verhaltens fi ndet sich auch bei BGH, NJW 1961, 1306. 47 So Goette, DStR 2007, 262, 263. Das bloße Verlangen nach Auswechslung von Personal wird auch von den Vertretern der Ansicht, Fremdkapitalgeber als faktische Organe anzusehen, weitgehend gebilligt (oben § 12 VI). 48 Oben § 4. 45

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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formnichtig ist, von den Parteien jedoch über einen längeren Zeitraum als gültig behandelt wurde. Hier kann es rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich eine Partei nachträglich auf die Unwirksamkeit beruft. Der BGH hat dies zumindest für den Fall bejaht, dass zwischen den Vertragsparteien ein Machtgefälle besteht.49 Kennzeichnend für diese Einschränkung der Rechtsausübung ist – anders als bei der oben genannten Ingerenz – allein der Widerspruch des Berechtigten zu seinem bisherigen Verhalten. Diese, bereits im römischen Recht als exceptio doli praesentis anerkannte50 rechtliche Missbilligung des bloßen Selbstwiderspruchs ist wegen der im Grundsatz bestehenden Freiheit, sich außerhalb vertraglich begründeter Bindungen willkürlich zu verhalten, jedoch an ein zusätzliches Erfordernis geknüpft: Maßgeblich ist, ob das aktuelle Verhalten im Widerspruch zu einem durch das – rechtmäßige – Vorverhalten begründeten Vertrauenstatbestand steht.51 a. Erfordernis eines Machtgefälles? Überträgt man dies auf die hier interessierenden Lösungsrechte des Fremdkapitalgebers wegen Gefährdung eines Rückerstattungsanspruchs bzw. Auseinandersetzungsguthabens, besteht nach der herrschenden Meinung von vornherein nur Raum für eine über § 242 BGB zu begründende Einschränkung der Verwirklichung eines Lösungsinteresses, wenn zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen ein Machtgefälle bzw. eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht.52 Woher dieses die Sanktionierung widersprüchlichen Verhaltens einschränkende Tatbestandsmerkmal kommt, wird freilich nicht näher begründet. Zu einer derartigen einschränkenden Interpretation der exceptio doli praesentis besteht auch keine Veranlassung. Sieht man in dem durch ein entsprechendes Vorverhalten hervorgerufenen Vertrauenstatbestand den zutreffenden Grund, eine einseitige Zerstörung rechtlich zu missbilligen, kommt es auf eine hiervon abzugrenzende, bereits bestehende Abhängigkeit zwischen den Beteiligten nicht an. Einen Vertrauenstatbestand kann auch jemand setzen, der nicht eine besondere Machtposition gegenüber dem Vertrauenden inne hat.53

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Vgl. BGHZ 48, 296; enger noch das RG im sog. Edelmannfall (RGZ 117, 121). Zum Ganzen Staudinger/Weber, BGB11, § 242 Anm. D 5; Roth, in MünchKomm BGB, § 242 Rn. 185. 51 Grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 278; für die Beschränkung der Kreditkündigung ders., ZHR 143 (1979), 113, 124 ff. 52 OLG Köln, WM 1985, 1411, 1413; Kästle, Rechtsfragen, S. 119. 53 Ähnlich bereits Canaris, ZHR 143 (1979), 113, 125 f., der die „sehr starke Abhängigkeit des Kreditnehmers vom Kreditgeber“ lediglich als eine Fallgruppe für die Begründung eines Verbots des venire contra factum proprium sieht, nicht hingegen ein für alle weiteren Fälle notwendige Voraussetzung. 50

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b. Typische Fälle für die Begründung eines Vertrauenstatbestands Ein typischer Fall einer über § 242 BGB wegen bloßen Selbstwiderspruchs begründeten Einschränkung der Verwirklichung eines Lösungsinteresses sind zum Beispiel, dass der Fremdkapitalgeber aufgrund eines faktischen oder rechtsgeschäftlich begründeten Verhaltens beim Unternehmen den Eindruck erweckt hat, der zur Kündigung berechtigende Umstand sei für ihn nicht so bedeutend, dass er hieraus die Konsequenz der Kündigung zieht.54 Erfährt der Darlehensgeber zum Beispiel von einer dramatischen Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers sogleich nach deren Eintritt und tritt mit ihm in Verhandlungen, um die Krise zu bewältigen, kann es ihm im Einklang mit der aus § 311 Abs. 2 BGB bekannten Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen 55 verwehrt sein, unmittelbar zu kündigen. Auch kann der einen Vertrauenstatbestand begründende tatsächliche Verzicht 56 auf die Geltendmachung eines Kündigungsrechts wegen Vertragsverletzung (§ 314 Abs. 1 BGB) oder wegen Vermögensverschlechterung (§ 490 Abs. 1 BGB) daraus folgen, dass der Darlehensgeber Einfluss auf die Unternehmensführung nimmt und damit zugleich zu verstehen gibt, das Risiko für das Scheitern der Bemühungen übernehmen zu wollen. Kann man aus dem Verhalten des Kreditgebers zu Gunsten des Darlehensnehmers einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründen, handelt der Kreditgeber widersprüchlich, wenn er wegen der hieraus resultierenden Folgen ein Kündigungsrecht ausübt. Auf die Einordnung dieses Verhaltens als rechtswidrig oder auf sonstige Weise zu missbilligen, kommt es wegen des den Selbstwiderspruch begründenden Vertrauenstatbestands nicht an. Insofern war es konsequent, dass der BGH einem Kreditgeber das Recht zur Kündigung wegen Vermögensverschlechterung bereits deswegen abgesprochen hat, weil er zuvor auf einen Wechsel der Geschäftsleitung gedrängt hatte und die aktuelle finanzielle Situation Auswirkung dieses Wechsels war.57 c. Verhinderung eines Vertrauenstatbestands durch Freizeichnung Indem die möglicherweise schwierige Prüfung eines rechtswidrigen oder auf sonstige Weise zu missbilligenden Vorverhaltens entbehrlich ist, weist die vorstehend herausgearbeitete Fallgruppe bereits eine erheblich niedrigere Schwelle auf, den Einwand unzulässiger Rechtsausübung zu bejahen. Dennoch darf nicht 54 Vgl. bereits Canaris, ZGR 143 (1979), 113, 127 f.: Duldung eines bestimmten Verhaltens des Kreditnehmers als Fallgruppe des Verbots des venire contra factum proprium. 55 Statt anderer Emmerich, in MünchKomm BGB, § 311 Rn. 178 ff. 56 Ein rechtgeschäftlich begründeter Verzicht, das bestehende Kündigungsrecht auszuüben, liegt in der hier interessierenden Konstellation des reinen Vertrauenstatbestands nicht vor und darf auch nicht ohne nähere Anhaltspunkte konstruiert werden. 57 BGH, WM 1985, 1493.

II. Die Einschränkung des Lösungsinteresses

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außer Acht gelassen werden, dass auch der unzulässige Selbstwiderspruch an die Zerstörung eines Vertrauenstatbestands anknüpft, welcher nicht in jedem Fall vorhanden oder nachweisbar ist. So ist problematisch, ob es auch widersprüchlich sein kann, wenn ein Fremdkapitalgeber zwar Einfluss auf die Unternehmensführung nimmt, zugleich aber deutlich macht, hierfür nicht die Verantwortung übernehmen zu wollen. Praktisch bedeutsam ist dies im hier interessierenden Bereich vor allem dann, wenn über Covenants umfangreiche Mitspracherechte eingeräumt wurden, der Finanzierungsbeitrag hinsichtlich der Verlusttragung jedoch gerade nicht mezzanin ausgestaltet wurde. Unter Vertrauensaspekten wäre der Einwand unzulässiger Rechtsausübung zu verneinen, denn ein Vertrauenstatbestand würde in diesen Fällen zumindest beim finanzierten Unternehmen gar nicht entstehen können. Gegenüber Dritten kommt ein Vertrauenstatbestand von vornherein nur in Betracht, wenn die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers nach außen kundgetan wurde. 58 Insofern drängt sich der Vergleich mit der betrieblichen Übung im Arbeitsrecht auf, die keine anspruchsbegründende Wirkung entfalten kann, wenn der Arbeitgeber den Freiwilligkeitsvorbehalt bei jeder Gewährung von Leistungen unmissverständlich deutlich macht.59 Auch das vielfach zur Legitimation von § 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB herangezogene Gebot der eigenen Vertragstreue des zur Kündigung Berechtigten60 kann eine Einschränkung des Kündigungsrechts dann nicht rechtfertigen, wenn eine solche Freizeichnung im Finanzierungsvertrag enthalten ist. Will man daher den Aspekt widersprüchlichen Verhaltens als Einschränkung der Rechtsausübung auch jenseits solcher vertraglichen Vereinbarungen und des im Verhältnis von Fremdkapitalgeber und Unternehmen angesiedelten Vertrauenstatbestands Geltung verschaffen, bedarf es eines anderen normativen Begründungsansatzes als der Schutz konkreten Vertrauens. Zu fragen ist, ob es auch in rechtlich zu missbilligender Weise widersprüchlich sein kann, sich auf ein Kündigungsrecht zu berufen, wenn der Fremdkapitalgeber einerseits Einfluss auf die Unternehmensführung nimmt, andererseits jedoch dem Unternehmen gegenüber unmissverständlich deutlich gemacht hat, sich im Fall des Scheiterns der Bemühungen auf die nach den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung bestehenden Instrumente zur Verwirklichung eines Lösungsinteresses berufen zu wollen. Sollte dies gelingen, handelte es sich hierbei nicht um den Schutz konkreten Vertrauens. Die dogmatische Grundlage für die Sanktionierung eines Verhaltens als widersprüchlich wäre vielmehr selbst der normative Vertrauenstatbestand, auf den die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten abstrakt vertrauen dürfen, mithin die Eigentümer und sonstigen Gläubiger. Gewährleistet würde nicht der Vertrauensschutz im Hinblick auf ein vertrauensstiftendes Handeln, sondern vielmehr – wie bei der In58 59 60

Vgl. bereits oben § 11 I 2. Vgl. nur BAG, NJW 1996, 3166. Statt anderer Ernst, in MünchKomm BGB, § 323 Rn. 257.

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gangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundmodell widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens – der Schutz des Vertrauens auf das Bestehen einer gesetzlichen Regel, die die als widersprüchliche empfundene Verwirklichung von Privatautonomie des Fremdkapitalgebers einschränkt.61 Das widersprüchliche Verhalten läge nicht darin begründet, dass der Fremdkapitalgeber sich seinen eigenen Vorstellungen nach widersprüchlich verhält. Ihm kann es vielmehr gerade darum gehen, unternehmerischen Einfluss auszuüben, aber in dem Fall des Scheiterns sein Rückzahlungsinteresse bestmöglich zu verwirklichen – als einflussloser, mithin gesetzestypischer Fremdkapitalgeber. Die Widersprüchlichkeit müsste vielmehr daraus folgen, dass auf Grund einer zwingenden Norm zwei Verhaltensweisen als miteinander unvereinbar angesehen würden und dem individuellen, hiernach widerspruchsfreien Vorteilsstreben einer Person hierdurch Grenzen gesetzt sind. d. Überwindung durch die normative Vorgabe konsequenten Verhaltens Ein möglicher Ansatz, den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auch ohne konkreten Vertrauenstatbestand auf Seiten des finanzierten Unternehmens oder bei Dritten begründen zu können, ist die Formel von der protestatio facto contraria. Hiernach kann ein verbaler Protest des Erklärenden unbeachtlich sein. Der Handelnde verliert unter bestimmten Umständen das Recht, einseitig die Folgen seines Handelns zu bestimmen. 62 Die Formel wurde etwa im sog. Hamburger Parkplatzfall herangezogen, um trotz entschiedenen Protests des Parkers eine rechtsgeschäftlich begründete Zahlungspflicht zu begründen. 63 Teilweise auf nationalsozialistisch geprägte Vorarbeiten abstellend, entwickelte sich aus der Protestatio-Formel geradezu eine Lehre vom faktischen Vertrag. 64 Hiernach kann sog. sozialtypisches Verhalten auch ohne entsprechenden Rechtsbindungswillen als rechtsgeschäftliche Willenserklärung eingeordnet werden – zumindest bei Massengeschäften und im Bereich der Daseinsvorsorge. 65

61 Zum gesetzlich angeordneten vorrangigen Verlustrisiko des Eigenkapitalgebers als normativer Vertrauenstatbestand bereits oben § 12 III 2. 62 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 191. 63 BGHZ 21, 319, 333 ff.; vgl. auch BGHZ 23, 249, 258, 261. 64 Grundlegend Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse, 1941. In der Folgezeit Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981. 65 Vgl. BGHZ 55, 128 (Flugreisefall); LG Bremen, NJW 1966, 2360 (erhöhtes Beförderungsentgelt eines minderjährigen Schwarzfahrers).

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aa. Die Protestatio facto contraria-Regel als untaugliche Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpfl ichtungen Dass mittels der Protestatio facto contraria-Regel keine rechtsgeschäftlichen Verträge begründet werden können, steht heute außer Streit. 66 Dies ist auch nicht Gegenstand des hier interessierenden Problems. Zu fragen ist vielmehr, ob die Unbeachtlichkeit einer von einer Person vorgebrachten Äußerung damit begründet werden kann, dass sie im Widerspruch zu anderen Äußerungen oder Handlung steht, selbst wenn damit kein konkreter Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. 67 Bei der Unternehmensfinanzierung geht es somit allein darum, ob einem Fremdkapitalgeber die Geltendmachung von Kündigungsrechten versagt wird, wenn er die wirtschaftliche Situation des Unternehmens durch die Beteiligung an der Unternehmensführung mitverursacht hat, jedoch dem Darlehensnehmer gegenüber stets nachdrücklich versichert hat, für die Folgen dieser Mitverursachung keine Verantwortung übernehmen zu wollen. bb. Die Protestatio facto contraria-Regel als anerkannte Grundlage für die normative Gewichtung von Verhalten Eine derartige allein auf diese Weise zu verstehende – normatives Vertrauen begründende 68 – Protestatio facto contraria-Regel ist keinesfalls von vornherein als dogmatisch nicht begründbar abzulehnen. (1) Vorrang des Vertragsschlusses gegenüber der Geltung eigener AGB. Sie ist in ähnlicher Form zum Beispiel anerkannt, wenn im unternehmerischen Geschäftsverkehr verschiedene AGB miteinander konkurrieren und die Geltung der jeweils anderen Klausel ausschließen. Entgegen der an sich gebotenen Bejahung eines Dissenses – zumindest dann, wenn die AGB von entscheidender Bedeutung für das Vertragswerk sind – nimmt die herrschende Meinung gleichwohl einen wirksamen Vertragsschluss an. Zur Begründung wird – als Anwendungsfall der protestatio facto contraria-Regel – angeführt, das Faktum der Vertragsausführung wiege rechtlich schwerer als der bloß verbale Streit darum, wessen AGB gelten sollen. 69 Bezogen auf die jeweiligen Parteien bedeutet dies, dass die tatsächliche Vertragsdurchführung (= Verhalten 1) die Gültigkeit des 66

Aus dem ausführlichen Schrifttum nur Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 26 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 188 ff.; Köhler, BGB AT, § 15 Rn. 29. 67 Auf die fehlende Legitimation der Protestatio facto contraria-Regel durch Vertrauensaspekte wies bereits Canaris hin (Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 445 ff.). 68 Zum Begriff des normativen Vertrauens als abstraktes Vertrauen des Rechtsverkehrs auf eine bestimmte zwingende Regel bereits oben § 12 III 2 (unter dem Aspekt der vorrangigen Verlusttragung als Grundlage der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals). 69 Grundlegend Flume, BGB AT, § 37, 3; zustimmend Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 75; Larenz/Wolf, AT, § 43 Rn. 24. Der Sache nach auch BGHZ 61, 282 und BGH, NJW 1995, 1671, 1671 f.

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Vertrages herbeiführt, obwohl der in den AGB manifestierte Wille, den Vertrag zu bestimmten Konditionen abzuschließen (= Verhalten 2), dem widerspricht und auch nicht erreicht wird. Eine normative Gewichtung von verschiedenen Verhalten mit Erklärungsgehalt wird somit prinzipiell anerkannt. Dies lässt sich jedoch nicht mit dem Vertrauensschutz der anderen Partei rechtfertigen. Als Folge des zu bejahenden Vertragsschlusses kommt es nämlich auch nach Ansicht der herrschenden Meinung nur insoweit zur Geltung der eigenen AGB, als sie sich mit den jeweils anderen decken (Prinzip der Kongruenzgeltung); im Übrigen gilt das dispositive Recht.70 Hieraus folgt, dass keine der Parteien auf die Geltung der eigenen AGB zu Lasten der AGB des anderen vertrauen durfte und dieses Vertrauen auch nicht geschützt wurde. Die protestatio facto contraria-Regel wird somit allein in der Weise angewendet, dass der Widerspruch von Verhalten 1 und Verhalten 2 aus sich selbst heraus zu Gunsten eines Vorrangs aufgelöst wird und an Stelle des unbeachtlichen Verhalten nicht etwa die Erwartungshaltung der Gegenpartei, sondern die gesetzliche Regelung tritt. (2) Die Teilnichtigkeit von perplexen Erklärungen. Ähnliche Folgen entfaltet nach allgemeiner Meinung die Perplexität. Soweit die Auslegung einer in sich widersprüchlichen Willenserklärung keinen Vorrang für die eine oder andere Alternative ergibt, ist die Erklärung im Regelfall insgesamt nichtig.71 Die Perplexität verwirklicht auf diese Weise den Schutz des Erklärenden, indem dieser nur dann die Folgen einer Erklärung gegen sich gelten lassen muss, wenn die Erklärung auch seinem durch Auslegung zu ermittelnden Willen entspricht. Auf der anderen Seite kann die Perplexität in bestimmten Konstellationen auch zu Lasten des Erklärenden wirken. Als Beispiel sei die Grenze eines zulässigen Gewährleistungsausschlusses beim Kauf gemäß § 444 Alt. 2 BGB genannt. Hiernach kann sich der Verkäufer nicht auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, berufen, wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Diese Regelung wird allgemein als Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens angesehen.72 Im hier interessierenden Zusammenhang ist sie zum einen insofern von Bedeutung, als sie nicht auf einen Vertrauenstatbestand des Käufers abstellt. Vorausgesetzt wird nämlich, dass sowohl die Beschaffenheitsgarantie als auch der Haftungsausschluss gemäß §§ 133, 157 BGB Vertragsbestandteil wurden. Der Käufer durfte daher nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer für die garantierte Beschaffenheit haften wollte. Zum 70

Larenz/Wolf, AT, § 43 Rn. 24. Statt aller Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 133. 72 Vgl. nur H. P. Westermann, in MünchKomm BGB, § 444 Rn. 14 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs 14/6040, S. 240); noch deutlicher Fischer, DStR 2004, 276, 282: Anwendungsfall der protestatio facto contraria. 71

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anderen ist bedeutsam, dass § 444 Alt. 2 BGB eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Verkäufers zu dessen Lasten umgestaltet. Enthält eine Verkäufererklärung – gleichwertig – sowohl die Beschaffenheitsgarantie bezüglich eines Umstands, schränkt die Haftung hierfür jedoch sogleich wieder ein, wäre es nach dem Grundsatz der Perplexität von Willenserklärungen geboten, die Erklärung insgesamt für nichtig zu erklären.73 Diese verkäuferfreundliche Rechtsfolge verhindert indessen § 444 BGB, indem die Garantie einseitig Geltung beansprucht, wohingegen der Haftungsausschluss unbeachtlich ist. Der eine Teil einer rechtgeschäftlichen Erklärung erfährt auf diese Weise einen normativ begründeten Vorrang gegenüber dem anderen Teil. Hierbei handelt es sich um normatives Vertrauen: Der Käufer darf auf diese, ihn schützende Regelung vertrauen, obwohl auf der Grundlage des widersprüchlichen Vertrages kein Anlass (konkretes Vertrauen) bestand, von der Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses ausgehen zu dürfen. (3) Konsequenzen für die Einflussnahme von Fremdkapitalgebern. Betrachtet man diese Beispielsfälle, lässt sich festhalten, dass die protestatio facto contrariaRegel, auch heute noch ermöglicht, das Überwiegen der rechtlichen Bedeutung einer Handlung gegenüber einer anderen normativ zu begründen, ohne dass es auf das konkrete Vertrauen eines anderen an der Nichtgeltung der zu vernachlässigenden Handlung ankäme. Im AGB-Fall wurde der Vertragsschluss wegen seiner Durchführung als höherrangig eingestuft als die Nichteinigung über die AGB, obwohl beide Parteien davon ausgingen, dass die jeweils eigenen gelten würden. Beim Gewährleistungsausschluss ordnet § 444 Alt. 2 BGB an, dass allein die übernommene Garantie gilt, obwohl zu Gunsten des Käufers kein konkreter Vertrauenstatbestand wirkte, wonach er von eine Gewährleistungsübernahme ausgehen durfte. Für die Fremdfinanzierung folgt hieraus, dass die Mitverursachung einer Unternehmenskrise durch den Darlehensgeber normativ schwerer wiegen kann als der ggf. kundgegebene Wille, hierfür keine Verantwortung übernehmen zu wollen. Anstelle des bei der Fallgruppe des bloßen Selbstwiderspruchs notwendigen Vertrauenstatbestands müsste eine – freilich näher zu begründende – normative Bewertung der verschiedenen Verhaltensweisen erfolgen und einen Teil des Verhaltens des Fremdkapitalgebers als unbeachtlich einstufen. Der ökonomisch begründete Selbstwiderspruch, wonach sich jemand in der Unternehmenskrise nicht auf eine Rolle zurückziehen darf, die er zuvor nicht eingenommen hat, ließe sich daher als Schutz normativen Vertrauens auch dogmatisch begründen.

73

Dies übersieht Faust, in Bamberger/Roth, BGB, § 444 Rn. 21.

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4. Zwischenergebnis Nach dem Vorgesagten kommt dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 323 Abs. 6 BGB analog bzw. § 242 BGB auch bei der Darlehensfinanzierung eine erhebliche Bedeutung zu. Anstelle des Rückgriffs auf den konturenlosen Begriff der Mitverantwortung des Fremdkapitalgebers an der Unternehmenskrise als konstitutives Merkmal, zeichnete sich ein differenziertes Bild ab, wonach der vorzeitige Mittelabzug einzuschränken ist: Unter dem Aspekt der Ingerenz ist dem Fremdkapitalgeber die Kündigung nach § 490 Abs. 1, § 314 BGB oder § 723 Abs. 1 BGB verwehrt, wenn er in rechtswidriger oder auf sonstige Weise zu missbilligende Weise für den Kündigungsgrund verantwortlich ist. Unter dem Aspekt des bloßen Selbstwiderspruchs gilt dies auch bei rechtmäßigem Vorverhalten, wenn der Fremdkapitalgeber beim finanzierten Unternehmen einen Vertrauenstatbestand hervorgerufen hat, das Kündigungsrecht nicht wahrzunehmen. Beide Möglichkeiten sind jedoch regelmäßig ohne praktischen Anwendungsbereich, weil sich entweder nicht bestimmen lässt, dass ein Vorverhalten rechtswidrig ist oder der Fremdkapitalgeber das Entstehen eines Vertrauenstatbestands verhindert. Demgegenüber ermöglicht die Protestatio facto contraria-Regel selbst dann die Bejahung einer unzulässigen Rechtsausübung, wenn das Vorverhalten rechtmäßig war und beim finanzierten Unternehmen oder dessen Gläubigern kein konkreter Vertrauenstatbestand entstanden ist. Voraussetzung für diese praktisch bedeutsame Fallgruppe ist jedoch eine normative Vorgabe darüber, dass das zu missbilligende Verhalten im Widerspruch zu einem anderen Verhalten steht. Auf der Grundlage der dem gesetzlichen Regelfall der Fremdfinanzierung entsprechenden Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen lässt sich diese Vorgabe begründen. Hiernach ist die Mitbeeinflussung der Mittelverwendung ein Umstand, der dem Fremdkapitalgeber die Berufung auf das an sich vom unternehmerischen Risiko emanzipierte Finanzierungsinteresse versagen würde. Im Vorfeld einer tatbestandlichen Konkretisierung einer schädlichen Einflussnahme ist aber zu fragen, welches Ziel sich mit diesem Ansatz im Vorfeld der Insolvenz überhaupt rechtsfolgenseitig verwirklichen ließe.

III. Die Schwächen eines auf die Einschränkung von Lösungsrechten bezogenen Konzepts der Gläubigerverantwortung Die vorstehenden Ansätze, das Lösungsinteresse des Fremdkapitalgebers wegen widersprüchlichen Verhaltens einzuschränken, bezogen sich darauf, einen vorzeitigen Kapitalabzug einzuschränken und hierüber – im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu § 490 Abs. 1 BGB – die Liquidität des finanzierten Unternehmens zur Insolvenzvermeidung aufrechtzuerhalten. Die ökonomisch

III. Die Schwächen

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sinnvolle außergerichtliche Sanierung ließe sich daher dahingehend erzielen, dass die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber einen Sanierungsbeitrag zur Verhinderung oder Ausräumung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO verpflichtet wären. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch unter drei Aspekten erhebliche Schwächen, hierin eine ausreichende, mit der Finanzierungsverantwortung der Eigentümer annähernd vergleichbare Selbstbetroffenheit zu sehen, die die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber dazu anhält, die Interessen des finanzierten Unternehmens und seiner übrigen Gläubiger mit zu berücksichtigen.

1. Der dilatorische Charakter der möglichen Einschränkungen All diesen Einschränkungen ist nämlich der dilatorische Charakter gemeinsam. Über den Vorrang der Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 3 BGB und den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB kann man nur die vorzeitige Rückforderung der Valuta ausschließen. Der Rückerstattungsanspruch gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB und das bei Ausschluss der Verlustbeteiligung entstehende Auseinandersetzungsguthaben des Stillen gemäß § 235 Abs. 1 HGB blieben durch diese Instrumente der Ausübungskontrolle unberührt. Verwirklicht werden kann somit allein, dass der als Fremdfinanzierung zu qualifizierende Finanzierungsbeitrag in der Unternehmenskrise länger im Unternehmen verbleibt, nicht aber, dass dieser bei Scheitern der Sanierung „endgültig verloren“74 ist. Bestätigt wird diese begrenzte Funktion der vorstehenden Einschränkungen durch eine weitere Erwägung: Das Darlehen kann gemäß § 488 Abs. 3 S. 1 BGB auch befristet werden, die stille Beteiligung gemäß § 723 Abs. 1 S. 1 BGB ebenso. Wurde eine solche Gestaltung gewählt, kommt es auf eine vorherige Kündigung oder sonstige Lösung vom Vertrag seitens des Fremdkapitalgebers überhaupt nicht an. Mittels eines Vorrangs der Vertragsanpassung gegenüber der Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB oder einer über die Anwendung der Protestatio-Regel zu erzielenden Einschränkung der Kündbarkeit ließe sich daher von vornherein nicht begründen, dass der Finanzierungsbeitrag im Fall des Scheiterns von Sanierungsbemühungen überhaupt nicht zurückzuerstatten ist bzw. nur dann, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt werden können. Wollte man auch diesbezüglich eine materiell-rechtliche Einschränkung der Lösungsrechte des Fremdkapitalgebers entwickeln, bedarf es eines weitergehenden Ansatzes, der die haftungsrechtliche Widmung der Valuta zu Gunsten anderer Gläubiger begründet und damit im Extremfall auch die Rückerstattung gemäß

74 So pointiert für die stille Beteiligung mit Verlusttragung Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 10 IV 3 (S. 909).

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. das Entstehen eines Auseinandersetzungsguthabens trotz Abbedingung der Verlusttragung des Stillen ausschließt.

2. Der Fremdkapitalcharakter als Einschränkung der dilatorisch wirkenden Beschränkungen Der Umstand, dass die dilatorisch wirkenden Beschränkungen den Fremdkapitalcharakter des Finanzierungsbeitrags nicht auszuschließen vermögen, bedingt eine weitere Schwäche. Die bisher aufgezeigten Ansätze, im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu § 490 Abs. 1 BGB einen vorzeitigen Kapitalabzug zu verhindern, um damit einen Sanierungsbeitrag zur Insolvenzvermeidung zu leisten, sind nämlich dann einzuschränken, wenn die gebotene Fortdauer der Kapitalbelassung das Risiko mit sich bringt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Forderungseinbußen hinnehmen zu müssen. Nimmt man den Fremdkapitalcharakter eines Darlehens und der stillen Beteiligung ohne Verlusttragung ernst, sind die entsprechenden Ansprüche des Dritten im Insolvenzverfahren Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO.75 Den Finanzierungsbeitrag trifft – im Umkehrschluss zu den gesetzlichen Regeltypen der Eigenfinanzierung 76 – keine vorrangige Verlusttragung zu Gunsten anderer. Die vorstehend herausgearbeiteten dilatorischen Einschränkungen des vorzeitigen Kapitalabzugs vermögen daher von vornherein nur dann Geltung zu beanspruchen, soweit es sich um eine weit im Vorfeld der materiellen Insolvenz iSv. §§ 17, 19 InsO angesiedelte Unternehmenskrise handelt. Lässt die unter dem Aspekt widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens begründete Einschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs befürchten, dass die Ansprüche im Insolvenzverfahren in einer Weise entwertet werden, der ihnen eine nur dem Eigenkapital zukommende Haftungsfunktion zuweisen würde, erfolgte eine Umqualifizierung in Eigenkapital, die das begrenzte Regelungsanliegen einer dilatorisch wirkenden Ausübungskontrolle bzw. eine gegenüber der sofortigen Vertragslösung vorrangige Anpassung gemäß § 313 Abs. 3 BGB überschreitet. Das Verbot, ein an sich bestehendes Kündigungsrecht sogleich geltend zu machen, um hierdurch die Sanierungschancen zu erhöhen, kann nicht dazu führen, den Finanzierungsbeitrag in Eigenkapital umzuqualifizieren. Zeichnet sich daher zum Beispiel ab, dass das finanzierte Unternehmen in sechs Monaten nicht mehr in der Lage sein wird, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, können im Ausgangspunkt sowohl der Darlehensgeber als auch der Stille mit abbedungener Verlusttragung ihre Finanzierungsverträge außerordentlich kündigen. Ließe sich nun über § 313 Abs. 3 BGB oder den Einwand unzulässiger Rechtsausübung begründen, dass sie für das sich abzeichnende 75 76

Vgl. bereits oben § 13. Oben § 12 IV.

III. Die Schwächen

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(vorläufige) Ende des Unternehmens eine über die Einflussnahme vermittelte Verantwortung trifft, wäre es allein gerechtfertigt, die fortdauernde Kapitalbelassung bis zu dem Tag zu erzwingen, an dem ihre Ansprüche zum letzten Mal vollständig erfüllt werden könnten.77 Würde man hiergegen verstoßen und die fortdauernde Kapitalbelassung über den Eintritt der materiellen Insolvenz hinaus erzwingen, müssten die Fremdkapitalgeber im Regelfall Einbußen bei ihrer Befriedigung hinnehmen.78 Die materielle Insolvenz knüpft wie gesehen an eine durch die Knappheit des Schuldnervermögens begründete gesteigerte Gläubigergefährdung an, so dass im Regelfall bereits mit Insolvenzeröffnung die Ansprüche der Insolvenzgläubiger nicht mehr vollwertig sind. Würde man diese Entwertung hinnehmen und eine über die Insolvenzeröffnung hinausgehende Perpetuierung der Kapitalbelassung erzwingen, käme dem Finanzierungsbeitrag der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber eine Haftungsfunktion zu, die mit der eines Rangrücktritts gemäß § 39 Abs. 2 InsO, einer Forderung aus kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder sogar auf Rückerstattung einer gesetzlich gewährleisteten Eigenfinanzierung (vgl. § 199 S. 2 InsO) vergleichbar wäre. 79 Die Teilhabe an der vorrangigen Befriedigung par conditio creditorum gemäß § 38 InsO wäre insofern geschmälert, als ihnen anstelle der an sich möglichen Vollbefriedigung nur noch eine Quote gebühren würde. Diese Quotenschmälerung wäre nichts anderes als eine dem Eigenkapital entsprechende Haftungsfunktion zu Gunsten anderer – nämlich der nicht Einflussnehmenden non-adjusting creditors, die von der Quotenschmälerung der adjusting creditors durch eine Quotensteigerung profitieren. Hiermit soll freilich nicht gesagt werden, dass sich eine solche Rechtsfolge nicht auch dogmatisch begründen ließe. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle allein, dass hierfür der Vorrang der Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 3 BGB und das als Ausübungskontrolle verstandene Verbot unzulässiger Rechtsausübung nicht ausreichend sind. Will man eine derartige Umqualifizierung erzwingen, bedarf es – in Fortentwicklung der Protestratio-Formel einer – Analogie zum gesetzlich gewährleisteten Eigenkapital bei den Kapitalgesellschaften oder zumindest zu den rechtlichen Schranken der Gesellschafterfremdfinanzierung. 77

Unter Berücksichtigung des Prognoserisikos würde die dilatorische Einschränkung in der Praxis wohl bereits einige zeit davor enden. 78 Die bevorzugte Befriedigung des über die Insolvenzeröffnung hinaus zu belassenden Kredits als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO scheidet aus, wenn der Kredit bereits vor Insolvenzeröffnung valutiert wurde. 79 Etwas anderes gilt freilich, wenn die Ansprüche ausreichend besichert sind. In diesem Fall spricht nichts dagegen, die dilatorische Einschränkung der Lösbarkeit auch über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus zu erstrecken. In diese Richtung auch Canaris, indem er seine unter Rechtsmissbrauchsaspekten begründete Kreditversorgungspfl icht vom Vorhandensein von Sicherheiten abhängig macht (ZHR 143 [1979], 113, 120 f., 132 ff.).

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

3. Der fehlende Schutz der non-adjusting creditors vor einvernehmlichem Handeln Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die vorstehend herausgearbeiteten Einschränkungen in erster Linie den Schutz des finanzierten Unternehmens verwirklichen. Erkennt man einen Vorrang der Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 3 BGB an oder schränkt man die Geltendmachung eines Kündigungsrechts wegen widersprüchlichen Verhaltens ein, kann das finanzierte Unternehmen ggf. im Prozess einen vorzeitigen Kapitalabzug verhindern. Betrachtet man die jüngere Finanzierungspraxis und die ökonomischen Erwägungen, die für eine enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen sprechen, ergeben sich doch erhebliche Zweifel, ob diese Verteidigung effektiv eingesetzt wird. Die im Vorfeld der Unternehmenskrise erfolgende Einflussnahme des Fremdkapitalgebers auf das finanzierte Unternehmen hat im Regelfall zur Folge, dass ein Interessengegensatz zwischen diesen beiden gerade nicht besteht. Der Interessengegensatz droht vielmehr im Verhältnis zwischen finanziertem Unternehmen und einflussnehmenden Fremdkapitalgebern auf der einen Seite und den non-adjusting creditors auf der anderen. 80 Der einvernehmliche Kapitalabzug im Vorfeld der Insolvenz ist daher wahrscheinlicher als das Beharren des Unternehmens auf einer der vorstehend herausgearbeiteten Einschränkungen der Lösungsrechte. 81 Es liegt so nahe, dass die rechtlichen Beschränkungen des vorzeitigen Mittelabzugs im Vorfeld der Insolvenz leer laufen. Die hohen Anforderungen unterliegende allgemeine Insolvenzanfechtung, insbesondere § 133 InsO, vermag hier kaum eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten. 82 Will man daher die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber auf die Unternehmensleitung auch damit rechtfertigen, dass diese hiermit funktional eine Treuhänderstellung zu Gunsten der übrigen Gläubiger einnehmen, 83 ist die auf die vorstehenden Instrumente gestützte Selbstbetroffenheit zur Erzeugung von Richtigkeitsgewähr zu Gunsten anderer unzureichend. Es bedarf vielmehr eines Ansatzes, die funktionale Vergleichbarkeit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber mit den Eigentümern84 auch insoweit herzustellen, als die Beschränkung des Lösungsinteresses nicht nur dilatorisch wirkt, sondern wie das gesetzlich gebundene Eigenkapital zumindest im Insolvenzverfahren auch eine vorrangige Verlusttragung zu Gunsten anderer trifft. Ob sich diese Umqualifi-

80

Vgl. bereits oben § 3 II und § 12 I. Auf die Gefahr, eine masselose Insolvenz herbeizuführen, wurde bereits hingewiesen (oben § 6 VI 2). 82 Abw. Eidenmüller, ZHR 170 (2000), 644, 659 ff.; zur leichter durchsetzbaren Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO unten § 16 VII 6 b. 83 Oben § 11 II. 84 Oben § 12 VI 3. 81

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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zierung von Fremdkapital in Eigenkapital bereits materiell-rechtlich begründen lässt, soll nachfolgend herausgearbeitet werden.

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital? Die Selbstbetroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber wäre ausreichend gewährleistet, wenn sie für den Fall der negativen Folgen ihrer Einflussnahme bereits eine im Vorfeld der Insolvenz wirkende vorrangige Verlusttragung trifft. Wie bereits gesehen, ist diese Verwirklichung des Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals bisher auf die gesetzlichen Regeltypen der Eigenfinanzierung bei den Kapitalgesellschaften und beim Kommanditisten beschränkt. 85 Die auf das Grund- bzw. Stammkapital zu leistenden Einlagen der Aktionäre bzw. Gesellschafter einer GmbH werden gemäß §§ 57, 62 AktG bzw. §§ 30, 31 GmbHG vor Rückzahlungen causa societatis geschützt. Hiervon kann nur durch die Vornahme einer Kapitalherabsetzung abgewichen werden, bei der die Gläubigerinteressen jedoch durch das Erfordernis einer Sicherheitenbestellung anderweitig geschützt werden (vgl. § 225 AktG, § 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Das Gleiche gilt gemäß §§ 172 Abs. 2, 174 HGB für die auf die Haftsumme geleistete Kommanditeinlage. Fraglich ist daher, ob über diese gesetzlichen Gewährleistungen hinaus auch der Finanzierungsbeitrag des einflussnehmenden Fremdkapitalgebers unter Heranziehung der vorstehend herausgearbeiteten Aspekte widersprüchlichen Verhaltens in Eigenkapital mit vergleichbarer gesetzlicher Bindung umqualifiziert werden kann. 86

1. Die Abgrenzung privatautonomer Umqualifizierungen von Fremdkapital Von dieser Fragestellung sind zunächst die Fälle abzugrenzen, in denen die Parteien privatautonom eine entsprechende vorrangige Verlusttragung vereinbart haben. a. Die Verlustbeteiligung des Stillen als gesetzlich anerkannte materiellrechtliche Umqualifizierung Eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung einer bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens wirkenden Qualifizierung eines Finanzierungsbeitrags eines 85

Oben § 12 IV 3 Die nachfolgenden Erörterungen zielen auf eine materiell-rechtlich begründete Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital; zu der hiervon abweichenden Frage einer (bloß) insolvenzrechtlichen Rückstufung von Forderungen unten § 16. 86

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Dritten als Eigenkapital findet sich im deutschen Recht allein bei der Stillen Gesellschaft, indem dort die Vermögenseinlage gemäß § 231 HGB eine Verlusttragung treffen kann. 87 Soweit die Verlustbeteiligung reicht, entsteht zu Gunsten des Stillen im Rahmen einer etwaigen vorinsolvenzrechtlichen Abwicklung der stillen Gesellschaft kein Auseinandersetzungsguthaben gemäß § 234 Abs. 1 HGB. Das Vermögen des Geschäftsinhabers steht allein den sonstigen Gläubigern zur Verfügung. b. Vergleichbare Gestaltungen beim Darlehen Beim Darlehen als schuldrechtlicher Austauschvertrag scheidet eine gesellschaftsrechtliche Abwicklung des Finanzierungsvertrages unter Einbeziehung einer Verlusttragung des Darlehensgebers von vornherein aus. Insofern bedarf es einer anderen dogmatischen Konstruktion, um die gewollte Beteiligung des Fremdkapitalgebers am Verlust und damit eine haftungsmäßige Widmung des hingegebenen Kapitals zu Gunsten einer vorrangigen Befriedigung anderer zu erreichen. aa. Verzicht auf Zinsen Am einfachsten begründen lässt sich der Verzicht auf Zinsen. So bestimmt § 488 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Darlehensnehmer nur verpflichtet ist, den „geschuldeten Zins“ zu zahlen, es also auch hierfür einer vertraglichen Vereinbarung bedarf. Da die Verzinsung somit nicht zwingendes Merkmal des Darlehens iSv. § 488 BGB ist, spricht nichts dagegen, dass der Kapitalgeber hierauf gänzlich verzichtet oder – wie beim mezzaninen Kapital aufgezeigt – sich eine andere Art der erfolgsabhängigen Vergütung gewähren lässt (sog. Equity-Kicker). 88 Der Fremdkapitalgeber kann insoweit in den Genuss des Leverage-Effekts kommen, trägt das Leverage-Risiko hingegen nur halbseitig, bezogen auf den Ertragsanteil des investierten Kapitals. 89 bb. Die nur schuldrechtlichen Wirkungen eines Rangrücktritts Problematisch ist indessen die dogmatische Begründung einer darüber hinausgehenden haftungsmäßigen Widmung des Finanzierungsbeitrags zu Gunsten anderer, wie es § 39 Abs. 2 InsO allein für den Insolvenzfall vorsieht.90 Beim Rangrücktritt vereinbart der Darlehensgeber mit dem finanzierten Unternehmen, dass der Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 S. 1 BGB hinter die An87

Oben § 13 III. Oben § 1 II 1. 89 Oben § 5 II und III. 90 Vgl. zu den möglichen Folgen eines vertraglich vereinbarten Rangrücktritts in der Insolvenz nur Uhlenbruck/Hirte, in Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 12. 88

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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sprüche sonstiger Kapitalgeber zurücktritt.91 In der Praxis findet diese Gestaltung vor allem bei den Kapitalgesellschaften als Instrument zur Beseitigung einer die Insolvenzantragspflichten der Geschäftsleiter gemäß § 92 Abs. 1 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG, § 130 a Abs. 1 HGB bzw. künftig § 15 a E-InsO auslösenden Überschuldung Verwendung.92 Dessen ungeachtet spielt der Rangrücktritt auch bei der Finanzierung eines Einzelunternehmens und der gesetzestypischen Personengesellschaften eine bedeutsame Rolle bei der konkreten Ausgestaltung mezzaninen Kapitals, um hierüber die für die Unternehmensbewertung durch Rating-Agenturen maßgebliche Eigenkapitalquote zu steigern.93 Konsequenterweise hat auch der BGH in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1999 anerkannt, dass der einem Rangrücktritt vergleichbare Finanzplankredit keine eigenständige Kategorie des auf die GmbH abgestimmten Eigenkapitalersatzrechts mit den Folgen einer gesetzlichen Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital sei.94 Anders als beim sog. relativen Rangrücktritt als Vereinbarung einzelner Unternehmensgläubiger untereinander soll es sich nach herrschender Ansicht beim sog. absoluten Rangrücktritt nach überwiegender Ansicht um eine Verfügung handeln.95 Darlehensgeber und Darlehensnehmer gestalten hiernach mit dinglicher Wirkung eine bereits bestehende Verbindlichkeit um bzw. begründen diese sogleich mit den entsprechenden Rangwirkung zu Gunsten der übrigen Gläubiger. Dem ist insoweit zu widersprechen, als der Rangrücktritt bereits im Vorfeld der Insolvenz eine mit § 39 Abs. 2 InsO vergleichbare Rangwirkung entfalten soll. Wie bereits gesehen, besteht vor Eintritt der materiellen Insolvenz kein Bedürfnis zur Einschränkung der privatautonomen Schuldenregulierung durch Etablierung eines Grundsatzes gleichmäßiger Befriedigung.96 Besteht eine Forderung, kann sie gerichtlich eingeklagt werden, und das Schuldnervermögen ist – zumindest theoretisch, d. h. außerhalb der Fälle von Insolvenzverschleppung – ausreichend, um diese Forderung zu befriedigen. Ein Rangrücktritt kann daher allenfalls dahingehend Wirkung entfalten, dass die Forderung überhaupt nicht (mehr) besteht oder im Verhältnis zum Schuldner ein Hindernis bei der Geltendmachung besteht. Für die Annahme einer nach 91 Hierzu grundlegend und mit Beispielen, Teller, Rangrücktrittsvereinbarungen, S. 4 ff. – Zum US-amerikanischen Recht Wood, The Law of Subordinated Debt, 1990; zum französischen Recht Fleischer, DStR 1999, 1774, 1776 f. 92 BGHZ 146, 264, 272 ff.; statt anderer Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 24. 93 Oben § 1 II 2. 94 BGH, DStR 1999, 1198; teilweise abw. zuvor noch Fleischer, Finanzplankredite, S. 128 ff. 95 Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 127, 129; Peters, WM 1988, 685, 689; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 38; Habersack, ZGR 2000, 384, 403; Wittig, NZI 2001, 169, 170; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.1015. 96 § 8 I und II.

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

herrschender Meinung ohnehin unzulässigen dinglichen Verfügung zu Gunsten Dritter97 ist somit im Vorfeld der Insolvenz bereits kein Bedarf. Eine derartige schuldrechtliche Umsetzung eines Rangrücktritts kann auf verschiedene Weise erfolgen. § 158 BGB gilt als Regelung des Allgemeinen Teils im BGB auch beim Darlehen. Durch die Vereinbarung einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung können die Parteien hiernach ohne weiteres auch die Rückzahlungspflicht gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB an bestimmte Bedingungen knüpfen, etwa die finanzielle Situation des Darlehensnehmers oder die vorrangige Befriedigung anderer Forderungen. Die Wirkungen eines solchen, „im allgemeinen Zivilrecht angesiedelten und von dem Grundsatz der Vertragsfreiheit getragenen Rechtsgeschäfts“98 führen allein dazu, dass der Anspruch auf Rückerstattung ggf. nicht mehr besteht. Eine im Vorfeld der Insolvenz wirkende, mit § 39 Abs. 2 InsO vergleichbare „dingliche“ (Rang-)Wirkung wird hiermit nicht begründet. Insofern gilt das Gleiche wie bei dem ohne weiteres möglichen Verzicht auf ordentliche Kündigungsrechte, zum Beispiel im Rahmen einer „ewigen Anleihe“.99 Dass die Parteien den Finanzierungsvertrag dennoch aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB kündigen können, ist als zwingendes Prinzip hinzunehmen.100 Wegen des im Vorfeld der Insolvenz – zumindest theoretisch – ausreichenden Schuldnervermögens wirkt dies auch nicht zu Lasten anderer.101 Schließlich besteht noch die Möglichkeit, einen „Rangrücktritt“ im Vorfeld der Insolvenz als pactum de non petendo anzusehen, mithin einen schuldrechtlichen Verzicht auf die Geltendmachung einer bestehenden Forderung. Wie Fleischer zutreffend herausgearbeitet hat, ist eine solche privatautonome Vereinbarung zumindest in der Krise, in der die gewollte Wirkung des Rangrücktritts vereinbarungsgemäß zur Geltung kommt, in Anlehnung an § 328 BGB nicht mehr von den Parteien aufhebbar.102 Eine „dingliche Wirkung“ kann ein Rangrücktritt somit nur aus insolvenzrechtlicher Sicht entfalten, wenn es darum geht, der bestehenden Forderung einen haftungsrechtlichen Nachrang zuzubilligen, weil es bei der Verteilung von Knappheit auf ein Rangverhältnis der Forderungen ankommt. Im Vorfeld der Insolvenz ist dies nicht möglich. Eine hiermit systemkonforme Ausnahme be97 Gegen eine Abtretung zu Gunsten Dritter BGHZ 41, 95; BGHZ 68, 231; LAG Düsseldorf, BB 1958, 1169; LAG Frankfurt, VersR 1984, 755; Palandt/Grüneberg, BGB, Einf v § 328 Rn. 8. 98 Habersack, ZGR 2000, 384, 400 f. 99 Oben § 1 II 1 c; zur Abdingbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB Mülbert, WM 2002, 465, 475. 100 Zur Unabdingbarkeit des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund vgl. nur BGH, ZIP 1986, 920. 101 Etwas anderes gilt freilich im Fall der Insolvenzverschleppung. 102 Fleischer, DStR 1999, 1774, 1779; ders. Finanzplankredite, S. 387 ff.; ähnlich bereits RGZ 127, 129 (drittbegünstigender „Erlass“ als schuldrechtliches pactum de non petendo gemäß § 328 BGB); Duss, AG 1974, 133, 134; gegen die Aufhebbarkeit eines vertraglich vereinbarten Rangrücktritts in der Krise auch BGH DStR 1999, 1198, 1199.

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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steht freilich dann, wenn gerade ermittelt werden soll, ob die Insolvenzgründe vorliegen oder nicht. Insofern ist es konsequent, eine Verbindlichkeit dann nicht im Überschuldungsstatus gemäß § 19 InsO zu passivieren, wenn ein solcher Rangrücktritt vorliegt.103 Der neu eingefügte § 19 Abs. 2 S. 4 E-InsO104 stellt dies (freilich nur für Gesellschafterdarlehen iSv. § 39 E-InsO) ebenfalls klar. c. Die Gefahr einer unzulässigen Fiktion solcher Gestaltungen Ließe sich bei der stillen Beteiligung eine haftungsmäßige Widmung der Vermögenseinlage zu Gunsten anderer über die Verlustbeteiligung begründen und Vergleichbares beim Darlehen auf der Grundlage eines Rangrücktritts, gibt es seit jeher Versuche, solche Abreden ex post, vor allem in der Insolvenz des finanzierten Unternehmens, zu bejahen. Hierüber ließe sich entweder ein Auseinandersetzungsguthaben des Stillen im Einklang mit § 236 HGB ausschließen bzw. diesen zur Zahlung rückständiger Einlagen zu verpflichten105 oder den Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers gemäß dem jetzt ohne weiteres anwendbaren § 39 Abs. 2 InsO mit einem Nachrang belegen. Indem der BGH im Jahr 1999 klargestellt hat, dass eine vertragliche Umqualifizierung von Fremd- und Eigenkapital von der gesetzlichen Umqualifizierung, insbesondere nach dem Recht des Eigenkapitalersatzes, abzugrenzen ist,106 dürfte heute eigentlich Klarheit bestehen, dass man den Parteien nicht ohne ausreichende Grundlage einen entsprechenden Willen unterstellen darf. Dies gilt vor allem für die hier interessierenden Fremdfinanzierungen durch Dritte, die nicht Gesellschafter des unternehmenstragenden Rechtsträgers sind. Die Auslegung eines solchen Finanzierungsvertrages erfolgt anders als bei Gesellschaftervereinbarungen in Satzungsform ausschließlich anhand des Empfängerhorizonts gemäß §§ 133, 157 BGB.107 Drittinteressen können konsequenterweise nur berücksichtigt werden, wenn die betreffende Erklärung oder das konkludente Verhalten auch an Dritte adressiert war.108 Finden sich hierfür keine Anhaltspunkte, ist sowohl der Ausschluss der Verlustbeteiligung des Stillen hinzunehmen109 wie auch das Nichtvorliegen eines materiell-rechtlich wirken103

Unstreitig, statt aller Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 66. Vgl. Art. 9 Nr. 4 MoMiG in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 16/9737). 105 Oben § 12 IV 2, 4. 106 BGH, DStR 1999, 1198. 107 Weitergehend Fleischer, DStR 1999, 1774, 1779 f., was nach der nunmehr herrschenden Trennung von vertraglicher und gesetzlicher Umqualifizierung kaum noch aufrecht zu erhalten ist. Zur objektiven Auslegung korporativer Satzungsregelungen statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 2 Rn. 27. 108 Zum vergleichbaren Problem bei schuldrechtlichen Verlustdeckungszusagen (Patronatserklärungen) Wolf, ZIP 2006, 1885. 109 Überblick über die vor dem Grundsatzurteil des BGH zum Finanzplankredit ergan104

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

den „Rangrücktritts“. Der Finanzierungsbeitrag ist somit Fremdkapital, so dass die oben herausgearbeiteten Schwächen einer bloß dilatorisch wirkenden Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der insolvenznahen Krise und vor allem in der Insolvenz des finanzierten Unternehmens Geltung beanspruchen und diese allenfalls durch eine gesetzlich zu begründende Umqualifizierung überwunden werden könnten.

2. Dritte als Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots Eine mit einer derartigen gesetzlichen Umqualifizierung zumindest vergleichbare Rechtsfolge erzielt die herrschende Meinung durch eine Einbeziehung Dritter in die Kapitalerhaltungsgebote gemäß §§ 57, 62 AktG, §§ 30, 31 GmbHG bzw. § 172 Abs. 4 HGB.110 a. Leistungen causa societatis als verbotene Einlagenrückgewähr Die gesetzlich gewährleistete Kapitalerhaltung richtet sich in erster Linie an die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bzw. den Kommanditisten. Sanktioniert wird, wenn das aufgebrachte Stamm- bzw. Grundkapital bzw. die auf die Haftsumme geleistete Kommanditisteneinlage im Widerspruch zum vertraglichen Versprechen, diese als Haftkapital zu Gunsten Dritter behandelt wissen zu wollen, an die betreffenden Personen zurückfließt.111 Der tragende Grund, diese Vermögensverschiebungen als unzulässig anzusehen, liegt bei den Kapitalgesellschaften in der Zweckentfremdung des Gesellschaftsvermögens,112 beim Kommanditisten im objektiven Widerspruch zu der die persönliche Haftung entfallen lassenden Funktion der Hafteinlage.113 b. Die Einbeziehung Dritter nach der herrschenden Meinung In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass auch Leistungen an Dritte unter die vorgenannten Kapitalerhaltungsgebote fallen können und ggf. unzulässig sind. Hierbei wird danach unterschieden, ob der Zurechnungstatbegenen Entscheidungen zur heute nicht mehr begründbaren „Auslegung“ einer Verlustbeteiligung bei Florstedt, Stiller Verband, S. 231 ff. 110 Zur hiervon abzugrenzenden Einbeziehung Dritter in das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen sogleich unter ee und ausführlich unter § 16. 111 Statt anderer für die AG Bezzenberger, Kapital, S. 201 ff.; für die GmbH Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 75 ff.; für die KG K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 62 ff. 112 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 20; Servatius, DStR 2004, 1176, 1179. 113 K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 63 („Einlagen- und Vermögenssicherung“).

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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stand im Verhältnis zwischen dem Dritten und einem Gesellschafter bzw. dessen Geschäftsanteil angesiedelt ist oder unmittelbar zwischen dem Dritten und der Gesellschaft. aa. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschafter bzw. Geschäftsanteil Maßgeblich für eine Einbeziehung Dritter in die Kapitalerhaltungsgebote ist einmal, ob es sich bei der Leistung an einen Dritten um eine mittelbare Leistung an einen Gesellschafter bzw. den Kommanditisten handelt oder ob zwischen dem Dritten und einem Gesellschafter eine enge rechtliche oder persönliche Verbundenheit besteht.114 So ist eine verbotene Einlagenrückgewähr dann zu bejahen, wenn die Gesellschaft an einen Dritten für Rechnung des Gesellschafters leistet.115 Das Gleiche gilt, wenn der Dritte mit einem Gesellschafter in einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis steht116 oder ein mit einem Gesellschafter verbundenes Unternehmen ist.117 Beim Nießbrauch an einem Geschäftsanteil gilt das Kapitalerhaltungsverbot auch gegenüber dem Nießbraucher,118 beim Pfandrecht hingegen nur, wenn der Dritte wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft ähnlich wie ein Gesellschafter hat.119 bb. Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschaft Das Gleiche soll nach Ansicht der Rechtsprechung und von Teilen der Literatur auch für einen atypischen stillen Gesellschafter mit entsprechendem Einfluss gelten.120 So führte der BGH jüngst aus, dass ein an einer GmbH beteiligter stiller Gesellschafter in Bezug auf die Kapitalerhaltungsregeln wie ein GmbHGesellschafter zu behandeln sei, wenn er auf Grund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der GmbH weitgehend einem GmbH-Gesellschafter gleichsteht. Werde der stille Gesellschafter in die114

Zum Ganzen ausführlich Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 17 ff. Für Treuhandverhältnisse jüngst BGH, ZIP 2008, 118. 116 BGHZ 81, 365; BGH, WM 1986, 237, 239; BGH, GmbHR 1996, 111; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 18; Habersack, in GroßKomm GmbHG, § 30 Rn. 70. 117 Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 18 und Habersack, in GroßKomm GmbHG, § 30 Rn. 71 ff. (jeweils m. w. N.). 118 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 19; Habersack, in GroßKomm GmbHG, § 30 Rn. 67. 119 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 28; Fastrich, in Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 19 (unter Hinweis auf die das Eigenkapitalersatzrecht betreffende Entscheidung BGHZ 119, 191); abw. Habersack, in GroßKomm GmbHG, § 30 Rn. 68, insbesondere für den Fall, dass der Pfandgläubiger sich über Covenants Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft verschafft hat; Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1677 ff.; ders., in Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 72. 120 BGHZ 106, 7; OLG Saarbrücken, NZG 1999, 155, 156; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 19; Habersack, in GroßKomm GmbHG, § 30 Rn. 68; Florstedt, Stiller Verband, S. 174 ff. 115

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§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

ser Weise in den mitgliedschaftlichen Verband der GmbH einbezogen, so sei seine Einlage Teil der Eigenkapitalgrundlage der GmbH. 121 Bereits in einer im Jahr 1989 ergangenen Entscheidung desselben Senats hieß es, die atypischen Stillen trügen als die „im Innenverhältnis eigentlichen Inhaber des Unternehmens“ wie die GmbH-Gesellschafter die Verantwortung für eine ordentliche Finanzierung der nur mit einem beschränkten Haftungsfonds ausgestatteten, das Unternehmen nach außen führenden GmbH.122 Der im Innenverhältnis den GmbH-Gesellschaftern gleichgestellte Dritte trage in gleicher Weise wie jene die Verantwortung für die Erhaltung des den Gläubigern dienenden Haftungsfonds. Seine Einlage sei damit ebenso wie die Einlagen der GmbH-Gesellschafter durch § 30 GmbHG gebunden. Bei einer Beendigung der stillen Gesellschaft dürfe das Auseinandersetzungsguthaben deshalb nicht ausgezahlt werden, wenn und soweit dadurch das Vermögen der GmbH unter den Betrag der Stammkapitalziffer sinken würde. (1) Einfluss auf die Geschicke der GmbH. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Gleichstellung sind nach Ansicht des BGH hinsichtlich des notwendigen Einflusses auf die Geschicke der GmbH dann erfüllt, wenn die stillen Gesellschafter über einen mehrheitlich von ihm beherrschten Beirat an der Geschäftsführung der GmbH beteiligt sind.123 Im konkreten Fall hatte der Beirat den Jahresabschluss der GmbH zu genehmigen. Seiner Zustimmung bedurften im einzelnen aufgeführte, den Rahmen der laufenden Verwaltung überschreitende Geschäfte, wie etwa Grundstücksgeschäfte, Bürgschaften über damals 500.000 DM und die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Zudem konnte der Beirat weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung unterwerfen. Die von der Geschäftsführung der GmbH jährlich zu erstellenden Investitions-, Absatz-, Ertrags- und Finanzplanungen mussten dem Beirat zur Genehmigung vorgelegt werden. Von diesen Plänen durfte nur mit Genehmigung des Beirats abgewichen werden. (2) Vermögensmäßige Beteiligung. Die erforderliche vermögensmäßige Beteiligung der gleichzustellenden stillen Gesellschafter sei dadurch erfüllt, dass sie „anteilsmäßig am gesamten Vermögen der GmbH beteiligt“ sind.124 Dies sei erfüllt, wenn die Stillen – wie vertraglich vereinbart – von dem bilanzierten Jahresüberschuss die Hälfte zusteht und die Stillen einen Fehlbetrag nach dem Verhältnis von Stammkapital (200.000 DM) zu stillem Kapital (4,45 Mio. DM) zu tragen haben.125 121 122 123 124 125

BGH, NJW-RR 2006, 760, 761 f. BGHZ 106, 7, 10 f. BGH, NJW-RR 2006, 760, 762. BGH, NJW-RR 2006, 760, 762. BGH, NJW-RR 2006, 760, 762.

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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c. Kritische Würdigung Betrachtet man die vorstehenden Ansätze, liegt es nahe, im Kapitalerhaltungsgebot einen adäquaten und verallgemeinerungsfähigen Regelungsrahmen zu sehen, der die notwendige Selbstbetroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als faktische Gesellschafter bei den hier interessierenden Covenantunterlegten Finanzierungsverträgen herzustellen vermag. Immerhin erfolgt eine bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende materiell-rechtliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in gesetzlich gebundenes Eigenkapital. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die sogar noch einmal vom BGH jüngst angeführten Begründungsansätze bereits de lege lata kaum haltbar sind; mit Aufgabe eines diese Ansichten letztlich allein tragenden, im Vorfeld der Insolvenz wirkenden Eigenkapitalersatzrechts jedenfalls in keinem Fall mehr de lege ferenda. aa. Die unproblematischen Fälle Im Vorfeld einer Begründung dieser Grundsatzkritik an der herrschenden Meinung ist zunächst kurz zu erörtern, in welchen Fällen es – im Einklang mit den oben skizzierten Ansichten – keine Probleme bereitet, Nichtgesellschafter unter das Kapitalerhaltungsgebot bei den Kapitalgesellschaften und bei der KG gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu fassen. Dies betrifft zunächst alle Gestaltungen, in denen der Dritte einem Gesellschafter zurechenbar ist126 und aus diesem Grund die Leistung causa societatis erfolgt. Ob der über eine Nähebeziehung einem Gesellschafter zurechenbare oder für Rechnung eines Gesellschafters handelnde Dritte der Gesellschaft selbst Kapital gewährt hat, ist unerheblich. Maßgeblich ist wie bei allen verbotenen Leistungen allein, ob der Vermögenstransfer causa societatis erfolgt ist, mithin gegenüber einem – echten, d. h. nicht zurechenbaren – Dritten nicht oder zu anderen, für die Gesellschaft besseren Konditionen erfolgt.127 Wird daher zum Beispiel ein Vermögenswert zu billig an die Ehefrau eines Gesellschafters verkauft oder Betriebsmittel unentgeltlich an ein von einem Gesellschafter beherrschtes Unternehmen gegeben, ist im Regelfall der Gesellschafter zur Erstattung gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG bzw. § 62 Abs. 1 AktG verpflichtet, ausnahmsweise auch der Dritte.128 Beim Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB gilt dasselbe.129 Erfolgt die Einlagenrückgewähr an die Ehefrau des Kommanditisten, haftet er im Umfang der ihm zurechenbaren Rückzahlung wieder gemäß § 171 Abs. 1 HGB.

126

Soeben unter b aa. Zum Drittvergleich als Abgrenzungskriterium statt anderer Fastrich, in Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 22. 128 Zu Einzelheiten statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 31 Rn. 8 ff. 129 BGHZ 47, 149; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 70. 127

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bb. Der umgekehrte Drittvergleich als übersehenes Problem Für den hier interessierenden Bereich der Unternehmensfinanzierung durch Dritte scheidet die soeben als weitgehend unproblematisch skizzierte Einbeziehung hingegen aus, sofern man hierüber auch eine Rückzahlung investierten Fremdkapitals nebst Zinsen als unzulässige Leistung causa societatis begründen will. Wie bei den vorstehenden Fällen ist auch hier Voraussetzung, ein sog. Drittgeschäft – stille Beteiligung bzw. Darlehen – aufgrund einer materialen Betrachtung der Konditionen und Umstände als eine Leistung aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses anzusehen. Das maßgebliche Kriterium für diese materiale Betrachtung ist im unproblematischen Geltungsbereich des Kapitalerhaltungsgebots der sog. Drittvergleich. Das Merkmal causa societatis wird dann bejaht, wenn der Gesellschafter bzw. der ggf. einzubeziehende Dritte der Gesellschaft nicht als „unabhängiger Dritter“ gegenübersteht.130 Dies wiederum ist gegeben, wenn das der verbotenen Auszahlung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft unangemessen ist, mithin zu für die Gesellschaft nachteiligen Konditionen geschlossen wurde, die sie gegenüber einem unabhängigen Dritten („am Markt“) nicht hätte akzeptieren müssen.131 Überträgt man diese materiale Betrachtung eines formalen Drittgeschäfts auf die hier interessierende Frage, ob die Rückzahlung von Fremdkapital nebst Zinsen gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstößt, wäre dies unproblematisch zu bejahen, wenn die Gesellschaft dem Dritten überhöhte Zinsen gewährt. Hierum geht es aber der oben skizzierten herrschenden Meinung nicht. Sie versucht vielmehr, über das Kapitalerhaltungsgebot auch – hinsichtlich der Zinsen und sonstigen Konditionen – marktübliche Fremdfinanzierungen mit einer Auszahlungssperre zu belegen, soweit hierdurch eine Unterbilanz hervorgerufen oder vertieft wird. Wollte man insofern den für die Ermittlung einer verbotenen Auszahlung charakteristischen Drittvergleich heranziehen, müsste er gleichsam auf den Kopf gestellt werden. Voraussetzung für eine über die Kapitalerhaltungsregeln begründete Verstrickung der Valuta nebst Zinsen wäre nicht, dass die Gesellschaft das Geschäft mit einem Dritten anders geschlossen hätte. Voraussetzung wäre vielmehr, dass die Gesellschaft es mit einem Gesellschafter anders geschlossen hätte, nämlich in Form von Einlagen auf das Stamm- bzw. Grundkapital oder bei Kommanditisten in Form einer Erhöhung der Haftsumme. Bereits hieraus folgt somit, dass die tragende Legitimation einer Anbindung

130

BGHZ 13, 49, 54; allgemeine Meinung, vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 22 (m. w. N.); für die KG K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 68. 131 Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 22 ff.; für die KG K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 68.

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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einer Fremdfinanzierung an das Kapitalerhaltungsgebot eine andere sein muss als die für den gesetzlichen Regelfall dieses Gebots. cc. Die Bedeutung der Verlustbeteiligung Steht hiernach bereits fest, dass die Umqualifizierung von Fremd- und Eigenkapital zumindest hinsichtlich seiner tatbestandlichen Voraussetzungen wenig mit dem Kapitalerhaltungsgebot im Sinne der §§ 57, 62 AktG, §§ 30, 31 GmbHG bzw. § 172 Abs. 4 HGB gemein hat, lässt sich ein weiterer Zirkelschluss aufdecken. Der BGH führt an, für die Gleichstellung eines Dritten mit einem Gesellschafter „in Bezug auf die Kapitalerhaltungsregeln“ sei es erforderlich, dass dieser „anteilsmäßig am Vermögen der GmbH beteiligt“ sei.132 Dies sei dann erfüllt, wenn dem Stillen von dem bilanzierten Jahresüberschuss die Hälfte zusteht und er einen Fehlbetrag nach dem Verhältnis von Stammkapital zu stillem Kapital zu tragen hat.133 Betrachtet man diese Voraussetzung genauer, wird nicht deutlich, welche Bedeutung die sich aus dem Gesellschaftsvertrag mit dem Stillen ergebende Verlustbeteiligung iSv. § 231 Abs. 1 HGB für die Anwendung des Kapitalerhaltungsgebots haben soll. Man kann dem veröffentlichten Sachverhalt nur entnehmen, dass der betreffende Stille wohl in gewissem Umfang an den Verlusten beteiligt war, diese Verluste jedoch noch nicht dazu geführt haben, dass die Vermögenseinlage vollständig aufgezehrt wurde. Andernfalls wäre das streitgegenständliche Auseinandersetzungsguthaben, welches wegen § 30 Abs. 1 GmbHG nicht ausgezahlt werden durfte, gar nicht erst entstanden. Nach Ansicht des BGH ist die notwendige vermögensmäßige Beteiligung eines Stillen am Vermögen der GmbH bereits dann zu bejahen, wenn er sich bereit erklärt hat, mit seiner Vermögenseinlage Verluste zu tragen, diese Verluste jedoch im Auszahlungszeitpunkt noch nicht einmal entstanden sind. Wie bereits gesehen, lässt sich diese Rechtsfolge allein aus dem Recht der stillen Gesellschaft nicht begründen.134 Vor Insolvenzeröffnung kann der Stille seine Verlustbeteiligung zwar nicht einseitig rückwirkend vernichten, für noch nicht eingetretene Verluste haftet seine verbleibende Vermögenseinlage hingegen nicht. Für die Auseinandersetzung sind selbst bei Verlustbeteiligung nur die Verluste maßgeblich, die bereits eingetreten sind. Vom Eintritt weiterer Verluste kann sich der Stille somit durch Beendigung des stillen Gesellschaftsverhältnisses ex nunc befreien. Dies erkennt der BGH letztlich an, indem er die Rückzahlungssperre mit § 30 Abs. 1 GmbHG begründet und nicht mit einer aus dem stillen Gesellschaftsverhältnis herrührenden Verlusttragung. Gleichsam unausgesprochen liegt der Begründung dennoch die Prämisse zu Grunde, dass 132 133 134

BGH, NJW-RR 2006, 760, 761 f.; ähnlich bereits BGHZ 106, 7, 10. BGH, NJW-RR 2006, 760, 762. Oben § 13 III 2.

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der Stille auch weitere, von seiner Verlustbeteiligung nicht mehr umfasste Verluste tragen muss. Erholt sich die GmbH nicht mehr von der Unterbilanz, ist der Anspruch des Stillen auf sein an sich bestehendes Auseinandersetzungsguthaben „endgültig verloren“.135 Diese Argumentation ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Entweder der BGH respektiert die im stillen Gesellschaftsverhältnis begründete – beschränkte – Verlusttragung und begründet von vornherein eine allein hierauf bezogene Qualifikation des Finanzierungsbeitrags als Eigenkapital oder aber er nimmt die – in welcher Höhe auch immer begründete -Verlustbeteiligung des Stillen nur zum Anlass, um hierüber eine Rechtsfolge zu begründen, die über die Verlusttragung hinausgeht. Die Begründung ist somit entweder zirkulär, weil sie auf etwas abstellt, was sich bereits aus der privatautonomen Umqualifizierung der Vertragsparteien ergibt, oder sie greift zu kurz. Für die weitergehende Umqualifizierung kann die – vereinbarte, aber beschränkte – Verlustbeteiligung als Legitimation nicht ausreichend sein, weil sie diese Rechtsfolge gerade nicht erfasst. dd. Vergleich mit dem Nachschusskapital Bestätigt wird diese argumentative Schwäche schließlich durch einen Vergleich mit dem bereits skizzierten Nachschusskapital bei der GmbH.136 Den Gesellschaftern einer GmbH steht es frei, aufgrund einer entsprechenden Abrede Finanzierungsbeiträge zu leisten, die solange nicht zurückgezahlt werden dürfen, als die Leistung das gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG geschützte Stammkapital angreifen würden. Charakteristisch für diese Finanzierungsform ist eine spezielle Verknüpfung zweier an sich zu trennender Finanzierungsbeiträge gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 GmbHG. Über das Nachschusskapital wird das Stammkapital doppelt abgesichert. Der Gesellschafter unterwirft seinen Kapitalbeitrag hiermit einer aufschiebend bedingten Rückzahlungssperre. Diese kommt nur dann zum Tragen, wenn die finanzielle Situation der Gesellschaft – aus welchen Gründen auch immer – so schlecht ist, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht mehr vorhanden ist. ee. Vergleich mit dem ursprünglichen Eigenkapitalersatzrecht Indem es nun bei der hier interessierenden gesetzlichen Umqualifizierung an einem entsprechenden Willen fehlt, den Finanzierungsbeitrag an das Schicksal des Stammkapitals zu knüpfen, bedarf es konsequenterweise einer Regel, die diesen Willen ggf. erzwingt. Für die Gesellschafterfremdfinanzierung ist dieser Zwang seit langem durch das sog. Recht des Eigenkapitalersatzes anerkannt, 135 So die pointierte Formulierung von Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 10 IV 3 (S. 909). 136 Oben § 12 IV 3 b bb.

IV. Materiell-rechtliche Umqualifizierung

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welches über die sog. Rechtsprechungsgrundsätze in Anlehnung an §§ 30, 31 GmbHG auch im Vorfeld der Insolvenz eine mit dem Nachschusskapital vergleichbare Rechtsfolge herstellt.137 Das eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen darf – wie ein Nachschuss gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 GmbHG – nicht zu Lasten des Stammkapitals zurückgezahlt werden.138 Dass auch Dritte Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts sein können, ist seit langem anerkannt und wird noch ausführlich erörtert.139 Umso mehr verwundert es, dass die Rechtsprechung und Literatur für die oben erwähnte Einbeziehung der Dritten, insbesondere des stillen Gesellschafters, in das Kapitalerhaltungsgebot hierauf überhaupt nicht abstellen. Auch die – de lege lata geltenden – besonderen Voraussetzungen einer eigenkapitalersetzenden Funktion eines hiervon erfassten Finanzierungsbeitrags werden überhaupt nicht erörtert, wenn es darum geht, die Rückzahlung einer nicht von der Verlusttragung umfassten stillen Beteiligung einer Auszahlungssperre zu unterwerfen. Dass es sich hierbei wohl um ein Missverständnis bzw. eine Fehlentwicklung handelt, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Nach geltendem Eigenkapitalersatzrecht ist es einem Gesellschafter unbenommen, seine Gesellschaft außerhalb einer Krise mit Fremdkapital zu finanzieren. Kommt es überhaupt nicht zur Krise, darf die Valuta ohne weiteres zurückgezahlt werden. Sofern diese nicht ein wesentlicher Umstand ist, die Krise zu bejahen, ändert auch eine etwa bestehende Unterbilanz nichts. Nach der vorstehend skizzierten herrschenden Meinung zur Einbeziehung Dritter in das Kapitalerhaltungsgebot wird der Dritte somit schlechter gestellt als ein Gesellschafter. Sein Finanzierungsbeitrag unterfällt in Gänze der Rückzahlungssperre gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG, ohne dass es darauf ankäme, dass die stille Beteiligung eigenkapitalersetzend ist oder nicht. Letztlich wird die Fremdfinanzierung hiernach unter Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG dem rechtlich gebundenen Eigenkapital gleichgestellt, ohne dass überhaupt nur der Versuch unternommen wird, diese aus der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung resultierende Umqualifizierung als Missbrauch oder Verstoß gegen ein Gebot ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung zu rechtfertigen. d. Zwischenergebnis Es lässt sich daher festhalten, dass die bisher vertretenen Ansätze, Dritte, die nicht einem Gesellschafter zurechenbar sind, unter das Kapitalerhaltungsgebot zu fassen, nicht zu überzeugen vermögen. Sedes materiae für eine erzwungene 137 Grundlegend BGHZ 31, 258, 268 ff. (Lufttaxi-Entscheidung); zum Ganzen ausführlich sogleich in § 16. 138 Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189, 194. 139 Unten § 16 III.

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Einschränkung des Kapitalabzugs wäre allenfalls das bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens über die sog. Rechtsprechungsgrundsätze geltende Eigenkapitalersatzrecht. Indem dieses de lege ferenda aufgegeben wird und das Eigenkapitalersatzrecht als Recht der Gesellschafterdarlehen künftig allein in der Insolvenz Geltung beansprucht, soll nachfolgend herausgearbeitet werden, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen Einfluss nehmende Fremdkapitalgeber hierunter zu fassen sind.

V. Ergebnis, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung Ziel der vorstehenden Ausführungen war es herauszuarbeiten, auf welche Weise sich die zur Herstellung von Selbstbetroffenheit der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber notwendige Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz des Unternehmens dogmatisch begründen lässt. Hierbei zeigte sich, dass der Gesetzgeber die Einschränkung von Lösungsrechten des Fremdkapitalgebers, sein finanzielles Interesse vom unternehmerischen Risiko abzukoppeln, als Mittel zur Insolvenzvermeidung durchaus anerkennt. Auch besteht zumindest seit der Schuldrechtsmodernisierung ein gesetzlicher Vorrang der Vertragsanpassung durch die Geschäftsgrundlagenlehre auch beim Darlehen. Für die stille Beteiligung gilt dies ebenso. Die materielle Legitimation, die Einschränkung eines Lösungsrechts in der Unternehmenskrise für denjenigen Fremdkapitalgeber zu begründen, der auf die Unternehmensleitung Einfluss genommen hat, folgt aus einer Störung der im Regelfall zu trennenden Verantwortungsbereiche von Kapitalgeber und Kapitalnehmer. Die Emanzipation des finanziellen Interesses des Fremdkapitalgebers liegt im gesetzlichen Regelfall darin begründet, dass er nach Überlassung des Kapitals keine Einflussmöglichkeiten mehr hat, hierüber zu verfügen. Indem aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder tatsächlicher Handhabung diese Trennung aufgehoben wird, ist es nicht gerechtfertigt, dem Unternehmen das Verschlechterungsrisiko zuzuweisen und dem Fremdkapitalgeber ein hiervon emanzipiertes Lösungsinteresse zuzubilligen. Dies gilt zum einen wegen Ingerenz in den Fällen, in denen die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers im Vorfeld der Krise rechtswidrig oder auf sonstige Weise zu missbilligen war. Diese Fallgruppe ist jedoch konturenlos und daher wie eine auf die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit und Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung weitgehend ohne Anwendungsbereich. Eine Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens kommt jedoch auch in dann Betracht, wenn der Fremdkapitalgeber sich bei der Geltendmachung eines Lösungsrechts zu seinem rechtmäßigen Vorverhalten in Widerspruch setzt. Dies ist in jedem Fall dann zu bejahen, wenn auf Seiten des finanzierten Unternehmens ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.

V. Ergebnis, Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung

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Auch diese Sanktion ist indessen schwach, weil die Freizeichnung seitens des Einflussnehmenden den Vertrauenstatbestand nicht entstehen lässt. Über die Protestatio facto contraria-Regel kann ein bloßer Selbstwiderspruch aber auch dann zu sanktionieren sein, wenn er gegen eine normative Vorgabe verstößt, die das eine Verhalten gegenüber dem anderen als vorrangig einstuft. Indem es hierbei weder darauf ankommt, dass die Einflussnahme rechtswidrig ist oder beim finanzierten Unternehmen oder seinen übrigen Gläubigern einen Vertrauenstatbestand begründet hat, ist dieser Ansatz geeignet, einen effektiven normativen Vertrauenstatbestand zu Gunsten der non-adjusting creditors und Unternehmenseigentümer dergestalt zu schaffen, dass die Einflussnehmenden von den negativen Folgen ihrer Entscheidungen vorrangig betroffen sind. Die Mitsteuerung ließe sich hierdurch legitimieren. Es zeigte sich jedoch, dass die Einschränkung von Lösungsrechten rechtsfolgenseitig Schwächen aufweist, eine ausreichende Selbstbetroffenheit der Fremdkapitalgeber zu vermitteln. Die erzwungene Einschränkung der Kündigungsrechte wirkt nur dilatorisch und kann daher allein den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit ausräumen. Darüber hinaus entfaltet eine derartige Einschränkung des Lösungsinteresses keine Wirkung, wenn Gefahr droht, dass der Fremdkapitalgeber Einschränkungen bei der Befriedigung erleidet. Eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital vermag die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens als Ausübungskontrolle bei der Geltendmachung von Lösungsrechten nicht zu vermitteln. Schließlich besteht bei den nur dilatorisch wirkenden Lösungsrechten die Gefahr, dass Unternehmen und adjusting creditor einvernehmlich handeln und sich über die Einschränkungen auf Kosten der non-adjusting creditors hinwegsetzen. Eine diese Schwächen beseitigende, bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens wirkende materiell-rechtliche zwingende Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital lässt sich ohne die Annahme unzulässiger Fiktionen nicht begründen. Dritte sind wegen der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung entgegen der herrschenden Meinung nicht Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots bei GmbH, AG und KG, sofern es um ihren als Fremdkapital geleisteten Finanzierungsbeitrag geht. Eine gesetzliche Umqualifizierung kann nur über eine Einbeziehung in das künftig allein im Insolvenzverfahren wirkende Eigenkapitalersatzrecht bzw. Recht der Gesellschafterdarlehen begründet werden. Ob diese Regeln eine normative Vorgabe gemäß der Protestatio facto contraria-Regel sind, die die Einflussnahme im Vorfeld der Insolvenz zum Anlass nimmt, den Finanzierungsbeitrag mit einem Nachrang zu versehen und damit das Lösungsinteresse des Fremdkapitalgebers einschränkt, soll nachfolgend herausgearbeitet werden.

§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz Wie bereits herausgearbeitet wurde, hängt die prinzipielle Billigung außergerichtlicher Sanierungen unter Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der Unternehmenssteuerung entscheidend davon ab, dass den betreffenden Personen eine mit den Unternehmenseigentümern vergleichbare Verantwortlichkeit obliegt, die gewährleistet, dass die gewählten Strategien auf die Vermeidung der materiellen Insolvenz abzielen und nicht auf die Vermeidung des Insolvenzverfahrens unter Inkaufnahme der masselosen Insolvenz. Nachdem der vorherige Teil ergab, dass es zwar Ansätze gibt, widersprüchliches Finanzierungsverhalten im Vorfeld der Insolvenz zu sanktionieren, diese aber wegen des fortbestehenden Fremdkapitalcharakters nur sehr begrenzt wirken, soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise sich widersprüchliches Finanzierungsverhalten in der Insolvenz des finanzierten Unternehmens rechtlich erfassen und ggf. sanktionieren lässt. Das Ziel einer möglichen Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz kann nach dem Vorgesagten nur die Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital sein. Die hiermit einhergehende vorrangige Verlusttragung des Entscheidungsträgers begründet die zur prinzipiellen Billigung der Mitsteuerung erforderliche Richtigkeitsgewähr der Einflussnahme. Die drohende Umqualifizierung würde zwar für die betreffenden Fremdkapitalgeber belastend wirken.1 Sie ist wegen der allein im Insolvenzverfahren eintretenden Folgen jedoch auch ein effektiver Sanierungsanreiz. Die drohende, allein in der Insolvenz wirkende Umqualifizierung kann Fremdkapitalgeber einmal dazu veranlassen, sich der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung zu enthalten und die Steuerung denjenigen anvertrauen, die dieses potentielle Verlustrisiko tragen wollen. Sie kann sie andererseits auch dazu veranlassen, die bereits erfolgte Einflussnahme zu verstärken oder erstmalig aufzunehmen und wegen der drohenden Folgen alles daran zu setzen, dass die Sa1 Pointiert Diem, BKR 2002, 1034, 1034: „Größter anzunehmender Unfall im Unternehmenskreditgeschäft“; ähnlich Weitnauer, BKR 2005, 43, 44; Früh, GmbHR 1999, 842, 843: Einbeziehung von Banken aufgrund einer durch Covenants vermittelten Einflussnahme würde eine Vielzahl der strukturierten Finanzierungen faktisch unmöglich machen; vgl. aber auch Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1118, wonach die Umqualifizierung beim finanzierten Unternehmen einen „Equitiy-Freudensprung“ herbeiführe.

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nierung entweder gelingt oder aber erfolglose Sanierungsbemühungen von vorneherein unterbleiben und rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt wird, damit die Befriedigungs- und Sanierungschancen im eröffneten Verfahren steigen. Sucht man nach einer dogmatischen Grundlage, um eine im Insolvenzfall wirkende Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen zu begründen, bietet es sich an, die Gesellschafter-Fremdfinanzierung als Ausgangspunkt zu nehmen. Immerhin besteht dort seit langem der Ansatz, eigenkapitalersetzende Darlehen – bzw. künftig alle Gesellschafter-Darlehen – in der Insolvenz wegen einer inkompatiblen Doppelrolle des Gesellschafters zurückzustufen. Die zur Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals erzwungene vorrangige Verlusttragung eines als Fremdkapital gewährten Finanzierungsbeitrags erfolgt hiernach künftig zumindest im Insolvenzfall. Diese gesetzliche Umqualifizierung wird freilich bereits für das geltende Eigenkapitalersatzrecht vor allem hinsichtlich seiner komplizierten Voraussetzungen und der kaum nachvollziehbaren Zweispurigkeit von insolvenz- und gesellschaftsrechtlichen Regeln heftig kritisiert. Selbst die nunmehr erfolgende Vereinheitlichung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO wird dahingehend in Zweifel gezogen, als es keine vernünftigen Gründe für eine Subordinierung von Forderungen aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz gebe.2 Dessen ungeachtet ist diese Entwicklung als eindeutige gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Es ist daher möglich, das Recht der Gesellschafterdarlehen im Einklang mit seinem Regelungsanliegen dogmatisch auszubauen. Wie sich noch zeigen wird, ist das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen hinsichtlich der Reichweite der Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen zwar sehr weit, so dass man es – negativ gewendet – als eine auch im internationalen Vergleich unverhältnismäßige Beschränkung der Finanzierungsfreiheit ansehen könnte.3 Auf der anderen Seite wird sich zeigen, dass die auf den Insolvenzfall bezogene gesetzliche Umqualifizierung auch für die Betroffenen Vorteile hinsichtlich der Vorhersehbarkeit einer möglichen Verstrickung von Finanzierungsbeiträgen mit sich bringt. Sie ist so der auch nach den Alternativmodellen drohenden Haftung auf Schadensersatz überlegen und auf den Finanzierungsmarkt abgestimmt. Sie gewährleistet insolvenzbezogen nämlich genau den mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebenen

2

Am deutlichsten Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 50; ders. ZGR 2007, 167, 192 ff. Eidenmüller spricht sich zum Beispiel dafür aus, die Insiderstellung der Gesellschafter allein zum Anlass zu nehmen, die Insolvenzanfechtung zu verschärfen, nicht hingegen diese Forderungen auch zurückzustufen (FS Canaris, S. 49, 53 ff.); ähnlich bei der Frage, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen auf Dritte zu erstrecken, Habersack, ZBB 2006, 494, 499: lediglich Ausweitung von § 138 InsO bei der Insolvenzanfechtung, d. h. ohne Subordination; eine bloße Anfechtungslösung ohne Subordination gemäß § 136 InsO bei der Dritteinflussnahme für möglich haltend auch Huber, FS Priester, S. 259, 280 f., dies jedoch nicht weiter ausführend. 3

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Marktmechanismus, dass diejenigen, die das Unternehmen steuern, von den negativen Folgen ihrer Entscheidungen vorrangig betroffen sind.4 Die aus der Selbstbetroffenheit resultierende, mit Richtigkeitsgewähr versehene Selbstkontrolle macht es weitgehend entbehrlich, die Einflussnahme wie beim Verwalter fremder Vermögensinteressen als rechtmäßig oder rechtswidrig zu qualifizieren und diesbezüglich einer weitgehenden gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Maßgeblich wäre allein das Vorliegen der objektiven Analogievoraussetzungen, ob die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers der Einflussnahme eines „geschäftsführenden Gesellschafters“ gleichzustellen ist oder nicht. Zudem ist zu bedenken, dass das geltende und künftige Recht der Gesellschafterdarlehen ein Sanierungsprivileg enthält. Eine hierauf begründete Gläubigerverantwortung böte daher konsequenterweise auch Raum, die drohende Umqualifizierung in bestimmten Fällen auszuschließen und wäre damit ein Anreiz für die Fremdkapitalgeber, sich in der Unternehmenskrise um eine erfolgversprechende außergerichtliche Sanierung zu bemühen. Nachfolgend ist daher herauszuarbeiten, ob das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. zumindest das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen eine dogmatische Grundlage zur Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens ist, welches im Einklang mit seinem Regelungsanliegen rechtsfortbildend auf die hier interessierenden Fremdkapitalgeber, die nicht Gesellschafter sind, und auf alle Unternehmensformen ausgebaut werden kann.

I. Die Gesellschafterfremdfinanzierung als Ausgangspunkt Beim Einzelunternehmen ist es bereits rechtstechnisch unmöglich, dass der Unternehmer mit sich selbst bzw. seinem nicht verselbstständigten Unternehmen in Rechtsbeziehungen tritt. Demgegenüber sind OHG und KG gemäß § 124 Abs. 1 HGB (ggf. iVm. § 161 Abs. 2 HGB) rechtlich verselbstständigt. Gleiches gilt mittlerweile auch für die GbR (sog. Teilrechtsfähigkeit 5). Die Rechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaften steht gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AktG, § 13 Abs. 1 GmbHG außer Frage. Das formale Argument, dass ein Einzelunternehmer mit sich selbst keine Finanzierungsverträge schließen kann und damit eine Fremdfinanzierung durch den Eigentümer prinzipiell ausgeschlossen ist, greift bei den Gesellschaften somit nicht durch. Vielmehr ist es auch möglich, dass die Gesellschafter jenseits ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen treten. 6 Nachfolgend ist nunmehr herauszuarbei4

Oben § 4 I und § 14 III. In diese Richtung – für die Gesellschafter! – auch Huber (FS Priester, S. 259, 276), wenn er anführt, die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen erfülle die Funktion der Selbstbeteiligung der Gesellschafter am Risiko. 5 BGH, NJW 2001, 1056. 6 Zur grundlegenden Unterscheidung von Sozialpfl ichten bzw. -ansprüchen und Indivi-

I. Die Gesellschafterfremdfi nanzierung als Ausgangspunkt

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ten, ob sich bei der rechtlichen Behandlung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung Anhaltspunkte für eine gesetzliche Umqualifizierung in Eigenkapital ergeben, die als Grundlage einer zumindest im Insolvenzfall wirkenden Finanzierungsverantwortung Einfluss nehmender Nichteigentümer herangezogen werden können.

1. Fremdfinanzierung durch persönlich haftende Gesellschafter Die sog. Drittgeschäfte mit Gesellschaftern können sich auch auf die Unternehmensfinanzierung beziehen. Es besteht daher im Ausgangspunkt kein Hindernis, dass ein persönlich haftender Gesellschafter „seiner“ Gesellschaft ein schuldrechtliches Darlehen gewährt oder sich am Handelsgeschäft der Gesellschaft zugleich als stiller Gesellschafter beteiligt. Stets sind die jeweiligen Rechtsverhältnisse – zumindest bei formaler Betrachtung – strikt voneinander zu trennen.7 Die in der Betriebswirtschaftslehre anzutreffende, an die Eigentümerstellung des Kapitalgebers anknüpfende Kategorienbildung für die Annahme einer Eigen- oder Fremdfinanzierung steht bei den Gesellschaftern stets unter dem Vorbehalt, welches Rechtsverhältnis in concreto maßgeblich ist. Ob die Überlagerung der beiden Ebenen im Einzelfall Korrekturen erfordert, ist freilich eine andere Frage. a. Gesellschafterdarlehen Gewährt ein persönlich haftender Gesellschafter anstelle einer Einlage oder in Ergänzung dazu ein Darlehen, ist der Rückzahlungsanspruch in der Bilanz der Gesellschaft gemäß § 247 Abs. 1 HGB in voller Höhe als Verbindlichkeit auszuweisen. Die Begründung hierfür ergibt sich aus den im Innenverhältnis maßgeblichen Liquidationsvorschriften. Bis zur Auflösung der Gesellschaft bzw. bis zum Ausscheiden sind die Gesellschafter gemäß §§ 735, 739 BGB iVm. § 105 Abs. 3 HGB nicht verpflichtet, eine Überschuldung durch Zahlung an die Gesellschaft auszugleichen. Sofern keiner dieser Tatbestände verwirklicht ist, kann der Gesellschafter seine Rückzahlungsforderung gegen die Gesellschaft aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in voller Höhe geltend machen. Er muss sich keinen eigenen Verlustanteil anrechnen lassen. 8 Etwas anderes gilt außerhalb der Liquidation nur dann, wenn der Anspruch von den Mitgesellschaftern gemäß § 128 HGB eingefordert wird. Zum einen gebietet die gegenüber den Mitgesellschaftern bestehende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, sich zunächst an das Ge-

dualansprüchen bzw. Drittansprüchen im Verbandsrecht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 2. Zur Abgrenzung von Beitragspflichten Ulmer, in MünchKomm BGB, § 705 Rn. 202. 7 BGH, NJW 1983, 749; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 9 Rn. 10. 8 BGH, NJW 1983, 749.

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sellschaftsvermögen zu halten.9 Zum anderen hat der Gesellschafter-Gläubiger bei der Geltendmachung der Haftung gemäß § 128 HGB seinen eigenen Verlustanteil in Abzug zu bringen.10 Die Begründung hierfür folgt aus dem Doloagit-Einwand. Den Betrag, den der Gesellschafter gemäß der internen Verlustbeteiligung selbst zu tragen hat, müsste er wegen der gesamtschuldnerischen Gesellschafterhaftung sogleich wieder gemäß § 426 BGB an die übrigen Gesellschafter auskehren. Ist die Darlehensfinanzierung eines persönlich haftenden Gesellschafters außerhalb der Liquidation vorbehaltlich der generalklauselartigen Überlagerung durch die gesellschaftsrechtliche Treuepfl icht mit der eines Nichtgesellschafters vergleichbar, ergeben sich demgegenüber in der Insolvenz der Gesellschaft einige ausdrücklich geregelte Besonderheiten. Hinsichtlich Zins und Rückerstattung gemäß § 488 Abs. 1 BGB ist der darlehensgewährende Gesellschafter im Ausgangspunkt zwar Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO.11 Wegen der persönlichen Haftung für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten gemäß § 128 HGB kann diese Forderung jedoch entsprechend § 174 Abs. 3 InsO nicht zur Tabelle angemeldet werden, soweit noch andere Gläubiger ausfallen. Auf einen Rangrücktritt oder die gesetzliche Umqualifizierung als Quasi-Eigenkapital kommt es nicht an. Die Begründung folgt vielmehr aus § 93 InsO in Verbindung mit dem Dolo-agit-Einwand (§ 242 BGB). Hiernach kann der Gesellschafter insoweit keine Befriedigung verlangen, als der hiermit erlangte Vermögenswert gemäß § 93 InsO sogleich wieder dem Zugriff des Insolvenzverwalters unterliegen würde.12 Hat die insolvente OHG zum Beispiel ein Vermögen von 1 Mio. A und Verbindlichkeiten von 2 Mio. A, zu denen ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 100.000 A gehört, muss die liquide13 persönliche Haftung des Darlehensgebers gemäß § 128 HGB letztlich dazu führen, dass kein Fremd-Gläubiger ausfällt. Würde an den Gesellschafter eine Quote von 50% auf die 100.000 A ausgezahlt, erhielten die übrigen bei den verbleibenden 950.000 A eine Quote von lediglich 47,5%.14 Dass sie nicht auf die an den Gesellschafter ausgezahlten 50.000 A zugreifen können, würde der persönlichen Haftung gemäß § 128 HGB widerspre9 Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rn. 24; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 128 Rn. 12; Ulmer, in MünchKomm BGB, § 706 Rn. 203. 10 Für das Darlehen bereits RGZ 153, 307, 310. 11 Richtigerweise jedoch nur nach Aufforderung (zur Begründung siehe sogleich im Text). 12 Die Geltung von § 93 InsO bei der GbR bejahend BGH, ZIP 1999, 1755; BGH, ZIP 2001, 330. 13 Ist der persönlich haftende Gesellschafter selbst insolvent, kann die Vollbefriedigung freilich nicht verwirklicht werden. In diesem Fall sind die nachfolgenden Ausführungen so zu verstehen, dass § 128 HGB eine Verringerung der Insolvenzquote der übrigen Gläubiger verhindert. 14 950.000 A Befriedigung bei Verbindlichkeiten iHv. 2 Mio. A.

I. Die Gesellschafterfremdfi nanzierung als Ausgangspunkt

431

chen. Zur Vermeidung eines regressus ad infinitum ist es daher ausgeschlossen, dass der Gesellschafter Beträge aus dem insuffizienten Gesellschaftsvermögen erhält. Etwas anderes gilt nur, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um alle übrigen Gläubiger zu befriedigen. In diesem Fall kommt der Darlehensforderung auch in der Insolvenz eine eigenständige Bedeutung zu, indem die übrigen Gesellschafter für die den Verlustanteil des Darlehensgebers übersteigende Summe gemäß § 128 HGB haften. Der Insolvenzverwalter hat somit im Rahmen von § 93 InsO bei der Berechnung der Insolvenzmasse abzüglich Insolvenzforderungen die Darlehensforderung des Gesellschafters außer Acht zu lassen, um zunächst einmal zu ermitteln, in welchem Umfang die Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung gemäß § 128 HGB zur Befriedigung der übrigen Gläubiger erforderlich ist. Erst nach Verteilung der durch die Geltendmachung der erforderlichen Haftungsansprüche vermehrten Insolvenzmasse an die übrigen Insolvenzgläubiger ist die Darlehensforderung des Gesellschafters zu befriedigen – sei es aus dem an sich an die Gesellschafter auszuteilenden Überschuss gemäß § 199 S. 2 InsO oder durch die Geltendmachung weiterer Haftungsansprüche gegen seine Mitgesellschafter gemäß § 93 InsO. In beiden Fällen ist jedoch gemäß §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 155 Abs. 1, 105 Abs. 3 HGB iVm. § 734 bzw. § 735 BGB der sich aus dem Innenverhältnis ergebende eigene Verlustanteil des Gesellschafters in Abzug zu bringen. Fasst man dies zusammen, kommt der Darlehensfinanzierung haftungsrechtlich betrachtet keine eigenständige Bedeutung zu. Die unbeschränkte persönliche Gesellschafterhaftung überlagert die formale Einkleidung des Finanzierungsbeitrags in ein Drittgeschäft völlig, soweit es um die Befriedigung von Dritten geht. Lediglich im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander kann die Begründung eines Finanzierungsbeitrags als Drittgeschäft relevant werden, indem die Darlehensvaluta nach Abzug der Verbindlichkeiten gegenüber Dritten dem Darlehensgeber alleine gebührt, soweit sie seinen Verlustanteil übersteigt. Nur insofern, d. h. im Innenverhältnis, begründet die Ausgestaltung als Drittgeschäft einen Vorrang vor dem Auseinandersetzungsanspruch auf das „Eigenkapital“ der Gesellschaft. b. Der Gesellschafter als Stiller Nach § 230 Abs. 1 HGB ist es auch möglich, dass sich ein persönlich haftender Gesellschafter am Handelsgeschäft, welches von „seiner“ Gesellschaft betrieben wird, als stiller Gesellschafter beteiligt. Auch hierbei handelt es sich um ein Drittgeschäft, welches von der Gesellschafterstellung in der OHG oder KG zu unterscheiden ist und allenfalls von der gesellschaftsrechtliche Treuepfl icht überlagert wird. Die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters ist lediglich abweichend von den schulrechtlichen Drittgeschäften „doppelt gesell-

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

schaftsrechtlich“ vermittelt: zum einen durch seine Mitgliedschaft in der Personengesellschaft, zum anderen durch seine Mitgliedschaft in der gemäß § 230 Abs. 1 HGB mit der Personengesellschaft bestehenden Innen-GbR. In der Insolvenz hängt es gemäß § 236 Abs. 1 HGB von der vereinbarten Verlusttragung ab, inwieweit der Stille eine gemäß § 84 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens zu ermittelnde Forderung auf Rückerstattung seiner Anlage als Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Wurde die Verlusttragung ausgeschlossen, ist der Stille, der zugleich persönlich haftender Gesellschafter ist, im Ausgangspunkt Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO für seine sich gemäß § 235 Abs. 1 HGB ergebende Forderung. Wie beim Darlehen ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Stille als persönlich haftender Gesellschafter gemäß § 128 HGB für alle Insolvenzforderungen haftet. Im Ergebnis darf die Befriedigung des Stillen im Insolvenzverfahren damit gleichermaßen nicht dazu führen, dass ein anderer Insolvenzgläubiger mit seiner Forderung ausfällt. In Beachtung des auch für § 93 InsO geltenden Ausfallprinzips muss die Forderung des Dritten somit solange unberücksichtig bleiben, bis alle anderen Insolvenzgläubiger befriedigt wurden. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Handelsgesellschaft genießt die Vermögenseinlage des Stillen somit selbst bei Ausschluss der Verlustbeteiligung einen insolvenzrechtlich – oder besser gesagt verfahrensrechtlich – begründeten Nachrang gegenüber den sonstigen Insolvenzforderungen. Dies gilt bereits materiell-rechtlich, wenn die Verlusttragung gemäß dem gesetzlichen Regelfall des § 232 Abs. 2 HGB nicht ausgeschlossen wurde. Indem die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung gemäß § 84 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt, kann es im Unfang der Verlustbeteiligung bereits gar nicht zu einem entsprechenden Anspruch des Stillen gegen die Insolvenzmasse aus § 235 Abs. 1 HGB kommen. Auf einen insolvenzrechtlich begründeten Nachrang kommt es insofern nicht an. c. Die unvollkommene Ingangsetzungsfunktion der persönlichen Haftung Es wurde bereits herausgearbeitet, dass sich bereits für die Gesellschafter kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung begründen lässt.15 Für die hier herauszuarbeitende Gläubigerverantwortung von Nichtgesellschaftern muss dies selbst in der Insolvenz erst recht gelten. Ein Ansatz, die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber für die Verbindlichkeiten des Unternehmens unbeschränkt haften zu lassen und hierüber zumindest in der Insolvenz eine „Umqualifizierung“ des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital zu erzwingen, scheidet somit aus, sofern der Dritte nicht nach außen den Anschein eines persönlich haftenden Gesellschafters hervorgerufen hat und gemäß

15

Oben § 13 II.

I. Die Gesellschafterfremdfi nanzierung als Ausgangspunkt

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der Lehre vom Scheingesellschafter entsprechend § 128 HGB haftet.16 Eine Überlagerung der Fremdfinanzierung durch eine rechtsfortbildend begründete unbeschränkte persönliche Haftung wäre darüber hinaus auch aus ökonomischer Sicht keine überzeugende Lösung und würde die sich in der Finanzierungstheorie wiederspiegelnden Marktmechanismus nicht entsprechen. Dies soll nachfolgend verdeutlicht werden. Betrachtet man die vorstehenden Ausführungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung, wäre es ungenau, von einer hierauf bezogenen gesetzlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des jeweiligen Finanzierungsbeitrags zu sprechen. Die aus der vorrangigen Verlusttragung resultierende Selbstbetroffenheit der Gesellschafter als normativer Vertrauenstatbestand für den Kreditmarkt ist nämlich nicht der konkrete Finanzierungsbeitrag und dessen besondere gesetzliche Bindung, sondern die dahinterstehende, alles überlagernde unbeschränkte persönliche Haftung gemäß § 128 HGB. Bei den Personengesellschaften dürfen die Unternehmensgläubiger nach der Konzeption des Gesetzes nicht darauf vertrauen, dass die mit Herrschaft ausgestatteten Eigentümer einen konkreten Finanzierungsbeitrag vorrangig verlieren würden, wenn die Geschäfte schlecht gehen. Der Gedanke, dass alle in einem Boot sitzen, wird vielmehr dadurch verwirklicht, dass die Eigentümer unbeschränkt haften. aa. Unbeschränkte persönliche Haftung als ineffizienter Gläubigerschutz Das System der persönlichen Gesellschafterhaftung ist de lege lata nicht angreifbar, zumal es für den Einzelunternehmer gleichermaßen gilt.17 Rechtspolitisch sollte man jedoch überlegen, ob dieses Schutzkonzept sachgerecht ist. Man muss nicht die ökonomische Theorie und die hieraus mathematisch ableitbaren Effizienzkriterien bemühen, um eine evidente Schieflage festzustellen: Die persönliche Haftung natürlicher Personen kann einerseits ein unverhältnismäßig hoher Preis für die vom Finanzierungsmarkt geforderte Ingangsetzungsfunktion der vorrangigen Betroffenheit der Eigentümer sein. Das haftende Vermögen einer natürlichen Person steht in noch größerem Maße außer Verhältnis zum konkreten Bedarf an Haftkapital als dies bei der derzeit heftig kritisierten gesetzlichen Kapitalbindung bei GmbH und AG der Fall ist. Dass hier – bezogen auf die Unternehmensfinanzierung – Ressourcen verschwendet werden, liegt auf der Hand. Es ist daher eine nachvollziehbare Reaktion der potentiellen Unternehmenseigentümer, die unbeschränkte persönliche Haftung zu vermeiden und auf andere Rechtsformen mit kalkulierbarer vorrangiger Verlusttragung auszuweichen.18

16 17 18

Zu diesem konkreten Vertrauenstatbestand bereits oben § 11 V. Vgl. bereits oben § 12 IV 1 und 2. Hierzu ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 31 ff.; vgl. aber auch Fastrich,

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

bb. Unbeschränkte persönliche Haftung als zweifelhafte Sicherheit Auf der anderen Seite kann die fehlende Effizienz bzw. Angemessenheit einer mit der unbeschränkten persönlichen Haftung gewährleisteten Ingangsetzungsfunktion jedoch auch daraus resultieren, dass nicht gesichert ist, welche Finanzkraft das Haftungssubjekt hat. Der berühmte Rektor-Fall, in dem in einer KG eine mittellose Komplementärin „vorgeschoben“ wurde, ist hierfür exemplarisch.19 Auch jenseits solcher Extreme bringen die bereits erwähnte Konkurrenz von Privatgläubigern und die Risiken aus anderen Geschäftsfeldern des Unternehmers bzw. Gesellschafters die Gefahr mit sich, dass die persönliche Haftung nicht das wert ist, was sie verspricht. Die Praxis hilft sich auch hierüber hinweg, indem Sachsicherheiten oftmals gegenüber Personalsicherheiten bevorzugt bzw. als Ergänzung zur persönlichen Haftung verlangt werden. Stehen diese nicht ausreichend zur Verfügung oder verursachen sie zu hohe Transaktionskosten, ist es aus Sicht der Fremdkapitalgeber gerade auch beim Einzelunternehmen und der gesetzestypischen Personengesellschaft vorteilhaft, über Covenants eine enge Verbindung zum finanzierten Unternehmen bzw. dessen möglicherweise nicht mit den erforderlichen unternehmerischen Fähigkeiten versehenen Leitung zu suchen und die Vorteile eines hierüber vermittelten Krisenerkennungs- und -bewältigungsmechanismus’ („warning and guidance“) wirken zu lassen. 20 cc. Konsequenzen für die nachfolgende Untersuchung Wenngleich die auf bestimmte Unternehmensträger bezogene gesetzliche Grundkonzeption der unbeschränkten persönlichen Haftung de lege lata hinzunehmen ist, folgt aus den vorstehenden Erwägungen doch zumindest, dass dieses Modell kein angemessenes Mittel wäre, um die Einflussnahme von Nichteigentümern auf das Unternehmen rechtlich auszugestalten. Nimmt man die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Marktmechanismus ernst, muss die Selbstbetroffenheit in erster Linie durch eine vorrangige Verlusttragung des tatsächlich gewährten Kapitals gewährleistet werden und nicht durch eine konturenlose – entweder zu weite oder aber nicht ausreichende – „unbeschränkte persönliche“ Haftung. Die gesetzliche Gewährleistung eines Abzugsverbots wirkt effektiver als die im Hinblick auf die Werthaltigkeit zweifelhafte Gewährleistung eines Zuführungsgebots. Der Entscheidungsträger, der den Verlust des bereits geleisteten Kapitals befürchten muss, wird stärker diszipliniert als der Entscheidungsträger, der mit seiner ggf. beschränkten Leistungsfähig-

DStR 2006, 656, 657, der darauf hinweist, dass eine allzu „billige“ Haftungsbeschränkung vor allem große Risiken anzieht. 19 BGHZ 45, 202; vgl. oben § 12 IV 2. 20 Oben § 2 IV 3 f.

I. Die Gesellschafterfremdfi nanzierung als Ausgangspunkt

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keit spekulieren kann und möglicherweise bereit ist, die negativen Folgen einer ihn persönlich treffenden Überschuldung zu tragen. Weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der ökonomischen Theorie wird daher von einer Ingangsetzungsfunktion der persönlichen Haftung gesprochen. Der sich hinter der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals verbergende Marktmechanismus des Vertrauens der Fremdkapitalgeber beruht vielmehr auf der durchaus nachvollziehbaren Prämisse, dass ein Unternehmer erst einmal in „Vorleistung“ treten soll und nicht bloß seinen guten Namen bzw. die Expektanz, über ausreichend Privatvermögen zu verfügen, als Glaubwürdigkeitssignal aussendet. Nachfolgend soll daher herausgearbeitet werden, ob die Regeln über die Gesellschafterfremdfinanzierung bei den Kapitalgesellschaften und der KG eine Möglichkeit bieten, die Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber im Insolvenzfall zu begründen und sich auf diese Weise das die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ausmachende Abzugsverbot gewährleisten lässt.

2. Fremdfinanzierung durch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und durch Kommanditisten Auch den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft und den Kommanditisten steht es frei, mit ihrer Gesellschaft Drittgeschäfte abzuschließen. Es ist daher möglich, dass Stamm- bzw. Grundkapital und die Haftsumme gemäß § 171 Abs. 1 HGB gering zu halten und das notwendige oder für erforderlich gehaltene Kapital weitgehend über Gesellschafterdarlehen oder stille Beteiligungen aufzubringen. Wegen der rechtlichen Verselbstständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern bestehen hierbei grundsätzlich keine Einschränkungen. Wie bei der Gesellschafter-Fremdfinanzierung von Personengesellschaften ist im Ausgangspunkt eine strikte Trennung der jeweiligen Rechtsverhältnisse geboten. a. Gesplittete Einlagen Der Motivation, mit „seiner“ Gesellschaft in eine Drittrechtsbeziehungen zu treten, liegen oftmals steuerrechtliche Erwägungen zu Grunde.21 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Abschluss von Drittgeschäften Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die das tendenziell strengere Gesellschaftsrecht (vor allem bei der AG gemäß § 23 Abs. 5 AktG) oft ausschließt. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur der Fall genannt, dass sich ein Aktionär mittels Gesellschafterdarlehen an der Finanzierung der AG beteiligt und hierbei Einsichts- und Kontroll21 Hierzu eingehend Frank, Splittingbeteiligungen an Kommanditgesellschaften, 1997, S. 31 ff.

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rechte vereinbart, die ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter nicht zustünden. In der Praxis ist diese Ausweitung bzw. „Umgehung“ des an sich beschränkten Auskunftsrechts gemäß § 131 AktG weit verbreitet. 22 Aber auch bezüglich der Haftungsfunktion können die Grenzen zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung infolge der Gestaltungsfreiheit der Parteien verschwimmen. Die Darlehenskonditionen können so ausgestaltet werden, dass die Finanzierung haftungsrechtlich dem Eigenkapital gleich gestellt wird. Die in der Praxis vielfach anzutreffenden Finanzplankredite oder Rangrücktritte finden in § 39 Abs. 2 InsO rechtliche Anerkennung. Eine ähnliche gewillkürte Annäherung an die Eigenfinanzierung liegt vor, wenn sich ein Gesellschafter zusätzlich mit einer stillen Einlage an dem von der Gesellschaft betriebenen Handelsgeschäft beteiligt („gesplittete Einlage“). Unter der Bezeichnung „Kapitalgesellschaft & Still“23 gibt es mittlerweile eine weit verbreitete Praxis, die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Form einer „virtuellen Innen-KG“24 auszugestalten. b. Die fehlende haftungsrechtliche Akzessorietät des Finanzierungsbeitrags Beteiligen sich ein Kapitalgesellschafter oder Kommanditist an ihrer eigenen Gesellschaft mittels Darlehen oder als Stiller, besteht ein entscheidender Unterschied zu der Beteiligung unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter. Wie soeben herausgearbeitet, begründet dort die Haftung gemäß § 128 HGB auch für den als Drittgeschäft geschlossenen Finanzierungsbeitrag eine umfassende Widmung zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger, die allenfalls in Rahmen von § 93 InsO einen verfahrensrechtlichen Aufschub erlangt. Beim Kommanditisten und Kapitalgesellschafter ist diese Überlagerung indessen zumindest im Ausgangspunkt nicht gegeben, sondern allenfalls auf den Umfang der (offenen) Haftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB bzw. auf offene Stammeinlageforderungen begrenzt. aa. Die die Haftsumme übersteigende Kommanditisten-Fremdfinanzierung Bei der Kommanditisten-Fremdfinanzierung gelten sowohl für das Darlehen als auch für die stille Beteiligung ohne weiteres die dilatorisch wirkenden Einschränkungen des Kündigungsrechts über das aus der Treuepflicht vermittelte Rücksichtnahmegebot gegenüber der Gesellschaft und die herausgearbeiteten Einschränkungen wegen widersprüchlichen Verhaltens. 25 Hat der Kommanditist seine Einlage auf die Haftsumme erbracht, werden seine darüber hinausge22 23 24 25

Dies ergaben diverse Gespräche mit Rechtsanwälten. K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 230 Rn. 87. K. Schmidt, FS Bezzenberger, S. 406, 406 ff. Oben § 15 II.

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henden Finanzierungsbeiträge jedoch zumindest nach der gesetzlichen Ausgangslage nicht mit einem besonderen materiell- oder insolvenzrechtlich begründeten Nachrang versehen. 26 Gewährt der Kommanditist der KG zum Beispiel ein Darlehen, kann er dieses als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geltend machen, sofern er nicht einen Rangrücktritt gemäß § 39 Abs. 2 InsO erklärt hat. Beteiligt sich der Kommanditist zugleich als Stiller an der KG, hängt der haftungsrechtliche Rang seiner Einlage gemäß § 236 HGB von der vereinbarten Verlusttragung ab. Dass in beiden Fällen die erleichterte Insolvenzanfechtung gemäß § 136 InsO (ggf. analog) 27 gilt, ändert hieran nichts, weil diese den anderweitig zu begründenden Rang allenfalls gewährleistet, nicht aber modifiziert. 28 bb. Die die Stammeinlage übersteigende Finanzierung eines Kapitalgesellschafters Bei den Kapitalgesellschaften gilt Ähnliches. Über ihre Einlagepflichten hinaus haben der GmbH-Gesellschafter und der Aktionär keine weiteren Zahlungen zu leisten, sofern dies nicht rechtsgeschäftlich begründet wurde. Gewährt ein Kapitalgesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen oder beteiligt sich an ihr als Stiller, handelt es sich nicht nur formal betrachtet um eine als Drittgeschäft ausgestaltete Fremdfinanzierung, sondern auch haftungsrechtlich. Sofern der Beitrag nicht als Finanzplankredit oder Nachschuss iSv. §§ 26 ff. GmbHG ausgestaltet wurde, zur Deckung einer offenen Einlageforderung bzw. eines aus anderen Gründen der verdeckten Einlagenrückgewähr benötigt wird 29 oder ein Rangrücktritt iSv. § 39 Abs. 2 InsO erklärt wurde, kann der betreffende Gesellschafter seine Forderung auf Rückzahlung gegen die Gesellschaft geltend machen; im Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO. Einschränkungen sind wiederum allein dilatorischer Art, indem die Ausübung eines Kündigungsrechts aus Rücksichtnahme auf das finanzierte Unternehmen oder wegen widersprüchlichen Verhaltens bzw. die gesellschaftliche Treuepflicht 30 auf Zeit eingeschränkt ist. Eine gesetzliche Umqualifizierung des Beitrags in haftendes Eigenkapitals findet im Ausgangspunkt nicht statt.

26 Vgl. aber zur fragwürdigen Figur des „materiellen Eigenkapitals“ nach der Rechtsrechung und überwiegenden Meinung in der Literatur unten § 16 IX 5. 27 Hierfür bei langfristigen Fremdfinanzierungen K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Anh Rn. 33. 28 Vgl. bereits oben § 13 III; insofern undeutlich K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Anh Rn. 33. 29 Die Aufrechnung seitens der Gesellschaft ist in diesen Fällen regelmäßig möglich (vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 19 Rn. 22, § 31 Rn. 17. 30 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist bei den Körperschaften indessen weniger stark ausgeprägt als bei den Personengesellschaften (Überblick bei Fastrich, in Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 24 ff.).

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

c. Auseinanderfallen von Herrschaft und Selbstbetroffenheit Anders als bei den persönlich haftenden Gesellschaftern ist es somit nach dem Konzept der Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kommanditisten und Kapitalgesellschaftern möglich, dass sich Herrschaft und Selbstbetroffenheit durch vorrangige Verlusttragung nicht decken. Mit Ausnahme der konturenlosen, bisher nur in der Theorie bestehenden Durchgriffshaftung wegen qualifizierter materieller Unterkapitalisierung31 haben es die betreffenden Eigentümer in der Hand, ihr vorrangiges Verlustrisiko zu steuern. Der gesetzliche Zwang, ein solches zu tragen, besteht bei den Kapitalgesellschaften nur in Höhe des – in der Regel viel zu geringen – Mindestkapitals; bei der KG letztlich überhaupt nicht, denn die Haftsumme iSv. § 171 Abs. 1 HGB kann auch einen Euro betragen.32 Wenn hiernach bereits für die zwingend kapitalmäßig zu beteiligenden Eigentümer eine nur sehr schwach ausgeprägte Finanzierungsverantwortung besteht, scheint es kaum möglich, eine derartige Verantwortung Nichteigentümern aufzuerlegen. d. Die gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen als Kompensation Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass das Auseinanderfallen von Herrschaft über das Unternehmen und vorrangiger Verlusttragung bei den Kapitalgesellschaften und möglicherweise auch bei der KG nicht so evident ist, wie soeben beschrieben. Finanziert zum Beispiel ein GmbH-Gesellschafter die Gesellschaft in der Krise, kann er den Rückzahlungsanspruch in der Insolvenz gemäß § 32 a Abs. 1 GmbHG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen. Diese gesetzliche Rückstufung des formal darlehensweise hingegebenen Kapitals oder vergleichbarer Finanzierungen (vgl. § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG) in „Quasi-Eigenkapital“33 ist zwingend. Den Gesellschaftern wird – de lege lata – eine Finanzierungs(folgen)verantwortung auferlegt, wonach sie in der Krise entweder haftendes Eigenkapital beisteuern oder die Gesellschaft liquidieren müssen.34 Der Rückzug auf die Rolle des Fremdkapitalgebers und die Teilnahme an der quotalen Befriedigung der Insolvenzgläubiger ist ihnen – auch künftig – verwehrt.35 31

Überblick bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 16. Für die Vertragsfreiheit bei der Festlegung der Haftsumme statt aller K. Schmidt, in MünchKomm HGB, §§ 171, 172 Rn. 22. 33 So die gängige Bezeichnung der erfolgten Umqualifizierung (statt anderer Haas, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 93 Rn. 122). 34 BGHZ 31, 258, 268 ff.; BGHZ 121, 31, 36 f.; BGHZ 127, 336, 343 ff.; BGH, NJW 1993, 2180; BGH, NJW 1995, 658, 658 f.; aus der Lit. statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 3. 35 Kritisch Fastrich, in FS Zöllner, S. 143, 159. 32

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Die Begründung hierfür ist nach wie vor umstritten, zumal die (geltende) gesetzliche Regelung der §§ 32 a f. GmbHG unvollkommen erscheint.36 Es besteht daher – noch – weitgehend Einigkeit, das Recht des Eigenkapitalersatzes in Ergänzung zu diesen insolvenzrechtlichen Regelungen auf der gesellschaftsrechtlichen Grundlage der §§ 30, 31 GmbHG zu entwickeln und bereits im Vorfeld der Insolvenz wirken zu lassen, sofern der eigenkapitalersetzende Finanzierungsbeitrag zu Lasten des Stamm- bzw. Grundkapitals zurückgezahlt wird.37 Sowohl nach den Rechtsprechungsgrundsätzen als auch den künftig allein geltenden insolvenzrechtlichen Regelungen führt die Umqualifizierung allein zu einem Abzugsverbot. Die Leistung weiteren Kapitals lässt sich hierüber nicht begründen, selbst wenn der Gesellschafter das Darlehen bereits verbindlich zugesagt hat.38

3. Rechtsform- und adressantenübergreifender Ansatz der gesetzlichen Subordination? Die vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft auferlegte Finan zierungs(folgen)verantwortung ist auf den ersten Blick an die Eigentümerstellung geknüpft. a. Parallele zum ökonomisch begründbaren widersprüchlichen Finanzierungsverhalten Wie bei der Bindung der auf das Stamm-, Grund- bzw. Haftkapitals geleisteten Einlagen 39 verhält sich der Gesellschafter auf Grund gesetzlicher Anordnung widersprüchlich, wenn er sich in der Krise bzw. Insolvenz auf eine Rolle als Fremdkapitalgeber zurückzieht. Der von Engert für die Stammkapitalbindung herausgearbeitete ökonomische begründbare Selbstwiderspruch40 findet sich somit auch hier: Der Gesellschafter als Fremdkapitalgeber profitiert einmal davon, dass die gesetzliche Gewährleistung der Umqualifizierung als normati36

Statt anderer Fastrich, in FS Zöllner, S. 143 ff. BGHZ 90, 370. Zum Verhältnis von §§ 30, 31 GmbHG analog und §§ 32a f. GmbHG statt anderer Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32a/b Rn. 10 ff. (m. w. N.). Hiermit darf nicht die bereits erörterte Fragestellung verwechselt werden, ob der Finanzierungsbeitrag gemäß der fragwürdigen hM bereits ohne weiteres unter das Kapitalerhaltungsgebot fällt (dazu soeben § 15 V). – Zur geplanten Reform durch das MoMiG sogleich II. 38 BGHZ 133, 298; BGHZ 142, 116, 119; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 29. Weitergehende Folgen ergeben sich allein aufgrund einer rechtsgeschäftlichen, ggf. in der Krise nicht mehr aufhebbaren Verpflichtung, insbesondere beim sog. Finanzplankredit (vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 52 ff.). 39 Oben § 12 IV 2 c und 3. 40 Oben § 12 I. 37

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

ver Vertrauenstatbestand die mit der Ingangsetzungsfunktion umschriebenen Signale an die Fremdkapitalgeber aussendet. Diese lauten, dass die den Gesellschaftern obliegende Herrschaftsmacht wegen der drohenden vorrangigen Verlusttragung in einer Art und Weise ausgeübt wird, dass die Interessen der vorrangig zu befriedigenden Fremdkapitalgeber bestimmungsgemäß mit berücksichtigt werden.41 Von dieser gesetzlichen Gewährleistung profitieren auch die Gesellschafter als Fremdkapitalgeber, weil sie die Aufnahme von weiterem Fremdkapital zur Aufrechterhaltung des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs erleichtert.42 Insofern wäre es widersprüchlich, wenn die mit Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter sich in der Krise auf die Rolle eines von dieser vorrangigen Verlusttragung nicht betroffenen Fremdkapitalgebers zurückziehen dürften. b. Dogmatische Begründung der Umqualifizierung mit der Protestatio facto contraria-Regel Diese Begründung widersprüchlichen Verhaltens folgt indessen nicht daraus, dass der betreffende Gesellschafter sich zu einem bestimmten Vorverhalten in Widerspruch setzen würde. Ihm kann es gerade darauf ankommen, der Gesellschaft Fremdkapital zu gewähren und in der Krise bzw. Insolvenz wie ein Fremdkapitalgeber behandelt werden zu wollen. Die Widersprüchlichkeit folgt vielmehr daraus, dass eine gesetzliche Regelung existiert, die zwei – bei individueller Betrachtung des Handelnden durchaus von konsequentem Vorteilsstreben gekennzeichnete – Verhaltensweisen als miteinander unvereinbar ansieht. Der gesetzlichen Zurückstufung von Fremdkapital liegt somit eine mit der Protestatio facto contraria-Regel fassbare normative Gewichtung von miteinander unvereinbarer Verhaltensweisen43 zu Grunde: Der Gesellschafter darf sich nicht auf eine bei formaler Betrachtung durchaus differenziert zu betrachtende Doppelrolle berufen und erwarten, im Hinblick auf die Fremdfinanzierung wie ein den gesetzlichen Regeltypen entsprechender außenstehender und vor allem einflussloser Fremdkapitalgeber behandelt zu werden. c. Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung Nachfolgend soll nunmehr herausgearbeitet werden, was genau das widersprüchliche Verhalten der Kapitalgeber beim geltenden Eigenkapitalersatzrecht und künftig geltenden Recht der Gesellschafterdarlehen ist. Hierauf aufbauend lässt sich dann beantworten, ob diese gesetzliche Umqualifizierung von Fremdin Eigenkapital und das hieraus resultierende Abzugsverbot als gesetzliche Ge41 42 43

So auch Huber, FS Priester, S. 259, 276. Oben § 12 III 4 und VI 3. Oben § 15 II 3.

II. Die erfassten Unternehmensträger

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währleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auf einer rechtsformübergreifenden, auch auf Nichteigentümer anzuwendenden Regel beruht, auf deren Grundlage sich eine entsprechende Finanzierungs(folgen)verantwort ung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als gesetzliche Gewährleistung einer vorrangigen Verlusttragung begründen lässt. Hierbei wird sich zeigen, dass die bisher strenge Auffassung, Dritten nur in beschränkten Ausnahmefällen eine eigene Finanzierungs(folgen)verantwortun g aufzuerlegen, allenfalls de lege lata überzeugt, weil es sich beim geltenden Eigenkapitalersatzrecht um die Effektuierung eines zuvörderst an die förmlichen Gesellschafter gerichteten Gebots zu konsistentem Finanzierungsverhalten handelt. Im Rahmen des neukonzipierten Rechts der Gesellschafterdarlehen ist demgegenüber eine weitgehende Emanzipation der Adressaten von der förmlichen Gesellschafterstellung gerechtfertigt und geboten, weil die Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Veranlassungshaftung allein widersprüchliches Gläubigerverhalten in der Insolvenz sanktioniert und konsequenterweise denjenigen betrifft, der das Insolvenzrisiko mitsteuern konnte. Dies sind typischerweise die förmlichen Gesellschafter aufgrund ihrer kollektiven Herrschaftsmacht über das Unternehmen. Bei einer konkreten Beteiligung an der Unternehmensleitung jedoch auch der – in analoger Anwendung von § 39 Abs. 5 InsO – einem geschäftsführenden Gesellschafter gleichzustellende Fremdkapitalgeber. Das im Zuge des MoMiG neu konzipierte Recht der Subordination von geleisteten Finanzierungsbeiträgen ermöglicht so in erheblich weitgehender Weise als die bisherige Regelung, einen umfassenden Ansatz zur Verantwortlichkeit wegen unternehmerischer Einflussnahme zu entwickeln und so der einen funktionierenden Finanzierungsmarkt gewährleistenden Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Geltung zu verschaffen. Die hiernach begründete Verantwortung der einflussnehmenden Gläubiger hätte selbst dann Bestand, wenn der Wettbewerb der Rechtsordnungen es mit sich bringt, dass der deutsche Gesetzgeber sich dazu entschließt, eine bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkende Kapitalbindung völlig aufzugeben. Der dieser These zu Grunde liegende, sich bei der gesetzlichen Subordination von Finanzierungsleistungen jüngst abzeichnende Paradigmenwechsel soll nunmehr herausgearbeitet werden.

II. Die von der gesetzlichen Umqualifizierung erfassten Unternehmensträger Das sog. Eigenkapitalersatzrecht ist seit jeher Grundlage für Versuche, einen rechtsform- und adressatenübergreifenden Ansatz einer gläubigerschützenden Widmung von geleisteten und versprochenen Kapitalbeiträgen zu begründen. Hierbei besteht indessen bereits keine Einigkeit, welche Unternehmensträger

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

überhaupt vom Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftig von den Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO44 erfasst werden.

1. Das Recht des Eigenkapitalersatzes bei der GmbH Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Eigenkapitalersatzrechts fi ndet sich gemäß §§ 32 a, b GmbHG nur für die GmbH. a. Materiell- und insolvenzrechtliche Umqualifizierung de lege lata Nach § 32 a Abs. 1 GmbHG können Darlehen, die der Gesellschaft von einem Gesellschafter in der Krise gewährt wurden, im Insolvenzverfahren nur nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO geltend gemacht werden. Wurde das Darlehen im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach zurückgezahlt, unterliegt es der besonderen Insolvenzanfechtung nach § 135 Nr. 2 InsO und ist gemäß § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewähren. Nach § 135 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung innerhalb von 10 Jahren anfechtbar, wenn die Gesellschaft für ein solches eigenkapitalersetzendes Darlehen Sicherheit gewährt hat. Für den Fall der masselosen Insolvenz sieht § 6 AnfG ein vergleichbares Anfechtungsrecht vor. Kern dieser Regelungen ist die gesetzliche Umqualifizierung der Darlehensfinanzierung in nachrangiges Haftkapital, welches im Insolvenzfall der Befriedigung der Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO dient und den Gläubigern gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO zur Verfügung stehen soll. Die im Jahr 1980 eingeführten §§ 32 a, b GmbHG45 setzen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus und wurden von Anfang an als zu eng empfunden.46 Die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur gehen daher bei der GmbH entgegen der Intention des damaligen Gesetzgebers47 nach wie vor von einer Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts aus. Neben §§ 32 a, b GmbHG sollen hiernach die bereits vor 1980 allgemein anerkannten sog. Rechtsprechungsregeln in Anlehnung an §§ 30, 31 GmbHG fortgelten. 48 Der Vorzug die44 Art. 9 Nr. 5 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Mai 2007 (BR-Drs. 354/07, S. 55; abgedruckt ZIP 2007, 3); identisch Art. 9 Nr. 5 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 45 Gesetz v. 4. 7. 1980 (BGBl. I, S. 836). 46 Statt anderer Hachenburg/Ulmer 7, §§ 32 a, b Rn. 11 (m. w. N.). 47 In der Regierungsbegründung zu §§ 32 a, b GmbHG 1980 heißt es, die Neuregelung verfolge das Ziel, die von Rechtsprechung und Literatur bisher auf allgemeine Grundsätze gestützte Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen auf eine „eigene gesetzliche Grundlage“ zu stellen und die „bestehenden Zweifelsfragen soweit wie möglich auszuräumen“ (BTDrs. 8 /1347, S. 39). 48 Grundlegend BGHZ 90, 370; seitdem ständige Rechtsprechung (BGHZ 95, 192, BGH, NJW 1985, 2719, 1719 f.; BGH, WM 1987, 284, 284; BGH, NJW 1990, 130, 1731; BGH, GmbHR 1996, 285; BGH, ZIP 1999, 1263, 1263 f.); aus der Literatur Habersack, in GroßKomm

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ser gesellschaftsrechtlich49 begründeten Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen wird zum einen darin gesehen, dass die hiermit begründeten Folgen nicht nur im Insolvenzverfahren Geltung beanspruchen, sondern bereits davor und vor allem auch bei der masselosen Insolvenz. 50 Darüber hinaus weitet die Umqualifizierung in Anlehnung an die gesetzliche Stammkapitalbindung die Rückzahlungssperre erheblich aus.51 Einmal gilt eine gegenüber der Anfechtungsfrist gemäß § 135 Nr. 2 InsO längere Verjährung des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG (analog). Weiterhin wirkt der aus der Umqualifizierung resultierende Nachrang wegen der Gleichstellung der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung mit dem Stammkapital nicht nur zu Gunsten der Gläubiger. Da das Stammkapital selbst dann angegriffen sein kann, wenn sämtliche Gläubiger befriedigt werden können, profitieren von der Umqualifizierung gemäß den Rechtsprechungsregeln letztlich auch die Mitgesellschafter.52 Die im Vorfeld der Insolvenz wirkende Verstrickung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen stellt die betreffenden Finanzierungsbeiträge somit einem Nachschuss gleich, 53 der – wie bereits gesehen – ebenfalls die Stammkapitalziffer ein zweites Mal unterlegt. 54 In der Literatur wird diese Parallelität von gesellschafts- und insolvenzrechtlichem Eigenkapitalsersatzrecht heftig kritisiert.55 Der Gesetzgeber scheint die Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln als Rechtsfortbildung indessen zumindest bis zum MoMiG im Grundsatz gebilligt zu haben. So heißt es in der Regierungsbegründung zu § 135 InsO aus dem Jahr 1994 ausdrücklich, mit dem allgemein gehaltenen Wortlaut „kapitalersetzende Darlehen“ als Bezugspunkt des Anfechtungstatbestands sollten auch die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle erfasst werden.56

GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 23 ff.; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 89 (jeweils mit umfangreichen Nachweisen). 49 Nur die §§ 32 a, b GmbHG werden allgemein als zumindest „insolvenzrechtlich geprägt“ charakterisiert (BGHZ 90, 370, 378: „die konkurs- und anfechtungsrechtliche Lösung der [GmbH-]Novelle“); Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 480, 484, 489; Bezzenberger, in FS Bezzenberger, S. 23, 31. 50 In diesem Fall besteht freilich auch die Möglichkeit der Einzelanfechtung gemäß § 6 AnfG (zutreffend Roth/Altmeppen, § 32 b Rn. 2). 51 Gegenüberstellung der Regelungen bei Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 427 f. 52 Fastrich, FS Zöllner, 143, 156. 53 Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189, 194. 54 Oben § 13 V 2. 55 Bezzenberger, FS Bezzenberger, S. 23, 45 ff.; zuvor bereits Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 151 ff.; Grunewald, GmbHR 1997, 7, 8 ff.; kritisch auch Kübler, FS Stimpel, S. 3, 9 ff.; Noack/ Grunewald, GmbHR 2005, 189, 194. 56 BT-Drs. 12/2443, S. 161.

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b. Insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen de lege ferenda Nach Vorarbeiten in der Literatur57 wird durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) 58 die bisher kritisierte Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts für die GmbH künftig aufgegeben und die rechtliche Behandlung von „Gesellschafterdarlehen“ auf eine einheitliche, insolvenzrechtliche Grundlage gestellt. Die §§ 32 a, b GmbHG werden gestrichen und statt dessen § 39 InsO wie folgt gefasst: 59 (1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beiträge, berichtigt: (. . .) Nr. 5. nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (. . .) (4) Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinn des Absatzes 4 Satz 1, der mit zehn Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.

Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Rechtslage ist die gewollte Ansiedlung des bisherigen, zumindest auch gesellschaftsrechtlich begründeten Eigenkapitalersatzrechts im Insolvenzrecht. 60 Auch die bisher auf der Grundlage von §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsprechungsregeln sollen nicht mehr gelten. Um dies – im Gegensatz zur GmbH-Novelle aus dem Jahr 1980 – nunmehr unmissverständlich und vor allem verbindlich vorzugeben, wird § 30 Abs. 1 S. 3 E-GmbHG wie folgt neu gefasst werden: 61

57 Vor allem Noack/Grunewald, GmbHR 2005, 189, 194; Habersack/Huber, BB 2006, 1; weitere Nachweise bei Huber, FS Priester, S. 259, 262 (Fn. 16). 58 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 (abgedruckt in ZIP 2007, 3); Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737). 59 Art. 1 Nr. 22, Art. 9 Nr. 5 MoMiG (ZIP 2007, 1, 17, 32). 60 Zustimmend K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1932: Dies entspreche dem Zug der Zeit; kritisch Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 115, 130. 61 Art. 1 Nr. 20 Regierungsentwurf MoMiG (ZIP 2007, 1, 16); identisch Art. 1 Nr. 20 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737).

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Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die eine Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

Schließlich wird auch der Begriff des „eigenkapitalersetzenden Darlehens“ als Tatbestandsmerkmal aufgegeben, so dass es fortan nicht mehr darauf ankommt, dass die Darlehensgewährung bzw. die vergleichbaren Handlungen in der Krise der Gesellschaft erfolgten. 62 Die neue Rechtslage bringt insofern eine wesentliche Vereinfachung: Außerhalb der Insolvenz können die Gesellschafter sich wie ein Dritter an der Finanzierung mittels Darlehen beteiligen und diese auch als Fremdkapital wieder abziehen. 63 Nur im Insolvenzverfahren greift der haftungsrechtliche Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO. Wurde das Darlehen im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag zurückgezahlt, ist dies gemäß § 135 Nr. 2 E-InsO anfechtbar; im Fall der masselosen Insolvenz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 E-AnfG. 64 Im Kern handelt es sich bei der Neuregelung allein um eine insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen, so dass die bisher verwendeten Begriffe wie „Umqualifizierung“, „Eigenkapitalersatzrecht“ und „Quasi-Eigenkapital“ möglicherweise nicht mehr verwendet werden dürfen. Dieser Schluss wäre indessen voreilig, wenn sich – wie nachfolgend herausgearbeitet wird – hinter der Neuregelung nach wie vor eine Finanzierungsregel verbirgt, die es ganz allgemein gesprochen den Gesellschaftern und gleichzustellenden Dritten unter bestimmten Voraussetzungen verwehrt, sich in der (masselosen) Insolvenz auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers zu berufen. Letztlich handelt es sich daher auch nach der Neuregelung um eine – anders als bisher zu begründende – gesetzliche Umqualifizierung von Fremd- in Nachrangkapital, so dass die bisherigen Begrifflichkeit durchaus noch eine beschränkte Berechtigung haben kann. Wenn somit nachfolgend auch bei der Neuregelung durch das MoMiG von „Umqualifizierung“, „Eigenkapitalersatzrecht“ und „Quasi-Eigenkapital“ gesprochen wird, bedeutet dies nicht, dass diese Begriffe dieselbe Bedeutung hätten wie unter der Geltung des bisherigen zweispurigen Ansatzes gemäß §§ 32 a, 32a GmbHG. Für die bisher auf verschiedene Weise inhaltlich Finanzie rungs(folgen)verantwortung der Gesellschafter gilt letztlich das Gleiche: Im Rahmen des – herauszuarbeitenden – Schutzanliegens der Neuregelung kann die auf den Kapitalbeitrag bezogene Steuerungsfunktion durchaus als andere 62 Vgl. den RefE zu Nummer 4 – Änderung von § 39 (S. 83): es gibt nach dem neuen Konzept keine „kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen“ mehr; kritisch hierzu Thiessen, ZIP 2007, 253. 63 Die nur dilatorisch wirkenden Einschränkungen gelten freilich auch zu Lasten der Gesellschafter (oben § 15 II). 64 Art. 9 Nr. 8, Art. 11 Nr. 1 MoMiG. Diese Frist bereits de lege lata als zu kurz kritisierend Altmeppen, NJW 2005, 1911, 1914 (zwei Jahre); Fischer, ZIP 2004, 1477, 1483 (vier Jahre); Thiessen, ZIP 2007, 253 (drei Jahre); vgl. auch Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 115, 123.

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Finanzierungs(folgen)verantwortung verstanden werden, ohne herbei durch die bisherigen Interpretationen gemäß dem noch geltenden Eigenkapitalersatzrecht präkludiert zu sein. 65

2. Die bisher eingeschränkte Gesamtanalogie bei der AG Für die AG fehlte stets eine den §§ 32 a, b GmbHG entsprechende Regelung. a. Die Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts de lege lata Dennoch ist seit langem einhellig anerkannt, die für die GmbH entwickelten Eigenkapitalersatzregeln auch hier anzuwenden. 66 Dies hat der Gesetzgeber anlässlich der Insolvenzrechtsnovelle im Jahr 1994 ebenfalls gebilligt. Während es nämlich in § 32 a S. 1 KO a. F. noch hieß, dass Rechtshandlungen, die dem Gläubiger einer „von § 32 a Abs. 1, 3 GmbHG erfassten Forderung“ Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, anfechtbar sind, spricht § 135 InsO nunmehr allgemein von „kapitalersetzenden Darlehen“. Ungeachtet der sprachlichen Unschärfe, dass das Darlehen selbstverständlich nicht Kapital ersetzen kann, sondern allenfalls Eigenkapital, 67 kommt durch die allgemeine Fassung des Wortlauts anstelle eines direkten Verweises auf §§ 32 a, b GmbHG zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber den Tatbestand des § 135 InsO nicht auf die Regeln des §§ 32 a, b GmbHG in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich für die GmbH beschränken wollte. Dass dies auch für die über die insolvenzrechtlichen Folgen hinausgehenden sog. Rechtsprechungsregeln gelten soll, bereitet hingegen besondere Schwierigkeiten. So besteht bei der AG im Gegensatz zur GmbH gerade keine auf die Stammkapitalziffer beschränkte Kapitalbindung. 68 Die Übertragung der für die GmbH in Anlehnung an §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsprechungsregeln auf die AG müsste konsequenterweise in Anlehnung an §§ 57, 62 AktG erfolgen und so weit reichen, wie an die Aktionäre kein Bilanzgewinn ausge65 Vgl. zur Neubestimmung der Finanzierungs(folgen)verantwortung ausführlich Huber, FS Priester, S. 259, 264 ff. 66 Grundlegend BGHZ 90, 381, 385 ff. (BuM/WestLB); bestätigt durch BGH, NZG 2005, 712, 713; aus der umfangreichen Literatur statt anderer Hüffer, AktG, § 57 Rn. 17; Bayer, in Münch Komm AktG, § 57 Rn. 160, 203; Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 215 ff.; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 460; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 I 2 (auch mit Nachweisen zur früheren Gegenmeinung). 67 So auch Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 394 (Fn. 501). 68 Zu den Unterschieden zwischen §§ 30, 31 GmbHG und §§ 57, 62 AktG statt anderer Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 346 ff. – Umso erstaunlicher ist es, dass der BGH es im Jahr 1984 noch vorzog, anstelle der analogen Anwendung von §§ 32 a, b GmbHG auf die analoge Anwendung der für die GmbH entwickelten Rechtsprechungsregeln abzustellen (BGHZ 90, 381, 384).

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schüttet werden kann. 69 Ungeachtet dieser Unstimmigkeit wurde in der Regierungsbegründung zu § 135 InsO aus dem Jahr 1994 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechungsregeln auch für die AG gelten sollen. 70 Insofern ist de lege lata auch bei der AG von einer Zweispurigkeit des Eigenkapitalersatzrechts auszugehen. Die (doppelt-analoge) Anwendung des zweispurigen Eigenkapitalersatzrechts steht bei der AG jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Finanzierung von einem „unternehmerisch beteiligten Aktionär“ erfolgt sein muss. 71 Die Begründung hierfür folgt im Wesentlichen aus dem gegenüber der GmbH unterschiedlichen Regeltypus der AG als Publikumsgesellschaft und der hieraus resultierenden geringeren Finanzierungsverantwortung der Aktionäre. 72 Der BGH hält es für maßgeblich, dass die Aktionäre anders als die GmbH-Gesellschafter gegenüber der Geschäftsleitung weder eine Weisungsbefugnis haben noch ein laufendes Informationsrecht.73 Ihre Möglichkeiten, die finanzielle Situation der Gesellschaft zu erkennen und auf die Kapitalentwicklung Einfluss zu nehmen, seien strukturell schwächer ausgeprägt. Um den dem gesetzlichen Leitbild der AG entsprechenden Publikumsaktionär, der typischerweise nur ein Anlageinteresse verfolgt, aus dem Anwendungsbereich der Eigenkapitalersatzregeln auszunehmen, bedarf es somit de lege lata bei der AG des besonderen, über die Aktionärsstellung hinausgehenden Merkmals der „unternehmerischen Beteiligung“. Auf welche Weise diese begründet wird, lässt sich indes mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht eindeutig sagen. Nimmt man die Bedeutung des unterschiedlichen Regeltypus von GmbH und AG für die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln ernst, kann die für die GmbH geltende Privilegierung gemäß § 32 a Abs. 3 GmbHG allein jedenfalls nicht ausreichen, die „unternehmerische Beteiligung“ an einer AG auszuschließen.74 Ein Aktionär ist daher nicht bereits dann „unternehmerisch beteiligt“, wenn er mehr als 10% des Grundkapitals hält oder ein Vorstandsamt bekleidet. Überzeugender ist insofern der Ansatz des BGH, an die gesetzlichen Regelungen des AktG über die sog. Sperrminorität bei Strukturänderungen anzuknüpfen. Hiernach sind die Eigenkapitalersatzregeln zumindest dann anwendbar, wenn der finanzierende Gesellschafter einen Aktienbesitz von mehr als 25% hält.75 Bei einer geringeren, aber nicht unbeachtlichen Betei69

Zum problematischen Umfang der Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen bei der AG Hüffer, AktG, § 57, 17, 19. 70 BT-Drs. 12/2443, S. 161. 71 Grundlegend BGHZ 90, 381, 387 (BuM/WestLB); bestätigt durch BGH, NZG 2005, 712, 713. 72 BGHZ 90, 381, 387 ff. unter Hinweis auf K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 174 und Immenga, ZIP 1983, 1405, 1407 ff. 73 BGHZ 90, 381, 387 f. 74 Zutreffend Früh, GmbHR 1999, 842, 843 f. 75 BGHZ 90, 381, 391; kritisch hierzu Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 221.

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ligung bedarf es hingegen weiterer gesellschaftsrechtlich fundierter Einflussmöglichkeiten, die mit einer Sperrminorität vergleichbar sind. 76 b. Gleichbehandlung mit der GmbH de lege ferenda Dieses spezifisch aktienrechtliche Konzept der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen wird durch das geplante MoMiG weitgehend umgestaltet. § 39 E-InsO wurde bewusst rechtsformneutral gefasst („gilt für Gesellschaften“). 77 In der Begründung des Entwurfs heißt es, hierüber seien „die deutschen Gesellschaftsrechtsformen, und zwar die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Genossenschaft, die Kommanditgesellschaft und die offene Handelsgesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist und zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern auch keine Gesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter gehört, ebenso wie die Europäische Gesellschaft (SE) erfasst. Des Weiteren erfasst die Regelung auch entsprechende Auslandsgesellschaften (z. B. die englische Limited mit Zweigniederlassung in Deutschland), wenn deren Insolvenz nach deutschem Recht abgewickelt wird.“78 Für die AG bringt diese Erweiterung eine Abschaffung der bisher hohen Hürden einer unternehmerischen Beteiligung des Aktionärs mit sich. Maßgeblich soll fortan allein das Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO sein. Hiernach erfolgt eine Verstrickung des Gesellschafterdarlehens in jedem Fall, wenn der Aktionär mit mehr als 10% am Grundkapital beteiligt ist. Liegt die Beteiligung darunter, findet eine Umqualifizierung nur statt, wenn der Gesellschafter nicht „geschäftsführend“ ist. In der Begründung heißt es hierzu, dass abweichend von der bisher herrschenden Meinung für eine generelle Differenzierung zwischen GmbH und AG kein Grund ersichtlich sei.79 Wie bereits erwähnt, ist diese Gleichstellung wegen der auf die Zahl der Mitglieder bezogenen Typenverschiedenheit eine möglicherweise ungerechtfertigte Vereinheitlichung. Als eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers, das Recht der Gesellschafterdarlehen künftig rechtssicher handhabbar auszugestalten, ist sie jedenfalls hinzunehmen. 80

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BGH, NZG 2005, 712, 713. Zustimmend K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1928, wonach die bisherigen Regelungen als ein auf die GmbH und GmbH & Co. gemünztes Provisorium wirkten. 78 Zustimmend Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 115, 119 ff.; Gehrlein, Konzern 2007, 771, 787. 79 Vgl. den Gesetzesentwurf zu Art. 9 Nr. 5 (ZIP 2007, 3, 33). 80 So auch K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1928. 77

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c. Der „geschäftsführende Gesellschafter“ als einheitlicher Zurechnungstatbestand Hierdurch vollzieht sich jedoch ein Perspektivwechsel für die Ermittlung der „unternehmerischen Beteiligung“ der vom Recht der Gesellschafterdarlehen erfassten Aktionäre. Während die bisher herrschende Meinung davon ausging, der vom Eigenkapitalersatzrecht erfasste unternehmerisch beteiligte Aktionär müsse über einen mitgliedschaftlich begründeten Einfluss auf die Gesellschaft verfügen, der mit einer Sperrminorität in der Hauptversammlung vergleichbar sei, genügt nunmehr – wie bei der GmbH – eine beliebig kleine Kapitalbeteiligung, sofern sich der betreffende Aktionär an der Geschäftsführung beteiligt. Dies verwundert auf den ersten Blick. Strukturell betrachtet lässt sich über die aus der Aktionärsstellung resultierenden Einflussrechte wegen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG nämlich von vornherein keine Beteiligung an der Geschäftsführung begründen. Bereits de lege lata wird das Merkmal des geschäftsführenden Gesellschafters für die GmbH jedoch nicht formal, sondern material interpretiert. Geschäftsführender Gesellschafter iSv. § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG ist nicht nur der wirksam bestellte Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern jeder Gesellschafter, der faktisch auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt. 81 Der notwendige Umfang der eingeräumten Befugnisse ist – abweichend von den strengen Anforderungen der die Schadensersatzhaftung auslösenden faktischen Organstellung eines Gesellschafters82 – etwas geringer. 83 In der Literatur wird zum Beispiel für ausreichend gehalten, dass der Gesellschafter Prokura oder Handlungsvollmacht hat84 oder ihm das Recht zusteht, jederzeit einen alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer der Gesellschaft zu benennen oder abzuberufen. 85 Hiernach wird es somit künftig auch bei der AG nicht mehr auf die gesellschaftsrechtlich begründete Einflussnahme des Aktionärs im Hinblick auf seine Aktionärsrechte ankommen. Das Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO wird auch dann nicht eingreifen, wenn der Aktionär ein Vorstands- oder Aufsichtsratsamt bekleidet oder auf die Geschäftsführung faktisch Einfluss nimmt.

81 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 73. 82 Oben § 12 VI 2. 83 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 73; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 196. 84 Pentz, GmbHR 1999, 447; Michalski/Heidinger, GmbH, §§ 32 a, 32 b Rn. 215; hieran für den Regelfall zweifelnd Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18. 85 K. Schmidt, GmbHR 1999, 1269, 1271; Michalski/Heidinger, GmbH, §§ 32 a, 32 b Rn. 215.

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3. Die Einbeziehung nicht-gesetzestypischer Personengesellschaften Eine weitere gesetzliche Regelung über die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln besteht für die „nicht-gesetzestypische“86 OHG und KG, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. a. Eigenkapitalersatz bei der „Kapitalgesellschaft und Co.“ de lege lata Nach §§ 129 a S. 1, 172 a S. 1 HGB87 gelten in diesem Fall die §§ 32 a, b GmbHG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Gesellschafter der GmbH die Gesellschafter bzw. Mitglieder der persönlich haftenden Gesellschafter sowie die Kommanditisten treten. Für die GmbH & Co. KG bzw. OHG als häufigste Fälle 88 bedeutet dies, dass die §§ 32 a, b GmbHG jedenfalls dann Anwendung finden, wenn die Gesellschafter der GmbH der KG bzw. OHG ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gewähren. 89 Die herrschende Meinung überträgt dies auf die fortgeltenden Rechtsprechungsregeln.90 Bei der GmbH & Co. KG bzw. OHG erfolgt hiernach auch eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens, soweit das Kapital zur Behebung einer Unterbilanz bei der Komplementär-GmbH erforderlich ist.91 Dies fand anlässlich der Insolvenzrechtsreform im Jahr 1994 ebenfalls eine ausdrückliche Billigung im Gesetzgebungsverfahren.92 b. Gesellschafterdarlehen bei der „Kapitalgesellschaft & Co.“ de lege ferenda Die geplante Ausweitung des bisherigen Eigenkapitalersatzrechts auf alle Gesellschafterdarlehen betrifft auch die „Kapitalgesellschaften & Co.“. Zwar werden die §§ 129 a, 172 a HGB gestrichen.93 Sachlich hat dies jedoch keine Auswir86

Für diese Unterscheidung Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 212 f. Ebenfalls mit der GmbH-Novelle im Jahr 1980 eingefügt (Gesetz vom 4. 7. 1980, BGBl. I, S. 836). 88 Zu Typenverbindung mit anderen Gesellschaften vgl. Baumbach/Hopt, HGB, Anh § 177 a Rn. 11: „AG & Co.“, „rechtsfähige Stiftung & Co“. 89 Darlehen an die Komplementär-GmbH werden unmittelbar von §§ 32 a, b GmbHG erfasst (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 32 a Rn. 230). 90 BGHZ 60, 328; BGHZ 67, 174; BGHZ 69, 274; BGHZ 75, 334; BGHZ 76, 326; BGHZ 95, 191; BGHZ 104, 33, 37; BGHZ 109, 76; BGHZ 110, 342; BGHZ 123, 296; BGH, NJW 1988, 827; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 172 a Rn. 1: Verweis beruht auf Redaktionsversehen; Scholz/K. Schmidt, § 32 a, 32 b Rn. 214; Heymann/Horn, HGB, § 172 a Rn. 1; Hachenburg/Ulmer, §§ 32 a, b, Rn. 193 ff.; Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 212; Baumbach/ Hopt, HGB, § 129 a Rn. 4 und § 172 a Rn. 32; Roth/Altmeppen Rn. 103; Rowedder/SchmidtLeithoff/Pentz, § 32 a Rn. 255; abw. wohl Deutler, GmbHR 1980, 142, 152. 91 BGHZ 67, 179, BGHZ 81, 259; Baumbach/Hopt, HGB, § 172 a Rn. 33; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Pentz, § 32 a Rn. 255; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, S. 863 ff. 92 Vgl. die Regierungsbegründung zum heutigen § 135 InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 161. 93 Art. 5 Nr. 9 und 11 RefE MoMiG. 87

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kungen, da § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO die insolvenzrechtliche Rückstufung von Kapitalbeiträgen auch auf die bisher vom Eigenkapitalersatzrecht erfassten nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften bezieht. In der Begründung des Referentenentwurfs heißt es ausdrücklich, der Regelungsgehalt der §§ 129 a, 172 a HGB gelte aufgrund der rechtsformneutralen Formulierung der vorgesehenen insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu den Gesellschafterdarlehen weiter.94 Bei der „Kapitalgesellschaft & Co.“ werden somit künftig alle Gesellschafterdarlehen insolvenzrechtlich verstrickt, ohne dass es auf eine besondere Krisenfinanzierung ankäme. Das Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO gilt ebenfalls für alle erfassten Gesellschaften gleichermaßen.

4. Die Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Das vorstehend skizzierte Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftig das Recht der Gesellschafterdarlehen lässt sich als gesetzliche Erzwingung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals und damit als Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens verstehen. Die Gesellschafter einer GmbH, AG und einer nicht-gesetzestypischen Personengesellschaft sind hiernach bei den sog. gesplitteten Einlagen nur im Ausgangspunkt frei, sich bei der Unternehmensfinanzierung mittels Darlehen oder stiller Beteiligung auf die Rolle eines nach dem gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung einflusslosen Fremdkapitalgebers zu berufen, der sein Rückzahlungsinteresse vom unternehmerischen Risiko emanzipieren darf. Künftig sind sie zumindest in der Insolvenz der Gesellschaft mit ihren Ansprüchen auf Darlehensrückzahlung gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB und einem sich bei Ausschluss der Verlustbeteiligung ergebenden Auseinandersetzungsguthaben gemäß § 236 Abs. 1 HGB keine Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO. Sie können ihren Finanzierungsbeitrag zwar vorrangig gegenüber dem Grundbzw. Stammkapital bzw. der Hafteinlage zurückverlangen (vgl. § 199 S. 2 InsO), jedoch nur insoweit, als kein Insolvenzgläubiger und kein gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigter Gläubiger ausfällt. Hinsichtlich der Rechtsfolgen bewirkt das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen somit eine für die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals notwendige vorrangige Verlusttragung, die das Vertrauen der non-adjusting creditors als vorrangig zu befriedigende Insolvenzgläubiger zu rechtfertigen vermag, dass die Einflussnehmenden ihre Interessen angemessen mitberücksichtigen.95 94

Vgl. den RefE zu Nummer 9 und 11 – Aufhebung der §§ 129 a , 172 a HGB (S. 73). Hierzu kritisch Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 53 ff., wonach es keine überzeugenden Gründe für eine Subordinierung von Forderungen aus Gesellschafterdarlehen gebe; dagegen bereits oben § 12 III 3. 95

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Im Hinblick auf die Voraussetzungen ist hiermit freilich noch nicht gesagt, dass die gesetzliche Umqualifizierung auch an eine entsprechende Einflussnahme des betreffenden Gesellschafters auf die Unternehmensleitung anknüpft und die vorrangige Verlusttragung damit diese Einflussnahme legitimiert. Betrachtet man die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags, zeigt sich, dass es zumindest für die Gesellschafter als Adressaten dieser Regelungen nicht auf eine konkrete Einflussnahme ankommt. Das künftig für alle Rechtsträger geltende Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. § 39 Abs. 5 E-InsO knüpft für den Regelfall der Umqualifizierung an eine typisierte Betrachtung an. Die sich bereits aus der formalen Gesellschafterstellung ergebende Finanzierungs(folgen)verantwortung kann allenfalls durch das Vorliegen der Privilegierungsmerkmale entkräftet werden.96 Individueller Zurechnungstatbestand für die Umqualifizierung ist ab einer bestimmten Beteiligungshöhe allein die Kapitalgewährung bzw. -belassung durch einen Gesellschafter, nicht dessen aktive Beteiligung an der Steuerung des Unternehmens. Insofern gilt dasselbe wie für die dem Stamm-, Grundund Haftkapital zugewiesene vorrangige Verlusttragung. Auch der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bzw. Kommanditist, der sich vollständig aus der Geschäftsführung heraushält, trägt die Verluste über seine Kapitalbeteiligung mit. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass es bei der hier herauszuarbeitenden Finanzierungsverantwortung von Dritten, die über keine Gesellschafterstellung verfügen, wegen Art. 9 Abs. 1 GG verfehlt wäre, eine derartige, auf die kollektive Rechtsmacht der Eigentümer abstellende typisierte Betrachtung heranzuziehen.97 Erforderlicher Zurechnungstatbestand für die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens über das Eigenkapitalersatzrecht kann daher, wie bereits für das Vorfeld der Insolvenz gezeigt, allenfalls eine über die Protestatio facto contraria-Regel zu missbilligende konkrete Beteiligung an der Unternehmensführung sein98 – möglicherweise in Analogie zum Geschäftsführungsbegriff des Kleinbeteiligungsprivilegs. Um daher herausarbeiten zu können, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Nichteigentümer vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen als spezialgesetzlichen Ausprägung einer auf diese Weise verstandenen Protestatio facto contraria-Regel erfasst werden können, gilt es nachfolgend zu ermitteln, aus welchem Grund den Gesellschaftern eine entsprechende Finanzierungs(folgen)verantwortung auferlegt wird. Diese, die typisierte Betrachtung des Gesetzes bei den Eigentümern legitimierenden Gründe könnten eine geeignete Grundlage sein, die mittels Rück96 97 98

Zutreffend Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 191. Oben § 12 IV 3. Oben § 15 II.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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stufung erzwungene Umqualifizierung von Fremd- in Quasi-Eigenkapital99 gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Rahmen einer konkreten Betrachtungsweise zu einem personen- und ggf. rechtsformübergreifenden Ansatz der Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens von einflussnehmenden Nichteigentümern auszubauen. Über diese Erzwingung einer zumindest in der Insolvenz wirkenden vorrangigen Verlusttragung der Entscheidungsträger ließe sich die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch für die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber gewährleisten, die Einflussnahme auf die Unternehmensführung legitimieren und die ökonomisch gebotene funktionale Treuhänderstellung der adjusting creditors zu Gunsten der non-adjusting creditors auch rechtlich begründen. Nachfolgend ist daher herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen auch Nichtgesellschafter de lege lata et ferenda Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts bzw. des Rechts der Gesellschafterdarlehen sind.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts Der persönliche Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts ist bereits de lege lata und auch nach der geplanten Reform nur in erster Linie auf die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft bezogen. Die Zentralnorm des geltenden Eigenkapitalersatzrechts stellt dies in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG klar, indem der „Gesellschafter“ ein Darlehen gewährt haben muss. Für die früheren und nach wie vor fortgeltenden Rechtsprechungsgrundsätze gemäß §§ 30, 31 GmbHG gilt dies gleichermaßen.100 Auch § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO stuft die Forderungen aus „Gesellschafterdarlehen“ zurück und richtet sich somit zumindest an die Gesellschafter der erfassten Rechtsformen. Die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen ist hiernach auf den ersten Blick eine an die formale Gesellschafterstellung anknüpfende Finanzierungs(folgen)verantwortung, so dass es verfehlt erscheint, diese Grundsätze auch auf Fremdkapitalgeber anzuwenden, die an der betreffenden Gesellschaft nicht als Eigentümer, mithin nicht dinglich am Vermögen des Unternehmens, beteiligt sind. Dessen ungeachtet können auch Dritte wegen eines eigenen Finanzierungsbeitrags Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts sein. Nach § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG gelten die Vorschriften über die eigenkapitalersetzenden Gesellschaf99 Der Begriff „Quasi-Eigenkapital“ wird nachfolgend nur im Sinne einer gegenüber den Kapitalbeiträgen der Insolvenzgläubiger vorrangigen Verlusttragung verwendet. Eine Gleichstellung der Umqualifizierung mit dem Eigenkapital iSv. § 199 S. 2 InsO lasst sich über das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen wegen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht begründen. 100 Statt aller Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 93.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

terdarlehen sinngemäß für andere Rechtshandlungen eines Gesellschafters oder eines Dritten, die der Darlehensgewährung – durch Gesellschafter – wirtschaftlich entsprechen. Diese Erstreckung des Eigenkapitalersatzrechts auf Dritte fand bereits vor der Kodifizierung im Jahr 1980 im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze zum Eigenkapitalersatzrecht Anerkennung.101 Normzweck ist auf der Grundlage des Wortlauts die Erfassung wirtschaftlich der Darlehensgewährung gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG entsprechender Sachverhalte.102 Während diese Erstreckung des Rechts der Gesellschafterdarlehen auf Dritte künftig keine ausdrückliche Erwähnung mehr findet, sondern als Auffangtatbestand lediglich „Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ angesehen werden,103 ist es auch künftig – ebenso wie in anderen Rechtsordnungen104 – nicht ausgeschlossen, Finanzierungsbeiträge von Nichtgesellschaftern unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zu fassen.105 Lassen sich daher die für eine Analogie bzw. Rechtsfortbildung eines scheinbar beschränkten Regelungskomplexes maßgeblichen Grundwertungen ermitteln, die die typisierte Betrachtung zu Lasten der Gesellschafter legitimieren, spricht wegen des generalklauselartigen Auffangtatbestands methodologisch nichts dagegen, auch vergleichbare Dritte, im hier interessierenden Kontext die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber, als Adressaten der gesetzlichen Umqualifizierung anzusehen.

1. Vom Gesellschafter abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung Die hiernach mögliche Einbeziehung Dritter in das Recht des Eigenkapitalersatzes erfolgt nach bisher herrschender Meinung zum einen dann, wenn zwischen dem Dritten (Nichtgesellschafter) eine besondere Nähebeziehung zum Gesellschafter der GmbH bzw. AG bzw. zu deren Geschäftsanteilen bzw. Aktien besteht.106 101 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 93. Zur hiervon abzugrenzenden Frage, ob Dritte – ggf. nach den selben Zurechnungskriterien – auch Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots sind, bereits oben § 15 V 2. 102 Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 141 („Auffangtatbestand“). 103 Noch deutlicher § 19 Abs. 2 E-InsO: „Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen“ (Hervorhebungen vom Verf.). 104 Unten VI. 105 So auch Fleischer, DStR 2006, 1654, 1659; Knof, ZInsO 2007, 125, 127 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, die mit Ausnahme des Merkmals „kapitalersetzend“ von einer sachlichen Übernahme des bisherigen § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG ausgeht (vgl. RefE MoMiG, S. 83); teilw. anders Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f., der sich künftig für eine anhand des Informationsvorsprungs und des Einflusses ermittelte Einbeziehung Dritter im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ausspricht; vgl. auch Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.) Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 399, wonach es der Rechtsprechung überlassen werden sollte, „in besonderen Einzelfallen“ die Regelungen auf Dritte in gesellschaftergleicher Position zu erstrecken. 106 Hierauf allein abstellend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 149 ff.

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a. Die herrschende Meinung Insofern besteht heute weitgehend Einigkeit, Finanzierungsbeiträge von Nießbrauchern und Pfandgläubigern, die nicht Gesellschafter iSv. § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG sind, umzuqualifizieren, wenn sie über den Gesellschafter, d. h. die ihnen aus dem Sicherungsrecht zustehenden Befugnisse, Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.107 Auch wer als Unterbeteiligter bei wirtschaftlicher Betrachtung Mitgesellschafter ist, kann gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG Adressat der gesetzlichen Umqualifizierung von Finanzierungsleistungen sein.108 Das Gleiche gilt weiterhin für einen Treuhänder, wenn er wirtschaftlich betrachtet Alleininhaber des Geschäftsanteils ist.109 Schließlich erfolgt über § 32 a Abs. 2 S. 1 GmbHG auch eine Einbeziehung von Dritten, die einem Gesellschafter aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Verbundenheit zugerechnet werden können („wirtschaftliche Einheit zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten“).110 Betrachtet man diese Zurechnungstatbestände, lässt sich festhalten, dass die Einbeziehung Dritter gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG allein durch die Verbindung des Dritten mit einem Gesellschafter oder dessen Geschäftsanteil begründet wird, nicht aber aus einer Verbindung mit der Gesellschaft selbst. Sucht man die materielle Legitimation der gesetzlichen Umqualifizierung einer Finanzierungshilfe in Quasi-Eigenkapital in einer Finanzierungs(folgen)verantwortung , trifft die vorstehend einbezogenen Dritten scheinbar nur eine abgeleitete Verantwortung. Der Dritte unterliegt als Mittelsperson oder über einen Geschäftsanteil bzw. eine Gesellschafterstellung vermittelte Einbeziehung nur insoweit, als es auch der betreffende Gesellschafter der Fall ist.111 Auf eine besondere Legitimation der aus der Gesellschafterstellung abgeleiteten Finanzierungs(folg en)verantwortung des Dritten kommt es wegen der – anderweitig begründeten – Nähe zum Gesellschafter bzw. dessen Geschäftsanteil nicht an.

107

Grundlegend BGHZ 119, 191 (für den Pfandgläubiger); Meyer, Der Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen und Aktien, 2002, 283; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a Rn. 34; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 21; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32 a Rn. 190; weitergehend Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 32 a Rn. 74: bereits, wenn sich die Rechte auf den gesamten Ertrag aus dem Geschäftsanteil erstrecken. 108 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a Rn. 126; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 21; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32 a Rn. 139. 109 BGHZ 75, 335, 335 f.; BGH, NJW 1991, 1058; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 23. 110 Vgl. für familiäre Näheverhältnisse BGH, DB 1991, 798; OLG Zweibrücken, NZG 2000, 49; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 144; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 25 (jeweils m. w. N.); für die wirtschaftliche Einheit BGHZ 81, 311, 315; BGHZ 105, 168, 176 f.; BGH, NZG 2001, 223; BGH, DB 2008, 1370; aus der Lit. statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 24; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 145 ff. 111 So auch Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 141.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

b. Erste kritische Einwände Bereits diese von der herrschenden Meinung nahezu einhellig gebilligte Einbeziehung des Dritten ist indessen nicht widerspruchsfrei. Als abgeleitete Finanz ierungs(folgen)verantwortung wäre es konsequent, die mögliche Einbeziehung des Dritten streng akzessorisch an die des betreffenden Gesellschafters bzw. Geschäftsanteils zu binden. Trifft den Gesellschafter keine Finanzierungs(folgen)verantwortung, weil er zum Beispiel unter das künftig allein maßgebliche Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. § 39 Abs. 5 EInsO fällt oder bei der AG de lege lata nicht die erforderliche unternehmerische Beteiligung hat, müsste dies für den Dritten gleichermaßen gelten. Umgekehrt dürfte es auf eine besondere Einflussnahme des Dritten auf die Geschäftsführung nicht ankommen, wenn der ihm zurechenbare Gesellschafter mehr als 10% der Anteile hält bzw. bei der AG unternehmerisch beteiligter Aktionär ist. Dies müsste sinngemäß gelten, wenn der Dritte seine abgeleitete Finanzierungs (folgen)verantwortung aus einer engen Verbindung zum Geschäftsanteil herleitet, insbesondere beim Pfandrecht. aa. Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH Insofern erscheint es nicht nachvollziehbar, warum der Dritte, wie der BGH in der bereits erwähnten Pfandgläubiger-Entscheidung grundlegend ausgeführt hat, nur dann ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gewährt, wenn er sich auf der Grundlage des Verpfändungsvertrags „tatsächlich Einfluss auf die Geschäftsführung“ der Gesellschaft verschafft hat.112 Der Sachverhalt dieser Entscheidung war nämlich gerade kein Fall, bei dem es nach der für die Gesellschafter geltenden Einbeziehungsvoraussetzungen auf die Beteiligung an der Geschäftsführung ankam, um das Kleinbeteiligungsprivileg auszuräumen. Verpfändet wurden der kreditgebenden Bank vielmehr alle Geschäftsanteile. Dass der BGH dennoch die Einbeziehung des Pfandgläubigers an weitere Voraussetzungen geknüpft hat, ist auf der Grundlage des zivilrechtlichen Pfandrechts durchaus nachvollziehbar. Hiernach darf der Pfandgläubiger aus der Verpfändung selbst keine Gesellschafterrechte ausüben, sondern das Pfand nur im Sicherungsfall verwerten.113 Es war daher konsequent, die dem Dritten von der Rechtsprechung bereits vor Pfandreife auferlegte Finanzierungs(folgen )verantwortung daran zu knüpfen, dass er gleichsam ein „atypischer Pfandgläubiger ist“, dem entsprechende Sonderrechte eingeräumt wurden.114 Betrachtet man die Argumentation des BGH und der ihm zustimmenden herrschenden 112 BGHZ 119, 191, 195. Zur fragwürdigen Einbeziehung eines atypischen Pfandgläubigers in das Recht der Kapitalerhaltung bereits oben § 13 V 2. 113 Zutreffend BGHZ 119, 191, 195. 114 Ähnlich bereits Kästle, Rechtsfragen, S. 158 f.

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Meinung115 hingegen genauer, zeigt sich, dass es letztlich gar nicht um eine abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung geht, sondern dem Dritten eine originäre auferlegt wird, die daraus resultiert, dass er gegenüber der Gesellschaft in einer Nähebeziehung steht. Es kommt hiernach weder darauf an, ob der betreffende Gesellschafter (Verpfändender) selbst eine entsprechende Finanzierungs(folgen)verantwortung hat noch darauf, dass die dem atypischen Pfandgläubiger zustehenden Rechte von dessen Gesellschafterstellung abgeleitet sind. Es ist bereits wegen des auch im Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Abspaltungsverbots nicht möglich, dem Dritten die betreffenden Mitverwaltungsrechte einzuräumen.116 Ausreichend und erforderlich sind daher von vornherein nur die der Pfandgläubigerin schuldrechtlich eingeräumten weitreichenden Mitwirkungsrechte in innergesellschaftlichen Angelegenheiten.117 Im konkreten Fall hielt der BGH Folgendes für ausreichend, um eine kreditgebende Bank als atypische Pfandgläubigerin in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen: Vor der Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses, vor der Änderung des Gesellschaftsvertrages und vor Änderungen der Rechtsform einschließlich der Verschmelzung oder Einbringung der Gesellschaftsanteile in eine andere Gesellschaft mussten die Gesellschafter die Zustimmung der Pfandgläubigerin einholen. Kurz vor der Insolvenz der Gesellschaft veranlasste die Bank die Einsetzung einer mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmensberatungsgesellschaft, die faktisch als ihr verlängerter Arm die Geschäfte führte. Weiterhin mussten sich die Gesellschafter damit einverstanden erklären, den bisherigen Geschäftsführer abzuberufen und einen von dem Kreditgeber bestimmten Sanierungsmanager einzusetzen. Ferner sollte ein dreiköpfiger Beirat eingerichtet werden, in den die kreditgebende Bank mit einer Person vertreten gewesen wäre.118 bb. Der hierin angelegte Perspektivwechsel Auffällig ist, dass all diese Voraussetzungen einem GmbH-Gesellschafter im gesetzlichen Regelfall überhaupt nicht zustehen. Aufgrund der Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis können diese Rechte zwar einem Gesellschafter eingeräumt werden, aber auch jedem Dritten.119 Nimmt man diese zusätzlichen Einbeziehungsvoraussetzungen ernst, geht es dem BGH letztlich gar nicht um die Begründung einer abgeleiteten Finanzierungs(folgen)verantwortung. Dem Dritten obliegt vielmehr eine eigene, die anhand von Kriterien begründet wird, 115 Vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 21; Kästle, Rechtsfragen, S. 160 (m. w. N.). 116 Zutreffend Kästle, Rechtsfragen, S. 161. 117 So auch BGHZ 119, 191, 198. 118 BGHZ 119, 191, 191 f. 119 Zum Beirat in der GmbH statt anderer Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 18 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 175 ff.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

welche über das hinausgehen, was einem Gesellschafter zusteht.120 Insofern ist es konsequent, dass der BGH beim Dritten keine typisierte Betrachtung auf der Grundlage einer formalen Gesellschafterstellung durchführt, sondern auch oberhalb der Kleinbeteiligungsschwelle besondere Anforderungen an das Verhalten des Kapitalgebers gegenüber der Gesellschaft aufstellt. Indem die Einbeziehung des atypischen Pfandgläubigers in das Eigenkapitalersatzrecht nicht an eine – abgeleitete – Gesellschafterherrschaft auf die Geschäftsführung anknüpft, wird anerkannt, dass die Gesellschaft „Diener zweier Herren“ sein kann: Einerseits der Gesellschafter, die auch bei der Verpfändung ihrer Anteile im Besitz der entsprechenden Mitgliedschaftsrechte bleiben und daher konsequenterweise ebenfalls Adressaten des Eigenkapitalseratzrechts gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG bleiben; andererseits des Fremdkapitalgebers, der sich zwar Anteile verpfänden lässt, die für erforderlich gehaltene Einflussnahme auf die Geschäftsführung jedoch nicht hieraus ableitet, sondern aus den dieser Verpfändung zu Grunde liegenden Verträgen zur darlehensweisen Finanzierung der GmbH. Bereits nach der herrschenden Meinung ist die „Summe“ aller Finanzierungs(folgen)verantwortungen somit nicht auf die Zahl der Gesellschafter beschränkt und das mögliche Erfordernis, einer mitgliedschaftlich begründeten Finanzierungs(folgen)verantwortung bereits erheblich in Zweifel zu ziehen. c. Vom atypischen Pfandgläubiger zum atypischen Fremdkapitalgeber als naheliegende Konsequenz Man muss sich daher fragen, ob die einhellig anerkannte und auf § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG begründete Finanzierungs(folgen)verantwortung eines Dritten wirklich nur eine abgeleitete, aufgrund der Nähe zu einem Gesellschafter bzw. Geschäftsanteil sein kann oder ob nicht vielmehr auch die Nähe zur Gesellschaft ausreicht, die dadurch begründet wird, dass dem Dritten vertraglich eingeräumte Einflussrechte zustehen bzw. dieser einen entsprechenden Einfluss ausübt. Wäre das der Fall, sollen bereits an dieser Stelle Zweifel angemeldet werden, ob die geradezu beiläufige Verpfändung der Anteile ein hinreichend überzeugendes Kriterium ist, den Dritten als „atypischen Pfandgläubiger“ in das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftig das Recht der Gesellschafterdarlehen einzubeziehen. Näherliegend erscheint, den Dritten als „atypischen Fremdkapitalgeber“ als Adressat des Eigenkapitalersatzrechts anzusehen, wenn er über die 120 In diese Richtung bereits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 393, wonach es auf der Grundlage der Pfandgläubigerentscheidung „nur noch ein kleiner Schritt zum gänzlichen Verzicht auf eine in irgendeiner Form bestehende gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit der kreditgewährenden Bank bzw. Banken als Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“ sei; im Ergebnis eine solche Einbeziehung freilich ablehnend, vgl. S. 395: „weiterer Schritt in die falsche Richtung“.

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entsprechenden vertraglich eingeräumten bzw. tatsächlich ausgeübten Einwirkungsrechte verfügt. Auf diese Weise kann es letztlich auch nicht darauf ankommen, ob er die erst im Sicherungsfall verwertbaren Anteile verpfändet bekommen hat oder nicht. Bestätigt wird diese Vermutung durch einen bisher übersehenen Zirkelschluss der herrschenden Meinung. Sollte es für die Einbeziehung des atypischen Pfandgläubigers in das Eigenkapitalersatzrecht darauf ankommen, dass dieser als dinglich Berechtigter bei Pfandreife den Geschäftsanteil verwerten darf, ist zu berücksichtigen, dass diese Folge bei der bereits zuvor erfolgenden Verstrickung des Finanzierungsbeitrags kaum denkbar ist. Nimmt man mit der herrschenden Meinung an, dass die Umqualifizierung in Quasi-Eigenkapital bereits im Vorfeld der Pfandreife erfolgt, ist das Darlehen bei Pfandreife, mithin in der finanziellen Krise der GmbH bzw. Insolvenz, ohnehin gesperrt. Es kann daher wegen der Akzessorietät des Pfandrechts bereits keine Pfandreife eintreten, die dem Fremdkapitalgeber das Recht zuspricht, sich aus dem Sicherungsrecht zu befriedigen.121 Zudem sind die verpfändeten Geschäftsanteile dann ohnehin meist wertlos. Hierdurch bestätigt sich nochmals die bereits angedeutete Vermutung, dass es bei der Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter um etwas anderes geht als um die gesetzliche Gewährleistung einer von einem Gesellschafter bzw. dessen Geschäftsanteil abgeleiteten Finanzierungs(folgen)v erantwortung. Sanktioniert werden soll auch nach der herrschenden Meinung ein – widersprüchliches – Finanzierungsverhalten des Fremdkapitalgebers letztlich nicht wegen seiner ohnehin nicht ausschlaggebenden Berechtigung am Geschäftsanteil, sondern wegen der Innehabung einer inkompatiblen Doppelrolle als Fremdkapitalgeber und Einflussnehmender.

2. Originäre Finanzierungs(folgen)verantwortung des Nichtgesellschafters Im nicht in Kraft getretenen Regierungsentwurf zur Kodifizierung des Eigenkapitalersatzrechts aus dem Jahr 1980 wurde die Einbeziehung eines Dritten in das Eigenkapitalersatzrecht wegen einer Nähe zur Gesellschaft durchaus für möglich erachtet. So lautete die Entwurfsfassung von § 32 a Abs. 5 GmbHG: 122 Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens sowie eines Dritten, der für Rechnung des Gesellschafters oder eines mit ihm oder der Gesellschaft verbundenen Unternehmens handelt, stehen eigenen Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften eines Gesellschafters gleich. 121

Ähnlich für von der Gesellschaft bestellte Sicherheiten Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 69. Zum vergleichbaren Problem, dass sich ein GmbH-Gesellschafter für sein künftiges Auseinandersetzungsguthaben Sicherung von der Gesellschaft bestellen lassen will, bereits oben § 4 I 6. 122 BT-Drs. 8/3908, S. 15 ff. (Hervorhebungen vom Verf.).

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Diese detailreiche, auf den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff iSv. §§ 15 ff. AktG abstellende Konkretisierung des letztlich in Kraft getretenen generalklauselartigen § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG findet in der Literatur auch heute noch grundsätzliche Billigung – freilich ohne den Bezug zum Konzernrecht als zwingend anzusehen.123 Bemerkenswert ist, dass die Zurechnung eines Dritten im Entwurf nicht nur wegen der Nähe zu einem Gesellschafter für möglich erachtet wird, sondern auch wegen seiner Nähe zur Gesellschaft selbst. Dieser etwas versteckten Erweiterung wurde bisher kaum Beachtung geschenkt.124 Zwar sprechen sich einige dafür aus, dass die Gleichstellung nach § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG auf Beziehungen zu einem einzelnen Gesellschafter und dessen Geschäftsanteil oder auf dem Verhältnis zur Gesellschaft als solcher beruhen könne.125 Eine dogmatische Begründung bzw. Präzisierung dieser originären Finanzierungs(folgen)verantwortung des Nichtgesellschafters anhand der Kriterien gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG erfolgt hingegen nicht. Dies hat zumindest de lege lata einen guten Grund. Die allgemein für möglich gehaltene Einbeziehung Dritter wegen ihrer Nähe zur Gesellschaft lässt sich mit der bisher angenommenen materiellen Legitimation des Eigenkapitalersatzrechts als solchem nämlich kaum rechtfertigen. Die gängige Formel für die gesetzliche Umqualifizierung von Fremdkapital in Quasi-Eigenkapital lautet: Ungeachtet einer den Gesellschaftern (!) einer Kapitalgesellschaft über das Mindestkapital hinaus zustehenden Finanzierungsfreiheit legen die Eigenkapitalersatzregeln den Gesellschaftern (!) eine Finanzierungs(folgen)verantwortun g auf, wenn sie statt der gebotenen Eigenkapitalzuführung die Gesellschaft durch Darlehen oder wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge vor dem Zusammenbruch zu bewahren versuchen.126 Der Grund für eine gesetzliche Umqualifizierung von Fremdkapital in Quasi-Eigenkapital wird hiernach entscheidend in der Nähe der Gesellschafter-Fremdfinanzierung zur Stamm- bzw. Grundkapitalfinanzierung einer Kapitalgesellschaft gesehen. Letztere obliegt indessen allein denjenigen, die eine formale Gesellschafterstellung inne haben, mithin nicht Dritten. Insofern war es nur konsequent, dass der Gesetzgeber das bereits geltende Eigenkapitalersatzrecht im Jahr 1980 dahingehend tatbestandlich präzisierte, dass die Umqualifizierung gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG nur Darlehen betrifft, die die Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt haben, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufl eute Eigenkapital zugeführt hätten. Die in § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG durchaus mögliche Einbeziehung 123 Statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 24; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 141. 124 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a / b Rn. 61 ff. gehen auf diese Zurechnungsmöglichkeit zum Beispiel überhaupt nicht ein. 125 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 20. 126 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 3 aE.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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Dritter steht hiernach von vornherein unter dem nur schwer zu überwindenden Widerspruch, dass Nichtgesellschaftern nicht die Rechtsmacht zusteht, über eine Zuführung von gesellschaftsrechtlich gebundenem Eigenkapital zu befinden, geschweige denn, dieses ohne Eingehung einer Gesellschafterstellung aufzubringen. Das hierzu notwendige Verfahren der Kapitalerhöhung obliegt gemäß §§ 55 ff. GmbHG bzw. 182 ff. AktG vielmehr allein den Gesellschaftern. Man kann daher einem „nur“ der Gesellschaft nahestehenden Dritten von vornherein nur schwerlich den Vorwurf machen, sich nicht wie ein „ordentlicher Kaufmann“ mit Eigenkapital an einer ihm nicht gehörenden Gesellschaft beteiligt zu haben. Die sich hinter dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht verbergende Sollensnorm ist allein an die Gesellschafter adressiert, denen vorgeworfen wird, sich auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers zurückzuziehen, obwohl es ihnen – zumindest in der Gesamtheit127 – ohne weiteres möglich wäre, das gebotene Verfahren der Eigenfinanzierung vorzunehmen oder die Gesellschaft in der Krise rechtzeitig zu liquidieren. a. Eigenkapitalersatz als Umqualifizierung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand? Am deutlichsten wird dieser für das Verständnis des geltenden Eigenkapitalersatzrechts grundlegende Zusammenhang von formaler Gesellschafter-Stellung und einer über § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG bzw. den insoweit identischen Rechtsprechungsgrundsätzen begründeten Finanzierungs(folgen)verantwortung von K. Schmidt ausgesprochen. Er sieht in der zwingenden Gleichstellung von Fremdmitteln mit haftendem Kapital de lege lata einen Teilaspekt des allgemeinen Problems der materiellen Unterkapitalisierung.128 Grundlage des Sich-Hinwegsetzens über die formale Stellung als Fremdkapitalgeber seien an die Gesellschafter gerichtete Sollensnormen, die den „Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensfinanzierung“129 zuzurechnen seien. Die Tatsache allein, dass der Gesellschafter der Gesellschaft näher steht und besser informiert ist als ein Dritter, genüge nicht für die Gleichstellung von Fremdkapital mit Haftkapital. Auch setze er sich nicht mit einem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er Mittel, die er als Darlehen zugeführt hat, auch als Darlehen behandelt wissen wolle.130 Der Widerspruch bestehe vielmehr gegenüber den objektiven Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensfinanzierung. Ihnen unterliege der Gesellschafter oder ein ihm (!) kraft Zurechnung nahestehender Dritter, weil er an 127 Zur typisierten Betrachtung der kollektiven Rechtsmacht der Gesellschafter bei der Stamm- und Grundkapitalbindung bereits oben § 12 IV 3. 128 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4 b; ähnlich BGH, ZIP 2005, 1312, 1313: „innergesellschaftliche Verantwortung für eine seriöse Kapitalausstattung“. 129 Grundlegend K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 178. 130 Dies betont auch Fastrich, FS Zöllner, S. 143, 144 f.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

der Finanzierungsverantwortung teilhabe.131 Auch ganz ohne Finanzplanabrede oder Rangrücktrittsvereinbarung werde ihm die Behandlung des Kredits als Eigenkapitalersatz gegen seinen Willen kraft objektiven Rechts angesonnen, weil Mittel, die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung Eigenkapitalfunktion haben, auch nach Eigenkapitalgrundsätzen zu behandeln seien.132 Die Konsequenzen dieser Ansicht sind eindeutig. So heißt es weiter: Wer die Entwicklung des Rechts der kapitalersetzenden Darlehen verfolgt oder zurückverfolgt, wird in diesen Rechtsgrundsätzen keine Veranlassungshaftung erkennen, sondern Grundsätze ordnungsmäßiger Kapitalausstattung, die sich an die Gesellschafter richten. Die Einbeziehung von Banken, die nicht Gesellschafter sind, in das Recht der kapitalersetzenden Darlehen sei hiernach nicht zu begründen.133 Erforderlich sei vielmehr – so auch die Formulierung des BGH – eine Einbeziehung des Dritten in den „mitgliedschaftlichen Verband“.134 Dritte, die bloß wegen ihrer Einflussnahme auf die Geschäftsführung in einem Näheverhältnis zur Gesellschaft bzw. dem von ihr betriebenen Unternehmen stehen, können hiernach bereits deswegen nicht in das Eigenkapitalersatzrecht einbezogen werden, weil es ihnen überhaupt nicht möglich ist, sich der das Eigenkapitalersatzrecht legitimierenden Sollensnorm entsprechend zu verhalten. Nimmt man den Ansatz von K. Schmidt und vor allem das seit 1980 gesetzlich kodifizierte Gebot des § 32 a Abs. 1 GmbHG ernst, wonach das Eigenkapitalersatzrecht den Gesellschaftern den Vorwurf macht, sich gegen die gesetzliche Erwartung in Widerspruch gesetzt haben, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt zu haben, liegt es nahe, in der gesetzlichen Umqualifizierung einen kaum verallgemeinerungsfähigen Ansatz zu sehen, diese Regelungen als gesetzliche Herstellung von Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger und damit als Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch auf Dritte, die nicht Gesellschafter sind oder einem Gesellschafter zuzurechnen sind, übertragen zu können. Die vorstehend herausgearbeitete Prämisse, das geltende Eigenkapitalersatzrecht und vor allem auch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen betreffe Fremdkapital aus Gesellschafterhand, ist indessen kritisch zu hinterfragen. Nachfolgend ist daher herauszuarbeiten, ob die durch das Eigenkapitalersatzrecht begründete Finanzierungs(folgen)verantwortung bereits de lege lata wirklich allein durch eine an die Gesellschafter als ordentliche Kaufl eute adressierte Sollensnorm gekennzeichnet ist, die es mangels Cha131

K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 178, 179. K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 178, 179. 133 K. Schmidt, ZIP 1983, 634, 635; ähnlich ders., in MünchKomm HGB, § 172 a Rn. 53: das bloße Interesse eines Dritten (Lieferanten, Beziehers oder Kreditgebers) an der Sanierung der Gesellschaft genügt nicht. 134 BGHZ 106, 106, 7, 10; ähnlich LG Dortmund, ZIP 1986, 855, 857 („mitgliedschaftliche Beziehungen“); hierauf abstellend auch Florstedt (Stiller Verband, S. 191 ff.). 132

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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rakterisierung als Veranlassungshaftung135 ausschließt, einen Dritten, der nicht auf Grund einer Nähe zum Gesellschafter eine abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung hat, hierunter zu fassen, wenn er wie die hier interessierenden Fremdkapitalgeber vermittelt über den Finanzierungsvertrag auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt. b. Der bereits begonnene Perspektivwechsel beim „Nur-Kommanditisten“ Die Ausführungen K. Schmidts zum Verhalten eines ordentlichen Kaufmanns iSv. § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG sind ein klares Bekenntnis dafür, das Recht des Eigenkapitalersatzes auf die Grundlage einer den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft obliegenden Finanzierungs(folgen)verantwortung zu stellen und Dritte allenfalls dann hierunter zu fassen, wenn sie den Gesellschaftern zugerechnet werden können. Verallgemeinert man diesen, immerhin auf den Wortlaut von § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG gestützten Ansatz, ist die formale Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Gesellschafter die dogmatische Grenze, eine Fremdfinanzierung haftungsrechtlich als Eigenkapital zu qualifizieren und in der Insolvenz mit einem entsprechenden Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu belegen. Nachfolgend soll demgegenüber anhand der Einbeziehung des Kommanditisten in das geltende Eigenkapitalersatzrecht bei der nichtgesetzestypischen KG aufgezeigt werden, dass diese Prämisse bereits de lege lata nicht zwingend ist. Gemäß § 172 a S. 1 HGB treten an die Stelle der Gesellschafter iSv. §§ 32 a, b GmbHG auch die Kommanditisten.136 Das Darlehen eines Kommanditisten an die KG bzw. an die GmbH137 ist somit unter den Voraussetzungen des § 32 a Abs. 1 GmbHG eigenkapitalersetzend und kann im Insolvenzverfahren nur nachrangig gemäß § 39 Nr. 5 InsO geltend gemacht werden.138 Dies gilt auch künftig gemäß § 39 E-InsO.139

135

Vgl. K. Schmidt, ZIP 1983, 635, 636. Statt aller Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 32 a Rn. 234. 137 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a Rn. 190; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 32 a Rn. 252. Wird der Komplementär-GmbH ein Darlehen von ihrem Gesellschafter gewährt, greifen die §§ 32 a, b GmbHG unmittelbar ein, ohne dass es auf § 172 a HGB ankäme (Ulmer, a.a.O.). 138 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 32 a Rn. 253. 139 Vgl. RefE MoMiG, Begründung zu Art. 3 Nr. 9 und 11 – Aufhebung der §§ 129 a, 172 a (S. 73): Der Regelungsgehalt gilt aufgrund der rechtsformneutralen Formulierung der vorgesehenen insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu den Gesellschafterdarlehen weiter“. 136

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Erfasste Gesellschafterdarlehen KG

Komplementär-GmbH

Darlehen Kommanditist

Darlehen

Wegen des eindeutigen Wortlauts von § 172 a S. 1 HGB spielt es keine Rolle, ob der Kommanditist zugleich Gesellschafter der GmbH ist oder nicht.140 Dies führt zu einem gewissen Widerspruch zur unmittelbaren Anwendung von § 32 a GmbHG auf die einzelne GmbH. Wie soeben aufgezeigt, können gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG zwar auch Nichtgesellschafter der GmbH unter die Eigenkapitalersatzregeln fallen, wenn sie aufgrund einer engen persönlichen oder wirtschaftlichen Verbindung einem Gesellschafter zuzurechnen sind. Die bloße Kommanditistenstellung in einer vom Gesellschafter als Komplementär beherrschten KG soll hierfür indessen nicht genügen.141 Sieht § 172 a S. 1 HGB im Bereich der nicht-gesetzestypischen KG dennoch eine unmittelbare Anwendung der §§ 32 a, b GmbH auf den sog. Nur-Kommanditisten vor, wird das Eigenkapitalersatzrecht hierdurch bezüglich des persönlichen Anwendungsbereichs erheblich ausgeweitet. Einbeziehung des Nur-Kommanditisten nach § 172 a S. 1 HGB KG

Komplementär-GmbH A

Einbeziehung Kommanditist C

B

Nicht-Einbeziehung des Nur-Kommanditisten gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG Keine Einbeziehung

B-KG Kommanditist D

A-KG

Komplementär GmbH A A

Kommanditist C

B

140 Scholz/K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b, Rn. 209, 214 („Hierfür ist es ohne Belang, ob der Empfänger auch GmbH-Gesellschafter ist“); verfehlt daher die Aussage von Rowedder/SchmidtLeithoff/Pentz, § 32 a Rn. 230, § 172 a HGB erstrecke die Eigenkapitalersatzregeln auf die mittelbar beteiligten Gesellschafter. 141 Vgl. Hachenburg/Ulmer, § 32 a, b Rn. 121 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32 a Rn. 24; Scholz/K. Schmidt, § 32 a, 32 b Rn. 135 f. Auch § 32 abs. 5 RegE (BT-Drs. 8/1347, S. 10) sah lediglich die Einbeziehung „verbundener Unternehmen“ iSv. §§ 15–19 AktG vor.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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aa. Die nicht begründbare Notwendigkeit eines mitgliedschaftlichen Verbands mit den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft Die erweiterte Einbeziehung von Kommanditisten gemäß § 172 a S. 1 HGB verdeutlicht den oben bereits bei der Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH angedeuteten Perspektivwechsel: Zurechnungsgrund der gesetzlichen Umqualifizierung von Fremd- in Quasi-Eigenkapital ist nicht nur die Nähe zu einem GmbH-Gesellschafter, sondern die Nähe zur GmbH, vermittelt über die Kommanditistenstellung in der gemeinsam mit ihr betriebenen KG. Der Grund, den Nur-Kommanditisten in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen, ist somit nicht dessen Stellung in einem Verbund mit den Kapitalgesellschaftern. Die Einbeziehung folgt vielmehr aufgrund einer über die KG vermittelten Verbunds zur GmbH als Mitgesellschafterin. Plastisch könnte man sagen, die Einbeziehung über die Nähe zu einem Gesellschafter erfolgt aus Sicht der Gesellschaft vertikal, die Einbeziehung wegen der vertraglich begründeten Nähe zur GmbH horizontal. Ließe sich daher im zuletzt genannten Beispiel auch eine solche Nähe zwischen dem Kommanditisten D zur GmbH begründen, spricht entgegen der herrschenden Meinung nichts dagegen, auch ihn in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen, ohne dass es auf eine Nähe zu einem GmbH-Gesellschafter (A oder B) ankäme. Der auch vom BGH verwendete Begriff, der ggf. einzubeziehende Dritte müsse sich wie ein Gesellschafter in einem mitgliedschaftlichen Verband gegenüber der Kapitalgesellschaft befinden, ist somit zu eng. Wenn es überhaupt auf einen mitgliedschaftlichen Verband ankommt, dann kann dieser – wie beim Nur-Kommanditisten – auch unmittelbar zur GmbH bestehen, ohne hierfür den Vergleich mit der Stellung als GmbH-Gesellschafter bemühen zu müssen. bb. Die verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung des Gebots der Eigenfinanzierung Hiergegen spricht auch nicht das formale Argument, der Kommanditist könne sich mangels mitgliedschaftlicher Stellung in der GmbH nicht das in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG niedergelegte Gebot einer Stammkapitalfi nanzierung erfüllen. Überträgt man auf den beim Nur-Kommanditisten vollzogenen Perspektivwechsel die in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG zum Ausdruck kommende gesetzliche Forderung, dass ein Gesellschafter als ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte, muss sich dieses Gebot gegenüber Dritten nämlich nicht zwingend auf die Kapitalerhöhung bei der GmbH oder AG beziehen. Die über die Einbeziehung nach § 172 a S. 1 HGB auch den Nur-Kommanditisten betreffende Sollensnorm lässt es vielmehr ausreichen, dass er seine Haftsumme iSv. § 171 HGB hätte erhöhen und mit einer Einlage hätte unterlegen müssen, damit der Kapitalbedarf des von der KG betriebenen Unternehmens gedeckt

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

wird. Die durch § 172 a S. 1 HGB erfolgende Umqualifizierung schränkt insofern nicht nur die Finanzierungsfreiheit der Kapitalgesellschafter ein, sondern auch die Freiheit eines Kommanditisten, die haftungsmäßige Widmung seiner finanziellen Beteiligung am Unternehmen durch die Wahl der geringen Haftsumme zu begrenzen und sich darüber hinaus auf die Rolle des Insolvenzgläubigers zurückziehen zu können.142 Hieraus folgt, dass der Ansatz K. Schmidts, das geltende Eigenkapitalersatzrecht betreffe die Umqualifizierung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand, sich nicht dahingehend interpretieren lässt, der Dritte solle sich als Gesellschafter in der Kapitalgesellschaft am Stamm- bzw. Grundkapital beteiligen. Ausreichend ist, dass sich der einzubeziehende Dritte überhaupt mit Eigenkapital beteiligt, welches den Gläubigern des am Markt auftretenden Unternehmens – bei § 172 a HGB der KG – vorrangig haftet. Bereits das geltende Eigenkapitalersatzrecht lässt sich insofern – zumindest bezogen auf die §§ 32 a, b GmbHG, § 172 a HGB als insolvenzrechtliche Lösung – zuvörderst als Gläubigerschutzrecht verstehen. Die Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO und die bevorrechtigten Gläubiger gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO werden davor geschützt, dass derjenige, der gemeinsam mit der GmbH über eine Personengesellschaft ein Unternehmen finanziert, in der Insolvenz nicht als Insolvenzgläubiger am concursus creditorum teilnimmt. Er soll erst befriedigt werden, wenn kein Insolvenzgläubiger ausfällt. cc. Erste Konsequenzen für die Einbeziehung Dritter Nach dem Vorgesagten lassen sich aus der Einbeziehung des Nur-Kommanditisten in das Eigenkapitalersatzrecht gemäß § 172 a S. 1 HGB zwei wesentliche Aspekte entnehmen, die die vorstehende Sichtweise, das Eigenkapitalersatzrecht sanktioniere die Fremdfinanzierung aus Gesellschafterhand, einzuschränken vermögen: Zum einen bestätigte sich die bereits bei der PfandgläubigerEntscheidung angedeutete Vermutung, dass der von der herrschenden Meinung geforderte „mitgliedschaftliche Verbund“ des Dritten mit den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nicht zwingend ist und demnach auch Dritte wegen ihrer auf andere Weise vermittelten Nähe zur Gesellschaft bzw. dem von ihr betriebenen Unternehmen einbezogen werden könnten. Zum anderen wurde herausgearbeitet, dass sich das in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG genannte Gebot der Eigenfinanzierung nicht allein darauf bezieht, sich am Stamm- bzw. Grundkapital der Kapitalgesellschaft zu beteiligen. Das Gebot, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuzuführen, ließe sich bei der Einbeziehung von Dritten daher ohne weiteres auch dahingehend interpretieren, dass der Dritte in Erfüllung dieses Gebots zum Beispiel einen Rangrücktritt erklärt. 142

Oben § 13 III.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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c. Die Einbeziehung des „Nur-Stillen“ nach der herrschenden Meinung Auf der Grundlage der vorstehend herausgearbeiteten Einbeziehung des NurKommanditisten in das Eigenkapitalersatzrecht de lege lata bzw. das Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG wäre es nur konsequent, auch den „Nur-Stillen“ und den „Nur-Darlehensgeber“ allein wegen ihrer Nähe zur GmbH bzw. des von ihr betriebenen Unternehmens einzubeziehen, mithin ihnen eine eigene Finanzierungs(folgen)verantwortung aufzuerlegen. Problematisch ist indessen, worauf sich diese Verantwortung stützen soll. Wie bereits erwähnt, wird die Einbeziehung von Nichtgesellschaftern in das Eigenkapitalersatzrecht auch durch eine Verbindung des Dritten zur Gesellschaft selbst für möglich erachtet. Nach Ansicht der Literatur143 ist der Stille zwar nicht Gesellschafter der GmbH iSv. § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG, sondern lediglich der mit dieser gebildeten stillen Gesellschaft und damit der GmbH gegenüber Dritter. Hieraus folge grundsätzlich keine Einbeziehung nach § 32 a Abs. 3 S. 1 in dieser Eigenschaft. Bei der atypischen stillen Gesellschaft sei § 32 a Abs. 1 GmbHG aber zumindest dann entsprechend heranzuziehen, wenn der Stille ähnlich wie ein Gesellschafter die Geschicke der GmbH bestimmt sowie an Vermögen und Ertrag beteiligt ist.144 Dieser notwendige Einfluss auf die Geschicke der GmbH ist nach Ansicht des BGH zum Beispiel dann erfüllt, wenn die stillen Gesellschafter über einen mehrheitlich von ihnen beherrschten Beirat an der Geschäftsführung der GmbH beteiligt sind.145 Im konkreten Fall hatte der Beirat den Jahresabschluss der GmbH zu genehmigen. Seiner Zustimmung bedurften im einzelnen aufgeführte, den Rahmen der laufenden Verwaltung überschreitende Geschäfte, wie etwa Grundstücksgeschäfte, Bürgschaften über 500.000 DM und die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Zudem konnte der Beirat weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung unterwerfen. Die von der Geschäftsführung der GmbH jährlich zu erstellenden Investitions-, Absatz-, Ertrags- und Finanzplanungen mussten dem Beirat zur Genehmigung vorgelegt werden. Von diesen Plänen durfte nur mit Genehmigung des Beirats abgewichen werden. 143 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 22; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a Rn. 124 f.; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 150; Scholz/Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 139. 144 Grundlegend BGHZ 83, 341; BGH, ZIP 1985, 347; BGH, WM 1983, 594; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 247, 248. Im Hinblick auf die notwendige Einflussnahme zeigen sich Parallelen zur bereits genannten Pfandgläubigerentscheidung BGHZ 119, 191 und zur (fragwürdigen) Einbeziehung von Finanzierungsbeiträgen Dritter in das Kapitalerhaltungsgebot bei GmbH und AG (oben § 13 V 2). 145 Vgl. nur BGH, NJW-RR 2006, 760, 762 unter Bezugnahme auf die Entscheidung zum atypischen Pfandgläubiger BGHZ 119, 191. – Zur hinsichtlich der Voraussetzungen identischen, bereits im Ansatz jedoch fragwürdigen Einbeziehung Dritter in das Kapitalerhaltungsgebot oben § 13 V 2.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

aa. Die dahinter stehende Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Lässt man die sprachliche Ungenauigkeit, dass eine dingliche Beteiligung am Vermögen der GmbH gemäß § 230 Abs. 1 HGB bei der stillen Gesellschaft zwingend ausgeschlossen ist,146 beiseite, liegt dieser Einbeziehung eines Dritten im Gegensatz zur gesetzlich angeordneten Einbeziehung des Nur-Kommanditisten der Gedanke der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals zu Grunde: Ein Entscheidungsträger, der am Ertrag beteiligt ist und den positiven Leverage-Effekt genießen kann, unterliegt hinsichtlich seines Kapitalbeitrags einer Finanzierungs(folgen)verantwortung. Er kann seinen Kapitalbeitrag nebst Zinsen – de lege lata - außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus freiem Vermögen oberhalb der Stammkapitalziffer verlangen; in der Insolvenz der GmbH nur nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Hierdurch wird gewährleistet, dass er die ihm zukommende Entscheidungsmacht in einer Weise ausübt, die die Interessen der übrigen, vorrangig zu befriedigenden Gläubiger angemessen mitberücksichtigt. Auch die herrschende Meinung hält eine Einbeziehung des stillen Gesellschafters in das Eigenkapitalersatzrecht gemäß § 32 a Abs. 3 GmbHG und nach den fortgeltenden Regeln gemäß §§ 30, 31 GmbHG analog somit für geboten, sofern er als „faktischer Gesellschafter“, „wirtschaftlicher Gesellschafter“ oder „Quasi-Gesellschafter“147 aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der GmbH weitgehend einem GmbH-Gesellschafter gleichsteht. bb. Der scheinbare Widerspruch zur Einbeziehung des „Nur-Kommanditisten“ So plausibel die tatbestandliche Erfassung des stillen Gesellschafters als unmittelbarer Adressat des Eigenkapitalersatzrechts unter Rückgriff auf eine durch die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals begründete funktionale Betrachtung ist, so sehr steht sie doch im Widerspruch zur gesetzlichen Einbeziehung des Nur-Kommanditisten gemäß § 172 a S. 1 HGB. Weder nach der Konzeption des Gesetzes noch nach Rechtsprechung und Literatur wird nämlich bei der Einbeziehung des Kommanditisten eine Unterscheidung nach „typischer“ und „atypischer“ Ausgestaltung vorgenommen.148 Auf die für notwendig erachtete Beteiligung des Stillen an der Geschäftsführung kommt es Rahmen von § 172 a S. 1 HGB nur begrenzt an. Für die Einbeziehung des Nur-Kommanditisten in 146

Zutreffend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 175. So die gängigen Bezeichnungen, vgl. nur Priester, FS Helmrich, 721, 721; Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1117; Kästle, Rechtsfragen, S. 155; Haas, DZWiR 1999, 178, 179. 148 Vgl. nur K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 172 a Rn. 22 ff.; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 250. 147

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das Eigenkapitalersatzrecht gilt allein das Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG sinngemäß. Ein Kommanditist, der – wie im gesetzlichen Regelfall gemäß § 164 S. 1 HGB – von der Geschäftsführung in der KG ausgeschlossen ist, ist hiernach Adressat des Eigenkapitalersatzrechts und kann ein Darlehen in der Insolvenz nur nachrangig zurückfordern, soweit er, entsprechend umgerechnet, mit 10% oder mehr am Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft beteiligt ist.149 Überträgt man dies auf den stillen Gesellschafter, wäre es nur konsequent, auch den Stillen mit einer entsprechenden Beteiligung von 10% als Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts anzusehen, ohne dass es auf eine tatsächliche Einflussnahme oder die Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen ankäme. Nimmt man daher die von der herrschenden Meinung für möglich erachtete Einbeziehung des Nur-Stillen ernst, vermag diese nicht zu erklären, warum der Nur-Stille besser gestellt wird als der Nur-Kommanditist. Indem die Geschäftsführungsbefugnis bei Kommanditisten gänzlich ausgeschlossen werden kann, er gemäß § 172 a S. 1 HGB jedoch trotzdem Adressat des Eigenkapitalersatzrechts ist, wäre es widersprüchlich, beim Nur-Stillen zu fordern, dass er über die Kommanditistenrechte gemäß § 164 HGB hinaus an der Geschäftsführung beteiligt sein muss, um eine Umqualifizierung zu erleiden. Um diesen Wertungswiderspruch aufzulösen, müsste man es somit entweder beim Nur-Stillen ausreichen lassen, dass er wie der Nur-Kommanditist im gesetzlichen Regelfall allein die beschränkten Geschäftsführungsrechte gemäß § 164 HGB eingeräumt bekommt oder aber umgekehrt erwägen, § 172 a S. 1 HGB teleologisch zu reduzieren, so dass der mit weniger als 10% beteiligte Nur-Kommanditist dann nicht Adressat des Eigenkapitalersatzrechts ist, wenn er lediglich die ihm gemäß § 164 HGB zustehenden Minimalrechte hat. cc. Die erforderliche konkrete Betrachtung der Einflussnahme bei Dritten als Konsequenz Man könnte in der bisher von der herrschenden Meinung vorgenommenen unterschiedlichen Behandlung von Nur-Stillem und Nur-Kommanditisten im Hinblick auf die notwendige Beteiligung an der Geschäftsführung jedoch auch einen der gesetzlichen Konzeption des Eigenkapitalersatzrechts entsprechenden, bereits für die AG aufgezeigten Aspekt sehen. Dort bedarf es de lege lata für die Einbeziehung eines Aktionärs in den Adressatenkreis des Eigenkapitalersatzrechts einer entsprechenden unternehmerische Beteiligung, künftig gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO bei einer Beteiligung von mehr als 10% am Grundkapital oder – wenn dies nicht erfüllt ist – einer Stellung als „geschäftsführender Gesellschafter“.150 Letzteres lässt sich ohne weiteres bejahen, wenn der Aktionär Vor149 150

Heute unstreitig, statt anderer Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 251. Vgl. bereits oben II 2.

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standsmitglied ist und gilt auch bei der Innehabung eines Aufsichtsratsmandats. Immerhin sind nach § 120 Abs. 2 S. 1 AktG beide Organe die „Verwaltung der Gesellschaft“. Will man hingegen an die Aktionärsrechte anknüpfen, um das Merkmal „geschäftsführender Gesellschafter“ zu bejahen, fällt dies in der hierfür allein maßgeblichen Beteiligung von bis zu 10% am Grundkapital schwer. Nicht nur, dass eine 10% Beteiligung meist nicht ausreicht, in der Hauptversammlung entsprechende Beschlüsse durchzusetzen. Der Hauptversammlung als solches steht nach der Aufgabentrennung gegenüber dem Vorstand von vornherein kein Recht zur Geschäftsführung zu (§§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG). Hieraus folgt, dass es bereits bei der Einbeziehung des kleinbeteiligten Aktionärs als „geschäftsführender Gesellschafter“ gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO überhaupt nicht darauf ankommen kann, welche Befugnisse zur Einwirkung auf die Geschäftsführung ihm aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Stellung im Verband zustehen. Das Merkmal „geschäftsführender Gesellschafter“ entfaltet bei der AG vielmehr nur dann Geltung, wenn es sich wie im Regelfall auch bei § 311 AktG und § 117 AktG um eine faktische Beeinflussung der Geschäftsleitung handelt – jenseits von typischen Mitgliedschaftsrechten. Man müsste noch weiter gehen und gerade die aus dem Finanzierungsvertrag resultierende Beteiligung des Aktionärs an der Steuerung des Unternehmens für ausreichend halten. Immerhin ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Aktionärsdarlehen nicht Covenant-unterlegt ist. Es wurde bereits angesprochen, dass das Aktionärsdarlehen gerade umgekehrt von der Praxis vielfach als Handlungsalternative gesehen wird, dem Kapitalgeber zusätzliche Informations- und Einwirkungsrechte einzuräumen, die ihm als Aktionär gerade nicht zustehen. Für den Gesellschafter einer GmbH gilt letztlich das Gleiche. Auch dort ist keineswegs gesichert, dass ein mit 10% oder weniger beteiligter Gesellschafter im hierfür vorgesehenen Verfahren gemäß §§ 37 Abs. 2, 47 Abs. 1 GmbHG seine Vorstellungen über die Geschäftsführung durchsetzen kann. Die von der herrschenden Meinung für den Nur-Stillen geforderte, über die Minimalrechte des Kommanditisten gemäß § 164 HGB hinausgehende Teilhabe an der Geschäftsführung ist daher insofern konsequent, als sie das Erfordernis konkret verlangt, was dem gesetzlichen Regelfall eines Zusammenhangs von Herrschaft und Selbstbetroffenheit bei der Fremdfinanzierung bzw. dem kleinbeteiligten Gesellschafter widerspricht: Der Nur-Stille hat im gesetzlichen Regelfall keine Geschäftsführungsbefugnis, kann wegen seiner – rechtlich möglichen, aber eben atypischen – konkreten Beteiligung hieran jedoch unter das Eigenkapitalersatzrecht fallen. Gleiches gilt für den kleinbeteiligten Aktionär und GmbH-Gesellschafter auf der Grundlage von § 39 Abs. 5 E-InsO. Diese haben im gesetzlichen Regelfall keine Möglichkeit, auf die Geschäftsführung rechtlich unmittelbar Einfluss zu nehmen, unterliegen jedoch dann dem Eigenkapitalersatzrecht, wenn sie diesen Einfluss „faktisch“ ausüben, mithin wie bei

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faktischen Konzern durch tatsächliche Beeinflussung oder vermittelt über die im Finanzierungsvertrag vereinbarten Einwirkungs- und Kontrollrechte.151 Verallgemeinert man diesen Gedanken, wäre es in Fortentwicklung eines bereits im geltenden Eigenkapitalersatzrecht bzw. im künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen angelegten Prinzips durchaus möglich, die beim Dritten ohnehin nicht zulässige typisierte Betrachtung einer kollektiven Herrschaftsmacht152 durch das Erfordernis einer tatsächlichen Ausübung von Einfluss zu ersetzen und hierin eine notwendige und dogmatisch begründbare Voraussetzung zur Einbeziehung Dritter als faktischer Gesellschafter oder Quasi-Gesellschafter zu sehen. Entgegen Habersack würde dies auch keine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber den Gesellschaftern als unmittelbare Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts begründen.153 Wie bereits erwähnt, sind diese auch bei einer Kleinstbeteiligung von der hieraus resultierenden Finanzierung(folgen)verantwortung betroffen, soweit die sich – faktisch – an der Geschäftsführung konkret beteiligen. Eine automatische, aus dem Umkehrschluss des Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. künftig § 39 Abs. 5 E-InsO folgende Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter, scheidet wegen der generellen Erfordernisses einer Beteiligung an der Geschäftsführung konsequenterweise aus und ließe sich ohnehin nicht praktisch handhaben.154 d. Zwischenergebnis Das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen lässt sich daher in einem zweiten Schritt dahingehend präzisieren, dass es nicht nur unerheblich ist, auf welche Weise der Dritte gehalten ist, das erforderliche Eigenkapital beizusteuern, um (zumindest) in der Insolvenz zu gewährleisten, dass die Insolvenzgläubiger und gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO Genannten vorrangig befriedigt werden. Es zeigte sich weiter, dass es auch der Konzeption des Eigenkapitalersatzrechts bzw. künftig des Rechts der Gesellschafterdarlehen entspricht, die für Dritte nicht mögliche typisierte Betrachtung der Herrschaftsmacht als Zurechnungskriterium für eine Verstrickung des Finanzierungsbeitrags dadurch zu überwinden, dass der Dritte in jedem Fall konkret Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen muss, mithin einem „geschäftsführenden Gesellschafter“ im Sinne des Kleinbeteiligungsprivilegs gleichsteht. Diese Einflussnahme braucht hingegen nicht zwingend mit den Mitgliedschaftsrechten eines Verbandsmitglieds identisch zu sein, sondern kann wie 151

Zu Konkretisierung des Begriffs „geschäftsführender Gesellschafter“ iSv. § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bereits oben II 2 c. 152 Hierzu bereits oben § 12 IV 3 d. 153 Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 153 aE. 154 Insofern zutreffend Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 153.

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beim faktischen Konzern, bei § 117 Abs. 1 AktG und im Rahmen des Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG auch rein tatsächlich bzw. auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgen. Vorbehaltlich einer Klärung, welche Intensität die Einflussnahme haben muss, ist jedenfalls unerheblich, ob sie sich auf die als Geschäftsführung zu kennzeichnende laufende und strategische Verwaltung des Unternehmens bezieht oder aber auf die sog. Strukturmaßnahmen, mithin die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens bzw. von dessen Rechtsträger. Unbeantwortet bleibt freilich noch die Frage, ob es mit der herrschenden Meinung stets erforderlich ist, dass der Dritte über die notwendige Einflussnahme hinaus auch eine vermögensmäßige Beteiligung haben muss, mithin bereits mit Eigenkapital beteiligt ist. Dass sich dieses Erfordernis nur für das geltende Eigenkapitalersatzrecht rechtfertigen lässt, soll nachfolgend herausgearbeitet werden.

3. Die gesetzliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Veranlassungshaftung für Einflussnahme? Nach dem Vorgesagten scheint sich bereits das geltende Eigenkapitalersatzrecht im Hinblick auf die Einbeziehung von Dritten sehr von der an die Gesellschafter gerichteten Formel, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuführen zu müssen, emanzipiert zu haben. Indem bei genauerer Betrachtung der gesetzlichen Konzeption der §§ 32 a, b GmbHG, § 172 a HGB und der diese interpretierenden und konkretisierenden herrschenden Meinung nicht verlangt wird, dass sich jemand als Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft mit einem entsprechenden Beitrag zum Grund- bzw. Stammkapital beteiligt und indem es auch nicht darauf ankommt, dass dem Dritten die – im gesetzlichen Regelfall ohnehin nur – beschränkten Mitgliedschaftsrechte zustehen, sondern er vielmehr unmittelbar auf die Geschäftsführung bzw. die Ausgestaltung der rechtlichen Struktur des Verbands Einfluss nehmen muss, scheint es nur konsequent, die Einbeziehung Dritter in das Eigenkapitalersatzrecht allein von der entsprechenden Einflussnahme abhängen zu lassen und hierin einen adäquaten Regelungsrahmen für die Covenant-unterlegte Fremdfinanzierung zu sehen. Darlehen und stille Beteiligung könnten so allein wegen der hiermit einhergehenden Einflussnahme als „unternehmerische Tätigkeit“ hierunter zu fassen sein, mithin ohne die von der herrschenden Meinung geforderte Notwendigkeit der Einbeziehung in den mitgliedschaftlichen Verbund und die Beteiligung am Vermögen. Während einige dies bereits deswegen kategorisch ablehnen, weil sie die erzwungene Rückstufung selbst für die Gesellschafter für eine überzogene gesetzgeberische Reaktion halten,155 gibt es in der Literatur hierzu bereits de lege lata Ansätze. 155

63 f.

So vor allem Cahn, AG 2005, 212, 226 f.; ähnlich Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 53 ff.,

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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Während es die Kommentarliteratur teilweise ohne nähere Begründung für geboten hält, Kreditgeber als Quasi-Gesellschafter zu behandeln, wenn ihnen der Kreditvertrag nicht bloß Einblicksrechte gegenüber der Gesellschaft gewährt, sondern weitergehend bestimmte Rechte, „das Geschehen in der Gesellschaft zu steuern“,156 spricht sich vor allem Fleischer für eine Umqualifizierung Covenant-gestützter Darlehen aus, wenn hiermit eine breitflächige, besonders intensive Einflussnahme einhergeht.157 Diese könne auch durch Zustimmungsrechte begründet werden, die dem Dritten für sich genommen kein Initiativrecht zubilligen. Zu Begründung führt er an, dass die verweigerte Zustimmung zu einer vollständigen Lähmung unternehmerischer Tätigkeit führen könne und ein Unternehmen, welches „steht und liegt“, in einem dynamischen Wettbewerbsfeld kaum lebensfähig sei. Dies gelte erst recht in einer Unternehmenskrise, deren Überwindung straffe Entscheidungsstrukturen verlange.158 Betrachtet man sich die vergleichbare Kompetenz des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, ist dem zuzustimmen. Selbst wenn dieser in Wahrnehmung seiner Zustimmungsvorbehalte letztlich nur eine bereits gefasste Vorstandsentscheidung absegnen oder verhindern kann, betrachtet das Gesetz den Aufsichtsrat gemäß § 120 Abs. 2 S. 1 AktG zu Recht ebenfalls als Teil der „Verwaltung“ der AG. Auch die bloße Beratung kann nach Ansicht Fleischers wie bei § 311 AktG159 eine die Umqualifizierung herbeiführende Einflussnahme sein. Dies folge daraus, dass es sich oftmals kaum nachweisen lasse, ob es sich um eine unverbindliche Meinungskundgabe oder eine Weisung stricto sensu handele.160 Wenn Covenants Mitwirkungsrechte bei strukturändernden Maßnahmen vorsähen, dürfte die Erheblichkeitsschwelle ebenfalls durchweg überschritten sein und das Darlehen in der Insolvenz umqualifiziert werden. Das Gleiche gelte bei 156 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 55; ebenso Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Pentz, GmbHG, § 32 a Rn. 76; Berger, in Münch Komm BGB, Vor § 488 Rn. 192: Einräumung „breit gefächerter und besonders intensiver Einflussmöglichkeiten“ durch Covenants; teilw. abw. Scholz/Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 154: Einflussnahme durch Kontrollrechte genüge nicht, solange sie sich auf die Kreditsicherung beschränken; vgl. auch Häuser, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 85 Rn. 133: Einbeziehung Dritter jedenfalls dann, wenn wenn der Kreditgeber in der Krise des Unternehmens seinen Einfluss dazu benutzt, den ansonsten gebotenen Insolvenzantrag nicht oder verspätet zu stellen und gegenüber außenstehenden Dritten den Eindruck der Solvenz hervorruft, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Dann übernimmt er tatsächlich das gesamte Geschehen und die Finanzierungsverantwortung im Unternehmen. 157 Fleischer, ZIP 1998, 313, 320 f.; vgl. auch ders., DStR 2006, 1654, 1659. In welchem Verhältnis die für möglich erachtete Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen zu der von Fleischer an dieselben Voraussetzungen geknüpfte Haftung des Dritten als faktischer Geschäftsführer steht (oben § 12 VI 2), wird nicht deutlich. 158 Fleischer, ZIP 1998, 313, 320. 159 Dort hM, vgl. nur Hüffer, AktG, § 311 Rn. 16; Kropff, in MünchKomm AktG, § 311 Rn. 96 ff. (jeweils m. w. N.). 160 Fleischer, ZIP 1998, 313, 320.

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Vorliegen eines Stimmbindungsvertrages und bei einer breitflächigen Beeinflussung „marktstrategischer Entscheidungen“ und „Führungsentscheidungen“, insbesondere bei Personalfragen.161 Alle genannten Einzelmerkmale würden freilich nicht davon entbinden, eine wertende Gesamtschau vorzunehmen. Die verbleibenden Unschärfen lägen in der Natur einer typologischen Abgrenzung, die der Tatbestand des § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG dem Rechtsanwender nun einmal abfordere.162 Ähnlich emanzipiert von der Formel des an die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute gerichteten Gebots zur Eigenfinanzierung sprechen sich Schwintowski/Dannischewski dafür aus, in den Fällen, in denen das „Königsrecht“ der Geschäftsführung – die selbstständige Leitung der Geschäfte bedenklich in Frage gestellt oder das Stimmrecht der Gesellschafter ausgehöhlt werde, für eine generelle Einbeziehung Einfluss nehmender Fremdkapitalgeber in das geltende Eigenkapitalersatzrecht aus.163 Jedenfalls in der Krise des Unternehmens würde sich eine starke, auf Covenants beruhende Rechtsposition zu einer gesellschaftergleichen Stellung nach § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbH verdichten, wenn Banken ihren Einfluss dazu benutzten, den ansonsten gebotenen Insolvenzantrag hinauszuschieben, also gegenüber außenstehenden Dritten und Anlegern den Eindruck der Solvenz hervorrufen, obwohl die Gesellschaft insolvent ist.164 Ähnlich ist schließlich auch die Ansicht von U. H. Schneider, den über Covenants mit dem Unternehmen verbundenen Fremdkapitalgeber in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen, soweit er sich Zustimmungsvorbehalte für einen Gesellschafterwechsel oder Änderungen der Konzernlage hat einräumen lassen.165 Kern dieser Ansätze ist es, die gesetzliche Umqualifizierung von – nach geltendem Recht notwendigerweise – Krisendarlehen als eine Veranlassungshaftung für Einflussnahme zu verstehen, die sich, zumindest nach der genannten Ansicht von K. Schmidt, bisher auf der Grundlage des geltenden Eigenkapitalersatzrechts nicht begründen lässt.166 Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob es wirklich der Konzeption der Eigenkapitalersatzrechts entspricht, eine Fremdfinanzierung zur Herstellung der Ingangsetzungsfunktion des Ei161 Fleischer, ZIP 1998, 313, 320; ähnlich Priester, FS Helmrich, S. 721, 733 f., sofern sich die Stimmbindungsvereinbarungen nicht lediglich auf die Beschlussfassung in laufenden Angelegenheiten bezieht. 162 Fleischer, ZIP 1998, 313, 321. – Zu ähnlichen Beweisproblemen und den Möglichkeiten ihrer Überwindung bei § 311 AktG Kropff, in MünchKomm AktG, § 311 Rn. 98 ff. 163 Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 844. 164 Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 844. 165 U. H. Schneider, FS Zöllner, S. 539, 544; ähnlich Tillmann, DB 2006, 199, 200: Einbeziehung bei Einfluss auf Grundlagenentscheidungen. 166 Vgl. oben a. Nur vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung des Rechts nachvollziehbar die nunmehr auch von Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 32 a, 32 b, Rn. 154 für möglich erachtete Einbeziehung eines Dritten aufgrund seiner im Kreditvertrag begründeten Einflussnahme auf Grundlagenentscheidungen.

III. Nichtgesellschafter als Adressaten des früheren Eigenkapitalersatzrechts

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genkapitals allein deswegen umzuqualifizieren, weil der Kapitalgeber auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt und daher von den negativen Folgen seiner Entscheidungen vorrangig betroffen sein muss. Um es vorweg zu nehmen: Hierbei wird sich zeigen, dass dieser Schluss zumindest de lege lata voreilig wäre. a. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht als Pfl icht zu konsistentem Finanzierungsverhalten Als Ausgangspunkt soll nochmals die nach herrschender Meinung bereits de lege lata mögliche Einbeziehung des atypischen stillen Gesellschafters, der nicht zugleich Gesellschafter der vom Eigenkapitalersatzrecht umfassten Gesellschaften ist („Nur-Stiller“), betrachtet werden. Auch dort stellt sich die Frage, ob dieser bereits wegen der Einräumung von Geschäftsführungsrechten bzw. der tatsächlichen Ausübung von Einfluss Adressat des Eigenkapitalersatzrechts ist, ohne dass seine vermögensmäßige Beteiligung entsprechend umgerechnet die quantitative Grenze des Kleinbeteiligungsprivilegs übersteigt. Beim Gesellschafter einer GmbH oder AG reicht dies wegen des eindeutigen Wortlauts von § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG aus. Wie bereits gesehen, ist ein Kapitalgesellschafter stets mit einer Stammeinlage an der Gesellschaft beteiligt. Es ist daher durchaus möglich, dass jemand tatsächlich Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt,167 nicht aber mit mehr als 10% am Stamm- bzw. Grundkapital beteiligt ist. Auch bei Kommanditisten bedarf es mindestens einer Haftsumme von 1,– Euro (§ 171 Abs. 1 HGB), so dass es dort Fälle geben kann, in denen die gewählte Haftsumme – umgerechnet – unterhalb der Schwelle des § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG liegt. Verfügt der Kommanditist über die Geschäftsführungsbefugnis oder übt diese tatsächlich aus, ist auch er Adressat des Eigenkapitalersatzrechts. Bei der stillen Beteiligung ist die Rechtslage hingegen grundlegend anders. Will man nicht dem Zirkelschluss erliegen, die Umqualifizierung nach Eigenkapitalersatzrecht bereits zum Tatbestand der Einbeziehung zu erheben, muss Berücksichtigung finden, dass die Verlusttragung des Stillen gemäß § 231 Abs. 3 HGB ausgeschlossen werden kann und zumindest nach der gesetzlichen Ausgangslage auch darf. Nach Personengesellschaftsrecht ist es ohne weiteres möglich, dass der Stille zwar Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt bekommt und am Gewinn der Kapitalgesellschaft partizipiert, nicht aber an den Verlusten. Auf der Grundlage des Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG wäre ein solcher Stiller nicht Adressat des Eigenkapitalersatzrechts, weil er überhaupt nicht am Stammkapital beteiligt ist bzw. einen Teil seiner 167 Dies ist ausreichend, statt aller Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18; Einzelheiten bereits oben II 2 c.

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Einlage der vorrangigen Verlusttragung gewidmet hat. Dies hätte zur Folge, dass weder seine stille Beteiligung noch ein darüber hinaus gewährtes Darlehen nach Eigenkapitalersatzrecht umzuqualifizieren wären. Für den „Nur-Darlehensgeber“ gilt dies erst recht, wenn er nicht bereits für einen Teil seiner Finanzierung einer Umqualifizierung in Eigenkapital zugestimmt hat.168 Die geplante Neuregelung ändert hieran scheinbar nichts, denn nach dem – für Gesellschafter geltenden – Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO muss der Betreffende mit mehr als 10% am Haftkapital beteiligt sein, damit eine insolvenzrechtliche Rückstufung darüber hinausgehender Fremdfinanzierungen erfolgen kann. b. Die fehlende Kohärenz zwischen Verlustbeteiligung und Umqualifizierung Die herrschende Meinung zieht hieraus den Schluss, dass auch ein stiller Gesellschafter – als gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG einzubeziehender Dritter – nur dann Adressat des Eigenkapitalersatzrechts ist, wenn er wie ein sog. atypischer Stiller über die schuld- bzw. gesellschaftsrechtlich vereinbarten Mitspracherechte hinaus auch am Vermögen und Ertrag beteiligt ist, mithin zumindest ein Teil seines Finanzierungsbeitrags aufgrund privatautonomer Begründung der vorrangigen Verlusttragung zu Gunsten anderer gewidmet ist.169 Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich und fragwürdig. Bei einem geschäftsführungsbefugten Kommanditisten genügt eine Haftsumme von einem Euro, damit alle darüber hinausgehenden Finanzierungsleistungen umqualifiziert werden können. Beim geschäftsführenden stillen Gesellschafter ohne Verlustbeteiligung und konsequenterweise erst recht beim Darlehensgeber findet hingegen überhaupt keine Umqualifizierung statt, selbst wenn diese umfangreich auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen. Der eine Euro, der gemäß § 171 Abs. 1 HGB anderweitig haftungsrechtlich zu Gunsten der Gläubiger gewidmet wurde, entscheidet somit, ob die ggf. millionenfachen anderen Finanzierungsleistungen eigenkapitalersetzend sind oder nicht. Beim Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gilt dies wegen der Mindesteinlage von künftig einheitlich einem Euro gleichermaßen (vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 AktG, § 5 Abs. 2 E168 Zu den entsprechenden im Vorfeld er Insolvenz wirkenden Instrumenten (Verzicht, pactum de non petendo, Stundung) oben § 15 V 1. 169 Grundlegend BGHZ 106, 7; OLG Hamm NJW-RR 2001, 247, 248; zustimmend Dreher, ZIP 1990, 79, 81; Maier-Reimer, FS Rowedder, S. 245, 275; Kästle, Rechtsfragen, S. 164 ff.; zur ähnlichen, nach richtiger Ansicht hiervon freilich abzugrenzenden Frage, ob der atypische Stille auch dem Kapitalerhaltungsgebot unterliegt oben § 13 V 2; abw. speziell für die atypische stille Beteiligung jedoch LG Dortmund, ZIP 1986, 855, 857; Priester, FS Helmrich, S. 721, 728; Fleischer, ZIP 1998, 313, 316; ders., DStR 2006, 1659, der in Fn. 60 darauf hinweist, dass bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob es für eine Einbeziehung ausreicht, wenn der atypische stille Gesellschafter nicht am Vermögen und Ertrag der GmbH beteiligt ist, sondern nur ähnlich wie der Gesellschafter die Geschicke der GmbH lenken kann.

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GmbHG170 ). Ist jemand hingegen noch nicht am Risikokapital beteiligt, hat er – sofern er nicht einem Gesellschafter zuzurechnen ist und ihn dessen Finanzie rungs(folgen)verantwortung abgeleitet trifft171 – allein wegen der über die Einflussnahme auf die Geschäftsführung begründeten Nähe zur Gesellschaft keine Umqualifizierung seiner Kapitalbeiträge zu befürchten. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht erfasst nach der herrschenden Meinung somit allein die sog. gesplitteten Einlagen und sanktioniert lediglich die inkompatible Vereinigung von Eigen- und Fremdfinanzierung in der Person des einflussnehmenden Kapitalgebers, wobei beim Gesellschafter oberhalb der Kleinbeteiligungsschwelle die abstrakte Einflussmöglichkeit genügt und beim kleinbeteiligten Gesellschafter und Dritten eine konkrete Einflussnahme erforderlich ist. Wäre dies zutreffend, ließe sich entgegen der bisherigen Mindermeinung in der Literatur das geltende Eigenkapitalersatzrecht nicht als tragfähige Grundlage heranziehen, auch den atypischen stillen Gesellschafter ohne Verlustbeteiligung oder den Darlehensgeber hierunter zu fassen, wenn und soweit sie lediglich Einfluss auf das finanzierte Unternehmen ausüben. c. Der hierdurch begründete Zusammenhang von Eigenkapitalersatz und materieller Unterkapitalisierung de lege lata So wenig nachvollziehbar die fehlende Kohärenz zwischen bestehender Verlustbeteiligung und gesetzlicher Umqualifizierung erscheint, so sehr entspricht sie doch der Konzeption des geltenden Eigenkapitalersatzrechts. Altmeppen hat bereits im Jahr 1993 herausgearbeitet, dass der Kapitalersatzgedanke nicht allein von einer an die Einflussnahme auf die Geschäftsführung geknüpften „mitunternehmerischen Verantwortung“ abhängt, sondern zusätzlich davon, dass jemand bereits mit Risikokapital beteiligt ist.172 Nur wer bereits aufgrund einer anderweitig begründeten Verlusttragungspfl icht am vorrangigen Verlustrisiko partizipiert, soll Adressat eines ggf. ein Vielfaches dieser Verlustbeteiligung erfassenden Eigenkapitalersatzrechts sein. Gefordert wird somit nicht, dass jemand, der sich an der Unternehmensleitung beteiligt, zur Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vorrangig die Verluste mit seinem überlassenen Kapital trägt. Gefordert wird vielmehr, dass sich jemand, der bereits aufgrund einer privatautonomen Entscheidung mit einem begrenzten Risikokapital beteiligt ist, in der Krise weiteres Risikokapital zur Verfügung stellt – sei es durch die effektive Zuführung oder durch die Umwandlung einer bisherigen Fremdfinanzierung. Das in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG niedergelegte Gebot, sich wie ein ordentlicher Kaufmann 170 Art. 1 Nr. 5 b MoMiG (ZIP 2007, 3, 5); derzeit beträgt die Mindeststammeinlage noch 100,– A (§ 5 Abs. 1 GmbHG). 171 Dazu soeben unter 1 a. 172 Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1679 ff.

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mit Eigenkapital zu beteiligen, ist damit ein Gebot konsistenten Finanzierungsverhaltens. Dies muss konsequenterweise auch für die einzubeziehenden Dritten der maßgebliche Aspekt sein: Der stille Gesellschafter, der seine Verlusttragung ausgeschlossen hat, und der Darlehensgeber fallen somit nicht hierunter, selbst wenn sie die Geschicke der Gesellschaft mitbestimmen. Insofern ist es mit Altmeppen nur konsequent, entgegen der herrschenden Meinung173 auch den atypischen Pfandgläubiger nicht als Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts anzusehen, wenn er nicht aufgrund privatautonomer Vereinbarung bereits am Risikokapital beteiligt ist.174 Ergibt der Finanzierungsvertrag hingegen, dass eine Verlustbeteiligung gewollt ist oder hat der Darlehensgeber bereits für einen Teil seines Finanzierungsbeitrags einen Rangrücktritt erklärt, findet in jedem Fall eine Umqualifizierung aller darüber hinausgehenden Finanzierungsleistungen gemäß §§ 32 a, b GmbHG statt, sofern der Kapitalgeber Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH nimmt. Nach traditioneller Sichtweise des Eigenkapitalersatzrechts lässt sich diese beschränkte Funktion und damit zugleich seine beschränkte Eignung, die Umqualifizierung auf Dritte zu erstrecken, ohne weiteres rechtfertigen. Das in § 32 a Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck kommende Gebot, dass ordentliche Kaufleute Eigenkapital gewähren würden, ist nämlich bei genauerer Betrachtung eine zwar begrenzte aber immerhin relativ175 rechtssicher handhabbare Lösung des an sich kaum justiziablen Problems der materiellen Unterkapitalisierung. Der Gesetzgeber erkennt hierdurch mittelbar an, dass in der sich durch die fehlende Kreditwürdigkeit der Gesellschaft auszeichnenden Krise176 nur die Eigenfinanzierung zu Gebote steht.177 Er sieht sich jedoch – zu recht178 – außerstande, den Umfang dieses Gebots als Finanzierungspflicht (Zuführungsgebot) normativ zu begründen oder einen konturenlosen Durchgriffstatbestand zu etablieren.179 Der Ansatz des geltenden Eigenkapitalersatzrechts, dieses Problem dadurch zu lösen, dass allein der Abzug eines freiwillig gewährten Finanzierungsbeitrags unterbunden wird, bedeutet insofern einen Kompromiss. Nur auf diese Weise erklärt sich auch die vielfach anzutreffende Formulierung, eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen seien ein Fall der „nominellen Unterkapita173

Grundlegend BGHZ 119, 191; vgl. oben 1 a. Altmeppen, in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 179; zur fehlenden Bedeutung der dinglichen Rechtsstellung des Dritten als Inhaber eines Pfandrechts bereits oben 1 b cc. 175 Zu den Schwierigkeiten in der Praxis, eine Krisenfinanzierung zu bejahen, jedoch anschaulich Röhricht, ZIP 2005, 505, 512 f. 176 Ganz hM, vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 48 (m. w. N.). 177 Ähnlich Fastrich, FS Zöllner, 1998, S. 143, 149 f.: Legitimation des geltenden Eigenkapitalersatzrechts durch die Außerkraftsetzung der Außenkontrolle durch Fremdkapitalgeber. 178 Überblick über die umstrittenen und auch nicht finanzwirtschaftlich ermittelbaren Anforderungen an die rechtliche Missbilligung einer materiellen Unterkapitalisierung bei Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 230 ff. (m. w. N.). 179 Zur Unangemessenheit einer unbeschränkten persönlichen Haftung bereits oben I 1 c bb. 174

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lisierung“.180 Hiernach ist die fehlende Kohärenz zwischen bereits geleistetem Eigenkapital und umqualifiziertem Fremdkapital geradezu notwendig, um die gesetzliche Umqualifizierung zu begründen: Der – in welcher Höhe auch immer – formal an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter verstößt gegen die Vorgabe des § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG, in der Krise weiteres Eigenkapital zuzuführen oder die Gesellschaft zu liquidieren.181 Indem man ihn nicht zur Einzahlung eines wie auch immer zu berechnenden Kapitalbedarfs verpflichtet, knüpft man gleichsam als milderes, aber rechtsicher handhabbares Mittel daran an, was er tatsächlich geleistet hat und verwehrt ihm, sich insofern auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers zurückzuziehen. d. Die einander ausschließenden Risikoanreize als ökonomische Legitimation Sucht man nach einer ökonomischen Legitimation für dieses Verständnis vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht, bietet sich ein Rückgriff auf die einander ausschließenden Risikoanreize an, die bei der Vereinigung von Fremd- und Eigenfinanzierung in der Person des – abstrakt oder konkret – mit Herrschaftsmacht versehenen Kapitalgebers in der Krise bestehen. Eidenmüller hat jüngst folgenden Zusammenhang herausgearbeitet: Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen, steigt hierdurch der Risikoanreiz als Gesellschafter zwar nicht direkt. Da sich seine Eigenkapitalposition absolut betrachtet nicht verringert, hat er insofern nicht weniger zu verlieren als vor der Darlehensgewährung. Praktisch wird er jedoch über diese Liquiditätszufuhr häufig überhaupt erst in die Lage versetzt, bestimmt riskante Projekte zu realisieren. Insofern lasse sich sagen, dass die Mittelzufuhr den Risikoanreiz als Gesellschafter im Ergebnis zumindest indirekt zumeist erhöht.182 Indem der Gesellschafter als Gläubiger daran interessiert sei, dass das gewährte Darlehen zuzüglich etwaiger Zinsen mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit zurückgezahlt wird, bestehe ein gegenläufiger Effekt, nämlich das Interesse an risikoarmen Projekten.183 Lässt man die ohnehin schwierige Ermittlung beiseite, welcher dieser beiden Effekte überwiegt,184 ist dieser Zusammenhang bezogen auf die verschiedenen Anreize im Rahmen einer – nach der ökonomischen Theorie notwendigerweise 180

Statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rn. 5 f. Zu dieser Alternative rechtmäßigen Handelns Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 45 m. w. N. 182 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 55 f.; früher bereits Engert, ZGR 2004, 813, 824, 826. 183 Ähnlich Cahn, AG 2005, 217, 226 ff., wenn er anführt, das geltende Eigenkapitalersatzrecht sei dadurch legitimiert, dass die Gesellschafter einen Anreiz haben, auf Kosten der übrigen Gläubiger zu spekulieren. 184 Vgl. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 55 f.: maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Relation der gehaltenen (realen) Eigen- bzw. Fremdkapitalpositionen sowie der realisierbaren Projekte. 181

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typisierenden Betrachtung185 – ohne weiteres nachvollziehbar. Man sollte jedoch noch weiter gehen, als hierin lediglich zwei gegenläufige Effekte zu sehen. Richtigerweise handelt es sich um einander widersprechende Anreize, die in rechtlicher Hinsicht nach den Grundsätzen der Perplexität zu würdigen sind, indem entweder der eine oder der andere überwiegt.186 Ein Anreizsystem vermag seine Wirkung von vornherein nur zu erzielen, wenn man – im Einklang mit dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht – anerkennt, dass der Kapitalgeber auch eine entsprechende abstrakte oder konkrete Herrschaftsmacht hat, das Risiko zu steuern. Es ist daher nicht nur gegenläufig, wenn sich in einer Person Anreize für vorsichtiges und riskantes Handeln vereinigen. Lassen sich die Folgen dieses Handelns nicht trennen, sind die Anreize einander widersprechend. Man könnte nun anführen, gerade die Kombination von Fremd- und Eigenfinanzierung würde ein gleichsam in der Mitte dieser gegenläufigen Risikoanreize angesiedeltes, risikobewusstes Handeln ermöglichen.187 Dass dies zweifelhaft ist, wurde anhand der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals bereits aufgezeigt. Nur die vorrangige Verlusttragung der Entscheidungsträger bietet die Richtigkeitsgewähr, dass die Interessen der hiervon betroffenen übrigen Fremdkapitalgeber und Gläubiger angemessen mit berücksichtigt werden.188 Insofern ist es auch ökonomisch betrachtet durchaus richtig, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, die Vereinigung sich widersprechender Anreizsysteme in der Person eines Entscheidungsträgers dahingehend aufzulösen, dass die vorrangige Verlustragung insgesamt gilt.189 e. Trennung des Zusammenhangs von Eigenkapitalersatzrecht und materieller Unterkapitalisierung de lege ferenda? An dieser traditionellen Sichtweise, das Eigenkapitalersatzrecht als spezielle, wegen der Begründung eines bloßen Abzugsverbots rechtssicher handhabbare Ausprägung des kaum justiziablem Verbots der materiellen Unterkapitalisierung anzusehen und unter dem Aspekt der „nominellen“ bzw. „formellen“ Un185 Hierzu im Zusammenhang mit der stets unterstellten Motivation pekuniärer Parteiinteressen bereits kritisch oben § 7 II am Beispiel des Gefangendilemmas. 186 Vgl. zur Sanktionierung widersprüchlichen Verhaltens unter dem Aspekt der protestatio facto contraria ausführlich oben § 15 III. 187 In diese Richtung wohl Rudolph, ZBB 2008, 82, 84 ff. 188 Oben § 5 I; § 14 III. Dies erkennt auch Cahn, AG 2005, 217, 226, an, wenn er anführt, dass geltende Eigenkapitalersatzrecht sei dadurch legitimiert, dass die Gesellschafter nicht auf Kosten anderer spekulieren dürften. Abw. Rudolph, ZBB 2008, 82, 84, 91, wenn er kritisiert, dass die gesetzliche Subordination von Gesellschafterdarlehen auf der unwiderleglichen Vermutung der Gläubigerschädigung beruhe, und als Alternative eine anderweitig herzustellende Begrenzung des Risikogehalts der Geschäftspolitik von Kapitalgesellschaften fordert. 189 Abw. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 ff., der sich anstelle einer Subordination von Finanzierungsbeiträgen für eine Ausweitung der Geschäftsleiterhaftung für sorgfaltswidrige Geschäftsführung ausspricht; ähnlich Rudolph, ZBB 2008, 82, 91.

IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen

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terkapitalisierung190 zumindest die geleisteten Finanzierungsbeiträge der vorrangigen Gläubigerbefriedigung zu widmen, könnte sich indessen durch die von der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. DJT im Herbst 2006 einhellig gebilligte Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO191 etwas Grundlegendes geändert haben. Indem der Gesetzgeber nunmehr auf das Gebot verzichtet, dass die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute in der Krise Eigenkapital gewähren, kommt dem Widerspruch zwischen geringer Eigenfinanzierung und hoher Fremdfinanzierung in der Person eines einzelnen Kapitalgebers keine Bedeutung mehr zu.192 Sanktioniert wird möglicherweise nicht mehr, dass der Gesellschafter und damit auch ein gleichzustellender Dritter inkonsistent finanziert hat. Sanktioniert werden könnte vielmehr allein, dass der Gesellschafter und ein gleichzustellender Dritter gegen ein anderes, sich aus dem künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen ergebendes Gebot verstoßen hat, welches sich noch weniger als bisher aus einer Anknüpfung an die mitgliedschaftlichen Befugnisse eines formalen Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft ergibt, sondern vielmehr aufgrund einer anderweitig begründeten Nähe zwischen Kapitalgeber und Unternehmen im Verhältnis zu seinen übrigen Gläubigern. Nachfolgend ist daher herauszuarbeiten, ob sich auf der Grundlage des neu konzipierten Rechts der Gesellschafterdarlehen eine Einbeziehung von Nichtgesellschaftern begründen lässt, die als Darlehensgeber überhaupt keine mitgliedschaftliche Beteiligung am Haftkapital haben, bzw. bei deren stiller Beteiligung keine Verlusttragung vereinbart wurde, die jedoch an der Mitsteuerung des Unternehmens beteiligt sind.

IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens Will man ermitteln, ob sich diese gemäß §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 E-InsO, §§ 6, 6 a E-AnfG allein in der (masselosen) Insolvenz wirkende erzwungene Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals über eine Fortbildung des künftigen Rechts 190

Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rn. 5 f. Die Beschlüsse sind abrufbar unter www.djt.de; vgl. insbesondere Beschluss Nr. 12, wonach sich die Mehrheit gegen das von Kleindiek in seinem Referat befürwortete Festhalten am Merkmal der „Krise“ als widerlegliche Vermutung ausgesprochen hat. Zustimmend auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 211, 217. Kritisch gegen die Aufgabe auch Burg/Westerheide, BB 2008, 62, 62 ff., unter Überspannung eines Cash pool-Privilegs. 192 Auch der Vorschlags Borks (ZGR 2007, 250), im neuen Recht der Gesellschafterdarlehen (lediglich) eine gesetzliche Vermutung der bis dahin maßgeblichen Krisenfinanzierung zu sehen, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt (überzeugend Huber, FS Priester, S. 259, 263 ff.). 191

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der Gesellschafterdarlehen dogmatisch begründen lässt, ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, dass dieses kein bereits im Vorfeld materiell-rechtlich wirkendes „Recht des Eigenkapitalersatzes“ mehr ist.193 Den Gesellschaftern und konsequenterweise erst recht Dritten steht es hiernach außerhalb der Insolvenz und der über das Anfechtungsrecht begründeten Vorwirkungen völlig frei, ob sie das Unternehmen mittels Darlehen oder stiller Beteiligung ohne Verlusttragung finanzieren. Die Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft ist somit auch in Krisenzeiten legitim und wird allenfalls in der Insolvenz umqualifiziert. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, sind die Konsequenzen dieser Neuregelung vielfältig. Hierdurch bestätigt sich noch einmal die bereits herausgearbeitete fehlende Überzeugungskraft der herrschenden Meinung, wonach Finanzierungsbeiträge von Dritten in das materielle Recht der Kapitalerhaltung bei GmbH und AG einzubeziehen seien.194 Wenn bereits Gesellschafterdarlehen außerhalb der Insolvenz keine Umqualifizierung in Eigenkapital erfahren, darf dies für Drittdarlehen erst recht nicht gelten. Zum anderen ist es nicht von der Hand zuweisen, dass die künftige, allein im Insolvenzfall wirkende Verstrickung von Gesellschafter-Fremdfinanzierungen ein erster gesetzgeberischer Schritt zu einem neuartigen Gläubigerschutzkonzept für „unternehmerisches Handeln mbH“ ist. Emanzipiert sich die insolvenzrechtliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen zusehends vom bisher gesellschaftsrechtlichen Ansatz der Aufbringung und Gewährleistung eines Stamm- bzw. Grundkapitals, scheint es nur konsequent, auch die derzeit heftig kritisierte, bereits im Vorfeld wirkende gesetzliche Kapitalbindung bei GmbH und AG durch ein zum Beispiel im USamerikanischen Recht vorherrschende Konzept der solvenzorientierten Ausschüttungssperren195 zu ersetzen.196 Weil sich ein derartiger Systemwechsel derzeit (noch) nicht abzeichnet,197 ist hierauf nicht weiter einzugehen. Vielmehr soll nachfolgend herausgearbeitet werden, ob dem nunmehr in § 39 E-InsO verwendeten Gesellschafterbegriff nach der Konzeption des Gesetzes andere Merkmale zu Grunde liegen als bisher und konsequenterweise auch die Einbeziehung Dritter an andere Vorgaben 193 Vgl. nochmals § 30 Abs. 1 S. 3 E-GmbHG gemäß Art. 1 Nr. 20 MoMiG und die Begründung hierzu, wonach es nach neuem Recht keine kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr gebe (ZIP 2007, 3, 16); zustimmend die Beschlussmehrheit von 141 Ja-Stimmen bei 3 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen beim DJT (vgl. Habersack, ZHR 170 [2007], 611). 194 Oben § 15 IV. 195 Hierzu ausführlich Engert, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 743, 743 ff.; ders., GmbHR 2007, 337, 341 f. – Zur Subordination von Gesellschafter- und Drittdarlehen im US-amerikanischen Recht sogleich unter V 4. 196 In diese Richtung bereits Altmeppen, NJW 2005, 1911, 1914; zustimmend Habersack/ Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital, S. 370, 396; abw. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 ff. der sich für eine Ausweitung der Gesellschafterhaftung für sorgfaltswidrige Geschäftsführung ausspricht, insbesondere im Vorstadium der Insolvenz. 197 Vgl. oben § 12 V.

IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen

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zu knüpfen ist als die bisherige Pflicht zu konsistentem Finanzierungsverhalten. Hierbei wird sich zeigen, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen auch für die Gesellschafter nicht mehr eine falsche Finanzierung sanktioniert, sondern die generelle Umqualifizierung von Fremdkapital in der Insolvenz allein damit rechtfertigt, dass die Kapitalgeber das Insolvenzrisiko mitbeeinflussen konnten.198 Auf der Grundlage dieses Verständnisses fällt es nunmehr leichter, in das Recht der Gesellschafterdarlehen künftig auch solche Fremdkapitalgeber einzubeziehen, die sich – ohne Innehabung einer mitgliedschaftlichen Position und einen bereits als Eigenkapital geleisteten Finanzierungsbeitrag – im Vorfeld der Insolvenz an der Steuerung des Unternehmens beteiligt haben.

1. Erste Ansätze in der Literatur Indem künftig alle Gesellschafterdarlehen umqualifiziert werden, lässt sich dem Recht der Gesellschafterdarlehen kein an die Gesellschafter gerichtetes Gebot mehr entnehmen, „ihre“ Gesellschaft in der Krise mit Eigenkapital zu finanzieren. Selbst Karsten Schmidt bringt diesen Paradigmenwechsel auf den Punkt: Die jahrzehntelang diskutierte Finanzierungs(folgen)verantwortung als tragender Grund für die Nachrangigkeit werde plötzlich nahezu einmütig vom Tisch gewischt, die bloße Nähe zwischen Gesellschafter und Gesellschaft stattdessen zum hinreichenden Grund für die Nachrangigkeit und Anfechtbarkeit erklärt. Es gehe von vornherein nicht mehr darum, dass jemand Kapital hätte gewähren sollen, sondern nur noch darum, dass jemand, der Kapital gegeben hat, dieses in der Insolvenz der Gesellschaft wegen seiner Insiderstellung nur nachrangig geltend machen kann.199 Auch Eidenmüller spricht sich letztlich dafür aus, die Einbeziehung Dritter in das künftige – seiner Ansicht nach freilich kaum überzeugende200 – Recht der Gesellschafterdarlehen im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung allein von den entscheidenden Gesichtspunkten des Informationsvorsprungs und des Einflusses auf die Geschäftsführung abhängig zu machen. 201 Ohne es offen auszusprechen, werden die nach früher herrschender Meinung maßgeblichen Einbeziehungsvoraussetzungen 202 somit auch von ihm durch eine anderweitig begründete Insiderstellung ersetzt. Diese 198 So – für die Darlehen von Gesellschaftern – auch Huber, FS Priester, S. 259, 276, wenn er die mit der Zückstufung einhergehende Steuerungsfunktion betont. 199 K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1932. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die nunmehr selbst von K. Schmidt für möglich erachtete Einbeziehung eines Dritten allein wegen der Einflussnahme auf Grundlagenentscheidungen in der nach Bekanntwerden des MoMiG erschienenen Kommentar von Scholz, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 154. 200 Dazu zugleich unter 3. 201 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f.; ähnlich Noack, DB 2007, 1395, 1398: „Typisierte Insiderstellung“. 202 Vgl. oben III 2.

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Stellung könne, wie bereits de lege lata nur von Fleischer, Schwintowski/Dannischewski und wohl auch Priester vertreten, „insbesondere die Hausbank, welche die Schuldnergesellschaft in der Krise über Covenants an eine extrem kurze Leine genommen hat, Berater ihres Vertrauens installiert und letztlich faktisch die Geschäfte führt“, innehaben. 203 Dass dies nunmehr durchaus berechtigt ist, zeigt die Regierungsbegründung zum RefE-MoMiG. Hierin heißt es, „durch die Aufgabe der Rechtsprechungsregeln ist die Problematik der Gesellschafterdarlehen und ihre Differenzierung gegenüber Darlehen Dritter ohnehin wesentlich entschärft“. 204 Es klingt somit an, dass der Verzicht auf das früher geltende materiell-rechtliche Gebot zur Krisenfinanzierung mit Eigenkapital nicht nur eine Vereinfachung bei der tatbestandlichen Erfassung von Gesellschafterdarlehen bringen soll, sondern vor allem auch eine Neubestimmung bei der Abgrenzung von Gesellschafterdarlehen und Drittdarlehen. Indem dies wegen der eindeutigen gesetzgeberischen Intention, gleichzustellende Drittdarlehen wie bei § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG auch künftig einzubeziehen, 205 nicht so verstanden werden darf, dass nunmehr allein Finanzierungsbeiträge von förmlichen Gesellschaftern umqualifiziert werden sollen, muss sich durch den Verzicht auf das Gebot der Eigenfinanzierung nach Ansicht der Verfasser des Entwurfs vielmehr eine neuartige tatbestandliche Bestimmung für die Einbeziehung von Dritten ergeben.

2. Die Rückbesinnung auf die Missbrauchsrechtsprechung des RG Sucht man nach den Gründen für eine derartige, nicht mehr mit einem Gebot konsistenten Finanzierungsverhaltens zu rechtfertigende Umqualifizierung, zeigt sich, dass der alten, lange überwunden geglaubten Legitimation des früheren Eigenkapitalersatzrechts als Missbrauch der Rechtsform „Kapitalgesellschaft mbh“ neue Bedeutung zukommt. In der hierzu ergangenen, grundlegenden Entscheidung des RG aus dem Jahr 1937 wollte der Allein-Gesellschafter einer GmbH Forderungen, die das Stammkapital der Gesellschaft weit überstiegen, zur Konkurstabelle anmelden. Dies verstieß nach Ansicht des RG gegen die „Einrede der Arglist“.206 Die rechtliche Missbilligung folge daraus, daraus, dass es dem Gesellschafter in Wirklichkeit gar nicht um die Gründung einer Gesellschaft gegangen sei. Er habe nur für das neue Unternehmen, dessen Misserfolg er sich wenigstens als möglich vorgestellt habe, für diesen Fall die Haftungsbeschränkung gegenüber den Gläubigern unter dem Mantel einer GmbH erlangen wollen. Das Stammkapital sei absichtlich viel zu gering gehalten wor203

Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f.; zu den Ansichten von Fleischer, Schwintowski/ Dannischewski und Priester oben III 2 d. 204 Begründung RefE MoMiG, zu Nr. 4, S. 83 (Hervorhebung vom Verf.). 205 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 39 E-InsO (ZIP 2007, 3, 33) und oben II. 206 RG, JW 1938, 862, 864 (re Sp).

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den, um das darüber hinaus benötigte Kapital als Darlehen zur Verfügung zu stellen und so „Gläubiger seiner eigenen Gründung“ zu werden. 207 Der Gesellschafter dürfe daher die durch den Missbrauch des Gesellschaftsrechts erlangte Möglichkeit, selbst Gläubiger der von ihm geschaffenen Gesellschaft zu sein, nicht zum Nachteil ihrer „wirklichen“ Gläubiger ausnützen. 208 Konsequenterweise war es ihm verwehrt, seine Darlehensforderungen im Konkursverfahren geltend zu machen. a. Vorweggenommene Abkehr vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht Im Mittelpunkt dieser Entscheidung stand nicht die Vorwegnahme des sich im Urteilszeitpunkt im Entwurfsstadium befindlichen § 36 Abs. 1 GmbHG, dem Vorgänger des bis Inkrafttreten des MoMiG geltenden Eigenkapitalersatzrechts. 209 Hätte das Gericht die damals bereits bekannte, 210 hierin zum Ausdruck kommende Finanzierung(folgen)verantwortung der Gesellschafter im Wege der Rechtsfortbildung begründen wollen, wäre es ausreichend gewesen, sich auf den Kapitalbedarf der Gesellschaft und deren fehlende Kreditwürdigkeit zu beziehen. 211 Dieser Weg wurde indessen nicht beschritten. Das RG reduzierte vielmehr die rechtliche Missbilligung der Darlehensfinanzierung eines GmbH-Gesellschafters darauf, dass dieser im Konkursverfahren nicht sein eigener Gläubiger sein dürfe, sich mithin von den übrigen („wirklichen“) Gläubigern unterscheidet. Der tragende Grund für die rechtliche Missbilligung war somit nicht der Verstoß gegen ein bereits im Vorfeld der Insolvenz materiellrechtlich begründetes Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten, sondern der Vorwurf widersprüchlichen Gläubigerverhaltens, der darin begründet ist, sich im Konkursfall auf eine Rolle als Fremdkapitalgeber zu berufen mit der Folge, dass hierdurch andere Gläubiger auszufallen drohen. b. Bestätigung der Kritik an der konturenlosen Gläubigerverantwortung gemäß § 826 BGB Diese Rechtsprechung bestätigt den zu Beginn der Arbeit angedeuteten Wertungswiderspruch zwischen der rechtlichen Missbilligung eines Finanzierungsverhaltens von Nichtgesellschaftern und Gesellschaftern. Auf der Grundlage 207

RG, JW 1938, 862, 864 (li Sp). RG, JW 1938, 862, 864 (re Sp). 209 Zur historischen Entwicklung des Eigenkapitalersatzrechts ausführlich Thiessen, in Duss/Linder, Rechtstransfer, S. 446, 474 ff.; Beck, Kritik des Eigenkapitalersatzrechts, S. 57 ff. 210 Thiessen, in Duss/Linder, Rechtstransfer, S. 446, 474 f. 211 So die gängige Formel für das Vorliegen einer Krisenfinanzierung gemäß geltendem Eigenkapitalersatzrecht (statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 46 ff., m. w. N.). 208

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von RGZ 136, 247 aus dem Jahr 1932 mussten – und müssen! – die Fremdkapitalgeber befürchten, einer grenzenlosen Schadensersatzhaftung gegenüber Dritten wegen der Innehabung einer „stillen Geschäftsinhaberschaft“ ausgesetzt zu sein. 212 Das RG hat dies demgegenüber in der soeben genannten Entscheidung aus dem Jahr 1938 für den Gesellschafter überhaupt nicht erwogen. Die Einflussnahme auf ein Unternehmen ohne die Bereitschaft, mit seinen geleisteten Kapitalbeiträgen zumindest in der Insolvenz vorrangig für die Verluste einstehen zu wollen, ist hiernach zwar der beiden Entscheidungen zu Grunde liegende Tatbestand für die rechtliche Missbilligung. In den Rechtsfolgen unterscheidet sich die rechtliche Missbilligung indessen grundlegend. In der Entscheidung des RG aus dem Jahr 1938 wurde letztlich die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gewährleistet, die dem betroffenen Entscheidungsträger über die erzwungene vorrangige Verlusttragung einen Anreiz bietet, diese Einflussnahme – bis zur Insolvenz – in einer Weise auszuüben, dass hiervon auch die Interessen der anderen hiervon Betroffenen angemessen mit berücksichtigt werden. Demgegenüber begründete das RG im Jahr 1932 eine weitergehende, konturenlose Schadensersatzhaftung, die ohne Rückgriff auf eine gesetzlich angelegte Sanktionierung solchen Verhaltens weder tatbestandlich zu überzeugen vermag213 noch rechtsfolgenseitig. 214 Werden hierdurch letztlich die bereits herausgearbeiteten Vorzüge einer gesetzlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion als ein wegen der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen auf Selbstregulierung beruhendes System 215 zur Begründung einer Finanzierungsverantwortung bestätigt, ergeben sich aus der Entscheidung des RG aus dem Jahr 1938 vor allem auch Parallelen zum künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen. Wie bei der Missbrauchsrechtsprechung des RG wird über § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO allein sanktioniert, dass der betreffende Kapitalgeber im Insolvenzverfahren Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO ist. Vereinfacht gesagt, kann man mit dem RG anführen, künftig darf niemand – vermittelt über einen dazwischen geschalteten Rechtsträger – sein eigener Insolvenzgläubiger sein.216

212

Oben § 4 I 1. Oben § 4 II. 214 § 11 V 3. 215 Oben § 12 III. 216 Ähnlich Fleischer, DStR 2006, 1654, 1656: „Allein die drohende Gläubigerbeeinträchtigung durch eine Erhöhung ihres Ausfallrisikos in der Insolvenz ist der rechtfertigende Grund für das künftige Eigenkapitalersatzrecht“. 213

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3. Die Verhinderung einer Quotenschmälerung der Insolvenzgläubiger als Ziel der Neuregelung Hierdurch bestätigt sich zunächst einmal das gesetzgeberische Anliegen, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen als insolvenzrechtliche Lösung zu verstehen, die auch auf Auslandsgesellschaften ohne eine dem deutschen Recht entsprechende Kapitalbindung anzuwenden ist.217 Wie bereits erwähnt, kann es zum Insolvenzverfahren regelmäßig nur dann kommen, wenn bereits eine gesteigerte Gläubigergefährdung eingetreten ist, mithin nur noch eine Knappheit zu verwalten ist 218 . Indem die Wiederauffüllung eines gesetzlich gebundenen Stamm- bzw. Grundkapitals gemäß § 1 InsO nicht Ziel des Insolvenzverfahrens ist (vgl. auch § 199 S. 1 InsO), 219 ist die erzwungene Rückstufung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung keine gesetzliche Reaktion auf die Nichterfüllung eines bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkenden Gebots ausreichender Eigenfinanzierung. Sie ist vielmehr die rein insolvenzrechtlich zu begründende Sanktionierung einer inkompatiblen Doppelrolle des Gesellschafters im eröffneten Insolvenzverfahren bzw. bei der masselosen Insolvenz. Regelungsziel von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist hierdurch allein, eine Quotenschmälerung der Insolvenzgläubiger bzw. gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigten Gläubiger zu verhindern. Wie Huber/Habersack zutreffend anführen, handelt es sich auch bei den verstrickten Gesellschafterdarlehen zwar um Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Sinne des Schuld- und Bilanzrechts. 220 In der Insolvenz aber spielten diese jedoch erst dann eine Rolle, wenn der seltene Fall eintritt, dass alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind und es nunmehr um die Frage geht, wie das verbleibende Gesellschaftsvermögen bei der Überschussverteilung gemäß § 199 S. 2 InsO zwischen den Gesellschaftern zu verteilen ist. 221 Selbst wenn die im Rang zurückgestuften Forderungen befriedigt werden, bevor die „eigentliche“ Überschussverteilung durchgeführt wird, sind die vorab befriedigten außenstehenden Gesellschaftsgläubiger hiervon nicht betroffen. Im Verhältnis zu ihnen besteht zwischen dem materiell-rechtlich gebundenen Stamm- bzw. Grundkapital und den gesetzlich im Rang zurückgestuften Finanzierungsbeiträgen kein Unter217 Vgl. Begründung des RefE zum MoMiG, S. 83; zustimmend Hommelhoff, in: VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 115, 119 ff.; Fleischer, DStR 2006, 1654, 1656; Knof, ZInsO 2007, 125, 131; vgl. bereits Habersack/Huber, BB 2006, 1, 4 f.; hierzu kritisch Eidenmüller, in FS Canaris, S. 49, 67 f. 218 Oben § 8. 219 Die potentiellen Ansprüche von Gesellschaftern auf Rückzahlung einer Kapitaleinlage sind keine Insolvenzforderungen iSv. § 38 InsO und dürfen auch nicht zur Tabelle gemäß § 174 InsO angemeldet werden (unstreitig, vgl. nur Uhlenbruck, InsO § 38 Rn. 26, m. w. N.); vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.66, „etwaiger Überschuss“. 220 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 410. 221 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 410.

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schied. 222 Konsequenterweise dürfen die von § 39 Abs. 5 E-InsO erfassten Gesellschafterdarlehen nicht als Insolvenzforderungen gemäß § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle angemeldet werden. 223 Diese allein im Insolvenzfall wirkende – zunächst einmal verfahrensrechtliche – Rückstufung224 lässt sich ohne weiteres unter das gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 lit. f EuInsVO auch auf Auslandsgesellschaften anwendbare nationale Recht fassen, das bestimmt, welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind. 225

4. Die inkompatible Rolle der mit Herrschaftsmacht ausgestatteten Gesellschafter als Legitimation Will man weiterhin die durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO missbilligte Doppelrolle präzisieren und fragt nach dem Grund dafür, dass es dem Gesellschafter verwehrt sein soll, im Insolvenzverfahren gleichsam sein eigener Insolvenzgläubiger zu sein, muss man sich ebenfalls noch einmal die Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 S. 1 InsO und die Mittel zur Zielverwirklichung in Erinnerung rufen. Die an eine gesteigerte Gläubigergefährdung geknüpfte kollektive Haftungsverwirklichung gewährleistet allen Insolvenzgläubigern die Verwirklichung des Interesses, welches einem einzelnen Fremdkapitalgeber gemäß § 490 Abs. 1 BGB außerhalb der Insolvenz zugebilligt wird: Er kann sein finanzielles Risiko vom unternehmerischen Risiko des Darlehensnehmers abkoppeln und das investierte Kapital vorzeitig abziehen. 226 Indem mit Insolvenzeröffnung die eigenverantwortliche Schuldenregulierung aufgehoben wird und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter zur Verwirklichung der Befriedigungsfunktion übergeht, 227 wird deutlich, dass fortan kein Fremdkapitalgeber mehr das unternehmerische Risiko mittragen muss, sondern seine Kapitalbeiträge gemäß § 41 Abs. 1 InsO beim Darlehen 228 bzw. gemäß § 728 Abs. 2 S. 1 BGB, §§ 235, 236 Abs. 1 HGB bei der stillen Beteiligung229 so-

222

Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 410. So bereits für § 32 a Abs. 1 GmbHG die ganz hM (statt anderer Uhlenbruck, InsO, § 174 Rn. 25: Anmeldung nur nach Aufforderung gemäß § 174 Abs. 3 InsO). 224 Eine materiell- bzw. haftungsrechtliche Rückstufung tritt nur ein, wenn das Schuldnervermögen – wie im Regelfall – nicht ausreicht, um die Insolvenzgläubiger und gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1- 4 InsO zu befriedigen. 225 Bork, ZGR 2007, 250, 252; wohl abw. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 67 f., wonach die Subordinierung von Gesellschafterdarlehen anders als eine bloße Verschärfung des Anfechtungsrechts nachhaltig in die Finanzverfassung einer Gesellschaft eingreife. Vgl. auch jüngst die Vorlage des BGH an den EuGH DB 2007, 1693. 226 Oben § 13 I 2. 227 Oben § 8 II. 228 Zur sofortigen Fälligstellung von Darlehen in der Insolvenz oben § 13 II. 229 Zur Auflösung der stillen Gesellschaft mit Insolvenzeröffnung oben § 13 III. 223

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gleich zurückfordern darf. Ein „Weiterwirtschaften“ des Unternehmens auf alleinige Kosten der Insolvenzgläubiger ist ausgeschlossen – gewährleistet wird gemäß § 1 InsO fortan allein das Rückzahlungsinteresse der Fremdkapitalgeber. Wie bei § 490 Abs. 1 BGB ist jedoch auch hier zu bedenken, dass die Emanzipation des Rückzahlungsinteresses vom unternehmerischen Risiko dann eine Einschränkung erfährt, wenn der betreffende Kapitalgeber das unternehmerische Risiko mitbeeinflusst hat. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass § 490 Abs. 1 BGB dem Darlehensnehmer das Risiko der – selbst zufälligen – Vermögensverschlechterung gerade deswegen zuweist, weil er es allein in der Hand hat, dieses zu steuern. Der Darlehensgeber darf konsequenterweise sein Kapital selbst bei einer zufälligen Vermögensverschlechterung deswegen vorzeitig abziehen, weil er das Risiko überhaupt nicht beeinflussen konnte. 230 Diese, in § 490 Abs. 1 BGB angelegte, auch für die stille Beteiligung maßgebliche gesetzliche Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen, lässt sich auch auf das Insolvenzverfahren übertragen. Das finanzierte Unternehmen muss über § 80 Abs. 1 InsO die Einschränkung seiner eigenverantwortlichen Schuldentilgung und die hiermit einhergehende sofortige Fälligkeit aller Finanzierungsbeiträge deswegen hinnehmen, weil es bis zur Insolvenzreife die alleinige Herrschaftsmacht hatte, diese Beträge zu verwalten und damit das Insolvenzrisiko – mithin die Aufrechterhaltung der Liquidität und den Nicht-Eintritt eines Überschuldungstatbestands – allein steuern konnte. Gelingt ihm dies nicht, wird mit Insolvenzeröffnung ex nunc allen Gläubigern zugebilligt, sich hinsichtlich ihrer Ansprüche nicht weiter am unternehmerischen Risiko beteiligen zu müssen und Gefahr zu laufen, dass ihre Ansprüche entwertet werden. Im Umkehrschluss hierzu ist es nur konsequent, dass die mit – typisierter bzw. bei entsprechender Kleinbeteiligung konkreter – Herrschaftsmacht über das Unternehmen versehenen Gesellschafter ihre Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO nicht als Insolvenzgläubiger geltend machen können. Sie hatten es in der Hand, das Insolvenzrisiko zu steuern und den Eintritt der Insolvenz zu verhindern. Sie können konsequenterweise – so das RG zutreffend – nicht auf Kosten anderer „ihr eigener Gläubiger“ sein.231

230

Oben § 13 III 1. RG, JW 1938, 862, 864; vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.24, wonach das Insolvenzrecht bestimmt, ob ein Gläubiger seine Rechte zu Lasten seiner Mitgläubiger ausüben darf. 231

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

5. Die hieraus resultierende insolvenzbezogene Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Die materielle Legitimation dieser normativen Gewichtung von widersprüchlichem Verhalten – Teilhabe an der Steuerung des Insolvenzrisikos einerseits, Innehabung einer Stellung als Insolvenzgläubiger andererseits – mit der Folge, künftig alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz zurückzustufen, fügt sich unproblematisch in die von der Finanzierungstheorie anerkannte Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ein. 232 Gewährleistet wird mit dem neuen Recht, d. h. nicht etwa aufgrund einer entsprechenden Widmung des Kapitalbeitrags durch den Gesellschafter selbst, die typisierte Erwartung des Rechtsverkehrs, dass diejenigen, die die unternehmerischen Entscheidungen treffen, von den negativen Folgen ihres Handelns zumindest dann vorrangig betroffen sind, wenn es wegen der Knappheit des Schuldnervermögens um eine Verhinderung der Quotenschmälerung geht. 233 Huber als einer der Wegbereiter der Neuregelung spricht dies ausdrücklich aus, indem er anführt, die gesetzliche Subordination bewirke eine Selbstbeteiligung am Risiko und bewirke damit eine Selbstkontrolle, die ansonsten durch die persönliche Haftung ausgeglichen werde. 234 Die Gesellschafter üben die ihnen zustehende Herrschaftsmacht über das Unternehmen aus, um ihre Kapitalbeteiligung zu sichern und eine Rendite zu erzielen. Sie profitieren davon, dass sich andere an der Unternehmensfinanzierung beteiligen, ohne solche Ziele zu verfolgen, sondern vielmehr auf die sachgerechte Zielverfolgung durch sie vertrauen. 235 Das von der Finanzierungstheorie anerkannte und anhand des Leverage-Effekts verdeutlichte Erfordernis zweier Gruppen von Kapitalgebern wird somit durch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen auch im Bereich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung verwirklicht. Die mit Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter verhalten sich widersprüchlich, wenn sie hinsichtlich des investierten Fremdkapitals die Rolle derjenigen einnehmen wollen, die auf die sachgerechten Entscheidungen anderer vertrauen – dies sind die sog. non-adjusting creditors und nicht die mit Herrschaftsmacht versehenen Personen selbst.236 Insofern bestehen durchaus Parallelen zur materiell-rechtlichen Kapitalbindung, die nach zutreffender Ansicht Engerts ebenfalls einen normativen Ver232 Anders für das geltende Eigenkapitalersatzrecht Beck, Kritik des Eigenkapitalersatzrechts, S. 204 f., und Engert, ZGR 2004, 813, 814. 233 Zur Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ausführlich oben § 5. 234 Huber, FS Priester, S. 259, 276. 235 Oben § 5 I. 236 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Widersprüchlichkeit nicht aus der Person des Kapitalgebers selbst heraus begründet werden kann. Diesem kann es durchaus darum gehen, zunächst unternehmerischen Einfluss auszuüben und trotzdem wie ein Fremdkapitalgeber behandelt zu werden. Die Widersprüchlichkeit folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 39 E-InsO, die diese Handlungsweisen aus der Grundlage der Protestatio-Formel zwingend als nicht miteinander vereinbar ansieht.

IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen

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trauenstatbestand begründet, der die Gesellschafter zu konsequentem Verhalten zwingt. 237 Wollen die mit Herrschaftsmacht versehenen Personen in der Insolvenz als Insolvenzgläubiger eine andere Rolle einnehmen, als die desjenigen, auf den andere vertrauen, sanktioniert dies das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen als auf die Protestatio-Regel gestütztes widersprüchliches Finanzierungsverhalten. Wie bei der im Vorfeld der Insolvenz dilatorisch wirkenden Einschränkungen der Abkoppelung des finanziellen Interesses vom unternehmerischen Risiko238 bleibt es dem Fremdkapitalgeber verwehrt, sich auf die Rolle eines Außenstehenden zu berufen, der das Risiko nicht mitsteuern konnte. Huber spricht treffend davon, dass beide Regelungen – materiell-rechtlich wirkende Kapitalbindung, insolvenzrechtliche Subordination von Fremdkapital – „rechtpolitisch dieselbe Funktion“ haben.239 Über die gesetzliche Gewährleistung des Rechts der Gesellschafterdarlehen sind die hiervon erfassten Gesellschafter somit wegen ihrer Herrschaftsmacht nicht nur funktional betrachtet Treuhänder aller Fremdkapitalgeber, 240 sondern auch rechtlich: Die im Insolvenzfall wirkende Umqualifizierung entfaltet nach der Konzeption des Gesetzes insofern Vorwirkungen, als die hiervon betroffenen Gesellschafter ihre Herrschaftsmacht wegen der hiermit begründeten Selbstbetroffenheit unter Berücksichtigung der vorrangig zu befriedigenden Insolvenzgläubiger ausüben, und damit deren Erwartung, dass keine unangemessenen Risiken eingegangen werden, nicht enttäuscht wird. Sie dürfen wegen der gesetzlichen Eigenkapitalersatzregeln darauf vertrauen, dass die mit Herrschaftsmacht versehenen Eigentümer ihren Einfluss auf das Unternehmen, in dem auch die Vermögensinteressen der Fremdkapitalgeber aggregiert sind, in einer Weise ausüben, dass ihre Interessen angemessen mitberücksichtigt werden, es mithin nicht zur Insolvenz kommt. Die bereits zu Beginn der Arbeit vorgestellte schematische Darstellung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ist somit durch die insolvenzbezogene Gleichbehandlung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zu ergänzen.

237

Oben § 12 I. Oben § 13 III. 239 Huber, FS Priester, S. 259, 277. 240 Zum Prinzipal-Agenten-Problem im Verhältnis von Gesellschaftern und Gläubigern oben § 12 II 1 und § 2 I. 238

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Aufrechterhaltung der klassischen Zweiteilung der Unternehmensfi nanzierung durch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen

Eigentümer („Eigenkapitalgeber“ und „hybride Gläubiger“)

Herrschaft über das Unternehmen

Teilhabe am Erfolg

Teilhabe am Misserfolg

ja

– positiver Leverage-Effekt möglich – Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital

negativer LeverageEffekt – Grund- und Stammkapital – Gesellschafterdarlehen

Abhängigkeit Vertrauen Nichteigentümer („Fremdkapitalgeber“)

nein

Festverzinsung

nein

Insofern war es konsequent, dass der Gesetzesentwurf sich entgegen dem Vorschlag von Habersack/Huber nicht dafür ausspricht, sämtliche Gesellschafterforderungen zu subordinieren. 241 Durch das Merkmal der „Gesellschafterdarlehen“ wird im Einklang mit der Finanzierungstheorie klargestellt, dass es sich um eine Finanzierungsleistung des Gesellschafters handeln muss, denn nur diese ist eine taugliche Grundlage für die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Dies ist unproblematisch zu bejahen bei einem Darlehen und der stillen Beteiligung, ferner bei einer gestundeten bzw. stehen gelassenen Forderung aus einem Drittgeschäft.242 Etwas anderes gilt jedoch für einen gesetzlichen Anspruch auf Schadens- oder Aufwendungsersatz oder einen sofort fälligen Anspruch aus einem Drittgeschäft, der nur deswegen nicht mehr realisiert werden konnte, weil es kurzfristig zur Insolvenz kam. 243 Auch die bisherige eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung kann durchaus eine der Darlehenfinanzierung vergleichbare Funktion haben, soweit sie Gegenstände betrifft, die die Gesellschaft ansonsten erwerben müsste. Insofern wäre es konsequent gewesen, wenn die Neuregelung dies nicht wie nunmehr 241

Vgl. Habersack/Huber, BB 2006, 1, 2; Huber, FS Priester, S. 259, 278 f.; zustimmend Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 55 ff. (für die Anfechtung ohne Subordination); ähnlich früher bereits Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 906, wonach eine allein auf die Doppelrolle als Gesellschafter und Gläubiger gestützte Legitimation der Umqualifizierung sich konsequenterweise auf sämtliche Gesellschafterleistungen erstrecken müsste; wie hier auch Fleischer, DStR 2006, 1649, 1657. 242 Dies bisher verwendeten Anforderungen, eine Forderung als „Stehenlassen“ zu qualifizieren, können ohne weiteres auch auf das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen übertragen werden (vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 37 ff.). 243 So auch Huber, FS Priester, S. 259, 278.

IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen

493

gemäß § 135 Abs. 3 E-InsO kategorisch ausschließt. 244 Die Rechtsfolgen einer Einbeziehung der Nutzungsüberlassung in das Recht der Gesellschafterdarlehen dürfen freilich wegen des über § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO allein zu begründenden Abzugsverbots weniger einschneidend als bisher. Wie im österreichischen Recht gemäß § 3 Abs. 3 öEKEG ausdrücklich geregelt, kann allein das bereits gezahlte Nutzungsentgelt subordiniert werden und ist ggf. gemäß § 135 Nr. 2 InsO an die Masse zu leisten. 245 Ein Anspruch auf fortwährende Belassung scheidet konsequenterweise aus. 246

6. Zwischenergebnis Es lässt sich somit festhalten, dass sich die rechtliche Behandlung der Gesellschafterdarlehen von einer Sanktionierung inkonsistenten Finanzierungsverhaltens zu einer Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens hin entwickelt hat. Rechtliche Missbilligung erfährt nicht mehr, wenn ein Gesellschafter anstatt der gebotenen Eigenfinanzierung Fremdkapital beisteuert. Rechtlich missbilligt wird vielmehr allein, dass ein mit kollektiver Herrschaftsmacht ausgestatteter bzw. konkret Einfluss auf das Unternehmen nehmender Gesellschafter in der Insolvenz gleichsam sein eigener Insolvenzgläubiger ist und hierdurch andere eine Quotenschmälerung erleiden. Diese rechtliche Missbilligung findet als insolvenzrechtlicher Ansatz nicht nur Anwendung auf Auslandsgesellschaften, sie steht auch im Einklang mit der Finanzierungstheorie. Die gesetzliche Umqualifizierung als Fremdkapital gewährten Finanzierungsbeiträgen gewährleistet die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals insoweit, als die echten, gesellschaftsfremden Fremdkapitalgeber (non-adjusting creditors) darauf vertrauen dürfen, dass die Gesellschafter deren Entscheidungsmacht unter Berücksichtigung auch ihrer im Insolvenzfall vorrangig zu befriedigenden Interessen ausüben. Grundlage für die Ausweitung dieses Rechts der Gesellschafterdarlehen auf Dritte ist konsequenterweise nicht mehr der auf diese de lege lata kaum zu übertragende Aspekt der ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung, sondern der bisher nicht begründbare Aspekt der Veranlassungshaftung für die Beteiligung an der Steuerung eines Unternehmens und des Insolvenzrisikos.

244 Vgl. Art. 9 Nr. 8 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 28. 6. 2008 (BTDrs. 16/9737). 245 Vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 260. 246 Wie hier Habersack/Huber, BB 2006, 1, 5; Noack, DB 2006, 1475, 1481; ders., DB 2007, 1395, 1398; Bayer/Graff, DStR 2006, 1654, 1659; aA Knof, ZInsO 2007, 129 ff.; offen gelassen von K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1933, wonach die Rechtsprechung künftig neue Wege gehen müsse, wenn sie den Gesellschafter in der Insolvenz zur Nachleistung verpflichten wolle.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

V. Die inkompatible Rolle der konkret einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Konsequenz Werden nun nach dem künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen alle Finanzierungsbeiträge der mit kollektiver Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter und – im Fall der Kleinbeteiligung – derjenigen, die sich an der Unternehmenssteuerung konkret beteiligt haben, zurückgestuft, hat dies Auswirkungen auf die im Wege der Rechtsfortbildung erfolgende Einbeziehung von Finanzierungsbeiträgen Dritter. Die hierfür notwendige Vergleichbarkeit mit den Gesellschaftern ist nicht mehr darin zu sehen, dass der Dritte inkonsistent finanziert hat, mithin über einen als Eigenfinanzierung gewährten Finanzierungsbeitrag hinaus Fremdkapital gewährt hat. Maßgeblich ist eine im Vorfeld der Insolvenz erfolgende, mit dem Finanzierungsbeitrag einhergehende Handlung des Fremdkapitalgebers, die den Schluss zulässt, dass er es im Vorfeld der Insolvenz zumindest auch in der Hand hatte, das unternehmerische Risiko mitzubeeinflussen.247 Ist diese als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizierende Beeinflussung gegeben, darf er sich nun nicht darauf berufen, in den Genuss eines mit Befriedigungsfunktion versehenen Insolvenzverfahrens zu kommen, welches denjenigen zu dienen bestimmt ist, die diese Möglichkeit nicht hatten bzw. bewusst nicht wahrgenommen haben.

1. Die Mitbeeinflussung des Insolvenzrisikos als alleiniger Zurechnungsgrund Dieser, bereits für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung herausgearbeitete Aspekt widersprüchlichen Gläubigerverhaltens248 gilt für die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber gleichermaßen. Die im Rahmen von § 490 Abs. 1 BGB mögliche Einschränkung der Geltendmachung von Lösungsrechten im Fall der Durchbrechung der den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung zu Grunde liegenden Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen 249 gilt insolvenzbezogen auch für das neue Recht der Gesellschafterdarlehen. Hat der Darlehensgeber das Risiko der zufälligen Vermögensverschlechterung mitbeeinflusst und damit letztlich das Insolvenzrisiko, wäre es teleologisch nicht zu begründen, das Insolvenzverfahren als Einschränkung auch ihrer bis dahin möglichen Einflussnahme damit zu rechtfertigen, dass es der Befriedigung ihrer Interessen diente. Es wäre geradezu widersprüchlich, die eigenverantwortliche Schuldenregulierung durch den Insolvenzbeschlag und den Übergang der Ver247

Ähnlich Huber, FS Priester, S. 259, 280, wenn er anführt, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen greife rechtsformübergreifend stets dann ein, wenn ein Gesellschafter „unternehmerisch tätig“ ist. 248 Soeben unter IV 5. 249 Oben § 15 II.

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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waltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter auf Kosten derjenigen einzuschränken, um deren Interessenverwirklichung es im Insolvenzverfahren geht. Wie bereits erwähnt, stellt dies § 199 S. 2 InsO für die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und die Kommanditisten klar. Indem es nicht Ziel des Insolvenzverfahrens ist, die gesetzlich gebundene Eigenfinanzierung wieder aufzufüllen, ist es konsequent, ihnen gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Schuldenregulierung abzuerkennen, um hierdurch die Befriedigung anderer – der Insolvenzgläubiger – zu verwirklichen. Überträgt man dies auf die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber, gilt das Gleiche, denn mit Insolvenzeröffnung wird auch deren bis dahin mögliche Mitsteuerung eingeschränkt. Dies ist auch gerechtfertigt, immerhin ist es bei der Ausübung dieser Autonomie – einschließlich der Einflussnahme durch die Fremdkapitalgeber – nicht gelungen, die Insolvenz und damit die Verlustgemeinschaft der Gläubiger zu verhindern. Der Schutzzweck dieser auch zu Lasten der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber wirkenden Einschränkungen zielt konsequenterweise wie bei den Kapitalgesellschaftern nicht darauf ab, auch deren Interesse zu verwirklichen. In beiden Fällen ist die Befriedigung der Interessen der Einflussnehmenden somit nicht Ziel des Insolvenzrechts – im Bereich der bereits materiellrechtlichen Qualifizierung eines Finanzierungsbeitrags folgt dies aus § 199 S. 2 InsO, für die rechtlich missbilligte Doppelrolle eines Entscheidungsträgers folgt dies aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO. Sollte es daher dem Insolvenzverwalter gelingen, alle Insolvenzgläubiger und Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO zu befriedigen, wäre das Verfahren gemäß § 200 InsO zu beenden. Im Umkehrschluss zu § 203 InsO, welches eine Nachtragsverteilung nur zu Gunsten der „Insolvenzgläubiger“ vorsieht, folgt, dass es fortan wieder allein an den einflussnehmenden Gläubigern und den Gesellschaftern selbst liegt, ihre Rechtsmacht dazu einzusetzen, dass auch ihre Forderungen beglichen werden können bzw. ein etwaiges Grund- und Stammkapital wieder aufgefüllt wird. Eines auf Befriedigung unter Knappheitsbedingungen gerichteten staatlichen Verfahrens bedarf es hierfür nicht. Hiergegen spricht auch nicht der sog. Grundsatz der Vollabwicklung, wonach eine außergerichtliche Liquidation im Anschluss an ein Insolvenzverfahren ausscheidet. 250 Richtigerweise decken sich Verfahrensbeendigung und Abschluss der Liquidation nur, wenn die Gesellschafter kein Interesse haben, die Gesellschaft fortzuführen. Besteht dieses Interesse aber, wäre es eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Verbandsautonomie, die Gesellschaft in die Löschung zu zwingen.

250

Statt anderer Uhlenbruck, InsO, § 199 Rn. 1.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

2. Abweichende Beurteilung wegen unterschiedlicher Interessen von Gesellschaftern und Dritten? Ist es hiernach geboten, Dritte künftig allein wegen ihrer über die im Vorfeld der Insolvenz erfolgte Einflussnahme in das Recht der Gesellschafterdarlehen einzubeziehen, gibt es demgegenüber in der Literatur beachtliche Ansätze, dies auch nach Inkrafttreten des MoMiG zu verneinen. a. Der zurückhaltende Ansatz von Habersack/Huber So sprechen sich vor allem Habersack und Huber – die maßgeblichen Wegbereiter der Neuregelungen! 251 – dafür aus, dass es zwar nicht a priori ausgeschlossen sei, Nichtgesellschafter unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zu fassen, dies jedoch nur mit „großer Zurückhaltung“ zu erfolgen habe. Insbesondere für Banken und sonstige Fremdkapitalgeber solle dies selbst dass nicht möglich sein, wenn sie auf der Grundlage von Covenants über Mitwirkungs- und Kontrollrechte auf die Geschäftsführung und damit über die Möglichkeit der Einflussnahme auf dieselbe verfügen. Zur Begründung führt er an, ihre Rechtsstellung und Interessen liefen nicht denen eines Anteilseigners gleich, sondern seien vielmehr Ausdruck eines Interessengegensatzes. 252 Hinterfragt man diese, auf einen dem künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen widersprechenden Interessengegensatz beruhende Nichteinbeziehung von Fremdkapitalgebern, findet man eine genauere Begründung in dem von Habersack/Huber verfassten grundlegenden Beitrag zur Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen. 253 Hierin heißt es, de lege ferenda – mithin gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO – sollte die Rückstufung auf Forderungen der Gesellschafter beschränkt werden. Man solle es der Rechtsprechung überlassen, zu entscheiden, ob „in besonderen Einzelfällen“ die Regelung im Wege der Analogie auf Dritte in gesellschaftergleicher Position erstreckt werden kann. Eine gesetzliche Regelung in diese Richtung empfehle sich – scil. abweichend von der derzeitigen Rechtslage gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG! – nicht. Sie könnte allzu leicht ein Eigengewicht entwickeln und zu einer Einbeziehung von einflussreichen Drittgläubigern, insbesondere Kreditinstituten, führen, die durch die ratio legis der Rückstufung nicht gerechtfertigt und rechtspolitisch unerwünscht sei. Kreditinstitute dürften, solange sie sich an der Gesellschaft nicht als Gesellschafter beteiligen, nicht Gefahr laufen, dass ihre Kredite zurückgestuft und ihre Kreditsicherheiten gemäß § 135 Nr. 1 E-InsO angefochten 251

Vgl. Habersack/Huber, BB 2006, 1, 4 ff. Habersack, ZBB 2006, 494, 499; Huber, FS Priester, S. 259, 279, der die Möglichkeit der Einbeziehung eines (nur) stillen Gesellschafters jedoch ausdrücklich für möglich hält (S. 280 f.). 253 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 399. 252

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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würden. Im Interesse einer reibungslosen Kreditversorgung der Gesellschaften, insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Sanierungsfälle, dürfe hieran „nicht der geringste Zweifel“ bestehen. Eine Einbeziehung Dritter, die nicht Gesellschafter im förmlichen Sinn sind, dürfe deshalb nur mit großer Behutsamkeit erfolgen und sollte durch „irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen“ nicht gefördert werden. b. Kritische Würdigung Auf der Grundlage dieser Ausführungen scheint sich das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen geradezu umgekehrt zu dem hier vertretenen Ansatz dahingehend zu entwickeln, dass die Einbeziehung Dritter nicht erleichtert, sondern erschwert wird. In teilweise kritischer Ablehnung der bisher herrschenden Meinung, wonach Dritte bereits de lege lata wegen ihrer Nähe zu einem Gesellschafter254 oder wegen ihrer atypischen stillen Beteiligung eine Umqualifizierung ihrer Finanzierungsbeiträge erfahren, 255 sprechen sich Huber/Habersack geradezu begriffsjuristisch für einen formalen Gesellschafterbegriff aus und wollen damit die Einbetziehung Dritter verhindern. 256 Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch einige Einwände gegen die Überzeugungskraft dieser Argumentation. Selbst wenn man anerkennt, dass Huber/Habersack wichtige Wegbereiter der Neuregelung sind, bedeutet dies nicht, dass deren Ansichten für die Auslegung und Fortbildung „ihrer“ Regelung allein maßgeblich wären. Wenn methodologisch Raum dafür besteht, den Willen des historischen Gesetzgebers im Wege der Auslegung und Rechtsfortbildung zu überwinden, 257 gilt dies hierfür erst recht. Immerhin findet sich bereits in der Begründung des Referentenentwurfs zum MoMiG der Hinweis, dass mit Ausnahme der nicht mehr erforderlichen Merkmals „kapitalersetzend“ der bisherige § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG „sachlich übernommen“ werde. 258 Dies muss man zumindest als eine stillschweigende Billigung der bisherigen herrschenden Meinung, insbesondere der Rechtsprechung des BGH zum „atypischen Pfandgläubiger“259 und „atypischen Stil254

Oben III 1. Oben III 2 c. 256 Paradigmatisch Huber, FS Priester, S. 259, 279, indem er darauf abstellt, die geplante Neuregelung enthalte abweichend von § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG keinen Wortlautbezug auf „Dritte“ mehr, was nach der eindeutigen Gesetzesbegründung, wonach die Erstreckung der insolvenzrechtlichen Subordination auf Nichtgesellschafter nicht geändert werden soll, zuwider läuft (vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 zu § 39 Nr. 5 E-InsO, S. 130, wonach der bisherige § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG „in personeller Hinsicht [„Dritte“] und sachlicher Hinsicht übernommen“ werde). 257 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 149 ff. 258 Begründung des MoMiG zu Nr. 4 – Änderung von § 39, S. 83; wortgleich die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 (oben Fn. 398). 259 BGHZ 119, 191. 255

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

len“260 werten. 261 Bereits deswegen bestehen daher erhebliche Zweifel, ob sich die restriktive Tendenz, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen auch auf Dritte zu erstrecken, auch dogmatisch begründen lässt. aa. Etablierung eines nicht begründbaren Bankenprivilegs Ziel der restriktiven Interpretation der Neuregelung in Bezug auf Dritte von Habersack/Huber ist vornehmlich, eine Rückstufung von Bankendarlehen zu verhindern. Eine derartige Diskussion besteht indessen bereits im geltenden Eigenkapitalersatzrecht seit langem. Bis zur Einfügung des Sanierungsprivilegs gemäß 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG im Jahr 1998 gab es immer wieder Stimmen, die sich dafür aussprachen, Bankenkredite aus dem Recht des Eigenkapitalersatzrechts herauszunehmen. Die herrschende Meinung ist dem zu Recht nicht gefolgt.262 Zum einen erscheint es bereits geradezu ideologisch, die Kreditversorgung durch Banken ohne gesetzliche Grundlage zu einem über jeden Zweifel erhabenen Umstand zu erheben, der eine derartige Bereichsausnahme zu rechtfertigen vermag. 263 Dieser Ansatz wäre genauso konturenlos wie die umgekehrten Versuche, gerade den Banken eine besondere Verantwortung aufzuerlegen.264 Auch die der Ansicht innewohnende Tendenz, in den mittels Covenants einflussnehmenden Banken „die Guten“ zu sehen und möglicherweise im Umkehrschluss hierzu die zunehmend einflussnehmenden Finanzinvestoren („Heuschrecken“) als gefährlich einzustufen und konsequenterweise unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zu fassen, lässt sich ohne entsprechende dogmatische Grundlage nicht verwirklichen. Insofern sprechen vielmehr zwei Gründe dafür, das von Huber/Habersack befürwortete Bankenprivileg auch künftig abzulehnen. Zum einen folgt aus dem bereits erwähnten allgemeinen Sanierungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG („erwirbt ein Darlehensgeber“), welches nach § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO auch künftig gelten und auf alle „Gläubiger“ ausgeweitet wird, dass spätestens seit 1998 eine rollenspezifische Einschränkung des Eigenkapitalersatzrechts bzw. Rechts der Gesellschafterdarlehen nicht mehr der Konzeption des Gesetzes entspricht. Immerhin besteht heute Einigkeit, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung auf die vor allem die Kreditinstitute betreffende „Sanierungs260

BGHZ 106, 7. Diese Entscheidungen werden von Habersack/Huber konsequenterweise kritisiert (in Lutter [Hrsg.], Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 399); nicht jedoch die Einbeziehung des atypischen Stillen (vgl. Huber, FS Priester, S. 259, 280 f., der dies nach wie vor für möglich hält). 262 Vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. 263 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 399. 264 So Gawaz, Bankenhaftung, Rn. 400; Kruppa, Bankenhaftung, S. 143 ff.; vgl. auch Hopt, FS Pleyer, 1986, S. 341, 354; vgl. auch die Rechtsprechung, die teilweise von einer „besonderen Verantwortung des Kreditgewerbes“ spricht (so OLG Köln, ZIP 2000, 742, 744 – zu § 826 BGB). 261

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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feindlichkeit“ des Eigenkapitalersatzrechts reagiert hat. 265 Ließe sich daher, wie noch herausgearbeitet wird 266 , begründen, dass auch einzubeziehende Dritte in den Genuss dieses Sanierungsprivilegs gelangen können, sind die von Habersack/Huber befürchteten Gefahren für die reibungslose Kreditversorgung durch Kreditinstitute „insbesondere in Sanierungsfällen“267 jedenfalls kein methodisch zwingendes Argument, bestimmte Dritte von vornherein nur „behutsam“ bzw. „in besonderen Einzelfällen“ unter das Recht der Gesellschafterdarlehen zu fassen. Eine gesetzliche Regelung, die auch im Vorfeld des Sanierungsprivilegs eine folgenlose Mitsteuerung von Unternehmens durch Kreditinstitute rechtfertigt, gibt es de lege lata nicht. Zu bedenken ist vielmehr umgekehrt, dass der Gesetzgeber eine solche, von Huber/Habersack favorisierte Bereichsausnahme lediglich an anderer Stelle vorgesehen hat. Nach § 24 UBGG werden Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und ihre Gesellschafter vom Eigenkapitalersatzrecht freigestellt. Die materielle Rechtfertigung wird allgemein darin gesehen, dass die hiervon erfassten Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und ihre Gesellschafter sich überwiegend in den Händen der deutschen Kredit- und Versicherungswirtschaft befinden. Diese unterlägen ganz besonderen Finanzierungsrisiken und seien Reputationsverlusten ausgesetzt, was sie in hohem Maße zu seriösen Sanierungsversuchen zwinge.268 Während einige hieraus den zynischen Schluss ziehen, alle anderen Fremdkapitalgeber würden nach der Konzeption dieses Gesetzes unseriöse Sanierungsversuche unternehmen, 269 lässt sich der Regelung doch entnehmen, dass ein vergleichbares Bankenprivileg im Umkehrschluss zu den Unternehmensbeteiligungsgesellschaften nicht besteht. Wollte der Gesetzgeber der Forderung von Huber/Habersack Geltung verschaffen, wäre eine entsprechende Änderung des KWG geboten. bb. Zweifelhafter Schutz der „reibungslosen Kreditversorgung“ Dass dies bisher nicht erfolgt ist und künftig auch nicht zu erwarten ist, soll nachfolgend aufgezeigt werden. (1) Die Janusköpfigkeit des Marktes für Unternehmensfinanzierungen. Huber/ Habersack begründen ihre These von der äußersten Zurückhaltung bei der Einbeziehung von Nichtgesellschaftern als Adressaten von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO vor allem damit, dass ansonsten die „reibungslose Kreditversorgung“ gefährdet 265

Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. Unten VIII. 267 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 399. 268 Vgl. die Regierungsbegründung zum Entwurf eines UBGG, BT-Drs. 10/4561, S. 19 (zu § 4); weitere Einzelheiten bei Buck, Kritik am Eigenkapitalersatzgedanken, S. 186. 269 Meilicke, GmbHR 2007, 225, 230. 266

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

würde.270 Dies leuchtet auf den ersten Blick ohne weiteres ein. Haben die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber eine auf den Insolvenzfall bezogene Umqualifizierung ihrer Finanzierungsbeiträge zu befürchten, hält sie dies nicht nur von der Einflussnahme ab, sondern letztlich auch von der Finanzierung selbst. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die jüngere Finanzierungspraxis oftmals durch das Fehlen „klassischer“ Sach- und Personalsicherheiten gekennzeichnet ist und die Covenant-gestützte Mitsteuerung als Mittel zur Senkung des Kreditrisikos dieses Defizit kompensiert.271 Man muss daher konzedieren, dass die zunehmend flexiblen Finanzierungsformen und die hieraus resultierende enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen keineswegs a priori als unzulässige Typenvermischung zu missbilligen ist.272 Es wäre jedoch verkürzt, diesen Aspekt isoliert zu betrachten. Wie bereits herausgearbeitet wurde, ist es ebenfalls Grundlage eines funktionierenden Marktes der Unternehmensfinanzierung, dass die sog. non-adjusting creditors vorhanden sind und durch bestimmte gesetzgeberische Anreize (normatives Vertrauen) dazu angehalten werden, sich ebenfalls an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen 273 . Ein am Markt auftretendes Unternehmen kann nicht nur von den Finanzierungsbeitragen der Eigentümer und adjusting creditors aufrecht erhalten werden. 274 Der in der ökonomischen Theorie anerkannte Zusammenhang, dass die adjusting creditors bei funktionaler Betrachtung die Treuhänder der non-adjusting creditors sind, 275 legitimiert vielmehr die gesetzliche Gewährleistung, dass diejenigen, die sich nicht an der Unternehmenssteuerung beteiligen, darauf vertrauen dürfen, dass die Einflussnehmenden von den negativen Folgen ihrer Entscheidungen vorrangig betroffen sind. Der Einwand von Huber/Habersack, bei einer Einbeziehung Einfluss nehmender Fremdkapitalgeber in das Recht der Gesellschafterdarlehen würde die „reibungslose Kreditversorgung“ gestört, kann daher genauso gut umgekehrt verstanden werden: Gäbe es keine gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals, welches auch zu Lasten der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber wirkt, könnte die Kreditversorgung durch die non-adjusting creditors gestört werden. Bereits wegen dieser Ambivalenz der Marktfolgen lässt sich daher eine die Einbeziehung Dritter ausschließende gesetzgeberische Wertung entgegen Huber/Habersack nicht begründen.

270

Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 399. Oben § 2. 272 Hierzu bereits ausführlich oben § 2 IV. 273 Oben § 12 III. 274 Etwas anderes gilt freilich bestimmten Projekt- oder Konzerngesellschaften, die zur Verfolgung interner Ziele gegründet werden, und bei denen sich der Aspekt des Gläubigerschutzes regelmäßig nicht ergibt. 275 Oben § 11 I und II. 271

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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(2) Die bisherigen Haftungsgefahren für Kreditinstitute. Zum anderen ist zu bedenken, dass die von Huber/Habersack verteidigte „reibungslose Kreditversorgung“ der Gesellschaften durch Einfluss nehmende Kreditinstitute keineswegs so besteht, wie es den Anschein hat. Wie bereits erwähnt, droht nach wie vor wegen Einflussnahme die vom RG begründete Haftung gemäß § 826 BGB wegen „stiller Geschäftsinhaberschaft“.276 Die Rechtunsicherheit, die von dieser konturenlosen Haftung ausgeht, dürfte bei der in der Finanzierungspraxis zunehmenden Einflussnahme von Fremdkapitalgebern ein Umstand sein, der bereits jetzt ähnliche „Probleme“ bei der Kreditfinanzierung bereitet. 277 Will man daher nicht die Grundfrage ausblenden, ob die Einflussnahme von Dritten auf das finanzierte Unternehmen nur dann zulässig ist, soweit sich als Kompensation für die Einflussnahme ein adäquates Regime korrespondierender Gläubigerverantwortung begründen lässt, vermag die von Habersack/Huber angeführte Einschränkung des Rechts der Gesellschafterdarlehen nicht zu überzeugen. Eine „reibungslose Kreditversorgung“ im so verstandenen Sinne besteht im deutschen Recht nicht. Dies erkennen diese freilich im Ergebnis auch an, indem sie anführen, ein genereller Verzicht der zumindest im Insolvenzfall wirkenden Regeln über die Gesellschafterdarlehen würde die Gesellschafter „vom Regen in die Traufe“ bringen. Diese müssten befürchten, wegen materieller Unterkapitalisierung in die persönliche Haftung genommen zu werden. 278 Dieser Aspekt gilt für die hier interessierenden Fremdkapitalgeber gleichermaßen. Führt die Einflussnahme auf die Unternehmensführung letztlich in die massearme oder gar masselose Insolvenz, droht die Gefahr, dass diejenigen, die diesen Zustand herbeigeführt haben, den ausfallenden non-adjusting creditors hierfür im Wege einer Veranlassungshaftung gemäß § 826 BGB verantwortlich sind. 279 Für die zunehmende, nach hier vertretener Ansicht freilich nicht begründbare Einbeziehung Dritter als faktische Organe gilt dies gleichermaßen. 280 Indem eine drohende Rückstufung der Finanzierungsbeiträge ex ante die Gewähr bietet, dass die Einflussnehmenden es nicht zur Insolvenz kommen lassen, wird zumindest faktisch ein Vorrang der gesetzlichen Umqualifizierung erreicht, der die Bejahung einer sittenwidrigen Gläubigerschädigung und Haftung wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung auf die Extremfälle beschränkt, die dem Sittenwidrigkeitsver276

Oben § 4 I.; exemplarisch die Entscheidung des OLG Köln, ZIP 2000, 742, 744, in der ohne näherer Begründung von einer „besonderen Verantwortung des Kreditgewerbes“ gesprochen wird. 277 Siehe nur zum vergleichbaren Problem der faktischen Geschäftsführung Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355 278 So wörtlich Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 397. 279 Zur Gefahr einer Ausweitung der vorsätzlichen sittenwidrigen Gläubigerschädigung hin zu einer konturenlosen Erfolgshaftung ohne Vorsatzerfordernis bereits oben § 4 I 5. 280 Oben § 12 VI 2.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

dikt richtigerweise entsprechen 281 bzw. eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht darstellen. 282 cc. Der verfehlte Hinweis auf die Interessendivergenz Nicht zu überzeugen vermag schließlich auch das zentrale Argument von Habersack/Huber, die Einbeziehung Dritter wegen einer gegenüber den förmlichen Gesellschaftern bestehenden Interessendivergenz abzulehnen. 283 (1) Die Interessendivergenz als nicht begründbare Fiktion. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass diese Interessendivergenz nicht besteht. 284 Bei funktionaler Betrachtung überlassen sowohl die Fremdkapitalgeber als auch die Gesellschafter Kapital und verfolgen mit der Einflussnahme das legitime Ziel, den Finanzierungsbeitrag nebst Rendite zurückzuerhalten. Es geht somit allein darum, die Verwirklichung dieses Ziels zu ermitteln und hierüber ggf. einen Gleichlauf mit der tragenden Legitimation der insolvenzrechtlichen Subordination von Gesellschafterdarlehen herzustellen. Decken sich insofern das Verhalten der Gesellschafter mit dem der einflussnehmenden Gläubiger, indem man es als unternehmerische Tätigkeit qualifizieren kann, 285 wäre es ohne eine weitere Begründung verfehlt, Gläubiger- und Gesellschafterinteresse gegenüberzustellen und hierüber die für die Analogie bzw. Rechtsfortbildung notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlagen zu verneinen. 286 Indem die Gesellschafter nunmehr wegen ihrer kollektiven bzw. bei entsprechender Kleinbeteiligung konkreten Herrschaftsmacht über das Unternehmen eine Einschränkung ihrer Finanzierungsfreiheit erfahren, ist es gerade umgekehrt nur konsequent, auch solche Dritte in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen einzubeziehen, die sich konkret an der Steuerung des Unternehmens und damit auch des Insolvenzrisikos beteiligen, im Insolvenzfall jedoch die Rolle eines einflusslosen Insolvenzgläubigers einnehmen wollen.

281

Hierzu bereits oben § 4 I 3 Dass die Einbeziehung Dritter als faktische Organe allein insofern überzeugend ist, wurde unter § 14 II 5 a herausgearbeitet. 283 Habersack, ZBB 2006, 494, 498 f.; Huber, FS Priester, S. 259, 280. 284 Oben § 12 VI 3; zur fehlenden Ausrichtung der Einflussnahme auf ein Konzerninteresse auch § 14 I. 285 Dieses Merkmal als Legitimation der gesetzlichen Regelung explizit anerkennend Huber, FS Priester, S. 259, 280. 286 So auch zutreffend für die Einbeziehung Dritter gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG der BGH in der Pfandgläubiger-Entscheidung: „Daran ändert nichts, wenn er [scil. der Dritte] als kreditgewährende Bank mit der ihm auf sein Verlangen eingeräumten Stellung in der Gesellschaft keine unternehmerischen, sondern lediglich Sicherungsinteressen verfolgt“ (BGHZ 119, 191, 195). 282

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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(2) Die verfehlte Bezugnahme auf das lediglich de lege lata bestehende Gebot konsistenten Finanzierungsverhaltens. Der Ansatz, die Einbeziehung Dritter wegen Interessendivergenz kategorisch herauszunehmen, vermag daher allenfalls auf der Grundlage des geltenden, als Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten zu verstehenden Eigenkapitalersatzrechts gemäß § 32 a Abs. 1 GmbHG zu überzeugen. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man sich Habersacks Begründung zur Nicht-Einbeziehung Dritter de lege lata näher betrachtet. Hierin heißt es, der für die Anwendung unerlässliche Gleichlauf von Gesellschafts- und Gläubigerinteresse sei dadurch gekennzeichnet, dass der einzubeziehende Fremdkapitalgeber an einem Sanierungserfolg überproportional partizipieren müsse.287 Dass dieser Aspekt jedenfalls de lege ferenda keinen die Erstreckung auf Dritte ausschließenden Interessengegensatz zwischen Gesellschaftern und Dritten zu begründen vermag, folgt aus zwei Gründen: Zum einen beruht die Annahme auf der überholten Vorstellung, die insolvenzrechtliche Verstrickung von Finanzierungsbeiträgen erfasse Sanierungsdarlehen. Indem es nunmehr nicht mehr darauf ankommt, dass das Kapital in der „Krise“ gewährt oder stehen gelassen worden ist, kann es bei der Legitimation des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen konsequenterweise nicht mehr auf die Teilhabe am Sanierungserfolg ankommen. Man muss vielmehr umgekehrt anerkennen, dass nunmehr allein das Sanierungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO an die Krisenfinanzierung anknüpft und hierfür gerade eine Umqualifizierung ausschließt. Der Ansatz, Dritte müssten als Voraussetzung für ihre Einbeziehung am Sanierungserfolg wie ein Gesellschafter profitieren, ist daher nicht mehr begründbar. Anhand der Konkretisierung Habersacks, auf welche Weise der Dritte wie ein Gesellschafter am Sanierungserfolg profitieren soll, zeigt sich weiterhin eine mit dem künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen nicht mehr im Einklang stehende Vorstellung von der materiellen Legitimation der Umqualifizierung. Bezugspunkt für den Profit des einzubeziehenden Dritten soll nach Ansicht Habersacks nämlich nicht das Schicksal seines als Fremdkapital gegebenen Finanzierungsbeitrags sein, sondern das Schicksal seiner bereits erfolgten Eigenfinanzierung. 288 Indem Habersack die Einbeziehung Dritter auch künftig wegen Interessendivergenz ausschließen will, bedeutet dies, dass er auch de lege ferenda die materielle Rechtfertigung des Rechts der Gesellschafterdarlehen im Verstoß gegen ein Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten sieht, mithin fordert, dass derjenige, der bereits Eigenkapital gewährt hat, nur noch weiteres Eigenkapital gewähren soll. Dass dieser Ansatz wegen des eindeutigen Verzichts auf das in § 32 a Abs. 1 S. GmbHG enthaltene, bereits im Vorfeld der In287

Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 153; ähnlich Cahn, AG 2005, 217,

227. 288

Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 153.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

solvenz wirkende Gebot, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuzuführen, nicht mehr zu überzeugen vermag, wurde bereits herausgearbeitet. 289 Dies lässt sich anhand des Ansatzes von Habersack noch einmal verdeutlichen: Müsste der vom Recht der Gesellschafterdarlehen unstreitig erfasste Gesellschafter von einem Sanierungserfolg insofern überproportional profitieren, als er – anders als ein Dritter – sein Eigenkapital nebst Rendite zurückerhält, wäre es nur konsequent, das Insolvenzverfahren auch daraufhin auszurichten, dass es solange betrieben wird, bis das Eigenkapital wieder aufgefüllt wird. Dass dies gemäß §§ 1, 199 S. 1 InsO nicht der Konzeption des Insolvenzrechts und damit auch nicht der Konzeption der lediglich im Insolvenzfall wirkenden Verstrickung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO entspricht, liegt auf der Hand. Ist die Wiederauffüllung der als Eigenkapital geleisteten Finanzierungsbeiträge nicht Insolvenzziel, muss man konsequenterweise ablehnen, einen hierauf bezogenen Profit der Adressaten von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal für die Einbeziehung Dritter zu erheben. Es bleibt somit dabei, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen allein die im Vorfeld der Insolvenz erfolgte Mitsteuerung des Insolvenzrisikos sanktioniert und damit auch solche Fremdkapitalgeber einzubeziehen sind, die nicht förmlicher Gesellschafter sind oder sich bereits mit Eigenkapital an der Gesellschaft beteiligt haben.

3. Abweichende Beurteilung wegen fehlender ökonomischer Legitimation? Hiergegen könnte freilich weiterhin sprechen, dass die Einbeziehung Dritter in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen deswegen weitgehend abzulehnen ist, weil die hiermit einhergehende Subordination ohne ökonomische Legitimation ist und damit eine nur begrenzt analogiefähige Ausnahmevorschrift.290 a. Der Ansatz Eidenmüllers Wie bereits erwähnt, spricht sich Eidenmüller zwar wie hier dafür aus, Dritte im Wege der Rechtsfortbildung nach den beiden entscheidenden Gesichtspunkten des Informationsvorsprungs sowie des Einflusses auf die Geschäftsführung in das Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO einzubeziehen. 291 Letztlich handelt es sich hierbei jedoch lediglich um ein Zugeständnis an die herrschende Meinung und den eindeutigen gesetzgeberischen Willen, 289

Soeben unter IV. Hierzu aus methodologischer Sicht ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 343 ff. unter Hinweis darauf, dass eine als Ausnahmevorschrift zu sehende Norm gleichwohl kein Analogieverbot begründet. 291 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f. 290

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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Gesellschafterdarlehen und gleichzustellende Drittdarlehen in der Insolvenz in Quasi-Eigenkapital umzuqualifizieren. Im Ausgangspunkt bietet Eidenmüller vielmehr unterschiedliche Gründe dafür, die Subordination von Fremdfinanzierungen insgesamt mangels materieller Legitimation als Grundlage einer Gesellschafter- bzw. Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme abzulehnen („keine plausiblen Argumente für eine Subordinierung“) und allenfalls eine verschärfte Insolvenzanfechtung ohne Subordination befürwortet. 292 Selbst wenn Eidenmüller sich in seinen bisherigen Beiträgen noch nicht mit der hier vorgestellten zentralen Argumentation auseinandergesetzt hat, wonach die in der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals bzw. der gesetzlich erzwungenen Umqualifizierung von Fremdkapital eine auch ökonomisch gewünschte Selbstbetroffenheit und Selbstkontrolle der Herrschenden gewährleistet, was die Aufnahme von Fremdkapital der non-adjusting creditors erleichtert und damit möglicherweise der seiner Ansicht nach fehlende „plausible Grund“ ist, muss man sich doch fragen, ob die Einwände Eidenmüllers nicht insofern beachtlich sind, als sie – durchaus im Einklang mit Huber/Habersack – nicht zumindest eine restriktive Einbeziehung von Drittdarlehen begründen. Immerhin liegt insofern anders als bei den unstreitig erfassten Gesellschaftern die Argumentationslast für eine Analogie bzw. Rechtsfortbildung bei denjenigen, die sich für eine Einbeziehung aussprechen. Eidenmüller erkennt durchaus an, dass die insolvenzrechtliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen aus der Warte der Gesellschaftsgläubiger einen Nutzen hat, weil sie den Risikoanreiz der Entscheidungsträger senkt.293 Er stützt seine rechtspolitische Kritik an diesem Schutzsystem im wesentlichen auf zwei Gründe, die einer positiven Bewertung dieses Systems letztlich entgegenstünden: Zum werde der gläubigerschützende Effekt von § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO dadurch relativiert, dass sich hierdurch die außergerichtliche Krisenbewältigung verzögere. Ursächlich hierfür sei die Hinauszögerung des Zeitpunkts der Überschuldung durch die ursprünglich geplante Nicht-Passivierung solcher Darlehen gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 E-InsO.294 Zum anderen sinke infolge der im Insolvenzfall erfolgenden Subordination der Anreiz der Gesellschafter, ein Insolvenzverfahren oder ein außergerichtliches Sanierungsverfahren „proaktiv“ als Problemlösungshilfe zu nutzen. Sie hätten als Folge der Umqualifizierung

292 Diese Einschränkung bei Drittdarlehen durch eine erweiterte Anfechtbarkeit gemäß § 138 InsO für möglich haltend, diesen Ansatz jedoch nicht weiter ausführend auch Habersack, ZBB 2006, 494, 499; ähnlich Huber, FS Priester, S. 259, 280 f. (Anfechtung nach § 136 InsO anstelle einer gesetzlichen Subordination möglich). Vgl. auch die generelle Ablehnung der Subordination durch Rudolph, ZBB 2008, 82, 84 f., der sich als Alternative für schadensrechtliche Lösungen ausspricht. 293 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 55 f. 294 Vgl. Art. 9 Nr. 4 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23. 5. 2007 (abgedruckt ZIP 2007, 3).

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

weniger zu verlieren als wenn sie auch noch als Insolvenzgläubiger Ansprüche gegen die Gesellschaft haben.295 b. Kritische Würdigung Überträgt man diese Kritik an der insolvenzrechtlichen Subordination von Gesellschafterdarlehen auf die hier interessierenden Fremdkapitalgeber, vermag sie das allein an die Einflussnahme geknüpfte Konzept der Einbeziehung Dritter nicht in Frage zu stellen. aa. Die Nicht-Passivierung von Gesellschafterdarlehen als Sanierungsanreiz Zu bedenken ist einmal, dass der von Eidenmüller genannte Aspekt der Insolvenzverzögerung als Sanierungshindernis nicht zwingend ist. Die konsequenterweise auch auf Drittdarlehen zu erstreckende Nicht-Passivierung gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 E-InsO des ursprünglichen Entwurf würde den mit der Umqualifizierung bezweckten Gläubigerschutz nur dann relativieren, wenn hierdurch die Befriedigungschancen gemindert würden, es mithin vorteilhaft wäre, wenn die Überschuldung früher einsetzte. So naheliegend es ist, die materielle Insolvenz aus Gründen des Gläubigerschutzes vorzuverlegen, so sehr leidet diese seit langem immer wieder geäußerte Forderung an der Schwäche, den hierfür „richtigen“ Zeitpunkt zu finden.296 Gerade beim Überschuldungstatbestand wird zu recht oftmals kritisiert, dass es den Beteiligten nicht möglich ist, diesen zeitnah zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund vermag die künftige Nicht-Passivierung vielmehr umgekehrt einen beachtlichen Sanierungsanreiz darzustellen. Ist die finanzielle Situation so kritisch, dass es für das Vorliegen der Überschuldung iSv. § 19 InsO auf die Passivierung der potentiell verstrickten Finanzierungsbeiträge ankommt, bietet nämlich allein die Nicht-Passivierung die Chance für die Entscheidungsträger, die Krise außergerichtlich zu beheben und es damit nicht zur Insolvenzeröffnung kommen zu lassen. Wollen die Betroffenen sich hierauf mangels objektiver Sanierungschance nicht einlassen, wirken sie konsequenterweise auf eine frühzeitige Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit hin, um zumindest noch einen Teil ihrer Forderungen zurückzuerlangen. Hiervon profitieren in jedem Fall auch die potentiellen Insolvenzgläubiger: Indem entweder aufgrund privatautonomen, von der Verwirklichung eines Eigeninteresses geleiteten Handelns der potentiell von der Verstrickung betroffenen Entscheidungsträger das Insolvenzverfahren so rechtzeitig einleiten, dass die Gläubigergefährdung gering ist oder aber umgekehrt ein vom privatautonomen, von der Verwirklichung eines Eigeninteresses geleiteten Handelns geleiteter außergerichtlicher Sanierungs295 296

Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 57. Hierzu bereits oben § 6 V.

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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versuch unternommen wird, der es erst gar nicht zum Insolvenzverfahren kommen lässt. Die Nicht-Passivierung bereits gewährter Gesellschafterdarlehen führt damit nicht zwangsläufig zu einer Verzögerung der Insolvenzreife mit der Konsequenz, dass die bisher schlechte Entwicklung einfach fortgesetzt wird. Die von der Umqualifizierung betroffenen Entscheidungsträger – im hier interessierenden Kontext somit die einflussnehmenden Dritten – bekommen vielmehr eine letzte Gelegenheit, ihren Einfluss dahingehend auszuüben, dass es nicht zur endgültigen Umqualifizierung im Insolvenzverfahren kommt. Auf diese Weise wird deutlich, dass der hier vertretene Ansatz ein Mittel ist, dass sog. Akkordstörerproblem in der insolvenznahen Unternehmenskrise zumindest im Verhältnis zum finanzierten Unternehmen zu lösen.297 Die von der drohenden Umqualifizierung betroffenen Fremdkapitalgeber haben – ebenso wie die hiervon betroffenen Gesellschafter – einen Anreiz, eine erfolgversprechende Sanierung nicht zu blockieren, indem sie zum Beispiel ihre Forderungen abziehen, hierdurch die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen und nun in der Insolvenz einer Gläubigeranfechtung gemäß § 135 Nr. 2 InsO unterliegen. Sie haben vielmehr den Anreiz, ihre bisher erfolgte Einflussnahme, die die jetzige Krise mit verursacht hat, insofern konsequent fortzuführen bzw. zu verbessern, indem sie – im Sinne Eidenmüllers – „proaktiv“ ihre Einflussnahme zur Krisenbewältigung einsetzen. Indem während des Gesetzgebungsvorhaben nunmehr darauf verzichtet wurde, die von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO erfassten Gesellschafterdarlehen automatisch aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmen und diese Rechtsfolge an einen Rangrücktritt zu knüpfen, 298 dürfte sich die Kritik Eidenmüllers ohnehin erledigt haben. Nach dem hier vertretenen Verständnis wäre diese Entwicklung freilich nicht zwingend gewesen, lässt sich jedoch mit dem Erfordernis nach Rechtssicherheit und der vor allem für den Geschäftsführer verhaltenssteuernden Wirkung durchaus begrüßen. bb. Die vorrangige Verlusttragung als notwendige Selbstbetroffenheit Auch der zweite Einwand Eidenmüllers, eine Subordination von Ansprüchen würde den Sanierungsanreiz senken, führt nicht dazu, das hier vertretene Konzept einer auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO gestützten Gläubigerverantwortung in Frage zu stellen. Im Ausgangspunkt ist Eidenmüller zwar durchaus zuzugeben, 297

Hierzu oben § 7 V. Vgl. § 19 Abs. 2 S. 4 E-InsO in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. 6. 2008 (BT-Drs. 16/9737), Art. 9 Nr. 4: „Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner ein Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.“ 298

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

dass das lediglich auf die Befriedigung der Insolvenz- und gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigten Gläubiger berichtete Insolvenzverfahren im Vorfeld der Insolvenz wenig Anreize dafür bietet, dass diejenigen, denen das Insolvenzverfahren nicht nützt, auf eine Vermeidung desselben hinwirken. 299 Für den Bereich der materiell-rechtlich gewährleisteten Stamm- und Grundkapitalbindung ist dies evident: Ist das hierüber gebundene Eigenkapital verbraucht, liegt es nahe, dass die Gesellschafter keine Anreize haben, das Insolvenzverfahren einzuleiten, damit darin die Fremdkapitalgeber befriedigt werden. Es droht Gefahr, dass allein auf Kosten anderer spekuliert wird.300 Die Etablierung einer gesetzlichen Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 3 AktG, § 130 a Abs. 1 HGB bzw. § 15 a E-InsO ist daher nur konsequent. Es wäre indessen verfehlt, dem künftigen, allein im Insolvenzfall wirkenden Recht der Gesellschafterdarlehen dieselben Wirkungen zuzusprechen. Indem außerhalb des Verfahrens eine Umqualifizierung nicht mehr erfolgt, liegt sein zentraler Anreiz darin, es nicht zum Insolvenzverfahren kommen zu lassen und die etwaigen Sanierungsbemühungen so nachhaltig durchzuführen, dass die Anfechtung gemäß § 135 InsO nicht droht. Besteht hierfür aus Sicht der Handelnden keine positive Aussicht, ist es wiederum geboten, von Sanierungsversuchen Abstand zu nehmen und die unternehmerische Tätigkeit frühzeitig zu beenden. Diese präventiv verhaltensteuernde Wirkung würde entgegen Eidenmüller erheblich relativiert, wenn die drohende Umqualifizierung unterbliebe und allein die Insolvenzanfechtung verschärft würde.301 Die Adressaten des Rechts der Gesellschafterdarlehen würden weniger Anreize haben, auf eine Insolvenzvermeidung hinzuwirken. Als Insolvenzgläubiger oder Inhaber eines Sicherungsrechts könnten sie im eröffneten Verfahren immer noch – auf Kosten anderer! – auf eine quotale oder gar vollständige Befriedigung hoffen. Dies kann nach dem hier herausgearbeiteten Verständnis der allein zu Gunsten der nicht einflussnehmenden Insolvenzgläubiger wirkenden Befriedigungsfunktion des Insolvenzverfahrens nicht der gewünschte Anreiz einer Verantwortung für Einflussnahme sein. Weiterhin ist zu bedenken, dass die hier herauszuarbeitende Gläubigerverantwortung ein Mittel sein soll, die Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger vom Vorwurf der unzulässigen Einmischung zu entbinden und hierzu die in der Finanzierungstheorie anerkannte Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals aufgrund einer funktionalen Betrachtung der einflussnehmenden Kapitalgeber umfassend zu verwirklichen. Die hier vertretene Einbeziehung von Dritten in das Recht der Gesellschafterdarlehen ist daher nicht an den bloßen Informationsvorsprung geknüpft, den bereits K. Schmidt zum Anlass genommen hat, langfristige Fremdfinanzierungen in analoger Anwendung von 299 300 301

Hierzu bereits oben § 6 II. Oben § 8 II. So Eidenmüller, FS Canaris, 49, 61 ff.

V. Die inkompatible Rolle der konkret einfl ussnehmenden Fremdkapitalgeber

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§ 136 InsO einer verschärften Insolvenzanfechtung ohne erzwungene Subordination zu unterziehen.302 Indem die darüber hinausgehende Beteiligung des Dritten an der Unternehmenssteuerung Grundlage einer Subordination von Fremdfinanzierungen ist, bedarf es – im Einklang mit der Finanzierungstheorie – gerade der vorrangigen Verlusttragung als Glaubwürdigkeitssignal für einen funktionierenden Markt der Unternehmensfinanzierung, der das tatsächlich vorhandene und ökonomisch gerechtfertigte Vertrauen der Kapitalgeber untereinander legitimiert.303 Insbesondere gegenüber den non-adjusting creditors wäre es daher nicht ausreichend, die mit der Selbstbetroffenheit zu erzielende Richtigkeitsgewähr, dass ihre Interessen von den Entscheidungsträgern in Verwirklichung legitimer Eigeninteressen angemessen mitberücksichtigt werden, an eine gleichrangige Verlusttragung zu knüpfen.304 In Ergänzung des bereits mehrfach angeführten Schemas der Unternehmensfinanzierung ergibt sich daher folgende umfassende Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals: Aufrechterhaltung der klassischen Zweiteilung der Unternehmensfi nanzierung durch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen Herrschaft über das Unternehmen Eigentümer („Eigenkapitalgeber“ und „hybride Gläubiger“)

ja

Teilhabe am Erfolg

Teilhabe am Misserfolg

– positiver Leverage- – Grund- und Stammkapital: ja Effekt möglich – Gesellschafter– Erleichterung bei darlehen: ja der Aufnahme von Fremdkapital Abhängigkeit

Vertrauen Nichteigentümer („typische Fremdkapitalgeber“)

nein

Festverzinsung

nein

Vertrauen Abhängigkeit Nichteigentümer („atypische Fremdkapitalgeber“)

ja

– positiver Leverage- hinsichtlich KapitalEffekt möglich anteil: ja – Erleichterung bei hinsichtlich Erfolgsder Aufnahme von prämie: ja Fremdkapital

302 K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 236 Anh Rn. 33; eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital allein wegen des über Covenants begründeten Informationsvorsprungs eines Fremdkapitalgebers lehnt er konsequenterweise ab (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 154). 303 Oben § 11 II. 304 Oben § 12 III 3.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

VI. Parallelen und Unterschiede in anderen Rechtsordnungen Es wurde bereits erwähnt, dass die Gläubigerverantwortung in anderen Rechtsordnungen auf der Grundlage einer Treuepflicht des einflussnehmenden Fremdkapitalgebers gegenüber dem finanzierten Unternehmen oder unter Rückgriff auf die Figur eines faktischen Geschäftsleiters begründet wird.305 Als zusätzliche Rechtsfolge besteht dort teilweise auch die Möglichkeit, einen Finanzierungsbeitrag des einflussnehmenden Dritten in der Insolvenz zurückzustufen. Während sich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Umqualifizierung im einzelnen vom Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO unterscheiden, zeigt sich doch, dass eine auf die Einflussnahme gestützte Subordination von Fremdfinanzierungen kein vollkommen neuartiger Aspekt ist, dem im Hinblick auf den zunehmenden Wettbewerb der Rechtsordnungen 306 als deutscher Sonderweg mit übertriebener Skepsis zu begegnen wäre.307

1. Die Rückstufung von Ansprüchen faktischer Geschäftsleiter im englischen Recht Das englischen Recht sieht zum Beispiel in sec. 215 (4) IA eine Befugnis des Gerichts zur Rückstufung von Ansprüchen der Gesellschafter gegen eine insolvente Gesellschaft vor.308 a. Einbettung der Umqualifizierung in die rule of fraudulent bzw. wrongful trading Indem, wie bereits erwähnt, auch Fremdkapitalgeber die – freilich hohen – Anforderungen an die Bejahung eines shadow directors erfüllen können,309 ist es durchaus möglich, deren Ansprüche auf Rückzahlung des investierten Kapitals in der Insolvenz zurückzustufen. Voraussetzung dafür ist allerdings wie bei einer über die Figur des faktischen Geschäftsleiters begründeten Schadensersatzhaftung, dass der betreffende Fremdkapitalgeber bei der faktischen Leitung der Gesellschaft pfl ichtwidrig handelte, mithin trotz drohender Zahlungsunfähigkeit weder für die unverzügliche Sanierung noch für die unverzügliche Liquidation der Gesellschaft sorgt.310 Solange dies nicht der Fall ist, lehnt die eng305

Oben § 12 V 3. Vgl. nur Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 1 Rn. 10 ff. (m. w. N.). 307 In diese Richtung aber – wie bereits erwähnt – Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 52 f., als Bestätigung seiner generellen Ablehnung einer Subordination von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz; zustimmend Rudolph, ZBB 2008, 82, 83 f., der sich alternativ für schadensrechtliche Lösungen ausspricht. 308 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 386. 309 Oben § 12 VI 3. 310 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 386; ein 306

VI. Parallelen und Unterschiede in anderen Rechtsordnungen

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lische Rechtsprechung eine Umqualifizierung unter Hinweis darauf, dass der Fremdkapitalgeber bei der Einflussnahme nur seine eigene Interessen als Darlehensgeber wahrgenommen hat, weitgehend ab.311 Hierdurch wird deutlich, dass die auch im englischen Recht durchaus mögliche Subordination von Fremdkapital in der Insolvenz nebst einer an die Benachteiligungsabsicht des Zahlenden geknüpften verschärften Insolvenzanfechtung für Tilgungsleistungen gemäß sec. 240 (2) IA hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen eine völlig andere Struktur aufweist als der deutsche, bereits de lege lata von der herrschenden Meinung gebilligte Ansatz, Gesellschafter- und Drittdarlehen umzuqualifizieren. Sieht man wie hier – und insofern letztlich auch im Einklang mit der herrschenden Meinung 312 – die Einflussnahme auf die Geschäftsführung als maßgebliches Kriterium für eine auf den Insolvenzfall bezogenen Verstrickung des Darlehens, handelt es sich um eine bloße Veranlassungshaftung. Demgegenüber bettet das englische Recht die Rückstufung als lediglich rechtsfolgenseitige Erweiterung in die allgemeine rule of fraudulent bzw. wrongful trading ein, mithin in eine Haftung wegen Pflichtwidrigkeit und Verschulden.313 b. Die hierauf gestützte Kritik Eidenmüllers an der Subordination von Finanzierungsbeiträgen Dass eine Veranlassungshaftung für die Betroffenen schwerer wiegt als eine Verschuldenshaftung, ist nicht von der Hand zu weisen. Man könnte daher unter Hinweis auf das englische Recht anführen, die Subordination von Finanzierungsbeiträgen der Einflussnehmenden sei ein für den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ nachteiliger Faktor, der ausländische Kapitalgeber, insbesondere Private Equity Fonds, Finanzinvestoren und Hedgefonds, davon abhielte, sich mit den neuartigen Finanzierungsinstrumenten an in Deutschland tätigen Unternehmen zu engagieren. In diese Richtung zielt letztlich auch Eidenmüller, der die rechtliche Missbilligung der Einflussnahme nicht in der Finanzierungsentscheidung sieht, sondern „allenfalls“ in den gefährlichen Investitions- und Geschäftshandlungsentscheidungen.314 Im Ergebnis begründet Eidenmüller hierüber, dass der Ansatz, eine entsprechende Einflussnahme – sei es von den Gesellschaftern oder einzubeziehenden Dritten – mittels Subordination der Finanzierungsbeiträge zu sanktionieren, von vornherein das falsche bzw. zuminAuftreten nach außen ist zumindest bei der Figur des schadow directors nicht erforderlich, vgl. Haas, NZI 2006, 494, 496. 311 Vgl. die Entscheidung des High Court in Re PFTZM, 1995 BCC 166. 312 Vgl. nur die Verstrickung des Finanzierungsbeitrags beim kleinbeteiligten Gesellschafter gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. künftig gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO. 313 So zutreffend Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 53. 314 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 f.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

dest ein sehr unspezifisches Instrument sei, um hierüber eine Verantwortlichkeit zu begründen. Konkret schlägt er vor, eine Haftung der – faktischen – Geschäftsleiter als Ersatz für das geltende und künftige Konzept der (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen wie folgt zu formulieren: 315 Geschäftsleiter, die eine Gesellschaft fortführen, obwohl sie wissen müssen, dass der Eintritt eines zwingenden Insolvenzeröffnungsgrundes im nächsten Jahr droht, sind der Gesellschaft für die dadurch bewirkte Nettovermögensminderung verantwortlich; die Haftung tritt nicht ein, wenn die Geschäftsleiter alle kaufmännisch gebotenen Maßnahmen ergriffen haben, im den Eintritt dieses Ereignisses zu vermeiden.

In diese selbe Richtung zielt letztlich auch der Ansatz Rudolphs, anstelle der gesetzlichen Subordination von Finanzierungsbeiträgen als Mittel zur Insolvenzvermeidung solvenzbezogene Ausschüttungssperren und vor allem eine hiermit einhergehende Schadensersatzhaftung der – konsequenterweise dann auch faktischen – Geschäftsführer befürwortet. 316 Insofern deckt sich sein Ansatz mit der Neufassung von § 64 Abs. 2 S. 3 E-GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 S. 2 E-AktG (Insolvenzverursachungshaftung), der jedoch nach der Konzeption des Gesetzes die gesetzliche Subordination gemäß § 39 E-InsO lediglich ergänzt und nicht ersetzt.317 Wie sich nachfolgend nochmals zeigen wird, gibt es hierfür gute Gründe. c. Kritische Würdigung des Vorrangs schadensrechtlicher Lösungen Eidenmüller ist zuzugeben, dass die Entwicklung einer neuen, über die geltende Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 64 GmbHG, § 92 AktG bzw. künftig § 15 a E-InsO hinausgehende Geschäftsleiterhaftung im Vorfeld der sich abzeichnenden Insolvenz eine große Herausforderung ist, die sich auch nach Inkrafttreten des MoMiG noch stellen wird.318 Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Neuregelungen gemäß § 64 Abs. 2 S. 3 E-GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 S. 2 EAktG Bedeutung erlangen. Das Gleiche betrifft die Haftung der einflussnehmenden Gesellschafter in Fortentwicklung der Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff319 und konsequenterweise auch die mögliche (Teilnehmer-)haftung für die hier interessierenden Fremdkapitalgeber. Man muss sich jedoch fragen, ob sich hieraus im Umkehrschluss die von Eidenmüller

315

Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58. Rudolph, ZBB 2009, 82, 91. 317 Zur Beibehaltung einer auf Finanzierungsbeiträge begründeten Verantwortung der Gesellschafter und gleichzustellender Dritter de lege ferenda bereits oben § 12 V. 318 Eine substanzielle Änderung der Insolvenzverschleppungshaftung sieht das MoMiG nicht vor, vgl. Art. 1 Nr. 44 MoMiG (ZIP 2007, 3, 21 f.); zur Effektuierung der Insolvenzverschleppungshaftung de lege ferenda bereits oben § 6 V. 319 Hierzu ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 361 ff. 316

VI. Parallelen und Unterschiede in anderen Rechtsordnungen

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kritisierte unspezifische und indifferente Verstrickung von Fremdkapitalbeiträgen ergibt.320 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass das von Eidenmüller und Rudolph kritisierte Konzept des (künftigen) Rechts der Gesellschafterdarlehen keineswegs die an eine Finanzierungshandlung anknüpfende Subordination von Fremdkapital ist, welche den eigentlich gefährlichen Aspekt der Investitions- bzw. Geschäftshandlungsentscheidungen außer Acht lässt. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die die Gesellschafter im Regelfall treffende Umqualifizierung an deren kollektive Herrschaftsmacht anknüpft, über die Grundlagen der Gesellschaften und – ggf. vermittelt über einen zu ihrer Interessenwahrung verpflichteten Geschäftsleiter – Geschäftsführungsmaßnahmen zu entscheiden.321 Beim Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 E-InsO und bei der für die Einbeziehung von Dritten notwendigen konkreten Einflussnahme auf die Geschäftsführung ist dieser Zusammenhang evident: Auch das Recht der Gesellschafterdarlehen versteht sich daher als eine Sanktionierung fehlerhafter Investitions- bzw. Geschäftshandlungsentscheidungen; immerhin ist die unternehmerische Tätigkeit mit Insolvenzreife gescheitert.322 Bei der Kritik Eidenmüllers kann es somit allein darauf ankommen, ob die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Subordination angemessen und einer – zum Beispiel dem englischen Recht vergleichbaren – Geschäftsleiterhaftung unterlegen sind. Wie für den hier interessierenden Bereich der Einflussnahme durch Dritte bereits zu Beginn der Arbeit herausgearbeitet wurde, stellt sich diese Frage im deutschen Recht bereits seit langem. Indem es eine starke herrschende Meinung gibt, die Einflussnahme von Fremdkapitalgebern über § 826 BGB323 bzw. die Figur des faktischen Geschäftsleiters324 rechtlich erfassen, hängt die Überzeugungskraft des Konzepts, Dritte wegen ihrer Einflussnahme als Adressaten von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO anzusehen, ebenfalls von der Abgrenzung zu diesen Ansätzen ab. Hierbei zeigte sich an verschiedenen Stellen, dass die auf den Finanzierungsbeitrag bezogene Selbstbetroffenheit des Entscheidungsträgers als Grundlage einer Gläubigerverantwortung nicht nur die in der Finanzierungstheorie anerkannte Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals verwirklicht. Wichtiger ist, von der konkret drohenden, auf den Insolvenzfall bezogenen Verstrickung des Kapitalbeitrags ex ante der Anreiz ausgeht, den Eintritt der Insolvenz zu vermeiden – und zwar über den Zeitraum der Anfechtungsfristen gemäß § 135 InsO hinaus. Dieser Anreiz die Einflussnahme effektiv zur Insolvenzvermeidung auszuüben, ist unter drei Aspekten stärker als der Anreiz, der

320 321 322 323 324

Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 f. Oben II. Vgl. oben § 8. Oben § 4 I. Oben § 12 VI 2.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

von einer im Hinblick auf Tatbestand und Rechtsfolgern letztlich konturenlosen Schadensersatzhaftung ausgeht. aa. Die übersehene Dichotomie von Eigen- und Fremdinteresse Zum einen beruht er darauf, dass jemand in legitimer Verfolgung seiner Eigeninteressen auf die Insolvenzvermeidung hinwirkt und nicht aufgrund einer Pflicht, fremde Interessen zu wahren. Billigt man dem einflussnehmenden Fremdkapitalgeber das wegen der Selbstbetroffenheit nicht gerichtlich kontrollierte Recht zu, die Einflussnahme zur Vermeidung der Insolvenzgründe im eigenen Interesse einzusetzen, wird dieser Effekt leichter erzielt, als wenn man den Dritten auf Grund einer entsprechenden Pflicht als faktischer Geschäftsleiter zur fremden Interessenwahrung verpflichtet. Immerhin droht dort stets die Annahme der Pflichtwidrigkeit wegen des Umstands der Verfolgung von Eigeninteressen.325 Eine Schadensersatzhaftung wegen faktischer – sorgfaltwidriger – Geschäftsführung läuft so Gefahr, eine gegenüber dem eigentlichen Regelungsanliegen, den Außeneinfluss sachgerecht und auf die Bedürfnisse der jüngeren Finanzierungspraxis abzustimmen, überschießende „Allzweckwaffe“, unter dem letztlich nicht konkret begründeten Vorwurf der unzulässigen Einmischung eine Insolvenzverursachungshaftung zu begründen. Was für den per se pflichtengebundenen Unternehmensleiter gemäß § 64 Abs. 2 S. 3 EGmbHG bzw. § 92 Abs. 2 S. 2 E-AktG ohne weiteres begründbar ist, lässt sich den in legitimer Verfolgung von Eigeninteressen handelnden Fremdkapitalgeber nicht übertragen.326 bb. Die begrenzte, aber effektive Disziplinierung der Gläubiger Zum anderen ist zu bedenken, dass der Verlust des investierten Kapitals unter Umständen stärker spürbar ist als die drohende Haftung mit – möglicherweise noch nicht vorhandenem – Vermögen. Dies mag vor allem bei den hier interessierenden adjusting creditors, die ja zumeist institutionelle Investoren sind, überraschen, verfügen diese doch regelmäßig über ein großes Vermögen. Einen gewissen Beleg dafür, dass eine Verstrickung geleisteter Finanzierungsbeiträge die Einflussnehmenden stärker diszipliniert als eine Schadensersatzhaftung, folgt jedoch daraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen präziser und weniger komplex sind. Der Einflussnehmende wird sich daher umso mehr bemühen, es nicht zur Rückstufung kommen zu lassen. Als Parallele sei nochmals auf die bei den Gesellschaftern einer GmbH oder AG seit längerem vorhandene Zweispurigkeit der – materiell- und insolvenzrechtlichen – Kapitalbindung und der nunmehr auf § 826 BGB gestützten Exis325 326

Hierzu oben § 12 VI 2. Siehe bereits oben § 14 II.

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tenzvernichtungshaftung hingewiesen. Wenngleich der BGH seit der Entscheidung in Sachen „Trihotel“ nunmehr ausdrücklich eine Subsidiarität der Schadensersatzhaftung ablehnt,327 ist es doch zumindest faktisch so, dass die geltende Kapitalbindung gemäß §§ 30, 31 GmbHG bzw. §§ 57, 62 AktG und die Umqualifizierung von Fremd- in Quasi-Eigenkapital gemäß § 32 a GmbHG im Regelfall liquider beweisbar sind und der Schadensersatzhaftung so eine Ergänzungsfunktion zukommt. Für das hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen erheblich vereinfachte Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 EInsO gilt dies umso mehr. Es mag daher vielleicht banal klingen, aber eine gesetzliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen im Insolvenzverfahren scheint vor diesem Hintergrund als „Spatz in der Hand“ weit effektvoller sein, die Einflussnehmenden auf das Ziel der Insolvenzvermeidung hin zu bewegen als die „Taube auf dem Dach“ in Gestalt einer komplexe Schadensersatzhaftung. Die derzeitige Tendenz des Gesetzgebers, gesetzliche Stamm- bzw. Grundkapitalbindung, insolvenzrechtliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen in der Insolvenz gemäß § 39 E-InsO und schadensrechtliche Lösungen (Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB, Insolvenzverursachungshaftung gemäß § 64 Abs. 2 S. 3 E-GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 S. 2 E-AktG) nebeneinander zu stellen, kann insofern als Versuch angesehen werden, welches dieser Instrumente letztlich überzeugt und die eine oder andere Streichung ermöglicht. Sollte dies die Regelung des § 39 E-InsO betreffen, vermag konsequenterweise auch das hier vertretene Konzept einer Gläubigerverantwortung keine analogiefähige Grundlage mehr zu haben. Bis dahin aber ist die gesetzliche Subordination von Finanzierungsbeiträgen geltendes Recht und daher eine taugliche Grundlage zur rechtlichen Bewältigung hierüber einen Beitrag zur rechtlichen Bewältigung der externen Corporate Governance. cc. Fehlende Rechtssicherheit Zu bedenken ist schließlich, dass die Einbeziehung von Dritten in das Recht der Gesellschafterdarlehen auch für diese Rechtssicherheit mit sich bringt. Die Notwendigkeit, in der – nach erfolgter Umqualifizierung der Drittdarlehen – massearmen bzw. masselosen Insolvenz den Dritten auch noch wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung in eine theoretisch unbeschränkte Schadensersatzhaftung aufzuerlegen, dürfte geringer sein, als in dem Fall, dass eine Subordination nicht möglich ist. Immerhin hat der Einfluss nehmende Fremdkapitalgeber ja ebenfalls etwas verloren. Solange daher nicht ein bestimmtes Verhalten der Insolvenzverschleppung, mithin das Abhalten von der gebotenen Antragstellung,328 vorliegt oder der Fremdkapitalgeber dem Unternehmen wie bei der Figur des existenzvernicht327 328

ZIP 2007, 1552. Hierzu bereits § 4 I 6 c.

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enden Eingriffs mehr Kapital oder Betriebsmittel entnimmt als es seinem Finanzierungsbeitrag entspricht,329 sollte man sich daher entgegen Eidenmüller und Rudolph für einen Vorrang der insolvenzrechtlichen Subordination von Finanzierungsbeiträgen gegenüber einer Haftung für sorgfaltswidrige Geschäftsführung aussprechen. Dass das englische Recht einen anderen Weg beschreitet, spricht jedenfalls nicht hiergegen. Der durch die Niederlassungsfreiheit verstärkte Wettbewerb der Gesellschaftsrechte ist nämlich ambivalent. Auch das englische Recht wird sich künftig daran messen müssen, welche Rechtsunsicherheit von der rule of fraudulent bzw. wrongful trading ausgeht bzw. von der konturenlosen Möglichkeit, Finanzierungsbeiträge in der Insolvenz zurückzustufen.330 Solange sich daher der deutsche Gesetzgeber nicht dazu entschließt, das Recht der Gesellschafterdarlehn als unspezifisch und indifferentes Regime331 abzuschaffen, vermag die Kritik Eidenmüllers eine der Konzeption des § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO entsprechende Einbeziehung Dritter wegen ihrer Einflussnahme auf das Unternehmen nicht auszuschließen.

2. Die erzwungene Rückstufung von Darlehen Dritter im US-amerikanischen Recht Im US-amerikanischen Rechtskreis werden Gesellschafterdarlehen traditionell nach der Doktrin der Equitable Subordination in der Insolvenz zurückgestuft und in jüngerer Zeit unter dem Aspekt der Recharacterization in Eigenkapital umqualifiziert. Diese Rechtsfolgen können auch Darlehen von Dritten treffen.332 a. Equitable Subordination bei missbräuchlicher Innehabung und Ausübung von Indirect Control Die erzwungene Rückstufung von Drittdarlehen in der Insolvenz des finanzierten Unternehmens wurde erstmalig in der Entscheidung Taylor v. Standard Gas & Electric Co. aus dem Jahr 1939 begründet und findet seitdem als sog. 329 Zur Subsidiarität der Haftung wegen existentvernichtenden Eingriffs gegenüber dem Recht der Kapitalerhaltung und konsequenterweise auch gegenüber dem Recht der Gesellschafterdarlehen bereits oben § 4 I 6 a 330 Dass aus kontinentaleuropäischer Sicht bereits die Tendenz besteht, die bisherige Praxis als zu liberal anzusehen, verdeutlicht die Aussage Goettes, man werde in Deutschland „schlummerndes englisches Gesellschaftsrecht zum Leben erwecken“ (Goette, in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2005, S. 1). 331 So Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 58 f. 332 Zum Nachfolgenden ausführlich Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 72 ff.; Renger, Gläubigerschutz, S. 131 ff.; Fleischer, AG 1998, 313, 318 f.; Ebke, RIW 1987, 329, 334 ff.; Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 897 ff.; Skeel/Krause-Vilmar, EBOR 7 (2006), 259; Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 381 ff.

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„Deep Rock“-Doktrin Anerkennung.333 Sie wurde im Jahr 1979 in Zuge der Insolvenzrechtsreform in ihren wesentlichen Grundzügen kodifiziert und findet sich seitdem in sec. 510 c des Bankruptcy Code. Hiernach können Konkursgerichte die Ansprüche eines Kreditgebers gegen das finanzierte Unternehmen den Ansprüchen anderer Gläubiger unterordnen, wenn es der Billigkeit entspricht.334 So heißt es: „After notice and a hearing, the court may (1) under principles of equitable subordination, subordinate for purposes of distribution all or part of an allowed claim to all or part of another allowed claim or part of an allowed interest to all or part of another allowed interest; or (2) order that any lien securing such a subordinated claim be transferred to the estate.“

Die genauen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rückstufung von Darlehen und die Nichtigkeit diese Darlehen betreffender Sicherheiten werden hierin nicht genannt. Sie sind Gegenstand der seit langem richterrechtlich konkretisierten Equity-Prinzipien (vgl. soeben: „under principles of equitable subordination“).335 Hierbei haben sich zwei Fallgruppen herausgebildet. Unter dem Aspekt der direct control richtet sich die Rückstufung von Darlehen in erster Linie an Mehrheitsgesellschafter mit beherrschendem Einfluss (controlling shareholder).336 Ein Einfluss nehmender Kreditgeber kann jedoch auch ohne Mehrheitsbeteiligung zum Sachwalter eines Kreditnehmers werden, indem er indirect control ausübt. Die Voraussetzungen, hierüber eine equitable subordination von Forderungen zu begründen, werden von der Rechtsprechung wie bereits bei der Figur des faktischen Geschäftsleiters herausgearbeitet,337 sehr streng gehandhabt, weil es auch hier gilt, die Verfolgung legitimer Eigeninteressen als Fremdkapitalgeber von der sanktionswürdigen Einflussnahme abzugrenzen. Die Anforderungen, nach denen eine equitable subordination bei „herrschenden Gläubigern“338 in Betracht kommt, werden von der Rechtsprechung unterschiedlich umschrieben. Mal bedarf es der Innehabung von „operating control“339, mal „substantial control“340 , mal „virtually complete cont-

333 Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U. S. 307 (1939); zum Ganzen aus dem USamerikanischen Schrifttum Clark, 90 Harv. L. Rev. (1977), 505, 517 ff.; Hass, 135 U. Pa. L. Rev. 1321 (1987); vgl. auch Skeel/Krause-Vilmar, EBOR 7 (2006), 259, 263 f. 334 Überblick über die Möglichkeiten der hierauf bezogenen Insolvenzanfechtung im Fall der Rückzahlung solcher Forderungen bei Eidenmüller, FS Canaris, S. 39, 53. 335 Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 73. 336 Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U. S. 307 (1939); Pepper v. Litton, 308 U. S. 295, 60 S. Ct. 238 (1939). 337 Oben § 12 VI 2. 338 So Fleischer, ZIP 1998, 313, 319. 339 In re Badger Freightsways, Inc., 106 B. R. 971, 977 (Bankr. N. D. Ill. 1989). 340 Matter of Pinetree Partners Ltd., 87 B. R. 481, 489 (Bankr. N. D. Ohio 1988).

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rol“341. Dass diese Kriterien in der Praxis kaum erfüllt werden, soll anhand einiger Beispiele aus der Rechtsprechung skizziert werden. aa. Beispiele aus der Rechtsprechung Im Fall In Re W. T. Grant Co.342 machte das Unternehmen geltend, die Bank habe sie durch beherrschenden Einfluss zum Abschluss von Sicherungsverträgen gezwungen. Das Gericht ließ dies für eine equitable subordination von Forderung und Sicherheit nicht ausreichen und begründete dies damit, dass der Kreditgeber ein „wachsames Auge“ auf seinen Schuldner haben dürfe, solange er nicht ausschließlich („solely“) seine eigenen Interessen verfolge. Diese Entscheidung ist auf den ersten Blick widersprüchlich und erklärt sich nur unter Rückgriff auf die im US-amerikanischen Recht das Kreditverhältnis umfassend überlagernden fiduciary duty.343 Einerseits wird dem Kreditgeber das Recht zugebilligt, seine eigenen Interessen durchzusetzen, andererseits hat er dabei aber in angemessenem Umfang die Interessen des Kreditnehmers mitzuberücksichtigen. Eine herrschaftsbezogene Aufteilung der Verantwortungsbereiche für das unternehmerische Risiko beim Finanzierungsvertrag, wie sie den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung im deutschen Recht zu Grunde liegt,344 besteht daher im US-amerikanischen Recht nicht. Beide Parteien dürfen ihre eigenen Interessen auch durch Einflussnahme auf den jeweils anderen verfolgen und brauchen solange keine Nachteile zu befürchten, als hierbei angemessen Rücksicht genommen wird. Im Fall Harris Trust & Savings Bank v. Keig setzte die Bank unter der Drohung, die Kredite zu kündigen, durch, dass das Unternehmen einen bestimmten Manager einstellte und dieser nicht mehr entlassen werden durfte.345 Er erhielt zudem weitgehende Befugnisse und stimmte seine Personalentscheidungen stets mit der Bank ab.346 Während das Instanzgericht noch eine hierdurch begründete Beherrschung des Unternehmens durch die Bank bejahte, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung auf: Solange keine besonderen Umstände in der Person des Kreditnehmers wie Alter, Krankheit oder sichtbare Unerfahrenheit die Bank zur Rücksichtnahme verpflichteten, dürfe sie ihre Überlegenheit bei den Verhandlungen in die Waagschale werfen. Sachwalterpflichten unter dem Aspekt der indirect control oblagen ihr nicht.347

341

In re Obsome, 42 B. R. 988, 997 (W. D.Wis. 1984). 699 F 2d 599 (2d Cir.), cert. denied sub nom. Cosoff v. Rodman, 464 U. S. 822 (1983); vgl. auch Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 74. 343 Hierzu bereits oben § 12 VI 2 sowie Möllers, Bankenhaftung, S. 60 ff. 344 Oben § 13 III 1. 345 98 F.2d 952 (7th Cir. 1938). 346 Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 75. 347 Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 75. 342

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Im Fall In Re Teltronics Services Inc. machte ein Kreditnehmer control geltend, weil er laut Darlehensvertrag bestimmte Güter von dem Kreditgeber kaufen musste und es ihm darüber hinaus verboten war, ein Darlehen von anderer Seite aufzunehmen.348 Nach Ansicht des Gerichts führte dies nicht zu einer equitable subordination, weil die Geschäftsführer des Schuldnerunternehmens von der Bank unabhängig waren und die Bank keine Anteile am Untenehmen besaß und auch nicht in das laufende Geschäft eingriff. Erst wenn der Kreditnehmer durch den Einfluss des Kreditgebers seine Identität verliere, könne man an Sachwalterpflichten denken.349 So heißt es wörtlich: „there is nothing inherently wrong with a creditor carefully monitoring his debtor’s financial situation, or with suggesting what course the debtor ought to follow“.350 Wann ein solcher Verlust an Identität vorliegen kann, wurde im Fall In Re T. E. Mercer Trucking Co. deutlich gemacht.351 In einem Darlehensvertrag war festgelegt, dass Kreditgeber und Kreditnehmer gemeinsam die Konten des Kreditnehmers kontrollierten und der Kreditgeber große Schecks gegenzeichnen musste. Dieser durfte auch ein Mitglied in das board of directors des Kreditnehmers entsenden und einen Mitarbeiter an den laufenden Geschäften beteiligen. Der Kreditgeber bestimmte ferner die Gehälter der leitenden Angestellten und sollte bei Streitigkeiten über die laufende Geschäftsführung das „letzte Wort“ haben.352 Nach Ansicht des Gerichts könne hierdurch ein Fall der indirect control immerhin möglich sein.353 Eine erfolgreiche Berufung auf die equitable subordination erfolgte schließlich im Fall In Re American Lumber Co.354 Hier ließ sich eine Bank 92% der Stimmrechte und die Konten für den Fall des Verzugs sicherheitshalber übertragen. Weiterhin bestimmte die Bank allein die vom Schuldner zu zahlenden Außenstände und genehmigte nur solche Zahlungen, die für sie selbst vorteilhaft waren.355 Auch veranlasste sie die Entlassung von Angestellten des Kreditnehmers und eine Gehaltskürzung der Geschäftsführer. Insbesondere wegen des zusätzlichen Umstands, dass die Bank den übrigen Gläubigern vorgespiegelt habe, sie tue alles, um deren Interessen zu schützen, bejahte das Gericht die notwendige control.356 348

29 Bankr. 139 (Bankr. E. D. N. Y. 1983). Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 75 f. 350 In re Teltronics Services Inc., 29 Bankr. 139, 171 (Bankr. E. D. N. Y. 1983), ähnlich Baird, Elements of Bankruptcy, S. 168. 351 16 Bankr. 176 (Bankr. N. D. Tex. 1981); Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 76. 352 Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 76. 353 In re T. E. Mercer Trucking Co., 16 Bankr. 176, 189 -190 (Bankr. N. D. Tex. 1981). 354 5 Bankr. 470 (1979), affirmed, 7 Bankr. 519 (Bankr. D. Minn. 1980); Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 76 f. 355 Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 77. 356 In re American Lumber Co., 5 Bankr. 470, 473 (1979), affirmed, 7 Bankr. 519 (Bankr. D. Minn. 1980). 349

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bb. Gibt es ein privilegiertes Gläubigerinteresse auf Einflussnahme? Die letztgenannte Entscheidung zeigt, dass die Begründung einer equitable subordination nach dem US-amerikanischen Recht zwar auch Dritte wegen Ausübung von indirect control treffen kann, die Bejahung der auf Equity-Prinzipien beruhenden Voraussetzungen jedoch nur in Ausnahmefällen bei Verletzung einer dem Kreditverhältnis innewohnenden Treuepflicht in Betracht kommt.357 Eine nach dem hier vorgeschlagenen Konzept bestehende gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals durch Herstellung von Selbstbetroffenheit und damit von Entscheidungen, die auf eine Insolvenzvermeidung hinauslaufen, findet im US-amerikanischen Recht zumindest im Bereich der equitable subordination keine Entsprechung. Die Gerichte erkennen vielmehr ein legitimes Interesse der Fremdkapitalgeber an, ihren Kredit und ihre Sicherheiten durch aktives Eingreifen in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu schützen. Eine zur Umqualifizierung führende control liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Kreditgeber nicht nur Schutzmaßnahmen ergreift, sondern den Betrieb „aggressiv übernimmt“ und das Unternehmen seine Identität verliert.358 Unterhalb dieser hohen und den Gerichten viel Ermessenspielraum einräumenden Hürde bleibt es den Fremdkapitalgebern weitgehend unbenommen, ihren Finanzierungsbeitrag in der Insolvenz des Unternehmens zurückzufordern. Die Parallelen dieser Konzeption zum bereits erwähnten Ansatz von Huber/ Habersack, Dritte in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen nur im Ausnahmefall „behutsam“ einzubeziehen, um die Kreditversorgung von Unternehmen nicht zu gefährden, liegen auf der Hand.359 Der Kreditgeber darf sich hiernach der Einflussnahme auf ein Unternehmen bedienen, um hierüber seine finanziellen Interessen zu wahren und muss allenfalls bei einer konturenlosen und damit Rechtunsicherheit erzeugenden Überschreitung der Missbrauchsgrenze Sanktionen befürchten.360 Auch Goette sprach sich jungst im Zusammenhang mit der bereits genannten Entscheidung des BGH über die Wirksamkeit der Abberufung eines Vorstandmitglieds auf Druck der finanzierenden Bank dafür aus, dass man es keinem Kreditgeber verdenken könne, wenn er seine weitere Hilfe von der Auswechselung eines für den Erfolg der Maßnahme entscheidenden Geschäftsleitungsorgans abhängig mache.361 Man muss sich daher noch einmal fragen, ob der hier vertretene Ansatz, Dritte wegen ihrer Mitsteuerung auch dann in das künftige Recht der Gesellschafterdar357

So auch die Einschätzung von Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 77. So Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 77. 359 Soeben unter V 2. 360 Skeptisch gegenüber dem US-amerikanischen Konzept auch Ebke, RIW 1987, 329, 335: „gerüttelt’ Maß an Rechtsunsicherheit“. 361 Goette, DStR 2007, 263, 263; zur Entscheidung BGH, ZIP 2007, 313, bereits oben § 4 III 2. 358

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lehen einzubeziehen, wenn sie nicht missbräuchlich gehandelt haben, sondern allein einen entsprechenden Einfluss ausübten, vor dem Hintergrund der liberalen Lösung im US-amerikanischen Recht zu überzeugen vermag. cc. Kritische Würdigung Dass dies zu bejahen ist, ergibt sich aus der Gesamtschau der bereits herausgearbeiteten Einzelaspekte. Zum einen ist zu bedenken, dass die Regeltypen der Fremdfinanzierung keine Anhaltspunkte für die im US-amerikanischen Recht vorherrschende Ansicht enthalten, dass der Fremdkapitalgeber zur Sicherung seiner Gläubigerinteressen die in Rede stehende Einflussnahme auch ausüben darf.362 Vielmehr ergab die Analyse von Darlehen und stiller Beteiligung als Regeltypen der verantwortungslosen Fremdfinanzierung umgekehrt, dass die Einflussnahme zwar möglich ist, jedenfalls aber nicht mit der fehlenden Verantwortlichkeit korrespondiert. Die zu Grunde liegende Aufteilung der Verantwortung nach Herrschaftsbereichen zeigte gerade, dass die Emanzipation des Rückzahlungsinteresses vom unternehmerischen Risiko darauf beruht, dass der Kapitalgeber auf die unternehmerischen Entscheidungen keinen Einfluss nehmen kann.363 So findet die bereits erwähnte Aussage Goettes, man dürfe es einem Fremdkapitalgeber nicht verdenken, dass er zur Sicherung seiner finanziellen Interessen auf die Unternehmenssteuerung Einfluss nimmt, zumindest insofern keine gesetzliche Stütze, als man sie dahingehend interpretiert, dass dies folgenlos zulässig wäre. Wie zu Beginn der Arbeit aufgezeigt wurde, steht dieser prinzipiellen Zulässigkeit der Einflussnahme die prinzipielle Unzulässigkeit wegen „Einmischung“ gegenüber.364 Weiterhin ist zu bedenken, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen wie das geltende Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen kein Teilaspekt der Gesellschafterhaftung wegen missbräuchlichen Verhaltens, zum Beispiel wegen Verletzung einer auch im Drittinteresse bestehenden Treuepflicht, ist. Für die Umqualifizierung von Fremd- in Quasi-Eigenkapital kommt es weder de lege lata noch de lege ferenda darauf an, dass der Gesellschafter pflichtwidrig, missbräuchlich oder in sonstiger, rechtlich zu missbilligender Weise Einfluss auf das Unternehmen genommen hat. Die erzwungene Umqualifizierung ist somit kein Fall widersprüchlichen Verhaltens wegen Ingerenz, sondern ein Fall der normativen Gewichtung divergierender Verhalten nach der Protestatio-Regel.365 Den Gesellschaftern wird es verwehrt, sich in der Insolvenz auf die Rolle eines Insolvenzgläubigers zu berufen, obwohl sie im 362 Das er dies im Ausgangspunkt auch auf rechtsgeschäftlicher Grundlage kann, ergibt sich ohne weiteres aus der Vertragsfreiheit im Schuldrecht und im Recht der stillen Beteiligung. 363 Oben § 13 I. 364 Ausführlich oben § 3. 365 Hierzu ausführlich oben § 15 II.

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Vorfeld das Insolvenzrisiko mitsteuern konnten. Gewährleistet wird allein konsequentes Verhalten, ohne dass es darauf ankommt, ob die Betreffenden diesen Einfluss ausüben durften oder nicht. Würde man dies abweichend beurteilen, müsste man konsequenterweise das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen wie das US-amerikanische Recht auch dahingehgehend öffnen, dass einem Gesellschafter der Einwand zugebilligt werden müsste, seine Einflussnahme lediglich „zum Guten“ der Gesellschaft ausgeübt zu haben mit der Folge, dass eine Verstrickung des Finanzierungsbeitrags zu verneinen wäre. Mit dem Vereinfachungseffekt, der von der Neuregelung ausgeht,366 indem allein die auf die Einflussnahme gestützte inkompatible Doppelrolle eines Gesellschafters bzw. Dritten sanktioniert wird, würde dies freilich nicht im Einklang stehen. Auch hieraus folgt somit, dass eine einschränkende Interpretation von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO mit dem Ziel, die Umqualifizierung entsprechend dem US-amerikanischen Recht nur bei missbräuchlichem Verhalten für möglich zu halten, der Konzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen widersprechen würde. Schließlich ist zu bedenken, dass die equitable subordination im US-amerikanischen Recht letztlich keine überzeugenden Gründe dafür bietet, die funktional vergleichbare Einflussnahme von Gesellschaftern und Dritten allein aufgrund einer formalen Betrachtung der Stellung des Kapitalgebers abzulehnen. Beide nutzen ihren Einfluss zur legitimen Verwirklichung ihrer eigenen finanziellen Interessen und unterscheiden sich insofern von den übrigen an der Unternehmensfinanzierung beteiligten non-adjusting creditors, die einen solchen Einfluss nicht ausüben können oder wollen. Unter dem Aspekt des PrinzipalAgenten-Konfliktes ist es daher geboten, such den adjusting creditors eine vergleichbare Verantwortung wegen Einflussnahme aufzuerlegen.367 Beim Kleinbeteiligten Gesellschafter würde sich freilich niemand dem Satz Goettes anschließen, man könne ihm nicht verdenken, den Fortbestand der Darlehensfinanzierung von einer Auswechselung des Managements abhängig zu machen. Lässt man diesen Einfluss zur Bejahung des Merkmals „geschäftsführender Gesellschafter“ ausreichen 368 , erfolgt gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO eine Rückstufung des Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz, ohne dass es – im Sinne der Ingerenz – auf die rechtliche Missbilligung der Einflussnahme ankäme. Da das deutsche Recht der Gesellschafterdarlehen diesen, an die bloße Einflussnahme geknüpften Rahmen als Grundlage für eine Einbeziehung Dritter bietet, spricht daher nichts dagegen, diese Regelung konsequent fortzuentwickeln und bei vergleichbaren Dritten nicht zusätzlich zu fordern, dass diese missbräuchlich handeln.

366 367 368

Vgl. die Regierungsbegründung zu Art. 9 Nr. 5 MoMiG (ZIP 2007, 3, 32). Zur funktionalen Treuhänderstellung der adjusting creditors oben § 11 und § 12. Hierzu sogleich unter VII 1.

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b. Umqualifizierung von Fremdkapital durch Recharacterization Bestätigung findet diese Sichtweise letztlich auch dadurch, dass die bisher hohen Hürden einer Umqualifizierung von Fremdkapital im US-amerikanischen Recht künftig wohl erleichtert werden. Die vorstehend skizzierte Doktrin zur equitable subordination unterscheidet sich letztlich nur in den Rechtsfolgen von einer das Verhalten eines Fremdkapitalgebers missbilligenden Schadensersatzhaftung wegen Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Kreditnehmer oder den im US-amerikanischen Recht durchaus vorhandenen weiteren Haftungsgrundlagen.369 Einen völlig anderen Ansatz verfolgt demgegenüber die in jüngerer Zeit erwogene Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital unter dem Aspekt der recharacterization.370 Über die tatbestandlichen Voraussetzungen besteht noch keine abschließende Sicherheit. Dogmatisch betrachtet handelt es sich wohl um eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorgenommene Umqualifizierung einer durch einen Gesellschafter oder von einem Dritten erbrachten Finanzierungsleistung in gegenüber den (übrigen) Gläubigern vorrangig haftendes Eigenkapital.371 Hieraus könnte man einerseits den voreiligen Schluss ziehen, diese Rechtsfigur sei entweder überflüssig, weil die bereits das von den Parteien Gewollte herbeiführt oder umgekehrt kaum überzeugend, soweit sie dem betreffenden Kapitalgeber ohne ausreichende Legitimation den Willen unterstellt, Eigenkapital beisteuern zu wollen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass zumindest ein Ansatz, die recharacterization zu legitimieren, auf einen Interessengleichlauf zwischen Kreditgeber und Anteilseigner abstellt.372 Insofern zeigen sich durchaus Parallelen zu dem hier vorgeschlagenen Konzept. Bei der Umqualifizierung wegen recharacterization wird ebenfalls anerkannt, dass zwischen dem einflussnehmenden Fremdkapitalgeber eine Vergleichbarkeit zu den Eigentümern besteht mit der Folge, dass die Finanzierungsbeiträge in der Insolvenz gleich zu behandeln sind. Dies könnte man dahingehend interpretieren, dass sich das US-amerikanische Recht langsam von equitable subordination verabschiedet bzw. dass sich zumindest ergänzend hierzu eine dem deutschen Recht vergleichbare Sanktionierung widersprüch369 Vgl. Schlimm, Kreditgeberhaftung, S. 78 f. (Haftung des Kreditgebers wegen instrumentality, mithin einer Art stillen Geschäftsinhaberschaft), S. 82 ff. (Haftung des Kreditgebers wegen Beratung des Kreditnehmers), S. 116 ff. (Deliktshaftung wegen fraud, duress, interference). 370 Vgl. Skeel/Krause-Vilmar, EBOR 7 (2006), 259, 264 ff.; Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 382 f.; Eidenmüller, in FS Canaris, S. 49, 53: Während die equitable subordination eine richterliche Dezision sei, die ein Verhalten des Anspruchsinhabers unter Billigkeitserwägungen würdigt, lasse sich eine recharacterization demgegenüber als Erkenntnisakt im Lichte der tatsächlich gewollten und praktizierten Finanzierungsform im Einzelfall beschreiben. 371 Habersack/Huber, in Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S. 370, 382. 372 Vgl. in re Cold Harbor Associates, 204 B. R. 904, 915 (1997).

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lichen Gläubigerverhaltens herausbildet, bei der es nicht darauf ankommt, dass der Fremdkapitalgeber pflichtwidrig oder rücksichtslos gehandelt hat. Die über die recharacterization begründete vorrangige Verlusttragung kann daher auch als im US-amerikanischen Recht anzutreffende Herstellung von Selbstbetroffenheit verstanden werden, die die Richtigkeitsgewähr für sachgerechte Entscheidungen vermittelt und eine starke gerichtliche Kontrolle entbehrlich macht.

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter Steht nach dem Vorgesagten fest, dass eine analoge Anwendung des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen auch für solche Fremdkapitalgeber geboten ist, die über keine förmliche Gesellschafterstellung verfügen, jedoch – in umgekehrter Analogie zu § 39 Abs. 5 E-InsO – wegen ihrer konkreten Einflussnahme im Vorfeld der Insolvenz einem geschäftsführenden Gesellschafter gleichzustellen sind, sollen nunmehr die tatbestandlichen Voraussetzungen präzisiert werden. Sanktioniert § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO die inkompatible Doppelrolle des Kapitalgebers wegen seiner im Vorfeld der Insolvenz erfolgten Beteiligung an der Steuerung des Insolvenzrisikos, bedarf es konsequenterweise einer Einflussnahme auf die Parameter, die die Insolvenzwahrscheinlichkeit erhöhen oder reduzieren. Konkret bedeutet dies, dass sich die Einflussnahme auf Umstände erstrecken muss, die Auswirkungen auf das Eintreten der Insolvenzgründe haben, mithin den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.373 Nachfolgend sollen nunmehr die maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet werden, die eine Umqualifizierung begründen bzw. für sich genommen nicht ausreichend sind.

1. Kein Erfordernis einer Außenwirkung Auf eine Außenwirkung dieser Einflussnahme kommt es – wie es bereits nach freilich bisher nicht herrschender Ansicht bei der zivilrechtlichen Einbeziehung Dritter als faktische Organe vertreten wird 374 – nicht an. Die gesetzliche Umqualifizierung von Fremdfinanzierungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO schützt nicht das konkrete Vertrauen des Rechtsverkehrs auf ein bestimmtes Verhalten, sondern ist vielmehr selbst der normative Vertrauenstatbestand, 375 dass die Ent373

Vgl. nochmals Huber, FS Priester, S. 259, 280, der die tragende Legitimation der gesetzlichen Subordination gemäß § 39 E-InsO darin sieht, dass jemand „unternehmerisch tätig“ wird, für die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten jedoch nicht persönlich haftet. 374 Vgl. oben § 12 VI 2. 375 Zum sog. normativen Vertrauen oben § 12 III.

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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scheidungsträger die Interessen der non-adjusting creditors angemessen mit berücksichtigen. Es ist daher zwar vielfach üblich, aber für eine Umqualifizierung nicht erforderlich, dass der betreffende Fremdkapitalgeber oder ein ihm zuzurechnender Gehilfe eine Organstellung im finanzierten Unternehmen bekleidet, wie ein solches Organ nach außen auftritt oder bei (Sanierungs-)verhandlungen mit Geschäftspartnern, anderen Gläubigern oder Gesellschaftern teilnimmt und dabei die Interessen des finanzierten Unternehmens „mit vertritt“.376 Unter zwei Aspekten ist das Auftreten nach außen dennoch bedeutsam: Zum einen kann hieraus regelmäßig der Schluss gezogen werden, dass die – sogleich zu präzisierende – entsprechend notwendige Einflussnahme auf das Unternehmen tatsächlich erfolgt, so dass die Annahme einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung geboten ist.377 Im Konzernrecht ist dies insofern anerkannt, als die vergleichbaren Beweisprobleme, ob eine Einflussnahme iSv. § 311 Abs. 1 AktG vorliegt oder nicht, bei der Innehabung von Doppelmandaten durch eine „der Lebenserfahrung entsprechende widerlegliche Vermutung“ zu Lasten des potentiell Einflussnehmenden gelöst werden.378 Zum anderen wurde bereits herausgearbeitet, dass das äußere Auftreten eines Fremdkapitalgebers bei Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und Dritten Anlass sein kann, zu seinen Lasten eine Haftung gegenüber Dritten gemäß § 311 Abs. 3 BGB zu begründen, wenn der Fremdkapitalgeber in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt.379 Es kann daher sein, dass der Fremdkapitalgeber, der wegen des äußeren Auftretens als jemand, der auf die unternehmerischen Entscheidungen des finanzierten Unternehmens Einfluss nimmt, nicht nur eine Umqualifizierung seines Finanzierungsbeitrags gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO erleidet, sondern darüber hinaus den konkret auf seine Aussagen bzw. sein Verhalten Vertrauenden zum Schadensersatz verpflichtet ist, zum Beispiel wenn die

376 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 286, wonach Kreditgeber oftmals darauf drängen, dass ein Sanierungsberater oder -manager auf Seiten des Unternehmens eingeschaltet wird; ähnlich, jedoch kritischer, Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1116. – Zu den Möglichkeiten einer Zurechnung des Beraters zum Kreditgeber Engert, Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, S. 34 ff. 377 Weitergehend Fleischer, DStR 2006, 1507, 1514, wonach die „exklusive Verhandlungsführung mit allen Gesellschaftsgläubigern“ eine ausreichende – die faktische Geschäftsführerstellung begründende – Einflussnahme auf das Unternehmen darstelle (vgl. zu seinem Ansatz bereits oben § 12 V 3). 378 Vgl. nur Kropff, in MünchKomm AktG, § 311 Rn. 98 ff. (m. w. N.); ähnlich für „Substantiierungserleichterungen“ bei § 117 AktG Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 163 sowie für die Bejahung der Voraussetzungen von § 32 a GmbHG Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 62: Regeln für Anscheinsbeweis möglich, aber keine Beweislastumkehr; vgl. auch Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1118: Indizien für eine zur Umqualifizierung führende Einflussnahme. 379 Oben § 11 V.

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Darstellung der Sanierungschancen falsch ist und Dritte hierdurch zur weiteren Finanzierung veranlasst wurden.

2. Differenzierung nach unschädlicher „Warning“ und schädlicher „Guidance“ Es versteht sich von selbst, dass der Abzug von Kapital, der möglicherweise den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, für sich genommen nicht ausreicht, die schädliche Einflussnahme zu bejahen. Wie bei den dilatorisch wirkenden Einschränkungen im Vorfeld der Insolvenz erörtert, bedarf es vielmehr einer davor erfolgten Einflussnahme, die es dem Fremdkapitalgeber verwehrt, sich durch den Mittelabzug widersprüchlich zu verhalten.380 Ein Fremdkapitalgeber, der sich bisher nur über die finanzielle Situation des Unternehmens informiert hat (sog. „warning“) 381, darf somit ohne weiteres seinen Kapitalbeitrag in der Krise abziehen, ohne als Einschränkungen wegen seiner Einflussnahme hinnehmen zu müssen.382 Möglich ist freilich die allgemeine, keine Subordination herbeiführende Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129–133 InsO, wobei die Vermutung gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 und 2 InsO wegen einer durch (bloßen) Informationsvorsprung gekennzeichneten Insiderstellung eine Verschärfung begründet.383 Schädlich für eine Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags gemäß §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 E-InsO bzw. § 6 E-AnfG ist im hier interessierenden Zusammenhang der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung daher von vornherein nur der Aspekt der sog. „guidance“. Der Fremdkapitalgeber muss über die bloße Information hinaus Einfluss nehmen auf die den gesetzlichen Regeltypen der verantwortungslosen Fremdfinanzierung entsprechende eigenverantwortliche Unternehmensleitung und Schuldenregulierung des Unternehmens.384 In Anlehnung an die bereits erwähnte Fallgruppenbildung von Himmelsbach/Achsnick für die Haftung eines Fremdkapitalgebers als faktisches Organ führt es daher für sich genommen noch nicht zu einer Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags, wenn ein Fremdkapitalgeber im Rahmen einer Covenant-unterlegten Finanzierung Maßnahmen zur Verbesserung der Informa380 Oben § 15 II; abw. Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 282, wonach für die Schadensersatzhaftung aus § 117 AktG bereits ein „hohes Maß an Kontrollintensität“ ausreichen soll. 381 Zum Aspekt von „warning and guidance“ als wesentliche Funktion Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge bereits oben § 1 III. 382 So bereits de lege lata Scholz/Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 154; ebenso Fleischer AG 2004, 517, 527, zum faktischen Geschäftsführer (oben § 12 VI 2); zum Warning und Guidance beim Einsatz von Covenants oben § 1 III. 383 Zur Vorsatzanfechtung ausführlich Eidenmüller, ZHR 170 (2007), 644, 669 ff., 681 ff. 384 In diese Richtung auch Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63 f., wonach es bei einer Subordination von Drittdarlehen auf die Gesichtspunkte des Informationsvorsprungs sowie des Einflusses auf die Geschäftsführung ankomme.

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tionsbasis, wie die Einführung eines regelmäßigen Reportings, die Sicherheitenprüfung und Einsichtnahme in Kreditoren- und Debitorenlisten, die Einholung eines Gutachtens zu Überschuldung, Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit, einfordert.385 Das gleiche gilt, wenn der Fremdkapitalgeber sich über Covenants die bereits in Deutschland vielfach anzutreffenden Informationsrechte einräumen lässt, die das Unternehmen dazu verpflichten, einen Vierteljahresstatus (Bilanz, GuV, Cash Flow-Rechnungen), monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen, Berichte über die Einhaltung der – vom Unternehmen selbst festgelegten! – Finanzkennzahlen, den selbst aufgestellten Business-Plan für das jeweils nächste Geschäftsjahr oder Übersichten über das inländische Grundvermögen unter Angabe der Verkehrswerte sowie Belastungen vorzulegen.386 Auch die sog. Material Adverse Change-Klausel, wonach das Unternehmen verpflichtet ist, den Kapitalgeber über definierte oder sonstige besonders wichtige Ereignisse, die die Vermögens- und/oder Ertragslage verschlechtern oder eine Vermögensgefährdung darstellen, sofort zu informieren,387 ist für sich genommen kein Grund für eine Umqualifizierung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO. Die positiven Effekte der Wirkungsweise von Covenants als Instrument der Krisenfrüherkennung388 kommen vielmehr gerade dann zum Tragen, wenn der informierte Fremdkapitalgeber eine Unternehmenskrise frühzeitig erkennt und mangels Einräumung einer Sanierungschance über einen Mittelabzug auf den frühzeitigen Eintritt der Insolvenz hinwirkt.

3. Die Unternehmensleitung als Gegenstand der Einflussnahme Es wurde bereits herausgearbeitet, dass es de lege lata nach herrschender Meinung für die Bejahung des Merkmals „geschäftsführender Gesellschafter“ iSv. § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG und damit auch für die künftige Regelung gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO nicht darauf ankommt, ob der betreffende Gesellschafter eine Organstellung als Geschäftsführer bzw. Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied innehat oder nicht.389 Ausreichend ist vielmehr eine faktische Beeinflussung der Unternehmensführung, unabhängig davon, ob sie sich auf die „klassischen“, anhand der Organisationsstruktur des Rechtsträgers definierten Geschäftsführungsangelegenheiten iSv. §§ 35 ff. GmbHG, §§ 76 ff. AktG bezieht oder die Grundlagenentscheidungen bzw. Strukturänderungen gemäß §§ 119, 179 a AktG. Dem ist zuzustimmen. Zur Begründung lässt sich anführen, dass der Schutzzweck der insolvenzrechtlichen Verstrickung des Finanzierungsbeitrags gemäß 385 386 387 388 389

Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. Vgl. oben § 1 III 2 a. Vgl. oben § 1 III 2 a. Oben § 2 IV. Oben II 2 c.

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§ 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO nicht die innergesellschaftliche Organisationsstruktur ist, sondern das Vermögensinteresse der Insolvenzgläubiger. Dieses kann bei jeder Art der Einflussnahme betroffen sein. Gegenstand der möglicherweise eine Umqualifizierung herbeiführenden Einflussnahme des Fremdkapitalgebers ist konsequenterweise im Einklang mit der zu recht denkbar weiten Definition der Geschäftsführung jedwede rechtsgeschäftliche und tatsächliche Tätigkeit, welche Auswirkungen auf das betreffende, von der Kapitalgesellschaft oder nicht-gesetzestypischen Personengesellschaft betriebene Unternehmen hat.390 Der BGH hat dies in der Pfandgläubiger-Entscheidung zutreffend gesehen, indem er anführte, dass eine Einbeziehung in das Eigenkapitalersatzrecht dann geboten sei, wenn der Dritte „weitreichende Befugnisse auf die Geschäftsführung und die Gestaltung der Gesellschaft“ eingeräumt bekommt.391 Auch Huber spricht sich ausdrücklich dafür aus, dass die tragende Legitimation der gesetzlichen Subordination von Finanzierungsbeiträgen nach dem neuen Recht in der unternehmerischen Tätigkeit der betreffenden Person zu sehen ist.392

4. Die erforderliche Intensität der Einflussnahme Besonders problematisch ist, welche Intensität die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers auf die Unternehmensleitung haben muss. Um dies herausarbeiten zu können, ist zunächst noch einmal zu skizzieren, welche Ansichten hierzu bisher in Rechtsprechung und Literatur vertreten werden. a. Nochmals: Die bisher vertretenen Ansätze Wie bereits mehrfach erwähnt, stützten Rechtsprechung und Literatur die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme auf Unternehmen auf unterschiedliche Formeln, je nach dem, welche dogmatische Grundlage für eine solche Verantwortung herangezogen wird. aa. Die Formel der Rechtsprechung zu § 826 BGB Die wohl höchsten tatbestandlichen Anforderungen, eine Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme auf ein Unternehmen zu begründen, bestehen nach Ansicht der Rechtsprechung und der dieser zustimmenden Literatur für die Haftung aus § 826 BGB wegen stiller Geschäftsinhaberschaft. Objektives Tatbestandsmerkmal dieser Fallgruppe der Sittenwidrigkeit ist, dass der Kapitalgeber 390

Für die AG Mertens, in KölnKomm AktG, § 77 Rn. 2. BGHZ 119, 191, 195; vgl. bereits oben III 1 b. Ähnlich jüngst BGH, DB 2008, 1370, wonach für die Einbeziehung eines Dritten in das geltende Eigenkapitalersatzrecht bei der AG ein „bestimmender Einfluss“ erforderlich ist. 392 Huber, FS Priester, S. 259, 280. 391

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„den Schuldner zu seinem bloßen Strohmann erniedrigt, der nur noch nach außen hin als Inhaber des Geschäfts erscheint, ihm gegenüber aber in Wirklichkeit nur noch die Stellung eines abhängigen Verwalters hat.“393 bb. Die Formel der Rechtsprechung zu § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG In der Pfandgläubiger-Entscheidung aus dem Jahr 1992 führte der BGH aus, ein Fremdkapitalgeber trage als „atypischer Pfandgläubiger“ die Finanzierungsverantwortung, wenn er sich durch weitereichende Nebenabreden eine Position einräumen lässt, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleichsteht oder jedenfalls nahe kommt. Dies sei – ebenso beim „atypischen stillen Gesellschafter“ – der Fall, wenn ihm weitreichende Befugnisse zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung und die Gestaltung der Gesellschaft eingeräumt sind, insbesondere, wenn er wie ein Gesellschafter die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen berechtigt ist.394 cc. Die Anforderungen der Literatur zur Haftung als faktisches Organ Um einen Fremdkapitalgeber als faktisches Organ wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung in die Haftung zu nehmen, müssen nach Ansicht der Literatur unterschiedliche Anforderungen erfüllt sein.395 Während einerseits vertreten wird, die haftungsbegründende Einflussnahme könne bereits durch die Ausübung „partieller Weisungsrechte aus dem Darlehensvertrag“ gegeben sein,396 sprechen sich andere sich dafür aus, der Gläubiger müsse „deutlichen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen und damit operativ wie ein Unternehmer tätig werden“.397 Wiederum andere fordern, dass der Fremdkapitalgeber „über bloße Informations- und Inspektionsrechte hinausgehend eine breitflächige und intensive Einflussnahme ausüben“ muss.398 Wiederum anders spricht sich Fleischer dafür aus, einen Fremdkapitalgeber mit entsprechenden Geschäftsführerpflichten zu belegen, wenn er „in die gesetzliche Organisationsstruktur der Gesellschaft eindringt“. Hierzu genüge weder, dass er die Kreditausreichung an die Einhaltung bestimmter betriebswirtschaftlicher Schlüsselgrößen knüpft oder die Beiziehung von Sanierungsberatern verlangt, noch, dass er gelegentlich an Vorstandsitzungen teilnimmt. Ausreichend sei demgegenüber, wenn der Fremdkapitalgeber organtypische Entscheidungsbefugnisse wahr393

RGZ 136, 247, 258 f.; oben § 4 I 2. BGHZ 119, 191, 195 f. unter Hinweis auf BGH, WM 1989, 14; vgl. bereits oben III 1 b. 395 Wie bereits unter § 14 II 1 erwähnt, gibt es in Deutschland bisher keine Rechtsprechung, wonach ein Fremdkapitalgeber als faktisches Organ auch wegen der Verletzung von analog heranzuziehender Geschäftsleiterpflichten auf Schadensersatz haftet. 396 So Kort, in GroßKomm AktG, § 117 Rn. 125 für die Haftung aus § 117 AktG. 397 Fromm, GmbHR 2003, 1114, 1118. 398 Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 843. 394

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nimmt, namentlich die Übernahme der Finanzangelegenheiten in Krisenzeiten.399 Nach Ansicht von Himmelsbach/Achsnick sei eine faktische Geschäftsführerstellung dann zu verneinen, wenn dem Kreditnehmer der „Kern der unternehmerischen Entscheidungen sowie die wirtschaftliche Selbstständigkeit“ verbleibe.400 Hierzu müsse der Fremdkapitalgeber darauf achten, dass der Kreditnehmer noch selbstständig über die Begleichung seiner sonstigen Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Drittgläubigern entscheidet, dass er frei bleibt, uneingeschränkt Personal einzustellen und zu entlassen und deren Gehalt bestimmen kann und dass er frei bleibt, im Rahmen der eingeräumten Kreditlinie Waren oder Rohstoffe nach eigener Entscheidung zu beziehen oder herzustellen und Waren und Produkte auf die von ihm gewählte Weise zu verkaufen. Im Rahmen ihrer Fallgruppenbildung seien es „eindeutig unzulässige Maßnahmen“, wenn der Fremdkapitalgeber Kontoverfügungen untersagt, die selbstständige Auswahl und Ausführung von Überweisungen innerhalb eines freien Kreditrahmens vornimmt, eigenmächtige Entscheidungen über Kontoausgänge trifft oder Eingriffe in das Rechnungswesen und die Buchhaltung des Kreditkunden vornimmt. Das Gleiche gelte bei wiederholten Eingriffen in das Tagesgeschäft, etwa Eingriffe ins Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsgeschäft, Kundenbesuche und Eingriffe in Personaldispositionen und in betriebliche Organisationsfragen.401 dd. Die herrschende Meinung zu § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG Im Rahmen des Kleinbeteiligungsprivilegs spricht sie die herrschende Meinung dafür aus, einen „geschäftsführenden Gesellschafter“ in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen, wenn er faktisch auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt.402 Der notwendige Umfang der eingeräumten und ausgeübten Befugnisse ist hiernach – abweichend von den strengen Anforderungen der die Schadensersatzhaftung auslösenden faktischen Organstellung eines Gesellschafters403 – etwas geringer.404 So wird überwiegend bereits für ausreichend gehalten, dass der Gesellschafter Prokura oder Handlungsvollmacht hat405 oder ihm das Recht zusteht, jederzeit einen alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer 399

Fleischer, AG 2004, 517, 337; vgl. oben § 12 VI 1. Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360; vgl. oben § 14 II 1. 401 Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. 402 Oben II 2 c. 403 Oben § 12 V 3. 404 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 73; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 196; abw. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 202, der wohl dieselben Maßstäbe anlegen will. 405 Pentz, GmbHR 1999, 447; Michalski/Heidinger, GmbH, §§ 32 a, 32 b Rn. 215; hieran für den Regelfall zweifelnd Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 18. 400

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der Gesellschaft zu benennen oder abzuberufen.406 Auch individuelle Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsleitung führten zu einer Einbeziehung, sofern es sich nicht um „gegenständlich enge Einzelweisungen“ handelt. 407 b. Eigener Ansatz: Die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess Der vorstehend skizzierte Meinungsüberblick, Dritten wegen ihrer Einflussnahme auf das finanzierte Unternehmen eine besondere Verantwortung aufzuerlegen, verdeutlicht, dass die Hürde hierfür nach allen Ansichten sehr hoch ist. Die Gründe, weswegen eine geringe oder sporadische Einflussnahme unschädlich, eine umfassende hingegen schädlich sein soll, werden jedoch vielfach nicht deutlich408 bzw. sind auf die nunmehr aufgegebene Finanzierungs(folgen)veran twortung eines Gesellschafters bezogen.409 Nachfolgend soll daher für das hier entwickelte Konzept der Einbeziehung von Drittdarlehen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO eine teleologische, am Schutzzweck dieser Regelung orientierte Definition herausgearbeitet werden. aa. Die inkompatible Doppelrolle des Einflussnehmenden als Ausgangspunkt Sieht man – wie hier – die materielle Legitimation des Rechts der Gesellschafterdarlehen in einer die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gewährleistenden Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens in der (masselosen) Insolvenz, muss die tatbestandliche Präzisierung ihren Ausgangspunkt in der von der Finanzierungstheorie legitimierten Erwartung der zu schützenden non-adjusting creditors finden. Diese vertrauen bei typisierter Betrachtung darauf, dass die Entscheidungsträger wegen ihrer auf den Kapitalbeitrag bezogenen vorrangigen Verlusttragung keine Handlungen vornehmen bzw. unternehmerische Risiken eingehen, die diese vorrangige Verlusttragung eintreten lassen. Übertragen auf die gesetzliche Subordination von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz vertrauen somit die hierdurch zu schützenden Insolvenzgläubiger darauf, dass die Entscheidungsträger ihre Rechtsmacht dazu einsetzen, dass es nicht zu einer Situation kommt, in der die insolvenzrechtliche Verstrickung des Finanzierungsbeitrags gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO Einbußen bewirkt. Einem Einflussnehmenden ist es konsequenterweise dann versagt, sich

406 K. Schmidt, GmbHR 1999, 1269, 1271; Michalski/Heidinger, GmbH, §§ 32 a, 32 b Rn. 215. 407 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 75. 408 Vgl. hierzu beim faktischen Geschäftsführer bereits oben § 14 II 2. 409 Besonders deutlich Priester, FS Helmrich, 720, 732, wonach es für die Einbeziehung Dritter auf die „Finanzierungsverantwortung wegen Liquidationsentscheidungsmacht“ ankomme; vgl. hierzu bereits oben III 2 d.

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auf diese Rolle zu berufen, wenn er dieses Insolvenzrisiko im Vorfeld der Insolvenz nicht nur mitsteuern konnte, sondern tatsächlich mitgesteuert hat. 410 bb. Die Zuweisung des zufälligen Insolvenzrisikos nach Herrschaftsbereichen Will man herausarbeiten, welcher tatsächliche Gläubigereinfluss zur Bejahung einer Mitsteuerung im Vorfeld der Insolvenz und damit zur Bejahung einer inkompatiblen Doppelrolle ausreichend ist, muss weiterhin bedacht werden, dass es von vornherein nicht darum geht, die konkrete Herbeiführung der Insolvenz zum Anlass für eine Subordination zu nehmen. Das Recht der Gesellschafterdarlehen weist den von der Umqualifizierung betroffenen Einflussnehmenden auch das zufällige Insolvenzrisiko zu, ohne dass es eines Nachweises bedürfte, dass der Betreffende den Eintritt eines Insolvenzgrundes zurechenbar verursacht hat.411 Insofern unterscheidet sich die gesetzliche Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen vor allem von der die Gesellschafter ggf. zusätzlich treffenden Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs. Bei diesem kommt es nach zutreffender Ansicht darauf an, dass im Vorfeld der Insolvenz eine dem in Anspruch genommenen Gesellschafter zurechenbare „Weichenstellung ins Aus“ erfolgt ist.412 Die Begründung für die isolierte Betrachtung der tatsächlich erfolgten Einflussnahme ohne Herstellung eines Kausal- und Zurechnungszusammenhangs mit der Insolvenz folgt aus dem Umkehrschluss zu Darlehen und stiller Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der Fremdfinanzierung ohne Finanzierungsverantwortung. Wie bereits herausgearbeitet, wird gemäß § 490 Abs. 1 BGB auch das zufällige Verschlechterungsrisiko nach Herrschaftsbereichen dem Darlehensnehmer bzw. Geschäftsinhaber wegen seiner im Ausgangspunkt alleinigen Herrschaft über das hingegebene Kapital zugewiesen. Nur er hat es in der Hand, den Finanzierungsbeitrag im betriebswirtschaftlichen Prozessablauf zu verwenden, um – zumindest bei der hier interessierenden Unternehmensfinanzierung – auf diese Weise auch die später fällige Rückerstattung nebst Zinsen begleichen zu können.413 Das Kreditrisiko ist somit nach der Konzeption des Gesetzes – und im Einklang mit der Finanzierungstheorie414 – sowohl beim Darlehen als auch bei der 410 Dass dieses Erfordernis insbesondere bei der Innehabung von Organstellungen im Wege einer widerleglichen Vermutung bejaht werden kann, wurde soeben unter a herausgearbeitet. 411 So – ohne es offen auszusprechen – auch die Literatur zur Bejahung des Merkmals „geschäftsführender Gesellschafter“ iSv. § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbH, wonach es nur auf die Innehabung und Wahrnehmung einer entsprechenden Position ankommt, nicht aber auf die Folgen der Einflussnahme. 412 Prägnant Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 19. 413 Oben § 13 III 1. 414 Zur asymmetrischen Information und der Gefahr opportunistischen Verhaltens ausführlich oben § 2.

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stillen Beteiligung dadurch gekennzeichnet, dass der Kapitalgeber keine Möglichkeiten hat, auf das Vermögen des Unternehmens und dessen Verwendung Einfluss zu nehmen. Gelingt es dem Unternehmen nicht, seine finanziellen Verhältnisse eigenverantwortlich so zu gestalten, dass es nicht zu einer Gefährdung der Rückerstattung iSv. § 490 Abs. 1 BGB kommt, besteht zu Gunsten des Kapitalgebers ein vorzeitiges Lösungsrecht. Der Darlehensgeber bzw. stille Gesellschafter kann sich jedoch konsequenterweise dann nicht auf die dem gesetzlichen Regelfall entsprechende Emanzipation seines Rückzahlungsinteresses vom unternehmerischen Risiko berufen, wenn diese Trennung der Herrschaftsbereiche aufgehoben wurde, also über die Verwendung des hingegebenen Kapitals und die zur Befriedigung des künftigen Rückerstattungsanspruch durchzuführenden Maßnahmen – ex ante oder ad hoc – Absprachen bestehen.415 Da diese Aufteilung der Herrschaftsbereiche auch dem auf Befriedigung der Insolvenzgläubiger dienenden Insolvenzverfahren zu Grunde liegt, 416 bedeutet dies konsequenterweise, dass die Rolle eines Fremdkapitalgebers dann mit der eines Insolvenzgläubigers inkompatibel ist, wenn er im Vorfeld der Insolvenz in irgendeiner Weise Einfluss auf die Entscheidungen genommen hat, wie mit dem investierten Kapital und den im betriebswirtschaftlichen Prozessablauf erwirtschafteten Surrogaten verfahren werden soll bzw. welchen Risiken diese ausgesetzt werden. Auf der Grundlage einer nach Herrschaftsbereichen ermittelten inkompatiblen Doppelrolle des einflussnehmenden Fremdkapitalgebers ist somit umgekehrt zu den oben skizzierten Ansichten nicht erforderlich, dass der Dritte den „Geschäftsinhaber zum bloßen Strohmann erniedrigt“ oder ihm „weitreichende Befugnisse zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung“ eingeräumt wurden, er „deutlich“ oder „breitflächig und intensiv“ Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt bzw. „in die gesetzliche Organisationsstruktur der Gesellschaft eindringt“.417 Ausreichend wäre hiernach bereits, wenn die Einflussnahme die im Ausgangspunkt strikte Trennung der der Risikoverteilung zu Grunde liegenden Herrschaftsbereiche aufweicht und die hieraus resultierende Sphärenvermischung zur Folge hat, dass man eine eigenverantwortliche Steuerung des unternehmerischen Risikos durch das finanzierte Unternehmen verneinen muss. cc. Jedwede Sphärenvermischung als Grundlage einer Einbeziehung Dritter? Nach dem Vorgesagten wäre die Hürde für eine Einbeziehung Einfluss nehmender Dritter sowohl gegenüber der bisher herrschenden Meinung erheblich niedriger anzusetzen als auch gegenüber der Rechtslage im Ausland. Immerhin bedarf es zum Beispiel im US-amerikanischen Recht für die Bejahung der equi415 416 417

Oben § 15 II. Soeben unter IV 4. Vgl. die Nachweise soeben unter a.

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table subordination – unabhängig von dem gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO nicht maßgeblichen Missbrauch418 – einer intensiven Einflussnahme, die von den Gerichten mit operating control, substantial control und virtually complete control umschrieben wird.419 Es drängen sich daher noch einmal die bereits von Huber/Habersack geäußerten Bedenken auf, dass eine allzu leichte Einbeziehung von Dritten in das Recht der Gesellschafterdarlehen erhebliche Nachteile für die Kreditversorgung von Unternehmen durch Banken und sonstige Investoren haben kann, die entweder mangels ausreichender anderer Sicherheiten auf eine Covenant-gestützte Mitsteuerung des Unternehmens angewiesen sind oder aber diese Mitsteuerung trotz bestehender Sicherheiten dazu benutzen, das Insolvenzrisiko zu senken. Beide Aspekte sind als Einschränkungen der Vorzüge der zunehmend flexiblen Finanzierungsinstrumente ohne weiteres nachvollziehbar.420 Für ihre rechtliche Beachtlichkeit bedarf es indessen einer dogmatischen Begründung für eine restriktivere Einbeziehung von Dritten, die über das nicht gerechtfertigte „Bankenprivileg“ im Sinne von Huber/Habersack hinausgeht.421 Man muss sich daher fragen, ob die vorstehend herausgearbeitete niedrige Schwelle für die Einbeziehung Dritter nicht aus anderen Gründen höher anzusetzen ist. dd. Keine Schlechterstellung von Dritten gegenüber kleinbeteiligten Gesellschaftern Sucht man einen bereits vorhandenen Ansatz, die Schwelle für die eine Einbeziehung rechtfertigende Aufweichung der Herrschaftsbereiche zwischen Dritten und Unternehmen zu ermitteln, bietet es sich an, auf das für Gesellschafter geltende Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 E-InsO abzustellen, welches künftig einheitlich für GmbH und AG gelten wird. 422 Bei genauerer Betrachtung des Wortlauts und der Gesetzesmotive zeigt sich nämlich, dass der 1997 im Rahmen des KapAEG eingeführte § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG auch bei den echten Gesellschafterdarlehen nicht jede Aufweichung der an sich bestehenden Trennung nach Herrschaftsbereichen bei der in Rede stehenden Fremdfinanzierung für eine Umqualifizierung ausreichen lässt. Eine allzu niedrige Schwelle für die Einbeziehung Dritter würde daher eine nicht zu begründende Schlechterstellung bedeuten. De lege lata und de lege ferenda braucht ein „nicht geschäftsführender Gesellschafter“ keine Umqualifizierung zu befürchten, wenn er mit 10% oder we418 419 420 421 422

Vgl. soeben unter VI 2 a. Oben VI 2. Vgl. ausführlich oben § 1 und § 2. Oben V 2. Vgl. bereits oben II 2.

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niger am Haftkapital beteiligt ist. Hierdurch bestätigt sich zum einen nochmals, dass eine allein auf die Informationsmöglichkeiten gestützte Insiderstellung für eine Umqualifizierung nicht ausreichend ist. Das Informationsrecht steht gemäß § 51 a GmbHG jedem einzelnen Gesellschafter zu, das Auskunftsrecht in der Hauptversammlung gemäß § 131 AktG jedem Aktionär. Die 10%-Schwelle ist daher allein auf die aus der Mitgliedschaft folgende Herrschaftsmacht bezogen, mithin die Möglichkeit, in der Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung mitzustimmen. Unterhalb dieser 10%-Schwelle bedarf es zusätzlicher Umstände, mithin der – ggf. auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgenden – faktischen Beteiligung an der Geschäftsführung. Der einheitliche Zurechnungsgrund für die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen ist somit, dass jemand – vermittelt über seine Mitgliedschaftsrechte und/oder seinen tatsächlichen Einfluss – als geschäftsführender Gesellschafter anzusehen ist.423 Hieraus folgt, dass die oben herausgearbeitete Trennung der Herrschaftsbereiche für den Gesellschafter keineswegs sehr strikt gesehen werden muss, um eine Umqualifizierung auszuschließen. Ein mit 10% oder weniger am Haftkapital beteiligter Gesellschafter ist nämlich keineswegs so einflusslos, dass man von einer den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung entsprechenden vollständigen Trennung der Herrschaftsbereiche sprechen kann. Mit seiner Stimmkraft in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung kann er durchaus das „Zünglein an der Waage“ sein und eine entsprechende unternehmerische Entscheidung424 in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Dass er dennoch nicht Adressat der insolvenzrechtlichen Verstrickung seines Finanzierungsbeitrages ist, folgt aus einer typologischen Betrachtung des Gesetzes, wonach es ausreicht, dass er typischerweise einflusslos ist. Auch umgekehrt bedeutet die Innehabung von mehr als 10% am Haftkapital keineswegs, dass der vom Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftigen Recht der Gesellschafterstellung erfasste Gesellschafter die unternehmerischen Entscheidungen allein herbeiführen könnte. Immerhin hat er hierüber im Regelfall nicht die meist erforderliche einfache Beschlussmehrheit. Auch insofern handelt es sich somit um eine typologische Betrachtung, wonach es für eine Verstrickung ausreicht, dass er die unternehmensinterne Willensbildung typischerweise nicht unerheblich mitbeeinflusst. Für die unterhalb der Kleinbeteiligungsschwelle erforderliche faktische Beteiligung an der Geschäftsführung bedeutet dies konsequenterweise, dass man kein Alleinentscheidungsrecht fordern darf. Maßgeblich ist vielmehr eine wertende Betrachtung, ob der betreffende Kleingesellschafter aufgrund seiner faktischen Einflussnahme eine nicht nur unbedeutende 423

Vgl. bereits oben II 2 c. Auch bei den Entscheidungskompetenzen der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft handelt es sich um unternehmerische Entscheidungen (vgl. für die AG Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 184 ff.). 424

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Rolle bei der verbandsinternen Willensbildung über die Geschäftsführung innehat. Dies muss für die allein auf das Merkmal „geschäftsführender Gesellschafter“ bezogenen Einbeziehung von Dritten erst recht gelten, weil diese ansonsten gegenüber den Gesellschaftern schlechter gestellt wären. ee. Die wertende Betrachtung der Einflussnahme anhand des differenzierten Rollenbilds der Kapitalgeber in der Finanzierungstheorie Will man daher das Kriterium des „geschäftsführenden Gesellschafters“ – analog -heranziehen, um hierüber die Einbeziehung eines Dritten zu begründen, bedeutet dies, dass nicht jede Einflussnahme ausreichen darf, um hierin eine ausreichende Aufweichung der den Regeltypen der Fremdfinanzierung entsprechenden Trennung der Herrschaftsbereiche zu sehen. Umgekehrt darf die Schwelle nicht so hoch angesiedelt sein, wie die Rechtsprechung zu § 826 BGB und Teile der Literatur dies fordern. Erforderlich ist vielmehr ebenfalls eine wertende Betrachtung,425 ob der Dritte auf rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Grundlage eine nicht nur unbedeutende Rolle bei der verbandsinternen Willensbildung über die Geschäftsführung inne hat. Eine Alleinentscheidungsmacht ist hingegen – abweichend von der Formel des RG zur sittenwidrigen stillen Geschäftsinhaberschaft426 und Teilen der Literatur zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO427 – nicht erforderlich. Um diese Anforderung an die Einbeziehung zu konkretisieren, bietet sich wiederum ein Rückgriff auf die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals an, welche durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO gewährleistet wird.428 Bereits bei der Einführung des Kleinbeteiligungsprivilegs im Jahr 1997 heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG, der Grundgedanke der Umqualifizierung sei die „mitunternehmerische Verantwortung des Gesellschafters“; diese sei nicht gegeben, wenn ein kleinbeteiligter Gesellschafter „kaum Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft“ habe.429 Betrachtet man diese Begründung genauer, findet sich hierin die bereits seit langem unter verschiedenen Aspekten erörterte typisierte Differenzierung zwischen Unternehmer- und Anlagegesellschafter: Ersterer hat das Interesse, seine Herrschaftsmacht zur Verwirklichung seiner unternehmerischen Ziele einzusetzen, Letzterer verfolgt mit der Kapitalbeteiligung ein rein finanzielles Interesse, ohne auf die Verwirklichung dieser Interessen aktiv Einfluss ausüben zu können oder wollen.430

425

Hierfür bereits Fleischer, ZIP 1998, 313, 321. RGZ 136, 247, 258 f.; oben § 4 I 2. 427 Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 64, wonach ein Dritter „wie eine Mehrheitsgesellschafter“ die Geschäftsentwicklung „maßgeblich beeinflussen“ müsse. 428 Oben IV. 429 BT-Drs. 13/7141, S. 11 f. 430 Vgl. nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 2 I 3 b (S. 103 ff.); zur rationalen Apathie 426

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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Im Kern spiegelt diese gesellschaftsinterne Differenzierung nach Unternehmer- und Anlagegesellschaftern das aus der Finanzierungstheorie stammende differenzierte Rollenbild der verschiedenen Kapitalgeber wieder, was für die Wirkungsweise der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals erforderlich ist: Es gibt einmal diejenigen Kapitalgeber, die über Entscheidungsmacht verfügen und diese zur Verfolgung ihrer unternehmerischen oder besser gesagt, finanziellen Ziele ausüben, und diejenigen Kapitalgeber, die auf die Zielverfolgung anderer vertrauen.431 Überträgt man dies auf die Einbeziehung Dritter in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen, bedeutet dies, dass die wertende Betrachtung, ob die Einflussnahme in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess ausreichend ist oder nicht, gleichsam unter Anwendung einer „Lagertheorie“ erfolgen muss. Zu fragen ist, ob die Einflussnahme des Dritten dazu führt, ihn im Einklang mit der Finanzierungstheorie als einen Kapitalgeber anzusehen, der auf die verantwortungsbewusste Entscheidungsfindung durch andere vertraut oder aber ob er selbst der Entscheidungsfindung zuzurechnen ist, auf die andere vertrauen, mithin die sog. non-adjusting creditors und ggf. die einflusslosen kleinbeteiligten Anlagegesellschafter. Man könnte nun anführen, dass diese wertende Betrachtung ebenso konturenlos ist wie die nach wie vor auf die Sittenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit gestützten Ansätze zur Begründung einer Gläubigerverantwortung und große Rechtsunsicherheit erzeugt.432 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass dieser Ansatz mit der erforderlichen wertenden Betrachtung, welchem Rollenbild der Finanzierungstheorie der Einflussnehmende Fremdkapitalgeber immerhin einen konkreteren Bezugspunkt bestimmt, wonach sich das Entstehen einer besonderen Verantwortung richtet, als die vorstehend genannten Generalklauseln. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit, die Zugehörigkeit einer Person in ein bestimmte „Lager“ zu ermitteln, keineswegs ein völlig neuartiger Aspekt ist, der die Rechtsanwendung vor kaum zu bewältigende Herausforderungen stellt. Als Beispiele seien nur genannt, dass die erschwerte Anfechtung gemäß § 123 Abs. 2 BGB bei Täuschung durch einen „Dritten“ davon abhängt, ob es sich um einen „echten Dritten“ handelt, mithin keine Person, die dem Lager des Anfechtungsgegners zuzurechnen ist. Das maßgebliche Kriterium, dies im Einzelfall zu ermitteln, ist die gängige Formel, wonach ein Dritter kein Dritter ist, wenn er „auf Seiten des Erklärungsempfängers steht“.433 Auch im Strafrecht wird seit langem eine vergleichbare „Lagertheorie“ angewendet, um den Dreiecksbetrug rechtlich zu erfassen. Hiernach ist zu ermitteln, ob zwider Publikumsaktionäre auch Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 196 ff. 431 Ausführlich oben § 5 I. 432 Vgl. oben § 4. 433 BGH, NJW 1990, 1662; BGH. NJW-RR 1990, 79, BGH, NJW 2001, 358; Larenz/Wolf, AT, § 37 Rn. 17.

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schen Verfügendem und Geschädigten ein Näheverhältnis dergestalt besteht, dass der Verfügende eine besser Position als der Täter innehat, er also innerhalb der Machtsphäre des Geschädigten steht.434 Die Restunsicherheit, wann ein Fremdkapitalgeber auf Grund seines Einflusses keine nur unbedeutende Rolle im unternehmensinternen Entscheidungsfindungsprozess inne hat, besteht somit bei jeder typologischen Betrachtung435 und ist durch die für die Finanzierungspraxis maßgebliche Rechtsprechung zu reduzieren. 436 Dass der BGH diese Aufgabe bereits de lege lata verantwortungsbewusst wahrnimmt, zeigt die auch nach dem hier vertretenen Konzept zur Einbeziehung Dritter zutreffende Subordination von Finanzierungsbeiträgen des atypischen Pfandgläubigers und des atypischen stillen Gesellschafters. c. Zwischenergebnis Es kann daher festgehalten werden, dass es für die Einbeziehung eines Dritten in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen darauf ankommt, ob er bei wertender Betrachtung in einer Weise in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess einbezogen ist, dass die sog. non-adjusting creditors bei typisierender Betrachtung im Hinblick auf die Steuerung des Insolvenzrisikos auch auf dessen verantwortungsbewusstes Handeln vertrauen. Dies ist entgegen der herrschenden Meinung nicht erst dann der Fall, wenn der „Geschäftsinhaber zum bloßen Strohmann erniedrigt wird“, Fremdkapitalgeber „in die gesetzliche Organisationsstruktur der Gesellschaft eindringt“ oder das finanzierte Unternehmen „an die extrem kurze Leine nimmt“. Eine Einbeziehung scheidet vielmehr nur dann aus, wenn der Fremdkapitalgeber keinen, nur vereinzelt oder einen nur unbeachtlichen Einfluss ausübt und er damit wie ein non-adjusting creditor hinsichtlich der verantwortungsbewussten Steuerung des Insolvenzrisikos auf das Verhalten anderer vertraut.

5. Die Parameter einer wertenden Gesamtbetrachtung Das Ergebnis einer hiernach anzustellenden wertenden Gesamtbetrachtung kann in dieser Arbeit nicht vorweggenommen werden, sondern ist aus den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln. Nachfolgend sollen dennoch einige Parameter herausgearbeitet werden, die indizieren können, ob ein Fremdkapitalgeber eine Umqualifizierung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zu befürchten hat oder nicht. Hierbei ist zwischen der unmittelbaren und mittelbaren Einflussnahme zu unterscheiden. 434

HM, BGH, NJW 1968, 1068; OLG Düsseldorf, NJW 1994, 3366. So bereits Fleischer, ZIP 1998, 313, 321. 436 Einzelheiten aus methodologischer Sicht bei Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 293 ff., 297 f. 435

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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a. Unmittelbare Einflussnahme Eine Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess liegt regelmäßig vor, wenn er oder ein ihm zurechenbarer Dritter eine Stellung innehat, die es ermöglicht, die internen Entscheidungen maßgeblich mitzubeeinflussen. Hierbei spielt es wegen des gläubigerschützenden Charakters der Umqualifizierung keine Rolle, ob die Einflussnahme nach den Grundsätzen der Verbandsautonomie oder der aktienrechtlichen Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG wirksam sind oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Ausübung.437 Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH ist für die Annahme einer auch für das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen schädlichen unmittelbaren Einflussnahme paradigmatisch.438 Der Senat bejahte zutreffend die Einbeziehung einer kreditgebenden Bank in das geltende Eigenkapitalersatzrecht, weil sie aufgrund der Abreden mit der Gesellschaft und den Gesellschaftern folgende Rechte eingeräumt bekam: Vor der Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses, vor der Änderung des Gesellschaftsvertrages und vor Änderungen der Rechtsform einschließlich der Verschmelzung oder Einbringung der Gesellschaftsanteile in eine andere Gesellschaft mussten die Gesellschafter die Zustimmung der Pfandgläubigerin einholen. Kurz vor der Insolvenz der Gesellschaft veranlasste die Bank die Einsetzung einer mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmensberatungsgesellschaft, die faktisch als ihr verlängerter Arm die Geschäfte führte. Weiterhin mussten sich die Gesellschafter damit einverstanden erklären, den bisherigen Geschäftsführer abzuberufen und einen von dem Kreditgeber bestimmten Sanierungsmanager einzusetzen. Ferner sollte ein dreiköpfiger Beirat eingerichtet werden, in den die kreditgebende Bank mit einer Person vertreten gewesen wäre.

Das hier für maßgeblich erachtete differenzierte Rollenbild aus der Finanzierungstheorie wird in dieser Entscheidung sehr deutlich. Sieht man die Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO als diejenigen, die auf das unternehmerische Handeln anderer vertrauen, wäre es nicht gerechtfertigt, der kreditgebenden Bank diese Rolle zuzubilligen. Ihre teilweise über die Rechte einzelner Gesellschafter hinausgehenden Möglichkeiten, die Geschicke des Unternehmens zu steuern, sind eindeutige Parameter, dass sie als adjusting creditor dem Lager der mit Herrschaftsmacht versehenen Eigentümer zuzurechnen sind. Ihre hierdurch funktional begründete Treuhänderstellung zu Gunsten der non-adjusting creditors rechtfertigt es, über § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO ihnen die vorrangige Verlusttragung für die negativen Folgen dieser Entscheidungen zuzuweisen. Auf diese Weise wird die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als wesentliche 437

So wohl auch die hM zu § 32 a Abs. 3 S. 1 und 2 GmbHG, die die Bejahung einer die Umqualifizierung rechtfertigenden Einflussnahme durch Dritte oder die Bejahung des Merkmals „geschäftsführender Gesellschafter“ beim Kleinbeteiligungsprivileg nicht daran knüpft, dass die rechtliche Grundlage der Einflussnahme wirksam ist (vgl. oben II c und III). 438 BGHZ 119, 191, 195 f.

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Voraussetzung eines funktionierenden Marktes der Unternehmensfinanzierung unter Beteiligung von non-adjusting creditors gewährleistet. Das gleiche Ergebnis wie in der Pfandgläubiger-Entscheidung ist im Regelfall anzunehmen, wenn sich ein Bankenkonsortium oder eine Beteiligungsgesellschaft im Rahmen einer Projektfinanzierung umfangreiche Mitspracherechte einräumen lässt, sich in der Insolvenz der Gesellschaft jedoch auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers oder stillen Gesellschafters unter Ausschluss der Verlustbeteiligung beruft. Im Anschluss an Weitnauer, der die Umqualifizierung als praxisfremdem „größten anzunehmenden Unfall“ freilich ablehnt, seien folgende Fälle aus der Praxis skizziert: 439 Ein Bankenkonsortium gewährt einem jungen Technologieunternehmen einen Kredit zur Finanzierung eines Satellitenprojekts. Der Darlehensvertrag umfasst eine Vielzahl von Gewährleistungen und Verpflichtungen des Unternehmens, sowohl in finanzieller Hinsicht (künftiges Verhältnis von Fremdkapital zu Cash Flow und Eigenkapital, Kontenführung etc.) als auch in allen Fragen der künftigen Unternehmensführung (positive und negative „Covenants“). Ferner werden katalogartig vielfältige Zustimmungsrechte der Banken, bspw. zu Änderungen oder Beendigung von Projektverträgen etc., verankert und eine umfangreiche Liste von „Events of Default“ vorgegeben, die die Banken zur Kündigung berechtigen (erfasst werden nicht nur der Zahlungsverzug, sondern bspw. auch ein Change of Control oder der Verlust von entscheidenden Führungskräften). Ferner behalten sich die Banken für den Fall eines Event of Default das Recht vor, nach vorheriger Androhung die wesentlichen Projektverträge durch einen Dritten übernehmen zu lassen (Step-In). Die Gesellschaft überträgt ihr Vermögen als Sicherheit an die Banken (u. a. Sicherungsübereignung des gesamten Anlagevermögens, Abtretung aller Forderungen); ferner verpfänden die Aktionäre ihre gesamten Aktien an die Banken und verpflichten sich, bei der Ausübung der Stimmrechte die Interessen der Darlehensgeber zu berücksichtigen. Eine öffentliche Beteiligungsgesellschaft gewährt einem jungen Technologieunternehmen (TU) in der Aufbauphase eine stille Beteiligung über 1,5 Mio. Euro als Teil eines gesamten Beteiligungskapitals von ca. 8,5 Mio. Euro, das vom Unternehmen eingesammelt wurde. Eine Teilhabe der Beteiligungsgesellschaft am Verlust wird ausgeschlossen. Sie soll eine feste Mindestvergütung von 5% p.a. auf ihre Beteiligung erhalten und eine Gewinnbeteiligung von 12%. Zum Ende der Beteiligungszeit steht der Beteiligungsgesellschaft eine Endvergütung von 30% des Beteiligungsbetrags zu. Das TU verpflichtet sich, die Zustimmung der Beteiligungsgesellschaft vor jeder Änderung des Gesellschaftsvertrags, der Aufnahme neuer Gesellschafter, der Bestellung neuer Geschäftsführer, dem Abschluss von Lizenzverträgen über Schutzrechte, Verpflichtungen oder Investitionen über einer bestimmten Wertgrenze oder dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen einzuholen. Ferner ist der Beteiligungsgesellschaft monatlich ein Kurzstatus und halbjährlich ein Lagebericht zu überlassen; ihr sollen überdies die Kontrollrechte nach § 716 BGB zustehen. Ferner hat die Beteiligungsgesellschaft das Recht auf einen Sitz im Beirat. Nach Insolvenz des TU bestreitet der Insolvenzverwalter die gem. § 236 HGB angemeldete Einlageforderung, weil die Einlage als Eigenkapital zu qualifizieren sei. 439

Weitnauer, BKR 2005, 43, 45.

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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Weitnauer macht für den letztgenannten Fall geltend, eine Umqualifizierung scheide auch deswegen aus, weil derartige Beteiligungsverträge der „Standardfall einer öffentlichen Beteiligungsfinanzierung nach dem BTU-Technologiebeteiligungs-Progamm“ seien, wie sie beispielsweise durch die tbg Technologie Beteiligungs GmbH oder in Bayern durch den Technofonds Bayern ausgereicht werden. Die enge Anbindung an die finanzierten Unternehmen sei mit dem „Auftrag des Staates für einen schonenden Einsatz“ seiner Finanzierungsmittel geboten und dürfe konsequenterweise keine negativen Folgen haben.440 Dies vermag nicht zu überzeugen. Das Finanzierungsprivileg des Staates wird ebenso wenig durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO anerkannt wie ein vergleichbares Bankenprivileg. Wenn die Finanzierungspraxis der (halb)staatlichen Beteiligungsgesellschaften bisher ein so enges Gerüst an Mitwirkungsrechten vorsieht, bedeutet dies nicht, dass diese Praxis nicht zur Verwirklichung eines anderen Schutzanliegens Einschränkungen erfahren darf. aa. Stimmbindungsverträge Insofern gilt das Gleiche, wenn der Fremdkapitalgeber aufgrund eines Stimmbindungsvertrages Einflussrechte auf den verbandsinternen Willensbildungsprozess hat. Hierbei ist jedoch – vor allem entgegen der Ansicht Priesters – nicht danach zu differenzieren, ob sich die Stimmbindung auf die Fassung eines Liquidationsbeschlusses bezieht oder lediglich auf Beschlussfassungen in laufenden Angelegenheiten.441 Zum einen ist die hiernach notwendige faktische Innehabung von Liquidationsentscheidungsmacht allenfalls nach dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht zu rechtfertigen, bei dem die Gesellschafter gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG vor die Wahl gestellt werden, in der Krise Eigenkapital beizusteuern oder die Gesellschaft zu liquidieren.442 Indem dieses Erfordernis nunmehr aufgegeben wird, kommt es künftig allein auf die inkompatible Doppelrolle des Einflussnehmenden in der Insolvenz an. Dies führt dazu, dass Stimmbindungsverträge und sonstige schuldrechtlich eingeräumten Weisungsrechte gegenüber Gesellschaftern auch dann eine die Umqualifizierung rechtfertigende Einflussnahme begründen können, wenn sie „nur“ die Beschlussfassung über laufende Angelegenheiten betreffen.443 Gerade diese laufenden Angelegenheiten sind – bei der GmbH gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG, bei der nicht-gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaft gemäß § 114 HGB – die klassischen Geschäftsführungsmaßnahmen, auf deren Richtigkeit die über § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO geschützten non-adjusting creditors als potentielle Insol440

Weitnauer, BKR 2005, 43, 50. Priester, FS Helmrich, 721, 733 f. 442 Vgl. oben III 2 e. 443 Im Ergebnis ebenso, freilich für die Einbeziehung des Dritten in die Figur des faktischen Geschäftsleiters, Fleischer, ZIP 1998, 313, 320; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. 441

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venzgläubiger vertrauen. Es ist daher nur konsequent, auch diese Einflussnahme für eine Umqualifizierung ausreichen zu lassen, sofern sie nicht lediglich sporadisch erfolgt. bb. Mitgliedschaft in einem (ggf. beratenden) Organ oder Beirat Problematisch ist weiterhin, ob jede Mitgliedschaft des Fremdkapitalgebers in einem zwingenden oder ergänzend geschaffenen Gesellschaftsorgan für eine Umqualifizierung ausreichen soll. Man denke nur daran, dass der Fremdkapitalgeber lediglich eines von mehreren Beiratsmitgliedern ist oder – wie häufig bei Kreditinstituten – ein Aufsichtratsmandat bekleidet. Dass allein in der Innehabung einer solchen Mitgliedschaft noch keine schädliche Einflussnahme liegt, wurde im Vergleich mit den Gesellschaftern bereits aufgezeigt. Indem auch ein mit bis zu 10% beteiligter Gesellschafter nicht Adressat der Subordination ist, wenn er nicht die zusätzlichen Merkmale eines „geschäftsführenden Gesellschafters“ erfüllt, wird deutlich, dass die erforderliche Sphärenvermischung zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen über diese Minderheitenposition hinausgehen muss.444 Überträgt man diesen Aspekt auf den hier interessierenden Dritten, bedeutet dies, dass die Innehabung einer Organstellung als solches keine Umqualifizierung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Dritte innerhalb dieses Organs eine Stellung inne hat, die es ihm ermöglicht, seine Vorstellungen bei der kollektiven Willensbildung durchzusetzen. Bei der Innehabung der Mehrheitsmacht oder entsprechender Vetorechte dürfte dies regelmäßig zu bejahen sein. Nimmt aber zum Beispiel der Vertreter der Gläubiger gemäß § 15 Abs. 1 SchVG an den Gesellschafterversammlungen des finanzierten Unternehmens teil,445 führt dies für sich genommen keine Umqualifizierung der von ihm repräsentierten Finanzierungsbeiträge der Fremdkapitalgeber herbei. Wie bereits bei der Figur des faktischen Geschäftsführers erörtert, kann es jedoch auch eine die Umqualifizierung rechtfertigende Beteiligung an der unternehmensinternen Willensbildung darstellen, wenn der Dritte lediglich beratend tätig wird.446 Auch der BGH hat in der Pfandgläubiger-Entscheidung eine solche Beratung für einen möglichen Umstand der schädlichen Einflussnahme mit der zutreffenden Begründung angesehen, dass es sich hierbei um eine subtile Form der Beeinflussung handele, die mit der Ausübung von Weisungsrechten durchaus vergleichbar sei.447 Im differenzierten Rollenbild der Kapitalgeber ist derjenige, der nicht nur im Einzelfall der Geschäftsleitung Rat erteilt, 444

Soeben unter b cc. Oben § 9 IV 1. 446 So für die Einbeziehung eines Dritten als faktischer Geschäftsführer auch Fleischer, ZIP 1998, 313, 320; vgl. oben § 12 VI. 447 BGHZ 119, 191, 199; zustimmend Fleischer, ZIP 1998, 313, 320; im Ergebnis auch Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1679. 445

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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dem Lager der Entscheidungsträger zuzurechnen, auf deren verantwortungsbewusstes Handeln die außenstehenden Gläubiger vertrauen. Dies gilt insbesondere bei der Beratung über die künftige Strategie eines Unternehmens oder die Mittel zur optimalen Verfolgung derselben. Himmelsbach/Achsnick bringen dies – freilich für ihr Konzept von der Einbeziehung Dritter als faktische Geschäftsleiter – zutreffend zum Ausdruck, wenn sie anführen, das Unternehmen müsse frei bleiben, Waren oder Rohstoffe nach eigener Entscheidung zu beziehen oder herzustellen (Einkauf und Produktion); frei bleiben, seine Waren und Produkte auf die von ihm gewählte Weise zu verkaufen (Absatz); frei bleiben bei der strategischen Unternehmensplanungshoheit (Unternehmenspolitik und -organisation).448 cc. Aufsichtsratsmandate Für ein Aufsichtratsmandat gilt grundsätzlich das Gleiche. Da der Aufsichtrat als Organ gemäß § 120 Abs. 2 AktG Teil der „Verwaltung“ der AG ist und ihm gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zunehmend unternehmerische Entscheidungen obliegen, die über eine vergangenheitsbezogene Überwachung hinausgehen, ist es geboten, auch über die Mitgliedschaft eines Fremdkapitalgebers im Aufsichtsrat eine die Umqualifizierung rechtfertigende Integration in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess zu sehen. Allerdings gilt auch hier zum einen, dass eine Minderheitenposition für sich genommen nicht ausreicht, die schädliche Einflussnahme zu bejahen. Erforderlich ist vielmehr eine Stellung, die es ihm ermöglicht, seine Vorstellungen bei der kollektiven Willensbildung durchzusetzen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist stets problematisch, ob das gemäß § 116 AktG auf das Gesellschaftsinteresse der jeweiligen Gesellschaft verpflichtete Aufsichtratsmitglied449 in dieser Funktion wirklich dem Fremdkapitalgeber zuzurechnen ist. Wie bei den Doppelmandaten im Konzernrecht kann hierfür eine tatsächliche Vermutung sprechen, wenn zum Beispiel ein Mitglied des Bankvorstands im Aufsichtsrat des finanzierten Unternehmens sitzt.450 Im Einzelfall muss der Bank jedoch ermöglicht werden, diese – formal über § 31 BGB ohne weiteres mögliche Zurechnung451 – dadurch zu widerlegen, dass sie nachweist, dass das Vorstandsmitglied mit der entsprechenden Kreditabteilung seines Hauses nicht zusammenarbeitet, mithin sog. Chinese Walls bestehen. Gelingt ihr dies, scheidet eine Umqualifizierung der Fremdfinanzierung auch dann aus, wenn der betreffende Vorstand eine starke Position im Aufsichtsrat des finanzierten Unternehmens inne hat. 448

Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360. Grundlegend BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck). 450 Vgl. soeben unter 1. 451 Handelt es sich bei dem Bankenvertreter im Aufsichtsrat um einen Angestellten des Kreditinstituts, folgt die Zurechnung aus § 166 BGB. 449

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dd. Einflussnahme auf die eigenverantwortliche Schuldenregulierung Wie bereits erwähnt, sind Himmelsbach/Achsnick zwar der Auffassung, das finanzierte Unternehmen müsse stets in der Lage sein, selbstständig über die Begleichung seiner sonstigen Verbindlichkeiten gegenüber Drittgläubigern zu entscheiden. „Bedenkliche, aber noch vertretbare Maßnahmen“ der Einflussnahme seien es jedoch, wenn der Fremdkapitalgeber, insbesondere eine Bank, Einfluss darauf nimmt, welche Überweisungen ausgeführt werden sollen, wenn die Summe der Tagesverfügungen die eingeräumte Kreditlinie überschreite.452 Unzulässig sei allein, wenn der Fremdkapitalgeber innerhalb eines freien Kreditrahmens eine Auswahl der auszuführenden Zahlungsvorgänge trifft. Dieser Differenzierung ist nicht zuzustimmen, denn es obliegt insbesondere bei Liquiditätsproblemen allein dem Unternehmen, welche seiner Gläubiger es vorzugsweise befriedigt und bei welchen man es auf eine Klage oder die Geltendmachung von Verzugsschaden ankommen lässt – im Sinne Hubers ist auch dies eine unternehmerische Tätigkeit.453 Nimmt das kontoführende Kreditinstitut hierauf Einfluss, entscheidet es über die im Vorfeld der Insolvenz eigenverantwortliche Schuldenregulierung des finanzierten Unternehmens und ist daher – wenn es sich nicht nur um vereinzelte Eingriffe handelt – dem Lager der Entscheidungsträger zuzurechnen, auf das die non-adjusting creditors vertrauen dürfen. Dies gilt erst recht, wenn das Kreditinstitut eigenmächtig dafür sorgt, dass seine eigenen Forderungen vorrangig beglichen werden. b. Mittelbare Einflussnahme über Covenants Auch eine mittelbare Beeinflussung kann ausreichend sein, die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess zu bejahen. Man denke nur an den Fall, dass die oben in der Pfandgläubiger-Entscheidung erwähnte unmittelbare Einflussnahme aufgrund vertraglicher Vorgaben gleichsam vorweg genommen wurde, indem der Fremdkapitalgeber zur Kündigung oder anderen Reaktionen berechtigt ist, sobald sich das Unternehmen nicht entsprechend dieser Vorgaben verhält. Im Unterschied zu der soeben genannten unmittelbaren Einflussnahme beteiligt sich hierbei der Fremdkapitalgeber oder ein ihm zurechenbarer Dritter nicht selbst an den Entscheidungen. Die Einflussnahme erfolgt vielmehr dadurch, dass das finanzierte Unternehmen sich – scheinbar eigenverantwortlich – in einer bestimmten Weise verhält, um die Vorgaben der Covenants einzuhalten und einen Breach of Covenants zu vermeiden. Im Ergebnis kann auch dies ausreichen, eine Integration des Fremd-

452 Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360 (für die Einbeziehung des Dritten als faktischer Geschäftsführer; vgl. oben § 12 VI 3 b). 453 Vgl. Huber, FS Priester, S. 259, 280.

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kapitalgebers in den unternehmensinternen Willenprozess zu bejahen.454 Hierbei ist freilich problematisch, „wirklich“ eigenverantwortliches Handeln von der die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers begründenden Befolgung der kreditvertraglichen Vorgaben abzugrenzen. Dies soll anhand nachstehender typischer Beispiele aus der Finanzierungspraxis näher untersucht werden. aa. Regelmäßig unschädliche affirmative Covenants Aus der im ersten Teil aufgezählten Vielzahl der Covenants, die mittlerweile auch in Deutschland Verwendung finden,455 sind diejenigen regelmäßig ungeeignet, eine Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital wegen Einflussnahme zu rechtfertigen, die letztlich nur deklaratorische Hinweise auf die ohnehin zwingende Rechtslage enthalten. Bei den affirmativen Covenants betrifft dies zum Beispiel die Klausel, wonach das Unternehmen verpflichtet ist, die einschlägigen Gesetze einzuhalten, insbesondere im Umweltrecht. Das Gleiche gilt für die Pflicht zur Unterhaltung einer der Geschäftstätigkeit angemessenen Buchhaltung, jedoch nicht ohne weiteres für die Pflicht zur Beibehaltung aller für die Unternehmenstätigkeit notwendigen Lizenzen und Patente und die Pflicht zur Erfüllung aller eingegangenen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten sowie Steuern (sog. Cross-default-Klausel). Die letztgenannten Beispiele zeigen nämlich, dass die verhaltenssteuernde Wirkung einer solchen, im Grundsatz eine „Selbstverständlichkeit“ regelnden Klausel durchaus Anlass sein kann, denjenigen Fremdkapitalgeber, der diese Klauseln gegenüber dem Unternehmen durchsetzt, dem Lager derjenigen zuzurechnen, auf dessen verantwortungsbewusste unternehmerische Entscheidungen die non-adjusting creditors typisiert betrachtet vertrauen dürfen. Die zuletzt genannten Verpflichtungen betreffen nämlich Maßnahmen, bei deren Vornahme die Unternehmensleitung im Ausgangspunkt durchaus Ermessen hat. Dies gilt freilich nicht für die Bezahlung von Steuern oder die Einhaltung zwingender öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Aber bereits die Pflicht, die für das weitere unternehmerische Handeln notwendigen Patente und Lizenzen zu behalten oder die fälligen Forderungen gegenüber Dritten zu begleichen, steht durchaus zur Disposition der Geschäftsleitung und ist damit eine unternehmerische Tätigkeit. Gerade in der ökonomischen Theorie ist es anerkannt, dass es einen sinnvollen Vertragsbruch gibt, wenn zum Beispiel hierdurch ein besseres Geschäft eingegangen werden kann.456 Auch die Nicht-Begleichung begründeter fälliger Forderungen kann unter Inkaufnahme des drohenden Verzugsscha454

So auch Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63: „über Covenants an eine extrem kurze Leine genommen“. 455 Oben § 1 II 2. 456 Zum effizienten Vertragsbruch ausführlich Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 456 ff.

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dens unternehmerisch geboten sein, wenn das freiwerdende Kapital anderweitig sinnvoller eingesetzt werden kann. Die wertende Betrachtung, welchem Lager der Fremdkapitalgeber zuzurechnen ist, kann daher auch bei solchen Covenants, die das finanzierte Unternehmen zur Rechts- und Vertragstreue gegenüber Dritten verpflichten, dazu führen, ihn als Entscheidungsträger anzusehen, auf den andere vertrauen und der konsequenterweise nicht „in der Insolvenz sein eigener Gläubiger sein darf“. Dem kann man auch nicht entgegen halten, dass die genannten Covenants das finanzierte Unternehmen zwar „an die kurze Leine“457 nehmen, letztlich aber nur zu Gunsten der non-adjusting creditors wirken, weil es – vor allem bei der Cross-default-Klausel – auch deren Forderungen sind, die befriedigt werden sollen, um einen Breach of Covenants zu vermeiden. Diese Betrachtung würde nämlich den der Ingangsetzungsfunktion zu Grunde liegenden Vertrauensschutz überspannen. Das in der Finanzierungstheorie anerkannte typisierte Vertrauen der Fremdkapitalgeber auf die verantwortungsbewussten Entscheidungen der mit Herrschaftsmacht versehenen Eigentümer reicht nicht soweit, dass die vorrangige Verlusttragung auch davor schützt, dass das Unternehmen sich rechts- und vertragstreu verhält. Die mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebene Selbstbetroffenheit reicht vielmehr nur soweit, als die vorrangige Verlusttragung nicht zum Tragen kommt – unabhängig von der Art und Weise, wie dies erreicht wird. Hierdurch wird mittelbar anerkannt, dass auch ein – ökonomisch sinnvoller – Vertragsbruch der Erwartung der Fremdkapitalgeber entsprechen kann, soweit hierdurch die Wahrscheinlichkeit der vorrangigen Verlusttragung gesenkt wird. Überträgt man dies auf die hier interessierende Einflussnahme Dritter, kann es somit gleichfalls eine Beeinträchtigung der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung darstellen, wenn das Unternehmen über die entsprechenden Covenants gehalten ist, einen Vertragsbruch zu verhindern, weil es ohne diese Covenants möglicherweise diesen begehen würde und hierdurch finanziell besser stehen könnte. Auch die im Finanzierungsvertrag auferlegte Pflicht, etwas „Selbstverständliches“ zu tun, kann daher eine Einbeziehung des betreffenden Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess begründen und als Konsequenz die Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO bewirken. Bestätigt wird dieses Ergebnis letztlich durch die Folgen, die ein Breach of Covenants auch bei solchen Klauseln regelmäßig haben wird. Indem der Fremdkapitalgeber ein Recht bekommt, für die betreffende Finanzierungen zur Ausräumung eines bereits entstandenen Kündigungsrechts in Nachverhandlungen einzutreten,458 wird die Einflussnahme meist dadurch verwirklicht sein, dass der betreffende Fremdkapitalge457 458

Vgl. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 63. Hierzu oben § 1 III 3.

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ber beratend oder aufgrund einer faktischen Weisung vorgibt, auf welche Weise das Unternehmen sich diesbezüglich künftig zu verhalten hat. bb. Regelmäßig beachtliche negative Covenants Die sog. negativen Covenants, die die Kündigung des Kreditvertrages oder das Verlangen nach Nachverhandlungen oder Nachbesicherung dadurch absichern, dass das finanzierte Unternehmen bestimmte Handlungen generell oder ohne Zustimmung zu unterlassen hat,459 sind regelmäßig beachtliche Parameter, im Rahmen einer wertenden Betrachtung die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess zu bejahen.460 Dies gilt vor allem für die bereits genannten Klauseln, wonach das Unternehmen gehalten ist, folgende Maßnahmen zu unterlassen oder zuvor Rücksprache beim Fremdkapitalgeber einzuholen – Investitionen ab einer bestimmten Größenordnung oder vergleichbare Geschäfte wie Leasing – Inanspruchnahme oder Aufnahme von weiteren Kreditverbindlichkeiten – Kreditvergabe oder Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder ähnlicher Verpflichtungen zu Gunsten Dritter, insbesondere Konzernunternehmen – Überlassung von Vermögensgegenständen als Sicherheiten für andere Gläubiger außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs (Negativklausel, Paripassu- oder Negative pledge-Klausel) – Veräußerung gegenwärtiger oder zukünftiger Vermögensgegenstände – Abschluss, Änderung und Beendigung wichtiger Verträge – Veräußerung bestehender oder künftiger Beteiligungen – Unternehmensakquisitionen und -gründungen – Sonstige Geschäftsvorfälle, die die Vermögens-, Liquiditäts- oder Ertragslage wesentlich negativ berühren oder berühren können – Gesellschafterwechsel beim Kreditnehmer (owner maintenanceship) – Einstellung neuer Mitarbeiter mit einer Vergütung oberhalb eines vereinbarten Schwellenwertes – Kündigung oder wesentliche Veränderung der Verträge mit wichtigen Mitarbeitern Auch die sog. Financial Covenants können beachtliche Aspekte sein, im Rahmen einer wertenden Betrachtung den betreffenden Fremdkapitalgeber dem Lager derjenigen Kapitalgeber zuzurechnen, auf deren verantwortungsbewusste unternehmerische Entscheidungen die non-adjusting creditors bei typisierter Betrachtung vertrauen. Dies gilt insbesondere für die sog. Kapitalstrukturauflagen, wenn der Fremdkapitalgeber bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen festlegt, die vom finanzierten Unternehmen zu erreichen oder einzuhal459 460

Oben § 1 III b. So auch Schwintowski/Dannischeswki, ZIP 2007, 840, 843 f.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

ten sind, wie zum Beispiel die Eigenkapitalausstattung, die Verschuldung, den Ertrag oder die Liquidität.461 Eine Beschränkung der Dividendenausschüttung an die Gesellschafter (dividend restrictions) ist hingegen unschädlich, weil hierüber allein das den vom Schutzzweck der Subordinierung erfassten Insolvenzgläubigern zur Verfügung stehende Vermögen des Unternehmens vergrößert wird. c. Einflussnahme auf Personalentscheidungen Die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers auf Personalentscheidungen kann ebenfalls unmittelbar und mittelbar erfolgen. Eine unmittelbare Einflussnahme liegt dann vor, wenn der Fremdkapitalgeber dem finanzierten Unternehmen Vorgaben in Personalangelegenheiten macht. Dies ist ohne weiteres anzunehmen, wenn sich die Vorgabe darauf bezieht, das Personal abzubauen oder die Personalstruktur umzustrukturieren und deren Gehalt festzulegen.462 Problematischer ist indessen die rechtliche Beurteilung, wenn der Fremdkapitalgeber abstrakt generelle Vorgaben über die Qualität der Entscheidungsträger macht oder sein künftiges Engagement vom Fortbestand oder Wechsel eines bestimmten Managements abhängig macht. aa. Pflicht zur Gewährleistung eines erfahrenden Managements Die in Covenants anzutreffende affirmative Klausel, dass das Unternehmen ein „erfahrenes Management“ sicherstellen muss, ist für sich genommen nicht geeignet, eine im Hinblick auf die Subordination schädliche Einflussnahme zu bejahen. Hierbei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, die auch aus der Perspektive der zu schützenden non-adjusting creditors keine Einschränkung erfährt. Nimmt der Fremdkapitalgeber die seiner Meinung nach nicht mehr gewährleistete Qualität des Managements zum Anlass, seinen Kapitalbeitrag frühzeitig abzuziehen, wird wiederum einem entscheidenden Vorzug der Covenant-gestützten Krisenfrüherkennung Geltung verschafft: Ist die Einschätzung des Fremdkapitalgebers über die sich abzeichnende Unzuverlässigkeit zutreffend, spricht nichts dagegen, das Unternehmen möglichst früh vom Markt zu nehmen und sei es durch die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit infolge eines Breach of Covenants. Ist die Einschätzung des Fremdkapitalgebers hingegen falsch, dürften regelmäßig keine Probleme bestehen, den entstandenen Kapitalbedarf anderweitig zu decken.

461

Oben § 1 III 2 c. So auch Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360 (für die Einbeziehung des Dritten als faktischer Geschäftsführer); ähnlich Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 844. 462

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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bb. Auswechselung des Managements auf Druck des Fremdkapitalgebers Problematisch sind indessen die Fälle, in denen der Fremdkapitalgeber sein fortdauerndes Engagement erfolgreich von einem Managementwechsel abhängig gemacht hat. Als Beispiel hierfür sei der jüngst vom BGH entschiedene Fall genannt, dass eine Hausbank die Verlängerung ihrer Kredite von einem Vorstandswechsel abhängig machte.463 Wie bereits erwähnt, lässt sich diese mittelbare Beeinflussung der verbandsinternen Willensbildung auf zwei verschiedene Arten deuten: Man könnte einerseits annehmen, auf Seiten der Bank sei das Vertrauen in den bisherigen Vorstand nicht mehr gewährleistet, dass dieser eigenverantwortlich die Geschäfte mit Erfolg führen wird. Man könnte andererseits aber auch annehmen, dass der bisherige Vorstand nach Ansicht der Bank kein verlässlicher Partner mehr war, die von der Bank gewünschte Unternehmensstrategie zu verfolgen und nunmehr ein anderes „folgsameres“ Organmitglied eingesetzt werden sollte.464 Das Urteil des BGH gibt keinen Aufschluss darüber, welche Annahme letztlich zutraf. Auch die diese Entscheidungen kommentierende Literatur schenkt diesem Aspekt keine Beachtung.465 Richtigerweise ist für die hier interessierende Einbeziehung des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess zu differenzieren: Ist der erzwungene Vorstandswechsel bloß Ausdruck dessen, dass die Hausbank kein Vertrauen mehr in dessen eigenverantwortliche, d. h. von ihr unabhängige Unternehmensleitung hat, muss man eine die Umqualifizierung herbeiführende Einflussnahme ablehnen. Insofern beansprucht der Ausspruch Goettes, man könne es einem Kreditgeber nicht verdenken, dass er seine weitere Hilfe bei der Sanierung von der Auswechselung eines für den Erfolg der Maßnahme entscheidenden Geschäftsleitungsorgans abhängig macht.466 Ist dieser Wechsel jedoch verbunden mit einem Wechsel der künftigen Unternehmensstrategie, die von der Hausbank maßgeblich mitentwickelt wurde, stellt sich die Rechtslage anders dar. Insofern kann es sich durchaus um eine beachtliche Einflussnahme auf die künftige Geschäftsführung handeln, die – soweit nicht das sogleich erörterte Sanierungsprivileg einschlägig ist – eine Subordination des Finanzierungsbeitrags gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nach sich zieht.467

463

BGH, ZIP 2007, 131. Oben § 6 vor I. 465 Vgl. Fleischer, DStR 2006, 1507 und Goette, DStR 2007, 263, der ohne Begründung davon ausgeht, dass man es einer Bank nicht verdenken könne, wenn sie ihre Kreditkündigung von einer Auswechselung des Managements abhängig mache. 466 Goette, DStR 2007, 263, 263. 467 Abw. Fleischer, ZIP 1998, 313, 321, der dies nur dann bejaht, wenn dem Dritten eine Bestellungskompetenz eingeräumt wird; ähnlich ders., DStR 2006, 1507, 1515. 464

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

cc. Change-of-management-Klauseln Für die in der Finanzierungspraxis vielfach anzutreffenden Change-of-management-Klauseln gilt dies gleichermaßen: Enthält der Kreditvertrag einen Covenant, der den Fremdkapitalgeber zur vorzeitigen Kündigung berechtigt, wenn sich im Management eine Veränderung abzeichnet, ist für die Frage der die Umqualifizierung herbeiführenden Einflussnahme danach zu differenzieren, ob es lediglich darum geht, das Vertrauen des Kreditgebers in die eigenverantwortliche Unternehmensleitung abzusichern oder aber darum, dass das bisherige Management der folgsame Garant war für eine von Fremdkapitalgeber mitentwickelte Strategie. Ersteres schließt die Bejahung einer schädlichen Integration des Dritten in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess aus, Letzteres kann demgegenüber eine Einbeziehung als geschäftsführender Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO analog rechtfertigen. Für das Drängen des Fremdkapitalgebers auf den Einsatz externer, dem Fremdkapitalgeber nicht zurechenbarer, Berater gelten dieselben Grundsätze. 468 Drängt der Fremdkapitalgeber lediglich darauf, dass das Unternehmen einen Berater hinzuzieht, liegt keine schädliche Einflussnahme vor. Etwas anderes gilt hingegen, wenn der Berater oder Treuhänder dem Fremdkapitalgeber zuzurechnen ist, weil er dessen Strategie implementiert.

6. Rechtsfolgen der Einbeziehung Dritter Die Rechtsfolgen einer Einbeziehung der Finanzierungsbeiträge Dritter richten sich ohne Besonderheiten nach dem auch für die Gesellschafter maßgeblichen Regelungsmodell des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen und sollen hier nur skizziert werden. a. Nachrang des Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz Der Rückzahlungsanspruch kann gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO nur im Rang nach den Insolvenzgläubigern und gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigten Gläubigern geltend gemacht werden, geht dem materiell-rechtlich als Eigenkapital ausgewiesenen Finanzierungsbeiträgen der Gesellschafter gemäß § 199 S. 2 InsO jedoch im Rang vor.469 Das Gleiche gilt gemäß § 39 Abs. 2 InsO gegenüber den hiervon erfassten Forderungen mit Rangrücktritt. Die insolvenzrechtliche Subordination kann daher auch nach der Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen noch als Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen verstanden werden. 468 Ähnlich Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360 (für den faktischen Geschäftsführer). 469 Einzelheiten bei Ehricke, in MünchKomm InsO, § 39 Rn. 31 ff.

VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung

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b. Anfechtung zurückgewährter Finanzierungen, gezahlter Zinsen und bestellter Sicherheiten Wurde der Finanzierungsbeitrag oder die hierauf entrichteten Zinsen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezahlt, ist dies gemäß § 135 Nr. 2 E-InsO anfechtbar.470 Das gleiche gilt gemäß § 135 Nr. 1 E-InsO innerhalb von zehn Jahren, für die für den Finanzierungsbeitrag von der Gesellschaft gewährten Sicherheiten.471 Außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt die Anfechtung gemäß § 6 E-AnfG. c. Berücksichtigung im Überschuldungsstatus Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 E-InsO sind die Rückzahlungsforderungen der betreffenden Fremdkapitalgeber bei der Feststellung des Insolvenzgrundes der Überschuldung nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn der betreffende Gläubiger gegenüber der Gesellschaft einen entsprechenden Nachrang erklärt hat. 472 Die an sich auf die Insolvenz beschränkte Umqualifizierung von Fremdkapital hat somit im Vorfeld der Insolvenz keine unmittelbare Vorwirkung. Hierauf aufbauend stellt sich konsequenterweise die Frage, ob die Umqualifizierung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO im Vorfeld der Insolvenz nicht doch mittelbare Auswirkungen hat.

7. Die Wirkungen der Umqualifizierung auf die im Vorfeld der Insolvenz bestehenden dilatorischen Einschränkungen des vorzeitigen Kapitalabzugs Wie bereits herausgearbeitet wurde, vermag die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers auf das finanzierte Unternehmen bereits im Vorfeld der Insolvenz eine dilatorische Einschränkung des vorzeitigen Kapitalabzugs wegen widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens unter Anwendung der Protestatio-Formel zu begründen.473 Es zeigte sich jedoch, dass diese Möglichkeit eine entscheidende Schwäche aufweist: Wegen des im Vorfeld der Insolvenz nach wie vor bestehenden Charakters als Fremdfinanzierung wirkt die Pflicht zur fortdauernden Belassung des Kapitals nur soweit, wie hierdurch keine Einbußen bei der Befriedigung drohen.474 Eine Einschränkung des Lösungsinteresses vermag an dem Fremdkapitalcharakter des Finanzierungsbeitrags nichts zu ändern, soweit dieser nicht aufgrund anderweitiger gesetzlicher Vorgaben abgeändert wird. 470 Einzelheiten bei Stodolkowitz/Bergmann, in MünchKomm InsO, § 135 Rn. 74 ff.; Haas, ZInsO 2007, 617, 617 ff. 471 Vgl. Gehrlein, Konzern 2007, 771, 788. 472 So die seit der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gemäß Art. 9 Nr. 4 gültige Entwurfsregelung (BT-Drs. 16/9737). 473 Oben § 15 III. 474 Oben § 15 IV.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

De lege lata fiel es leicht, über das mit den Rechtsprechungsregeln begründete materiell-rechtliche Eigenkapitalersatzrecht ein Abzugsverbot auch im Vorfeld der Insolvenz zu begründen. Indem diese nun aufgegeben wurden475 , scheint keine Möglichkeit mehr zu bestehen, der insolvenzbezogenen Umqualifizierung auch Vorwirkungen für das Vorfeld der Insolvenz zuzuschreiben. Die allein in der Insolvenz wirkende Umqualifizierung des Fremdkapitals zur vorrangigen Gläubigerbefriedigung würde es dem betreffenden Fremdkapitalgeber bereits im Vorfeld der Insolvenz erlauben, sein Kapital abzuziehen. Eine unmittelbare Einschränkung seines Lösungsinteresses ließe sich nicht begründen, sofern nicht die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzverursachungshaftung gemäß § 64 Abs. 2 S. 3 E-GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 S. 2 E-AktG vorliegen. Es wäre indessen nicht hinnehmbar, wenn der betroffene Fremdkapitalgeber im Vorfeld der Insolvenz anführen könnte, er wäre im Fall der Insolvenz Insolvenzgläubiger. Dies hätte zur Folge, dass die an sich tatbestandlich erfüllten Einschränkungen bei der Verwirklichung seines Lösungsinteresses meist folgenlos wären, weil der Betreffende als Insolvenzgläubiger keine Einbußen hinnehmen müsste. In der insolvenznahen Unternehmenskrise, in der der vorzeitige Mittelabzug gemäß § 490 Abs. 1 BGB bzw. § 723 BGB wegen Verschlechterung des an sich bestehenden Rückerstattungsanspruchs bzw. Auseinandersetzungsguthabens regelmäßig relevant wird, muss daher die Stellung des betreffenden Gläubigers im – hypothetisch – eröffneten Insolvenzverfahren gleichsam vorweggenommen werden. Liegen die Voraussetzungen vor, nach denen es einem Fremdkapitalgeber im Vorfeld der Insolvenz verwehrt ist, sein Lösungsinteresse zu verwirklichen und wäre der Betreffende im eröffneten Verfahren Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO, führt dies dazu, dass die dilatorischen Einschränkungen nicht deswegen ausscheiden, weil er Einbußen als Insolvenzgläubiger zu befürchten hätte. Eine uneingeschränkte Verwirklichung des Lösungsinteresses wäre nur dann gerechtfertigt, wenn durch die weitere Kapitalbelassung Einschränkungen bei der Befriedigung als nachrangiger Gläubiger gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO drohen. Im Regelfall führt die sich abzeichnende Umqualifizierung in der Insolvenz daher dazu, dass die Akkordstörerproblematik auch im Vorfeld der Insolvenz zumindest bezüglich der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber gelöst wird: Derjenige, der sich an der Unternehmensleitung beteiligt, muss seinen Finanzierungsbeitrag auch im Vorfeld der Insolvenz im Unternehmen belassen. Widersetzt er sich – im Regelfall aufgrund einvernehmlichen Handelns mit dem Unternehmen – hiergegen, vermag die Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Nr. 2 E-InsO dies zu korrigieren. Das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen führt somit zwar keine materiell-rechtliche Umqualifizierung von Finanzie475

Oben II 1 b.

VIII. Sanierungsprivileg

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rungsbeiträgen im Vorfeld der Insolvenz mehr herbei. Die aus der Stellung als nachrangiger Insolvenzgläubiger resultierenden Vorwirkungen auf die mit der Protestatio-Formel auch im Vorfeld der Insolvenz bestehende Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens begründet aber in beschränktem Umfang ein vergleichbares Ergebnis.

VIII. Sanierungsprivileg Steht nach dem Vorgesagten fest, dass die Einbeziehung eines einflussnehmenden Fremdkapitalgebers in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO auch unterhalb der von der herrschenden Meinung aufgestellten hohen Hürden geboten und gerechtfertigt ist, soll nachfolgend herausgearbeitet werden, dass der vielfach geäußerten Sorge vor einer übermäßigen Belastung des Finanzierungsmarktes durch die analoge Anwendung des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO begegnet werden kann.

1. Nochmals: Die „Sanierungsfeindlichkeit“ einer Subordination von Finanzierungsbeiträgen Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass insbesondere Eidenmüller die durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO herbeigeführte Subordination von Finanzierungsleistungen rechtspolitisch betrachtet vor allem auch wegen der hiervon ausgehenden negativen Anreize für eine außergerichtliche Sanierung ablehnt. 476 Insbesondere für die de lege ferenda – letztlich auch nach Ansicht Eidenmüllers wegen ihres Informationsvorsprungs und des Einflusses auf die Geschäftsführung – einzubeziehenden Dritten477 ist dieser Aspekt nicht von der Hand zu weisen: Aus Sicht der potentiell betroffenen Fremdkapitalgeber liegt es nahe, dass sie sich der möglicherweise sinnvollen Einflussnahme entziehen, um die drohende Umqualifizierung in der nie auszuschließenden Insolvenz zu vermeiden. Dieser Effekt würde unbestreitbar gemildert, wenn sie allenfalls eine Verschärfung der Insolvenzanfechtung zu befürchten hätten, nicht aber zugleich eine Subordination ihrer Finanzierungsbeiträge. Wie ebenfalls bereits herausgearbeitet wurde, vermag diese Sichtweise die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, bestimmte Fremdfinanzierungen de lege lata und de lege ferenda auch mit einem insolvenzrechtlichen Nachrang zu versehen, jedoch nicht in Frage zu stellen und damit einer Fortbildung dieser Regeln auch nicht entgegenzustehen. Jede Einschränkung der Privatautonomie, 476 477

Eidenmüller, FS Canaris, 2007, S. 49, 53 ff. Eidenmüller, FS Canaris, 2007, S. 49, 63 (für die Insolvenzanfechtung).

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

auch durch bloße Insolvenzanfechtung,478 ist zwar aus der Perspektive der hiervon Betroffenen nachteilig, kann jedoch im Interesse anderer oder zur Verwirklichung einer funktionierenden Privatrechtsordnung gerechtfertigt sein. Beide Aspekte werden durch die Rückstufung gewährleistet: Nur die im Einklang mit der Finanzierungstheorie begründete vorrangige Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger stellt sicher, dass die einflussnehmenden Gesellschafter und Fremdkapitalgeber verantwortungsbewusst handeln und bei der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen die Belange anderer, hiervon ebenfalls Betroffener, mitberücksichtigt werden.479 Nur hierüber kann der latente Vorwurf der „unzulässigen Einmischung“ bzw. der „stillen Geschäftsinhaberschaft“ ausgeräumt werden, der als konturenlose Konkretisierung der Generalklauseln der Rechtswidrigkeit und Sittenwidrigkeit zudem ein größeres Sanierungshindernis bedeuten dürfte als die Umqualifizierung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO. Immerhin unterliegen die den Eigentümern funktional vergleichbaren Einflussnehmenden einer der Finanzierungsverantwortung der Eigentümer vergleichbaren Verstrickung ihrer Kapitalbeiträge. Weiterhin bringt die über das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen begründete Gewährleistung, dass die non-adjusting creditors auf die vorrangige Verlusttragung der Einflussnehmenden vertrauen dürfen und hierdurch einen Anreiz haben, sich unzureichend gesichert an einer Unternehmensfinanzierung zu beteiligen, als normativer Vertrauenstatbestand eine kaum messbare, aber im Einklang mit der Finanzierungstheorie tatsächlich vorhandene Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital mit sich, die auch den von der Subordination potentiell Betroffenen zu Gute kommt.480 Es wäre daher – ebenfalls im Einklang mit der Finanzierungstheorie – ein Widerspruch, wenn die einzubeziehenden Dritten einerseits von der Existenz einer potentiell nachteiligen Regel profitieren, andererseits aber dann, wenn es zur vorrangigen Verlusttragung kommt, hiervon nichts mehr wissen wollen.481 Dies ist auch kein Zirkelschluss, weil etwa die zu begründende Norm mit ihrer noch nicht begründeten Existenz als Vertrauenstatbestand für die positiven Effekte für die Unternehmensfinanzierung herangezogen würde: Indem der Gesetzgeber nunmehr die vorstehend skizzierte inkompatible Rolle des Einflussnehmenden in der Insolvenz zur materiellen Legitimation von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO heranziehen wird, 482 findet die erzwungene Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch bei formal als Fremdkapital geleisteten Finanzierungsbeiträgen Anerkennung. Es spricht daher nichts dagegen, die an die unternehmerische Tätigkeit ohne persönliche 478 Vgl. die Kritik von Paulus am bestehenden, allgemeinen Anfechtungsrecht gemäß §§ 129 ff. InsO als Sanierungshindernis (BB 2001, 425, 426); dagegen bereits oben § 6 IV. 479 Oben § 5, § 12 III. 480 Oben § 12 VI. 481 Zu diesem, auch ökonomisch begründbaren Selbstwiderspruch oben § 11 II. 482 Oben IV.

VIII. Sanierungsprivileg

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Schuldenhaftung im Sinne Hubers geknüpfte Subordination483 als eine auch ökonomisch betrachtet sinnvolle zwingende Regel auszubauen, die einen funktionierenden Markt der Unternehmensfinanzierung unter Beteiligung von nonadjusting creditors herbeiführt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die von einer drohenden Subordination ausgehenden – tatsächlich vorhandenen – negativen Anreize, sich an der Unternehmenssteuerung zu beteiligen, durchaus nicht so stark sind, wie es auf den ersten Blick scheint. Sollte es nämlich gelingen, zu Gunsten der hier in Rede stehenden Fremdkapitalgeber das Sanierungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 EInsO anzuwenden, ohne dass sie gezwungen wären, eine Gesellschafterstellung zu erwerben, wäre zumindest die ökonomisch gebotene erstmalige Mitsteuerung eines Unternehmens in der bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Krise möglich, ohne dass die sich hierzu bereit erklärenden Fremdkapitalgeber die Nachteile des § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO befürchten müssten.

2. Die Privilegierung von Sanierungsfinanzierungen In § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO heißt es: „Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.“

Die Regelung ähnelt § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG, welche für dass geltende Eigenkapitalersatzrecht bestimmt: „Erwirbt ein Darlehensgeber in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise, führt dies für seine bestehenden oder neugewährten Kredite nicht zur Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz.“

In der Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG finden sich keine Anhaltspunkte über die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Neuregelung und ihre Erstreckung auf einzubeziehende Dritte. Dem Hinweis, das Sanierungsprivileg gelte auch zukünftig, lässt sich jedoch entnehmen, dass das beim Eigenkapitalersatzrecht bestehende Sanierungsprivileg auf die neue Konzeption der Gesellschafterdarlehen zu übertragen ist.484 Um herausarbeiten zu können, unter welchen Voraussetzungen auch Dritte in den Genuss dieses 483

Huber, FS Priester, S. 259, 280. Regierungsbegründung zu Art. 9 Nr. 5 MoMiG (ZIP 2007, 3, 33): das Sanierungsprivileg gilt „auch zukünftig“ für Personen, die vor dem Anteilserwerb aus dem Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO herausfielen, also weder Gesellschafter noch gleichgestellte Personen waren oder vor dem Hinzuerwerb weiterer Anteile dem Kleinbeteiligungsprivileg unterfielen. 484

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Privilegs kommen, muss daher zunächst auf die bestehende Rechtslage Bezug genommen werden. § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG wurde durch das KonTraG im Jahr 1998 eingeführt.485 Ausweislich der hierzu vorhandenen Gesetzgebungsmaterialien soll es einem Darlehensgeber ermöglicht werden, „in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile und unternehmerische Kontrolle zu übernehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass seine stehen gelassenen Alt-Kredite allein deshalb in eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert werden. Dies gelte unabhängig davon, ob er neue Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung zeichnet oder bestehende Anteile von den Alteigentümern übernimmt. Auch Letzteres, zumeist verbunden mit dem Austausch des Managements, könne ein wichtiger Beitrag zur Sanierung sein“.486 Die hiermit geschaffene Privilegierung von (echten! dazu sogleich) Sanierungsdarlehen im Eigenkapitalersatzrecht ist hiernach ein gesetzgeberischer Anreiz, dass sich die Beteiligten außergerichtlich um die „Rettung“ eines angeschlagenen Unternehmens bemühen.487 Als Rechtsfolge erhält ein hierunter zu fassendes Sanierungsdarlehen in der Insolvenz nicht den an sich gebotenen Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sondern kann als gewöhnliche Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO geltend gemacht werden mit der Hoffnung auf zumindest quotale Befriedigung.488 Dass die Privilegierung nur in der Insolvenz und damit gerade im Fall des Scheiterns der Sanierungsbemühungen zum Tragen kommt, darf nicht als Konterkarierung eines auf Insolvenzvermeidung zielenden Anreizsystems verstanden werden. Die Privilegierung ist nämlich an besondere Anforderungen ex ante geknüpft, von denen eine verhaltenssteuernde Wirkung im Vorfeld der Insolvenz ausgeht. Im Einklang mit der seit langem herrschenden Meinung489 hat der BGH jüngst zutreffend darauf hingewiesen, „dass der die Privilegierung rechtfertigende Sanierungszweck iSv. § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG neben dem im Regelfall als selbstverständlich zu vermutenden Sanierungswillen voraussetzt, dass nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten im Augenblick des Anteilserwerbs die Gesellschaft objektiv sanierungsfähig ist und die für ihre Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren“.490 Die Privilegierung des Sanierungsdarlehens selbst bei Scheitern 485

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. I, S. 786). 486 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 13/10038, S. 28. 487 So auch Paulus, BB 2001, 425, 425; zu den im Vorfeld der Neuregelung erfolgten zweifelhaften Versuchen, ein Bankenprivileg zu begründen, Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19 (m. w. N.). und oben V 2. 488 Die Wirkung dieses Anreizes betont vor allem Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 53 ff.; ähnlich Habersack, ZBB 2006, 499, 494. 489 Statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. 490 BGH, NJW 2006, 1283.

VIII. Sanierungsprivileg

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der Sanierungsbemühungen ist somit dadurch gerechtfertigt, dass sich der Erfolg einer Sanierung naturgemäß kaum sicher vorhersagen lässt. Trotz dieser Unsicherheit sollen die Beteiligten einen Anreiz haben, das Wagnis einer Sanierung einzugehen, wenn und soweit der Erfolg ex ante betrachtet gewollt und wahrscheinlich ist. Dies hat der Betroffene darzulegen und zu beweisen.491 An diesem Anreiz zur insolvenzvermeidenden außergerichtlichen Sanierung wird auch die geplante GmbH-Reform nichts ändern.492 Zwar ist in § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO vorgesehen, Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz künftig generell zurückzustufen, also ohne das besondere Erfordernis einer Qualifizierung als eigenkapitalersetzend.493 Die Begründung des Referentenentwurfs, „die Bestimmungen der § 32 a Abs. 3 S. 2 und 3 GmbHG werden übernommen“, bedeutet jedoch, dass das Sanierungsprivileg – entsprechend modifiziert494 – auch in diesem erweiterten Regelungsbereich unverändert weiter gilt. 495 Die Finanzierung eines Gläubigers, der eine Gesellschafterstellung einnimmt, wird hiernach im Fall des Scheiterns der Sanierung nicht mit dem Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO bestraft, soweit ex ante die oben genannten subjektiven und objektiven Anforderungen an ein Sanierungsdarlehen erfüllt sind. Insofern versteht sich das hier auf Dritte zu erstreckende Sanierungsprivileg durchaus als sachnähere gesetzgeberische Spezialregelung für die konturenlose generalklauselartige Schadensersatzhaftung wegen Einflussnahme: Um in den Genuss des Privilegs zu gelangen, muss der entsprechende Kapitalgeber die objektiven und subjektiven Anforderungen an ein Sanierungsdarlehen einhalten, mithin ggf. beweisen, dass sein Konzept ex ante betrachtet geeignet war, die nachhaltige Sanierung des Unternehmens herbeizuführen. Gelingt ihm dies, handelte er konsequenterweise rechtmäßig. Erfolgt seine Einflussnahme hingegen nicht mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung und der objektiven Eignung der Mittel zur Zielverwirklichung, bleibt ihm das Sanierungsprivileg verwehrt, so dass seine Kapitalbeiträge gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO zurückgestuft werden. Die hieraus resultierende Selbstbetroffenheit kann daher wie das gesamte Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen als eine gesetzliche Gewährleistung vorrangiger Verlusttragung verstanden werden, die das Bedürfnis nach weitergehenden Schadensersatzregelungen entbehrlich macht.

491 Ganz hM, vgl. nur Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 221; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 67. 492 Vgl. Art. 9 Nr. 4 b MoMiG vom 29. 5. 2006. 493 Apodiktisch die Regierungsbegründung zur Änderung von § 39 InsO, S. 83: „Die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens wird damit aufgegeben“; vgl. bereits oben II. 494 Dazu sogleich unter 4. 495 So auch Noack, DB 2006, 1475, 1480; Bayer/Graf, DStR 2006, 1654, 1658; Flesner, NZG 2006, 641, 647 f.; Knof, ZinsO 2007, 125, 129;

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

3. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege lata Der Wortlaut von § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG erfasst das geltende Eigenkapitalersatzrecht lediglich in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG. In den Genuss des Sanierungsprivilegs gelangt hiernach ein Nichtgesellschafter, der in der Krise erstmalig eine Gesellschafterstellung erwirbt und wegen des Überschreitens der Kleinbeteiligungsschwelle oder einer Stellung als geschäftsführender Gesellschafter gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG die Umqualifizierung aller bisherigen496 und neuen Finanzierungsbeiträge497 zu befürchten hätte.498 Unklar ist demgegenüber, unter welchen Voraussetzungen auch Dritte hierunter zu fassen sind, weil sie bereits vor Kriseneintritt einem Gesellschafter gleichzustellen waren oder weil sie in der Krise zu einem (bloß) gleichzustellenden Fremdkapitalgeber werden. a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Einbeziehung gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG Dies betrifft zum einen die Frage, welche Folgen es hat, wenn ein Nichtgesellschafter, der bereits gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG in das Eigenkapitalersatzrecht einbezogen wurde, in der Krise erstmalig Geschäftsanteile erwirbt. Auf der Grundlage des Wortlauts könnte man anführen, auch in diesem Fall sei die Privilegierung gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG geboten. Immerhin ist er bisher lediglich „Darlehensgeber“ und nicht Gesellschafter gewesen. Bereits de lege lata ist dieser formalen Betrachtung jedoch zu Recht niemand gefolgt. Das Sanierungsprivileg ist darauf angelegt, dass mit der Beteiligung eines Gläubigers als Gesellschafter auch eine Änderung der bisherigen Unternehmensstrategie verbunden wird, mithin ein „Ruck“ durch die Gesellschaft geht. 499 Hieraus folgt zweierlei: Zum einen fällt auch ein bisher unter das Kleinbeteiligungsprivileg zu fassender, nicht-geschäftsführender Gesellschafter hierunter, wenn er in der Krise neue Anteile erwirbt und fortan Adressat des Eigenkapitalersatzrechts wäre.500 Zum anderen betrifft das Sanierungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG nur solche Nichtgesellschafter als „Gläubiger“, die bis zum Anteilserwerb nicht bereits unter § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG zu fassen wa-

496

Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 508, 509. Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. 498 Erwirbt der Dritte eine unter das Kleinbeteiligungsprivileg fallende Gesellschafterstellung, kommt es auf das Sanierungsprivileg bereits nicht an. 499 Vgl. die oben zitierte Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (Rn. 628). 500 So die hM Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32 a Rn. 80; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Pentz, GmbHG, § 32 a Rn. 114; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 214; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 200; zweifelnd. Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. 497

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ren.501 Begünstigt sind somit der dem gesetzlichen Regelfall entsprechende einflusslose Darlehensgeber, der „typische Pfandgläubiger“, der „typische stille Gesellschafter“ und die Personen, die nicht aufgrund eines wirtschaftlichen oder verwandtschaftlichen Näheverhältnis einem Gesellschafter zuzurechnen sind.502 Sind die Einbeziehungsvoraussetzungen jedoch bereits im Vorfeld des Anteilserwerbs erfüllt, führt der Anteilserwerb keine Privilegierung herbei. Die Begründung folgt bei teleologischer Betrachtung daraus, dass der Dritte das unternehmerische Risiko bis zum Kriseneintritt bereits mitgesteuert hat. 503 Es wäre daher bereits de lege lata nicht gerechtfertigt, nunmehr von einer das Sanierungsprivileg rechtfertigenden Neurausichtung der Unternehmensstrategie zu sprechen. b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen? Eine bisher kaum diskutierte Frage ist, ob auch ein – bisher nicht gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG einzubeziehender – Nichtgesellschafter durch seine in der Krise erfolgende, die objektiven und subjektiven Merkmale eines Sanierungsdarlehens erfüllende erstmalige Aufnahme der an sich schädlichen Einflussnahme in den Genuss des Sanierungsprivilegs gemäß § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG gelangen kann. Auf der Grundlage der zum geltenden Eigenkapitalersatzrecht vorherrschenden Meinung in der Literatur ist hierbei zwischen zwei Konstellationen zu differenzieren. aa. Gewährung eines weiteren Sanierungsdarlehens Denkbar ist zum einen, dass ein typischer – einflussloser – Fremdkapitalgeber bzw. typischer stiller Gesellschafter in der in der Krise weiteres Fremdkapital gewährt und nunmehr erstmalig die Voraussetzungen für eine Einbeziehung gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG gegeben wären, weil er sich fortan nicht mehr auf die Rolle des Einflusslosen beschränkt. Dies hat zunächst zur Folge, dass sein Sanierungsdarlehen eigenkapitalersetzend ist und in der Insolvenz nur nachrangig geltend gemacht werden kann. Ein Sanierungsprivileg kommt nach dem Wortlaut von § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG nicht in Betracht, weil der gleichzustellende Fremdkapitalgeber keine Geschäftsanteile erwirbt. Dass dieses Ergebnis bei teleologischer Betrachtung fragwürdig wäre, liegt auf der Hand. Der mit der Zubilligung eines Sanierungsprivilegs legitimierte Anreiz, dass jemand in der bereits eingetretenen Krise erstmalig „unternehme501 Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19; Habersack, in GroßKomm GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 200; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 214; teilweise einschränkend Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 32 a Rn. 117 f. 502 Zu den Einbeziehungsvoraussetzungen de lege lata oben III 1 und 2. 503 Ähnlich Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 a/b Rn. 80: „ihnen ist die Krise objektiv zuzurechnen“.

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rische Kontrolle übernimmt“504 und – wie im Regelfall – neue Konzepte zur Krisenbewältigung hat und durchzusetzen sucht, würde konterkariert. Es ist daher bereits de lege lata im Einklang mit der überwiegenden Meinung in der Literatur geboten, die Einbeziehung Dritter gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG umgekehrt analog auch auf das Tatbestandsmerkmal „erwirbt ein Darlehensgeber in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile“ anzuwenden.505 Erforderlich ist hiernach nicht, dass der erstmalig Einflussnehmende, nunmehr einem Gesellschafter gleichzustellende Dritte zusätzlich einen Geschäftsanteil erwirbt, um einer insolvenzrechtlichen Verstrickung seines Sanierungsdarlehens und der bereits zuvor gewährten Mittel zu entgehen. § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG gilt auch dann analog, wenn jemand in der Krise der Gesellschaft ein gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG gleichzustellender Dritter wird, mithin die Gewährung eines Sanierungsdarlehens von der Einräumung von Mitspracherechten abhängig macht. bb. Bloße Beteiligung an der Krisenbewältigung Hiervon abzugrenzen ist die weitergehende Frage, ob auch der bloße Beginn der Einflussnahme durch einen bisher einflusslosen Fremdkapitalgeber es rechtfertigt, das Sanierungsprivileg allein für seine bereits gewährten Finanzierungsbeiträge eingreifen zu lassen, ohne dass mit der Einflussnahme zugleich die Gewährung weiterer Mittel oder der Erwerb einer Gesellschafterstellung einhergeht. Man denke nur an den Fall, dass ein Kreditinstitut oder Finanzinvestor sich bisher auf die dem gesetzlichen Regelfall entsprechende Rolle des „typischen“ Darlehensgebers bzw. stillen Gesellschafters beschränkt hat, aufgrund der eingeräumten Informationsrechte („warning“) jedoch die Unternehmenskrise erkennt und den Willen hat, aktiv an der Krisenbewältigung mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung mitzuwirken, ohne aber zugleich eine förmliche Gesellschafterstellung einnehmen zu wollen oder der Gesellschaft einen weiteren Sanierungskredit zu gewähren. (1) Die Kontroverse in der Literatur. Während es in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidungen hierzu gibt, lehnen weite Teile in der Literatur für diesen Fall ein Sanierungsprivileg ab und sprechen sich für 504

So die soeben zitierte Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (oben Fn. 628). So auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 216; Casper/Ulrich, GmbHR 2000, 472, 479; Kästle, Rechtsfragen, S. 196; Tillmann, DB 2006, 199, 201 ff.; noch weitergehend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32 a Rn. 65 ff., der bereits de lege lata alle objektiven Sanierungskredite unter das Sanierungsprivileg fassen will, was sich jedoch auf der Grundlage von § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG dogmatisch nicht begründen lässt (dies erkennt Altmeppen letztlich auch an, vgl. a.a.O. Rn. 60); ähnlich Engert, ZGR 2004, 813, 839 und für das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen Bork, ZGR 2007, 250, 259; abw. Pentz, GmbHR 1999, 437, 449 und Hirte, ZInsO, 1998, 147, 151: Erwerb einer formalen Gesellschafterstellung notwendig. 505

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eine Umqualifizierung gemäß §§ 32 a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 GmbHG unter dem Aspekt des Stehenlassens der Finanzierungsbeiträge aus. Zur Begründung wird angeführt, der Dritte müsse einen zusätzlichen „Sanierungsbeitrag“ leisten, um in den Genuss des Sanierungsprivilegs zu gelangen. Dieser läge entweder – wie vorstehend beschrieben – in der Gewährung zusätzlicher Kreditmittel oder aber zumindest im Erwerb der förmlichen Gesellschafterstellung, was die notwendige Identifikation mit der Gesellschaft herbeiführe und den Vorwurf ausräume, dem Dritten ginge es nur darum, seine Kredite zurückzuführen, mithin die Verwirklichung von Gläubigerinteressen.506 Andere halten hingegen auch bei der bloßen Aufnahme der Mitsteuerung die Anwendung des Sanierungsprivilegs für die bereits gewährten Finanzierungsbeiträge für geboten. So führt zum Beispiel Dörrie an, die Mitgliedschaft in einem mit umfangreichen Zustimmungs- und Kontrollrechten ausgestatteten Beirat der Gesellschaft oder die schuldrechtliche Einräumung maßgeblicher Mitspracherechte sei ausreichend, um eine dem Anteilserwerb vergleichbare Rechtshandlung zum Zweck der Überwindung der Krise anzuerkennen.507 Er erstreckt somit die Gleichstellung eines Dritten gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG wie die herrschende Meinung bei der Gewährung eines Sanierungsdarlehens umgekehrt analog auf das Merkmal des Anteilserwerbs gemäß § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG. Im Ergebnis führt diese Ansicht zu einer vollständigen Emanzipation der geltenden Finanzierungs(folgen)verantwortung von der formalen Gesellschafterstellung: Ein Dritter kann gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG Adressat des Eigenkapitalersatzrechts sein; er kann jedoch auch Adressat des Sanierungsprivilegs sein – in beiden Fällen, ohne jemals einen Geschäftsanteil halten oder erwerben zu müssen. (2) Stellungnahme. Die wohl herrschende, restriktive Auslegung von § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG hinsichtlich des notwendigen Erwerbs eines Geschäftsanteils ist aus verschiedenen Gründen nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Selbst wenn man anerkennt, dass der Adressat des Sanierungsprivilegs einen „Sanierungsbeitrag“ leisten müsste, wäre es zum einen widersprüchlich, diesen zwar in den Fällen zu bejahen, in denen ein Nichtgesellschafter ein Sanierungsdarlehen gewährt, ohne sich förmlich an der Gesellschaft zu beteiligen, nicht aber, wenn er lediglich einen bereits geleisteten Finanzierungsbeitrag stehen lässt. Das Sanierungsprivileg verhindert, dass Alt- und Neufinanzierungen in QuasiEigenkapital umqualifiziert werden – und zwar alternativ („bestehenden oder neugewährten Kredite“). Der Sanierungsanreiz zielt somit zumindest auch darauf, die bereits engagierten Kreditgeber zur Mithilfe bei der Sanierung zu bewegen, die nicht zugleich einen weiteren Kredit gewähren, sondern ihren bishe506

Neuhof, NJW 1999, 20, 21; Pichler, WM 1999, 411, 413; Kästle, Rechtsfragen, S. 196 f. Dörrie, ZIP 1999, 12, 15; wohl auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 216; Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 19. 507

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rigen bloß stehen lassen. Sollte dies nicht als von der überwiegenden Meinung geforderter „Sanierungsbeitrag“ ausreichen, müsste der Wortlaut heißen „bestehenden und neugewährten Kredite“. Weiterhin ist zu bedenken, dass die für notwendig erachtete Identifikation des Dritten mit der Gesellschaft nicht notwendigerweise davon ausgeht, dass er Geschäftsanteile erwirbt. Diese sind in der de lege lata zwingend erforderlichen Krise regelmäßig stark im Wert beeinträchtigt, so dass es kein spürbarer Verlust wäre, sich eine entsprechende Gesellschafterstellung zu „erkaufen“. Das Festhalten am formalen Erfordernis, einen Geschäftsanteil zu erwerben, erscheint insofern als eine bloße Förmelei, die die damit herbeizuführenden Folgen der Identifikation nicht zu begründen vermag. Eine andere Betrachtung wäre allenfalls dann geboten, wenn man das Sanierungsprivileg als eine Ausprägung des dem geltenden Eigenkapitalersatzrechts zu Grunde liegenden Gebots zu konsistentem Finanzierungsverhalten sieht und sich hieraus die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung von § 32 a Abs. 3 S. 3 GmbHG ergäbe. Wie bereits herausgearbeitet, sanktioniert § 32 a GmbHG nicht – wie beim künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen – die inkompatible Doppelrolle eines Einflussnehmenden in der Insolvenz, sondern, dass jemand falsch finanziert hat, mithin anstelle der gebotenen Eigenkapitalzufuhr Fremdkapital gewährt hat. 508 Insofern wäre es konsequent, wenn man auch das Sanierungsprivileg im Einklang mit der soeben genannten herrschenden Ansicht in der Literatur als Dispens von dem an sich gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG bestehenden Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten sähe. Man müsste die Privilegierung konsequenterweise daran knüpfen, dass der Betreffende zunächst einmal falsch finanziert, mithin auch mit haftendem Eigenkapital an der Finanzierung beteiligt ist bzw. wird, um es ihm sodann zu erlauben, darüber hinaus Fremdkapital zu gewähren und dieses auch in der Insolvenz als solches behandelt zu wissen. Ob dieser Ansatz letztlich überzeugt und die im Ergebnis sanierungsfeindliche herrschende Meinung de lege lata rechtfertigt, erscheint mehr als zweifelhaft, soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden. Indem das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen nicht mehr eine Verletzung des Gebots zu konsistentem Finanzierungsverhalten sanktioniert, wäre eine derartige tatbestandliche Einschränkung ohnehin nicht mehr aufrecht zu erhalten. Nachfolgend soll daher herausgearbeitet werden, wie diese Frage künftig gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO zu behandeln ist.

508

Vgl. oben III 2 d.

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4. Nichtgesellschafter als Begünstigte des Sanierungsprivilegs de lege ferenda Auch § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO erfasst ausgehend von seinem Wortlaut allein den gesetzlichen Regelfall der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO: In den Genuss des Sanierungsprivilegs gelangt hiernach ein Nichtgesellschafter, der bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung der Gesellschaft 509 erstmalig eine Gesellschafterstellung erwirbt und wegen des Überschreitens der Kleinbeteiligungsschwelle oder einer Stellung als geschäftsführender Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO die Subordination aller bisherigen und neuen Finanzierungsbeiträge zu befürchten hätte.510 Wiederum ist für die hier interessierende Fragestellung unklar, unter welchen Voraussetzungen auch Dritte hierunter zu fassen sind, die bereits im Vorfeld der maßgeblichen Insolvenzgründe einem Gesellschafter gleichzustellen sind oder die im Zeitpunkt des Eintritts zu einem (bloß) gleichzustellenden Fremdkapitalgeber werden. a. Keine Privilegierung bei bereits erfolgter Gleichstellung Da das künftige Sanierungsprivileg die bisherige Regelung „sachlich übernimmt“511, besteht kein Zweifel, dass ein Fremdkapitalgeber, der wegen seiner Integration in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess bereits einem Gesellschafter gleichzustellen ist,512 nicht in den Genuss des Sanierungsprivilegs gelangt. Er hatte es in der Hand, den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit zumindest mitzubeeinflussen. Die materielle Legitimation der Privilegierung, dass jemand erstmalig unternehmerische Kontrolle übernimmt und hierdurch ein „Ruck“ durch die Gesellschaft geht, wird durch seine Einflussnahme nicht verwirklicht. Liegen die Voraussetzung einer Einbeziehung des Dritten somit im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits vor, besteht keine Möglichkeit mehr, der Subordination zu entgehen. Wie nachfolgend herausgearbeitet wird, sind die hiervon ausgehenden Anreize für den Finanzierungsmarkt auch keineswegs so sanierungsfeindlich, wie es den Anschein haben könnte. Der betreffende Fremdkapitalgeber ist durch die irreversible – aber zunächst nur bevorstehende! 513 – Subordination seiner bisherigen und ggf. künftigen Fi509 Nicht bereits bei Vorliegen einer – nach der Neukonzeption überhaupt nicht mehr bestimmbaren „Krise“ (zutreffend Freitag, WM 2007, 1681, 1683; Gehrlein, Konzern 2007, 771, 788). 510 Wie bereits de lege lata kommt es auf das Sanierungsprivileg nicht an, wenn der Betreffende unter das Kleinbeteiligungsprivileg fällt. 511 Vgl. Art. 9 Nr. 4 b MoMiG vom 29. 5. 2006. 512 Hierzu oben VII. 513 Das Sanierungsprivileg setzt nicht voraus, dass es bereits zu Insolvenzeröffnung kam;

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nanzierungsbeiträge gehalten, seine die Einbeziehung herbeiführende Einflussnahme auch weiterhin wahrzunehmen, um den Insolvenzeintritt zu vermeiden. Dies ist keineswegs ausgeschlossen: Liegen die objektiven Voraussetzungen für eine reale Sanierungschance vor,514 wird es entweder bereits den bestehenden Entscheidungsträgern möglich sein, diese erfolgreich wahrzunehmen. Indem die betreffenden Finanzierungsbeiträge des Dritten im Überschuldungsstatus gemäß § 19 Abs. 2 E-InsO nicht zu passivieren sind, haben sie sogar eine zumindest zeitlich betrachtet größere Möglichkeit, sich um sinnvolle Lösungen zu bemühen als es erst nach Insolvenzreife der Fall ist. 515 Des weiteren ist es keineswegs ausgeschlossen, dass auch ein bisher unbeteiligter Fremdkapitalgeber sich bereit erklärt, ggf. ein Sanierungsdarlehen zu gewähren. Drängt dieser auf die Einräumung einer Gesellschafterstellung, gelangt er – im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO! – in den Genuss des Sanierungsprivilegs.516 Liegen die objektiven Voraussetzungen für eine reale Sanierungschance hingegen nicht vor, spricht nichts dagegen, dass auch der bereits einem Gesellschafter gleichzustellende Dritte seinen Einfluss dazu nutzt, dass rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt wird. Hiervon profitieren in jedem Fall die über das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen geschützten non-adjusting creditors. In gewisser Weise profitiert hiervon jedoch auch der betroffene Fremdkapitalgeber selbst. Immerhin ist mangels Vorliegens einer objektiven Sanierungschance nicht davon auszugehen, dass sich die Gesellschaft wieder erholt. b. Sanierungsprivileg ohne Erwerb von Geschäftsanteilen? Problematisch ist wiederum, ob das Sanierungsprivileg gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 InsO auch dann gilt, wenn jemand – aus Anlass der Vergabe eines (weiteren) Sanierungskredits oder lediglich mit dem Ziel, sein bisheriges finanzielles Engagement abzusichern – im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit erstmalig auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt, hierdurch Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wird, er jedoch nicht wie gefordert, Anteile zum Zweck ihrer Sanierung erwirbt. Wie bereits de lege lata, scheidet das Sanierungsprivileg auf der Grundlage des Wortlauts von § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO aus, denn der Erwerb von Anteilen erfordert die Begründung einer mitgliedschaftlichen Stellung. Zu fragen ist die drohende Zahlungsunfähigkeit ist auch de lege ferenda nicht Gegenstand der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 a E-InsO. 514 Vgl. BGH, NJW 2006, 1283: Gesellschaft „nach der pfl ichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten (. . .) objektiv sanierungsfähig“. 515 Zur Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter oben § 8. 516 Zur analogen Anwendung, wenn dieser lediglich in eine gesellschaftergleiche Stellung einrückt, sogleich unter b.

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aber, ob die auch nach der Neuregelung mögliche und gebotene Einbeziehung eines Dritten, die nicht formaler Gesellschafter sind, in das Recht der Gesellschafterdarlehen umgekehrt analog auch beim Sanierungsprivileg Geltung beansprucht. Im Ergebnis würde dies im Einklang mit den bereits in der Literatur de lege lata anzutreffenden Stimmen eine völlige Emanzipation des Rechts der Gesellschafterdarlehen von der dinglichen Betrachtung bewirken: Ein Dritter wäre gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO Adressat der Subordination von Fremdkapital; er wäre jedoch auch Adressat des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO – in beiden Fällen, ohne jemals einen Geschäftsanteil halten oder erwerben zu müssen. Betrachtet man sich noch einmal die vergleichbare Diskussion de lege lata, ergibt sich folgendes Bild: Die wohl herrschende Meinung wendet das Sanierungsprivileg dann analog an, wenn ein gemäß § 32 a Abs. 3 S. 1 GmbHG gleichzustellender Dritter in der Krise ein (weiteres) Sanierungsdarlehen gewährt, mangels eines „Sanierungsbeitrags“ aber nicht, wenn ein bisher einflussloser Fremdkapitalgeber die Krise lediglich zum Anlass nimmt, sich an der Steuerung des Unternehmens zu beteiligen. Bestanden bereits erhebliche Zweifel an dieser Lösung de lege lata, vermag sie künftig noch weniger zu überzeugen. Das Recht der Gesellschafterdarlehen sanktioniert nicht mehr widersprüchliches Finanzierungsverhalten, sondern allein widersprüchliches Gläubigerverhalten in der Insolvenz.517 Da sich hiernach niemand mehr im Zeitpunkt der Finanzierung widersprüchlich verhält, weil er anstelle der gebotenen Eigenkapitalzufuhr Fremdkapital beisteuert, kommt dem Aspekt der inkonsistenten Finanzierung keine eigenständige Bedeutung mehr zu: Man muss nicht mit Eigenkapital an der Gesellschaft beteiligt sein, um sich in der Krise bzw. künftig bei drohender Zahlungsunfähigkeit nur noch mit weiterem Eigenkapital beteiligen zu dürfen. Dies bedeutet umgekehrt, dass das Sanierungsprivileg nicht mehr den von der Literatur de lege lata geforderten „Sanierungsbeitrag“ in Form von Eigenkapital verlangt. Der Wortlaut von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO bedeutet möglicherweise den Regelfall einer Sanierungsfinanzierung, bei der es dem Fremdkapitalgeber gerade auf die Einräumung einer mitgliedschaftlichen Stellung ankommt, um seinen Einfluss auf das Unternehmen auszuüben. Abschließend ist folgender Aspekt zu nennen: Übt der Fremdkapitalgeber Einfluss auf das Unternehmen aus, der es einerseits rechtfertigt, ihn bei wertender Betrachtung einem Gesellschafter gleichzustellen, ist es andererseits geboten, ihn spiegelbildlich aus der über das Recht der Gesellschafterdarlehen begründeten Finanzierungsverantwortung zu entlassen, wenn die objektiven und subjektiven Anforderungen des Sanierungsprivilegs518 vorliegen. Die andernfalls erfolgende Schlechterstellung 517 518

Oben IV. Vgl. BGH, NJW 2006, 1283.

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des Dritten gegenüber dem förmlichen Gesellschafter ließe sich auch nicht unter Missbrauchsaspekten rechtfertigen.519 Zum einen besteht das Missbrauchspotential gleichermaßen, wenn der Dritte eine – wegen der bereits eingetretenen drohenden Zahlungsunfähigkeit meist günstig erhältliche – Beteiligung erwirbt. Zum anderen hat der Dritte die Sanierungsfähigkeit und den Sanierungswillen zu beweisen 520 , so dass er sich im eigenen Interesse absichern wird, keine unvertretbaren Risiken einzugehen. Die Praxis hilft sich bereits jetzt mit entsprechenden Sanierungsgutachten.521

5. Ergebnis Es lässt sich daher festhalten, dass nach dem hier vorgestellten Konzept mit der gegenüber den bisherigen Ansätzen weitergehenden Einbeziehung Dritter in das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen eine den Vorwurf der Sanierungsfeindlichkeit stark reduzierende weitgehende Anwendung des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO einhergeht. Hierauf kann sich nur derjenige nicht berufen, der bereits vor der Insolvenzreife wegen seiner Einflussnahme auf die Unternehmensleitung Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO war. Nimmt der Dritte hingegen bei Insolvenzreife erstmalig Einfluss auf die Unternehmensleitung, bewirkt dies auch ohne Anteilserwerb keine Subordination seiner bisherigen und ggf. neugewährten Darlehen, wenn er im Einklang mit der auch künftig fortgeltenden Formel des BGH darlegen und beweisen kann, dass neben dem als Regelfall vorauszusetzenden Sanierungswillen nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten im Augenblick des Anteilserwerbs oder des Beginns der Einflussnahme die Gesellschaft objektiv sanierungsfähig war und die für die Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren. Ein Fremdkapitalgeber, der die Covenantgestützte Unternehmensfinanzierung zunächst nur auf die detaillierte Kontrolle beschränkt („warning“) und erst in der sich abzeichnenden, aber behebbaren Krise auf eine Beteiligung an der Unternehmenssteuerung drängt („guidance“), hat daher nach dem hier vertretenen Konzept keine Einbußen zu befürchten.

519 520 521

So aber Kästle, Rechtsfragen, S. 197. Oben 2. Vgl. nur Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 32 a Rn. 123.

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

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IX. Widersprüchliches Finanzierungsverhalten bei gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen Die bisherigen Ausführungen zur Einbeziehung Dritter in das geltende Recht des Eigenkapitalersatzes bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen bezogen sich darauf, dass der Unternehmensträger eine Kapitalgesellschaft – GmbH, AG, SE oder vergleichbare Auslandsgesellschaft – bzw. eine nicht-gesetzestypische Personenhandelsgesellschaft – regelmäßig eine GmbH & Co. KG – ist. Eine andere Frage ist schließlich, ob sich das hier entwickelte Konzept der insolvenzbezogenen Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens auch auf die Fremdfinanzierung einer gesetzestypischen Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens erstreckt.

1. Die gesetzliche Ausgangslage de lege lata et ferenda Wie bereits erwähnt, gelten die sog. Rechtsprechungsregeln und §§ 32 a f. GmbHG de lege lata allein für die Finanzierung einer GmbH oder AG. 522 Dieser auf die unternehmenstragenden Kapitalgesellschaften bezogene Anwendungsbereich wird durch §§ 129 a, 172 a HGB auf die unternehmenstragenden Personenhandelsgesellschaften ausgeweitet, soweit nicht zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine natürliche Person oder andere OHG oder KG gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.523 Vereinfacht gesagt, erfolgt nach geltendem Eigenkapitalersatzrecht eine Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen nur dann, wenn für die Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers nicht mindestens eine natürliche Person unbeschränkt persönlich haftet. Ist dies der Fall, scheidet zumindest nach dem Wortlaut dieser Regelungen eine Umqualifizierung aus – unabhängig davon, ob es sich um eine Gesellschafterfremdfinanzierung handelt (sog. gesplittete Einlage) oder um die Finanzierung durch einen einflussnehmenden Dritten. De lege ferenda wird sich hieran nichts ändern. § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO bestimmt ausdrücklich, dass die Subordination nur gilt „für Gesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist und zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern auch keine Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“. Die unbeschränkte persönliche Haftung einer natürlichen Person, ggf. vermittelt über eine Stellung als Gesellschafter-Gesellschafterin, schließt somit auch künftig eine insolvenzrechtliche Umqualifizierung des als Fremdkapital gewährten Darlehens bzw. der stillen Beteiligung aus. Ob diese scheinbar eindeu522 523

Oben § 14 II. Einzelheiten bei K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 172 a Rn. 4 m. w. N.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

tige gesetzliche Ausgangslage es verhindert, im Wege der Rechtsfortbildung den hier interessierenden Fremdkapitalgebern auch bei den gesetzestypischen Personengesellschaften und bei Einzelunternehmen eine entsprechende Finanzierungsverantwortung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO analog aufzuerlegen, soll nachfolgend untersucht werden. Hierbei ist zunächst herauszuarbeiten, welche Ansätze es bereits de lege lata gibt, den Anwendungsbereich der §§ 32 a f. GmbHG bzw. der Rechtsprechungsregeln über den Wortlaut der jeweiligen Regelungen hinaus zu erweitern.

2. Bisherige Ansätze zur analogen Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts auf gesetzestypische Personengesellschaften Während die überwiegende Meinung in der Literatur davon ausgeht, dass die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln bei den gesetzestypischen Personengesellschaften verfehlt sei,524 sprechen sich einige in der Folge eines grundlegenden Ansatzes von K. Schmidt aus dem Jahr 1983 zunehmend für eine partielle Erstreckung auch auf die gesetzestypischen Personengesellschaften aus.525 Zur Begründung wird angeführt, dass zumindest auf der Grundlage der Novellen-Regeln aus dem Jahr 1980 eine „eigenkapitalersetzende Fremdfinanzierung aus Gesellschafterhand“ in der Insolvenz der Gesellschaft keine Insolvenzforderung begründen könne.526 Dies gelte nicht nur bei den Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Kapitalgesellschaften & Co., sondern überall dort, wo Finanzierungsfreiheit, Finanzierungsverantwortung und Gläubigerschutz gegeneinander abgewogen werden müssten, mithin bei allen Handelsgesellschaften. Kredite aus Gesellschafterhand seien stets dann als Eigenkapital zu behandeln, wenn und solange sie Eigenkapital ersetzten. Auch bei der gesetzestypischen KG könne eine über die Haftsumme gemäß § 171 Abs. 1 HGB hinausgehende Fremdfinanzierung (gesplittete Einlage) eigenkapitalersetzend sein und in der Insolvenz entsprechend § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Nachrang haben. 524 Rümker, ZGR 1980, 494, 512; Groß, BB 1991, 2386 ff.; Grunewald, FS Großfeld, S. 319, 327 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 172 a Rn. 25; Baumbach/Hopt, HGB, § 172 a R. 2; Staub/Habersack, § 129 a Rn. 6. 525 K. Schmidt, GesR, § 18 III 4; ders., ZHR 147 (1983), 171, 171 ff.; ders., JZ 1985, 304, 304; ders., GmbHR 1986, 337, 337 ff.; ders., ZIP 1991, 1, 1 ff., ders., in Münch Komm HGB, § 129 a Rn. 15 und § 172 a Rn. 54. – Im Ergebnis ebenso Joost, ZGR 1987, 380, 398 ff.; Koller, FS Heinsius, S. 371, 371 ff.; Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 908; ders. Gesellschaftsrecht II, § 4 III 4 aE (S. 379); Huber, ZGR 1980, 1, 40; Fleischer, Finanzplankredite, S. 202; Stodolkowitz/Kleindiek, in Bankrechts-Hdb, § 84 Rn. 136; Michels, Eigenkapitalersetzende Kommanditistendarlehen, S. 196 ff.; Szebrowski, MDR 2004, 365, 370. 526 Scholz/Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 22; ders. GmbHR 1986, 337, 340; ders., ZIP 1990, 1, 2; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, § 172 a Rn. 54. Zustimmend Michels, Eigenkapitalersetzende Kommanditistendarlehen, 2005, S. 57 ff.

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

569

In der Rechtsprechung ist diese Frage bisher noch nicht näher erörtert worden. Der BGH hat sich lediglich dafür ausgesprochen, das Darlehen eines Komplementärs an die gesetzestypische KG nicht unter das geltende Eigenkapitalersatzrecht zu fassen.527 Wegen der die Gesellschafterfremdfinanzierung überlagernden Haftung gemäß § 128 HGB, § 93 InsO besteht für diese Konstellation freilich schon kein Bedürfnis für eine Umqualifizierung.528 Die entscheidende Frage, ob ein neben der Hafteinlage gewährtes Kommanditisten-Darlehen in entsprechender Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts auch bei einer gesetzestypischen Personengesellschaft wie Quasi-Eigenkapital zu behandeln ist, wurde hingegen ausdrücklich offen gelassen.529 Zum hier interessierenden Problem, ob auch Dritte Adressaten eines auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften oder sogar Einzelunternehmen analog anzuwendende Eigenkapitalersatzrecht sind, finden sich in der genannten Entscheidung überhaupt keine Hinweise. Auch die Literatur hat diese Frage – soweit ersichtlich – bisher noch nicht aufgegriffen.

3. Die Aufspaltung des geltenden Eigenkapitalersatzrechts in einen rechtsformspezifischen und einen rechtsformübergreifenden Teil Die vorgenannten Ansätze für ein rechtsformübergreifende Umqualifizierung begründen die notwendige Überwindung des eindeutigen Wortlauts von §§ 129 a, 172 a HGB im wesentlichen damit, dass das geltende Eigenkapitalersatzrecht auf zwei verschiedenen dogmatischen Grundlagen stehe. Besonders deutlich bringt dies Szebrowski zum Ausdruck: Indem er anführt, Personengesellschaften hätten keinen garantierten Haftungsfonds, folgert er einerseits, dass die sog. Rechtsprechungsregeln bezüglich der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft nicht zur Anwendung gelangen könnten. Ein anderer Befund könne auch nicht für die §§ 32 a, b GmbHG gelten, denn es handele sich insoweit um rechtsformspezifische Vorschriften, die durch §§ 129 a, 172 a HGB ausdrücklich nur auf die nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften Anwendung fänden, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Möglich und geboten sei allerdings eine Anwendung des übrigen Teils der Novellenregeln, mithin der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG. Diese rekurrierten schon tatbestandlich nicht auf kapitalersetzende Darlehen oder gleichgestellte Forderungen im Sinne der Rechtsprechungsregeln bzw. der §§ 32 a, 32 b GmbHG, so dass eine rechtsformspezifische Einschränkung nicht geboten sei. Sie spiegelten vielmehr den – soeben skizzierten – von K. Schmidt postulierten allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, dass kapitalersetzende Leis527 528 529

BGH, NJW 1990, 3145, 3147. Hierzu bereits oben I 1. BGH, NJW 1990, 3145, 3147.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

tungen innerhalb eines Insolvenzverfahrens ganz unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft nur nachrangig geltend gemacht werden dürften und einer verschärften Insolvenzanfechtung unterlägen.530 a. Die tatbestandlichen Unterschiede Es drängt sich auf, dass die Aufspaltung Szebrowskis in ein für Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds geltendes Eigenkapitalersatzrecht gemäß §§ 32 a, 32 b GmbHG und den Rechtsprechungsregeln einerseits und ein hiervon zu trennender, rechtsformübergreifender Teil der Novellenregeln de lege lata gekünstelt erscheint und nicht zu überzeugen vermag. Bereits der Wortlaut von §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG „kapitalersetzende Darlehen“ zeigt, dass es sich hierbei um die insolvenzrechtlichen Folgen einer nach §§ 32 a, 32 b GmbHG und den Rechtsprechungsregeln in Quasi-Eigenkapital umzuqualifizierenden Fremdfinanzierung handelt. Auch die Gesetzesmaterialien zur Einführung von § 39 InsO im Jahr 1999 ergeben, dass sich diese Rückstufung auf die sog. Rechtsprechungsregeln beziehen soll. So heißt es in der Regierungsbegründung zu § 135 InsO aus dem Jahr 1994 ausdrücklich, mit dem allgemein gehaltenen Wortlaut „kapitalersetzende Darlehen“ als Bezugspunkt des Anfechtungstatbestands sollten auch die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle erfasst werden. 531 Grundlage der insolvenzrechtlichen Verstrickung ist daher die sowohl für §§ 32 a, 32 b GmbHG als auch für die Rechtsprechungsregeln notwendige Krisenfinanzierung, mithin die Gewährung von Fremdkapital zu einem Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Sanktioniert wird die Verletzung eines Gebots zu konsistentem Finanzierungsverhalten. Ein Gesellschafter, der bereits mit Eigenkapital an der Gesellschaft beteiligt ist, darf in der Krise nur noch weiteres Eigenkapital beisteuern.532 Eine Aufspaltung des geltenden Eigenkapitalersatzrechts in einen rechtsformspezifischen Teil und eine darüber hinausgehende Ausprägung „allgemeiner Finanzierungsregeln“, deren Verletzung rechtsfolgenseitig über §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG sanktioniert wird, ist daher de lege lata nicht damit zu begründen, dass ein entsprechender Verweis auf die §§ 32 a, 32 b GmbHG bzw. auf §§ 30, 31 GmbHG fehlt. b. Die rechtsfolgenseitigen Unterschiede Nicht von der Hand zu weisen ist demgegenüber der Einwand, dass sich die Rechtsprechungs- und Novellenregeln im Hinblick auf den Umfang der Umqualifizierung unterscheiden. Während § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO allein darauf ab530 531 532

Szebrowski, MDR 2004, 365, 370. BT-Drs. 12/2443, S. 161. Oben III 2.

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

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zielt, dass kein Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO bzw. ein gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigter Gläubiger ausfällt, besteht die Umqualifizierung nach den Rechtsprechungsregeln solange und soweit, wie die Rückzahlung auf Kosten des Stammkapitals erfolgt – mithin bereits im Vorfeld der Insolvenz oder auch nach erfolgreicher Beendigung eines Insolvenzverfahrens. Sieht man bereits de lege lata die durch die Novellenregeln auf die Insolvenz beschränkte gesetzliche Umqualifizierung als Instrument des Gläubigerschutzes, müsste dieser konsequenterweise auch bei den gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen gelten. Die massearme bzw. masselose Insolvenz, bei der die Insolvenzgläubiger Einbußen erleiden, ist dort genauso möglich wie bei den Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften. Immerhin nehmen die Einzelunternehmen mit 41% Platz 2 der Insolvenzstatistik ein, die GmbH & Co. KG hingegen mit 4,5% nur Platz 3. 533 Im Kern reduziert sich daher die Frage darauf, ob die „kapitalersetzenden Darlehen“ iSv. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bereits de lege lata oder zumindest de lege ferenda durch eine dogmatische Begründung legitimiert sind, die nur für die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bzw. nicht-gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaft und die ihnen gleichzustellenden Dritten gelten oder ob sich hierhinter eine Finanzierungsregel verbirgt, die im Wege der Rechtsfortbildung auch über den Wortlaut der Regelungen hinaus auf gesetzestypische Personengesellschaften und sogar Einzelunternehmen anzuwenden sind.

4. Die neue insolvenzrechtliche Subordination von Fremdkapital wegen Einflussnahme als rechtsformübergreifende Gläubigerschutzregel Will man herausarbeiten, ob das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. zumindest das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen ein rechtsformübergreifender Ansatz ist, Fremdkapital in Quasi-Eigenkapital umzuqualifizieren oder in der Insolvenz zu subordinieren, müsste die scheinbar eindeutige gesetzliche (Wortlaut-)Regelung im Wege der Rechtsfortbildung überwunden werden. Um dies zu begründen, ist zu hinterfragen, ob die gesetzgeberische Wertung, gesetzestypische Personengesellschaften auszunehmen, zu überzeugen vermag oder ob eine planwidrige Regelungslücke besteht. Bevor hierauf eingegangen wird, ist zunächst herauszuarbeiten, ob die dogmatische Grundlage für die Umqualifizierung bzw. Subordination überhaupt geeignet ist, auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen übertragen zu werden, mithin eine Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlagen besteht.

533

Ulmer, in GroßKomm GmbHG, Einleitung A 91 (Zahlen aus dem Jahr 2004).

572

§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

a. Das geltende Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten als Teilaspekt der auf Kapitalgesellschaften beschränkten materiellen Unterkapitalisierung Sucht man nach einer verallgemeinerungsfähigen Grundwertung der Rechtsprechungsregeln bzw. tatbestandsgleichen §§ 32 a, 32 b GmbHG, ist nochmals auf den Grundgedanken des geltenden Eigenkapitalersatzrechts zurückzukommen: Die Rechtfertigung der zwingenden Umqualifizierung ist gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG der Verstoß der Gesellschafter gegen das bereits im Vorfeld der Insolvenz bestehende Gebot, in der Krise nur noch weiteres Eigenkapital zuzuführen, mithin konsistent zu finanzieren. Dem Gesellschafter wird vorgeworfen, dass er den durch die Krise definierten Kapitalbedarf nicht durch die Hingabe von Eigenkapital befriedigt hat oder auf eine Liquidation hinwirkte. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das geltende Eigenkapitalersatzrecht vielfach als „nominelle Unterkapitalisierung“ bezeichnet wird.534 Tatbestand und Rechtsfolgen der bereits im Vorfeld der Insolvenz wirkenden Umqualifizierung von Fremd- in Quasi-Eigenkapital zeigen, dass das geltende Eigenkapitalersatzrecht letztlich eine Kompromisslösung ist, das kaum lösbare Problem der materiellen Unterkapitalisierung zumindest teilweise zu beherrschen.535 Auch bei der anfänglichen oder nachträglichen (qualifizierten) materiellen Unterkapitalisierung, die – bisher nur in der Theorie – eine Durchgriffshaftung begründen soll,536 wird den Gesellschaftern der Vorwurf gemacht, die Rechtsform „Kapitalgesellschaft mbH“ und konsequenterweise auch die nichtgesetzestypische Personenhandelsgesellschaft GmbH & Co. KG missbraucht zu haben, weil sie die Gesellschaft nicht mit dem erforderlichen Eigenkapital ausgestattet haben.537 Gleichsam als milderes Mittel, diesen Vorwurf rechtssicher und vor allem auch justiziabel auszugestalten, knüpft das geltende Eigenkapitalersatzrecht daran an, dass die Gesellschafter sich – zumindest bei typisierter Betrachtung – des Problems der Unterkapitalisierung bewusst waren, 538 jedoch kein weiteres Eigenkapital beisteuerten. Die Sanktionierung dieses gegenüber § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens539 bezieht sich allein auf die geleisteten Kapitalbeiträge und begründet ein Abzugsverbot. Wenn schon nicht feststellbar ist, wieviel Eigenkapital erforder534 Statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rn. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a. 535 Oben III 2 e. 536 Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 16 (m. w. N.). 537 Vgl. nur Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 10. 538 Subjektive Voraussetzungen bestehen de lege lata freilich nur unter dem Aspekt des Stehenlassens von Finanzierungsbeiträgen; im Ausgangspunkt handelt es sich um einen objektiven Maßstab für richtiges Finanzierungsverhalten (Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 59). 539 Dass es sich beim geltenden Eigenkapitalersatzrecht nicht um eine Sanktionierung individuell widersprüchlichen Verhaltens handelt, sondern der Widerspruch gegen eine Sollensnorm, hat bereits Fastrich aufgezeigt (FS Zöllner, 143, 144 f.).

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

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lich gewesen wäre, steht zumindest fest, dass der als Fremdkapital geleistete Finanzierungsbeitrag nicht ausreichend war und wird entsprechend umqualifiziert.540 Auf der Grundlage des Tatbestands der Umqualifizierung ist das geltende Eigenkapitalersatzrecht somit – im Sinne Eidenmüllers – Bestandteil der materiell-rechtlichen Finanzverfassung der hiervon umfassten Gesellschaften.541 Betrachtet man die Typisierung der Rechtsformen für Unternehmensträger im deutschen Recht, ergeben sich erhebliche Zweifel, in dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht ein übergreifendes Prinzip zu sehen, welches immer dann zur Anwendung kommt, wenn – so K. Schmidt – „Finanzierungsfreiheit, Finanzierungsverantwortung und Gläubigerschutz gegeneinander abgewogen werden müssten, mithin bei allen Handelsgesellschaften“.542 Wie der BGH im RektorFall zutreffend entschieden hat, kann es bei den Personenhandelsgesellschaften die Figur der materiellen Unterkapitalisierung und den hiermit korrespondierenden Haftungsdurchgriff nicht geben.543 Die Gesellschafter haben hier – mit Ausnahme der Mindestkommanditeinlage von 1,– A – eine völlige Finanzierungsfreiheit.544 Der Aspekt, dass ein gesetzliches Mindest- oder Stamm- bzw. Grundkapital die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals gewährleistet, 545 ist im Recht der Personenhandelsgesellschaften nicht vorhanden und wird dort vollständig durch die unbeschränkte persönliche Haftung einer natürlichen Person ersetzt. Selbst wenn daher – wie sogleich aufgezeigt wird – gute Gründe dafür sprechen, dass dieses Konzept unangemessen ist, wäre es jedenfalls verfehlt, das geltende Recht des Eigenkapitalersatzes als Teilaspekt der materiellen Unterkapitalisierung in das Recht der Personengesellschaften zu implementieren und gleichsam durch die Hintertür aus den Personengesellschaften einen Gesellschaftstyp mit einer den Kapitalgesellschaften ähnlichen Finanzverfassung zu machen.546 Es lässt sich daher festhalten, dass die bisher herrschende Meinung, §§ 129 a S. 2, 172 a S. 2 HGB ernst zu nehmen und die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und damit erst recht auch die Einzelunternehmen aus dem 540 Ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a: „Auf diesen Tatbestand reagiert das Gesellschaftsrecht statt mit Durchgriffskonstruktionen mit Eigenkapitalersatzregeln“. 541 Eidenmüller sieht dies freilich genauso für das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen (FS Canaris, S. 49, 67 f.); dagegen sogleich unter b. 542 Nachweise oben Fn. 667. 543 Dies erkennt letztlich auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV 3, an, indem er der Entscheidung des BGH im Rektor-Fall zustimmt. 544 BGHZ 45, 202; eine andere Frage ist freilich, ob die zusätzlichen Anforderungen unterliegende Schadenersatzhaftung gemäß § 826 BGB erfüllt ist. 545 Dazu oben § 13 III. 546 Ähnlich Häuser, in Bankrechts-Hdb, § 85 Rn. 131, wenn er anführt, außerhalb des Rechts der Kapitalgesellschaften werde kein Mindestkapital verlangt und der Gesellschafter daher in der Krise auch nicht zu einer Finanzierungsentscheidung gezwungen werden könne.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Recht des Eigenkapitalersatzrechts auszuschließen, überzeugt. Selbst wenn man die persönliche Haftung einer natürlichen Person als unzureichend erachtet, einen adäquaten Gläubigerschutz zu verwirklichen, besteht de lege lata bereits mangels Vergleichbarkeit keine Möglichkeit, die Rechtsprechungsregeln oder §§ 32 a, 32 b GmbHG und die darauf aufbauenden § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 6 AnfG analog anzuwenden. Die Gesellschafter einer gesetzestypischen Personengesellschaft und den Einzelunternehmer trifft kein Gebot, „als ordentliche Kaufleute Eigenkapital“ zuzuführen, so dass man eine Missachtung desselben konsequenterweise nicht zum Anlass nehmen kann, eine Fremdfinanzierung in Quasi-Eigenkapital umzuqualifizieren. b. Die künftige Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens als rechtsformübergreifende Prinzip der Unternehmensfinanzierung Etwas anderes gilt freilich für die Neuregelung des Rechts der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 E-InsO. Im Unterschied zum bisherigen Eigenkapitalersatzrecht wird nämlich nicht mehr sanktioniert, dass ein Gesellschafter oder ein diesem gleichzustellender Dritter inkonsistent, mithin falsch finanziert hat. Sanktioniert wird allein, dass er sich in der Insolvenz auf die Rolle eines einflusslosen Insolvenzgläubigers zurückziehen will, obwohl er das Insolvenzrisiko durch seine kollektive Herrschaftsmacht (bei den Gesellschaftern) oder seine konkrete Einflussnahme (bei den Kleinbeteiligten und gleichzustellenden Dritten) mitsteuern konnte.547 Diese insolvenzrechtliche Subordination knüpft als Veranlassungshaftung nicht mehr an die bisher maßgeblichen Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung an, sondern an die unternehmerische Tätigkeit 548 und lässt sich nicht mehr als Teilaspekt des unlösbaren Problems der materiellen Unterkapitalisierung verstehen. § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO ist konsequenterweise auch nicht mehr Bestandteil der Finanzverfassung der hiervon – unstreitig – erfassten Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften.549 Die Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens in der Insolvenz ist vielmehr ein rechtsformübergreifendes Prinzip der Unternehmensfinanzierung, wonach derjenige, der das unternehmerischen Risiko mitsteuern konnte, in der Insolvenz als dem Scheitern unternehmerischer Tätigkeit nicht sein eigener Insolvenzgläubiger sein darf.550 547

Oben IV. Huber, FS Priester, S. 259, 280. 549 Abw. Eidenmüller, FS Canaris, S. 49, 67 f. 550 Ähnlich Huber/Habersack, BB 2006, 1, 7 und von der Linden, DZWiR 2007, 5, 7, wonach dem künftigen Recht das Prinzip zu Grunde liege, dass bei einer Finanzierung mit Fremdkapital nicht das unternehmerische Risiko auf die außenstehenden Kreditgeber verlagert werden dürfe. 548

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

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War es somit de lege lata bereits mangels Vergleichbarkeit der Regelungen ausgeschlossen, das geltende Eigenkapitalersatzrecht wegen seiner Abstimmung auf die Finanzverfassung der „Kapitalgesellschaften mbH“ im Wege der Rechtsfortbildung auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen zu übertragen, besteht dieses Hindernis de lege ferenda nicht mehr. Der vom RG noch auf § 242 BGB gestützte und nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO geregelte Vorwurf, dass niemand sein eigener Gläubiger sein darf, ist nicht an die unternehmerische Tätigkeit mit beschränkter Haftung geknüpft, sondern vielmehr allein an die insolvenztypische Verwaltung von Knappheit. Im Einklang mit dem Rollenbild der Finanzierungstheorie erfolgt diese Verwaltung dahingehend, dass die Befriedigung der das Insolvenzrisiko mitsteuernden Kapitalgeber solange ausbleibt, als die Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO und die bevorrechtigten Gläubiger gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 E-InsO Einbußen erhalten. Will man daher ermitteln, ob es geboten und begründbar ist, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen rechtsfortbildend über den Wortlaut von § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO hinaus auch auf die gesetzestypischen Personengesellschaften und die Einzelunternehmen anzuwenden, besteht die in der dogmatischen Legitimation des geltenden Eigenkapitalersatzrechts verwurzelt Einschränkung nicht mehr.551 Es ist nunmehr allein zu fragen, ob es sich bei der gesetzlichen Ausgangslage, gesetzestypische Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen herauszunehmen, um eine planwidrige Regelungslücke handelt, mithin die Nicht-Geltung Schutzlücken entstehen lässt. Wie nachfolgend herausgearbeitet wird, ist dies unter zwei Aspekten zu bejahen. c. Die Schwächen des beschränkten Anwendungsbereichs von § 39 E-InsO Um herausarbeiten zu können, welche Gründe den Gesetzgeber dazu bewogen haben, gesetzestypische Personenhandelgesellschaften und Einzelunternehmen aus dem Anwendungsbereich des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen herauszunehmen, bedarf es mangels Erläuterungen im Gesetzesentwurf zum MoMiG552 eines Rückgriffs auf die Materialien zur Einführung von §§ 129 a, 172 a HGB im Jahr 1980.

551 Ähnlich Huber/Habersack, BB 2006, 1, 7, die anführen, dass die Rechtsprechung entscheiden soll, ob eine analoge Anwendung geboten ist; noch weitergehend dies., in Lutter (Hrsg.) Das Kapital, 370, 398, wo sie sich dafür aussprechen, im Rektor-Fall das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen analog anzuwenden; ähnlich bereits de lege lata K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV 3 d. 552 In der Begründung zur Aufhebung der §§ 129 a, 172 a HGB heißt es allein, der Regelungsgehalt gelte weiter (ZIP 2007, 3, 26).

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

aa. Die begrenzte Wirkung der persönlichen Gesellschafterhaftung Ausweislich der Regierungsbegründung wurde durch die Einführung von §§ 129 a, 172 a HGB auf Konstellationen reagiert, bei denen trotz des Vorliegens einer Handelsgesellschaft den Gläubigern „letztlich nur eine begrenzte Vermögensmasse haftet“.553 Die Ausnahmeregelungen gemäß §§ 129 a S. 2, 172 a S. 2 HGB beruhen somit auf der Erwägung, dass für die Eigenkapitalersatzregeln kein Bedürfnis besteht, wenn eine natürliche Person für die Gesellschaftsverbindlichkeiten (letztlich) unbeschränkt persönlich haftet. Man könnte dieser Einschätzung durchaus eine die Rechtsfortbildung begrenzende Bedeutung zumessen, wonach es sich generell verbietet, die Eigenkapitalersatzregeln oder zumindest Teile davon auf die gesetzestypischen Personengesellschaften anzuwenden.554 Die hierauf gestützte Abgrenzung wäre indessen nur sehr schwach legitimiert. So wäre es bereits sehr pauschal, mit der Gesetzesbegründung die Haftung einer natürlichen Person der Haftung einer „begrenzten Vermögensmasse“ bei den Kapitalgesellschaften gegenüberzustellen. Zu bedenken ist nämlich, dass auch eine natürliche Person nur Träger einer begrenzten Vermögensmasse ist. Solange nicht gesichert ist, dass deren Vermögen größer ist als das einer juristischen Person, bedeutet die „begrenzte Vermögensmasse“ juristischer Personen für sich genommen keine spezifische Gefahr für die Gläubiger. Wie bereits gesehen, konkurrieren bei natürlichen Personen mit den Unternehmensgläubigern noch die Privatgläubiger,555 so dass die „nur begrenzte Vermögensmasse“ einer juristischen Person unter Gläubigerschutzaspekten sogar noch werthaltiger sein kann als das Vermögen einer natürlichen Person. Zudem ist zu bedenken, dass das hier vertretene Konzept einer Finanzierungsverantwortung gerade die Einflussnahme auf die gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen als Mittel zu Verringerung des Kreditrisikos voraussetzt. Indem die anpassungsfähigen Gläubiger hierauf zurückgreifen,556 wird deutlich, dass auch diese der unbeschränkten persönlichen Haftung nur wenig Bedeutung beimessen. Eine die Rechtsfortbildung ausschließende Begrenzung des Anwendungsbereichs der Eigenkapitalersatzregeln muss daher bereits de lege lata entgegen der Einschätzung in den Gesetzesmaterialien anderweitig begründet werden als mit der finanziellen Solidität des Unternehmensträgers. De lege ferenda gilt dies erst recht. Die nunmehr alleinige insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen bedeutet zwingend, dass die Kapi553

Regierungsbegründung, BT-Drs. 8/1347, S. 58. So de lege lata entschieden Rümker, ZGR 1980, 512: 494, „Grenzen der Rechtsfortbildung erreicht“. 555 Oben § 12 IV 2. 556 Zu den Gründen bereits oben § 2 IV 3 f. 554

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talausstattung des Unternehmensträgers nicht ausreichend war, um einen Ausfall der Insolvenzgläubiger zu verhindern. Reicht das die persönliche Haftung unterlegende Vermögen aus, um alle Verbindlichkeiten zu befriedigen, kommt eine Subordination gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO nicht in Betracht. Der betreffende Fremdkapitalgeber könnte auch bei den gesetzestypischen Personengesellschaften und beim Einzelunternehmen seine Forderung gemäß § 174 Abs. 3 InsO anmelden. Die typologische Betrachtung der finanziellen Solidität des Unternehmensträgers vermag daher eine Begrenzung der Reichweite des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen nicht zu begründen. Der begrenzte Zweck der Subordination gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO ermöglicht eine einzelfallbezogene Einbeziehung der betreffenden Unternehmensträger im Einklang mit dem zu erzielenden Schutz der Insolvenz- und bevorrechtigten Gläubiger. bb. Begrenzte Wirkung der dahinterstehenden Verhaltenserwartung Eine über die finanzielle Solidität des Unternehmensträgers hinausgehende Legitimation der gewollten Nicht-Einbeziehung gesetzestypischer Personengesellschaften und Einzelunternehmen in das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen kann jedoch darin gesehen werden, dass man die Ausführungen in der Regierungsbegründung zu §§ 129 a, 172 a HGB als eine Erwartung des Gesetzgebers zu verstehen hat, dass eine natürliche Person andere Risiken eingeht als ein Unternehmensträger, für dessen Verbindlichkeiten keine natürliche Person haftet. Die eigentliche Gefahr, auf die das Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen reagiert, wäre hiernach das operative Geschäft des Unternehmens, verbunden mit der Bereitschaft der Eigentümer, hierfür finanziell einstehen zu wollen. Die Umqualifizierung bzw. Subordination wäre so die gesetzgeberische Reaktion auf die Störung einer normativen Verhaltenserwartung, die dadurch hervorgerufen wird, dass das unternehmerische Risiko von Personen beeinflusst wird, die lediglich beschränkt haften. Insofern wäre es konsequent, den §§ 129 a S. 2, 172 a S. 2 HGB insoweit abschließenden Charakter zuzubilligen, als gesichert ist, dass die persönliche Haftung einer natürlichen Person wegen der drohenden Inanspruchnahme Gewähr dafür bietet, dass keine unvertretbaren Risiken zu Lasten der Gläubiger eingegangen werden. Dass dies nicht der Fall ist, wird nachfolgend aufgezeigt. (1) Das Steuerungswirkung der unbeschränkten persönlichen Haftung. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die verhaltenssteuernde Wirkung, die von einer drohenden unbeschränkten persönlichen Haftung ausgeht, nicht überschätzt werden darf. Es mag zwar der empirische Regelfall sein, dass unternehmerisches

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

Handeln „mbH“ tendenziell übermäßige, „schlechte“ Risiken anzieht.557 Hieraus darf aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, die persönliche Haftung einer natürlichen Person biete eine vollständige Gewähr, dass ein Scheitern unternehmerischer Tätigkeit im Sinne der Insolvenzgründe ausgeschlossen wäre.558 Indem das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen allein den Schutz der Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO bzw. der gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigten Gläubiger verwirklicht, würde eine analoge Anwendung des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen auf die gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen tatbestandlich gerade voraussetzen, dass die von der drohenden unbeschränkten persönlichen Haftung gesteuerte Unternehmensleitung nicht erfolgreich war. (2) Der Fremdeinfluss als Störung der Verhaltenserwartung. Der entscheidende Aspekt, das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen rechtsfortbildend auf die an sich ausgenommenen gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen anzuwenden, folgt daraus, dass die gesetzgeberische Verhaltenserwartung zumindest bei der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung durch andere regelmäßig gestört wird. Besteht in der gesetzestypischen KG zum Beispiel Gesamtgeschäftsführung, ist bereits nicht mehr gewährleistet, dass die persönlich haftenden Komplementäre allein entscheiden. Beteiligt sich ein Fremdkapitalgeber an der Steuerung des Einzelunternehmens, indem er es „an die Kurze Leine nimmt“, gilt dies ebenso. In beiden Fällen ist der Schutzzweck der insolvenzrechtlichen Subordinierung, eine Kompensation für die Steuerung des unternehmerischen Risikos durch beschränkt haftende Personen zu leisten, auch bei der gesetzestypischen Personengesellschaft und beim Einzelunternehmen verwirklicht. §§ 129 a S. 2, 172 a S. 2 HGB bzw. künftig § 39 Abs. 4 S. 1 InsO sind daher insofern widersprüchlich, als diese Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall 559 für die Geltung des Eigenkapitalersatzrechts bzw. des Rechts der Gesellschafterdarlehen keine Auswirkungen haben soll: Bei der gesetzestypischen KG begründet hiernach die Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten ebenso wenig eine gesetzliche Umqualifizierung von über die Haftsumme hinausgehenden Einlagen, wie sie umgekehrt bei der nicht-gesetzestypischen KG ausgeschlossen ist, wenn der Kommanditist wie im gesetzlichen Regelfall keine Geschäftsführungsbefugnis hat. Das Gleiche gilt beim Einzelunternehmen, bei 557

So Fastrich, DStR 2006, 656, 657 (für die GmbH). Hierzu ausführlich Michels, Eigenkapitalersetzende Kommanditistendarlehen, S. 211 ff. 559 Die Kommanditisten und stillen Gesellschafter sind gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 HGB, § 230 Abs. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen; der Einzelunternehmer unterliegt im Ausgangspunkt überhaupt keinen Einschränkungen bei der Ausübung seiner Herrschaft über das Unternehmen. 558

IX. Rechtsformübergreifender Ansatz

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dem – soweit ersichtlich – bisher noch niemand vertreten hat, die Figur des eigenkapitalersetzenden Darlehens auf die Finanzierung eines Einzelunternehmen durch Dritte anzuwenden.560 Ist das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen eine Kompensation für Gefahren bei unternehmerischem Handeln „mit beschränkter Haftung“ und abweichend vom geltenden Eigenkapitalersatzrecht nicht mehr durch eine Missachtung des Gebots zur Gewährung von Eigenkapital legitimiert, ist es daher konsequent und geboten, diesem Schutzanliegen auch dann Geltung zu verschaffen, wenn sich ein Fremdkapitalgeber an der Unternehmensleitung beteiligt, für die Verbindlichkeiten, die sich als Folge seiner Mitsteuerung ergeben, jedoch nicht oder nur in begrenztem Umfang haften will. Die Erstreckung von § 39 E-InsO auf die Einflussnahme von Gläubigern einer gesetzestypischen Personengesellschaft bzw. eines Einzelunternehmers folgt so aus einem Erstrecht-Schluss: Sieht man mit Huber 561 die tragende Legitimation der Subordination in dem Umstand, dass jemand „unternehmerisch tätig“ wird, für die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten jedoch nicht persönlich haftet, gilt dies für die mangels Kapitalbeteiligung überhaupt nicht haftenden Dritten in noch stärkerem Maße als für die unstreitig von § 39 E-InsO erfassten Gesellschafter. Würde man dies abweichend beurteilen, würde die materiell- und insolvenzrechtliche Zuweisung des unternehmerischen Risikos nach Herrschaftsbereichen 562 in nicht hinnehmbarer Weise konterkariert, wenn die konkrete Einflussnahme eines Fremdkapitalgebers auf die Unternehmensleitung bei den gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen nicht mit einer korrespondierenden Verantwortung unterlegt wäre und der Betreffende in der Insolvenz „sein eigener Gläubiger wäre“ mit der Folge, dass andere Gläubiger deswegen Einbußen erleiden. Auf die Rechtsform des Unternehmensträgers kommt es bei dieser Sanktionierung widersprüchlichen Gläubigerverhaltens somit zumindest bei dem hier interessierenden Gläubigereinfluss nicht an.563 cc. Die rechtsformübergreifende Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO als Kompensation der gestörten Verhaltenserwartung Ist daher ein Fremdkapitalgeber nach den bereits herausgearbeiteten Parametern einer wertenden Betrachtung564 in den unternehmensinternen Willenbil560 Dagegen ohne nähere Begründung Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 4 III 4 aE (S. 379). 561 FS Priester, S. 259, 280. 562 Oben § 15 II. 563 So auch im US-amerikanischen Recht, wo die doctrine of equitable subordination bei partnerships gleichermaßen Anwendung findet wie bei corporations (Fleischer, Finanzplankredite, S. 197 f.). 564 Oben VII.

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dungsprozess integriert, ist er nicht nur funktional betrachtet Treuhänder der non-adjusting creditors, sondern auch rechtlich. Ihn trifft unabhängig von der Rechtsform des Unternehmensträgers eine Finanzierungsverantwortung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO mit der Folge, dass er sich in der Insolvenz wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens nicht auf die Rolle eines einflusslosen Gläubigers berufen kann, soweit die Insolvenzgläubiger oder gemäß 39 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO bevorrechtigten Gläubiger ausfallen.

5. Bestätigung dieses rechtsformübergreifenden Ansatzes durch die bisher vertretene Figur des „materiellen Eigenkapitals“ Diese These hat bei näherer Betrachtung keineswegs so einschneidende Folgen für die Finanzierungspraxis, wie es auf den ersten Blick scheint. a. Gläubigerschutz durch „materielles Eigenkapital“ Während es die herrschende Meinung bislang ablehnte, das geltende Eigenkapitalersatzrecht auf gesetzestypische Personengesellschaften und Einzelunternehmen anzuwenden, hat sich ein im Ergebnis durchaus vergleichbarer Sonderweg herausgebildet, die Einlage eines atypischen stillen Gesellschafters einer vergleichbaren Umqualifizierung zu unterziehen.565 Nachfolgend soll daher als Bestätigung des hier vorgeschlagenen Konzepts herausgearbeitet werden, dass sich eine rechtsfortbildende Ausweitung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO dogmatisch besser begründen lässt als die bisher auf ähnlichen Erwägungen beruhende und zu ähnlichen Ergebnissen kommende herrschende Meinung zum sog. „materiellen Eigenkapital“ als offene Rechtsortbildung ohne gesetzliche Grundlage. aa. Die grundlegende Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1984 Bereits im Jahr 1984 hatte der BGH darüber zu befinden, ob die stille Beteiligung Teil der Eigenkapitalgrundlage einer gesetzestypischen KG wurde und den Gläubigern dieser Gesellschaft als Haftungsmasse zur Verfügung stehen muss.566 Im konkreten Fall beteiligten sich stille Gesellschafter einer Publikums-KG unter Abbedingung der Verlusttragung gemäß § 231 Abs. 2 Hs. 1 HGB.567 Laut Gesellschaftsverträgen wurden ihnen dieselben Rechte wie den Kommanditisten eingeräumt, an der Gesellschafterversammlung der KG teil565 Auf diese Parallelen bereits hinweisend Stodolkowitz/Kleindiek, in Bankrechts-Hdb, § 84 Rn. 136. 566 BGH, NJW 1985, 1079. 567 Die Publikums-KG ist zwar ebenfalls keine gesetzestypische KG, wohl bezogen auf das hier interessierende Fehlen einer juristischen Person als persönlich haftender Gesellschafter.

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zunehmen. Nach Auflösung der KG klagte diese gegen einen Stillen auf Leistung der bisher nicht gezahlten Einlage. Das Berufungsgericht gab der Klage mit der Begründung statt, die stille Beteiligung des Beklagten sei „in einer Weise atypisch gestaltet, dass er wie ein Kommanditist verpflichtet sei, seine Einlage noch im Stadium der Liquidation zu leisten, soweit sie für die Zwecke der Abwicklung, insbesondere zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird“.568 Der BGH bestätigte dies. In der Begründung heißt es zunächst, dass der stille Gesellschafter „im allgemeinen“ nach Beendigung der stillen Gesellschaft eine rückständige Einlage nur bis zur Höhe seines Verlustanteils zu erbringen habe. Zwar enthalte der stille Gesellschaftsvertrag keine Regelung dahingehend, dass der stille Gesellschafter die Einlage erst nach Befriedigung der Gläubigern zurückfordern könne. Der Beklagte habe die übernommene Einlage aber trotzdem auch im Fall der Beendigung der stillen Gesellschaft noch in vollem Umfange zu entrichten, „weil sie nach den getroffenen Vereinbarungen Teil der Eigenkapitalgrundlage der KG geworden ist und damit deren Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung stehen muss“.569 Welche „getroffenen Vereinbarungen“ die an sich fehlende Verlusttragung überwinden sollten, wird vom BGH dahingehend präzisiert, dass den stillen Gesellschaftern in „atypischer Weise“ weitreichende Befugnisse zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung und Gestaltung der KG eingeräumt wurden, sie insbesondere wie Kommanditisten berechtigt waren, die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen.570 Konkret bedeutete dies, dass die stillen Gesellschafter berechtigt waren, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und sich hierüber auch an der Wahl des Beirats beteiligen konnten. Weil es dem Beirat nicht nur oblag, die Geschäftsführung zu überwachen, sondern ihm vielmehr auch die Aufgabe übertragen wurde, über die zustimmungspflichtigen Geschäfte zu entscheiden, konnten die stillen Gesellschafter mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Maßgeblich war weiterhin, dass die stillen Gesellschafter über ihre Teilnahme an der Gesellschafterversammlung befugt waren, den Jahresabschluss festzustellen und über die Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung mitzubeschließen. Schließlich hatten sie selbst über die Auflösung der KG mitzubeschließen. All dem kommt nach Ansicht des BGH besonderes Gewicht zu, weil aufgrund der Gesellschaftsverträge die Gesamtheit der stillen Gesellschafter 57% des stimmberechtigten Kapitals besaßen und demgemäß die übrigen Gesellschafter überstimmen konnte, soweit die Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zu fassen waren.571 568 569 570 571

BGH, NJW 1985, 1079, 1079. BGH, NJW 1985, 1079, 1079. BGH, NJW 1985, 1079, 1079 f. BGH, NJW 1985, 1079, 1080.

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Mit dieser Stellung der stillen Gesellschafter stünde es in Widerspruch, sie einem Drittgläubiger gleichzustellen und ihnen bei Auflösung und Beendigung der stillen Gesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Einlage zu geben, soweit diese nicht durch Verlust aufgezehrt sei. Dementsprechend könnten sie auch nicht von Einzahlungsverpflichtungen freigestellt werden, soweit sie die Einlage noch nicht erbracht hätten. Ihre Einlagen müssten demgemäß in der Liquidation oder im Konkurs der Gesellschaft ebenso wie die Kommanditeinlagen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall werde dies „auch dadurch unterstrichen“, dass es im Werbeprospekt und im Zeichnungsschein ausdrücklich heiße, die Beschaffung des „Eigenkapitals“ erfolge durch die Emission von „Kommanditanteilen und stillen Beteiligungen“.572 bb. Die hierin angelegte Unterscheidung zwischen „materiellem Eigenkapital“ und Eigenkapitalersatz Betrachtet man diese Entscheidung genauer, verwundert es, warum der BGH sich im Ergebnis für eine gesetzliche Umqualifizierung der stillen Beteiligung ohne Verlustbeteiligung in Eigenkapital, welches der vorrangigen Gläubigerbefriedigung zu dienen bestimmt ist, ausspricht, ohne auf die bereits zu dieser Zeit diskutierten Vorschläge einzugehen, das damals geltende Eigenkapitalersatzrecht gemäß § 172 a HGB analog auch auf die gesetzestypische KG anzuwenden.573 Ohne darauf einzugehen, machte sich der BGH eine bereits im Jahr 1980 vom OLG Frankfurt für eine vergleichbare Gestaltung getroffene Aussage zum Einlagensplitting bei der gesetzestypischen KG zu eigen. Das OLG führte aus, der Kommanditist, der eine die Pflichteinlage um ein Vielfaches übersteigende stille Beteiligung zeichnet und das Recht habe, dem Geschäftsinhaber über einen Aufsichtsrat Weisungen zu erteilen, müsse sich mit seiner vollen Einlage als „Mitunternehmer“ behandeln lassen.574 Als Begründung bezog sich das OLG Frankfurt damals auf die „unserer Rechtsordnung innewohnende Selbstverständlichkeit, dass niemand sein eigener Gläubiger sein kann“.575 Das „Gesetz“, mithin § 342 HGB a. F. (heute § 236 HGB), sehe nur für den „echten, außenstehenden unternehmensfremden Gläubiger“ vor, im Konkurs des Inhabers als dessen Gläubiger aufzutreten.576 Deutlicher ist insofern die in der Folge zu der Entscheidung des BGH ergangene obergerichtliche Rechtsprechung, die bei der rechtlichen Behandlungen gesplitteter Einlagen bei gesetzestypischen Personengesellschaften zwischen 572 573 574 575 576

BGH, NJW 1985, 1079, 1080. Vgl. nur K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 171. OLG Frankfurt, WM 1981, 1371, 1371. OLG Frankfurt, WM 1981, 1371, 1371. OLG Frankfurt, WM 1981, 1371, 1371.

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den Regeln über „materielles Eigenkapital“ und den Regeln über den Eigenkapitalersatz unterscheidet. So führte das OLG Hamm im Jahr 1993 in einem tatbestandlich vergleichbaren Fall aus, eine ausstehende stille Einlage des Kommanditisten könne – mangels Finanzierung in der Krise – zwar nicht nach den Regeln über das Eigenkapitalersatzrechts im Konkurs eingefordert werden, wohl aber nach den soeben aufgezeigten, vom BGH im Jahr 1985 entwickelten Regeln über „materielles Eigenkapital“.577 Ebenfalls das OLG Hamm sprach demgegenüber im Jahr 1997 einem stillen Gesellschafter das Recht zu, seine mangels Verlusttragung nicht aufgezehrte stille Beteiligung in der Insolvenz als Insolvenzgläubiger zurückfordern zu dürfen, weil die Einlage mangels Mitwirkungsrechten bei der Willensbildung innerhalb der KG keinen Eigenkapitalcharakter habe.578 cc. Die kurzzeitige Aufgabe der Unterscheidung durch die Gleichstellung von Finanzplankredit und Eigenkapitalersatzrecht Die vorstehende, dogmatisch nicht näher begründete Unterscheidung von „materiellem Eigenkapital“ und Eigenkapitalersatz zur Behandlung der stillen Einlage als Eigenkapital in der Insolvenz des Geschäftsinhabers wurde schließlich wieder aufgegeben, indem die obergerichtliche Rechtsprechung, teilweise im Einklang mit der Literatur, den sog. Finanzplankredit als Fall des gesetzlichen Eigenkapitalersatzrechts ansah. So entschied das OLG Frankfurt im Jahr 1997, dass eine zugesagte, aber noch nicht geleistete stille Einlage im Konkurs entgegen § 236 Abs. 2 HGB in entsprechender Anwendung von § 32 a Abs. 1, Abs. 3 S. 1 GmbHG einzuzahlen sei, wenn die Gesamtwürdigung ergebe, dass sich der stille Gesellschafter wie ein haftender Gesellschafter behandeln lassen müsse.579 Wie bereits erwähnt, hat der BGH dieser „Gleichstellungsthese“580 im darauffolgenden Jahr in erfreulicher Klarheit eine Absage erteilt, indem er anführte, der sog. Finanzplankredit sei kein Fall der gesetzlichen Umqualifizierung nach dem (geltenden) Eigenkapitalersatzrecht, sondern allein Ausfluss der entsprechenden – gesellschaftsrechtlichen – Finanzplanabrede. 581 Insofern wurde letztlich auf die früher herrschende Meinung Bezug genommen, wonach eine (Um-)qualifizierung von geleisteten oder ausstehenden Einlagen als „materielles Eigenkapital“ auch bei gesetzestypischen Personengesellschaften erfolgen kann, wenn sich aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung der Umstände, insbesondere der dem Kapitalgeber eingeräumten Einflussrechte auf die Ge577 578 579 580 581

OLG Hamm, DB 1993, 1714, 1716. OLG Hamm, WM 1997, 2323, 2324 (damals freilich zur KO). OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 892, 892. Florstedt, Stiller Verband, S. 145. BGHZ 142, 116, 119 = NJW 1999, 2809, 2810.

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schäftsführung und Grundlagen des Geschäftsinhabers ergibt, dass dieser eine „Mitunternehmerinitiative“ habe 582 bzw. sich wie ein „Mitunternehmer“ behandelt lassen müsse und zumindest in der Insolvenz „nicht sein eigener Gläubiger“ sein könne.583 Wenngleich dies – soweit ersichtlich – bisher noch nicht problematisiert wurde, muss dies für die stille Beteiligung an einem Einzelunternehmen und eine vergleichbare Darlehensfinanzierung konsequenterweise genauso gelten. b. Kritische Würdigung Es wurde in dieser Arbeit bereits mehrfach angesprochen, dass die (Um-)qualifizierung eines Finanzierungsbeitrags in nachrangiges Eigenkapital stets Gefahr läuft, aufgrund einer unzulässigen Fiktion eines entsprechenden Parteiwillens zu erfolgen.584 Betrachtet man die vorstehend skizzierte Rechtsprechung, scheint sich diese Gefahr tatsächlich realisiert zu haben. Nimmt man die gesetzliche Ausgangslage ernst, dass eine stille Beteiligung ohne Verlustbeteiligung vereinbart werden kann585 und dass die die Haftsumme übersteigende Kommanditisteneinlage gerade keine Bindung gemäß §§ 171, 172 HGB erfährt,586 bedarf es entweder einer eindeutigen Vertragsauslegung, dass die Parteien diese Trennung von Eigen- und Fremdkapital gerade nicht wollten, oder aber eine gesetzliche, auf der Grundlage der Protestatio-Regel entwickelte Vorgabe darüber, diese Vereinbarung aufgrund einer höheren Gewichtung der Einflussnahme auf die Geschäftsführung bzw. auf Grundlagen des finanzierten Unternehmens für unbeachtlich zu erklären. Beide Wege finden in den genannten Entscheidungen keine überzeugende Begründung. aa. Gefahr einer unzulässige Fiktion einer gewillkürten Haftungsfunktion Betrachtet man die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1985, wird deutlich, dass die Auslegungsfrage schlichtweg übergangen wurde. Der Senat erkennt auf der einen Seite ausdrücklich an, dass die Verlustbeteiligung wirksam ausgeschlossen worden war und begründet auf der anderen Seite unter Heranziehung der atypischen Mitwirkungsrechte der Stillen ein Ergebnis, welches von einer vereinbarten Verlusttragung ausgeht. Man kann dem BGH noch nicht einmal zu Gute halten, dass er die Wirksamkeit des Ausschlusses der Verlusttragung in Frage stellte, weil die Angaben im Werbeprospekt und in den Zeichnungsscheinen deutlich machten, die Einlagen seien „Gesellschaftskapital“ und dienten 582 583 584 585 586

So OLG Hamm, WM 1997, 2323, 2324. So OLG Frankfurt, WM 1981, 1371, 1371. Vgl. vor allem oben § 15 V 1 c. Oben § 13 III. Oben I 2 b bb.

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der Beschaffung des „Eigenkapitals“. So findet dieser Aspekt nur bestätigend Erwähnung, um die bereits aus der Stellung als atypischer Stiller resultierende Haftungsfunktion lediglich „zu unterstreichen“.587 Letztlich zog der BGH und die ihm folgende Rechtsprechung der Instanzgerichte somit eine gesetzliche Regel heran, um der gewollten Fremdfinanzierung ohne Verlustbeteiligung die zwingende „Funktion von Eigenkapital“ zuzusprechen, freilich ohne auf irgendeine gesetzliche Norm, die diese Funktionszuweisung über den eindeutigen und rechtsgeschäftlich wirksamen Parteiwillen hinweg erzwingt, heranzuziehen. Auch die zuvor aufgestellte Behauptung des OLG Frankfurt, es sei eine „unserer Rechtsordnung innewohnende Selbstverständlichkeit, dass niemand sein eigener Gläubiger sein kann“,588 genügt hierfür freilich nicht. bb. Fehlende dogmatische Begründung einer gesetzlichen Umqualifizierung Im Kern reduziert sich daher die – nach wie vor drohende 589 – Umqualifizierung gesplitteter Kommanditeinlagen bei gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und die Unbeachtlichkeit des Ausschlusses der Verlusttragung bei der Einlage eines atypischen stillen Gesellschafters darauf, ob es eine gesetzliche Regel gibt, die Umqualifizierung des als Fremdkapital gewährten Finanzierungsbeitrags in haftendes Eigenkapital auch außerhalb des – nach hier vertretenem Konzept rechtsformübergreifenden – künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen unter Rückgriff auf die Figur des „materiellen Eigenkapitals“ zu erzwingen. Dass dies zu verneinen ist, sei nachfolgend aufgezeigt. (1) Verfehlte Heranziehung des Finanzplankredits zur Begründung eines Abzugsverbots. Zu bedenken ist einmal, dass sich die nach wie vor herrschende Meinung zur möglichen Umqualifizierung gesplitteter Kommanditeinlagen bzw. von Einlagen atypischer stiller Gesellschafter bei den gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften wohl noch nicht vollständig von der bis zur zutreffenden Grundlagenentscheidung des BGH zum Finanzplankredit maßgeblichen Rechtslage emanzipiert hat. Im Hinblick auf die Begründung eines Abzugsverbots, mithin die gesetzliche Subordination geleisteter Kapitalbeiträge in der Insolvenz gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, kommt es auf die Besonderheiten einer – an die Gesellschafterstellung des betreffenden Kapitalgebers geknüpften 590 – Finanzplanabrede nicht an, soweit die gesetzliche Umqualifizierung gemäß geltendem Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftig dem Recht der Gesellschafterdarlehen reicht. Im auch nach der herrschenden Meinung unmit587

BGH, NJW 1985, 1079, 1080. OLG Frankfurt, WM 1981, 1371, 1371. 589 Aufgegeben wurde diese Rechtsprechung bisher nicht; vgl. auch Florstedt, Stiller Verband, S. 247 ff. 590 Zu dieser Notwendigkeit statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 52. 588

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

telbaren Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts bzw. künftig des Rechts der Gesellschafterdarlehen besteht daher zur Begründung eines Abzugsverbots bereits kein Bedürfnis mehr, auf die – ohnehin fragwürdige – Figur des „materiellen Eigenkapitals“ zurückzugreifen und unter Inkaufnahme einer unzulässigen Fiktion einen Parteiwillen zu unterstellen, der dahin geht, dem Kapitalbeitrag trotz Abbedingung der Verlusttragung eine Eigenkapitalfunktion zuzuweisen. Eine gesplittete Kommanditisteneinlage bei der GmbH & Co. KG und die atypische stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bzw. nicht-gesetzestypischen Personengesellschaft werden daher künftig wohl auch von der Rechtsprechung allein nach dem hier ohne weiteres anwendbaren Recht der Gesellschafterdarlehen gesetzlich umqualifiziert, soweit sie bereits geleistet wurde. Als Bestätigung kann nur erwähnt werden, dass es seit der Grundlagenentscheidung des BGH zum Finanzplankredit aus dem Jahr 1998591 keine Entscheidung mehr gibt, in der auf die Figur des „materiellen Eigenkapitals“ abgestellt wurde. Bereits hierdurch wird somit deutlich, dass die Überwindung eines entgegenstehenden Parteiwillens wohl auch bei den gesetzestypischen Personengesellschaften künftig nicht mehr mit der ohnehin fragwürdigen Bezugnahme auf die Figur des „materiellen Eigenkapitals“ erwirkt würde, soweit sich eine analoge Anwendung des künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen auch auf diese Rechtsträger dogmatisch begründen ließe.592 Es ist daher im Hinblick auf die Begründung eines Abzugsverbots keine zu missbilligende Verschärfung der bisherigen Rechtslage, wenn die insolvenzbezogene Umqualifizierung von Fremdkapital der Einflussnehmenden nach dem hier vertretenen Konzept rechtsformübergreifend auf § 39 Abs. 1 Nr. 4 E-InsO gestützt wird. (2) Kein erzwungenes Zuführgebot. Relevanz erlangt der Finanzplankredit freilich nach wie vor in den Gestaltungen, in denen eine versprochene, aber noch nicht geleistete Finanzierungsleistung im Insolvenzfall an die Masse geleistet werden soll. Indem das geltende Eigenkapitalersatzrecht und auch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen allein den Mittelabzug sanktionieren, hingegen kein Zuführgebot begründen, ließe sich hierüber keine mit der Figur des „materiellen Eigenkapitals“ durchaus begründbare Rechtsfolge erzielen. Bei den Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften besteht daher Einigkeit, die Figur des Finanzplankredits nach wie vor heranzuziehen, um ein entsprechendes Zuführgebot in der Krise zu begründen.593 Hierdurch darf freilich nicht der Schluss gezogen werden, die Figur des „materiellen Eigenkapitals“ habe bei den gesetzestypischen Personengesellschaften noch eine eigenständige, über das möglicherweise analog heranzuzie591 592 593

BGHZ 142, 116. In diese Richtung auch Florstedt, Stiller Verband, S. 247 ff. Statt anderer Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 53 (m. w. N.).

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hende geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen hinausgehende Bedeutung, als die Formel, niemand könne sein eigener Gläubiger sein, den Fremdkapitalgeber entsprechend § 236 Abs. 2 HGB zur Einzahlung verpflichte. Es wäre nämlich ein schwerwiegender Wertungswiderspruch, wenn die gesetzliche Umqualifizierung bei den Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personengesellschaften lediglich ein Abzugsverbot begründet, bei den gesetzestypischen Personengesellschaften, für die dieses Abzugsverbot gemäß dem Wortlaut der Regelung gerade nicht gelten soll, ein zwingendes Zuführgebot bestehen sollte. Insofern wäre es nur konsequent, die gesetzliche Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital bei den gesetzestypischen Personengesellschaften entweder vollständig abzulehnen oder aber auf das zu beschränken, was sich zumindest in Analogie zum Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftigen Recht der Gesellschafterdarlehen dogmatisch begründen ließe, mithin eine Umqualifizierung lediglich geleisteter Beiträge. Hat der Einfluss nehmende Fremdkapitalgeber daher bei den gesetzestypischen Personengesellschaften die Verlusttragung ausgeschlossen, hat er unter Berücksichtigung der Wertungen des Eigenkapitalersatzrechts bzw. künftigen Rechts der Gesellschafterdarlehen allenfalls eine Umqualifizierung seiner geleisteten Kapitalbeiträge in Quasi-Eigenkapital befürchten. Von einer noch nicht erfüllten Zahlungspflicht kann er sich befreien, sofern die – bei den Personengesellschaften und Einzelunternehmen gemäß §§ 133, 157 BGB aus Empfängersicht anzustellende – Auslegung594 nicht ergibt, dass er seinen Kapitalbeitrag auch in der Krise an die Insolvenzmasse leisten will.

6. Ergebnis Es lässt sich daher festhalten, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen entgegen dem Wortlaut von § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO für die hier interessierenden einflussnehmenden Gläubiger im Wege eines Erst-recht-Schlusses auch auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und die Einzelunternehmen Anwendung findet, soweit ein Fremdkapitalgeber wegen seiner Einflussnahme in den unternehmensinternen Willenbildungsprozess integriert ist. Wegen des insolvenzrechtlichen Charakters dieser Sanktion 595 gilt dies auch für die Einflussnahme Dritter auf in Deutschland ansässige Auslandspersonengesellschaften und Einzelunternehmen.

594 Eine objektive, möglicherweise auch „gläubigerschützende“ Auslegung kommt allenfalls bei den Satzungen der körperschaftlich organisierten GmbH und AG in Betracht (Einzelheiten bei Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 2 Rn. 25 ff.). 595 Oben IV 5.

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§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens

X. Zusammenfassung Ziel der vorstehenden Ausführungen war es, eine dogmatische Grundlage herauszuarbeiten, wonach widersprüchliches Finanzierungsverhalten der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber in der Insolvenz zu sanktionieren ist. Indem die durchaus möglichen Einschränkungen des Lösungsinteresses im Vorfeld der Insolvenz vor allem deswegen weitgehend leer laufen, weil sich hierüber keine vorrangige Verlusttragung des Kapitals zu Gunsten anderer begründet lässt, stand die Umqualifizierung von Fremd- in (Quasi-)Eigenkapital bzw. eine dahingehende Subordination des Rückzahlungsanspruchs im Mittelpunkt der Betrachtung. Hierbei zeigte sich, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO als allgemeine Finanzierungsregel eine Grundlage ist, welche das aus der Finanzierungstheorie stammende differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber einer funktionalen Betrachtung zugänglich macht. Hierdurch wird die Treuhänderstellung der einflussnehmenden adjusting creditors zu Gunsten der non-adjusting creditors auch rechtlich gewährleistet und die Einflussnahme als legitime Verwirklichung finanzieller Eigeninteressen gebilligt. Solange der Gesetzgeber daher dieses marktorientierte Konzept beibehält und den Versuchen widersteht, den Gläubigerschutz bei unternehmerischem Handeln mit beschränkter oder ohne jegliche Haftung auf schadensersatzrechtliche Lösungen zu stellen, ist hierin auch eine verallgemeinerungsfähige Grundlage zur rechtlichen Erfassung des Fremdeinflusses auf Unternehmen im Rahmen der ökonomisch gewünschten externen Corporate Governance zu sehen. Dieser Ansatz ist rechtsformübergreifend und rein insolvenzbezogen, so dass er auch dann Geltung beanspruchen könnte, wenn die materiell-rechtliche Kapitalbindung einmal weitgehend aufgegeben werden sollte.

Sechster Teil

Zusammenfassung Erster Teil: Die Herausforderungen der sich wandelnden Finanzierungspraxis Traditionell werden Eigen- und Fremdfinanzierung unterschieden. Die wichtigste Abgrenzung dieser Finanzierungsarten voneinander folgt aus der Rechtsstellung des Kapitalgebers und der bestimmungsgemäßen Kapitalhaftung. Diese Differenzierung spiegelt sich bei den sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten kaum wider. Die Aufteilung in das vom Nichteigentümer gewährte schuldrechtliche Darlehen und die stille Beteiligung einerseits und die Eigentümerfinanzierung mit gesellschaftsrechtlich gebundenem Haftkapital andererseits gehört damit zwar nicht der Vergangenheit an. Sie ist jedoch zunehmend eingebettet in ein Gesamtgefüge verschiedener Finanzierungsformen, deren Zuschnitt bei funktionaler Betrachtung die traditionellen Kriterien von Fremdund Eigenfinanzierung auf unterschiedliche Weise miteinander kombiniert.

§ 1 Die zunehmend enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen Die Ursachen für die enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen sind vielfältig. Seit Basel II haben die Kreditinstitute einen Anreiz, das Kreditrisiko genauer zu prüfen und den Finanzierungsvertrag hierauf abzustimmen. Der zunehmende Handel mit Krediten bringt es weiterhin mit sich, dass der Erstkreditgeber von Anfang an berücksichtigt, welchen Marktwert die entsprechende Finanzierung aus Sicht potentieller Aufkäufer haben wird. Hedge- und Private Equity-Fonds kaufen Kredite von Unternehmen auf und gehen dabei verstärkt Risiken ein, die nicht allein mit herkömmlichen Sicherheiten abgedeckt werden können. Als Sicherheit dienen vielmehr die Cash fl ows, mithin der künftige Ertrag des Unternehmens. Die Fremdkapitalgeber haben so ein besonderes Interesse daran, dass dieser Ertrag auch den Ergebnisprognosen entsprechend erwirtschaftet wird und zur Zahlung von Zins und Tilgung zur Verfügung steht. Die als Kompensation dieses Risikos zumeist im Finanzierungsvertrag mittels Covenants eingeräumten Mitwirkungs- und Kontrollrechte ähneln denen der Eigentümer und gehen teilweise darüber hinaus. Der Finanzierungsbeitrag wird als Druckmittel benutzt, die

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Sechster Teil: Zusammenfassung

Unternehmensführung zu einem vom Kapitalgeber als sachgerecht empfundenen Verhalten zu bewegen. Dies macht es notwendig, die sich wandelnde Rolle der Fremdkapitalgeber zu analysieren und in ein – möglicherweise fortzuentwickelndes – System adäquater Regeln einzubetten. Die neueren Entwicklungen dürfen nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen keine Garantie für das risikolose Wirtschaften ist. Zudem können Interessendivergenzen zwischen Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen und den übrigen Gläubigern bestehen. Der herauszuarbeitende Schutz des Unternehmens, seiner Eigentümer und insbesondere seiner sonstigen Gläubiger ist hierbei nur ein maßgeblicher Aspekt. Auch die Kapitalgeber, die sich innovativer Finanzierungsmethoden bedienen, haben ein Interesse daran, die rechtlichen Grenzen des Erlaubten vorherzusehen und ihr Handeln hieran auszurichten, um drohende Sanktionen zu vermeiden – sei es eine Schadensersatzpflicht wegen übermäßiger Einmischung (Lender Control Liability) oder das bereits im geltenden Eigenkapitalersatzrecht angelegte und künftig allein insolvenzrechtlich wirkende Recht der Gesellschafterdarlehen als gesetzlich erzwungenes Umschlagen einer Fremdfinanzierung in die Beteiligung als Eigenkapitalgeber mit nachrangig haftendem Vermögen (Debt-Equitiy-Swap). Grundlage der Einflussnahme der Fremdkapitalgeber sind meist Covenants. Im Kern handelt es sich hierbei um eine vertragliche Vorsorge in Form von Nebenabreden, die dem Kreditgeber ermöglicht, frühzeitig eine drohende Krise des Kreditnehmers zu erkennen und entsprechend vorteilhafte Maßnahmen einleiten zu können (sog. warning). Darüber hinaus unterwerfen Covenants den Schuldner oftmals auch einem engen Pflichtenkorsett, wonach solche Maßnahmen unzulässig sind, die die Rückzahlbarkeit des Kredits gefährden könnten (sog. guidance). Affirmative Covenants beinhalten, dass der Kreditnehmer sich zur Einhaltung bestimmter Ziele verpflichtet. Negative Covenants verpflichten den Kreditnehmer dazu, bestimmte Handlungen generell oder ohne Zustimmung der Bank zu unterlassen. Aufgrund von Financial Covenants wird der Kreditnehmer verpflichtet, bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen einzuhalten. Ein wesentlicher Bestandteil der Sicherung des Rückzahlungsinteresses durch Covenants ist die effektive Überwachung, ob die vom Kreditnehmer übernommenen Vertragspflichten auch tatsächlich eingehalten werden. Man bezeichnet sie konsequenterweise auch als atypische Sicherheit. Die wichtigste Rechtsfolge eines Breach of Covenants ist die Befugnis zur Kreditkündigung. Im Kreditvertrag wird oftmals das Recht vereinbart, die Darlehensvaluta sofort fällig zu stellen bzw. eine Beschleunigung der Tilgung zu verlangen. Bedeutung haben diese Kündigungsrechte jedoch nicht allein dann, wenn der Kreditnehmer frühzeitig sein Geld zurückerlangen will. In der Praxis wird das Kündi-

§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht 591

gungsrecht oftmals nur formal ausgeübt oder die Ausübung lediglich angedroht, um den Schuldner so zu Neuverhandlungen eines Kreditvertrags zu geänderten Konditionen zu bewegen. Neben der Kreditkündigung ist es auch üblich, den Breach of Covenants mit einer Erhöhung des Zinssatzes oder die Pflicht des Unternehmens zur Gewährung zusätzlicher Sicherheiten zu sanktionieren.

§ 2 Vorteile Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge aus ökonomischer Sicht Im Unterschied zum gewöhnlichen Austauschvertrag tritt der Fremdkapitalgeber bei der Unternehmensfinanzierung zwingend in Vorleistung und erhält als Surrogat lediglich einen zeitlich hinausgeschobenen Rückzahlungsanspruch. Er kann im Zeitpunkt der Ausreichung der Mittel nicht wissen, ob der Schuldner später willens und in der Lage ist, diesen Rückzahlungsanspruch zu erfüllen. „Ob“ und „Wie“ der Finanzierung hängen davon ab, wie der Geldgeber diese Unsicherheit ex ante einschätzt. Dieses Kreditrisiko besteht im Ausgangspunkt bei allen Finanzierungsarten. Auch die Eigentümer eines Unternehmens überlassen das Eigenkapital auf Zeit. Aus Sicht des Unternehmenseigentümers besteht daher ex ante gleichermaßen die Unsicherheit, ob er das investierte Eigenkapital bei Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit oder bei Ausscheiden aus der Gesellschaft zurückerlangen wird. Hinsichtlich des Prognoserisikos, ob die mit der Beschaffung der Produktionsfaktoren verbundenen Auszahlungen durch entsprechende Einzahlungen gedeckt werden, sitzen somit alle an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Kapitalgeber und die für sie tätig werdenden Agenten „in einem Boot“. Wegen des strukturell vorgeprägten ungleichen Informationsstands ist das Kreditrisiko der Nichteigentümer jedoch ein besonderes: Sie können als Außenstehende nicht ohne weiteres kontrollieren, ob das Unternehmen die Mühe walten lässt, die mit der Investition prognostizierten Erträge zu erzielen. Nachträglich eintretende Umstände können verschwiegen werden oder die gewährten Mittel für andere, risikoreichere Projekte verwendet werden. Dass diese Informationsasymmetrien nicht zu einem Zusammenbruch des Kreditmarktes wegen fortschreitender adverser Selektion führt, liegt an den Gegenstrategien des Kreditnehmers. Nach dem Signaling-Modell sendet das Unternehmen vernünftigerweise Signale an den potentiellen Kreditgeber aus, um diesem zu zeigen, dass er das Kreditrisiko nicht allein trägt. Das wichtigste Signal ist das Eigenkapital. Es ist ein empirisch nachgewiesenes Phänomen, dass die Gläubiger in der Regel nur dann bereit sind, Fremdkapital zur Unternehmensfinanzierung beizusteuern, wenn die Eigentümer einen Teil der erforderlichen Mittel selbst aufbringen und diese Mittel vorrangig haften. Man spricht insofern auch von der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Da sich das Kreditrisiko über das Signaling-Modell jedoch nicht ausreichend minimieren

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Sechster Teil: Zusammenfassung

lässt, liegt es hauptsächlich am Kreditgeber selbst, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die wesentliche Vorsorge ist die Ausgestaltung der Verzinsung. Eine entscheiden Schwäche folgt jedoch aus der Gefahr des moral hazard. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es sich lohnt, die Prämie, die man ohnehin zahlt, auch auszunutzen. Nachlässiges Verhalten im Widerspruch zur Risikoeinschätzung des Kreditgebers ist hiernach vorprogrammiert und der Rückzahlungsanspruch bei Fälligkeit entsprechend gefährdet. Auch die Bestellung von Sicherheiten vermag das Kreditrisiko nicht in jedem Fall ausreichend zu minimieren. Neben den Kosten für die Sicherheitenbestellung und den Bewertungsproblemen ist zu bedenken, dass die Unternehmen vor allem bei forschungsorientierten „start ups“ und im Dienstleistungsbereich oftmals über wenig Sachsicherheiten verfügen. Die Praxis sucht konsequenterweise nach weiteren Möglichkeiten. Zum Abbau von Informationsasymmetrien und zur Verhinderung eines seinem Interesse widersprechenden Schuldnerverhaltens drängt der Kreditgeber häufig darauf, dass in den Finanzierungsvertrag Covenants aufgenommen werden, die das Schuldnerunternehmen explizit zur Information und einem bestimmten Verhalten verpflichten. Hierdurch lässt sich das Kreditrisiko flexibel und auf das konkrete Unternehmen abgestimmt steuern und das Management disziplinieren. Die gilt nicht nur bei den fremdorganschaftlich verfassten Personenverbänden, sondern vor allem auch bei den eigentümergeführten Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Die Ansätze in der ökonomischen Theorie gehen sogar soweit, mittels vertraglicher Vereinbarungen eine flexible, auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene „Verfassung für den Krisenfall“ schaffen zu können, die gegenüber den durch die InsO vorgesehenen Restrukturierungsmöglichkeiten erhebliche Vorteile bietet. Hierdurch wird der Zeitpunkt für eine Sanierung vorverlegt, um frühzeitig Fehlentwicklungen zu korrigieren und die gebotene Krisenbewältigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen.

§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen für die Bewältigung vergleichbarer Principal-Agent-Probleme und Interessenkonflikte Diese ökonomischen Erwägungen sind sicher „Motor“ der jüngeren Finanzierungspraxis. Die Entwicklung und die dahinterstehenden Erwägungen dürfen indessen nicht unreflektiert als Grundlage einer rechtlichen Beurteilung herangezogen werden. Bei den innovativen Finanzierungsformen rücken Geldgeber, finanziertes Unternehmen und dessen Eigentümer nämlich nur auf den ersten Blick enger zusammen, ziehen gleichsam an einem Strang, verteilen das Kreditrisiko angemessen und wollen es im gemeinsamen Interesse gar nicht zur Insolvenz kommen lassen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die zunehmend flexibel und individuell ausgestalteten Kredit- und Finanzierungsverträge In-

§ 3 Der unvollkommene rechtliche Rahmen

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teressenkonflikte innerhalb der verschiedenen in einem Unternehmen vereinten Interessenträger – shareholder und stakeholder - hervorrufen können. Lässt sich der Kapitalgeber mittels Covenants umfangreiche Informationsund Einwirkungsrechte einräumen, ist dies im Ausgangspunkt auch für das Unternehmen günstig. Die Unterwerfung unter ein detailliertes Covenant-Regime ist gerade bei schlechten Schuldnern oftmals der einzige Weg, überhaupt an Fremdkapital zu kommen. Auch für Unternehmen mit guter Bonität kann die Billigung von Covenants ein Mittel sein, die Zinslast zu verringern und weiterhin über genügend freie Sicherheiten zu verfügen. Schließlich ist es aus Sicht des Unternehmens vielfach vorteilhaft, im Fremdkapitalgeber einen Experten zur Seite zu haben, der die eigenen Defizite einer „guten“ Unternehmensführung kompensiert. Spätestens aber, wenn es zur Krise kommt und sich die Frage nach der „richtigen Strategie“ für die Krisenbewältigung stellt, können selbst ursprünglich homogene Interessen zwischen Kapitalgeber und finanziertem Unternehmen bzw. deren Eigentümern auseinanderfallen. Auf welcher rechtlichen Grundlage der Vorrang der einen Strategie gegenüber der anderen begründet werden kann, und auf welche Weise die Folgen für das Scheitern eines solchen Konzepts rechtlich bewältigt werden, lässt sich der gesetzlichen Ausgangslage nicht ohne weiteres entnehmen. Während das Innenrecht der Unternehmen über eine Vielzahl von Regelungen verfügt, die gewährleisten, dass die von den Eigentümern eingesetzten Sachwalter in deren Interesse handeln (vor allem § 43 GmbHG, § 93 AktG), fehlt für die Außenperspektive Vergleichbares. Eine Gläubigerverantwortung, die gewährleistet, dass die unternehmerische Einflussnahme den Interessen der Eigentümer entspricht, kann daher nur anhand der generalklauselartigen Haftung gemäß § 826 BGB und § 117 AktG begründet werden. Nicht jeder Gläubiger ist willens und in der Lage, sich die Vorteile eines Covenant-unterlegten Finanzierungsvertrages zu Nutze zu machen. Kleinen Lieferanten, Abnehmern, Deliktsgeschädigten und Arbeitnehmern ist das Aushandeln solcher Regelungen, ihre Überwachung und Anpassung an geänderte Umstände zu kostspielig oder gar unmöglich. Gerade im Vorfeld der sich abzeichnenden Insolvenz kann es insofern zu erheblichen Interessengegensätzen kommen, sogar innerhalb der Gruppe der adjusting creditors. Man kann dem nicht entgegenhalten, diese Interessendivergenz würde dadurch nivelliert, dass das Unternehmen als Bindeglied für den notwendigen Ausgleich sorgt und sich nur solchen Bedingungen und Einflussnahmen unterwirft, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Bereits der zeitliche Ablauf einer Unternehmensfinanzierung lässt Zweifel darüber aufkommen, ob das Interesse des Unternehmens, beim Aushandeln Covenant-unterlegter Finanzierungsverträge auf die Interessen der am Verhandlungsprozess nicht beteiligten non-adjusting creditors Rücksicht zu nehmen, als Korrektiv ausreicht, um das Konfliktpotential zu bewältigen. Die Unternehmenseigentümer bzw. die von ihnen eingesetzte Unter-

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Sechster Teil: Zusammenfassung

nehmensleitung haben im Regelfall nur ein schwach ausgeprägtes Interesse, den adjusting creditor im zweiseitigen Finanzierungsvertrag zu einer besonderen Rücksichtnahme gegenüber den anderen Gläubigern zu verpflichten. Auch das Konfliktpotential innerhalb der Gruppe der Gläubiger über die „richtige“ Strategie der Unternehmensführung wird nach der gesetzlichen Ausgangslage auf einer anderen Ebene bewältigt, nämlich durch die Verantwortung der mit Herrschaftsmacht versehenen Eigentümer und der von ihnen eingesetzten Geschäftsleiter. Die persönliche Schuldenhaftung des Einzelunternehmers bzw. der Gesellschafter und die Notwendigkeit, sich hiervon durch Aufbringung und Erhaltung eines bestimmten Kapitalstocks freizukaufen (GmbH, AG, Kommanditist), gewährleisten nach der Konzeption des deutschen Unternehmensrechts, dass diejenigen, die über andere Interessen verfügen, keinen Einfluss und kein Insiderwissen haben, nicht schutzlos gestellt sind. Wenngleich dieses Schutzsystem nicht alle Unternehmenseigentümer gleichermaßen trifft und auch keine kritiklos hinzunehmende gesetzgeberische Lösung ist, kann man diese Mechanismen jedoch als einen Vertrag mit allen Gläubigern ansehen, der deren Interessen zu schützen bestimmt ist. Dieser Verantwortlichkeit „der“ Unternehmenseigentümer steht jenseits der generalklauselartigen Haftung gemäß § 826 BGB und § 117 AktG keine vergleichbare Verantwortlichkeit „der“ Fremdkapitalgeber gegenüber. Die an die Eigentümerstellung geknüpfte Verantwortlichkeit der Kapitalgeber und die der ihnen verpflichteten Fremdorgane ließen sich so als Ordnungsentscheidung verstehen, die im Streben nach Sicherheit und Leichtigkeit der Rechtsanwendung eine Typenvermischung prinzipiell auszuschließen vermag. Andererseits wäre es auch denkbar, die gesetzliche Ausgangslage lediglich als vordergründige Schieflage zu sehen, aus der sich gerade keine Wertentscheidung ableiten lässt, wonach die sich infolge der jüngeren Finanzierungspraxis ergebende engere Verbindung von Fremdkapitalgebern und finanziertem Unternehmen im Grundsatz zu missbilligen ist. Ob ein numerus clausus der Finanzierungsverträge besteht, der die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Unternehmensführung ausschließt, ist nicht der Ausgangspunkt der Argumentation, sondern allenfalls das zu begründende Ergebnis.

§ 4 Die Schwächen einer auf Generalklauseln gestützten Gläubigerverantwortung Die rechtliche Erörterung einer Gläubigerverantwortung hat in Deutschland eine lange Tradition. Vor dem Hintergrund des Spektrums von Regeln und Meinungen scheint kein Bedarf zu bestehen, die Frage erneut aufzugreifen und kritisch zu hinterfragen. Man muss sich jedoch fragen, ob die Vielfalt der dogmatischen Ansätze gleichsam einen gemeinsamen „roten Faden“ aufweisen, der es für die Finanzierungspraxis vorhersehbar macht, was erlaubt ist und was

§ 4 Die Schwächen von Generalklauseln

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nicht. Die sich strukturell unterscheidenden Instrumente erscheinen wie ein Damokles-Schwert der drohenden rechtlichen Missbilligung. Sie bergen so die Gefahr in sich, für den Bereich der Mitsteuerung eines Unternehmens durch seine Gläubiger einen „Überschutz“ zu gewährleisten, der das Ziel marktorientierter Gesetzgebung, eine rechtliche Struktur zu schaffen, die die bestehenden Konfliktpotentiale angemessen bewältigt, den Parteien aber auch Raum bietet, ihre Ziele zu verwirklichen, unverhältnismäßig einschränkt. Die Schwäche der bisherigen Ansätze zeigt sich am deutlichsten an der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zur Begründung einer Verantwortung des Kreditgebers nach § 826 BGB. Die zunehmende Tendenz, die Sittenwidrigkeit im Wirtschaftsverkehr funktional zu interpretieren und hierüber eine angemessene Verantwortung zu begründen, ist abzulehnen. Von der herrschenden Meinung geht ohne ausreichende dogmatische Legitimation das Signal aus, eine enge Verbindung zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmen begründe eine per se zu missbilligende Typenvermischung. Auch droht, dass der deliktische Vermögensschutz in systemwidriger Weise ausgedehnt wird. Der Tatbestand der stillen Geschäftsinhaberschaft ist zudem eine Leerformel; die rechtliche Missbilligung erfolgt ohne eine sachnäher begründete Beschreibung haftungswürdigen Verhaltens. Auch die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand drohen in der Praxis in nicht hinnehmbarer Weise herabgesetzt zu werden, und der Wirtschaftsverkehr wird durch die zunehmende Haftung aus § 826 BGB in ungerechtfertigter Weise stigmatisiert. Will man haftungswürdiges Verhalten bei Auslandsbezug sanktionieren, ist dies schließlich nicht zwingend an eine deliktsrechtliche Anknüpfung gebunden. Wenngleich es dogmatisch betrachtet nur wenig Möglichkeiten gibt, der Rechtsprechung die Subsumtion eines Sachverhalts unter die Generalklausel der Sittenwidrigkeit zu verbieten, ist es doch methodisch geboten, auf ein sachnäher begründetes Konzept für eine Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme zurückzugreifen. § 826 BGB käme insofern lediglich eine seiner historischen Konzeption entsprechende Auffangfunktion zu. Covenants im Kreditvertrag sind regelmäßig AGB iSv. §§ 305 ff. BGB. Konsequenterweise stellt sich die Frage, inwieweit die Informations-, Teilhabe- und Einwirkungsrechte der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 BGB standhalten. Es zeigt sich, dass die Schwächen einer über die Sittenwidrigkeit begründeten Verantwortung hier gleichermaßen gelten. Wenngleich es dogmatisch nicht angreifbar ist, die Inhaltskontrolle im Wege einer Abwägung von Sicherungsinteresse und unternehmerischer Freiheit vorzunehmen, gibt es jedoch wiederum keine Anhaltspunkte zur rechtssicheren Abgrenzung dafür, was erlaubt ist und was nicht. Zudem ist zu bedenken, dass die Rechtsfolge der Unangemessenheit regelmäßig zur Nichtigkeit des Finanzierungsvertrages führt und damit jedenfalls keinen Schutz zu Gunsten des Unternehmens verwirklicht. Die drohende Unwirksamkeit einzelner Klauseln kann zudem durch Vermeidungsstrategien

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Sechster Teil: Zusammenfassung

wie die Verkürzung von Kündigungsfristen oder eine (Ketten-)Befristung des Finanzierungsvertrages umgangen werden, die im Ergebnis dieselbe Disziplinierung bewirken wie ein Breach of Covenants. Schließlich lässt sich über eine AGB-Kontrolle regelmäßig keine Berücksichtigung von Drittinteressen begründen. Auch die Haftung wegen rechtswidriger nachteiliger Einflussnahme gemäß § 117 AktG weist Schwächen auf. Sie ist ebenso wie die Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen rechtwidrigen Eingriffs in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ohne Rückgriff auf anderweitige Maßstäbe begründbar und vermag damit auch keine Rechtssicherheit zu erzeugen, welche Einflussnahme erlaubt ist und welche nicht. Die den innergesellschaftlichen Bereich betreffende Diskussion über den verbotenen Fremdeinfluss ist von der Frage der Rechtmäßigkeit des Außeneinflusses zu trennen, denn die Verfolgung von Eigeninteressen des einflussnehmenden Fremdkapitalgebers ist anders als beim geschäftsführenden Fremdorgan nicht per se zu missbilligen.

§ 5 These: Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals als Grundlage einer rechtlichen Billigung der Einflussnahme Als eigener Ansatz wird vorgeschlagen, die klassische Zweiteilung von Fremdund Eigenfinanzierung aufgrund einer funktionalen Betrachtung der an der Unternehmensfinanzierung beteiligten Personen zu überwinden und auf der Grundlage der die Praxis der Unternehmensfinanzierung maßgeblich prägenden Finanzierungstheorie neu zu definieren. Hiernach gibt es zwei Gruppen von Kapitalgebern, die nicht anhand ihrer formalen Stellung als Eigentümer oder Unternehmensfremde voneinander abzugrenzen sind, sondern danach, ob sie Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen oder nicht. Tragender Gedanke der Differenzierung ist so der mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals umschriebene typisierte Ansatz, ob der betreffende Kapitalgeber auf die verantwortungsbewusste Steuerung des Unternehmens durch andere vertraut oder selbst derjenige ist, auf dessen Steuerung andere vertrauen. Über eine erzwungene Haftungsfunktion des Finanzierungsbeitrags ließe sich die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals auch hinsichtlich der einflussnehmenden Nichteigentümer verwirklichen. Weil diese hierdurch dieselben Anreize wie die Eigentümer haben, ihre Mitsteuerung nicht auf Kosten anderer auszuüben, wäre es gerechtfertigt, die unternehmerische Einflussnahme prinzipiell zu billigen.

§ 6 Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligung der Gläubiger

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Zweiter Teil: Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als möglicher Ausschnitt einer kollektiven Pflicht zur Insolvenzvermeidung Die prinzipielle Billigung und ggf. rechtsfortbildende Ausgestaltung eines wertfreien Konzepts der externen Corporate Governance ist davon abhängig, dass das Ziel der Insolvenzvermeidung unter Beteiligung der Nichteigentümer gesetzliche Anerkennung findet. Man kann sogar mit Teilen der Literatur so weit gehen und fragen, ob sich zumindest in der Unternehmenskrise aufgrund eines umfassenden Systems von Kooperationspflichten eine kollektive Gläubigerverantwortung zur Insolvenzvermeidung begründen lässt und hierbei den Fremdeinfluss nicht nur in Kauf nehmen, sondern ausdrücklich wünschen. In Erfüllung einer aus der Unternehmenskrise resultierenden Zweckförderungspflicht könnten insbesondere die Fremdkapitalgeber gehalten sein, ihren Einfluss auf das überindividuelle Ziel der Insolvenzvermeidung hin auszurichten und damit präzisere Sorgfaltsanforderungen begründet werden.

§ 6 Die Förderung der freien Sanierung unter Beteiligung der Gläubiger als Ziel des Insolvenzrechts Indem die in der ökonomischen Theorie für vorteilhaft erachteten Krisenerkennungs- und Krisenbewältigungsinstrumente als Kompensation des Kreditrisikos verstanden werden, zielen sie letztlich darauf ab, dass der Fremdkapitalgeber sein investiertes Kapital nebst Zinsen bzw. erfolgsabhängiger Vergütung in Übereinstimmung mit seiner Risikoerwartung zurückerhält. Diese Funktion verwirklicht auch das auf Gläubigerbefriedigung gerichtete Insolvenzverfahren. Man kann es somit als eine „gesetzliche Versicherung“ des Kreditrisikos sehen, welche sich hinsichtlich des Ziels mit den vorgenannten Gläubigerstrategien deckt. Weiterhin kann das Insolvenzverfahren zumindest seit Einführung der InsO als Sanierungsinstrument verstanden werden. Auch die Einflussnahme als Mittel zur Verwirklichung eines Sanierungsziels findet in der InsO ausdrückliche Erwähnung. Wegen dieser Übereinstimmung von Ziel und Mitteln zur Zielverwirklichung im Insolvenzverfahren könnte man im Umkehrschluss zur gesetzlich vorgesehenen Einflussnahme anführen, die Gläubiger sollten sich außerhalb aus der Unternehmensleitung heraushalten. Hierin läge dann die in den bisher vertretenen Ansätzen kaum deutlich werdende dogmatische Grundlage zur rechtlichen Missbilligung der externen Corporate Governance wegen unzulässiger Einmischung. Das Insolvenzverfahren ist jedoch aus einer Vielzahl von Gründen bereits seiner eigenen Konzeption nach lediglich eine Notlösung zur Krisenbewältigung. Es ist gemäß § 1 InsO nicht auf eine individuelle Gläubigerbefriedigung gerichtet, sondern auf eine gemeinschaftliche. Hiernach ist der gläubigerschützende Aspekt im engen Zusammenhang mit dem Grundsatz par conditio credi-

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Sechster Teil: Zusammenfassung

torum zu sehen. Dieses Grundsatzes bedarf es allein, um eine Einschränkung der Vollbefriedigung zu legitimieren. Der mit dem Insolvenzverfahren einhergehende Eingriff in die eigenverantwortliche Schuldentilgung ist nicht veranlasst, wenn die Knappheit des Schuldnervermögens nicht vorliegt. Schaffen es die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten, dass es überhaupt nicht zur der einen Insolvenzgrund charakterisierenden Knappheit kommt, ist dieses Ergebnis ein gegenüber dem Insolvenzverfahren vorzugswürdiger Weg. Dass das individuelle Vorteilsstreben der Parteien hierbei Motivation ist, darf nicht missbilligt werden. Dieser Anreiz legitimiert mittelbar die Beteiligung der Fremdkapitalgeber an der außergerichtlichen Sanierung. Indem die Insolvenzgründe daran anknüpfen, dass eine gesteigerte Gläubigergefährdung besteht, bedeutet dies zugleich, dass die entsprechenden Nachteile bei den Eigentümern bereits zuvor eingetreten sind. Die gesetzliche Anknüpfung an den Zeitpunkt der Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf die Fremdkapitalgeber macht deutlich, dass die Eigentümer in einer insolvenznahen Situation meist nur noch ein schwaches Interesse haben, das Unternehmen rentabel zu führen bzw. zu sanieren. Die unmittelbar Begünstigten des eingeleiteten Insolvenzverfahrens sind allein die Gläubiger, indem die hierüber ermöglichte Verwaltung der Knappheit des Schuldnervermögens ihrer Befriedigung dient. Die Wiederauffüllung der Eigenkapitalbeiträge der Eigentümer ist nicht Insolvenzziel. Insofern ist es konsequent, den an einer Insolvenzvermeidung in besonderer Weise interessierten Gläubigern auch das Recht zuzusprechen ex ante dafür Sorge zu tragen, dass das finanzierte Unternehmen nicht in den Zustand der allein sie gefährdenden Knappheit gerät. Dies bedeutet indessen nicht, dass den ökonomischen Erwägungen bzw. der hierdurch motivierten Finanzierungspraxis normativ keine Grenzen gesetzt wären. Die freie Sanierung ist kein Rechtsbegriff und auch in tatsächlicher Hinsicht konturenlos. So ist bereits unklar, mit welcher Zielrichtung die an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten sich an einer solchen Sanierung beteiligen. Ein Unternehmen hat eine Vielzahl von unterschiedlichen Gläubigern mit unterschiedlichen Interessen. Auch die Gläubiger- und Eigentümerinteressen stimmen nicht notwendig überein. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Bestrebungen der Parteien, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern, nicht nur positiv sein müssen. Sollte es den Akteuren nämlich gelingen, das Schuldnervermögen durch das Streben nach eigenem Vorteil so sehr zu schädigen, dass die Eröffnung eines Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird, kann ihr Handeln auch durch ein völlig anderes Anreizsystem motiviert sein als das der außergerichtlichen Sanierung. Kommt es nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, besteht die begründete Erwartung, dass die möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Haftungstatbestände oder die Anfechtung nach AnfG aus praktischen Gründen nicht geltend gemacht werden.

§ 7 Die Überwindung der pluralistischen Gläubigerstruktur

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Die Offenheit des Insolvenzrechts für eine marktwirtschaftliche Alternative unter Beteiligung der Gläubiger steht somit unter dem Vorbehalt, inwieweit es gelingt, die im Vorfeld der Insolvenz möglichen divergierenden Interessen der Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, damit die Ziele des Insolvenzverfahrens, zumindest eine quotale Befriedigung im geordneten Verfahren zu gewährleisten, nicht leer laufen. Es muss daher Anreize geben, dass die prinzipielle Billigung der Mitsteuerung durch die Gläubiger nicht allein dazu führt, dass einige adjusting creditors ihre Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten dazu nutzen, ihre Interessen rechtzeitig zu verwirklichen und die übrigen an der Unternehmensfinanzierung beteiligten non-adjusting creditors und Eigentümer letztlich in der masselosen Insolvenz „alleine gelassen“ werden.

§ 7 Die Überwindung der pluralistischen Gläubigerstruktur durch ein System von Kooperationspflichten? Konstruktiv ließe sich eine solche Verantwortung am besten dadurch verwirklichen, dass den Fremdkapitalgebern bereits im Vorfeld der Insolvenz Kooperationspflichten obliegen, deren Einhaltung die Insolvenzvermeidung gewährleistet. Vertreten wird dieser Ansatz bisher lediglich zur Lösung des sog. Akkordstörerproblems. Er kann jedoch auch als Grundlage herangezogen werden, die unternehmerische Einflussnahme Dritter auf ein für alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten gleichermaßen geltendes überindividuelles Ziel der Insolvenzvermeidung hin auszurichten und damit den Vorwurf der unzulässigen Einmischung auszuräumen. Ziel ist es aus ökonomischer Sicht, dass eine im Krisenfall wünschenswerte Maßnahme – vor allem die Reorganisation des Schuldners – nicht an dem obstruktiven Verhalten einzelner Akkordstörer scheitert. Die materielle Legitimation für eine Erzwingung abgestimmten Gläubigerhandels liegt in den Vorteilen der Verringerung des Kollektivhandlungsrisikos begründet. Das hierzu vielfach herangezogene Gefangenendilemma ist in sich schlüssig, seine normative Bedeutung ist jedoch erheblich zu relativieren. Neben der praktischen Schwierigkeit, produktive von unproduktiven Spielen abzugrenzen, beruht die ökonomisch begründete Vorteilhaftigkeit als Legitimation für eine ggf. erzwungene Verhaltensweise auf der Annahme, alle Beteiligten hätten das übereinstimmende Interesse zur Steigerung eines gemeinschaftlichen Kooperationsgewinns. Diese Annahme ist auch in der Finanzierungspraxis nicht zwingend. Marktteilnehmer können und wollen sich auch bewusst opportunistisch und strategisch verhalten. Erhebt man die gemeinsame Nützlichkeit zum Maßstab, der es rechtfertigt, Individualverhalten auf normativer Grundlage ad hoc einzuschränken (um nichts anderes geht es), wird das individuelle Vorteilsstreben gleichsam vergesellschaftet, wofür es einer dogmatisch überzeugenden Grundlage bedarf.

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Sechster Teil: Zusammenfassung

Es gibt Ansätze in der Literatur, wonach die (potentiellen) Beteiligten an einer außergerichtlichen Unternehmensreorganisation durch ein Netz von schuldrechtlichen Sonderverbindungen miteinander verknüpft sind. Dem steht die Akkordstörer-Entscheidung des BGH gegenüber, wonach es de lege lata keine rechtlichen Möglichkeiten gebe, einen Gläubiger zum Beitritt zu einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich zu zwingen. Dem BGH ist zuzustimmen. Aus dem Umkehrschluss zum Insolvenzrecht und dem dort geltenden Mehrheitsprinzip gemäß § 244 InsO und dem Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO folgt einmal, dass eine reduzierte Übertragung dieser Instrumente zur Bewältigung des Kollektivhandlungsrisikos im Vorfeld der Insolvenz nicht der Konzeption des Gesetzes entspricht. Auch über die Figur des hypothetischen Vertrages lassen sich entsprechende Kooperationspflichten nicht begründen. Die Prämisse, dass die Beteiligten einer zu begründenden Regel zugestimmt hätten, wenn sie die Folgen eines regelwidrigen Verhaltens vorhergesehen hätten, ist nur insofern nachvollziehbar, als es das Verhalten der jeweils anderen betrifft. Der Beteiligte, der aktuell „regelwidrig“ entscheiden will, hat hierfür seine Gründe, die er konsequenterweise auch hätte vorhersehen müssen. § 762 Abs. 1 BGB setzt für eine vergleichbare Konstellation Grenzen rechtsgeschäftlicher Bindung. Hiernach sind Verträge mit der sich im Vertrag niederschlagenden entgegengesetzten Erwartung der jeweiligen Parteien, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, als aleatorische Rechtsgeschäfte unverbindlich. Für einen hypothetischen Vertrag mit diesem Inhalt muss konsequenterweise dasselbe gelten. Lehnt man die Figur des hypothetischen Vertrags ab, konzentriert sich die Frage nach der dogmatischen Begründbarkeit von Kooperationspflichten zur Insolvenzvermeidung darauf, ob die an einer Unternehmensfinanzierung beteiligten Gläubiger in der Krise Mitglieder einer schlichten Interessengemeinschaft sind. Dies wird ebenfalls bereits in der Literatur vertreten und wurde vom RG bereits ansatzweise für die Gläubiger einer beschränkten Vorratsschuld bejaht. Richtigerweise ist dies jedoch nur dann möglich, wenn es sich, wie bereits das RG zutreffend anführte, um eine Gefahrengemeinschaft der rechtlich zu verbindenden Individuen handelt. Es muss das Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit unter Knappheitsbedingungen bestehen, welche über die entsprechend zu begründende Pflichtenbindung hergestellt werden kann. Dass dieses Bedürfnis im Vorfeld der Insolvenz nicht besteht und damit eine Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens zu Gunsten überindividueller Nützlichkeit de lege lata nicht zu begründen vermag, zeigt zum einen die in den Insolvenzgründen zum Ausdruck kommende Legitimation des Insolvenzverfahrens.

§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion

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§ 8 Die Unternehmensinsolvenz als gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits erfolgte Marktauslese Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit knüpft daran an, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, alle fälligen Zahlungspflichten sofort zu begleichen (Zeitpunktilliquidität). Durch die nach wie vor erforderliche Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von unbeachtlichen Zahlungsstockungen macht der Gesetzgeber deutlich, dass die Zahlungsunfähigkeit der Beginn einer sich zunehmend verstärkenden Gläubigergefährdung ist, die nicht mehr mit den allgemeinen Mitteln des Zivilrechts – Verzugsschaden, Prozesskosten – kompensiert werden kann. Das vorläufige Scheitern unternehmerischer Tätigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Schuldner innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Wochen auch nicht mehr in der Lage ist, die benötigten finanziellen Mittel über den Kapitalmarkt zu erhalten. Vorausgesetzt wird hierdurch, dass die regelmäßig gut informierten und risikobewussten Kreditgeber die Lebensfähigkeit des Unternehmens gering einschätzen und als Konsequenz den „Geldhahn“ zugedreht haben. Diese Anknüpfung an eine bereits erfolgte Marktauslese rechtfertigt die mit Insolvenzeröffnung einhergehenden Einschränkungen der Schuldner- und Gläubigerautonomie und kennzeichnet den hierüber definierten Einsatzzeitpunkt des Insolvenzverfahrens als marktorientiert. Sie zeigt darüber hinaus, dass die rechtsfortbildende Begründung vorinsolvenzlicher Kooperationspflichten diesem Konzept de lege lata widersprechen würde. Zum einen knüpft der Insolvenzgrund an den Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung an und verdeutlicht hierzu im Umkehrschluss, dass dies vor Insolvenzreife noch nicht besteht. Das Bedürfnis für die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit unter Knappheitsbedingungen als tragende Legitimation für die Annahme einer schlichten Interessengemeinschaft mit korrespondierender Interessenwahrungspflicht des Einzelnen als Einschränkung seines prinzipiell legitimen individuellen Vorteilsstrebens besteht daher im Vorfeld der Insolvenz nicht. Zum anderen folgt aus der marktorientierten Definition der Zahlungsunfähigkeit als bereits erfolgte Marktauslese die gesetzgeberische Billigung der Freiheit des Marktes, eigenverantwortlich über die Kredit- und Sanierungswürdigkeit eines Unternehmens zu entscheiden. Die der Zahlungsunfähigkeit zu Grunde liegende Marktbetrachtung, ob das Unternehmen eine Sanierungschance außerhalb des Insolvenzverfahrens hat oder nicht, könnte nicht verwirklicht werden, wenn es zwingende Regeln gäbe, dass die Marktteilnehmer ihr Verhalten im Vorfeld der Insolvenz auf eine Insolvenzvermeidung hin auszurichten hätten. Auch der auf die Kapitalgesellschaften zugeschnittene Insolvenzgrund der Überschuldung knüpft an eine gesteigerte Gläubigergefährdung an, indem er voraussetzt, dass die Schulden ab jetzt größer sind als das Vermögen. Die hiermit einhergehende Überwälzung des Finanzierungsrisikos müssen sie nicht

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Sechster Teil: Zusammenfassung

hinnehmen. Darüber hinaus trägt die an die Fortbestehensprognose geknüpfte Überschuldensprüfung ähnlichen Marktgegebenheiten Rechnung wie der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Die herrschende Meinung geht zutreffend davon aus, dass die Fortbestehensprognose auf der Grundlage der Konsequenzen für die Gläubiger anzustellen ist. Sie ist demnach eine Zahlungsfähigkeitsprognose. Um die negativen Folgen einer Bewertung der Aktiva zu Zerschlagungswerten zu verhindern, hat das Unternehmen die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Gelingt ihm dies nicht auf Grund der eigenen Finanzkraft, muss der Kapitalmarkt in Anspruch genommen werden. Schätzt dieser das Unternehmen positiv ein und gewährt die benötigten Mittel, ist es nicht geboten, das Unternehmen in die Insolvenz zu führen, mithin die Aktivierung zu Fortführungswerten als Mittel zur Insolvenzvermeidung gerechtfertigt. Ist der regelmäßig wohl informierte Finanzierungsmarkt hingegen nicht mehr bereit, die künftige Liquidität des Unternehmens durch einen Finanzierungsbeitrag zu befriedigen, hat er bereits die fehlende Lebensfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt. Insofern ist es konsequent, die Insolvenz durch die Aktivierung von Zerschlagungswerten herbeizuführen, damit das unternehmerische Risiko nicht noch weiter auf die Gläubiger abgewälzt wird. Aus der doppelten Legitimation der Überschuldung als Beginn einer gesteigerten Gläubigergefährdung infolge bereits erfolgter Marktauslese folgt wiederum, dass es de lege lata verfehlt wäre, im Vorfeld dieses Insolvenzgrundes Kooperationspflichten zur Insolvenzvermeidung zu begründen. Bis zum zeitlichen Beginn des Überschuldungstatbestands besteht keine gesteigerte Gläubigergefährdung, die die Einschränkung individuellen Vorteilsstrebens mit der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit unter Knappheitsbedingungen legitimieren würde. Auch die bei der Fortbestehensprognose maßgebliche Marktbeobachtung könnte nicht verwirklicht werden, wenn die Gläubiger dazu verpflichtet wären, es nicht zur Überschuldung kommen zu lassen.

§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung unter freiwilliger Beteiligung der Gläubiger Auch die Regelungen des SchVG bestätigen die vorgenannten Ergebnisse. Aus den Gesetzesmotiven, die Obligationäre durch das SchVG zu einem organisierten Verbande zu vereinigen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass außerhalb des Gesetzes eine vergleichbare gesetzlich begründete Bindung nicht besteht. Die gesetzgeberische Intention, die „rechtliche Organisation“ der Schuldverschreibungsbesitzer anzuordnen, wäre überflüssig, wenn diese bereits als schlichte Interessengemeinschaft oder aufgrund einer gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung bestehen würde. Weiterhin ergab sich, dass das SchVG den Obligationären einen Interessengleichlauf unterstellt, ohne das Interesse selbst zu definieren. Die kollektive

§ 9 Das Schuldverschreibungsgesetz als Grundmodell der freien Sanierung

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Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss knüpft daran an, dass die Obligationäre am besten wissen, was gut für sie ist. Diese Richtigkeitsgewähr privatautonom getroffener Entscheidungen bedingt einmal den Rückzug der Gerichte bei der Inhaltkontrolle. Sie verbietet darüber hinaus – erst recht – die inhaltliche Konkretisierung einer privatautonom getroffenen Entscheidung mittels normativer Vorgaben. Indem das SchVG diesen allgemeinen zivilrechtlichen Ansatz auf die Fälle der Unternehmenskrise erstreckt, wird deutlich, dass eine normativ begründete Verpflichtung der Beteiligten auf ein Gesamtinteresse der an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten oder das ökonomisch begründete Wertsteigerungsprinzip nicht besteht. Ein Interessenwiderstreit zwischen Schuldner und Obligationären ist vielmehr ebenso möglich und zulässig wie ein Interessengleichlauf. Sind die Obligationäre hiernach frei, ihr gemeinsames Interesse selbst zu definieren und hiernach zu handeln, gilt dies für die übrigen Unternehmensgläubiger gleichermaßen. Schranken bestehen somit nicht durch eine generelle Verpflichtung auf ein Gesamtinteresse. Die Teilnahme- und Informationsrechte des Vertreters der Gläubiger gegenüber dem Schuldnerunternehmen begründen ein mit der Unternehmensmitbestimmung vergleichbares „Integrationsmodell“. Es scheint nach der Konzeption des SchVG Situationen zu geben, in denen es im Interesse aller Beteiligten sinnvoll ist, miteinander zu kooperieren. Hierin liegt eine begrenzte Anerkennung des ökonomisch begründeten Kollektivhandlungsrisikos. Die Teilnahme der Gläubiger am Informationsfluss im Unternehmen und das Rederecht bringt die – sich möglicherweise zunächst im Interessenwiderstreit befindenden – Parteien an einen Verhandlungstisch und erhöht hierdurch die Chance, dass einvernehmlich eine sachgerechte Lösung erarbeitet wird. Auch die Inkompatibilitätsregelungen sind verallgemeinerungsfähig. Sie bestätigen noch einmal, dass es nach der Konzeption des SchVG durchaus möglich ist, wenn zwischen Obligationären und Schuldnerunternehmen zumindest im Ausgangspunkt ein Interessenwiderstreit besteht. Ihnen lässt sich ferner entnehmen, dass ein Interessenwiderstreit zumindest im Ausgangspunkt auch gegenüber den übrigen Gläubigern besteht. Die in der Praxis vorzufindende pluralistische Gläubigerstruktur wird hierdurch gesetzlich legitimiert, was gegen eine von der ökonomischen Theorie vertretenen Vergemeinschaftung der Interessen im Krisenfall spricht.

Dritter Teil: Ökonomische und rechtliche Grundlagen einer individuellen Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme Steht fest, dass die Mitsteuerung des Unternehmens durch seine Gläubiger zumindest in der insolvenznahen Unternehmenskrise gerechtfertigt ist, es jedoch kein alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten erfassendes Pflichtenkorsett gibt, wonach jeder Einzelne als Partei eines hypothetischen Vertrages

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Sechster Teil: Zusammenfassung

oder als Mitglied einer schlichten Interessengemeinschaft gehalten wäre, sich an der außergerichtlichen Sanierung mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung zu beteiligen, konnte konsequenterweise auf diesen Ansatz auch nicht zurückgegriffen werden, um hierauf die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme dogmatisch auszubauen. Will man die zunehmend enge Verbindung von Fremdkapitalgeber und finanziertem Unternehmen rechtlich billigen, müssen daher andere Begründungsansätze herausgearbeitet werden, um die Einflussnahme an eine für das Funktionieren des Finanzierungsmarktes notwendige Selbstbetroffenheit zur Gewährleistung einer ausreichenden Selbstkontrolle zu knüpfen.

§ 10 Individuelle Gläubigerverantwortung nach Maßgabe der ParetoEffizienz Auch hierzu werden in der ökonomischen Theorie Lösungen vorgebracht, die möglicherweise als Grundlage für die Begründung und Ausgestaltung rechtlicher Regeln heranzuziehen sind. Nach Maßgabe der Pareto-Effizienz ist ein Gläubigerverhalten solange zulässig, wie es – vermittelt über die Steigerung des Unternehmenswerts – keinen anderen Beteiligten schädigt. Dieser Ansatz vermag indessen nicht zu überzeugen. Die Bestimmung ökonomischer Gebotenheit nach dem Kaldor/Hicks-Kriterium ist zumindest im hier interessierenden Bereich bereits nicht praktisch handhabbar und erfüllt damit nicht die Mindestvoraussetzung an eine normative Regel zur Begründung einer entsprechenden Verantwortung. Die mathematische Herangehensweise, anhand einer Formel mit einer Vielzahl von – teils auf Wahrscheinlichkeiten bezogenen – Variablen die Rechtmäßigkeit eines Gläubigerhandelns bestimmen zu wollen, kann nicht geeignet sein, die ex ante notwendige verhaltenssteuernde Wirkung und ex post notwendige Justiziabilität zu gewährleisten. Wiederum gilt auch hier: Der hypothetische Vertrag, wonach alle an der Unternehmensfinanzierung Beteiligten damit einverstanden seien, einer auf der Grundlage des Kaldor/Hicks-Kriteriums entwickelten Regel unterworfen zu sein, ist eine Fiktion und wäre bei unterstellter Wirksamkeit gemäß § 762 Abs. 1 BGB unverbindlich. Die Begründung einer deliktischen Schadensersatzhaftung auf der Grundlage des Kaldor/ Hicks-Kriteriums wäre schließlich eine gegen das Prinzip neminem laedere verstoßende konturenlose Haftung für Vermögensschäden.

§ 11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten Ein weiterer, in der ökonomischen Theorie anzutreffender Ansatz zielt darauf ab, die Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten zu begründen. Kern dieser Überlegungen sind die ökonomischen und normativen Folgerungen aus dem empirisch nachweisbaren Vertrauen der Kreditgeber untereinander. Im Ausgangspunkt gilt: Für die Abschätzung des Kreditrisikos stehen der Finan-

§ 11 Individuelle Gläubigerverantwortung unter Vertrauensaspekten

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zierungspraxis unterschiedliche Informationsmöglichkeiten bereit. Aus einer Vielzahl von Gründen werden diese Informationsquellen jedoch vielfach nur unzureichend genutzt. Dieser Mangel an Selbstschutz breiter Gläubigerkreise weist darauf hin, dass die Kreditgeber anderen Informationen eine ausschlaggebende Bedeutung zumessen, nämlich der Existenz des Unternehmens. Diese beweist, dass es dem Unternehmen bisher gelungen ist, seine Finanzierung sicherzustellen. Die Kreditgewährung durch einen Kapitalgeber zieht die Kreditgewährung durch andere nach, so dass es zu einer sog. Kreditkaskade kommt. Dies ist ökonomisch betrachtet nicht das blinde oder leichtfertige Vertrauen, als das es auf den ersten Blick erscheint. Je mehr Kreditgeber sich nämlich in der Vergangenheit am Unternehmen beteiligt haben, desto wahrscheinlicher wird – zumindest aus Sicht der Nachfolgenden – die statistische Richtigkeit dieser positiven Einschätzung. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Kosten einer Informationsgewinnung zur Ermittlung des Kreditrisikos nicht notwendig auf die Kreditvergabe abgestimmt sind. Die Analyse der traditionellen Parameter der Kreditwürdigkeitsprüfung erfordert einen Grundaufwand, der von der Kreditsumme unabhängig ist. Aus diesem Grund ist es im Einklang mit der ökonomischen Entscheidungstheorie nachvollziehbar, dass eine Vielzahl von Klein- oder Waren- bzw. Handelskreditgebern eine Kreditwürdigkeitsprüfung unterlässt. Kreditinstitute, Hedgefonds oder sonstige Beteiligte an einer Private-Equitiy-Finanzierung scheuen diesen Aufwand oftmals nicht, weil das betreffende Finanzierungsvolumen so groß ist, dass er sich lohnt. Nimmt man den ökonomischen Aspekt, die Transaktionskosten zu minimieren und an der „richtigen“ Stelle anzusiedeln, ernst, spricht im Ausgangspunkt nichts gegen eine differenzierte „Zuständigkeitsverteilung“ bei der Kreditfinanzierung eines Unternehmens. Ökonomisch betrachtet ist der Grundsatz des caveat creditor somit nicht durchgängig gleich streng. Die sog. adjusting creditors nehmen einen Aufwand auf sich, von dem die non-adjusting creditors profitieren können. Die großen Kreditgeber sind funktional betrachtet Treuhänder der Kleinen. Diese Reduzierung eigenverantwortlichen Handelns der „Kleinen“ wird ökonomisch dadurch legitimiert, dass das Vertrauen der Kreditgeber untereinander gesamtwirtschaftlich zu einer wünschenswerten Verbesserung der Kreditversorgung führt. Es sei zu verhindern, dass kleine Kreditgeber die Gewährung von Krediten einschränken. Konsequenterweise müssten sich die kleinen Kreditgeber auf die Prüfungs- und Überwachungsanstrengungen großer Kreditgeber verlassen können. Die „funktionierende Kreditkaskade“ sei also ein gesamtwirtschaftlich wünschenswertes Mittel zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Auf den ersten Blick klingt die ökonomische Begründung des Vertrauendürfens plausibel und scheint ein geeignetes Modell zu sein, die Verantwortung der informierten Gläubiger auf die Grundlage einer funktionalen Treuhänderstellung zu Gunsten der anderen zu begründen. Zu bedenken ist aber, dass die Mo-

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Sechster Teil: Zusammenfassung

tivation zur umfangreichen Kreditprüfung und zur Krisenfrüherkennung und -bewältigung nicht altruistisch bzw. auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet ist. Hiermit ist freilich nicht gesagt, dass die Interessenpluralität einfach hinzunehmen wäre. Das Vertrauendürfen wird im deutschen Recht als ein die Vertrauenshaftung auslösender Umstand anerkannt. Erforderlich ist allerdings, dass sich das mit den Kreditkaskaden umschriebene soziale Phänomen in die allgemeinen Anforderungen einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit unter Vertrauensaspekten einfügt. Eine Kreditgeberhaftung unter Vertrauensaspekten setzt Vertrauenstatbestand, Zurechenbarkeit und Schutzwürdigkeit voraus. Dass die Existenz eines Unternehmens als solches ein tauglicher Vertrauenstatbestand ist, mag zweifelhaft sein, findet aber durchaus rechtliche Anerkennung. So beruhen die §§ 25 ff. HGB nach ganz herrschender Auffassung auf einem durch das Vertrauensprinzip legitimierten Grundsatz der Unternehmenskontinuität. Die §§ 25 ff. HGB ließen sich somit als spezialgesetzliche Ausprägung des Modells der Kreditkaskaden auffassen. Man müsste lediglich annehmen, dass die Fremdkapitalgeber Unternehmensinhaber sind – sei es aufgrund der ihnen kraft Vereinbarung zustehenden Rechte oder aufgrund tatsächlicher Ausübung von Einfluss. Die Forthaftung bei Unternehmenskontinuität knüpft jedoch an die wechselnde Inhaberschaft an, ohne die Inhaberschaft als solche zu begründen bzw. zu fingieren. Übertragen auf die Verantwortung der Fremdkapitalgeber bestünde eine Gläubigerhaftung nach dem Modell der §§ 25 ff. HGB daher nur dann, wenn sich aufgrund anderer rechtlicher Vorgaben begründen ließe, dass die Fremdkapitalgeber – rechtsgeschäftlich oder faktisch – Geschäftsinhaber sind. Sollte ein entsprechender Rechtschein ausnahmsweise vorhanden sein, sprechen auch keine Gründe dagegen, den Fremdkapitalgeber in Fortentwicklung der Lehre vom Scheingesellschafter hierunter zu fassen und hierüber eine auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsform des Unternehmensträgers abgestimmte persönliche Haftung zu begründen. Auch die von der Literatur befürwortete Expertenhaftung gemäß § 311 Abs. 3 S. 2 BGB wäre in einem solchen atypischen Fall dogmatisch begründbar. All dies sind jedoch Lösungen für atypische Einzelfälle und damit keine adäquate rechtliche Reaktion auf das Modell der Kreditkaskaden. Ohne es offen auszusprechen oder näher zu begründen, legen die Befürworter eines mit der ökonomischen Vorteilhaftigkeit begründeten haftungsbewehrten Modells der Kreditkaskaden dem informierten Kreditgeber die Pflicht auf, nicht nur sein eigenes Kreditrisiko zu prüfen, sondern zugleich das der theoretisch beliebig vielen anderen, die zeitlich nachfolgend mit dem finanzierten Unternehmen Geschäfte abschließen. Einen Einfluss darauf, ob und gegenüber wem diese „Information“ weitergegeben wird, soll der Haftende hingegen nicht nehmen müssen. Nach den für die Vertrauenshaftung notwendigen Zurechnungskriterien lässt sich dies nicht begründen. Nach allen

§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

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Lehren muss der Vertrauenstatbestand mindestens eine „drittgerichtete Rechtstatsache“ sein. Die im eigenen Interesse folgende Kreditprüfung und -gewährung erfüllt dieses Merkmal ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht, so dass die Zurechenbarkeit des – in der Praxis vorhandenen – tatsächlichen Vertrauens der uninformierten Unternehmensgläubiger anderweitig begründet werden muss. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auf der Grundlage des Vertrauensprinzips eine Verantwortung nur gegenüber gutgläubigen, mithin schutzbedürftigen Verkehrskreisen begründet werden kann. Die vielfach anzutreffende Zweiteilung zwischen adjusting und non-adjusting creditors ist als alleiniges Kriterium viel zu pauschal, um hierüber den Grundsatz des caveat creditor für weite Teile der Unternehmensgläubiger einzuschränken.

§ 12 Individuelle Gläubigerverantwortung aufgrund widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens Nimmt man die Verantwortung des Gesetzgebers ernst, einen rechtlichen Rahmen für funktionierende, sich eben „nur“ prinzipiell selbstregulierende Märkte bereitzustellen, ist weiterhin zu fragen, ob eine Verantwortlichkeit bestimmter Gläubiger aufgrund eines anderen Ansatzes entwickelt werden kann. Dieser müsste einerseits dem tatsächlichen Vertrauen anderer darauf, „es wird schon gut gehen“, Rechnung tragen, andererseits aber im Einklang mit den soeben aufgezeigten Grundanforderungen an einen normativ zu begründenden, vor allem nicht überzogenen Vertrauensschutz stehen. Schließlich müsste es dem Aspekt der Selbstverantwortung Geltung verschaffen. Das Vertrauen der Kreditgeber untereinander darf nicht dazu führen, dass die „Kleinen“ überhaupt keine Anreize mehr haben, das Kreditrisiko zu prüfen und Eigenvorsorge zu treffen. Ein solcher Vertrauensschutz findet sich auf den ersten Blick nur im Verhältnis zwischen Gläubigern und Eigentümern. Bei der Frage nach einer ökonomischen Legitimation gesetzlicher Ausschüttungssperren gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG wird anerkannt, dass es bei isolierter Betrachtung für die Gesellschafter keine Gründe gäbe, einer Regelung zuzustimmen, derzufolge sie die Gesellschaft nicht durch Entnahmen causa societatis wirtschaftlich vernichten dürfen. Andererseits müssen auch die Gesellschafter einräumen, dass ohne eine derartige Regelung die Kreditfinanzierung der Gesellschaft erschwert oder verhindert würde, was wiederum die Geschäftsanteile der Gesellschafter stark entwerten würde. Die Gesellschafter werden „über den Umweg des Kreditmarktes“ für eine Regelung kompensiert, die ihren Interessen bei isolierter Betrachtung zuwider läuft. Die Gesellschafter verhalten sich somit selbstwidersprüchlich, wenn sie zunächst von einem Vertrauen der Gläubiger profitieren, hiervon aber im Konfliktfall nichts mehr wissen wollen.

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Sechster Teil: Zusammenfassung

Der ökonomisch begründete Selbstwiderspruch der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft entspricht der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals nach der Finanzierungstheorie. Die mit Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter verwalten als Agenten auch das Vermögen der Fremdkapitalgeber. Die mit der gesetzlichen, auf das Eigenkapital verwirklichte Selbstbetroffenheit begründet eine mit Richtigkeitsgewähr versehene Selbstkontrolle und ist damit ein Mittel zur Risikominimierung, welches reflexartig auch den Fremdkapitalgebern nutzt. Sie fördert ihre Bereitschaft, sich nicht vollständig informiert oder besichert an der Unternehmensfinanzierung zu beteiligen. Der entscheidende Ertrag, aus der Selbstbetroffenheit eine Richtigkeitsgewähr abzuleiten, liegt in der hiermit einhergehenden Zurückhaltung staatlicher (gerichtlicher) Kontrolle der jeweiligen Maßnahmen. Der als Kreditkaskade bezeichnete Zusammenhang, dass Gläubiger auf die Kreditvergabe anderer vertrauen und vertrauen dürfen, findet sich somit im Ausgangspunkt bei der in der Finanzierungstheorie anerkannten Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Eine den unternehmensfremden Kapitalgebern vorrangig zu Gute kommende kapital- bzw. haftungsmäßige Beteiligung der Eigentümer senkt das Kreditrisiko der Fremdkapitalgeber und ist damit ein Mittel zur ökonomisch begründeten Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Sie fügt sich auch in die Grundanforderungen normativen Vertrauendürfens ein. Die Selbstbetroffenheit betrifft als Selbstkontrolle nur die Entscheidungsträger und stellt damit den Zurechnungszusammenhang her. Die Innehabung und Ausübung von Herrschaftsmacht über fremde Vermögensinteressen ist die erforderliche „drittgerichtete Tatsache“. Die Zuweisung des vorrangigen Verlustrisikos ist der normative Vertrauenstatbestand, welcher von den Entscheidungsträgern die Mitberücksichtung von Fremdinteressen erzwingt. Abweichend von der durch Selbstbetroffenheit vermittelten Richtigkeitsgewähr bei Mehrheitsbeschlüssen ist es jedoch nicht ausreichend, dass die Entscheidungsträger von den negativen Folgen ihrer Entscheidungen gleichrangig betroffen sind. Indem die durch die Ingangsetzungsfunktion geschützten Fremdkapitalgeber typischerweise überhaupt keine Möglichkeit haben, auf die Entscheidungen Einfluss zu nehmen, bedarf es einer vorrangigen Selbstbetroffenheit. Gefordert und durch die Selbstbetroffenheit in nicht überprüfbarer Weise gewährleistet wird von den Entscheidungsträgern nicht die Einhaltung der diligentia quam in suis, sondern objektiv sorgfaltsgemäße Wahrung von Fremdinteressen. Die mittels vorrangiger Verlusttragung hergestellte Selbstbetroffenheit der Entscheidungsträger wird im deutschen Recht zumindest für die Eigentümer eines Unternehmens verwirklicht. Dies gilt beim Einzelunternehmer und den Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft im Hinblick auf ihre persönliche Haftung. Ein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung lässt sich jedoch nicht begründen. Ob ein Gleichlauf von Herr-

§ 12 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten

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schaft und anderweitig zu begründender Selbstbetroffenheit Grundlage des deutschen Rechts ist, lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Bei den Kapitalgesellschaften wird die Selbstbetroffenheit jedenfalls auf den Finanzierungsbeitrag bezogen hergestellt, indem das betreffende Kapital einer materiell-rechtlich begründeten vorrangigen Verlusttragung zu Gunsten anderer unterworfen ist. Gegenstand dieser Verwirklichung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals ist jedoch die kollektive Herrschaftsmacht der Gesellschafter, ohne dass es auf eine konkrete Einflussnahme ankäme. Will man eine entsprechende Kapitalbindung auf die Nichteigentümer übertragen, folgt aus Art. 9 Abs. 1 GG, dass eine kollektive Betrachtung unzulässig ist. Die Finanzierungsverantwortung der Fremdkapitalgeber, die nicht zugleich Gesellschafter sind, hat daher zwingend an eine konkrete Einflussnahme auf die Unternehmensleitung anzuknüpfen. Dass ein solcher Transfer wertungsmäßig überzeugen würde, ergibt sich aus einer konsequenten Fortentwicklung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Wegen des identischen Prinzipal-Agenten-Problems kann die aus der Selbstbetroffenheit resultierende Selbstkontrolle als Garant für sachgerechte Entscheidungen auch dann zum Tragen kommen, wenn Nichteigentümer im Einklang mit der sich wandelnden Finanzierungspraxis rein faktisch oder auf rechtsgeschäftlicher Grundlage Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. Will ein Gläubiger die hiernach gebotene vorrangige Betroffenheit vermeiden, muss er sich aus der Steuerung des Unternehmens heraushalten und diese den vorrangig haftenden Eigentümern überlassen. Die zentrale Frage ist daher, ob sich eine gesetzliche Regel begründen lässt, wonach diejenigen Fremdkapitalgeber, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen und bei funktionaler Betrachtung Herrschaftsmacht ausüben, wie sie den Eigentümern zusteht, widersprüchlich verhalten, wenn sie sich – insbesondere in der Krise und Insolvenz des Unternehmens – auf die Rolle eines unternehmensfremden Kapitalgebers zurückziehen, den die soeben herausgearbeitete gesetzliche Gewährleistung von Selbstbetroffenheit an sich nicht trifft.

Vierter Teil: Die Gläubigerverantwortung wegen Einflussnahme als normative Korrektur des gesetzestypischen Fremdkapitalgebers Um diese Regel ggf. rechtsfortbildend entwickeln zu können, bedarf es zunächst einer Herausarbeitung, welche Vorgaben Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der Fremdfinanzierung für eine mit der Einflussnahme korrespondierende Verantwortung beinhalten. Sollte sich hierbei kein Ansatz für die Begründung einer Finanzierungsverantwortung des Fremdkapitalgebers ergeben, bedarf es eines Rückgriffs auf dogmatische Begründungsansätze, die nicht unmittelbar im Recht des Darlehens oder der stillen Gesellschaft

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Sechster Teil: Zusammenfassung

angesiedelt sind, sondern die dort als Regelfall bestehende fehlende Verantwortung gleichsam von außen kommend einzuschränken vermögen.

§ 13 Darlehen und stille Beteiligung als gesetzliche Regeltypen der einflusslosen Fremdfinanzierung ohne Finanzierungsverantwortung Dem Darlehensgeber stehen nach dem gesetzlichen Regelfall keine Mitspracheund Kontrollrechte gegenüber dem Darlehensnehmer zu. Er kann sein finanzielles Risiko jederzeit vom unternehmerischen Risiko abkoppeln. Eine auf die Bindung des Kapitalbeitrags bezogene Finanzierungsverantwortung zu Gunsten des Unternehmens oder seiner sonstigen Gläubiger besteht nicht. Darlehen ist nach der gesetzlichen Ausgangslage Kapitalüberlassung auf Zeit. Wurde eine Laufzeit bestimmt, kann der Darlehensgeber die Valuta aufgrund ordentlicher Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist jederzeit zurückfordern. Darüber hinaus ermöglichen ihm verschiedene Lösungsrechte, sein finanzielles Interesse vom unternehmerischen Risiko des Darlehensnehmers abzukoppeln. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers wird die Rückerstattungspflicht gemäß § 41 InsO sofort fällig. Auf eine Kündigung kommt es nicht an. Die Versuche der Literatur, diese auf Abwicklung zielende Lösung als sanierungsfeindlich zu korrigieren, vermögen nicht zu überzeugen. Erfolgt die Unternehmensfinanzierung durch Nichteigentümer als stille Beteiligung, gilt dies gleichermaßen. Über die Informationsrechte gemäß § 233 HGB hinaus ist der Stille im gesetzlichen Regelfall nicht berechtigt, Einfluss auf das Unternehmen des Geschäftsinhabers auszuüben. Im Ausgangspunkt besteht keine gesetzlich gewährleistete Kapitalbindung, auf deren Grundlage sich eine mit der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals vergleichbare Selbstbetroffenheit der Fremdkapitalgeber, die sich an der Steuerung des Unternehmens beteiligen, begründen ließe. Eine haftungsmäßige Widmung der Vermögenseinlage des Stillen zu Gunsten der übrigen Unternehmensgläubiger hängt davon ab, ob die im gesetzlichen Regelfall bestehende Verlustbeteiligung des Stillen ausgeschlossen wurde oder nicht. Wurde sie nicht ausgeschlossen, weist die stille Einlage in der Insolvenz des Geschäftsinhabers eine materiell-rechtlich begründete Haftungsfunktion zu Gunsten der übrigen Gläubiger auf, indem bei der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung gemäß § 235 HGB kein Auseinandersetzungsguthaben entsteht. Wurde die Verlustbeteiligung hingegen abbedungen, kann der Stille seine sich aus der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung ergebende Forderung als Insolvenzgläubiger gemäß § 236 Abs. 2 HGB, § 38 InsO geltend machen. Übersteigen die Verluste die Vermögenseinlage des Stillen, ist dieser auch im gesetzlichen Regelfall der Verlustbeteiligung nur bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung zum Nachschuss verpflichtet.

§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds

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§ 14 Ansätze zur normativen Korrektur des gesetzlichen Rollenbilds vom einflusslosen Fremdkapitalgeber Steht fest, dass das finanzielle Risiko des Fremdkapitalgebers nach den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung vom unternehmerischen Risiko abgekoppelt ist, besteht für die Begründung einer funktionalen Treuhänderstellung bestimmter Kapitalgeber zu Gunsten anderer im Ausgangspunkt kein Raum. Will man eine mit der Einflussnahme korrespondierende Verantwortung entwickeln, welche die Mitsteuerung legitimiert und die hierdurch begründete Treuhänderstellung zu Gunsten der anderen Gläubiger rechtlich erfasst, bedarf es somit eines Rückgriffs auf dogmatische Begründungsansätze, die nicht unmittelbar im Recht des Darlehens oder der stillen Gesellschaft angesiedelt sind, sondern die dort als Regelfall bestehende Verantwortungslosigkeit gleichsam von außen kommend einzuschränken vermögen. Die hierzu bisher vertretenen Ansätze überzeugen nicht vollends. Die Annahme einer faktischen Beherrschung bzw. eines wirksamen oder fehlerhaften Beherrschungsvertrages, die das Eingreifen der speziellen konzernrechtlichen Schutzmechanismen rechtfertigen würde, lässt sich nur begründen, wenn zwischen Fremdkapitalgeber und Unternehmenseigentümer bzw. der im Unternehmen inkorporierten Zwecksetzung eine konzerntypische Interessendivergenz besteht. Dies kann zum Beispiel zu bejahen sein, wenn ein Automobilunternehmen sich an seinen Zulieferern als Fremdkapitalgeber beteiligt und über den Finanzierungsvertrag dahingehend Einfluss ausübt, dass das Zulieferunternehmen sich der Automobilproduktion unterordnet und zum Beispiel zu „Konzernverrechnungspreisen“ liefert. Ein ähnlicher, die konzernrechtliche Abhängigkeit begründender Tatbestand könnte dann vorliegen, wenn ein Fremdkapitalgeber mehrere Unternehmen finanziert und bei dem einen Unternehmen Maßnahmen veranlasst, die einem anderen Unternehmen nutzen. Im Regelfall der Covenant-unterlegten Unternehmensfinanzierung fehlt aber diese konzernspezifische Interessenüberlagerung. Vielmehr ist das Verhältnis zwischen Fremdkapitalgeber, Unternehmenseigentümer und der entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Zwecksetzungen von einem Interessengleichlauf gekennzeichnet, so dass die Begründung einer vorrangigen Verlusttragung der einflussnehmenden Nichteigentümer nach konzernrechtlichen Grundsätzen ausscheidet. Erforderlich ist, die Verantwortung der Fremdkapitalgeber auf der Grundlage einer funktionalen Vergleichbarkeit mit den Eigentümern des Unternehmens zu entwickeln, deren – legitime – Verfolgung von Eigeninteressen aufgrund gesetzlicher Regeln eingeschränkt wird. Der Ansatz, Fremdkapitalgeber als faktische Organe anzusehen und ihnen hierüber eine Verantwortung für sorgfaltswidrige Einflussnahme zu begründen, findet in der Literatur zunehmend Zustimmung und ist auch im internationalen Vergleich weit verbreitet. Er wäre konsequenterweise rechtsformüber-

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Sechster Teil: Zusammenfassung

greifend auszubauen und könnte auch auf Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften erstreckt werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Figur des faktischen Geschäftsführers nur insoweit eine überzeugende dogmatische Grundlage zu Sanktionierung einer Mitsteuerung von Fremdkapitalgebern ist, als es um die Verletzung der Insolvenzantragspflicht geht. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und überlagert alle gegenläufigen Individualinteressen. Konsequenterweise kann – insofern im Einklang mit der herrschenden Meinung – jeder als faktisches Organ hiervon betroffen sein, wenn er die entsprechenden Aufgaben eines Geschäftsleiters tatsächlich wahrnimmt, sei es ein Gesellschafter oder ein Fremdkapitalgeber. Für den darüber hinausgehenden Bereich der haftungsrechtlichen Sanktionierung nachteiliger Einflussnahme in Analogie zu § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. den entsprechenden Pflichten eines sonstigen Geschäftsleiters gemäß § 280 Abs. 1 BGB genügt die bloße Wahrnehmung von Geschäftsleiterfunktionen hingegen nicht. Die Einflussnahme der Fremdkapitalgeber erfolgt regelmäßig mit dem Ziel, das legitime Rückzahlungsinteresse zu verwirklichen. Will man daher diese eigennützige Interessenwahrung haftungsrechtlich sanktionieren, darf nicht auf die Einhaltung fremdnütziger Pflichten zurückgegriffen werden. Es bedarf vielmehr eines dogmatischen Ansatzes, der darauf zielt, die an sich legitime Verwirklichung von Eigeninteressen mit einer Verantwortung für Dritte zu belegen. Ein solcher lässt sich über die aus ökonomischer und funktionaler Sicht gebotene Gleichstellung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber mit den Eigentümern begründen. Diese üben die ihnen zustehende Herrschaftsmacht über das Unternehmen – ggf. vermittelt über die von ihnen eingesetzten und ihren Interessen verpflichteten Organe – mit dem Ziel aus, ihr eigenes finanzielles Interesse im Hinblick auf die Erhaltung des geleisteten Kapitals und die zu erwartenden Erträge zu verwirklichen. Will man daher sanktionieren, dass diese eigennützige Interessenwahrung aus Gründen des Schutzes anderer einer bestimmten Verantwortlichkeit unterliegt, ist dies nicht über die Figur des faktischen Organs zu erreichen, sondern über die des faktischen Eigentümers. Auf der Grundlage der für eine Analogie bzw. Rechtsfortbildung notwendigen Vergleichbarkeit der Sachverhalte und Interessenlagen ist es daher geboten, die bereits erwähnte gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals durch Selbstbetroffenheit als Grundlage einer auch für die Fremdkapitalgeber maßgeblichen Finanzierungsverantwortung heranzuziehen und hierüber widersprüchliches Finanzierungsverhalten zu sanktionieren. Hierüber lässt sich die an sich bestehende Dichotomie von Eigeninteresse und unternehmerischem Risiko überwinden. Der Fremdkapitalgeber handelt nicht bereits widersprüchlich, weil er seine eigenen Interessen durch die Einflussnahme zu verwirklichen sucht. Er handelt nur dann widersprüchlich, wenn er sich trotz einer über seine Mitsteuerung begründeten Mitveranlassung der

§ 15 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten im Vorfeld der Insolvenz

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finanziellen Situation des Unternehmens auf die Rolle eines Fremdkapitalgebers zurückzieht, der dieses unternehmerische Risiko – im Einklang mit den gesetzlichen Regeltypen der Fremdfinanzierung – nicht steuert. Bestätigung findet dieser Ansatz in § 311 b Abs. 1 BGB. Hiernach findet es rechtliche Missbilligung, wenn eine natürliche oder juristische Person keine Anreize mehr hat, künftiges Vermögen zu erwirtschaften. Durch die Etablierung einer auf den Finanzierungsbeitrag bezogenen Gläubigerverantwortung wird gewährleistet, dass die unternehmerische Tätigkeit stets von einem Entscheidungsträger mit einem durch die vorrangige Verlusttragung vermittelten Anreiz zur Vermögensmehrung ausgeübt wird.

Fünfter Teil: Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber Ist es geboten, die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber aufgrund einer funktionalen Betrachtung mit den Eigentümern gleichzustellen und ihnen eine auf den Kapitalbeitrag bezogene Finanzierungsverantwortung aufzuerlegen, müsste es ihnen verwehrt sein, ihr Rückzahlungsinteresse von dem unternehmerischen Risiko abzukoppeln. Die Einschränkung kann einmal das Ziel verfolgen, die Liquidität des finanzierten Unternehmens in der Krise aufrecht zu erhalten, mithin eine Chance zur Beseitigung bzw. dem Nichteintritt der Illiquidität iSv. § 17 InsO bieten. Sie kann darüber hinaus auch so weit reichen, den Finanzierungsbeitrag selbst in Eigenkapital umzuqualifizieren bzw. zumindest in der Insolvenz mit einem haftungsrechtlichen Nachrang zu belegen. Hierüber würde nicht nur die Chance zur Beseitigung des Insolvenzgrundes der Illiquidität geboten, sondern – bei den unternehmenstragenden Kapitalgesellschaften – zugleich die Beseitigung der Überschuldung iSv. § 19 InsO.

§ 15 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens im Vorfeld der Insolvenz Im Vorfeld der Insolvenz besteht lediglich die Möglichkeit, den vorzeitigen Kapitalabzug einzuschränken. Eine materiell-rechtliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital erfolgt nicht. In den Gesetzesmaterialien zu § 490 BGB finden sich Hinweise, dass es der Konzeption des Gesetzes entspricht, die an sich bestehenden Lösungsrechte des Fremdkapitalgebers, sein finanzielles Interesse vom unternehmerischen Risiko abzukoppeln, als Mittel zur Insolvenzvermeidung einzuschränken. Welche Umstände hierfür maßgeblich sind und auf welcher dogmatischen Grundlage diese Einschränkungen umgesetzt werden soll, lässt sich dem Gesetzeswortlaut und den Materialien indessen nicht entnehmen. Deutlich wird allein, dass die

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Sechster Teil: Zusammenfassung

Kapitalbelassung im Unternehmen als Mittel zur Insolvenzvermeidung anerkannt wird. In Verhinderung einer Kettenreaktion soll dies auch zu Gunsten der übrigen Darlehensgeber wirken und für eine Stabilität der Unternehmensfinanzierung in der Krise sorgen. Ferner soll es Fälle geben, in denen der fristlosen Kündigung mildere Mittel unter Belassung der Valuta beim Darlehensgeber – Nachverhandlung, Vertragsanpassung – vorgehen. Der letztgenannte Aspekt lässt sich mittlerweile auch beim Darlehen ohne weiteres konstruktiv verwirklichen. Die in § 313 Abs. 3 S. 1 BGB für die Geschäftsgrundlagenlehre geltende Subsidiarität der Vertragsbeendigung gegenüber der Vertragsanpassung beansprucht auch bei der Kündigung gemäß § 490 Abs. 1 und § 314 BGB Geltung. Für die stille Beteiligung gilt dies erst recht. Die materielle Legitimation, die Einschränkung eines Lösungsrechts in der Unternehmenskrise für denjenigen Fremdkapitalgeber zu begründen, der auf die Unternehmensleitung Einfluss genommen hat, folgt aus einer Aufweichung der getrennten Verantwortungsbereiche von Kapitalgeber und Kapitalnehmer. Die Emanzipation des finanziellen Interesses des Fremdkapitalgebers liegt darin begründet, dass er nach Überlassung des Kapitals keine Einflussmöglichkeiten mehr hat, hierüber zu verfügen. Indem aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder tatsächlicher Handhabung diese Trennung aufgehoben wird, ist es nicht gerechtfertigt, dem Unternehmen das Verschlechterungsrisiko zuzuweisen und dem Fremdkapitalgeber ein hiervon emanzipiertes Lösungsinteresse zuzubilligen. Dies gilt zum einen wegen Ingerenz in den Fällen, in denen die Einflussnahme des Fremdkapitalgebers im Vorfeld der Krise rechtswidrig oder auf sonstige Weise zu missbilligen war. Diese Fallgruppe ist jedoch konturenlos und daher wie eine auf die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit, Unangemessenheit und Rechtswidrigkeit gestützte Gläubigerverantwortung weitgehend ohne praktischen Anwendungsbereich. Eine Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens kommt jedoch auch in dann Betracht, wenn der Fremdkapitalgeber sich bei der Geltendmachung eines Lösungsrechts zu seinem rechtmäßigen Vorverhalten in Widerspruch setzt. Dies ist in jedem Fall dann zu bejahen, wenn auf Seiten des finanzierten Unternehmens ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Auch diese Sanktion ist indessen schwach, weil die Freizeichnung seitens des Einflussnehmenden den Vertrauenstatbestand nicht entstehen lässt. Über die Protestatio facto contraria-Regel kann eine Handlung aber auch dann zu missbilligen sein, wenn sie gegen eine normative Vorgabe verstößt, die das eine Verhalten gegenüber dem anderen als vorrangig einstuft. Indem es hierbei weder darauf ankommt, dass die Einflussnahme rechtswidrig ist oder beim finanzierten Unternehmen oder seinen übrigen Gläubigern einen Vertrauenstatbestand begründet hat, ist dieser Ansatz geeignet, einen effektiven normativen Vertrauenstatbestand zu Gunsten der non-adjusting creditors und Unter-

§ 16 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten in der Insolvenz

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nehmenseigentümer zu schaffen, so dass die Einflussnehmenden von den negativen Folgen ihrer Entscheidungen vorrangig betroffen sind. Voraussetzung für diese praktisch bedeutsame Fallgruppe ist eine normative Vorgabe darüber, dass das zu missbilligende Verhalten mit einem anderen Verhalten unvereinbar ist – mithin insgesamt betrachtet widersprüchliches Verhalten vorliegt. Auf der Grundlage der dem gesetzlichen Regelfall der Fremdfi nanzierung entsprechenden Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen ließe sich diese Vorgabe begründen. Hiernach ist die Mitbeeinflussung der Mittelverwendung ein Umstand, der dem Fremdkapitalgeber die Berufung auf das an sich vom unternehmerischen Risiko emanzipierte Finanzierungsinteresse versagen würde. Es zeigte sich jedoch, dass diese Einschränkung von Lösungsrechten bereits rechtsfolgenseitig Schwächen aufweist, eine ausreichende Selbstbetroffenheit der Fremdkapitalgeber zu vermitteln. Die erzwungene Einschränkung der Kündigungsrechte wirkt nur dilatorisch und kann daher allein den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit ausräumen. Darüber hinaus entfaltet eine derartige Einschränkung des Lösungsinteresses keine Wirkung, wenn Gefahr droht, dass der Fremdkapitalgeber Einschränkungen bei der Befriedigung erleidet. Eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital vermag die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens als Ausübungskontrolle bei der Geltendmachung von Lösungsrechten nicht zu vermitteln. Schließlich besteht bei den nur dilatorisch wirkenden Lösungsrechten die Gefahr, dass Unternehmen und adjusting creditor einvernehmlich handeln und sich über die Einschränkungen auf Kosten der non-adjusting creditors hinwegsetzen. Eine diese Schwächen beseitigende, bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens wirkende materiell-rechtlich zwingende Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital lässt sich ohne die Annahme unzulässiger Fiktionen nicht begründen. Dritte sind wegen der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung entgegen der herrschenden Meinung nicht Adressaten des Kapitalerhaltungsgebots bei GmbH, AG und KG, sofern es um ihren als Fremdkapital geleisteten Finanzierungsbeitrag geht. Eine gesetzliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags kann nur über eine Einbeziehung in das künftig allein im Insolvenzverfahren wirkende Recht der Gesellschafterdarlehen begründet werden, mithin als haftungsrechtliche Subordination.

§ 16 Die Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens in der Insolvenz Bei der Suche nach einem ggf. verallgemeinerungsfähigen dogmatischen Ansatz für eine gesetzliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter bietet sich ein Rückgriff auf die Gesellschafterfremdfinanzierung an.

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Sechster Teil: Zusammenfassung

I. Die Gesellschafterfremdfinanzierung als Ausgangspunkt Zumindest im Ergebnis haben die Gesellschafter einer Personen- und Kapitalgesellschaft eine auf den als Fremdkapital gewährten Finanzierungsbeitrag bezogene erzwungene Verlusttragung hinzunehmen, welche mit ihrer kollektiven Herrschaftsmacht über das Unternehmen korrespondiert. Es zeigte sich jedoch, dass die dogmatische Begründung hierfür nicht einheitlich ist. Bei der Fremdfinanzierung durch persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder KG folgt die Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags in Eigenkapital durch die persönliche Haftung gemäß § 128 HGB gegenüber den Insolvenzgläubigern. Aufgrund des Dolo-agit-Einwands kann ein Gesellschafter die Rückerstattung seines Fremdkapitals insoweit nicht geltend machen, als der hiermit erlangte Vermögenswert gemäß § 93 InsO sogleich wieder dem Zugriff des Insolvenzverwalters unterliegen würde. Für die stille Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters gilt dies gleichermaßen. Die eine Gesellschafterfremdfinanzierung überlagernde unbeschränkte persönliche Haftung ist aus zwei Gründen kein tauglicher Ansatz, eine Gläubigerverantwortung für Einflussnahme zu begründen: Da sich bereits für die Gesellschafter kein Gleichlauf von Herrschaft und unbeschränkter persönlicher Haftung begründen lässt, muss dies für die Nichtgesellschafter erst recht gelten, sofern sie nicht nach der Lehre vom Scheingesellschafter einen über die Einflussnahme hinausgehenden konkreten Vertrauenstatbestand gesetzt haben. Zum anderen ist die unbeschränkte persönliche Haftung aus ökonomischer Sicht angreifbar und auch nicht auf den der Finanzierungstheorie zu Grunde liegenden Marktmechanismus abgestimmt. Die persönliche Haftung kann zum einen ein unverhältnismäßig hoher Preis für die vom Finanzierungsmarkt geforderte Ingangsetzungsfunktion durch vorrangige Betroffenheit sein. Das haftende Vermögen einer natürlichen Person steht nämlich in noch größerem Maße außer Verhältnis zum konkreten Bedarf an Haftkapital als dies bei der derzeit heftig kritisierten gesetzlichen Kapitalbindung bei GmbH und AG der Fall ist. Weiterhin ist zu bedenken, dass mangels anderweitig zu begründender Sicherung einer bestimmten Finanzkraft des betreffenden Haftungssubjekts keineswegs gewährleistet ist, dass die persönliche Haftung das wert ist, was sie verspricht. Die persönliche Haftung ist daher entweder zu weit und damit ein unverhältnismäßiger Gläubigerschutz oder aber unzureichend, um eine Ingangsetzungsfunktion als normativer Vertrauenstatbestand für den Finanzierungsmarkt zu erfüllen. Die gesetzliche Gewährleistung eines Abzugsverbots wirkt effektiver als die im Hinblick auf die Werthaltigkeit zweifelhafte Gewährleistung eines Zuführungsgebots. Der Entscheidungsträger, der den Verlust des bereits geleisteten Kapitals befürchten muss, wird stärker diszipliniert als der Entscheidungsträgrer, der mit seiner ggf. beschränkten Leistungsfähigkeit spe-

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kulieren kann und möglicherweise bereit ist, die negativen Folgen einer ihn persönlich treffenden Überschuldung zu tragen. Bei den Kapitalgesellschaften und beim Kommanditisten werden die als Fremdkapital geleisteten Finanzierungsbeiträge in der Insolvenz nur insoweit dem Eigenkapital gleichgestellt, als noch offene Einlageforderungen bestehen. Darüber hinaus erfolgt bei der Gesellschafterfremdfinanzierung, insbesondere bei den gesplitteten Einlagen zumindest im Ausgangspunkt eine getrennte Beurteilung. Der Gesellschafter ist trotz seiner über die Gesellschafterstellung vermittelten Herrschaft über das Unternehmen frei, die Rückerstattung in der Insolvenz als Insolvenzgläubiger geltend zu machen. Kompensiert wird dieses Auseinanderfallen von Herrschaft und Selbstbetroffenheit de lege lata vom Eigenkapitalersatzrecht gemäß §§ 32 a, 32 b GmbHG und den sog. Rechtsprechungsregeln, künftig vom Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 EInsO. Es liegt nahe, diese gesetzliche Umqualifizierung von Fremd- in QuasiEigenkapital bzw. die insolvenzrechtliche Subordination einer Fremdfinanzierung als Grundlage eines rechtsform- und adressatenübergreifenden Ansatzes für Finanzierungsverantwortung der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber heranzuziehen. Das Eigenkapitalersatzrecht ist zum einen ökonomisch legitimiert. Die gesetzliche Umqualifizierung sendet als normativer Vertrauenstatbestand die mit der Ingangsetzungsfunktion umschriebenen Signale an die Fremdkapitalgeber aus. Diese lauten, dass die den Gesellschaftern obliegende Herrschaftsmacht wegen der zumindest in der Insolvenz drohenden vorrangigen Verlusttragung verantwortungsbewusst ausgeübt wird und dass die Interessen der vorrangig zu befriedigenden Fremdkapitalgeber bestimmungsgemäß mitberücksichtigt werden. Von dieser gesetzlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion profitieren auch die Gesellschafter als Fremdkapitalgeber, weil sie die Aufnahme von weiterem Fremdkapital bei den non-adjusting creditors die Aufrechterhaltung des betriebswirtschaftlichen Prozessablaufs erleichtert. Insofern wäre es ökonomisch betrachtet widersprüchlich, wenn die mit Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter sich in der Krise auf die Rolle eines von dieser vorrangigen Verlusttragung nicht betroffenen Fremdkapitalgebers zurückziehen dürften. Das Eigenkapitalersatzrecht kann zum anderen auch rechtlich als verallgemeinerungsfähige normative Gewichtung einander unvereinbarer Verhaltensweisen gemäß der Protestatio facto contraria-Regel verstanden werden. Die mit kollektiver Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter dürfen sich nicht auf eine bei formaler Betrachtung durchaus differenzierte Doppelrolle berufen und erwarten, im Hinblick auf die Fremdfinanzierung wie ein den gesetzlichen Regeltypen entsprechender außenstehender und vor allem einflussloser Fremdkapitalgeber behandelt zu werden.

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II. Die vom Eigenkapitalersatzrecht erfassten Unternehmensträger Sowohl das geltende Eigenkapitalersatzrecht als auch das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gelten für die Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften, mithin vor allem GmbH, AG und GmbH & Co. KG, und verstricken zuvörderst Finanzierungsbeiträge von förmlichen Gesellschaftern. Bereits die Anerkennung eigenkapitalersetzender Aktionärsdarlehen de lege lata lässt jedoch erkennen, dass die für eine Analogiebildung maßgebliche materielle Legitimation der Umqualifizierung nicht allein die formale Gesellschafterstellung und die sich hieraus ergebenden Mitgliedschaftsrechte sind. Zurechnungsgrund für die Bejahung der für die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln bei der AG notwendigen „unternehmerische Beteiligung“ ist nicht allein der über die Aktionärsrechte vermittelte mitgliedschaftliche Einfluss, sondern – wie beim Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. § 39 Abs. 5 E-InsO – die Frage, ob der Betreffende faktisch oder auf sonstiger rechtsgeschäftlichen Grundlage geschäftsführender Gesellschafter ist. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht bzw. künftige Recht der Gesellschafterdarlehen ist damit eine gesetzliche Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals, welche bei einer Erstreckung auf einflussnehmende Dritte die ökonomisch gebotene funktionale Treuhänderstellung der adjusting creditors zu Gunsten der non-adjusting creditors auch rechtlich begründen würde. III. Nichtgesellschafter als Adressaten des Eigenkapitalersatzrechts Will man herausarbeiten, ob auch Nichtgesellschafter Adressaten des geltenden Eigenkapitalersatzrechts sind, ist zumindest im Ausgangspunkt zwischen einer abgeleiteten Finanzierungs(folgen)verantwortung und einer eigenen zu unterscheiden. Die herrschende Meinung erkennt Ersteres an, wenn der Dritte mit einem Gesellschafter in enger verwandtschaftlicher oder wirtschaftlicher Verbundenheit steht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die bisherigen Ansätze letztlich auch in diesen Fällen dem Dritten aufgrund anderer, im unmittelbaren Verhältnis zur Gesellschaft bzw. dem von ihr betriebenen Unternehmen angesiedelter Umstände eine eigene Verantwortung auferlegen. Andernfalls müsste die abgeleitete Finanzierungs(folgen)verantwortung des Dritten zu der des Gesellschafters gemäß dem Kleinbeteiligungsprivileg akzessorisch sein, was die herrschende Meinung verneint. Auch die PfandgläubigerEntscheidung des BGH begründet die Einbeziehung des Dritten letztlich nicht auf Grund des Pfandrechts, sondern anhand der im Finanzierungsvertrag vereinbarten, gegenüber der Gesellschaft bestehenden Rechte und Pflichten des Pfandgläubigers. Insofern liegt es nahe, statt von einer Einbeziehung „aty-

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pischer Pfandgläubiger“ von einer Einbeziehung „atypischer Fremdkapitalgeber“ zu sprechen. Bereits bei der geplanten GmbH-Reform im Jahr 1980 wurde für möglich erachtet, dass ein Dritter wegen der Nähe zur Gesellschaft eine eigene Finanzierungs(folgen)verantwortung hat und damit Adressat des Eigenkapitalersatzrechts ist. Diesem Aspekt wird von der herrschenden Meinung bisher jedoch kaum Beachtung geschenkt. Auf der Grundlage des in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG postulierten Gebots, dass die Gesellschafter in der Krise als ordentliche Kaufleute Eigenkapital beizusteuern haben, wird vielmehr überwiegend davon ausgegangen, dass die Grundlage der Verstrickung des Finanzierungsbeitrags keine Veranlassungshaftung wegen Einflussnahme ist, sondern vielmehr ein Teilaspekt des allgemeinen Problems der materiellen Unterkapitalisierung. Eigenkapitalersatz ist hiernach „Fremdkapital aus Gesellschafterhand“. Diese, eine Rechtsfortbildung der Eigenkapitalersatzregeln in Bezug auf Nichtgesellschafter stark beschränkende Sichtweise vermag indessen bereits de lege lata nur eingeschränkt zu überzeugen. Die Einbeziehung des Nur-Kommanditisten gemäß § 172 a S. 1 HGB verdeutlicht, dass sich die vielfach geforderte Notwendigkeit der Stellung des Dritten in einem „mitgliedschaftlichen Verband“ mit den Gesellschaftern der GmbH nicht begründen lässt. Der Nur-Kommanditist steht allenfalls mit der GmbH in einem mitgliedschaftlichen Verband, nicht aber mit deren Gesellschaftern. Darüber hinaus zeigt die Einbeziehung des Nur-Kommanditisten gemäß § 172 a S. 1 HGB, dass sich das Gebot des § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG nicht allein darauf beziehen kann, dass jemand als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft entsprechende Einlagen erbringt. Ausreichend ist vielmehr, dass er überhaupt Eigenkapital beisteuert, sei es über eine Erhöhung der Kommanditeinlage oder aufgrund eines Rangrücktritts bzw. der Verlustbeteiligung gemäß § 231 Abs. 2 HGB. Will man daher Dritte in das geltende Eigenkapitalersatzrecht einbeziehen, ist die Aussage, Eigenkapitalersatzrecht betreffe „Fremdkapital aus Gesellschafterhand“ zu relativieren: Wie bei der Pfandgläubigerentscheidung des BGH angedeutet, muss sich die für eine Einbeziehung notwendige Nähe zur Gesellschaft nicht daraus ergeben, dass der betreffende wie ein Gesellschafter aufgrund seiner Mitgliedschaftsrechte in den zwischen diesen bestehenden mitgliedschaftlichen Verband integriert ist. Ausreichend muss vielmehr auch sein, dass diese Nähe anderweitig begründet werden kann, mithin – wie beim NurKommanditisten – aufgrund einer faktischen oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Abreden erfolgenden Einflussnahme auf die Unternehmensleitung. Beim atypischen stillen Gesellschafter wird von der herrschenden Meinung eine Einbeziehung in das geltende Eigenkapitalersatzrecht und damit eine eigene Finanzierungs(folgen)verantwortung des Dritten zwar für möglich gehalten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Stille ähnlich wie ein Gesellschafter die Geschicke der GmbH bestimmt sowie an Vermögen und Ertrag beteiligt

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ist. Dem ist insofern zuzustimmen, als es abweichend von der Beurteilung förmlicher Gesellschafter bei der Einbeziehung Dritter darauf ankommt, dass konkret Einfluss genommen wird im Sinne des Kleinbeteiligungsprivilegs. Der Dritte muss einem „geschäftsführenden Gesellschafter“ iSv. § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG bzw. § 39 Abs. 5 E-InsO gleichstehen. Dieser Einfluss kann sich wie bei §§ 117, 311 AktG sowohl auf die laufende Geschäftsführung beziehen als auch auf die Vornahme von Grundlagenentscheidungen und Strukturänderungen. Eine typisierte Betrachtung dahingehend, dass derjenige, der mehr als 10% am Haftkapital beteiligt ist, wegen seiner unterstellten Herrschaftsmacht Adressat der Umqualifizierung ist, scheidet für Nichtgesellschafter aus. Für das Kleinbeteiligungsprivileg besteht konsequenterweise bei der Einbeziehung Dritter kein Bedarf. Die entscheidende Frage für die Einbeziehung Dritter lautete jedoch weiterhin, ob das geltende Eigenkapitalersatzrecht eine bloße Veranlassungshaftung ist oder mit der herrschenden Meinung zur Einbeziehung des atypischen stillen Gesellschafters zusätzlich daran geknüpft ist, dass der Dritte auch am Vermögen und Ertrag beteiligt ist. Hierbei zeigte sich, dass die herrschende Meinung zumindest de lege lata überzeugt. Das geltende Eigenkapitalersatzrecht begründet gemäß § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG eine Pflicht zu konsistentem Finanzierungsverhalten und bedeutet als bloßes Abzugsverbot eine rechtssicher handhabbare Kompromisslösung innerhalb des unlösbaren Problems der materiellen Unterkapitalisierung. Hieraus folgt, dass nur derjenige, der bereits aufgrund einer anderweitig begründeten Verlusttragungspflicht am vorrangigen Verlustrisiko partizipiert, gehalten ist, in der Krise lediglich weiteres Eigenkapital beizusteuern. Sanktioniert wird allein die bei den gesplitteten Einlagen typischerweise vorliegende Vereinigung von Eigen- und Fremdfinanzierung in der Person des Einflussnehmenden Kapitalgebers, nicht hingegen die inkompatible Doppelrolle eines einflussnehmenden Fremdkapitalgebers als (Insolvenz-) Gläubiger. Dieses beschränkte Regelungsanliegen de lege lata lässt sich auch ökonomisch rechtfertigen, weil der einzelner Kapitalgeber im Hinblick auf die ihm zustehende bzw. konkret ausgeübte Herrschaftsmacht nicht zwei einander widersprechenden Risikoanreizen ausgesetzt sein kann. Der beschränkte Regelungsbereich des geltenden Eigenkapitalersetzrechts schließt so mit der herrschenden Meinung de lega lata aus, die Umqualifizierung von Fremdfinanzierungen allein an die Einflussnahme des Kapitalgebers zu knüpfen, soweit diese nicht bereits einen Finanzierungsbeitrag in Form von Eigenkapital geleistet hat.

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IV. Die künftige Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen wegen widersprüchlichen Gläubigerverhaltens Durch das neu konzipierte Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 EInsO vollzieht sich indessen ein grundlegender Wechsel bei der materiellen Legitimation der Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen. Indem künftig alle Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen allein in der Insolvenz subordiniert werden, lässt sich dem Recht der Gesellschafterdarlehen kein an die Gesellschafter gerichtetes materiell-rechtliches Gebot mehr entnehmen, „ihre“ Gesellschaft in der Krise mit Eigenkapital zu finanzieren. Der bisher bestehende Zusammenhang zwischen Eigenkapitalersatz und materieller Unterkapitalisierung wird aufgegeben. Die Fremdfinanzierung von Unternehmen ist außerhalb der Insolvenz legitim. Sanktioniert wird fortan nicht mehr die inkompatible Vereinigung zweier, hinsichtlich der Anreize für die Ausübung von Herrschaft einander widersprechender Finanzierungsarten in einer Person, sondern allein die wegen der im Vorfeld der Insolvenz erfolgenden Einflussnahme inkompatible Rolle einer Person als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO. Die tragende Legitimation für diese Missbilligung findet sich bereits in der Missbrauchsrechtsprechung des RG aus dem Jahr 1938, wonach niemand sein eigener Gläubiger sein darf. Ziel der Subordination ist allein die Verhinderung einer Quotenschmälerung der Insolvenzgläubiger. Hieraus folgt einmal, dass diese insolvenzrechtliche Regel gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 lit. f EuInsVO auch auf Auslandsgesellschaften Anwendung findet. Zum anderen wird deutlich, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen die bereits nach materiellem Recht für die Regeltypen der Fremdfinanzierung bestehende Risikozuweisung nach Herrschaftsbereichen verwirklicht. Die Befriedigungsfunktion gemäß § 1 InsO zielt wie § 490 Abs. 1 BGB darauf, die Interessen derjenigen zu befriedigen, die bisher keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Steuerung des Insolvenzrisikos hatten. Die Befriedigung der finanziellen Interessen derjenigen, die dieses Risiko steuern konnten, wird gemäß § 199 S. 2 InsO nicht bezweckt. Vielmehr wird deren Herrschaftsmacht mit Insolvenzeröffnung eingeschränkt. Übertragen auf die Fremdkapitalgeber bedeutet dies, dass nur diejenigen als Insolvenzgläubiger ihre Forderungen geltend machen können, die im Vorfeld der Insolvenz keinen Einfluss auf die Unternehmensleitung genommen haben. Haben sie im Vorfeld Einfluss genommen, sind sie Adressaten von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO. V. Die inkompatible Rolle der konkret einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als Konsequenz Die eine Subordination herbeiführende Einflussnahme ist wie bereits de lege lata nicht allein dadurch zu verwirklichen, dass der Dritte die an sich einem

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Gesellschafter zustehenden Mitgliedschaftsrechte ausübt. Die Einflussnahme kann wie bei §§ 117, 317 AktG und § 32 a Abs. 3 S. 2 GmbHG durch jede faktische oder auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgende Einflussnahme auf die Unternehmensleitung erfolgen, mithin auf die laufende Geschäftsführung und Grundlagenentscheidungen. Auf eine Teilhabe des Dritten am Verlust und Ertrag kommt es hingegen nicht mehr an. Die Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen und die hierdurch weitergehend mögliche Einbeziehung Dritter allein wegen ihrer Einflussnahme auf die Unternehmensleitung verwirklicht insolvenzbezogen die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals. Gegen diese Interpretation von § 39 E-InsO spricht nicht, dass zwischen Gesellschaftern und Dritten Interessendivergenzen bestehen, die eine analoge Anwendung auszuschließen vermögen. Eine solche Interessendivergenz besteht bereits nicht, weil die Einflussnehmenden Gesellschafter und Dritte gleichermaßen ein Interesse haben, ihren Einfluss auf die Unternehmensleitung mit dem Ziel der Sicherung des investierten Kapitals und der erwarteten Rendite auszuüben. Auch ein vielfach gefordertes Bankenprivileg lässt sich nicht begründen. Die befürchtete Gefährdung der reibungslosen Kreditversorgung wird durch die hier vorgeschlagene Einbeziehung Dritter nicht realisiert. Die Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion wirkt zu Gunsten der non-adjusting creditors, indem hiervon positive Anreize für deren Beteiligung an Unternehmensfinanzierungen ausgehen. Hiervon profitieren auch die potentiell Betroffenen adjusting creditors, weil die aus der Ingangsetzungsfunktion resultierende Erleichterung bei der Aufnahme von Fremdkapital den betriebswirtschaftlichen Prozessablauf fördert und damit die Einzahlungsüberschüsse zur Befriedigung ihrer Forderungen erwirtschaftet werden. Auch ökonomisch ist die Subordination der Finanzierungsbeiträge gerechtfertigt, weil allein die vorrangige Verlusttragung die Richtigkeitsgewähr bietet, dass die non-adjusting creditors darauf vertrauen dürfen, dass ihre Interessen bei der Einflussnahme angemessen mitberücksichtigt werden. Eine bloße Verschärfung des Anfechtungsrechts ohne Subordination wäre hierfür nicht ausreichend. VI. Rechtsvergleichende Aspekte Bestätigung findet das hier vorgeschlagene Konzept zumindest rechtsfolgenseitig auch rechtsvergleichend. Tatbestandlich bietet es insofern einen Vorteil gegenüber den ausländischen Lösungen, als die Subordination an die bloße Einflussnahme geknüpft ist, mithin die gerichtliche Prüfung entbehrlich ist, ob diese rechtmäßig ist oder nicht. Dies bringt zum einen Rechtssicherheit. Die hiermit einhergehende Ausweitung der Umqualifizierung gegenüber den restriktiven Ansätzen im englischen und US-amerikanischen Recht wird dadurch aufgewogen, dass die potentiell Betroffenen ein gesetzlich anerkannte Sanierungsprivileg genießen und zumindest im Regelfall nicht befürchten müssen,

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wegen der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen einer ggf. weitergehenden Schadensersatzhaftung wegen sorgfaltswidriger faktischer Geschäftsführung zu unterliegen. VII. Tatbestand und Rechtsfolgen einer Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen Dritter Bei der Präzisierung der tatbestandlichen Anforderungen an eine die Subordination herbeiführende Einflussnahme durch Fremdkapitalgeber, zeigte sich zunächst, dass ein Auftreten nach außen nicht erforderlich ist. Kommt es hierzu, zum Beispiel, weil der Dritte bei Sanierungsverhandlungen mit andern Gläubigern das Unternehmen „mit vertritt“, folgt hieraus jedoch eine widerlegliche tatsächliche Vermutung, dass der Dritte auf die Unternehmensleitung einen maßgeblichen Einfluss ausübt. Zudem kann unter dem Aspekt der (konkreten) Vertrauenshaftung gemäß § 311 Abs. 3 BGB eine Schadensersatzhaftung gegenüber anderen entstehen, wenn der Betreffende falsche Angaben macht. Weiterhin zeigte sich, dass die Covenant-unterlegte Unternehmensfinanzierung von vornherein nur unter dem Aspekt der „guidance“ eine schädliche Einflussnahme begründen kann, mithin wenn der Fremdkapitalgeber auf die Unternehmensleitung Einfluss nimmt. Der Aspekt der „warning“, also die Einholung besonderer Information und die Überwachung der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung, ist hingegen unschädlich und kann allenfalls eine verschärfte allgemeine Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129–133, 138 InsO begründen, ohne die Subordination des Finanzierungsbeitrags herbeizuführen. Weiterhin ergab sich, dass wie bereits de lege lata die Unternehmensleitung Gegenstand der Einflussnahme ist, mithin sowohl die laufende Geschäftsführung wie auch die Grundlagenentscheidungen und Strukturänderungen. 1. Integration in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess Die erforderliche Intensität der Einflussnahme ist jedenfalls nicht so hoch anzusetzen, dass man wie die Rechtsprechung zu § 826 BGB fordert, der Fremdkapitalgeber müsse das finanzierte Unternehmen zum bloßen Strohmann erniedrigen. Andererseits ergab sich, dass die Schwelle nicht so niedrig sein darf, dass bereits jede Einflussnahme als Aufweichung der dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden Risikoverteilung nach Herrschaftsbereichen ausreicht. Ansonsten würden die Dritten schlechter gestellt als die kleinbeteiligten Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 5 E-InsO. Auch diese haben Einfluss auf die Unternehmensleitung, werden von der erzwungenen Subordination jedoch freigestellt, sofern sie nicht über ihre mitgliedschaftlichen Befugnisse hinaus „geschäftsführender Gesellschafter“ sind. Maßgeblich ist somit, ob der betreffende Fremdkapitalgeber aufgrund einer wertenden Betrachtung eine nicht nur untergeordnete Rolle

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im unternehmensinternen Willensbildungsprozess inne hat. Eine Alleinentscheidungskompetenz ist hingegen nicht erforderlich. Die Präzisierung der Anforderungen an die wertende Betrachtung erfolgt auf der Grundlage des differenzierten typologischen Rollenbilds der Kapitalgeber nach der Finanzierungstheorie. Zu fragen ist, ob die Einflussnahme ausreicht, den betreffenden Fremdkapitalgeber dem Lager der Entscheidungsträger zuzurechnen, auf deren sachgerechte Entscheidungen die non-adjusting creditors vertrauen dürfen. Ist dies der Fall, ist eine Einbeziehung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO geboten. Ergibt die wertende Betrachtung, dass der betreffende Fremdkapitalgeber selbst auf die sachgerechte Entscheidung durch andere vertraut, wird sein finanzielles Interesse durch die Befriedigungsfunktion gemäß § 1 InsO verwirklicht mit der Folge, dass er seine Rückzahlungsansprüche als Insolvenzgläubiger geltend machen darf. 2. Unmittelbare Einflussnahme Die Parameter einer wertenden Betrachtung des konkreten Einzelfalls lassen sich nach einer unmittelbaren und mittelbaren Einflussnahme differenzieren. Nimmt der Fremdkapitalgeber unmittelbar Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen, spielt es für eine Umqualifizierung keine Rolle, ob diese Einflussnahme nach den betreffenden gesellschaftsrechtlichen Regeln (Grundsatz der Satzungsstrenge und Verbandssouveränität) zulässig ist oder nicht. Auch über Stimmbindungsverträge kann eine die Subordination nach sich ziehende unmittelbare Einflussnahme begründet werden. Hierbei ist entgegen Teilen der Literatur auch nicht danach zu differenzieren, ob sich die Beschlussgegenstände „lediglich“ auf laufende Geschäftsführungsangelegenheiten beziehen oder auf Strukturänderungen und Grundlagenentscheidungen. Ist der Fremdkapitalgeber Mitglied in einem Organ oder Beirat, führt dies für sich genommen nicht zu einer Umqualifizierung seines Finanzierungsbeitrags in der Insolvenz. Erforderlich ist vielmehr wie beim Merkmal „geschäftsführender Gesellschafter“, dass der Dritte innerhalb dieses Organs eine Stellung inne hat, die es ihm ermöglicht, seine Vorstellungen bei der kollektiven Willensbildung durchzusetzen. Dies ist bei der Innehabung der Mehrheitsmacht oder entsprechender Vetorechte regelmäßig zu bejahen. Auch die bloße Beratung kann – im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH in der Pfandgläubigerentscheidung – als subtile Form der Beeinflussung eine schädliche Einflussnahme begründen, sofern sie nicht nur im Einzelfall erfolgt. Aufsichtratsmandate sind für sich genommen nicht ausreichend, eine Umqualifizierung zu begründen. Erforderlich ist auch hier, dass der Dritte innerhalb dieses Organs eine Stellung inne hat, die es ihm ermöglicht, seine Vorstellungen bei der kollektiven Willensbildung durchzusetzen. Wie bei den Doppelmandaten im Konzernrecht spricht hierfür eine tatsächliche Vermutung. Diese wird jedoch widerlegt, wenn das Aufsichtsratemit-

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glied zwar dem Fremdkapitalgeber zurechenbar ist, aufgrund sog. Chinese Walls aber gewährleistet wird, dass es seine im Unternehmensinteresse wahrzunehmenden Organbefugnisse unabhängig ausübt. Auch eine unmittelbare Einflussnahme auf die eigenverantwortliche Schuldenregulierung kann eine Umqualifizierung begründen. Hierbei kommt es entgegen Teilen der Literatur nicht darauf an, ob das finanzierte Unternehmen bereits Kreditlinien überschritten hat oder nicht. 3. Mittelbare Einflussnahme Bei der mittelbaren Einflussnahme verpflichtet der Fremdkapitalgeber das finanzierte Unternehmen über Covenants zu einem bestimmten Verhalten. Auch dies kann eine Umqualifizierung nach sich ziehen, soweit das Unternehmen nicht mehr eigenverantwortlich handelt, sondern wegen des drohenden Breach of Covenants an die „kurze Leine“ genommen wird. Regelmäßig unschädlich sind zumindest im Ausgangspunkt die affirmativen Covenants, die das Unternehmen lediglich zur Einhaltung zwingender Vorschriften verpflichten, insbesondere im Straf- und Umweltrecht. Etwas anderes gilt jedoch für die Crossdefault-Klausel, mit der das Unternehmen zur Erfüllung aller eingegangenen Verbindlichkeiten verpflichtet wird. Die Entscheidung, welche Verbindlichkeiten erfüllt werden und welche – ggf. unter Rückgriff auf einen ökonomisch sinnvollen Vertragsbruch – nicht, ist Bestandteil der Unternehmensleitung. Nimmt der Fremdkapitalgeber hierauf Einfluss, ist er dem Lager der Entscheidungsträger zuzurechnen. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Cross DefaultKlausel letztlich allen non-adjusting creditors nützt. Die negativen Covenants, die die Kündigung des Kreditvertrages oder das Verlangen nach Nachverhandlungen oder Nachbesicherung dadurch absichern, dass das finanzierte Unternehmen bestimmte Handlungen generell oder ohne Zustimmung zu unterlassen hat, sind regelmäßig beachtliche Parameter, um im Rahmen einer wertenden Betrachtung die Integration des Fremdkapitalgebers in den unternehmensinternen Entscheidungsprozess zu bejahen. Auch die Financial Covenants können beachtliche Aspekte sein, um im Rahmen einer wertenden Betrachtung den betreffenden Fremdkapitalgeber dem Lager derjenigen Kapitalgeber zuzurechnen, auf deren verantwortungsbewusste unternehmerische Entscheidungen die non-adjusting creditors bei typisierter Betrachtung vertrauen. Dies gilt insbesondere für die sog. Kapitalstrukturauflagen, wenn der Fremdkapitalgeber bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen festlegt, die vom finanzierten Unternehmen zu erreichen oder einzuhalten sind, wie zum Beispiel die Eigenkapitalausstattung, die Verschuldung, den Ertrag oder die Liquidität. Eine Beschränkung der Dividendenausschüttung an die Gesellschafter (dividend restrictions) ist hingegen unschädlich, weil hierüber allein das den vom Schutz-

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zweck der Subordinierung erfassten Insolvenzgläubigern zur Verfügung stehende Vermögen des Unternehmens vergrößert wird. Bei der Einflussnahme auf Personalentscheidungen ist zu differenzieren: Die vielfach anzutreffende affirmative Klausel, dass das Unternehmen ein „erfahrenes Management“ sicherstellen muss, ist unschädlich. Macht der Fremdkapitalgeber die Kreditkündigung von einer Auswechselung des Managements abhängig, liegt nur dann eine schädliche Einflussnahme vor, wenn der Druck dazu dient, eine unternehmerische Strategie des Fremdkapitalgebers durchzusetzen, mithin ein folgsames Management bestellt werden soll. Bei den Change-of-management-Klauseln gilt dies ebenso. Drängt der Fremdkapitalgeber hingegen auf eine Auswechselung, weil er auf die eigenverantwortliche Unternehmensleitung durch das bisherige Management nicht mehr vertraut, liegt keine die Subordination herbeiführende Einflussnahme vor. Dieselbe Differenzierung gilt für den Fall, dass der Fremdkapitalgeber auf den Einsatz externer, ihm nicht bereits zurechenbarer Berater drängt. 4. Subordination, Insolvenzanfechtung, Vorwirkungen Die Rechtsfolgen der Einbeziehung Dritter in das Recht der Gesellschafterdarlehen richten sich ohne Besonderheiten nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO, 135 EInsO, § 6 E-AnfG. Im Vorfeld der Insolvenz erweitert die drohende Subordination auch die Einschränkung eines vorzeitigen Kapitalabzugs. Während diese Einschränkungen mangels materiell-rechtlicher Umqualifizierung des Fremdkapitals in Eigenkapital dann keine Wirkung entfalten, wenn der betreffende Fremdkapitalgeber hierdurch Einbußen bei der Befriedigung als Insolvenzgläubiger zu befürchten hätte, greift dieser Einwand nicht durch, wenn der Betreffende im Insolvenzverfahren Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO wäre. In der insolvenznahen Unternehmenskrise, in der der vorzeitige Mittelabzug gemäß § 490 Abs. 1 BGB bzw. § 723 BGB wegen Verschlechterung des an sich bestehenden Rückerstattungsanspruchs bzw. Auseinandersetzungsguthabens regelmäßig relevant wird, muss daher die Stellung des betreffenden Gläubigers im – hypothetisch – eröffneten Insolvenzverfahren vorweggenommen werden. Liegen die Voraussetzungen vor, nach denen es einem Fremdkapitalgeber im Vorfeld der Insolvenz verwehrt ist, sein Lösungsinteresse zu verwirklichen und wäre der Betreffende im eröffneten Verfahren Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO, führt dies dazu, dass die dilatorischen Einschränkungen nicht deswegen ausscheiden, weil er Einbußen als Insolvenzgläubiger zu befürchten hätte. Eine uneingeschränkte Verwirklichung des Lösungsinteresses wäre nur dann gerechtfertigt, wenn er durch die weitere Kapitalbelassung Einschränkungen bei der Befriedigung als nachrangiger Gläubiger gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu befürchten hätte. Im Regelfall führt die sich abzeichnende Umqualifizierung in der Insolvenz daher dazu, die gewünschten Sanierungsbeiträge zumindest be-

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züglich der einflussnehmenden Fremdkapitalgeber zu erzwingen: Derjenige, der sich an der Unternehmensleitung beteiligt, muss seinen Finanzierungsbeitrag auch im Vorfeld der Insolvenz im Unternehmen belassen. Widersetzt er sich – im Regelfall aufgrund einvernehmlichen Handelns mit dem Unternehmen – hiergegen, vermag die Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Nr. 2 E-InsO dies zu korrigieren. Das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen führt somit zwar keine materiell-rechtliche Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen im Vorfeld der Insolvenz mehr herbei. Die aus der Stellung als nachrangiger Insolvenzgläubiger resultierenden Vorwirkungen auf die mit der ProtestatioFormel auch im Vorfeld der Insolvenz bestehende Sanktionierung widersprüchlichen Finanzierungsverhaltens begründet aber ein vergleichbares Ergebnis. VIII. Sanierungsprivileg Der vielfach geäußerten Kritik an der Subordination von Finanzierungsbeiträgen wegen Einflussnahme unter dem Aspekt der Sanierungsfeindlichkeit kann durch die analoge Anwendung des Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO begegnet werden. Dieses greift ohne weiteres ein, wenn der bisherige Fremdkapitalgeber sich bisher einer die Umqualifizierung nach sich ziehenden Einflussnahme enthalten hat bzw. das Unternehmen lediglich überwachte und in der Krise erstmalig Einfluss nimmt und Geschäftsanteile übernimmt. Liegen die vom BGH zutreffend präzisierten objektiven und subjektiven Anforderungen an die Sanierungsfähigkeit und den Sanierungswillen vor, werden die bisherigen und neugewährten Finanzierungsbeiträge selbst bei Scheitern der Sanierung nicht gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO subordiniert. Das Sanierungsprivileg gilt jedoch nicht, wenn im Zeitpunkt der Insolvenzreife (drohende Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) bereits die Voraussetzungen für die Einbeziehung des Dritten in das Recht der Gesellschafterdarlehen vorliegen. Die funktionale Betrachtung des Kapitalgebers setzt sich auch bei den Voraussetzungen für das Sanierungsprivileg fort. Ein Nichtgesellschafter, der im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit erstmalig einen an sich die Subordination herbeiführenden Einfluss auf das Unternehmen ausübt, hat daher für seine zuvor und nachträglich geleisteten Finanzierungsleistungen keine Subordination zu befürchten, wenn die vom BGH präzisierten Anforderungen an die Sanierungsfähigkeit und den Sanierungswillen vorliegen. Dies gilt sogar dann, wenn er im Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit keine neueren Kredite gewährt, sondern den erstmaligen Einfluss dazu benutzt, um sein in der bisherigen Finanzierung angesiedeltes finanzielles Interesse zu verwirklichen. Das Sanierungsprivileg setzt weder einen Sanierungsbeitrag in Form einer weiteren Kapitalgewährung voraus noch den Erwerb einer förmlichen Gesellschafterstellung. Ein Dritter kann damit ohne jemals einen Geschäftsanteil halten oder

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erwerben zu müssen sowohl Adressat der Subordination gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO sein als auch Adressat das diese Umqualifizierung ausschließenden Sanierungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4 S. 2 E-InsO. IX. Widersprüchliches Finanzierungsverhalten bei gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen Schließlich zeigte sich, dass das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen nicht nur ein adressatenübergreifender Ansatz ist, widersprüchliches Finanzierungsverhalten zu sanktionieren, sondern als rechtsformübergreifende Finanzierungsregel auch auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften und Einzelunternehmen Anwendung findet. Der Wortlaut von § 39 Abs. 4 S. 1 EInsO ist insofern rechtsfortbildend zu korrigieren. Dies war nach dem geltenden Eigenkapitalersatzrecht nicht möglich. Die de lege lata erfolgende Umqualifizierung von Finanzierungsbeiträgen in QuasiEigenkapital ist durch den Verstoß gegen ein materiell-rechtliches Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten legitimiert und damit als Teilaspekt des Problems der materiellen Unterkapitalisierung Bestandteil der Finanzverfassung von Kapitalgesellschaften und nicht-gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften. Selbst wenn man das gesetzgeberische Konzept, dass das Vorhandensein einer unbeschränkt persönlich haftenden natürlichen Person die Geltung des Eigenkapitalersatzrechts ausschließt, kritisiert, scheidet die Übertragung auf die gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften bereits deswegen aus, weil es bei diesen Gesellschaftsformen überhaupt keine Pflicht zur Eigenfinanzierung gibt. Die rechtsfortbildend begründete Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts darf nicht dazu führen, dass gleichsam durch die Hintertür eine Vermischung der insofern verschiedenen Gesellschaftsformen erfolgt. Da das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen allein widersprüchliches Gläubigerverhalten in der Insolvenz sanktioniert und das materiell-rechtliche Gebot zu konsistentem Finanzierungsverhalten aufgegeben wurde, besteht dieses Übertragungshindernis nicht mehr. Eine Rechtsfortbildung wäre daher zulässig, soweit das gesetzgeberische Konzept des § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO Schutzlücken aufweist. Hierbei zeigte sich zum einen, dass die beschränkte Anwendung des Rechts der Gesellschafterdarlehen jedenfalls nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass den Gläubigern bei den hiervon erfassten Gesellschaften nur eine „beschränkte“ Vermögensmasse haftet. Auch der persönlichen Haftung einer natürlichen Person liegt eine beschränkte Vermögensmasse zu Grunde, die nicht in jedem Fall größer ist als das Vermögen einer juristischen Person. Zudem konkurrieren mit den Unternehmensgläubigern auch die Privatgläubiger des Haftenden. Da das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen ohnehin nur eingreift, wenn das Vermögen der natürlichen Person nicht ausreicht, um alle Insolvenzgläubiger zu befriedigen, erweist sich der durch die persön-

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liche Haftung verwirklichte Gläubigerschutz notwendigerweise als unzureichend. Auch die einflussnehmenden Gläubiger erkennen dies an, indem sie selbst nicht auf die Werthaltigkeit der persönlichen Haftung vertrauen, sondern die für eine Subordination tatbestandsmäßige Einflussnahme zur Sicherung ihrer finanziellen Interessen einsetzen. Zum anderen wurde herausgearbeitet, dass die hinter dem begrenzten Anwendungsbereich des Rechts der Gesellschafterdarlehen stehende Verhaltenserwartung des Gesetzgebers, dass eine persönlich haftende natürliche Person auf verantwortungsbewusste unternehmerische Entscheidungen hinwirkt und die Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals damit nicht noch weiter verwirklicht werden muss, gestört sein kann. Wenn – wie bei der Einbeziehung Dritter notwendigerweise – Einfluss auf die Unternehmensleitung genommen wird, läuft diese Verhaltenserwartung leer. Der einflussnehmende Fremdkapitalgeber handelt wie im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO „mit beschränkter Haftung“, so dass die hieraus resultierenden Gefahren für die non-adjusting creditors dieselben sind. Ist daher ein Fremdkapitalgeber auch bei den gesetzestypischen Personengesellschaften und bei Einzelunternehmen aufgrund seiner Einflussnahme bei wertender Betrachtung in den unternehmensinternen Willensbildungsprozess integriert, kann er in der Insolvenz nicht sein eigener Insolvenzgläubiger sein. Für die Einflussnahme auf in Deutschland tätige Auslandspersonengesellschaften und Einzelunternehmen gilt dies gleichermaßen. Dass diese über den Wortlaut von § 39 Abs. 4 S. 1 E-InsO hinausgehende Ausweitung der Subordination von Fremdfinanzierungen im Ergebnis keine nicht hinnehmbare Belastung der Finanzierungspraxis ist, folgt mittelbar aus der von der herrschenden Meinung nach wie vor akzeptierten, jedoch kaum begründbaren Figur des „materiellen Eigenkapitals“. Hiernach wird auch bei gesetzestypischen Personenhandelsgesellschaften eine Fremdfinanzierung auf Grund der Einflussnahme in Eigenkapital umqualifiziert. Für diese Rechtsfortbildung fehlt indessen anders als für das hier vertretene Konzept eine verallgemeinerungsfähige gesetzliche Grundlage. Der von der Rechtsprechung als Legitimation des „materiellen Eigenkapitals“ herangezogene Satz, es sei eine unserer Rechtsordnung innewohnende Selbstverständlichkeit, dass niemand sein eigener Gläubiger sein könne, findet sich allein in § 39 Abs. 1 Nr. 5 E-InsO. Das künftige Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 EInsO ist so als allgemeine Finanzierungsregel eine Grundlage, welche das aus der Finanzierungstheorie stammende differenzierte Rollenbild der Kapitalgeber einer funktionalen Betrachtung zugänglich macht. Hierdurch wird die Treuhänderstellung der einflussnehmenden adjusting creditors zu Gunsten der non-adjusting creditors auch rechtlich gewährleistet und die Einflussnahme als legitime Verwirklichung finanzieller Eigeninteressen gebilligt. Solange der Gesetzgeber daher dieses marktorientierte Konzept beibehält und den Versuchen

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Sechster Teil: Zusammenfassung

widersteht, den Gläubigerschutz bei unternehmerischem Handeln mit beschränkter oder ohne jegliche Haftung auf schadensersatzrechtliche Lösungen zu stellen, ist hierin auch eine verallgemeinerungsfähige Grundlage zur rechtlichen Erfassung des Fremdeinflusses auf Unternehmen im Rahmen der ökonomisch gewünschten externen Corporate Governance zu sehen.

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Stichwortverzeichnis Abberufung eines Organs 134 Adjusting Creditors 84, 130 – Treuhänderstellung 284 ff. Adverse Selektion 53 Affirmative Covenants 40 AGB-Kontrolle 127 ff. Akkordstörerentscheidung 188 Akkordstörerproblem 185 ff. Akquisitionsfinanzierung 36 f. Anfechtung, siehe Insolvenzanfechtung Angemessenheitskontrolle 127 ff. Asset backed Securities 22 Asymmetrische Information 51 ff., 64 ff. Atypische Sicherheit 32, 63 Aufsichtsratsmandate 543 Auslandsgesellschaft 112 Außenwirkung 524 Außergerichtliche Sanierung, siehe stille Sanierung Aussaugung 99 Balance Sheet Test 66 Bankenprivileg 496 ff. Basel II 21, 33 Beherrschung, konzernrechtliche 350 ff. Beherrschungsvertrag 351 Breach of Covenants 44 ff., 72, 546 Brückenfinanzierung 30 f. Business Judgement Rule 82 Buy-out-Finanzierung 29 ff., 36 f. Cash flow related Lending 23, 63 – Projektfinanzierung 35 Change-of-Control-Klausel 41, 550 Compliance Certificate 44 Covenants 32 ff. – Arten 40 ff. – Breach of Covenants 44 ff. – Vorteile 48 ff., 64 ff. Cross-Default-Klausel 40, 545 f. Debt-Equity-Swap 26, 31, 56, 119 Deep-Pocket-Doktrin 107, 109

Deep-Rock-Doktrin 516 ff. Drittinteressen 130, 305 Eigenkapitalersatzrecht – Einbeziehung Dritter 453 ff. Einlagenrückgewähr – Einbeziehung Dritter 416 ff. Einzelunternehmen 75, 365, 567 Equitable Subordination 120, 516 ff. Equity Kicker 27 ff., 62 Ewige Anleihe 26 Existenzvernichtungshaftung 111 Faktische Beherrschung 350 ff. Faktisches Organ 356 ff. Financial Covenants 43 ff., 547 Finanzplankredit 585 Finanzierungsregeln 57 Finanzierungsverantwortung 150 ff., 321 ff., 375 ff. Finanzierungsfolgenverantwortung 438, 454 – Dritter 453 Finanzinvestoren 82 Fremdeinfluss 133 ff. Fremdorgan 76 Frühwarnsysteme 63 Gefangenendilemma 175 ff. Genussschein 29 Geschäftsführender Gesellschafter 449 Geschäftsführer, faktischer 356 ff., 510 ff. Gesellschafterfremdfinanzierung 428 ff. GmbH & Co. 450 Girmes-Entscheidung 189 Gläubigergefährdung 99 Gläubigerschutz 39 Grundlagenentscheidungen 527 Guidance 32 ff., 63, 526 Hedgefonds 23, 32, 46, 81, 107 Hidden Action 52, 61, 67 High Yield Anleihe 34

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Stichwortverzeichnis

Hypothetischer Vertrag 187, 193 ff., 274 Illiquidität 215 ff. Incurrance Test 44 Informationsassymetrie 51 ff., 63 Ingangsetzungsfunktion – durch Subordination 451, 490 – Gegenstrategie des Kreditnehmers 55 ff. – gesetzliche Haftung und Kapitalbindung 308 ff. – Leverage-Effekt 144 ff. – widersprüchliches Finanzierungsverhalten 301 ff. Ingerenz 396 Insiderstellung 483 Insolvenzgründe 201 ff. Insolvenzanfechtung 124, 165 ff., 551 Insolvenzantrag 209 ff. Insolvenzantragspflicht 368 Insolvenzvermeidung 170, 385 Insolvenzverschleppung 99, 122 Interessenkonflikte 81 ff., 172 ff., 266, 410 Insolvenzrisiko 494, 532 Instrumentality 119

Leveraged Finance 23, 62 f. Leveraged Buy-Out 36 Maintenance Test 44 Makeltheorie 110 Marktauslese 200 ff. Marktwert der Finanzierung 22 Massearme Insolvenz 167 Material-Adverse-Change-Klausel 41 Materielles Eigenkapital 118, 580 ff. Materielle Unterkapitalisierung 477 Mezzanine Finanzierung 27 ff. Milestone Payments 46 Missbrauch 484 Moral Hazard 52, 59 67 Nachbesicherung 45 Nachschusskapital 422 Negative Covenants 42 ff. Negativauslese 53 Negativklausel 42, 547 Nießbrauch 417 Non-adjusting Creditors 84, 130 – Selbstverantwortung 289 Nützlichkeit 180

Junkbond 32 Kapitalbindung 373 ff. Kaldor/Hicks-Kriterium 269 KBV-Urteil 105 Kleinbeteiligungsprivileg 534 ff. Knappheit des Schuldnervermögens 161, 197, 234 ff. Kollektivhandlungsrisiko 176 Kolpingwerk-Urteil 105 Kommanditist 463 Kooperationsgewinn 178 Kooperationspflichten 176 ff., 186 ff., 230 ff., 244 ff., 257 ff. Konsortialkredit 34 f. Konzernrechtliche Beherrschung 350 ff. Kreditbetrug 99 Kreditgeberhaftung 97 ff., 279 ff. Kreditkaskaden 279 ff. Kreditkündigung 45, 337 ff., 385 ff. Kreditrationierung 54 Kreditrisiko 21, 48 ff., 57 f. Kündigung zur Unzeit 387 Leistungswirtschaftliches Risiko 51 Lemon Market 53 Lender Control Liability 26, 119 Leverage-Effekt 144 ff., 307

Opportunistisches Verhalten 52, 67, 179 Organstellung 542 Ownership-Klausel 40 Pareto-Effizienz 266 ff. Pari-passu-Klausel 42 Personalentscheidungen 548 Personengesellschaft 75, 365, 450, 567 Pfandgläubiger – Einlagenrückgewähr 417 – Eigenkapitalersatzrecht 456 Pre-packaged Plan 165 Principal-Agent-Konflikt 50, 73, 80 ff., 163, 298, 326 Private Equity Fonds 23, 46, 81, 108 Prognoseproblem 50 ff. Projektfinanzierung 35 f. Protestatio-Regel 402 ff., 440, 452 Rangrücktritt 412 Rating 21 ff., 29 Recharacterization 523 Rechtsunsicherheit 87 ff. Rektor-Fall 313 Richtigkeitsgewähr 281, 303 Risikozuweisung 394 Rollenbild der Kapitalgeber 144, 536

Stichwortverzeichnis Sanierungsprivileg 553 ff. Selbstbetroffenheit 299, 309 ff., 330 f., 373 ff., 507 Selbstregulierung 373 ff. Self Selection 58 ff. Sanierung 31 f. – Insolvenzziel 206 ff. Sanierungsanreiz – Insolvenzanfechtung 166 – Nicht-Passivierung 506 Sanierungsberater 73 Sanierungskredit 37 Schuldverschreibungsgesetz 248 ff. Selbstwiderspruch 295 Sicherheiten – Versicherung des Kreditrisikos 61 ff. Sicherungsinteresse 125 Signaling Model 55 Sittenwidrigkeit 100 Solvency Test 66 Stakeholder 85 Stille Einlage 343 ff. Stille Sanierung 68 ff., 159 ff. Stille Geschäftsinhaberschaft 99, 116 Stiller Gesellschafter – Einlagenrückgewähr 417 ff. – Eigenkapitalersatz 467 ff. Stimmbindungsverträge 541 Strukturänderungen 527 Subordination 444, 550

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Syndicates Loans 34 ff. Treuepflicht 366 Trihotel-Urteil 105, 111 Typenzwang 87 ff. Überwachung 63 Überschuldung 232 ff. Umqualifizierung 438, 444, 476, 550 Unangemessene Benachteiligung 127 ff. Unternehmensbegriff 353 ff. Unternehmensleitung 527 Unternehmerische Freiheit 125 Veranlassungshaftung 472 Verbandssouveränität 135 Verlustbeteiligung 343 ff. Vermeidungsstrategien 128 Vertrauen 279 ff., 398 ff. Warning 32 ff., 63, 526 Widersprüchliches Finanzierungsverhalten 293 ff., 390 ff., 439 f., 481 ff., 574 ff. Workout 81 Zahlungsunfähigkeit 215 ff. Zins – Versicherung des Kreditrisikos 60 ff. Zweckförderungspflicht 190