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German Pages 151 [148] Year 1990
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 3
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 3
HERAUSGEGEBEN VON LOTHAR GALL IN VERBINDUNG MIT PETER BLICKLE, ELISABETH FEHRENBACH,
JOHANNES FRIED, KLAUS HILDEBRAND, KARL HEINRICH KAUFHOLD, HORST MÖLLER, OTTO GERHARD OEXLE, KLAUS TENFELDE
GEWERBE
IN DER FRÜHEN NEUZEIT VON WILFRIED REININGHAUS
R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 1990
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Enzyklopädie deutscher Geschichte / hrsg. von Lothar Gall in München : Oldenbourg. Verbindung mit Peter Blickle ...
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ISBN 3-486-53691-5 NE: Gall, Lothar [Hrsg.]
Bd. 3. Reininghaus, Wilfried: Gewerbe in der frühen Neuzeit. 1990 Wilfried: Gewerbe in der frühen Neuzeit / München : Oldenbourg, 1990
Reininghaus,
von
(Enzyklopädie deutscher Geschichte
Reininghaus. -
; Bd.
ISBN 3-486-55401-8 brosch. ISBN 3-486-55411-5 Gewebe
© 1990 R. Oldenbourg
Wilfried
-
3)
Verlag, München
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und die Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Jede
Umschlaggestaltung: Gesamtherstellung:
Dieter
R.
Vollendorf, München
Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH,
ISBN 3-486-55411-5 geb. ISBN 3-486-55401-8 brosch.
München
Vorwort Die
„Enzyklopädie deutscher Geschichte" soll für die Benutzer
Fachhistoriker, Studenten, Geschichtslehrer, Vertreter benachbarter Disziplinen und interessierte Laien ein Arbeitsinstrument sein,
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mit dessen Hilfe sie sich rasch und zuverlässig über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse und der Forschung in den verschiedenen Bereichen der deutschen Geschichte informieren können. Geschichte wird dabei in einem umfassenden Sinne verstanden: Der Geschichte der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates in seinen inneren und äußeren Verhältnissen wird ebenso ein großes Gewicht beigemessen wie der Geschichte der Religion und der Kirche, der Kultur, der Lebenswelten und der Mentalitäten. Dieses umfassende Verständnis von Geschichte muß immer wieder Prozesse und Tendenzen einbeziehen, die säkularer Natur sind, nationale und einzelstaatliche Grenzen übergreifen. Ihm entspricht eine eher pragmatische Bestimmung des Begriffs „deutsche Geschichte". Sie orientiert sich sehr bewußt an der jeweiligen zeitgenössischen Auffassung und Definition des Begriffs und sucht ihn von daher zugleich von programmatischen Rückprojektionen zu entlasten, die seine Verwendung in den letzten anderthalb Jahrhunderten immer wieder begleiteten. Was damit an Einschärfen und Problemen, vor allem hinsichtlich des diachronen Vergleichs, verbunden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einer zeitübergreifenden Festlegung ergäben, die stets nur mehr oder weniger willkürlicher Art sein könnte. Das heißt freilich nicht, daß der Begriff „deutsche Geschichte" unreflektiert gebraucht werden kann. Eine der Aufgaben der einzelnen Bände ist es vielmehr, den Bereich der Darstellung auch geographisch jeweils genau zu bestimmen. Das Gesamtwerk wird am Ende rund hundert Bände umfassen. Sie folgen alle einem gleichen Gliederungsschema und sind mit Blick auf die Konzeption der Reihe und die Bedürfnisse des Benutzers in ihrem Umfang jeweils streng begrenzt. Das zwingt vor allem im darstellenden Teil, der den heutigen Stand unserer Kenntnisse auf knappstem Raum zusammenfaßt ihm schließen sich die Darlegung und Erörterung der Forschungssituation und eine entspre-
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VI
chend gegliederte Auswahlbibliographie an -, zu starker Konzentration und zur Beschränkung auf die zentralen Vorgänge und Entwicklungen. Besonderes Gewicht ist daneben, unter Betonung des systematischen Zusammenhangs, auf die Abstimmung der einzelnen Bände untereinander, in sachlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die übergreifenden Fragestellungen, gelegt worden. Aus dem Gesamtwerk lassen sich so auch immer einzelne, den jeweiligen Benutzer besonders interessierende Serien zusammenstellen. Ungeachtet dessen aber bildet jeder Band eine in sich abgeschlossene Einheit unter der persönlichen Verantwortung des Autors und in völliger Eigenständigkeit gegenüber den benachbarten und verwandten Bänden, auch was den Zeitpunkt des Erscheinens angeht.
-
Lothar Gall
Inhalt Vorwort des Verfassers.
1
Enzyklopädischer Überblick.
3
I
1. Das Gewerbe und seine Betriebsformen in der frühen
Neuzeit. 2. 3. 4.
Umfang und Struktur des Gewerbes. Rahmenbedingungen Die einzelnen Gewerbezweige. 4.1 Das Berg-und Hüttenwesen. 4.2 Die Produktion der Halbzeuge und die Weiterverarbeitung der Metalle. 4.3 Die Textilgewerbe 4.4 Die Bekleidungsgewerbe. 4.5 Die ledererzeugenden und -verarbeitenden .
.
Gewerbe. 4.6 4.7 4.8 4.9
Die Nahrungs- und Genußmittelgewerbe. Die holzverarbeitenden Gewerbe. Die Baugewerbe. Die papierherstellenden und -verarbeitenden
Gewerbe.
//
3 6 11
18 18
20 23 32 34 35 38 40
4.10 Die Verarbeitung der Steine und Erden. 4.11 Die chemischen Gewerbe. 4.12 Die Salinen.
42 43 45 46
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung.
49
1. Das städtische Handwerk in der frühen Neuzeit 1.1 Von der Zunftgeschichte zur interdisziplinären
49
....
Handwerksgeschichte
.
1.2 Neue Fragestellungen der Handwerksgeschichte 1.3 Probleme einer Wirtschaftsgeschichte des städtischen Handwerks. 1.4 Gesellen ein wiederentdeckter Schwerpunkt 1.5 Plädoyer für Forschungen zur frühneuzeitlichen
49
52
.
.
.
53 57
-
.
Zunft
;.
61
VIII
2. Das 2.1 2.2 2.3 2.4
Handwerk auf dem Lande. Ein spätes Thema der Forschung. Die Vielfalt des Landhandwerks. Landhandwerk im Streit der Landstände Bevölkerungsdruck und Ausweitung des .
Landhandwerks. 2.5 Die Zünfte der Landhandwerker. 2.6 Das Landhandwerk im Vergleich mit dem städtischen Handwerk. 2.7
3.
Quellen zum Landhandwerk. „Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
3.1 Das Interesse der Historischen Schule der Nationalökonomie ah der Hausindustrie 3.2 Regionale Studien zum Verlagswesen 3.3 Protoindustrie und Protoindustrialisierung Konzept in der Kritik
.
.
4. Manufakturen . 4.1 Marx und die Folgen. Zur Betriebsform Manu-
faktur. Ausgewählte Probleme
fakturen 5.
///
. .
.
Quellen und Literatur. A Quellen. B Literatur. 1. Gesamtdarstellungen 2. Gewerbegeschichte einzelner Regionen und .
.
3. Gewerbe-und 4.
72 74 75 75 81 91 91
der Geschichte der Manu-
Gewerbegeschichte oder Geschichte der Gewerbe?
Territorien
69 71
ein -
.
4.2
64 64 67 68
Handwerksgeschichte
einzelner Orte
.
.
Handwerksgeschichte.
4.1 Quellen-und Regestenwerke 4.2 Sammelwerke. 4.3 Allgemeine Handwerksgeschichte 4.4 Gesellen und Lehrlinge.
.
.
5. Verlag, ländliches Gewerbe, Protoindustrialisierung 6. Manufakturen . .
.
95 98
103 103 109 109 110 112 114 114
115 116 116 117 118
IX
7. Einzelne Gewerbezweige. 7.1 Berg-und Hüttenwesen 7.2 Die Produktion der Halbzeuge und die Weiterverarbeitung der Metalle. 7.3 Textil-und Bekleidungsgewerbe. 7.4 Ledererzeugende und-verarbeitende Gewerbe 7.5 Die Nahrungs-und Genußmittelherstellung 7.6 Holzverarbeitendes Gewerbe. 7.7 Die Baugewerbe. 7.8 Die papierherstellenden und -verarbeitenden .
.
.
.
...
Gewerbe.
7.9 Die Verarbeitung der Steine und Erden. 7.10 Die chemischen Gewerbe. 7.11 Die Salinen .
Ortsregister. Personenregister. Sachregister. Themen und Autoren
.
119 119 120 122 125 125 126 127 127 128 129 129 131 134 136 139
Vorwort des Verfassers Der vorliegende Band „Gewerbe in der frühen Neuzeit" stellt sich der Ambivalenz des Wortes „Gewerbe" im allgemeinen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Das Wort bezeichnet sowohl die Gesamtheit der nicht-landwirtschaftlichen Produktion als auch den einzelnen Gewerbezweig. Der „enzyklopädische Überblick" berücksichtigt dies. Darin werden in einem ersten Zugang das Gewerbe und die Kategorien zu seiner Erfassung behandelt: seine Betriebsformen, sein Umfang, seine Struktur und die Rahmenbedingungen. Hieran schließt sich eine Übersicht über die einzelnen Gewerbezweige an, gewichtet nach der quantitativen Bedeutung der einzelnen Teilbereiche. Häufig mußten dabei regionale und lokal ausgerichtete Forschungen gebündelt werden; nicht immer konnten abweichende Entwicklungen einzelner Räume berücksichtigt werden. Als allgemeine Problematik erwies sich, daß Untersuchungen mit regionalem Schwerpunkt und Spezialforschungen zur Geschichte einzelner Gewerbezweige auseinanderdriften. Im Abschnitt „Gewerbegeschichte oder Geschichte der Gewerbe?" wird am Ende des zweiten Teils erörtert, welche Konsequenzen sich daraus für die frühneuzeitliche Gewerbegeschichte ergeben. Die vorangehenden Abschnitte zu „Grundproblemen und Tendenzen der Forschung" sind gegliedert nach den Betriebsformen Handwerk, Verlag und Manufaktur. Der Bereich des Handwerks wurde aufgrund der jüngsten Entwicklung der Forschung nach Stadt und Land unterteilt. Alle Abschnitte gehen auf die Forschungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, denn entscheidende Fragen zur Gewerbegeschichte der Frühen Neuzeit sind schon von Schmoller, Sombart, Bücher und Marx gestellt worden. Ihre Thesen stellten Weichen für gegenwärtig noch aktuelle Diskussionen. Im dritten Teil wird die Gliederung des Gesamtwerks variiert. An die Stelle eines bibliographischen Nachweises der (wenigen) Quelleneditionen tritt der Umriß einer kritischen Quellenkunde zum Thema mit den Möglichkeiten und Grenzen einzelner Quellengruppen. Die Bibliographie erfaßt in Auswahl die dem Verfasser bis Ende 1988 bekanntgewordenen Titel. Die Masse der in landesgeschichtlichen Periodika veröffentlichten Beiträge zur Gewerbegeschichte einzelner Orte konnte dabei nicht berücksichtigt werden.
2
Vorwort des Verfassers
In die Darstellung sind das Gebiet des Deutschen Reichs in Grenzen von 1871, die deutschsprachige Schweiz und Österreich einbezogen worden. Statistische Aussagen zu Umfang und Struktur des Gewerbes in vorindustrieller Zeit sind nicht unproblematisch und beziehen sich deshalb allein auf das zuerst genannte Gebiet, das in den meisten Veröffentlichungen zur Statistik der Gewerbe um 1800 als „Deutschland" deklariert. In Abstimmung mit den Herausgebern und den Autoren der Bände „Frühkapitalismus und wirtschaftliche Entwicklung 1470-1620" (Franz Mathis) und „Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620-1800" (Rainer Gömmel) behandelt der vorliegende Band konjunkturelle Faktoren und die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates nicht als zentralen Gegenstand, sondern nur insoweit die Geschichte einzelner Gewerbe davon unmittelbar betroffen waren. Zu danken ist Herrn Prof. Dr. Karl Heinrich Kaufhold, dessen Rat die Entstehung dieses Bandes seit der Niederschrift einer ersten Konzeption begleitete, Herrn Prof. Dr. Lothar Gall sowie Herrn Dr. Adolf Dieckmann für die kritische Lektüre des Textes. Ohne die Hilfe, die dem Verfasser in den Archiven der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und der Schweiz gewährt wurde, und ohne die Anregungen mehrerer Tagungen zur Gewerbegeschichte, insbesondere der Internationalen Handwerksgeschichtlichen Symposien in Ungarn, hätte dieser Band nicht geschrieben werden können.
Schwerte, im September 1989
Wilfried
Reininghaus
I.
Enzyklopädischer Überblick
1. Das Gewerbe und seine Betriebsformen
in der frühen Neuzeit „Gewerbe" ist einer der Begriffe, die der systematischen Eintei-
der verschiedenen Bereiche ökonomischen Handelns dienen. In dieser Funktion wurde er schon von den Zeitgenossen im Der Begriff 18. Jahrhundert verwendet. Damals rivalisierte „Gewerbe" mit Gewerbe „Handwerk", „Kunst", „Manufakturen" und anderen Begriffen, deren Bedeutung allerdings nur selten klar voneinander abgegrenzt war. „Gewerbe" umfaßte damals noch Tätigkeiten des Handels ebenso wie die Warenproduktion. „Handel" und „Gewerbe" traten im Laufe des 19. Jahrunderts auseinander. Die Volkswirtschaftslehre bezeichnet seit etwa 1900 als „Gewerbe" die nicht naturgebundene Güterproduktion, die sie unterscheidet von Landwirtschaft, Jagd, Viehzucht und Fischerei sowie von Handel, Verkehr und Dienstleistungen. In den Begriff „Gewerbe" in diesem Sinne nicht mit einbezogen wird auch der wichtigste Bereich der nichtlandwirtschaftlichen Produktion von Rohstoffen, der Bergbau und das Salinenwesen. Dieser Ausschluß war und ist lebhaft umstritten. Erzfördernde Bergbaubetriebe waren nämlich in der Regel direkt mit der Aufbereitung bzw. Weiterverarbeitung der Rohstoffe zu Halbfabrikaten in Pochwerken, Hütten und Hämmern verbunden. Dabei entstanden ebenso marktgängige Produkte wie bei der Salzgewinnung in den Salinen. Für eine Geschichte der Gewerbe in der frühen Neuzeit empfiehlt es sich daher, das Berg-, Hütten- und Salinenwesen mit einzubeziehen und so den Begriff des Gewerbes weiter zu fassen. Als Gewerbe werden daher hier alle Tätigkeiten definiert, in denen durch Formveränderung von Roh- und Werkstoffen Waren für den Markt hergestellt werden. Gewerbliche Warenproduktion und der Absatz der erzeugten Produkte finden in Betrieben statt, deren spezifische Form sich darin unterscheidet, wie die Produktionsfaktoren miteinander kom- Die Betriebsformen biniert werden. Idealtypisch können die einzelnen Formen nach
lung
4
I
Enzyklopädischer Überblick
dem Eigentum der Produzenten an den Produktionsmitteln (Werkzeuge, Werk- und Rohstoffe) differenziert werden. Charakteristische Betriebsformen der Zeit vor 1800 waren (1.) das Heimgewerbe, (2.) das Handwerk, (3.) der Verlag, (4.) die Manufaktur. Das Heimgewerbe wurde nebenberuflich ausgeübt. Die so TätiHeimgewerbe gen stellten Waren für Abnehmer außerhalb ihres Hauses her. Darin unterschied sich ihre Tätigkeit von der Produktion für den Eigenbedarf. Meistens fiel die heimgewerbliche Arbeit in die Zeit, in der die Landwirtschaft ruhte. Verbreitet war das Heimgewerbe vor allem in den Textilgewerben, bei Spinnern und Webern. Hier bestanden allerdings fließende Übergänge zur Produktion für den eigenen Bedarf und zur Lieferung an Kaufieute innerhalb von dezentral organisierten größeren Betriebssystemen. Im Handwerk verfügte der Betriebsinhaber als Eigentümer über las Handwerk sein Werkzeug und die sonstigen Produktionsmittel. Er arbeitete in der Regel in kleinen Werkstätten, bei Bedarf mit Hilfskräften, Gesellen und Lehrlingen. Nach der Gestaltung des Absatzes handwerklicher Produkte werden Lohn- und Preiswerker unterschieden. Lohnwerker arbeiteten entweder im Hause des Kunden („auf der Stör") oder in eigener Werkstätte. Die Kunden lieferten die Roh-, z.T. auch Werkstoffe an die Lohnwerker. Preiswerker arbeiteten auf Bestellung oder auf Vorrat, für Wochen- und Jahrmärkte. Sie verfügten uneingeschränkt über Werkzeuge und Rohstoffe. Im Verlag büßten Handwerker (und Heimgewerbetreibende) Der Verlag ihre ökonomische Unabhängigkeit ein, blieben aber Eigentümer ihres Werkzeuges und arbeiteten in eigenen Werkstätten. Kaufleute oder andere Vermittler (Verleger) beschafften ihnen Rohstoffe und/ oder nahmen ihre Produkte ab. Es gab viele Mischformen. Im Kaufsystem stellten die Produzenten Waren auf eigene Rechnung her, verkauften sie jedoch an einen festumrissenen Kreis von Abnehmern, meistens an Kaufleute. Dabei konnten die Beziehungen zwischen Produzenten und Kaufleuten durch Verträge geregelt sein. Die Kostbarkeit von Rohstoffen und die Spezialisierung auf Waren, die jenseits eines noch von Handwerkern abzudeckenden Radius verkauft wurden, forcierten den Verlust der ökonomischen Unabhängigkeit der unmittelbaren Produzenten. Die Leitung der oft auf viele Einzelbetriebe verstreuten Produktion, die Lenkung der Warenströme lag in Händen der Verleger. e Manufaktur In der Manufaktur gehörten die Werk- und Rohstoffe sowie die kostbarsten Werkzeuge nicht mehr den Arbeitern. Vielmehr stellten sie ihre Arbeitskraft gegen Lohn dem Manufaktur-Unternehmer zur
5
1. Das Gewerbe und seine Betriebsformen
Verfügung. Arbeiter in Manufakturen unterschieden sich von selbständigen oder verlegten Handwerkern darin, daß sie Waren nicht von Anfang bis Ende fertigten. Der gesamte Fertigungsprozeß war arbeitsteilig-kooperativ in einzelne Schritte gegliedert. Manufakturen bildeten Betriebe mit in der Regel zehn und mehr Beschäftigten, die nach dem Standort der Produktion in dezentralisierte oder zentralisierte Manufakturen unterteilt werden. Dezentralisierte Manufakturen lagerten Teile der Produktion in die Werkstätten rechtlich selbständiger Gewerbetreibender aus, nur die wichtigsten Abschnitte der Produktion fanden in der Manufaktur statt. Zentralisierte Manufakturen konzentrierten den gesamten Fertigungsprozeß arbeitsteilig an einem Ort. Die Technik der Manufakturen beruhte auf Handarbeit, die von einfachen oder entwickelteren, oft von Wasser betriebenen Maschinen unterstützt und z.T. erheblich erleichtert wurde. Motorisierte, mit Dampfkraft angetriebene Werkzeugmaschinen, die die menschliche Arbeit ersetzten und nicht nur erleichterten, kamen in großer Zahl erst nach 1800 in Fabriken zum Einsatz. Der Übergang zur Fabrik gibt ein Kriterium, um vorindu- Die Fabrik strielle Zeit und Industriezeitalter voneinander abzugrenzen. Den Schlußzeitpunkt einer Gewerbegeschichte der frühen Neuzeit um 1800 anzusetzen, läßt sich also von der Sache her eindeutig begründen. Dagegen ist es problematisch, das mittelalterliche vom früh- Die Periodisierung Mhneuzeitneuzeitlichen Gewerbe eindeutig abzugrenzen. Denn den Fortschritliehen Gewerbeten im Berg- und Huttenwesen, die diesen Bereich im letzten Viertel geschiente des 15. Jahrhunderts merklich veränderten, steht geringer oder gar kein Wandel in anderen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft gegenüber. Eher schleichend als spektakulär setzten im Handwerk in Stadt und Land Veränderungen ein. Insbesondere der Aufstieg des Landhandwerks ist von den Quellen her zeitlich kaum exakt zu fassen. Das Verlagswesen, ebenfalls ein Signum frühneuzeitlicher Entwicklungen, kann vereinzelt in den Städten bis in das 13. Jahrhundert, auf dem Lande bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Die Wahl eines Zeitpunktes um 1500 ist folglich eine Hilfskonstruktion. Um Entwicklungen der Jahre zwischen 1500 und 1800 zu beurteilen, wird es oft nötig sein, längere Zeiträume mit in den Blick zu nehmen. ,
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6
I
2.
Enzyklopädischer Überblick
Umfang und
Strukturen des Gewerbes
Das Zeitalter bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts galt lange als das „vorstatistische". Diese Einschätzung ist überholt, weil bereits in spätmittelalterlichen Städten und in den entstehenden Territorialstaaten Zählungen der Einwohner und der Gewerbe stattfanden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts bedienten sich die Verwaltungen in zunehmendem Maße der Zählungen, um gestützt auf deren Ergebnisse Gewerbestatistik zielgerichtet Gewerbeförderung betreiben zu können. Für das späte 18. Jahrhundert und das frühe 19. Jahrhundert sind deshalb aus der amtlichen Statistik trotz ihrer offenkundigen Mängel einigermaßen zuverlässige Aussagen über Umfang und Struktur des Gewerbes zu gewinnen. Die Angaben zum Stichjahr von etwa 1800 können jedoch keinen Ersatz bieten für quantifizierende Aussagen zu den drei Jahrhunderten von 1500 bis 1800. Aus dieser Zeit stehen für einzelne Städte und Territorien punktuelle Angaben zur Verfügung, die allenfalls zu Trends hochgerechnet werden können. Die Bevölkerungseinbußen im 17. Jahrhundert erschweren zudem jede Schätzung für die gesamte frühe Neuzeit. Aus den Gewerbezählungen des späten 18. Jahrhunderts kann man Näherungswerte für größere Gebiete ermitteln. Um 1800 war ein Zehntel der knapp 25 Millionen Menschen in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1871 im Gewerbe tätig. Die rund 2,2 Millionen Gewerbetreibenden stellten etwas weniger als ein Viertel aller Beschäftigten (die Schätzungen schwanken zwischen 21 und 23%), während zwei Drittel der Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten, ohne daß der Anteil der nebenberuflich im Heimgewerbe Tätigen angemessen beziffert werden könnte. Bei weitem am meisten Menschen waren in den Textil- und in Die größten GeWCrbe den Bekleidungsgewerben beschäftigt. Der Anteil der Weber, Bekleidung Schuhmacher und Schneider wird auf über 50% aller Gewerbetreibenden veranschlagt. In dieser Zahl spiegelt sich die Bedeutung der Gewerbe wider, die unmittelbar auf den Konsum ausgerichtet waren. Auch die mit einigem Abstand hinter dem Textil- und Bekleidungsgewerbe rangierenden Gewerbegruppen lieferten an Endverbraucher. Auf die Nahrungsmittelgewerbe entfielen rund 13%, auf die holzverarbeitenden und graphischen Gewerbe sowie auf das Baugewerbe je rund 10% sämtlicher Beschäftigten. Metallerzeugung und -Verarbeitung (ca. 8%), die Industrie der Steine und Erden sowie die Chemie (ca. 3%) und der Bergbau (unter 2%), also jene Gewerbezweige, die neben der Textilindustrie die Industrialisierung in
2.
Umfang
und Struktur des Gewerbes
7
Deutschland im 19. Jahrhundert tragen sollten, blieben um 1800 noch beträchtlich hinter den konsumnahen Gewerben zurück. Die Rangfolge unter den Betriebsformen nach der Zahl der Beschäftigten ist nicht umstritten. Das Handwerk lag deutlich vor dem Verlag und den Manufakturen. Auch das beweist, wie sehr sich die Gewerbe auf die Befriedigung des täglichen Bedarfs konzentrierten. Die Zahl der Handwerker kann nicht genau beziffert werden, weil die Beschäftigten im Textilgewerbe kaum exakt den einzelnen Betriebsformen zugerechnet werden können und weil viele noch für den örtlichen Bedarf webten. Ohne die Weber und Spinner sind im Handwerk etwa 1,3 Millionen Menschen in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1871 beschäftigt gewesen (auf diese Gebietseinheit beziehen sich auch die Zahlen für Verlag und Manufaktur). In den meisten Regionen zählten Schuhmacher, Schneider, Bäcker und Fleischer zu den am stärksten besetzten Handwerksberufen. Zwei Berufe waren unter den bedeutenden Handwerken zu finden, die sich zum Teil auf den weitaus größten Wirtschaftssektor, die Landwirtschaft, ausgerichtet hatten: die Schmiede und Müller. Eine dritte Gruppe von Berufen deckte den Grundbedarf an Gebäuden und Wohnungen ab: die Tischler und die Zimmerleute. Auf die drei genannten Gruppen entfielen zwei Drittel aller Handwerker. Die große Mehrzahl der Handwerker arbeitete in kleinen Werkstätten. Nur etwa jeder zweite Meister beschäftigte einen Gesellen oder Lehrling. Die daraus resultierende Betriebsgröße von 1,5 Beschäftigten pro Werkstatt läßt den Schluß zu, daß sich um 1800 das Handwerk insgesamt in einer wenig vorteilhaften wirtschaftlichen Lage befand. Insbesondere in den Massenhandwerken der Schuhmacher, Schneider und Leineweber fristeten viele der Alleinmeister eine kümmerliche Existenz. Merklich hoben sich vor allem die Baugewerbe mit großen Werkstätten von den übrigen Handwerksgruppen ab. Sind über den Umfang der Betriebsform Handwerk außerhalb der Textilgewerbe noch halbwegs gesicherte Aussagen möglich, so wagte bisher kaum jemand, die Zahl der den verschiedenen Formen des Verlags zuzurechnenden Produzenten abzuschätzen. Nach F. W. Henning [7: Deutschland, 265] lag sie bei rund 965 000. Diese Betriebsform entzieht sich gerade wegen ihrer ökonomischen Vorteile aus Sicht der Verleger einer genaueren quantitativen Erfassung. Je nach Konjunkturlage vergaben die Kaufleute ihre Aufträge. Bei schlechtem Auftragseingang blieben dann die Verlegten ohne Arbeit, bei guter Geschäftslage erweiterte sich der Kreis derer, bei de-
Die
Rangfolge
unter
den
Betriebsformen
Kleine Werkstätten
Die Beschäftigten im Verlag
8
I
Enzyklopädischer Überblick
die Kaufleute Waren einkauften. Eindeutig ist allerdings das Übergewicht des Verlags in den exportorientierten Textilgewerben, vor allem in der Leinen- und Baumwollverarbeitung. Das Verlagswesen dominierte auch in den Zentren der Metallwarenherstellung. Es blieb jedoch nicht auf diese beiden Bereiche begrenzt und entfaltete sich überall dort, wo Kaufleute Geld für Rohstoffe vorstreckten oder Produkte aufkauften. Es erreichte z. B. bei der Herstellung von Spielzeug ein beträchtliches Ausmaß. Die Beschäftigten Weniger als ein Zehntel aller gewerblichen Beschäftigten, etwas in Manufakturen über 100000 Menschen, dürften um 1800 auf die am weitesten entwickelte Betriebsform, die Manufaktur, entfallen sein. Der Gesamtbestand an Manufakturen lag in den 1790er Jahren bei mehr als 1000. Die Kurzlebigkeit vieler Gründungen erschwert Schätzungen ebenso wie die fließenden Übergänge zwischen Verlag und dezentraler Manufaktur in den Textilgewerben. Dort konzentrierte sich der Manufakturbetrieb auf Verfahren, für die ein hoher Kapitaleinsatz (z. B. Kattundruck) und teure Rohstoffe (z. B. Seide) erforderlich waren. Wohl bei der Mehrzahl der Textilmanufakturen war das Spinnen dezentral organisiert. Typische Produkte der Manufakturen waren Güter des Luxusbedarfs: Porzellan, Fayencen, Gläser, Gobelins. Eine weitere typische Warengruppe, die in Manufakturen hergestellt wurde, entfiel auf die Nahrungs- und Genußmittel, vor allem auf Tabak und Zucker. Die Verteilung der Gewerbe auf Stadt und Land war in den einGewerbe in Stadt und Land ze'nen Landschaften und in den einzelnen Berufen verschieden, sie hat sich wahrscheinlich im Laufe des hier behandelten Zeitraums erheblich zugunsten des Landes verschoben. Im östlichen und mittleren Deutschland lebten um 1800 etwa drei Viertel aller Handwerker in der Stadt, während im Westen und Süden das Landhandwerk etwa 50% aller Handwerker ausmachte. Auf dem Lande hatten sich in nachmittelalterlicher Zeit über die für die Landwirtschaft benötigten Berufe hinaus weitere Gewerbezweige etabliert. Sie sorgten für den Bedarf einer wachsenden Bevölkerung. Sodann siedelten sich auf dem Lande Exportgewerbe an. Den Ausschlag für die Verlagerung von Gewerben auf das Land gaben in der Regel die im Vergleich zur Stadt geringeren Lohnkosten. Lohnsenkend wirkte sich ebenso der hohe Grad an Selbstversorgung auf dem Lande aus wie die versteckte Arbeitslosigkeit der bei knapper Bodenfläche unterbeschäftigten Landbewohner. Die Herausbildung von Landschaften mit einer hohen gewerbGewerbelandschaften ]jchen Dichte geht in das 15./16. Jahrhundert zurück. Diese Gewernen
2.
Umfang und
Struktur des Gewerbes
9
beregionen entstanden, weil einzelne Produktionszweige verstärkt für den Export arbeiteten. Ohne eine Flankierung durch das Landhandwerk, das sich auf den einheimischen Bedarf ausgerichtet hatte, wäre allerdings ihre volle Entfaltung im 18. Jahrundert nicht möglich gewesen. In weiten Teilen der Schweiz, in Baden und Württemberg, in Oberösterreich und Teilen der Steiermark, in Altbayern, im niederrheinisch-westfälischen Raum, in Sachsen und Thüringen kamen auf tausend Einwohner 60 und mehr ländliche Gewerbetreibende. In diesen Gebieten wohnte rund die Hälfte aller Gewerbetreibenden auf dem Lande. Kraß unterschieden sich davon die östlichen Provinzen Preußens, in denen das Gewerbe weiterhin überwiegend in den Städten ansässig war. Das nicht für den Export arbeitende Handwerk auf dem Lande trug charakteristische Züge. Die Schmiede, Zimmerleute, Müller und Leineweber, vor allem aber die Schuhmacher und Schneider zählten überall zu den häufigsten Berufen, dagegen gab es sehr viel weniger Bäcker und Fleischer, da sich die ländliche Bevölkerung noch weitgehend selbst mit Nahrungsmitteln versorgte. Zwischen dem Gewerbe in der Stadt und auf dem Land gab es viele Verbindungen und Übergänge. So verwischte einmal die verbreitete agrarische Tätigkeit in den kleineren und mittleren Städten die Unterschiede von Stadt und Land. Außerhalb der Städte konnten Werkstätten, in denen Stadtbewohner arbeiten ließen, in nur kurzer Entfernung zur Stadtmauer entstehen. Vorstädte bildeten Mischzonen, durchsetzt mit handwerklichen und agrarischen Berufen. Beide, Stadt und Land, verband der Verlag, denn sehr häufig lag die Leitung der ländlichen Produktion für den Export in Händen städtischer Verleger. Vom Land unterschied sich das Gewerbe in den Städten in der Regel durch eine höhere durchschnittliche Betriebsgröße und durch eine größere Zahl von Einzelberufen. Im Landhandwerk dominierte der Einmannbetrieb. Zu beachten sind allerdings auch dort größere gewerbliche Anlagen wie Schneide-, Papier- und Walkmühlen oder Eisenhämmer, für die mitunter ein halbes Dutzend oder mehr Arbeitskräfte erforderlich waren. Das städtische Handwerk umfaßte u.a. jene Gewerbe, die zwar gelegentlich auch auf dem Lande anzutreffen waren, aber doch vor allem städtische Zentralität dokumen-
Das Landhandwerk
tierten, z.B. Goldschmiede, Uhrmacher, Kunstmaler, Zinngießer, Buchbinder, Buchdrucker. Je mehr Einwohner die Städte hatten, desto differenzierter wur- Arbeitsteilung im den die Berufe.
Arbeitsteilung zwischen einzelnen Handwerken
städtischen Hand-
10
Das Wachstum der
kleinen Städte
I
Enzyklopädischer Überblick
zeichnete die großen Gewerbestädte aus, von denen Nürnberg vom 16. bis 18. Jahrhundert unverändert die vielseitigste war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg jedoch ging die relative Bedeutung nicht nur von Nürnberg, sondern auch von Köln, Frankfurt am Main und Augsburg zurück. Anstelle der großen wurden tendenziell die mittleren und kleine Städte und Flecken wichtiger, oft weil sie innerhalb von Zonen mit hoher ländlicher Gewerbedichte lagen. Die preußischen Titularstädte in Ravensberg sind dafür ebenso ein Beispiel wie das Wachstum von Dörfern auf dem Eichsfeld und in der Oberlausitz zu stadtähnlichen Siedlungen mit mehreren tausend Einwohnern.
In der frühen Neuzeit kamen neue Stadttypen auf, die den traditionellen gewerblichen Rahmen sprengten. Religionsflüchtlinge führten in Exulantenstädten oder wo immer ihnen Zuflucht gewährt wurde neue Techniken und Gewerbe ein, die häufig außerhalb zünftiger Kontrolle standen. Niederländer im 16. und Franzosen im 17. Jahrhundert modernisierten Teile der Textilgewerbe, böhmische Auswanderer förderten den Geigenbau im sächsischen Klingenthal nach 1650. Die Hanauer Neustadt wurde nach 1597 zu einem Umschlagplatz für Gewerbe, die im westlichen Europa weiterentwickelt waren als in Deutschland, u.a. die Strumpfwirkerei, Seiden- und Tabakverarbeitung. In Residenz- und Hauptstädten konzentrierten sich jene GeResidenz- und Hauptstädte werbe, die für den höfischen Bedarf produzierten und deren Gedeihen von staatlichen Aufträgen abhing. Im 18. Jahrhundert entwikkelten sich die Hauptstädte der größeren deutschen Staaten, vor allem Berlin und Wien, immer mehr zu Manufakturstädten. In Berlin wuchs der Anteil der Manufakturarbeiter an der Bevölkerung zwischen 1740 und 1790 von rund 4 auf 12%, in den 1790er Jahren lebten 11 000 Manufakturarbeiter in der Stadt. Hing das Wachstum der Berliner Gewerbe zu erheblichen Teilen von staatlichen Subventionen ab, so blühten in jenen Jahrzehnten Hamburg und Bremen Hafenstädte durch den Überseehandel auf. Importierte Rohstoffe (Baumwolle, Tabak) wurden zunehmend in beiden Städten selbst verarbeitet. Im Vergleich mit den beiden großen Häfen an der Nordsee fielen die dem Atlantik ferneren Städte an der Ostsee nach dem Dreißigjährigen Krieg relativ ab, die Gründung von Manufakturen spielte dort nur eine nachgeordnete Rolle.
Exulantenstädte
-
-
3.
3.
Rahmenbedingungen
11
Rahmenbedingungen
Auf die Verteilung der Gewerbe im Raum, auf die Betriebsforund auf die einzelnen Branchen wirkte eine Vielzahl von Faktoren ein. Sie sind in ihrem Einfluß nur schwer voneinander zu trennen. Im einzelnen sollen die Bereiche Natur, Bevölkerung, Einbindung in weltwirtschaftliche Beziehungen, Technik und institutionelle Rahmenbedingungen behandelt werden, womit die Zahl der Einflußfaktoren auf keinen Fall erschöpft ist. In einem heute kaum noch vorstellbaren Maße war die gewerbliehe Produktion in vorindustrieller Zeit von der Natur abhängig. Bei wenig entwickeltem Transportwesen folgten die Standorte den Rohstoffvorkommen. Metallverarbeitende Gewerbe konnten sich in größerem Stile nur dort ausbreiten, wo Erze in nicht allzu weiter Entfernung verfügbar waren, in den Mittelgebirgen und beim steirischen Eisenberg. Die keramischen Gewerbe fußten auf Tonlagerstätten, Glashütten und Vorkommen von Kieselerde, Kalk und Holz. Der Knappheit dieser Rohstoffe wegen wechselten die Glasmacher noch bis in die frühe Neuzeit häufig die Standorte. Die Leineweberei konnte nur dort betrieben werden, wo der Boden den Anbau von Flachs und Hanf zuließ. Die Gewerbe, die mit großer Hitze arbeiten mußten, benötigten Holz. Je mehr die Produktionstechnik sich entwickelte, desto mehr wuchs vor allem der Bedarf der Metallgewerbe. Im 18. Jahrhundert wurde das Holz für sie so knapp, daß die Produktion in holzarmen Regionen reduziert werden mußte. Um Holz zu sparen, wurden neue technologische Verfahren erfunden. Umgekehrt wurden gewerbliche Aktivitäten in marktfernen Gegenden durch Reichtum an Holz gefördert. Mit Drechslerwaren, Eimern, Sieben, Körben und Glas erzielten Bewohner sonst rohstoffarmer Waldzonen zusätzliche Einkommen. Wie das Holz wurde Wasser elementar benötigt, das Fehlen schnellfließender Gewässer engte die gewerbliche Produktion ein. In der Frühneuzeit trieb Wasserkraft Mühlen aller Art und Hämmer an. Die unterschiedlichen Nutzungsarten entsprachen dem Gefälle der Flüsse und Bäche z. B. wurden Papiermühlen nur an stark fließenden Gewässern gebaut. Die Gewässer in der norddeutschen Tiefebene reichten nur selten zum Betrieb von Schmiedehämmern aus, Windenergie bot keinen hinreichenden Ersatz. Wenn die Wasserkraft ausfiel, wurde ihre Bedeutung für jedermann offenbar. Konnmen
-
Die von
Abhängigkeit der Natur
Holz
Wasser
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I
Enzyklopädischer Überblick
ten Getreidemühlen wegen
nicht mahlen, drohte
Dürre, Eis oder
Überschwemmungen
Hunger infolge der Abhängigkeit vom Grund-
Brot. Standen die Hämmer still, blieben die Schmiede ohne Arbeit. Ohne Wasser wären auch einige Textilgewerbe, z.B. beim Walken und Bleichen, nicht ausgekommen. Gerber hingen gleich zweifach von der Wasserzufuhr ab: Sie mußten Häute und Felle reinigen und mit sauberem Wasser aus Brunnen die Lohgruben füllen. Wasserläufe waren deshalb in den entwickelten Gewerbelandschaften schon im 16. Jahrhundert dicht besetzt, weil möglichst viele diese Antriebsenergie nutzen wollten. Aufgrund der Regalien versuchten die Landesherren (meistens vergeblich), die Anlage neuer Mühlen und Hämmer zu verhindern. Ein Indiz für die Knappheit der natürlichen Ressourcen ist die Abfallverwertung Verwertung der Abfälle. Aus vielen Berufen wissen wir, daß Reste genutzt wurden. Meister und Gesellen stritten sich bei den Tischlern und Zimmerleuten um die Sägespäne. Stroh konnte geflochten und damit zur Ware werden. Gerber verwerteten Häute des geschlachteten Viehs. In der Eifel entstanden in der Nähe großer Schafzuchten und Wollmanufakturen Leimsiedereien, die Schaffüße als Rohstoff
nahrungsmittel
verwerteten.
Das beste Beispiel für den schonenden Umgang mit Rohstoffen Beispiel Haubergwirtschaft [jefert die Siegerländer Haubergwirtschaft, die außerdem den Bedarf mehrer Gewerbe (Gerber, Schmiede) und der Landwirtschaft aufeinander abstimmte. Jährlich wurde nur etwa ein Zwanzigstel des Waldbestandes für Holzkohle und Gerblohe geschlagen, abgeschlagene bzw. aufgeforstete Flächen dienten gleichzeitig der Landwirtschaft. Die Bevölkerung Unter den Faktoren, die die Gewerbe beeinflußten, nimmt die Bevölkerung einen zentralen Rang ein. Von der Größe der Bevölkerung hing die Menge der Erzeugung von Gütern ebenso ab wie die Größe der Nachfrage nach Gütern. Die vorindustrielle Gesellschaft versuchte zwischen der Gütererzeugung und -nachfrage sowie der Größe der Bevölkerung zu vermitteln. Sie stellte Normen auf, um die Bevölkerung dem Nahrungsspielraum, definiert als Menge der Das
der
Verfügung stehenden Erwerbsmöglichkeiten, anzupassen. Das angestrebte Gleichgewicht zwischen Bevölkerungsgröße und Erwerbsmöglichkeiten sollte dadurch erreicht werden, daß bäuerliches zur
und handwerkliches Wirtschaften auf die Familie und deren Einkommenssicherung ausgerichtet waren. Nur derjenige, der eine Erwerbsstelle besaß, sollte eine Familie gründen können; der Über-
3.
Rahmenbedingungen
13
vom Gesellen zum Meister sollte mit der Heirat und dem Erwerb des vollen Bürgerrechts verbunden sein. Eine nach diesen Prinzipien gestaltete Wirtschaft konnte als im Gleichgewicht befindlich und als selbstgenügsam charakterisiert werden. Alles spricht dafür, daß ein solcher Zustand um 1800 die Ausnahme darstellte. Seit dem späten Mittelalter war die Bevölkerung im Deutschen Reich trotz der Einbußen während des Dreißigjährigen Kriegs auf das Doppelte angewachsen. Die Bevölkerung der Schweiz, die vom Krieg weitgehend verschont blieb, wuchs in dieser Zeit sogar auf das Zweieinhalbfache. Der Nahrungsspielraum wurde enger. Nicht mehr jeder Geselle erhielt eine Meisterstelle. Auf dem Lande, das den Bevölkerungszuwachs trug, waren immer mehr Menschen durch den Erbgang vom Hofbesitz ausgeschlossen, und durch Realerbteilungen stand nicht mehr genug Boden bereit. Das durch Bevölkerungsdruck ausgelöste Ungleichgewicht führte krisenhafte Situationen herbei, weil es Unterbeschäftigung schuf, die von den Exportgewerben nicht vollständig beseitigt werden konnte. Der Bevölkerungsdruck eröffnete mittelbar Chancen für die gewerbliche Wirtschaft. Entsprechend dem Bevölkerungswachstum und der wachsenden Nachfrage stiegen im 18. Jahrhundert die Preise für Agrarprodukte. Zugleich setzte eine schrittweise Modernisierung der Landwirtschaft ein. Zudem versorgten sich viele ländliche Gewerbetreibende nicht mehr vollständig selbst. So entstand eine neue Nachfrage nach gewerblichen Produkten. Die ständig wachsende Zahl von Jahrmärkten in ländlichen Regionen signalisiert dies ebenso wie die Prosperität der Wanderhändler, die die Dörfer versorgten. Ein Teil der Landbevölkerung verfügte über genug Einkommen, um sich nicht nur mit Werkzeugen, Nahrungsund Genußmitteln versorgen, sondern auch kostbare Kleidungsund Schmuckstücke anschaffen zu können. Nicht zuletzt weist auf ihren Wohlstand im späten 18. Jahrhundert die reiche Sachkultur an Schränken, Truhen und anderen Einrichtungsgegenständen hin. Externe Nachfrage entstand in der frühen Neuzeit durch die Einbindung in weltwirtschaftliche Zusammenhänge. Die Einfuhr von Rohstoffen und die Ausfuhr von Fertigwaren nach Übersee vervielfältigen auch die Warenströme im Inland über Elbe und Rhein. Über Zwischenhändler in den Hafenstädten Amsterdam, Bremen und Hamburg setzten selbst weit landeinwärts gelegene Regionen ihre Produkte nach Übersee ab. Schlesische und tecklenburgische
gang
14_1
Neue Techniken
Enzyklopädischer Überblick
Leinwand ging ebenso in die westliche Hemisphäre wie bergischmärkische oder nürnbergische Metallwaren. In Zahlen läßt sich die bestehende Abhängigkeit vom Handel mit Übersee in diesen Exportzentren kaum genau fassen, da der Zwischenhandel und der Messehandel dem statistischen Zugriff weitgehend entzogen sind. Kriegszeiten und Handelssperren durch Zollerhöhungen ließen dort jedesmal Arbeitslosigkeit befürchten. Den Textil- und Metallwarenexporten standen als Importe u.a. Kolonialwaren gegenüber, von denen Zucker, Tabak und Baumwolle die größte Bedeutung besaßen. Auch sie sorgten dafür, daß in der Neuzeit die einheimischen Gewerbe zunehmend in die Weltwirtschaft einbezogen wurden. Die technischen Neuerungen des späteren Mittelalters prägten bis in das 18. Jahrhundert hinein die gewerbliche Entwicklung. Durch sie kamen verbesserte Werkzeuge, Geräte und Maschinen in Umlauf, oder es entstanden gänzlich neue Gewerbezweige wie die Papiererzeugung und der Buchdruck. Fortschritte in der Technik resultierten weniger aus Erfindungen von Ingenieuren, sondern mehr aus der praktischen Arbeit von Handwerkern, die Erfahrungwerte nutzten, um Antriebskräfte effizienter einzusetzen oder entwickelte thermische Verfahren zu erproben. Mehrere Wege gab es, technisches Wissen zu verbreiten: die Abwerbung von Fachleuten, die Nachahmung von Waren und Produktionsabläufen, die zur beruflichen Qualifikation vorgeschriebene Wanderung von Gesellen, später der Transfer durch Religionsflüchtlinge. Eine Schwerpunkt technologischer Innovation bildete im 15./16. Jahrhundert der Montanbereich. G. Agricolas „Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen", 1556 erstmals erschienen, enthalten ein Kompendium des reichen zeitgenössischen Erfahrungswissens der Bergleute. Von der Metallbearbeitung in Nürnberg und in der Oberpfalz gingen wichtige Impulse für andere Regionen aus, obwohl diese Handwerke „gesperrt" waren, Nürnberger also nicht abwandern durften. Zwar markieren viele Nürnberg zugeschriebene Erfindungen nur Stadien eines woanders begonnenen Entwicklungsprozesses, doch nirgendsonst traten Innovationen so gehäuft auf: der mechanische Drahtzug (spätes 14. Jahrhundert), der Schraubstock (um 1500), die Drehbank (um 1560), Walzwerke. Unbestritten ist auch der hohe Rang des Nürnberger Handwerks in der Fertigung feinmechanischer Instrumente zum Messen und zu anderem wissenschaftlichen Gebrauch. Technischer Fortschritt hielt im Textilgewerbe in mehreren Schüben Einzug. Um 1500 kam das Flügelspinnrad auf, später
3.
Rahmenbedingungen
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wurde es mit Tretantrieb noch effizienter gestaltet. Die in Italien bereits seit dem 13./14. Jahrhundert bekannte Seidenzwirnmühle, 1431 in Köln verboten, wurde in Deutschland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Manufakturen angewendet. Bald nach 1600 kam von Holland aus rheinaufwärts der Bandwirkstuhl trotz der anhaltend heftigen Proteste der Zünfte zum Einsatz. Im 18. Jahrhundert wurde er so weit verbessert, daß mit Hilfe einer Treibstange bis zu 50 Bänder gleichzeitig hergestellt werden konnten. Lange hatte England technisches Wissen aus Deutschland importiert, ehe sein Weg in die Industrialisierung im 18. Jahrhundert die Richtung des Technologietransfers umkehrte. Deutschland übernahm mit einigem zeitlichen Abstand die in England begonnene Mechanisierung der Produktion. Der frühe Einsatz der Wattschen Dampfmaschine beschränkte sich allerdings noch weitgehend auf Erste Dampfdas Berg-, Hütten- und Salinenwesen (Henstedt 1783, Tarnowitz maschinen 1787, Königsborn 1801). 1797 arbeitete für kurze Zeit in Berlin auch eine Spinnerei mit Dampfkraft. Rascher als die oft nicht kontinuierlich funktionierenden Dampfmaschinen breiteten sich in den letzten Jahrzehnten des Alten Reiches die Spinnmaschinen im deutschen Baumwollgewerbe aus. Spinning Jenny, Mule und Water frame re- Spinnmaschinen volutionierten die Garnherstellung, die nun nicht mehr direkt an die menschliche Arbeitskraft gebunden war. Das wirtschaftliche Handeln der Menschen ist in ihre gesellschaftlichen Beziehungen eingebettet. In vorindustrieller Zeit war die folgenreichste Form der Vergesellschaftung gewerblich wirtschaftender Menschen die Zunft. Zünfte entstanden zuerst in den Städten des hohen Mittelalters, noch nach dem Dreißigjährigen Die Zunft Krieg wurden neue Zünfte in den mittleren und kleineren Städten sowie auf dem Lande gegründet. Zünfte beruhten auf der gegenseitigen Verpflichtung von Handwerkern, Normen einzuhalten, die sie sich selbst gegeben hatten. Diese Normen, die das Handeln der Zunftmitglieder leiten sollten, erstreckten sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Bereich, sondern gleichermaßen auf die religiöse, soziale, politische und gesellige Sphäre. Mit gleichen Zielen waren im späten Mittelalter Vereinigungen von Handwerksgesellen entstanden. Zum Selbstverständnis der Zünfte gehörte, für eine qualifizierte Ausbildung des beruflichen Nachwuchses zu sorgen. In den meisten Einzelhandwerken war die Laufbahn vom Lehrling zum Gesellen und Meister vorgegeben. Zünfte (und Gesellenvereinigungen) boten dem einzelnen
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Enzyklopädischer Überblick
Handwerker Schutz; indem sie auf die Einhaltung ihrer Normen sie bis zu ihrer Aufhebung zwischen 1793 in den linksrheinischen Gebieten und 1868 eigene Rechtskreise. Sie konkurrierten mit anderen Zünften und den Obrigkeiten um ökonomische und politische Macht, Konflikte begleiteten ihre Geschichte Staatliche Zunft- seit der Entstehung. Im frühneuzeitlichen Staat erwuchs ihnen ein politik Gegner, der versuchte, das Monopol der Zunftmitglieder auf Gewerbeausübung und den Anspruch auf Eigengerichtsbarkeit zur brechen. Er stellte dem partikularem Recht das Allgemeinwohl gegenüber. Eine Serie von territorialen und Reichspolizeiordnungen seit 1530 schränkte de jure die Autonomie der Zünfte und Gesellenvereinigungen ein; sie mündete in der Reichshandwerksordnung von 1731, die den „Mißbräuchen" vor allem der Gesellen und ihren territorienüberschreitenden Verrufen und Boykotten ein Ende bereiten wollte. Ein Ausstand der Augsburger Schuhmachergesellen 1726, der auf viele größere Städte des Reiches übergriff, hatte die Einzelstaaten zur Reichshandwerksordnung zusammenfinden lassen. Gegen sie und andere ergänzende landesherrliche Eingriffe wehrten sich die Handwerker nicht ohne Erfolg. Überall wo Zünfte städtisches Leben mitbestimmten, in den Reichsstädten, in den kleineren weltlichen und in den geistlichen Territorien blieb de facto der Einfluß der Zünfte bis zum Ende des Alten Reiches erhalten. Selbst im absolutistisch regierten Preußen behaupteten die handwerklichen
drangen, bildeten
Vereinigungen noch einige Privilegien. Die Gewerbepolitik des frühneuzeitlichen
Staates erschöpfte sich nicht in der Aufsicht über Zünfte. Vielmehr bündelten die LanRegaiien desherrn im Zuge des Ausbaus ihrer Macht auch ökonomische Kompetenzen. Im Spätmittelalter waren sie darum bemüht, Hoheitsrechte und Gerichtsbarkeit durchzusetzen, zu erhalten oder auszubauen. Mit Hilfe ihrer aus den Regalien abgeleiteten Rechte, vor allem der Steuer-, Markt-, Wasser-, Berg- und Wildbannrechte, vermochte die Landesherrschaft auf wirtschaftliche Abläufe Einfluß auszuüben. Das starke Engagement der Staaten im Bergbau wurzelte in diesem Recht ebenso wie ihre Befugnis, die Nutzung der Gewässer und des Holzes zu regeln. Indem sich das Selbstverständnis und die Aufgaben der frühMeue Legitimation zu Eingriffen in modernen Staaten wandelten, veränderte sich die Art und Weise, virtschaftliche Abläufe wie sie auf das Gewerbe Einfluß nahmen. Mit dem Ziel, zum gemeinen Nutzen' ,gute Ordnung' zu erhalten, wurden Eingriffe in die Bereiche von Produktion und Absatz legitimiert. Der durch ein stehendes Heer erhöhte Finanzbedarf mußte
3.
Rahmenbedingungen
17
durch mehr Steuereinnahmen gedeckt werden. Für staatliche Eingriffe boten sich direkte und indirekte Mittel an. Mit direkten Eingriffen strebten die Territorialstaaten an, die gewerbliche Produktion über Zahl und Qualifikation der Produzenten in ihrem Herrschaftsbereich zu verändern. Ein überkommenes Mittel war die Anwerbung von Fachleuten aus dem Ausland. Spezialisten für die Rüstung (Geschützgießer) oder für den Bau von Schlössern und Festungen waren in ganz Europa gesucht. Als weit verbreitetes Phänomen finden wir das Abwerben fremder Handwerker durch Prämien im 18. Jahrhundert. Zum Katalog der direkten Maßnahmen, die alle Staaten in der Gewerbepolitik anwandten, gehörte das Verbot, auf dem Lande solche Berufe auszuüben, die nicht dem unmittelbaren Bedarf der Landbevölkerung dienten. Die Aufnahme von Religionsflüchtlingen stand im 16./17. Jahrhundert im Zeichen der staatlichen Wirtschaftsförderung. Viele im deutschen Sprachraum neu eingeführte Gewerbe gehen auf niederländische oder französische Exulanten zurück. Sie führte entwickeltere technische Verfahren aus Westeuropa ein. Oft fanden sie kurzfristig Finanzielle Unterstützung durch die aufnehmenden Staaten. Gerade Manufakturen als aufwendigere Betriebe wurden subventioniert oder vom Staat selbst unterhalten. Zusätzlich erhielten die in Regie des Staates betriebenen Unternehmen Privilegien, denn sie sollten in Produktion und Absatz ohne Konkurrenz bleiben. Dies leitet über zu den indirekten Eingriffen in die Gewerbestruktur. Im Zeitalter der Merkantilismus waren das insbesondere die von den einzelnen Staaten errichteten Handelshemmnisse. Mit der Abschirmung des Binnenmarktes gegenüber der ausländischen Konkurrenz sollte das einheimische Gewerbe ausgebaut werden. Einfluß nehmen konnte der Staat auch durch Technologieförderung, sei es, daß er maßgeblich Experimente wie die Böttgers bei der Erfindung des Porzellans unterstützte, sei es, daß in seinem Auftrage heimlich Dampfmaschinen aus England nach Preußen trans-
portiert
Abwerbung von Spezialisten
Subventionen und
Privilegien
Handelshemmnisse
wurden. Bei einer kritischen Bilanz der staatlichen Gewerbepolitik muß berücksichtigt werden, daß viele der theoretischen Ansprüche nicht einzulösen waren. Handelsbeschränkungen im kleinen wie im großen konnten durch Schmuggel und viele andere Formen des „Unterschleifs" umgangen werden. Freilich sind die Barrieren, die Zoll und durch Zölle, Import- und Exportverbote errichtet wurden, auch Schmuggel nicht zu unterschätzen. Einige Beispiele zeigen dies: Als z.B. England um 1680 seine Märkte schloß, geriet das westdeutsche Metall-
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Enzyklopädischer Überblick
gewerbe für geraume Zeit in ernsthafte Absatzprobleme. Die Akzise des Hinterlandes ließ die Bierproduktion der hansischen Seestädte schrumpfen. Die scharfen Kontrollen, die auf dem Breslauer Wollmarkt durchgeführt wurden, um übermäßige Wollexporte zum Nachteil schlesischer Tuchmacher zu verhindern, schadeten nach 1770 den Tuchmachern außerhalb Schlesiens erheblich. Bei vielen, wenn nicht(bei den meisten Gründungen von Manufakturen durch den Staat ist der Ertrag gering einzuschätzen. Wenige dieser Manufakturen arbeiteten auf Dauer wirtschaftlich. Staatlich geförderte Manufakturen, die von privaten Unternehmern geleitet wurden, hatten bei Sicherung des Absatzes im Inland Überlebenschancen. Das Seidengewerbe der mittleren preußischen Provinzen im späteren 18. Jahrhundert ist ein Beleg dafür, daß der Staat eine Branche künstlich am Leben erhalten konnte. Als Fehlschlag ist der Versuch der meisten Landesherrn zu werGescheiterte Standortpolitik ten, die Standorte der Gewerbe festzulegen. Tatsächlich wuchs das gesamte Handwerk auf dem Lande auch in denjenigen Berufen, die eigentlich der Stadt vorbehalten waren. Dort hätten die Landesherrn die Handwerker höher besteuern können. Daß die Staaten bei dem Versuch versagten, diesem Prozeß gegenzusteuern, ist symptomatisch dafür, wie gering die Chancen waren, auf die Gewerbe tatsächlich einwirken zu können.
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
Die Fülle der einzelnen Zweige des Gewerbes in eine systematiOrdnung zu bringen, stößt auf Schwierigkeiten. Es ist nämlich unmöglich, aus den vielen Merkmalen teils technischer, teils ökonomischer Art ein einziges als ausschlaggebend für eine Klassifizierung heranzuziehen. So behilft sich die Gewerbegeschichte mit einer Ordnung, die die Gewerbezweige unterscheidet nach verarbeiteten Rohstoffen, nach Verwendungszwecken oder nach dem Grad der Vollendung der Endprodukte. sche
Berg- und Hüttenwesen Vom wichtigsten Metall, dem Eisen, produzierte Deutschland
4.1 Das Das
Eisengewerbe
in den Grenzen des Alten Reiches ausgangs des Mittelalters mit geschätzten 30000 t im Jahr die Hälfte des gesamten europäischen Eisens. Eisen wurde in der Regel in der Nähe der Fundstelle verhüttet,
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
19
daß sich die Eisenerzeugung auf viele Gebiete erstreckte. Mehgroße Eisenreviere sind hervorzuheben: das Rheinische Schiefergebirge mit seinen Ausläufern bis nach Waldeck und Hessen; der Harz; Obersachsen; der Thüringer Wald; die Ostalpen mit Innerund Vordernberg beiderseits des Steirischen Erzberges und dem Hüttenberger Erzberg in Kärnten. Die meisten eisenerzeugenden Gebiete erlebten im späten 16. und 17. Jahrhundert Krisen, manche schieden völlig aus der Produktion aus, weil ihre Vorräte verbraucht waren. Besonders dramatisch verlief der Niedergang des Eisengewerbes in der Oberpfalz. Von 1609 bis 1802 sank dort die Zahl der Hämmer von 182 auf 51. Am Ende des 18. Jahrhunderts produzierten Inner- und Vordernberg annähernd 15000 t Roheisen im Jahr, Nassau-Siegen ohne die angrenzenden Territorien über 5000 t, der Harz und Schlesien, eine spätentwickelte Eisenregion, knapp unter 5000 t. Der in Mitteleuropa fast erloschene Silberbergbau erlebte nach Silberbergbau 1450 einen Boom, weil Fördertechnik und Wasserregulierung verbessert worden waren. Im Erzgebirge entstanden Bergstädte wie Schneeberg (1471), Annaberg (1501) und Marienberg (1521) neben dem älteren Freiberg. Im Harz wurde der Silberbergbau später wiederaufgenommen (Andreasberg 1530, Clausthal 1580), er konnte seine Produktion dort bis 1620 steigern, im Gegensatz zum Erzgebirge, dessen Erträge im späteren 16. Jahrhundert immer mehr sanken. Wie in Mitteldeutschland führte Kapitalzufuhr kaufmännischer Großgewerken zur Bildung eines Silber- und Kupferreviers in Tirol um Schwaz zwischen 1450 und 1540 mit Maximalproduktion von 1800 t Kupfer im Jahr. Aus den Kupfervorkommen am Ostrand des Buntmetalle Harzes, im Erzgebirge und in Oberungarn wurde in Saigerhütten in Thüringen, Franken und Kärnten Silber mit Hilfe von Bleizusätzen vom Kupfer (Saigern) geschieden. Die Förderung von Buntmetallen wie Zinn und Kobalt halfen Sachsen über den Verfall des Silberabbaus hinweg: Zinn war Grundlage für die Weißblechherstellung, Kobalt bot den Rohstoff für Blaufarben, die die keramische Industrie benötigte. Für die Erzeugung von Messing, einer Legierung aus Zink und Kupfer, wurde das Vorkommen von Zink in Form des Galmeis in Stolberg bei Aachen ausschlaggebend, weil Kupfer zum knapperen Rohstoff transportiert wurde. Ohne größere volkswirtschaftliche Bedeutung blieb die Stein- Steinkohlenfördekohlenförderung infolge des Kapitalmangels und unzureichender mn* Entwässerung. Allerdings kam sie schon der in der Nähe der Abso
rere
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Enzyklopädischer Überblick
baustellen gelegenen Metallwarenproduktion, den Salinen und Glashütten zugute. Erst mit dem Einsatz von dampfkraftbetriebenen Wasserpumpen kurz vor 1800 nahm die Rentabilität des Kohlenbergbaus entscheidend zu. Noch im 18. Jahrhundert war das mittelalterliche Verfahren zur Hüttentechnologien Erzeugung von Schmiedeeisen im Renn- und Luppenfeuer verbreitet, vor allem auf ostelbischen Rittergütern. In den wichtigeren erzfördernden Gebieten war diese primitive Technik damals längst abgelöst. Die Hütten lagen nun an Wasserläufen, um deren Antriebskraft für das Gebläse zu nutzen. Hochöfen von 4 bis 7 m Höhe wurden erforderlich. Zuerst setzte sich die neue Technik in den westdeutschen Mittelgebirgen durch, im Siegerland kurz vor 1500. Sie hatte weitreichende Folgen. Da im Hochofen größere Hitze entfacht wurde, fiel mehr Roheisen an, jedoch auf Kosten eines höheren Verbrauchs an Holzkohle. Um 100 kg Roheisen zu erzeugen, benötigte man 250 oder mehr kg Holzkohle. Die Knappheit der Holzkohle schuf einen Engpaß und trug zur Einstellung oder Drosselung der Eisenerzeugung in einigen Regionen bei, z.B. im Harz und in der Eifel. Der Engpaß hätte eine Substituierung der Holzkohle durch fosEnergieengpässe sile Energieträger fördern können, doch wurde um 1800 selbst in der Nähe von Steinkohlenfeldern nur teilweise die traditionelle Verhüttung mit Holzkohle ersetzt. Eine Ausnahme machten zwei junge Hüttenregionen: das Saargebiet, wo zahlreiche neue Eisenwerke im frühen 18. Jahrhundert entstanden und wo man in Sulzbach ab 1765 mit allerdings mäßigem Erfolg Koks zur Eisenschmelze verwandte, und Schlesien mit dem koksbetriebenen Gleiwitzer Hochofen nach 1796.
4.2 Die Produktion der der Metalle
Um Roheisen
aus
Halbzeuge und die Weiterverarbeitung Hochöfen in schmiedbares Eisen
umzuwan-
deln, mußte es eingeschmolzen und oxydierend behandelt werden. Dieses Verfahren, das Frischen, paßte sich der lokalen Beschaffen-
heit des Roheisens an. Es förderte die Tendenz zur Zergliederung der überkommenen Einheit von Erzschmelzen und Verhüttung, von Verhüttung Blasehütten und Hammerwerken. So spezialisierten sich in der Oberpfalz um 1500 die Hämmer auf die Lieferung von Halbfabrikaten. Eine noch weiterreichende Arbeitsteilung prägte die Eisenregio-
Die Trennung von Erzschmelzen und
4, Die einzelnen
Gewerbezweige
21
den Steirischen Erzberg und Nassau mit dem vorgelagerten Bergischen und Sauerland. Den eisenerzeugenden Revieren war im 16. Jahrhundert der Einsatz von Reck- und Zainhämmern gemeinsam, Hämmern mit einer raschen Schlagfolge. Sie erfüllten einen doppelten Zweck. Zum einen gaben sie dem Eisen die zweckmäßigste Form für die Weiterverarbeitung, zum anderen verbesserten sie die Qualität des Eisens. Im märkischen Osemundgewerbe fiel das Frischen unmittelbar mit der Aufbereitung für die Drahtproduktion zusammen. Metallhalbzeuge wurden seit dem 16. Jahrhundert zunehmend marktgängig. Die wichtigsten waren Draht und Blech. Durch mehr-
nen um
Draht und Blech
faches Ausbreiten von Eisen unter dem Hammer entstand Schwarzblech, durch Verzinnen Weißblech. Zentren der Blecherzeugung waren zunächst mit Ausrichtung auf die Nürnberger Fertigwarenproduktion das Fichtelgebirge und die Oberpfalz. Von dort verlagerte sich die Weißblechherstellung nach Sachsen, nachdem 1537/38 der Nürnberger Kaufmann Blau mit landesherrlicher Unterstützung Blechhämmer bei Schneeberg angelegt hatte. Im Drahtgewerbe setzte sich im 16. Jahrhundert der mechanische Zug für groben und feinen Draht durch. Gegenüber dem Drahtrevier Lüdenscheid, Altena und Iserlohn zog Nürnberg nach 1600 den kürzeren. Die märkischen Drahtstädte stimmten ihr Warenangebot untereinander ab und bildeten für die einzelnen Drahtsorten Konsortien von Kaufleuten und Drahtziehern (Stapel). Im Metallguß trat während des 15./16. Jahrhunderts der Eisen- Metallguß neben den Bronzeguß. Das mit einer neuer Hochofentechnik leichter zu verflüssigende Roheisen konnte unmittelbar aus dem Hochofen in Formen gegossen werden. Die Landesherren forcierten daher den Bau von Hochöfen für Kugel- und Geschützguß. Zugleich entstanden Gegenstände aus Eisenguß für den zivilen Bedarf, vor allem Öfen, später Kessel und Pfannen. In der Metallverarbeitung setzte sich die berufliche Spezialisierung fort. Ausgerichtet auf die Endprodukte und ausgehend von einem Zuwachs an Nachfrage im 16. und 18. Jahrhundert entstanden viele neue Arbeitsfelder. Selbst in Kleinstädten und oft auch auf dem Lande teilte sich das Schmiedehandwerk in Grob- und Klein- Grob- und Kleinschmiede. Nirgendwo zählte man so viele metallverarbeitende Be- scnm,ede rufe wie in Nürnberg. In der Reichsstadt gehörte die Hälfte aller Gewerbetreibenden dem Metallgewerbe an. Neben Nürnberg gab es weitere bedeutende Zentren. In Schmalkalden bestanden 1714 zur Zeit der größten Blüte 500 Schmiedewerkstätten. Großflächig ver-
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Enzyklopädischer Überblick
teilt war das Metallgewerbe zwischen dem Eisenerzer Erzberg und der Donau. Es verlagerte sich von Steyr und Waidhofen zunehmend auf Plätze außerhalb der Städte. Im bergisch-märkischen Raum führte eine nach 1650 beschleunigte Entwicklung zu einer inneren Differenzierung: Solingen (Schneidwaren), Remscheid (Werkzeuge), Velbert (Schlösser), die Enneperstraße (Sensen) waren jeweils auf eine Produktgruppe spezialisiert. Die Werkstätten lagen überwiegend außerhalb der Städte, sie nutzten das Gefälle kleiner Wasserläufe. Gemeinsam war diesen Städten und Regionen, daß sie für ExExportabhängigkeit portmärkte arbeiteten. Schmiede hörten im 17. Jahrhundert auf, die Messen selbst zu besuchen. Sie waren z.T. schon früher in Abhängigkeit von vermögenderen Berufskollegen oder Kaufleuten geraten. Das Verlagsverhältnis dominierte in den exportorientierten Metallregionen. Es trat in vielen Spielarten auf, je nach Abhängigkeit der Schmiede von Rohstoffbeschaffung und/oder Absatz ihrer Produkte durch den Verleger-Kaufmann. In den Zentren des Metallgewerbes vermittelten Kaufleuten zwischen den hochgradig spezialisierten Schmieden und den Exportmärkten. Nur selten entstanden Manufakturen wie in Suhl (Gewehre) oder in Neustadt-Eberswalde (Eisen- und Stahlwaren). Kapitalintensive „leonische" Gold- und Silberdraht-Manufakturen in Nürnberg und Wien produzierten Luxus- und Modewaren. Außerhalb der Exportregionen herrschte die Betriebsform Handwerk vor. Zünfte bestanden jedoch nicht nur dort, sondern sie prägten auch das exportorientierte Metallgewerbe in Nürnberg und Schmalkalden. Produkte der traditionell zünftig-kleingewerblich arbeitenden Handwerker in den Städten konnten mit den von Kaufleuten verDezentrale Näh- triebenen und auf dem Lande produzierten Schmiedewaren kaum nadelhersteiiung noch konkurrieren. Im Extremfall verschwanden sie fast völlig als Anbieter, so die Nadler. Noch im 17. Jahrhundert waren diese in den meisten größeren Städten zu finden, um 1800 beherrschten den Markt für Nähnadeln die dezentral und arbeitsteilig organisierten Betriebe unter kaufmännischer Leitung in Aachen, Altena, Schwabach und Wiener Neustadt. Frauen- und Kinderarbeit für Hilfsarbeiten hatten hier ebenso Einzug gehalten wie bei den Nagelschmieden, die in den bedeutenderen Produktionsorten (Losenstein, Schmalkalden/Steinbach) völlig von Verlegern abhingen. Ein Beispiel für die unterschiedliche Entwicklung in Stadt und Land bieten die Kleinuhrmacher. In der Stadt blieben sie auf eine geringe Zahl
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
23
(Nürnberg und Leipzig um 1800 je 3) beschränkt, während um Friedberg am Lech 60 verlegt waren und im Schwarzwald je 300 Meister und Gehilfen Holzuhren anfertigten. Im Gegensatz zu den expandierenden Kleinschmieden verloren die Waffenschmiede an Bedeutung mit Ausnahme der Hersteller von
Waffenschmiede
Feuerwaffen. Die Plattner erlebten im 16. Jahrhundert eine
Spätblüte als Kunsthandwerk, danach wurde dieser Beruf ebenso überflüssig wie der der Panzermacher. Von Hieb- und Stichwaffen, die als Prunkgerät noch Bedeutung hatten, verlegte sich Solingen im 16./17. Jahrhundert auf die Anfertigung der Massenprodukte Küchen- und Tafelmesser und Bestecke. Grundlage der Produktion in Solingen wie in anderen Zentren der Schneidwarenherstellung war die Aufgliederung der Produktion in Schmieden, Härten, Schleifen und Reiden (Zusammensetzen von Griff und Klinge). Die Zahl der Schmiede, die Nichteisen-Metalle bearbeiteten, Nichteisenmetallging in den größeren Gewerbezentren im 17./18. Jahrhundert zu- verarbeitung rück. Den Rückgang verursachten eine veränderte Nachfrage und eine Verlagerung der Standorte in die Nähe von Fundstätten der Metalle. Nach 1700 florierte das Messinggewerbe in Stolberg und Iserlohn in der Nähe des dort vorkommenden Zinkspats Galmei. Im Vorland des Harzes beklagten die Kupferschmiede den Übergang der Kupferhütten zur Fertigwarenherstellung. Unter dem Aufkommen von Keramik für den Massenbedarf litten besonders die Zinngießer. Dagegen konnten die Klempner ihre Position behaupten, sie profitierten insbesondere von der Bautätigkeit in großen Städten. Als modeabhängige Branche erlebten Hersteller von Bijouterieund Galanteriewaren (z. B. Knöpfe und Schnallen) im Zeitalter des Rokoko einen Aufschwung. Er beruhte nicht nur auf dem Luxusbedarf der Höfe, sondern ihm kamen auch die gestiegenen Lebensansprüche von Bürgern und Bauern zugute. 4.3 Die
Textilgewerbe
Nach den Zahlen der Beschäftigten steht das Textilgewerbe mit Abstand an erster Stelle unter den Gewerbezweigen. Nach den textilen Rohstoffen sind Gewerbe zu unterscheiden, die Wolle, Flachs bzw. Hanf, Baumwolle und Seide verarbeiteten. Wolltuchmacher und Leineweber griffen auf einheimische Rohstoffe zurück, ihre Gewerbe waren daher in älterer Zeit weiter verbreitet als solche, die Baumwolle und Seide importieren mußten.
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Enzyklopädischer Überblick
Um aus Wolle Tuch herzustellen, war eine große Anzahl von herstellung einzelnen Produktionsschritten notwendig. Der Produktionsprozeß dauerte mehrere Monate; nach der Schafschur im Frühjahr mußte er vor Frosteinbruch beendet sein. Die Schafzucht, die Kreuzung verschiedener Rassen, das Weiden und die Schur bestimmten die Güte des Rohstoffs. Aus schlechter, d.h. nasser und filziger Wolle ließen sich keine guten Tuche herstellen. Der Rohstoff Wolle mußte aufbereitet werden durch Brühen und Spülen, Sortieren, auflockerndes Schlagen und Kämmen, bevor die Wolle versponnen wurde. Bei der Wollweberei rechnete man sieben Spinner auf einen Webstuhl. Dem Weben der unterschiedlich langen und breiten Tuche folgten mehrere Arbeitsgänge, bevor marktgängige Ware bereitstand: das Walken, Färben und Aufrauhen. Die Vielfalt der Je nach Kombination der einzelnen Schritte, je nach VerarbeiTuchsorten tung der Wolle entstanden andere Tuchsorten. Die Tuchproduktion der frühen Neuzeit kennzeichnete der Übergang von den relativ kostbaren, breiten und gewalkten Tuchen (Laken) zu den Zeugen, die glatter und schmaler ausfielen und nicht oder nur wenig gewalkt wurden. Durch Appretur und Färben gewannen sie gefällige äußere Gestalt. Als Rohstoff für Zeuge nahm man gekämmt langhaarige Wolle. Die Wolltuchmacherei erlebte nach dem Mittelalter regional unterschiedliche Konjunkturen. Der rheinischen Wollweberei Tuchimporte und machten die Exporte aus den Niederlanden zu schaffen, die die regionale Entwick- Mode bestimmten. Angeboten und nachgefragt wurden leichtere lung Tuche in schwarzer und dunkler Farbe nach dem Vorbild Spaniens. Nach Nordwestdeutschland und von dort aus weiter nach Süden kamen englische Laken herein. In der Regel fielen die Importe bei gleicher oder besserer Qualität billiger aus. Dennoch wäre es verfehlt, ausschließlich von importbedingten Bedrohungen berichten zu wollen. Die inländische Produktion behauptete weiterhin ihren Anteil, sie stand in einigen Regionen im 16. Jahrhundert in voller Blüte. Die bayerische Lodweberei florierte, die alten Tuchstädte Stendal und Salzwedel exportierten in das Baltikum. Zwickau entwickelte sich zu einem von Frühkapitalismus geprägten Tuchort, wie überhaupt sächsische („Meißner") und schlesische Tuche mittlerer Qualität den innerdeutschen Markt eroberten. Im Laufe des späten 15. und 16. Jahrhunderts entstand ein dichtes Netz kleinerer Produktionszentren. Diese setzten die Ausdehnung der Schafzucht in ihrem Umfeld voraus; die Schafhaltung erreichte riesige Ausmaße. Der Verlust vieler Herden im DreißigjähriDie Wolltuch-
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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gen Krieg markierte den Anfang vom Ende der alten Tuchmacherei. Gestützt durch merkantilistische Maßnahmen blühte sie nach dem Krieg kurzfristig noch einmal auf, verschwand dann jedoch im 18. Jahrhundert weitgehend von den Exportmärkten für zivilen Bedarf. Nur gezielte Heeresaufträge verschafften vielen Tuchmachern noch Verdienst. Religionsflüchtlinge aus den südlichen Niederlanden und Frankreich führten im 16./17. Jahrhundert in mehreren Etappen die Zeugmacherei in Deutschland ein. Sie vermittelten mit der Herstellung der Zeuge (Sayen, Honskotten, Trippen und Bursat) die Webtechnik auf dem entwickelten Hautelissestuhl, auf dem die Kette lotrecht in den Stuhl gezogen wurde. Nach kurzem Zwischenspiel in Wesel und Frankfurt etablierte sich die Zeugmacherei dauerhaft in Frankenthal, in Württemberg mit dem Zentrum um Calw und in Gera. In der sog. Moderationsverfassung waren die Zeugmacher in einem Bezirk, der ein Neuntel Württembergs umfaßte, an die Calwer Färber gebunden, die immer mehr zu Verlegern und Kaufleuten wurden. Raschmacher, Produzenten eines leichten Wollzeugs, das einfache Leute trugen, waren bereits mit der ersten Einwanderungwelle der Hugenotten um 1550 nach Deutschland gekommen. Große Verbreitung fand dieses Gewerbe aber erst nach 1650. Bremen war zentraler Ort, von wo es sowohl weseraufwärts als auch in den Ostseeraum vordrang. Hessischem Impuls verdankte das Eichsfeld nach 1690 die Übertragung der Raschweberei. Zwar besaß es eine ältere Textiltradition, doch erst durch die Zeuge erlebte das Eichsfeld den Aufstieg zu einer der größten deutschen Textilregionen. Tausende von Wollspinnern fanden hier im 18. Jahrhundert Arbeit. Sie lieferten Garn zu einem Drittel an einheimische Raschmacher, zu zwei Dritteln an die umliegenden Tuchmanufakturen in Hameln, Osterode, Göttingen und Mühlhausen. Ob religiöse Motive beim Aufbau der Monschauer Feintuchgewerbe eine Rolle gespielt haben, ist nicht sicher. Jedenfalls waren es Protestanten, die seit dem späten 16. Jahrhundert das Wasser der Rur und die billige Arbeitskraft in den Eifeldörfern nutzten und damit das traditionsreiche zünftige und altgläubige Aachener Tuchgewerbe überflügelten. Als zu Beginn des 18. Jahrhunderts die kostbare spanische Merinowolle Eingang fand, entstanden in Monschau dezentral organisierte Großbetriebe. Gründung (1672) und Weiterentwicklung der Linzer Wollzeugfabrik wären ohne staatliche Unterstützung nicht möglich gewesen. Mittels Faktoreien in allen Tei-
Die Zeugmacherei
Die Raschmacher
Feintuch-Manufalauren
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Die Betriebsformen der Tuchmacher
Die Leineweberei
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Enzyklopädischer Überblick
len der Donaumonarchie arbeiteten viele Tausend heimgewerblich beschäftigte Spinner für Linz. In Linz selbst arbeiteten 1790 auf 1260 Webstühlen 743 Meister, 551 Gesellen und 2602 Gehilfen. Ursprünglich herrschte in der Wollweberei städtische Produktion vor. Die Tuchmacher organisierten sich in Zünften. Häufig betrieben sie Walkmühlen als Gemeinschaftseinrichtungen. Falls sich nicht in größeren Städten Berufe wie Tuchscherer und Färber verselbständigt hatten, kontrollierten die Tuchmacher den gesamten Produktionsgang und den Absatz. Sie beschäftigten für die Vorarbeiten weibliche und jugendliche Hilfskräfte. Über den Wolleinkauf gerieten ärmere Meister in Verlagsabhängigkeit. Die Auslagerung des Spinnens auf das Land war einerseits wegen der großen Anzahl von Arbeitskräften, die benötigt wurden, naheliegend, andererseits wurde damit die Überwachung der Qualität erschwert. Deshalb versuchten die Zünfte, sämtliche Vorarbeiten in der Stadt zu vereinigen. Erst Zeug- und Feintuchmacher ließen in großem Ausmaß Spinner auf dem Lande für sich arbeiten. In diesen Gewerbezweigen bestand die Tendenz, dezentrale Manufakturen einzurichten. Durch Appretur und Färberei mit teuren Geräten oder Werkstoffen mußte ohnehin die Produktion konzentriert werden. Kamen allerdings Tuche wie die der Calwer Zeughandlungskompagnie ohne umfängliche Appretur auf den Markt, so dominierte das Verlagswesen. Manufakturen wie die in Hessen-Kassel, die extrem von Staatsaufträgen abhingen, machten leidvolle Erfahrungen. Einerseits förderte die Landgrafschaft die Gründung und drängte auf Lieferung von Uniformen, andererseits trug der unregelmäßige Auftragseingang entscheidend zur instabilen Lage der Manufaktur bei. Um 1800 konzentrierten sich technische Fortschritte im Wollgewerbe auf die arbeitsintensive Spinnerei und das Kratzen. Spinnmaschinen fanden allerdings erst in geringer Zahl Eingang, vor allem in mitteldeutsche Betriebe. Eine 1799 in Wolkenburg (Sachsen) aufgestellte Wollspinnmaschine soll täglich einen Zentner Wolle versponnen haben. Die Leineweberei unterschied sich von der Wollweberei durch ein geringeres Maß an Arbeitsteilung. Weniger Arbeitsgänge waren erforderlich, um die Rohstoffe, Flachs oder Hanf, in Leinen umzuwandeln. Dies förderte die Ausbreitung des Leinengewerbes auf dem Lande, wo Flachs und Hanf wuchsen und geerntet wurden. Die Leineweberei als bäuerliches Nebengewerbe reicht in vorgeschichtliche Zeiten zurück, als Produktion für den Markt kam sie erst in der frühen Neuzeit auf. Neben der ländlichen Heimweberei
4, Die einzelnen
Gewerbezweige
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in diesem Gewerbe im Spätmittelalter städtische Zünfte minderen Ansehens entstanden, deren weitere Ausbreitung bis in das 17. Jahrhundert andauerte. Selbst in kleineren Orten bildeten sich Zünfte. Nach dem 30jährigen Kriege verfiel das städtische Leinengewerbe in den meisten Regionen, mit ihm die zünftigen Fesseln. Fortan nahm das auf dem Lande angesiedelte Leinengewerbe in der Erzeugung die führende Rolle ein. Flachs gedeiht am besten auf Lehm- und Sandböden, er benötigt wenig Wärme, aber viel Feuchtigkeit. Weite Teile Mitteleuropas eignen sich für den Anbau, ausgedehnte Flachskulturen gab es nördlich der Mittelgebirge zwischen Niederrhein und Schlesien. Leinsaat aus dem Baltikum wurde im 17./18. Jahrhundert über Bremen und Amsterdam verstärkt nach Nordwestdeutschland im Rahmen einer großräumigen Arbeitsteilung eingeführt. Zum Hanfanbau (mit Zentrum zwischen Minden und Osnabrück) eigneten sich Sandböden. Hanfgarn wurde zu einem groben Leinen (Löwend) und zu Segeltuch verwebt. Durch Riffeln, Rösten, Boken, Schwingen und Hecheln wurde in zeitraubendem Verfahren der Flachs aufbereitet. Diese Arbeiten fügten sich in den jahreszeitlichen, ernteabhängigen Lebensrhythmus auf dem Lande ein. Die z.T. schweren körperlichen Anstrengungen wurden vor 1800 nur in einem Bereich erleichtert: Bokemühlen schlugen die Flachsstengel weich, wodurch holzige Bestandteile entfernt wurden. Garn war ein gefragtes Halbzeug. Zwischenhändler banden das Hinterland durch ein weitgespanntes Netz von Faktoreien und Zweigniederlassungen ein. Der Einfluß der schwäbischen Städte reichte im 16. Jahrhundert bis in die Umgebung von Linz an der Donau. Die Territorien zwischen Bielefeld und Hildesheim lieferten Garn in das Wuppertal und in die Grafschaft Mark. Dort wurde es gebleicht und anschließend exportiert oder verwebt. Böhmen, Mähren und Sachsen versorgten schlesische Leineweber mit Garn, zugleich exportierte Schlesien selbst hochwertiges Lothgarn für Spitzen in die Niederlande. Der eigentliche Webvorgang erforderte eine bescheidene Technik, die die Entfaltung der Leineweberei auf dem Lande ermöglichte. Nur feinere Linnensorten, Damast oder Schleier, blieben dem städtischen Gewerbe vorbehalten, weil sie höhere Qualifikation erforderten. Zum Bleichen des Leinens standen in den meisten Landschaften zwar sogenannte Winkelbleichen bereit, Stücke, die höheren Ansprüchen genügen wollten, mußten jedoch eine der renommierten Bleichen passieren. Monopolstellungen besaßen lange waren
Flachs und Hanf
Garn
Bleichen
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Chemnitz, St. Gallen und Haarlem, bevor sie im 18. Jahrhundert kleineren Bleichen abgelöst wurden. Die Güte der rohen Leinenstoffe wurde durch Schauanstalten geprüft, die auf Einrichtungen der Zünfte zurückgingen und den Kaufleuten die Qualität garantieren sollten. In NordwestdeutschSchauanstaiten land bedienten sich die Territorialstaaten dieser Schauanstalten („Leggen"), um das abgemessene und kontrollierte Leinen als Markenartikel zu stempeln. Die Beschau gewann an Bedeutung, je mehr Leinen für den Fernabsatz produziert wurde. Leinen eignete sich für den Verkauf in Übersee als billiger Kleidungsstoff für Sklaven und Plantagenarbeiter. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert wurden Spanien, Portugal und England wichtigste Abnehmer deutscher Leinwand, die in die Kolonien weitergeliefert wurde. Die Kaufleute beschränkten ihr Engagement auf den Vertrieb des Garns bzw. auf das fertige Leinen. Kaufsystem und Verlag herrschten vor. Familien, die den gesamten Produktionsprozeß von Kaufsystem und der Aussaat des Leinsamens bis zum Weben übernahmen, arbeiteVerlagim Leinen- ten auf ejgene Rechnung und setzten die rohe Leinwand im Kaufsywerbe stem ab. Dort, wo Spinner und Weber nicht über Rohstoffe verfügten, bildete sich der Verlag heraus. Manufakturen blieben wegen der kostengünstig produzierenden ländlichen Leineweberei auf kostbare Stoffe beschränkt. Damastmanufakturen entwickelten sich in der Oberlausitz im 18. Jahrhundert als Großhandlungen. Sie verfügten über eigene Bleichen, Färbereien und Appreturanstalten. Der teilweise hohe Anteil der Leineweberei an der gesamten Leinenregionen Beschäftigtenzahl schuf Leinenregionen. Voran stand am Ende des 18. Jahrhunderts Schlesien. Es versandte in seinem Rekordjahr 1784/85 Leinwand im Werte von 6 Millionen Rtlr., die auf knapp 30000 Webstühlen hergestellt wurden, an denen rund 50000 Menschen arbeiteten. Weite Teile Nordwestdeutschlands, Hessens und Schwabens lebten von der Leineweberei auf der Grundlage eines intensiven Flachs- bzw. Hanfanbaus. Das Allgäu geriet immer mehr in den Sog von St. Gallen, das im 15. Jahrhundert Zentrum des Leinwandgewerbes und -handels im Bodenseegebiet geworden war. Von seinem Umland bezog St. Gallen nicht nur Garn, sondern auch Leinwand, das dort der Schau unterworfen war, veredelt und gevon
bleicht wurde. Das Wuppertal und sein bergisch-märkisches Umland fächerte sein Sortiment seit dem 16. Jahrhundert auf. Neben die Breitleinwand traten Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle Die Bandwirkerei
sowie die Bandwirkerei. Die Bandwirkerei stand zwischen
Verlag
und dezentraler Ma-
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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nufaktur. Bandwebstühle („Mühlen"), auf denen mehrere voneinander unabhängige Ketten gespannt wurden, vergrößerten die Produktion der Bandwirker, aber auch die Abhängigkeit von den Garnlieferungen ihrer Verleger. Einzelne Verleger wie der Barmer Engels scharten um 1800 die Bandwirker um sich, um die Lieferzeiten zu verkürzen. Im Erzgebirge vollzog sich eine ähnliche Entwicklung, obwohl die zünftig organisierten, wenngleich verlegten Posamentierer sich lange, bis 1787, der Einführung der Bandmühle widersetzten. Der Verlag überwog auch bei den Bandwirkern in der Lausitz, wo Manufakturen erst im 19. Jahrhundert Fuß faßten. Im Gegensatz zu Flachs und Hanf mußte der Rohstoff Baum- Die Baumwollwolle von Übersee importiert werden. Dennoch gibt es viele Zusam- weberei menhänge zwischen Leinen- und Baumwollweberei. In der ersten Phase der Ausbreitung im oberdeutschen Sprachraum setzte sich Baumwolle überall dort durch, wo auch in großem Umfang Leinen produziert wurde. Neben reinem Leinen wurde Barchent mit einer Leinenkette und Baumwollschuß hergestellt. Die Produktionstech- Barchent in Obernik des Barchents entwickelte sich aus der Leinenweberei. Barchent schwaben verdankt seinen Erfolg der Farbigkeit, denn Baumwolle läßt sich besser färben als Leinen, zudem war sie leichter und geschmeidiger. Barchent- und Leineweberei erhoben Oberschwaben mit Ulm, Augsburg, Memmingen, Biberach, Kaufbeuren und Umgebung zur zentralen Textilregion bis 1620. Augsburgs Umsatz an gefärbtem Barchent lag von 1600 bis 1609 bei 410000 Tuchen pro Jahr; er hatte sich seit 1500 um das Zwanzigfache erhöht. Zwar verschlechterte sich die Lage der rund 2000 Augsburger Weber im 16. Jahrhundert zusehends, doch wurde das Verbot des Verlagssystems in Augsburg nicht unterlaufen. Die Stadt unterschied sich hierin vom übrigen Oberschwaben, wo Zunftkauf und Verlag nebeneinander vorkamen. Handelsgesellschaften vermittelten oft sowohl den Einkauf der Baumwolle als auch den Absatz des Barchents. Nördlich des Main hatte die Baumwollverarbeitung im späten Mittelalter mit Ausnahme von Köln und Frankfurt nicht Fuß fassen können. Das änderte sich, als niederländische Religionsflüchtlinge nach 1545 die Herstellung von Mischgeweben (Bombasinen) heimisch machten. Die leichten Stoffe waren bei mittleren Käuferschichten sehr gefragt, sie paßten sich modischen Veränderungen rascher an als reine Leinen- oder Wollprodukte. Das Baumwollgewerbe in Sachsen folgte Anregungen aus dem Sächsisches BaumRheinland und aus Oberdeutschland. Chemnitz und Plauen waren wollgewerbe an der Schwelle zur InduKeimzellen der Baumwollindustrie, mit der im frühen 19.Jahrhun- strialisierung
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I
Enzyklopädischer Überblick
dert die Industrielle Revolution in Sachsen Einzug hielt. Entscheidende Impulse vermittelte nach 1750 die weitere Veredelung der Stoffe in Kattundruckereien. Diese zentralisierten in der Regel nur den Bleich-, Färb- und Druckprozeß in Manufakturen, jedoch nicht die Weberei. Eine Ausnahme machte Plauen, wo 1756 eine Kattundruckerei mit angeschlossener dezentraler Weberei gegründet worden war. Als Zentrum des Kattundrucks wurde Plauen bis 1800 von Chemnitz abgelöst. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellten Chemnitz und seine Umgebung annähernd 190000 Stück Baumwollstoffe her, das war mehr als die Hälfte der gesamten sächsischen Produktion. Die Schweizer Die Entwicklung der Schweiz zur größten Baumwollregion im Baumwollgewerbe deutschsprachigen Raum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte später als in Sachsen ein. Ausgangspunkt war der Kattunoder Indiennedruck, der 1706 in der Stadt Bern eingeführt worden war. Binnen weniger Jahre breiteten sich im Dreieck ZofingenAarau-Lenzburg Indienne-Manufakturen aus, die seit 1730 die Baumwollspinnerei und -weberei nach sich zogen. In die Ostschweiz war die Baumwollspinnerei von Zürich aus vorgedrungen; seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ersetzte die Baumwollweberei sukzessive das Leinengewerbe. Geschätzt wird, daß im gesamten Gebiet der heutigen Schweiz um 1780 150000 Menschen im Baumwollgewerbe arbeiteten, die meisten davon waren Spinner. Um den wachsenden Garnbedarf decken zu können, wurde der Kreis der Spinner bis in den südlichen Schwarzwald und jenseits des Bodensees ausgedehnt. Die Kaufleute beherrschten den Verlag vollständig. Sie kauften die rohe Baumwolle, vergaben sie zur Verarbeitung und verkauften die
Fertigprodukte.
Wurde das Spinnen und Weben der Baumwolle weitgehend auf dem Lande und im Heimgewerbe oder im Verlag betrieben, so setzte sich im Kattundruck schon im frühen 18. Jahrhundert die ManufakKattundruck tur durch. Die Ostindienkompagnien hatten Kattun als gefärbten und bedruckten Modeartikel in Europa eingeführt. Für den Kattundruck war ein komplizierter und kapitalaufwendiger Arbeitsablauf notwendig. Technisches, chemisches und kaufmännisches Geschick mußte miteinander kombiniert werden; dies förderte eine Zentralisierung der Produktion. Die Kattundruckereien in Deutschland und in der Schweiz holten seit 1700 den Vorsprung der Niederlande ein, wo um 1650 zuerst der europäische Stoffdruck aufgeblüht war. Neben Sachsen und der Schweiz waren Hamburg und Augsburg Hauptzentren der Kattundruckerei. In beiden Städten waren im
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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Jahrzehnt vor 1800 weit über 3000 Menschen beschäftigt. Augsburg mit der berühmten Manufaktur Johann Heinrich von Schüles fertigte in den 1770er Jahren auf 1000 Drucktischen 208000 Stücke pro Jahr. Das rapide Wachstum des Baumwollgewerbes ließ die Spinnerei zu einem Engpaß werden. Es herrschte Garnmangel, der in den Baumwollregionen zur Ausschöpfung aller Arbeitskräftereserven zwang; selbst Soldaten und Kinder in Spinnschulen wurden herangezogen. Eine befriedigende Lösung bot nur die Mechanisierung des Spinnens. In der Nachfolge der technischen Entwicklung in England und durch eigene Erfindungen kamen Handspinnmaschinen in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Gebrauch. Der Einsatz von „mule jennys", die mit Zugtieren oder Wasserkraft angetrieben wurden, markiert den Übergang zum Industriezeitalter. In Ratingen entstand 1784 als Gründung des Elberfelder Kaufmanns Brügelmann Cromford, die nach Gent älteste mechanische Spinnerei auf dem Kontinent. Innerhalb weniger Jahre vervielfachten sich die mechanischen Spinnereien in Sachsen. 1798/99 arbeiteten die ersten beiden in Chemnitz, 1812 gab es bereits 23 Spinnereien mit 135000 Spindeln in Sachsen. Seide entsteht aus dem Gespinst der auf Maulbeerbäumen lebenden Raupe des Seidenspinners. Die meisten der merkantilistischen Versuche, Seidenraupenkulturen in Deutschland heimisch zu machen, scheiterten. Deshalb war die Seidenverarbeitung nördlich der Alpen von Rohseideimporten abhängig; sie kamen überwiegend aus Oberitalien. Hilfskräfte, Frauen und Jugendliche, mußten die Rohseide zwirnen und winden. Seide wurde im Garn gefärbt, Endprodukte aus Seide waren glatte, geblümte oder gemusterte ganzund halbseidene Tuche, Samt und Bänder. Lange blieben Erzeugnisse aus Seide Luxusartikel. Dies ließ die Seidenweberei im 17. und 18. Jahrhundert als geeignetes Objekt zur Gründung von Manufakturen erscheinen, von denen freilich die älteren oft schon nach wenigen Jahren scheiterten. Das Projekt des „Seidenhauses" in der Münchener Au überdauerte nur die sieben Jahre von 1669 bis 1676. Seidenwaren entwickelten sich nach 1650 von Luxus- zu Massenartikeln. Die Mode favorisierte Bänder aus Seide und Samt an Kleidungsstücken; damit schmückten sich auch ländliche Bevölkerungsschichten. Wegen der Kostbarkeit des Rohstoffs beherrschten Kaufleute als Verleger oder Manufakturunternehmer das Seidengewerbe. Die Seidenbandwirkerei wurde im Verlag betrieben, der auch ländliche
Die Mechanisierung des Spinnens
Die Seidenweberei
Luxusartikel
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Gewerbetreibende umfaßte. Die vorbereitenden Arbeitsgänge bei der Produktion der Seidenzeuge, das Färben, Wickeln, Scheren, konzentrierten sich in zentralen Werkstätten, die Herstellung des Fertigproduktes übernahmen Seidenweber. Sie waren überwiegend selbständige, zünftige Handwerker und arbeiteten in eigenen Werk-
stätten. Die Schweiz verdankt ihre führende Rolle in der Seidenweberei im Ancien Regime italienischen und französischen Einwanderern. Es dominierte die Bandwirkerei, die nach 1620 von Basel aus im umliegenden Baselbiet eingeführt wurde. Dort standen die 1786 gezählten 2206 Bandmühlen; sie gehörten in der Mehrzahl Basler Ex-
portkaufleuten. Kölns Rang als rheinisches Zentrum
des Seidengewerbes übernahm im 18. Jahrhundert Krefeld. Die Seidenhändler von der Leyen richteten hier in den 1720er Jahren Produktionsstätten ein. Der linke Niederrhein lag um 1790 nach Zahl der Webstühle noch vor den mittleren preußischen Provinzen. Die meisten der dezentralisierten Manufakturen befanden sich in Berlin. Sie waren unter der Herrschaft von König Friedrich Wilhelm I. entstanden und erlebten zahlreiche Rückschläge, ehe sie gegen Ende des Jahrhunderts dank der staatlichen Protektion hinreichend Absatz fanden.
Bekleidungsgewerbe Nach ihrem Umfang und
4.4 Die Schneider
dem Alter ihrer Zünfte gehörten die Schneider zu den bedeutendsten Gewerben der vorindustriellen Zeit. Gewerbezählungen des 18. Jahrhunderts wiesen ihnen unmittelbar hinter den Schuhmachern den zweiten Rang unter den Handwerken außerhalb des Textilsektors zu. In den Territorialstaaten entfielen etwa 15% aller Meister auf die Schneider. In großen Städten saßen oft Hunderte von ihnen. Sie rangierten zu jener Zeit unter den ärmsten Gewerben, wie das geringe Vermögen und die kleine Zahl der Gehilfen ausweisen. Schon ausgangs des Mittelalters lagen die Löhne der Schneidergesellen unter dem Durchschnitt. Vieles spricht dafür, daß sich die Lage des gesamten Handwerks im 17./18. Jahrhunderts erheblich verschlechterte. Innerstädtisch konnten die Schneiderzünfte weder den Zugang zu ihrem wenig kapitalintensiven Gewerbe blockieren, noch Arbeit für sich reservieren, auch nahmen ihnen Änderungs- und Flickschneider Aufträge weg. Zu diesen „Pfuschern" sind auch die vom Staat geduldeten Invaliden und Soldaten zu rechnen. Weitere Konkurrenz saß auf dem
4. Die einzelnen
Lande.
Ungeachtet
der
zünftigen
33
Gewerbezweige Proteste
stieg
dort die Zahl der
Schneider, die zumeist auf der Stör, d.h. im Hause der Kunden,
ar-
beiteten. Ein wichtiges kleineres Bekleidungsgewerbe war die Strumpf- Strumpfweber weberei. Französische Refugianten vermittelten im 17. Jahrhundert die Technik des Wirk- oder Handkulierstuhls. Er erleichterte die Herstellung von Maschengeweben. Die Strumpfweberei nach französischer Art konzentrierte sich zunächst auf Städte mit großem Anteil von Hugenotten, auf Frankenthal, Hanau, Erlangen und Bremen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts konkurrierten ländliche Anbieter mit den älteren Strumpfweberzentren. Zugleich erweiterte sich das Sortiment, neben Strümpfen aus Wolle kamen solche aus Baumwolle und Leinen in Mode. Die Strumpfweber wurden von Kaufleuten verlegt, die das Garn lieferten und teilweise die Schlußarbeiten organisierten. Als Zentren der städtischen Strumpfweberei hielten sich bis 1800 Apolda, Erlangen, Schwabach, Magdeburg und Halle. Zwar löste die Wirktechnik in den meisten Gegenden das Handstricken von Wollstrümpfen ab, doch im Südwesten kam als gegenläufige Bewegung im 17./18. Jahrhundert die Strickerei (Lismerei) als ländliches und kleinstädtisches Gewerbe auf. Die Stricker stießen mit ihren billigen Waren für Landbewohner in Marktlücken, die ihnen die Strumpfwirker überlassen hatten. Der älteste Hinweis auf die Spitzenklöppelei in Sachsen datiert Die Spitzenvon 1561. Sie ging auf Anregungen aus Italien und Flandern zurück. kloPPelel Um 1600 sollen 10000 Menschen Arbeit in diesem Gewerbe gefunden haben, das bis 1800 eines des wichtigsten im westlichen und mittleren Erzgebirge blieb. Gemeinsames Merkmal der Strickerei und Spitzenklöpplerei war der hohe Anteil von Frauenarbeit. Die Produkte wurden von Hausierern und Krämern aufgekauft; der Verlag herrschte vor. Rohmaterial für die Hutmacher war präparierte Wolle, die auf Hutmacher einer Form Gestalt erhielt und in einem zweiten Arbeitsgang geglättet oder „staffiert" wurde. Als Modegewerbe weit verbreitet, bildeten die Hutmacher im 16./17. Jahrhundert Stadt- und Regionalzünfte. Ihr Gewerbe verfiel später und überlebte nur in einzelnen Orten wie Erlangen in Kleinmanufakturen. Als bedeutendes Gewerbe läßt sich in armen Gegenden das Flechten von Hüten aus Strohfiechter Stroh bis in das späte 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Kinder und Frauen fertigten Hüte, die Kompagnien z. B. aus dem Schwarzwald und dem Aargau bis nach Italien exportierten.
34 4.5 Die Gerber
I
Enzyklopädischer Überblick
ledererzeugenden
und -verarbeitenden Gewerbe
Nach Gerbstoff und -technik gliederten sich die Gerber in drei Hauptgruppen: die Loh- oder Rotgerber bearbeiteten Häute mit Eichenrinde, die Weißgerber verwendeten Alaun zur Herstellung dünnerer Ledersorten (u.a. zur Bekleidung), die Sämischgerber oder Ir-
cher walkten Häute mit Tran oder Fett. Diese Spezialisierung war Ergebnis eines im 15./16.Jahrhundert beginnenden Prozesses, in dem sich nicht nur die einzelnen ledererzeugenden Berufe, sondern diese sich auch von den lederverarbeitenden Berufen abgrenzten. Lange hatten Schuhmacher und Lohgerber, Weißgerber, Riemer und Sattler gemeinsame Arbeitsfelder besessen, und noch nach 1700 gehörten sie in kleineren Orten gemeinsamen Zünften an. Die Lohgerber unterschied von den Weißgerbern die längere Dauer des Gerbverfahrens. Lohgerber benötigten deshalb ein hohes Betriebskapital. Ihren Platz unter den angeseheneren Berufen verdanken sie nicht zuletzt dem Lederhandel. Standortbildend für die Lohgerberei waren sowohl die Nähe von Viehzuchtgebieten als auch das Vorkommen von Eichenwäldern. Während die im 16. Jahrhundert modische Weißgerberei nach 1650 verfiel, verlagerten sich die Schwerpunkte der Lohgerberei von den größeren in die kleineren Städte, zugleich expandierte die ländliche Gerberei. Die handwerkliche Betriebsform dominierte, die wenigen arbeitsteilig organisierten Betriebe, etwa die 1762 in München gegründete Sohlledermanufaktur, hatten mit großen Absatzproblemen zu kämpfen. Schuhmacher Die Schuhmacher befriedigten ein Grundbedürfnis der vorindustriellen Gesellschaft. In Bremen errechnete die Zunft der Altschuhmacher 1799 für 35000 Einwohner einen jährlichen Bedarf an 180000 Paar Schuhen, 20000 Paar Stiefeln und 20000 Paar Pantoffeln. Schuhmacher stellten deshalb um 1800 den größten gewerblichen Einzelberuf; auf tausend Einwohner kamen schätzungsweise fünf Schuhmacher. Sie waren in den einzelnen Regionen unterschiedlich auf Stadt und Land verteilt. Während sich im östlichen Deutschland die Schuhmacher in den Städten konzentrierten, waren im Westen und Süden Landschuster ähnlich stark vertreten wie städtische. Dieser Befund für die Zeit an der Wende zum 19. Jahrhundert ist Ergebnis langfristiger Entwicklungen. Die Position der städtischen, zünftigen Schuhmacher, die ein Monopol für die Belieferung des Umlandes beanspruchten, wurde zusehends schwächer. Seit dem 16. Jahrhundert registrierte man immer mehr Schuster in Dör-
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Gewerbezweige
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integrieren, versuchten vor allem die Zünfte im Südanderen Gegenden blieben die Landschuster strikt von denen in der Stadt getrennt. Diesen drohte mehrfach Gefahr. In größeren Orten nahmen ihnen Altflicker Reparaturarbeiten ab, Pantoffelmacher die Herstellung von Hausschuhen. Zudem waren Schuhe Exportartikel. Teure Modeprodukte wurden von Galanteriewarenhändlern verkauft, Massenware von auswärtigen Schuhmachern. In vielen Regionen gab es kleine und mittlere Städte, in denen eine relativ große Zahl von Schuhmachern davon lebte, daß sie auf Jahrmärkten Schuhe feilhielten. Meistens war in solchen Schusterstädten wie Preetz, Blomberg, Kamen und Eschwege eine gemeinsam betriebene Lohmühle sowie eine große Gesellenzahl Voraussetzung für den Schuhexport. Wegen des Absatzes für Märkte fertigten z. B. die Schuhmacher in Helmstedt nur 6% aller Schuhe auf Bestel-
fern. Sie
zu
westen. In
Schuhhandel
lung.
Die soziale Lage der Schuhmacher im 18. Jahrhundert muß weder unterschiedlichen Absatzchancen differenziert beurteilt wergen den. Selbst in den größeren Städten zählten sie nicht zu den ärmsten Handwerken. Dies verdankten sie nicht zuletzt ihren Zünften, die die Errichtung von Manufakturen verhinderten. Der anhaltende Zuzug von auf dem Lande geborenen Schuhmachern in die größeren Städte, die Konkurrenz der Landschuster für die kleineren Städte engten allerdings die Möglichkeiten, Käufer zu finden, zunehmend ein. Im Gegensatz zu den Schuhmachern waren die übrigen lederverarbeitenden Berufe nur in größeren Städten zu finden. Ihre Zahl blieb gering. Das Berufsbild der Riemer, Sattler, Beutler und Gürtler erfuhr nach 1500 viele Änderungen. Am gravierendsten fiel der Wandel bei den Gürtlern aus, deren Tätigkeit sich vom Anfertigen der Ledergürtel zum Messingguß verlagerte. Die Verarbeitung von Fellen durch Kürschner stand um 1600 selbst in mittleren Städten noch in voller Blüte. Importe, modische Einflüsse und Konkurrenz der Schneider führten dazu, daß sich das Kürschnergewerbe auf Breslau und Leipzig konzentrierte. 4.6 Die
Nahrungs-
und
Gürtler
GenußmittelhersteUung
Die Bäcker mußten sich strengeren Produktionskontrollen als andere Gewerbe unterwerfen. Auch außerhalb von Hungers- und Kriegszeiten schützten die städtischen Räte die Konsumenten und beaufsichtigten Getreidehandel, Brotherstellung und -verkauf. Des-
Bäcker
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Fleischer
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Enzyklopädischer Überblick
halb wurde der Brotpreis in Taxen festgesetzt. Obrigkeitliche Maßnahmen zur Preisdämpfung verhinderten nicht, daß die Bäcker trotz relativ niedriger Gesellenzahlen im Durchschnitt zu den vermögendsten Handwerken gehörten. Ihre Steuerleistungen und ihr Hausbesitz belegen das. Bereits das Ausüben des Gewerbes hing überwiegend ab vom Besitz eines dinglichen Rechts, um Backhaus oder -ofen betreiben zu können. Ein solches Realrecht kostete z.B. zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Schwäbisch Hall 1000 bis 2000 Gulden. Die Verbindung von Backhandwerk und Realrechten förderte die Kontinuität einzelner Familien in diesem Beruf, die Zahl der Stellen blieb begrenzt. Selbst in einer wachsenden Residenz wie München stieg die Zahl der Bäcker und verwandter Handwerker zwischen 1500 und 1802 kaum. Charakteristisch für größere Städte war eine Auffächerung des Bäckerhandwerks. Nach der verwendeten Getreidesorte Weizen oder Roggen unterschied man Weiß- und Grobbäcker. „Nachbäkker", eine treffende Augsburger Berufsbezeichnung, buken gegen Lohn angerührten Teig. Spezialisierte Kuchenbäcker, etwa die Nürnberger Lebküchner, sind seit dem 16. Jahrhundert in großen und mittleren Städten zu finden; im 18.Jahrhundert kamen Konditoren hinzu. Da die Landbevölkerung für den Eigenbedarf backte, blieb das Bäckergewerbe überwiegend auf die Städte beschränkt; feinere Brotsorten lieferten Brotträger von der Stadt auf das Land. Als regionale Sonderfälle sind die für die Schiffahrt backenden Störkringelbäcker in den Elbmarschen oder die Honigkuchenbäcker im westfälischen Borgholzhausen einzuordnen. Die Geschichte der Fleischer (bzw. Schlachter, Metzger oder Knochenhauer je nach landschaftlichem Sprachgebrauch) weist viele Parallelen zu der der Bäcker auf. Auch die Fleischer standen unter obrigkeitlicher Aufsicht, damit kein verdorbenes Fleisch zum Verkauf kam. Nur selten ließen die etablierten Familiendynastien Außenseiter in das Handwerk eindringen. Sie hielten kaum fremde Gesellen. Eine Ursache für das Stagnieren der Zahl der Fleischer (einer pro Tausend Einwohner) dürfte der nach 1500 rückläufige Fleischkonsum gewesen sein. Wegen der Beschaffung von Schlachtvieh war beträchtliches Kapital nötig, um überhaupt das Gewerbe ausüben zu können. Fleischer betrieben häufig Viehhandel, Fleischverkauf und Häuteverwertung nebeneinander. Wegen der Nähe zum Handel war das Fleischergewerbe eines der wenigen, in dem Juden in begrenztem
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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Maße geduldet wurden. Im 17./18. Jahrhundert häuften sich Nachrichten über jüdische Schlachter, die außerhalb der Zünfte Fleisch lieferten. Im gleichen Zeitraum entstand in Nordwestdeutschland die Hausschlachterei als eigenständiger Beruf. Hausschlachter arbeiteten gegen Lohn für Bewohner in der Stadt, wie überhaupt das Fleischerhandwerk in seiner Gesamtheit fast ausschließlich auf die Städte beschränkt blieb. Getreide- und Ölmühlen verarbeiteten Produkte der Landwirt- Müller schaft. Ihr Standort war das Land, dort saßen rund vier Fünftel aller Müller. Mühlen hingen ursprünglich von der Grundherrschaft ab: dem Grundherrn stand das Recht zu, Mühlen zu errichten. Mit dem Zerfall der Grundherrschaft im hohen Mittelalter wurden Mühlen zu Kundenbetrieben und Handelsunternehmen. Wegen der Kapitalintensität des Betriebs besaßen die Müller in der Regel die Mühlen nicht als Eigentum, sondern nahmen sie in Pacht. Die Ausrüstung der Mühlen wechselte von Landschaft zu Landschaft ebenso wie die Vielfalt der Nutzung durch Nebenbetriebe. In der Tiefebene und auf Hochflächen, wo Wasserkraft fehlte, boten Windmühlen Alternativen. Holländer- und Paltrock- Windmühlen Windmühlen ersetzten im 17. Jahrhundert die mittelalterliche Technik der Bockwindmühle. Bei kommerzieller Nutzung reihten sich Mühlen zu Gruppen aneinander. An der Pegnitz bei Nürnberg lagen 68 Mahlmühlen, die zugleich als Säge-, Schleif-, Papier- und Walkmühlen dienten. Vor Stralsund standen um 1600 dreizehn Windmühlen, von denen drei allein für den Mehlexport arbeiteten. Unter den Kulturpflanzen, die aus Amerika nach Europa ge- Die Tabaklangten, gewann der Tabak die größte gewerbliche Bedeutung. Zu- verarbeitung meist geht in Deutschland eigene Tabakverarbeitung auf niederländischen Einfluß zurück. Religionsflüchtlinge verbreiteten nach 1597 die Technik des Anbaus und der Herstellung von Schnupf-, Kauund Rauchtabak. Hanau war um 1640 ein frühes Zentrum. Die nordwestdeutschen Tabakplätze entstanden längs der von Amsterdam ausgehenden Handelsrouten. Gegen 1800 bezog Bremen mit seinen 1500 Beschäftigten im Tabakgewerbe Rohtabake direkt aus Übersee. Zünftige Gebundenheit fehlte, es überwogen Kleinmanufakturen mit weniger als zehn Beschäftigten. Unternehmer waren oft die Importeure des Rohtabaks. Aus fiskalischen Gründen favorisierten die Territorialstaaten Betriebe unter ihrer Regie. Die 1723 eingerichtete Kaiserliche Tabakfabrik in Österreich war die dauerhafteste Gründung dieser Art. Kaufleute sorgten im späten 16. Jahrhundert in Augsburg und Zuckerraffinerien -
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Bierbrauer
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Enzyklopädischer Überblick
Hamburg für die Errichtung der ältesten Zuckerraffinerien. Es herrschten kleinere und mittlere Betriebe mit höchstens 50 Beschäftigten vor. Wichtigste Standorte für die Weiterverarbeitung von Rohrzucker waren die Hafenstädte, allen voran Hamburg. In 400 Betrieben arbeiteten 1800 10000 Menschen. Im Norden Deutschlands übertraf im 16./17. Jahrhundert kein anderes Getränk das Bier an Beliebtheit. Erst Kaffee und Tee drängten es zurück. Zu Bier gab es in Städten schon aus hygienischen Gründen keinen Ersatz. Der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch im 16. Jahrhundert wird auf rund einen Liter geschätzt. Erheblich weniger Bier verbrauchte der Süden, der Wein und Obstmost bevorzugte. Erst im Laufe des 16. Jahrhunderts und später eroberte das Bier hier neue Konsumentenschichten und wurde zu einem Massengetränk. Im Bereich der Hanse produzierte fast jede Stadt ihre eigene Sorten, einige, wie das Einbecker, erlangten überregionale Berühmtheit. Starke Biere verdarben nämlich nicht beim Transport und waren Ausfuhrgüter insbesondere der Hafenstädte. Danzig und Hamburg wurden zwischen 1500 und 1550 mit einer Jahresproduktion von 200000 Hektolitern veranschlagt. Die Mitte des 16. Jahrhunderts markiert einen Wendepunkt. Danach sank der Bierausstoß der großen und mittleren Brauzentren deutlich. Brauereien in Kleinstädten und auf dem Lande, gefördert durch den Adel, drängten die Exportbiere zurück. Brauhäuser im Umfeld der Städte entstanden im 16./17. Jahrhundert im Süden. Während allerdings dort das Braugewerbe im kleingewerblich-zünftigen Rahmen verharrte, fielen im Norden die Funktionen von Unternehmer und Produzent auseinander. Brauherrn, im Besitz der Braugerechtigkeit, beschäftigten Meister und Brauknechte in Lohnarbeit. 4.7 Die holzverarbeitenden Gewerbe
Auf den gesamten Sektor der holzverarbeitenden Gewerbe entfiel knapp ein Zehntel aller Gewerbetreibenden. Eine Vielzahl einzelner Berufe verwertete den Werkstoff Holz mit sehr unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen. Produkte aus Holz sicherten Grundbedürfnisse der Bevölkerung in Stadt und Land. Dies erklärt die relativ große Verbreitung von Tischlern und Rademachern. In Zentren von Gewerbe, Handel und Verkehr entstand eine erhöhte Nachfrage nach Erzeugnissen von Böttchern und Schiffszimmerleuten. Holz diente in Gegenden, die sonst über keine Rohstoffe ver-
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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zur spezialisierten Warenproduktion für mehr oder minder weit entfernte Märkte. Der Beruf des Tischlers entstand erst nach langen Auseinander- Tischler Setzungen mit verwandten Berufen. Tischler mußten sich von Wagnern, Drechslern und Zimmerleuten abgrenzen. Je kleiner Orte waren, um so länger deckten Tischler andere Gewerbe mit ab. Tischler waren oft Universalhandwerker. Die Unterscheidung zwischen Bautischlern und Zimmerleuten beschäftigte noch um 1750 die Behörden, die die Zünfte zu beaufsichtigten hatten. Die preußischen Generalprivilegien übernahmen 1734 Sprüche des wendischen Hansequartiers des 16.Jahrhunderts: kein Zimmermann dürfe Leim, wohl aber der Tischler den Hobel verwenden. Solche Urteile boten eine grobe Möglichkeit zur Abgrenzung. Zimmerleute besaßen im Gegensatz zu Tischlern keine Werkstatt im eigenen Haus und stellten auch keine wegtragbaren Produkte her. Ein Vergleich der Regionen zeigt ähnliche Entwicklungen: Zwischen 1500 und 1650 erzwang die Konkurrenz der ländlichen Tischler selbst in kleineren Städten den Zusammenschluß zu Zünften. Im gleichen Zeitraum trennten sich gemeines Handwerk, die Bau- und Möbeltischler, vom Kunsthandwerk, den Bildschnitzern. Letztere blieben ein freies Gewerbe. Der Markt für Möbeltischler Die Möbelteilte sich nach Käuferschichten in Segmente auf. Den Kistenma- nerstelluns ehern für einfachen, örtlichen Bedarf standen Schreiner gegenüber, die die Kunst des Furnierens aufs höchste entwickelten und Luxusmöbel für den Adel in ganz Europa lieferten. Über diesen höfischen Bedarf hinaus zeichnete sich um 1800 die Fertigung von Möbeln auf Vorrat ab. In größeren Städten boten Magazine importierte Ware für die gehobenen Mittelschichten an. Teilweise in Konkurrenz zu den Tischlern stellten Drechsler Stühle und Teller her. Sie lieferten ferner anderen Handwerkern Geräte, so dem Textilgewerbe Spinnräder und Haspeln. Drechsler, vielleicht die vielseitigsten Handwerker, fertigten auch Spielzeug an. In der frühen Neuzeit verlagerte sich, weitgehend unter Regie von Spielzeugwaren Kaufleuten, die Produktion der Spielwaren und anderer Artikel aus Holz (Schüsseln, Teller und Schachteln) in Gebirgsregionen. Die Bewohner dort waren auf Zuerwerb angewiesen. Aus gelegentlicher heimgewerblicher Arbeit erwuchsen Industrien mit weit gestreutem Absatz im Berchtesgadener Land, im Salzkammergut und Viechtau, im Thüringer Wald mit Zentrum um Sonneberg, im Erzgebirge um Seiffen. Gleichermaßen arbeiteten die Bildschnitzer in Oberammer-
fügten,
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Enzyklopädischer Überblick
gau und im Südtiroler Grödner Tal sowie die Musikinstrumentenmacher im Vogtland (Markneukirchen und Klingenthal) für den Export. Die Einbindung in kaufmännisch organisierte Verlagssysteme prägte diese holzverarbeitenden Gewerbe ebenso wie die Qualitätskontrolle durch Zünfte. Zur Vorratshaltung und zum Versand von Waren benötigte die Wirtschaft Fässer und Tonnen. In Hafen- und Messestädten, in der unmittelbaren Nähe großen Bedarfs, konzentrierten sich die BöttBöttcher eher so sehr, daß ihre Tätigkeit noch weiter aufgefächert wurde nach der Größe der hergestellten Behältnisse. Leipzig kannte Großund Kleinbinder, Bremen Tonnenmacher und Kimker. Im Umfeld der Salinen mußten Tonnen bereitstehen. Da die Böttcher in den See-, Messe- und Salzstädten relativ fern von größeren Waldungen lebten, gerieten sie oft in Abhängigkeit von den Holzhändlern. Die Schiffszimmerleute in den Hansestädten trennten sich im Schiffszimmerleute Spätmittelalter von den Hauszimmerern und wurden dort mit Ausnahme Bremens zünftig. Auf den Werften stand einer großen Anzahl von Werkleuten eine kleine Gruppe von Meistern gegenüber; beide hingen vom Kapital der Reeder ab. Der Schiffahrt lieferten auch die Seiler zu, die aus Hanf Taue, Seile und Gurte herstellten. Seiler Auf den Reeperbahnen der Hafenstädte leisteten viele ungelernte Hilfskräfte die Vorarbeiten. Binnenländische Seiler waren in kleineren Betrieben organisiert. Speziell auf den Bedarf ländlicher Kundschaft waren die Stell- und Rademacher eingerichtet. Alle Verbote des Landhandwerks nahmen sie aus, weil die Bauern auf ihre Arbeit Rademacher angewiesen waren. Rademacher sind deshalb in allen Territorien auf dem Land mindestens so stark wie in der Stadt vertreten gewesen. Vielerorts beklagten sich die städtischen Rademacher über die Konkurrenz aus den umliegenden Dörfern. Auf das Land zugeschnitten war auch die Korbmacherei als typisches Nebengewerbe für ländliche Unterschichten. Der Beruf hing vom Vorkommen der Weiden oder anderer geeigneter Hölzer ab. Korbmacher bildeten nur dann städtische Zünfte wie in Nordwestdeutschland, wenn aufgrund von Weiden im Umland die natürlichen Voraussetzungen gut waren.
4.8 Die
Baugewerbe
Holz, Ziegel und Steine dienten als Baumaterial. Als der ursprünglichere Stoff ermöglichte Holz ein billigeres Bauen, Bauten aus
Stein machten
langwierige
Vorarbeiten erforderlich. Während
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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verfügbar war, mußte Stein gebrochen und oft über große Entfernungen zur Baustelle transportiert werden. Ziegel für Backsteinbauten wurden in Gegenden verwendet, in denen Natursteinvorkommen in wirtschaftlich vertretbarer Entfernung fehlten, Holz rasch
in Norddeutschland schon seit dem 12. Jahrhundert. Mehrere Umstände trugen in den Städten zur Verbreitung von Das Vordringen der Steinbauten anstelle der Fachwerkbauten aus Holz bei: die Obrig- Steinbauten keit favorisierte Stein, um die Feuergefahr einzudämmen; Holz wurde ein knapper Rohstoff; Steinbauten galten als repräsentativ. Neben Sakralbauten und öffentlichen Gebäuden hatten sich private Massivbauten aus Stein schon im 15. Jahrhundert in den bayerischösterreichischen Städten durchgesetzt, nach 1650 wurde Fachwerk aus allen Urbanen Zentren verdrängt. Fachwerk hielt sich vor allem in den Landstädten und Dörfern bis in das 19.Jahrhundert; es hatte seine höchste Blüte während eines Baubooms zwischen 1550 und 1620 erfahren. Baugewohnheiten und -Vorschriften bestimmten die Nachfrage nach den Leistungen der Bauhandwerker. Trotz des Vordringens der Steinbauten bildeten die Zimmerleute um 1800 das größte Bau- Zimmerleute gewerbe. Es hatte seinen Standort überwiegend auf dem Land und machte von dort sogar den städtischen Zimmerern Konkurrenz, denn selbst in steinernen Massivbauten war Zimmerarbeit wegen der hölzernen Ausbauten und Innenteile notwendig. Die Arbeitsge- Steinmetze und biete von Steinmetzen und Maurern lagen eng beieinander und wa Maurer ren oft ungetrennt. Die größere Qualifikation durch längere Ausbildung zeichnete die Steinmetzen aus. Sie behauten die Steine und führten das Fenstermaßwerk aus, ihnen oblag die Bauleitung. Maurer hingegen errichteten die Rohbauten, des weiteren wurden ihnen Hilfsarbeiten übertragen. Maurer übernahmen auch die Aufgaben von Spezialisten wie die Tüncher bzw. Weißbinder oder Dachdekker, deren Beruf sich nur allmählich von dem der Maurer ablöste. Der Übergang vom Holz- zum Steinbau ließ das Gewerbe der Kleiber, die Gefache mit Lehm bestrichen hatten, untergehen und das der Maler, die Häuser anstrichen, neu entstehen. Maurer, Steinmetze und Zimmerleute bildeten größere Betriebe als andere Handwerke. Die Zahl der Arbeitskräfte am Bau hing von dem Umfang und der Dringlichkeit des Bauvorhabens ab. Mehrere Dutzend Gesellen und Handlanger waren auf privaten Baustellen Großbetriebe keine Seltenheit. Bei öffentlichen Bauten reichten die Kapazitäten der lokalen Werkstätten nicht aus, zusätzliche fremde Kräfte mußten angefordert werden. Die hohe Mobilität spezialisierter Bauhand-
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werker resultierte aus solchen Aufträgen. In den Bauberufen finden wir allerdings nicht nur die Bereitschaft zu Fernwanderungen. Ein erheblicher Teil der städtischen Gesellen verzichtete auf die Wanderschaft und besaß Familie. 4.9 Die papierherstellenden und -verarbeitenden Gewerbe
Nicht wegen ihrer zahlenmäßigen, sondern wegen ihrer kulturellen Bedeutung nehmen die Papiermacher, Buchdrucker und -binder einen besonderen Rang in der Geschichte der Neuzeit ein. Das Papier trat schon im Laufe des 15. Jahrhunderts als Beschreibstoff an die Stelle des Pergaments. Von Spanien und Italien her hatte es Mitteleuropa erreicht. Im Süden Deutschlands, in den Handelszentren Nürnberg (1390), Basel, Ravensburg und Augsburg, entstanden die bedeutendsten älteren Papiermühlen. Gab es zur Mitte des 15. Jahrhunderts weniger als ein Dutzend, so wuchs die Zahl der PaPapiermühlen piermühlen bis 1600 auf 190. Während die ältesten noch vom Fernhandel abhingen, lieferten die Gründungen des 16./17. Jahrhunderts an benachbarte Buchdrucker. Häufig ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Einrichtung einer Buchdruckerei und einer Pa-
Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Papiers
piermühle
Der Buchdruck
festzustellen. Die Standorte der Papiermühlen wurden durch Produktionsprozeß bestimmt. Sie konnten nur dort errichtet werden, wo reichlich sauberes Wasser zur Verfügung stand, also außerhalb der Städte. Das Vorhandensein des Rohstoffs Lumpen begünstigte die Ballung von Papiermühlen in den Leinenlandschaften Allgäu und Westfalen. Wegen der hohen Anfangsinvestitionen kam es bei den ältesten Papiermühlen zum Verlag durch Kaufleute. Später nahmen die Papiermacher eine Zwischenstellung zwischen Handwerk, Verlag und Manufaktur ein. Die Betriebsform hing von der Anzahl der Bütten pro Papiermühle ab. In den von Kaufleuten betriebenen Papiermühlen der Region um Düren waren um 1800 bis zu sechs Bütten aufgestellt und z.T. 60 Arbeiter beschäftigt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts kombinierte Johann Gutenberg mehrere eingeführte handwerkliche Verfahren zur neuen Technik des Setzens von beweglichen Lettern. Man schätzt, daß der Buchdruck die Kosten der Herstellung z. B. einer Bibel gegenüber einer vergleichbaren Handschrift um die Hälfte verringerte. Er breitete sich innerhalb weniger Jahrzehnte in ganz Europa aus. Allein im deutschsprachigen Raum wurden bis 1500 Druckereien in knapp 60 Orten gegründet, allein in Köln standen 1480 zehn. Ohne den
4. Die einzelnen
Gewerbezweige
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Buchdruck und die damit verbundene rasche und preisgünstige von Ideen und Informationen hätte die Reformation sich kaum so rasch durchgesetzt, wie umgekehrt die Drucker von der Vielzahl der Streitschriften profitierten. In den Druckereien, in denen eine Tendenz zum Großbetrieb herrschte, setzte noch vor der Reformation eine Arbeitsteilung ein. Die größte Offizin der Jahrzehnte um 1500, Koberger in Nürnberg, hatte zeitweilig über 100 Beschäftigte. Im 16. und 17. Jahrhundert hielt sich bei ständig zunehmender Zahl der Druckereien Köln als führende Stadt mit 150 nachgewiesenen Druckern bis 1700 vor Frankfurt am Main (90), Nürnberg (87) und Leipzig (86). Der Messeplatz Leipzig stieg im 18. Jahrhundert zum führenden Verlags- und Druckort auf. Unter 17 Leipziger Druckereien waren Breitkopf & Härtel als größter Betrieb mit bis zu 80 Beschäftigten 1799 als Manufaktur organisiert. Während Setzer und Gießer weiterhin zu den Druckern gerechnet wurden, bildeten die Buchbinder im Laufe des 16. Jahrhunderts einen eigenen, kleingewerblichen Beruf an den Orten der Druckereien heraus.
Weitergabe
Buchbinder
Verarbeitung der Steine und Erden Der Übergang zu einer Bauweise, die Holz durch Stein ersetzte, Die wachsende nach vergrößerte die Nachfrage nach Baustoffen. Damit erhielten bisher Nachfrage Baustoffen marktferne Regionen zusätzliche Gelegenheit zu gewerblicher Be4.10 Die
schäftigung. Durch Abbau und Zuschneiden von Schiefer lieferten entlegene Teil der Mittelgebirge Dachbedeckungen, die an die Stelle von Stroh traten. Bei günstiger Lagerung des Kalksteins etablierten
sich Kalkbrennereien, die das Bindemittel für Mauerwerk und Mörtel über den örtlichen Bedarf hinaus absetzten. Dort vor allem verdrängten im 18. Jahrhundert Schachtöfen die primitiven Meiler. Die Technik der Ziegelherstellung kam wenig voran: Die Ziegel wurden mit der Hand geformt und in Feldfeuern gebrannt. Fast überall Ziegler konnten sie relativ billig erstellt werden. Allerdings stieg die Zahl der Ziegeleien in einigen niederdeutschen Gebieten (u.a. Ostfriesland, Mecklenburg) im 18. Jahrhundert beachtlich an. Absatz in mittlerer Entfernung ist hier nachzuweisen. Glashütten waren ausgangs des Mittelalters dort zu finden, wo Glashütten drei Rohstoffe leicht zu beschaffen waren: Holz für die Pottasche und für das Schmelzen, Quarzsand und Kalkstein. Da das Gemenge der Rohstoffe großer Hitze ausgesetzt werden mußte, gab in der Re-
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gel
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Waldreichtum den Standort vor. Zentren der Glasmacherei waoft fernab der Verkehrswege gelegene Siedlungen im Schwarzwald, im Bayerischen Wald und in der Oberpfalz, im Spessart, in Hessen, Thüringen und im Solling. Im frühen 17. Jahrhundert kam das Saarland hinzu, in dem sich um 1750 die Kohle als Brennstoff durchsetzte. Glashütten waren mittelgroße Betriebe mit etwa zwanzig Beschäftigten, die arbeitsteilig miteinander kooperierten. Lange verteidigten die Glasmacher ihre ökonomische Unabhängigkeit, um 1800 häuften sich jedoch Klagen über die Macht der Glashändler. Glas für den gehobenen und Luxusbedarf wurde im 18. Jahrhundert in staatlich geförderten Manufakturen erzeugt. Zu den berühmtesten Spiegelmanufakturen gehörten Neustadt an der Dosse, Amelith und Grünenplan. Keramik Unter den Sammelbegriff Keramik fallen tonhaltige Werkstoffe, die in großer Hitze, meist über 800 °C, behandelt werden. Nach Glasur und Sinterung läßt sich Keramik weiter klassifizieren in Irdenware, Steinzeug, Fayence, Porzellan und Steingut. Irdenware Irdenware wurde nicht gesintert und niedrig gebrannt, mit Blei oder gar nicht glasiert, z.T. bemalt. Töpfer und Hafner stellten Irdenware als Gebrauchs- und Ziergeschirr oder als Ofenkacheln her. Sie versorgten ein kleines Umfeld mit Waren für Vorratshaltung, Küche und Tisch. Die Zahl der Töpferorte in Mitteleuropa wird um 1800 auf mehrere tausend geschätzt. Überall, wo Ton vorkam, saßen Töpfer in Stadt und Land. Sie arbeiteten in kleinen Betrieben selbst dann, wenn sie wie in Marburg oder im niederbayerischen Kröning für entferntere Märkte produzierten. In säurefestem und wasserundurchlässigem Steinzeug lagerten steinzeug die Haushalte Essig, Öl und anderen Vorrat; Getränke wurden darin abgefüllt. Steinzeug war deshalb im 18. Jahrhundert Massenware. In Teilen Sachsens und Schlesiens sowie im Westerwald ballten sich die zumeist zünftig organisierten Kannen- und Krugbäcker, die der handwerklichen Betriebsform verhaftet blieben. Den Absatz übernahmen Kaufleute und Faktoren. Die Fayence mit milchigweißer Zinnglasur drängte bald nach Fayence 1500 von Italien her auf den oberdeutschen Markt; frühe Produktionsstätten entstanden in Schwaben und Franken. Größere Bedeutung gewann Fayence durch die Manufakturgründungen, zuerst in Hanau 1661, dann in Frankfurt (Main) 1666 und Potsdam 1678. Die ältere deutsche Fayence sollte das fast unbezahlbare chinesische Porzellan verdrängen. Erst der Übergang von der Luxus- zur Gebrauchsgüterproduktion ließ die zahlreichen Neugründungen des ren
4, Die einzelnen
Gewerbezweige
45
18. Jahrhunderts
fast jede Region besaß eine Fayencemanufaktur wirtschaftlicher arbeiten. Wichtigster Bestandteil des Porzellans ist Kaolinerde, die im Porzellan Gemenge mit Quarz und Feldspat geformt und bis zu mehr als 1400°C gebrannt wird. Nach jahrelangem Experiment erfand J. F. Böttger 1709 in Dresden das Porzellan neu. Unter dem Schutz des sächsischen Staates entstand auf Grundlage von Böttgers Erfindung in Meißen seit 1710 eine Manufaktur, deren Exporterfolge zur Nachahmung lockten. Größere und kleinere Höfe gründeten seit 1717 (Wien) Manufakturen. In Meißen und anderen Manufakturen wurde nicht zuletzt durch die ergänzende künstlerische Gestaltung der Arbeitsprozeß extrem zerlegt. Meißen beschäftigte 1765 auf dem Höhepunkt seiner Entfaltung 731 Personen in 17 Arbeitsgängen. Steingut aus lichtem, verglastem Scherben drang im letzten Steingut Drittel des 18. Jahrhunderts als englische Exportware vor. Es war trotz geschmackvollem Äußeren erheblich billiger als Porzellan und Fayence und fand rasch Absatz und Nachahmung. 1771 war Kassel Ort der ersten Steingutmanufaktur; bedeutend wurde N. Villeroys Gründung bei Saarlouis 1790. -
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4.11 Die chemischen Gewerbe
Chemische Gewerbe wandelten sowohl Mineralien als auch Abfälle organischer Substanzen zu Produkten um, die zumeist anderen Gewerbezweigen als Werkstoff dienten. Insbesondere die Textilund Ledergewerbe benötigten Chemikalien. Die Geschichte der chemischen Gewerbe in der frühen Neuzeit zerfällt in zwei Phasen, die Chemikalien als sich überlappen. In einer ersten Phase übten die Hersteller von Che- Werkstofl'e mikalien ihren Beruf weit außerhalb der Städte aus. Dies bedingte schon der Holzbedarf. So waren die Pottasche ebenso wie die Salpetersieder auf große Mengen Laubholz angewiesen. Die Salpetersieder, die den Hauptbestandteil des Schwarzpulvers herstellten, büßten durch Importe aus Bengalen ihre Bedeutung ein. Wegen des großen militärischen Bedarfs setzten die Pulvermacher seit dem 16. Jahrhundert verstärkt auf Wasserkraft. Das Wachstum der Textilgewerbe, der Porzellan- und Glasmanufakturen und anderer Branchen ließ im 18. Jahrhundert den Bedarf an chemischen Substanzen ansteigen. Spezielle chemische Betriebe entstanden, einige als kleine Manufakturen. Sie konnten jene im Bergbau gewonnenen Stoffe verarbeiten, die in Sachsen schon im späten 16. Jahrhundert die „Gifthütten" beliefert hatten. Gifthütten
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Enzyklopädischer Überblick
Alaun und Vitriol, meistens zusammen mit Buntmetallen gefördert, erlangten besonderen Wert. Vitriolöl wurde in Siedereien zu Schwefelsäure, einem Grundstoff der Färberei, verarbeitet. Salpetersäure stellten Betriebe in Marktredwitz und Königsbronn her. Der Nachfrage nach Bleiweiß für Malfarben und Berliner Blau zum Textilfärben kamen seit der Mitte des Jahrhunderts mehrere Farbenwerke nach. An der Saar kam dabei schon in den 1780er Jahren die Steinkohle zum Einsatz. Von den Niederlanden kommend, breitete sich im Nordwesten die Seifensiederei aus, die sowohl schwarze Schmierseife zur Wäsche von Textilien als auch grüne Seife zur Hy-
giene erzeugte.
4.12 Die Salinen In vorindustrieller Zeit spielte Salz eine große Rolle als Konservierungsmittel. Da die Kenntnis heutiger Kühltechnik fehlte, wären ohne Salz Vorräte nicht zu lagern oder Lebensmittel nicht zu transportieren gewesen. Es wurde im mitteleuropäischen Raum durch zwei Verfahren gewonnen: vor allem in den Alpen durch bergmännischen Abbau von Steinsalzen und deren Auslaugung oder durch Verdampfung des auf natürliche Weise zu Tage tretenden Salzwassers (Sole). Durch mehrere technische Verbesserungen wurde in der frühen Neuzeit das Salinenwesen auf ein höheres Niveau gebracht; allerinnovationen dings setzten sich die Innovationen sehr ungleichmäßig bei den einzelnen Salinen durch. Mit Hilfe des Stollenbaus stieß man zu Solen von höherer Konzentration vor. Pumpen, Göpelwerke und Rohrleitungssysteme beförderten das Salzwasser zur Weiterverarbeitung. 1619 leitete man neu erschlossene Vorkommen bei Reichenhall über 31 km nach Traunstein. Die Pfannen, in denen die Sole zum Sieden gebracht wurde, erreichten größere Formate. Hierzu verbrauchten sie so viel Holz, daß wo immer es möglich war alternative Energiemittel (Torf, Stein- und Braunkohle) eingesetzt wurden. Zu schwache Sole und der enorme Brennstoffverbrauch regten Überlegungen an, wie der Salzgehalt der Sole heraufgesetzt werden konnte. Im 18. Jahrhundert hatten sich Gradieranlagen durchgesetzt, in denen die hochgepumpte Sole an Dornensträuchern herunterrieselte und so zu stärkerem Konzentrat verdunstete. Produktion und Absatz der einzelnen Salinen wichen stark voneinander ab. Während sich im 16. Jahrhundert die habsburgische Salzproduktion verdoppelte, stagnierte im gleichen Zeitraum die
Salz als Konser-
vierungsmmei
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Gewerbezweige
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Reichenhaller Salzgewinnung. Ebenso wuchs das Volumen des LüSalzhandels nach 1620 nicht mehr und nahm rapide ab. Kleinere Salinen expandierten: die Salzproduktion von Schwäbisch Hall wuchs zwischen 1500 und 1800 nicht zuletzt dank besserer Schöpfwerke auf das Achtfache. Die Monopolpolitik der Landesherrn förderte aus fiskalischen Gründen die in ihrem Lande gelegenen Salinen und trug indirekt zur besseren technischen Ausstattung bei. Diese Politik ging zu Lasten des Fernabsatzes der älteren Salinen. Für die Lüneburger Saline, die zudem unter dem Import des westeuropäischen Baiensalzes litt, war das 18. Jahrhundert eine Zeit des Niederganges.
neburger
°
.
Das fiskalische Inam Saimen-
teresse wesen
II.
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
1. Das städtische Handwerk der frühen Neuzeit 1.1 Von der
Zunftgeschichte zur interdisziplinären
Hand werksgesch ichte Als W. Abel 1970 „Neue Wege der handwerksgeschichtlichen Forschung" [101: Abel, Handwerksgeschichte, 1-25] vorstellte, kam
auf einen verschütteten Ansatz der Nationalökonomie zurück. 1863 hatte J. Conrad angesichts eines Übermaßes an Zunftgeschichte darauf gedrängt, spezifisch ökonomische Fragestellungen aufzugreifen. „Ich wünsche Zahlen, Daten. Wieviel Meister waren zu verschiedenen Zeiten in der Stadt? Woher nahmen sie ihr Rohmaterial? ..." [zit. ebd., 4]. Daß Conrads Fragen nach mehr als 100 Jahren noch aktuell sein konnten, kennzeichnet den Weg der Handwerksgeschichte in Deutschland. Sie bedeutete über einen langen Zunft- statt HandZeitraum hinweg Zunftgeschichte, genauer die Geschichte der werks8escmchte mittelalterlichen Zunft. Entstehung und Charakterisierung der Zünfte wurden kontrovers diskutiert [113: Oexle, Zunft]. Im fachhistorischen Disput klang die gewerbepolitische Diskussion nach, die im Zeitalter der Aufklärung über die Abschaffung der Zünfte und die Einführung der Gewerbefreiheit begonnen worden war. Historiker und Ökonomen stritten sich nun nicht mehr um bestehende, sondern um mittelalterliche Zünfte. Die frühneuzeitlichen Zünfte waren kein Forschungsproblem, denn allzu eindeutig fiel das Urteil über sie aus. G. Schmoller und andere beschrieben die nachmittelalterliche Handwerksgeschichte mit Metaphern wie „Erstarrung". Einigkeit bestand über den Niedergang des Zunftwesens und den Verfall des deutschen Handwerks in der nachmittelalterlichen Zeit. Freilich verkannten die meisten, die damals über das Handwerk der frühen Neuzeit schrieben, daß sie bis in die Wortwahl den Bewertungskriterien der Handwerksjuristen und Publizisten des 18. Jahrhunderts aufsaßen. Deren Schriften waren unmittelbare er
50_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung Quellengrundlagen; zusammenfassende, auf Archivstudien beruForschungen wurden kaum betrieben. Die beiden berichtenswerten Ausnahmen, M. Meyers zweibändige quellennahe Publikation zur preußischen Handwerkspolitik im 18. Jahrhundert [45] und Schmollers Aufsatz zum Innungswesen im Brandenburg-Preußen [in 50: Umrisse, 314-456], sind dem Umfeld der borussischen Geschichtsschreibung zuzuordnen. Sie waren aus der Perspektive des Staates geschrieben, für den die Zünfte ein Ordnungsproblem darhende
Fehiende Editionen
stellten. Den Handwerkern und ihren Aktivitäten wurde dieses Konzept wohl kaum gerecht. Die Ausklammerung der nachmittelalterlichen Zünfte aus der aktuellen Forschung hatte vor 1914 Konsequenzen für die Editionstätigkeit der Archive. Veröffentlichungen von Zunftstatuten und -akten schlössen spätestens mit dem frühen 17. Jahrhundert. Für Köln wurde das Schlußjahr 1500 gewählt, für Frankfurt 1612 [94: Schmidt, Zunfturkunden], die Bearbeiter der Zunfturkunden der Hansestädte Hamburg, Lübeck [100: Wehrmann, Zunftrollen] und Lüneburg [86: Bodemann, Zunfturkunden] bezogen das 16. Jahrhundert mit ein. In den ost- und mitteldeutschen Territorien fehlen Editionen für die spätere Zunftzeit ebenso wie im süddeutschen Raum. Nur eine Edition, die von R. Krumbholtz über Münster, reichte bis 1661 und damit über den Dreißigjährigen Krieg hinaus [90: Ge-
werbe]. Nach 1918, in Zeiten ohnehin stockender Editionsarbeiten, erschien nur eine Textsammlung, bezeichnenderweise in der Schweiz, W. Schnyders bis zur Helvetik reichende „Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte" [95]. Den Zeitumständen fiel 1942/43 die Herausgabe der im Auftrage des Europäischen Handwerksinstituts in Frankfurt (Main) entstandene Zusammenstellung der Reichs-Handwerksgesetze, die H. Proesler besorgt hatte, zum Opfer; sie erschien erst 1954 [92: Handwerk]. Dem Versiegen der Diskussionen über die Entstehung der Zünfte im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts folgte ein antiAntiquarisches quarisches Interesse an Handwerksgeschichte in der Zwischeninteresse
Das gilt selbst für R. Wissells mehrbändiges Werk „Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit", das als Materialsammlung angelegt war, um Bedrohtes zu retten [neu aufgelegt: 119]. 1955 fiel deshalb W. Fischers Resümee der älteren Arbeiten überaus kritisch aus: „Über das Handwerk der vorindustriellen Zeit ist unendlich viel geschrieben worden. Aber der wissenschaftliche Ertrag dieser Forschungen steht in keinem Verhältnis zu der Mühe und dem
kriegszeit.
1. Das städtische Handwerk
51
Sammlerfleiß, den mehrere Generationen dafür aufgebracht haben" [109: Fischer, Handwerksrecht, 9], Dieser Befund leitete eine Untersuchung ein, die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Methoden miteinander verband, „um die Wesenszüge eines so komplexen historisch-soziologischen Gebildes, wie es die alten Handwerkskorporationen gewesen sind, sichtbar werden zu lassen" [ebd., 23]. War Fischers Ausgangspunkt der einer
„soziologischen Geistesgeschichte" gewesen, so wandte er sich späquantitativ angelegten Arbeiten über das Handwerk in der Frühindustrialisierung zu. Seine Fragestellungen ebneten den Weg für eine präziser auf Archivalien gestützte Handwerksgeschichte der nachmittelalterlichen Zeit, auch wenn er selbst hauptsächlich gedruckte Quellen heranzog. Wie Fischer bestand W. Abel darauf, „daß die Handwerksge-
Fischers Neuansatz
ter
Abel und seine
schichte nicht mehr isoliert werden darf. Sie muß in den Rahmen Schule: Handwerksgeschichte im der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte gestellt werden, Rahmen der Wirtaus dem die ältere Zunftgeschichte sie gelöst hat" [101: Abel, Hand- schafts- und Sozialwerksgeschichte, 25]. Abels eigene Forschungen konzentrierten sich geschichte auf Veränderungen wirtschaftshistorischer Größen wie Preise und Löhne, auf Prozeßabläufe, auf Rahmenbedingungen für die Geschichte von Handwerkern. Speziell der Handwerksgeschichte widmeten sich seine Göttinger Schüler und Mitarbeiter in zahlreichen Monographien und Aufsätzen. Es war sicher kein Zufall, daß der zeitliche Schwerpunkt der Göttinger Arbeiten auf der Zeit von 1700 bis 1850 liegt [so die Beiträge in 101: Abel, Handwerksgeschichte; 66: Kaufhold, Hildesheim, 36: ders., Preußen; 52: Steinkamp, Schaumburg-Lippe]. Einerseits beruhte das Plädoyer „für eine erneute Auseinandersetzung mit der Handwerksgeschichte des 18. Jahrhunderts" [66: Kaufhold, Hildesheim, 4] auf einem Defizit der Forschung, die die Untersuchung der tatsächlichen Lage des Handwerks vernachlässigt hatte. Andererseits lag der Reiz der Übergangsperiode zum Industriezeitalter darin, daß mit den gewerbestatistischen Erhebungen um 1800 bei allen methodischen Vorbehalten quantifizierbares Urmaterial zur Verfügung stand. Den Göttinger Arbeiten ist nicht nur der betonte Rückgriff auf Lohn- und Preisreihen zu eigen, sondern auch eine dezidiert gewerbestatistische Ausrichtung, mit der durchaus gewollt die Grenzen einer Geschichte des Handwerks überschritten wurden. Neben dem Handwerk (in Stadt und Land) traten Verlag und Manufaktur als „gleichberechtigte" Betriebsformen in das Blickfeld. -
-
52
1.2 Neue
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
Fragestellungen der Handwerksgeschichte
Es ist rund 20 Jahre nach dem Erscheinen von Abels programmatischem Aufsatz nicht übertrieben zu behaupten, daß die Handwerksgeschichte die Stagnation überwunden hat, die sie lange geprägt hatte. Sie hat endgültig das Gefängnis der Zunftgeschichte verlassen, ohne fest in einem Fächerkanon verortet zu sein. Zwar ist die Analyse der wirtschaftlichen Lage unabdingbarer Teil von Handwerksgeschichte, doch kann sie zumal in vorindustrieller Zeit Impulse der Sozial- nicht auf Wirtschaftsgeschichte allein festgelegt werden. Gerade die wissenschaften Impulse der Sozialwissenschaften für die Sozialgeschichte kamen der Handwerksgeschichte zugute, ebenso der Dialog mit anderen Disziplinen. Dies verleiht Handwerksgeschichte als einem sektoralen Aspekt der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte eine bemerkenswerte Offenheit in methodischer Hinsicht. Fragestellungen aus der Historischen Demographie und der Familiengeschichte sind dabei noch stärker als bisher für handwerksspezifische Themen fruchtbar zu machen. Wichtige Anregungen sind schon vom Aufsatz M. MitHandwerk und terauers über den Zusammenhang von Familienbetrieb und HandFamilienbetrieb werkswirtschaft ausgegangen [112: Struktur]. Die scheinbar unumstößlich feststehende Abschließung der Handwerke gegenüber Fremden könnte durch intensive Auswertung der Kirchenbücher überdacht, der Sachverhalt neu definiert und differenziert werden. Viel zu wenig wissen wir noch über das Heiratsalter der Meister und ihrer Ehefrauen sowie die Zahl der (überlebenden) Kinder in Handwerkerehen, obwohl die Klärung dieser Fragen es gestattete, die These von der „Überfüllung" im Handwerk des 18. Jahrhunderts
quellennah
zu
überprüfen.
Die Volkskunde, die sich schon traditionell mit dem Handwerk befaßt hatte, eröffnete der Handwerksgeschichte neue Perspektiven in dem Maße, in dem sie sich selbst der Erforschung historischer Kultur vor allem in der frühen Neuzeit zuwandte. Der anthropoloVolkskultur und gisch geschulte Blick derer, die sich mit Volkskultur in der Moderne Alltag beschäftigen, fiel u.a. deshalb auf Handwerker, weil diese in Gruppen eingebunden waren und weil deren Normen vielfach in der Arbeitssphäre wurzelten. Gruppen, Normen, Arbeit prägten die Lebenswelt, den Alltag von Handwerkern. Hierauf ausgerichtete kulturgeschichtliche Ansätze besitzen den Vorteil, daß sie dem polyfunktionalen Charakter des ,Alten Handwerks' gerecht werden. Denn die in unserem heutigen Bewußtsein als getrennt empfundenen Bereiche von Arbeit, Religion und Geselligkeit erlebten Hand-
1. Das städtische Handwerk
53
werker in vorindustrieller Zeit als unteilbar miteinander verschränkt, ihr Handeln wäre ohne Berücksichtigung dieser Verschränkung nicht zu erklären. Einen ersten Überblick über Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Historikern und Volkskundlern auf dem Gebiet der Handwerksgeschichte der Frühen Neuzeit bot ein Siegener Werkstattgespräch 1982 [102: Elkar, Handwerk]. Seltener als mit den Volkskundlern führten bisher Historiker, die handwerksgeschichtliche Themen bearbeiteten, einen Dialog mit Literaturwissenschaftlern. Beim Siegener Werkstattgespräch zeigten Untersuchungen zum Meistersang des 15. bis 17. Jahrhunderts, daß sie wichtige Aufschlüsse zur handwerklichen Mentalität liefern können [Beiträge von H. Brunner, J. Reichel, J. Janota, D. Merzbacher, G. Bollenbeck, in 102: Elkar, Handwerk]. In jüngerer Vergangenheit haben sich allerdings kaum noch Germanisten mit Zunftstatuten oder der Fachsprache der Handwerker auseinandergesetzt. Um so wichtiger ist das freilich von der überkommenen Handwerksgeschichte weit entfernte Fachwörterbuch, das W. von Hahn zum Textilgewerbe des 17./18. Jahrhundert zusammenstellte
[221: Fachsprache].
Ohne Grenzen der
Disziplinen sind drei internationale handwerksgeschichtliche Symposien zwischen 1978 und 1986 im ungarischen Veszprem geführt worden [Protokollbände: 104-106]. Dem veranstaltenden Handwerksgeschichtlichen Arbeitskreis in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gelang es, Forscher aus ganz Europa und aus allen Fachrichtungen zusammenzubringen und damit mehrfach grenzüberschreitend zu wirken. Als Vorleistung hatte der Arbeitskreis bereits 1975 mit dem zweibändigen Nachweis für die Quellen zur Geschichte der Zünfte in Ungarn eine Pioniertat eingebracht [91, Quellenkataster]. Mit Hilfe der EDV sind Zunftobjekte und -archivalien aus 112 Museen, Bibliotheken und Archiven über 200 Berufen zusammengetragen worden. Bis auf weiteres dürfte dieser Katalog seinesgleichen suchen.
zu
1.3 Probleme einer Wirtschaftsgeschichte des städtischen Handwerks in der frühen Neuzeit
Wer die Geschichte der städtischen Kleingewerbe im vorindustriellen Zeitalter untersuchen will, sieht sich rasch von Unzulänglichkeiten der Quellenlage eingeengt. Der unmittelbare Zugriff auf Produktion, Absatz oder Gewinn einzelner oder von Gruppen der
Ungarn
54_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Die Handwerksdichte
Handwerker ist nicht allzuoft möglich. Es hat den Anschein, als ob kaum Geschäftsschriftgut städtischer Handwerker aus der Zeit vor 1800 in Archive (oder Museen) gelangt ist. Nicht nur muß daher die Frage offen bleiben, inwieweit sich Handwerker überhaupt der Schriftlichkeit bedienten, um ihre Betriebsergebnisse aufzuzeichnen. Wichtiger ist das Defizit an Texten und Zeugnissen, die unmittelbar das Geschäftsgebaren der Handwerker nachzuvollziehen gestatten. Akten städtischer oder staatlicher Provenienz müssen daher in der Regel als Ausgangsmaterial für die wichtigsten Fragestellungen, nach Zahl der Werkstätten und nach Zahl der im Handwerk Beschäftigten dienen. Über den Vergleich mit der Einwohnerzahl läßt sjcn die Handwerksdichte (berechnet als Quotient Meister/1000 Einwohner) ermitteln, sie erlaubt Rückschlüsse auf die mögliche Nachfrage und Absatzchancen. Vergleiche zwischen mehreren Orten zu unterschiedlichen Zeiten sind allerdings „nur begrenzt aussagefähig", weil „Betriebe gleicher Bezeichnung nicht notwendig das gleiche Angebot" haben [32: Habicht, Südliches Niedersachsen, ...
117 f.].
Um statistisch einwandfreie Zeitreihen zu bilden, reichen die Zahlen für einzelne Städte bzw. Handwerke im 16. bis 18. Jahrhundert meistens nicht aus. Der Anlaß und der Modus von Zählungen unterschieden sich. Notgedrungen griff E. Wiest für Nürnberg zwischen 1621 und 1798 sowohl auf Haushaltszählungen als auch auf Meisterlisten zurück [81: Entwicklung]. Und selbst wenn, wie für Breslau im Zeitraum von 1470 bis 1640, eine in sich gleichartige Quelle vorliegt, die Mitgliedslisten der Zünfte, dann bleibt die Frage unbeantwortet, wie viele Handwerker außerhalb der Zünfte standen [62: Eulenburg, Breslau]. Der Anteil außerzünftiger Produzenten schwankte allerdings von Stadt zu Stadt und von Gewerbe zu Gewerbe, wie Einzeluntersuchungen stichhaltig belegen. Bei den Tischlern in Hamburg kam im 18. Jahrhundert auf einen Amtsmeister ein Freimeister [270: Fehring, Tischler, 81]. Vor 1700/50 sind Zahlenangaben mit erheblich mehr Unsicherheiten Foigen des Dreißigbehaftet, für Mittel- und Kleinstädte sind sie rar. Dies mag jahngen Krieges auch eine der Ursachen dafür sein, daß die Lage des Handwerks im 17. Jahrhundert, insbesondere in bezug auf Auswirkungen und Folgen des Dreißigjährigen Krieges, nur unzureichend untersucht ist. Nachdrücklich hat H. Bräuer den Wiederaufbau Sachsens nach 1650 vor allem dem Handwerk und nicht anderen Betriebsformen zugeschrieben [106, Protokollband Veszprem 1988, Bd. 1, 23-47]. Eine Detailstudie wie die von B. Roeck zu einem Einzelhandwerk,
1. Das städtische Handwerk
den Bäckern in
Augsburg,
55
im 17. Jahrhundert hat Seltenheitswert
[266: Brot].
Auf die großen Städte sind bisher die Untersuchungen zur handwerklichen Arbeitsteilung konzentriert gewesen. Der Prozeß der Spezialisierung, der Auffächerung der Berufsfelder kam in einigen Gewerbezentren schon im 16. Jahrhundert zum Abschluß, während er in den vielen kleineren Städten 200 Jahre später noch andauerte. Dieser Prozeß ist unzureichend erhellt, denn „die Handwerkstechnik ist wenig erforscht" [19: Treue, Wirtschaft, 459]. Dabei ist gerade die Abgrenzung der einzelnen Berufe wegen der Streitigkeiten der Zünfte untereinander in Zunftakten reich dokumentiert [z.B. für Zürich, 95: Schnyder, Quellen]. Unter dem Eindruck gelegentlicher Proteste von Zünften gegen arbeitsparende Geräte setzte sich die Meinung fest, die Zünfte und die Mehrzahl der Handwerker seien fortschrittsfeindlich gewesen. Spektakuläre Aktionen wie der Widerstand der Posamentiererzünfte nach 1666 gegen die Bandmühle [218: Fink, Basler Bandindustrie, 30-49] können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß neue Produktionsverfahren, Rohstoffe und Geräte auch unter zünftigen Handwerkern Eingang fanden. Erst mit umfassenden Studien zum Wandel der Arbeitstechniken und zu den Veränderungen im Einsatz der Werkzeuge ließe sich prüfen, ob Stagnation oder ein allmählicher Wandel charakteristisch waren. Die Weiterentwicklung einzelner Werkzeuge, etwa des Hobels, und das Anwachsen der werkzeugherstellenden Schmiedeberufe im 17./18. Jahrhundert sind keinesfalls Belege für einen Stillstand in der Technik kleingewerblicher
Warenproduzenten. Eine gute Möglichkeit,
Handwerkstechnik
Einblick in die wirtschaftliche Lage der Handwerksbetriebe zu erhalten, bietet die Verteilung der Betriebsgrößen. Unterschieden werden nach der Zahl der Hilfskräfte Allein- Betriebsgrößen meister (ohne Gehilfen) sowie kleine, mittlere und große Betriebe mit 1, 2-3 bzw. 4 und mehr Gehilfen. Betriebsgrößen gewähren allerdings nur innerhalb einer Branche Aufschlüsse, da produktionsbedingt die Durchschnittswerte nach Berufen variierten. Bei allen Auswertungen für die Zeit um 1800 stellten die Allein- und Kleinmeister mehr als die Hälfte der Handwerker in den einzelnen Städten. Dieser Tatbestand ließ sich in Zusammenhang mit der schon von der zeitgenössischen Publizistik bemerkten Überfüllung des Handwerks bringen. In den Massenberufen Schuhmacher und Schneider drängten Zuwanderer vom Lande in die Selbständigkeit, ohne einer hinreichenden Beschäftigung sicher zu sein. Beide Berufe
56
II
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
wurden bevorzugt, weil in ihnen nur wenig Kapital nötig war, um sich selbständig zu machen. Wie läßt sich die Kapitalausstattung eines Handwerkers mesKapitalausstattung sen? Nachlaßinventare des 18. Jahrhunderts sind eine wichtige Quelle. Sie bestätigen, daß meistens nur wenig Kapital für einen handwerklichen Betrieb erforderlich war. Den größten Posten machten Haus und Werkstatt aus. Sowohl beim Raumbedarf als auch beim Werkzeugbesitz sind große Unterschiede festzustellen, z.B. schwankte der Werkzeugbesitz in Nürtingen 1660 zwischen 3 fl. bei einem Schneider und 117 fl. bei einem Büchsenmacher [107:
Benscheidt, Kleinbürgerlicher Besitz, 82].
Werkstoffe
Trotz ihrer elementaren Bedeutung ist die Werkstoffversorgung im Handwerk kaum behandelt worden. „Vielzahl und Unterschiedlichkeit stehen einer umfassenden Darstellung entgegen" [66: Kaufhold, Hildesheim, 134]. Die Entwicklung im Ledergewerbe, die Trennung der nachgelagerten Berufe Gerber und Schuhmacher nach 1500 läßt fraglich erscheinen, ob „stets der Kauf die Eigenversorgung überwog", wie A. Steinkamp vermutete [52: SchaumburgLippe, 65]. Läßt sich möglicherweise allgemein ein Prozeß der Verselbständigung der rohstofferzeugenden Berufe annehmen? Für den einzelnen Meister kam mehrfach Gefahr vom Rohstoffmarkt. Er war oft auf den Handel und dessen Kredite angewiesen, und er konnte die Preise selten beeinflussen. Innerhalb der Handwerke sorgte die Vorkaufpraxis für erhebliche Spannungen unter Berufs...
kollegen. Der Absatz
Der Absatz handwerklicher Produkte kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden, obwohl dieses Feld von der handwerksgeschichtlichen Forschung intensiv behandelt worden ist. Offen ist, in welchem Maße sich der Absatz auf den Lokalmarkt konzentrierte und wie sich städtische Handwerker gegenüber der Importkonkurrenz behaupteten. Zweifel an der Dominanz des Absatzes auf dem lokalen Markt entstehen, wenn wir die Zunftakten auf diese Frage hin mustern. Aus fast allen Berufen, selbst aus dem Bereich der Lohnwerker, sind Beispiele dafür zu finden, daß Handwerker entferntere Märkte und Messen aufsuchten. Ihnen kam die gestiegene Zahl ländlicher Märkte nach 1650 zugute. Sie handelten einerseits mit selbsthergestellten Waren im Umland, z.B. die Schuhmacher in einer für sie krisenhaften Situation. Andererseits zogen Handwerker den Handel mit Fremderzeugnissen (z.B. die Seiler in Nordwest- und Mitteldeutschland als Ergänzung ihrer saisonabhängigen Arbeit) oder mit Rohstoffen und Vorprodukten ih-
1. Das städtische Handwerk
57
Berufes an sich und waren dabei erfolgreich. Der Getreidehandel der Bäcker, der Viehhandel der Metzger und der Kohlenhandel der Schmiede zeigen, daß das Verhältnis von Handel und Handwerk nicht nur von Niederlagen der Handwerker geprägt war. Dies legen die nicht abreißenden Beschwerden der Handwerker über die Kaufleute ihrer Städte und die durch sie geförderte billige Importkonkurrenz nahe. Man wird differenzieren müssen zwischen den Handwerken und innerhalb der Einzelhandwerke. Einigkeit besteht darüber, daß entgegen der Zunftforderung nach gleicher Nahrung für alle die Vermögenslage sowohl der einzelnen Meister als auch der unterschiedlichen Berufsgruppen erheblich voneinander abwichen. Abzulesen ist dies an Steuerlisten, am Häuserbesitz und an vergleichbaren Indikatoren. Schwer feststellbar sind dagegen die Ursachen und Bestimmungsgründe für unterschiedliches Vermögen, weil Handwerker über mehrere Zusatzeinnahmen außerhalb ihrer angestammten Berufe verfügen konnten, im Handel, in einem Zweitgewerbe, in landwirtschaftlicher Nebentätigkeit. res
1.4 Gesellen: ein wiederentdeckter
Schwerpunkt
Den Forschungsstand in der Geschichte der Handwerksgesellen markierten bis vor anderthalb Jahrzehnten Arbeiten, die zwischen 1876 und 1890 in engem Bezug zur Tagespolitik entstanden waren [Überblick über die ältere Forschung: 123: Reininghaus, Gesellengilden, 3-22]. Leitendes Interesse war sowohl für den Nationalökonomen G. Schanz als für den Journalisten (und Sozialdemokraten) B. Schoenlank die Arbeiterfrage ihrer Gegenwart und die Vorläufer der Arbeiterbewegung. Daß die Neigung, sich mit Fragen der Gesellen zu befassen, später beinahe völlig erlosch, hing mit der schwindenden Aktualität der Frage nach den Vorläufern der Gewerkschaften ebenso wie mit dem Ende der Zunftkontroversen zusammen.
Fast ein Jahrhundert nach dem Erscheinen von Schanz' und Schoenlanks Arbeiten kehrten die Gesellen, ihre soziale Lage und Organisationen in vorindustrieller Zeit als Thema in das Blickfeld der Forschung zurück. Das angelaufene Defizit seit 1876 allein erklärt nicht, warum Gesellen so sehr in das Zentrum von Handwerksgeschichte rückten, daß beinahe der Einwurf gestattet ist, die Meister nicht zu vergessen. Ohne die unterschiedlichen Ausgangspositionen nur näherungsweise in Deckung bringen zu wollen, förderten zwei Entwicklungen der allgemeinen historischen Wissenschaften
Die Gesellen:
^8^n
um
p°litisches
58
Schwarz' Fallstudie zu Bremen
Zur Rationalität des Handelns streikender Gesellen
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
die jüngeren Studien zur Gesellen-Geschichte im deutschen Sprachraum. Erstens belebte die sozialgeschichtliche Erweiterung der Geschichte von Arbeitern und ihren Organisationen aufs neue die Auseinandersetzung mit Fragen der Konstituierung und organisatorischen Vorläufer der Arbeiterschaft. Zwangsläufig spielten dabei Gesellen, und zwar nicht nur im frühen 19. Jahrhundert, eine wichtige Rolle. Zweitens kamen wichtige Impulse aus der Analyse der Schichtung spätmittelalterlicher Städte, insbesondere der Unterschichten mit den Gesellen als ihrem aktivsten Teil. Die Studie, die K. Schwarz 1975 zu Handwerksgesellen in Bremen vorlegte, entstand seit 1963 im dortigen Staatsarchiv [125: Lage]. Sie machte nicht bei Akten mit Gesellenbetreffen im Titel halt, sondern verdeutlichte, „daß die Motive für das Auftreten der Handwerksgesellen nicht nur aus diesem Material abzuleiten" sind. „Erst die Feststellung der Preis-, Lohn- und Arbeitsmarktverhältnisse, unter denen diese Menschen lebten und ihre Anschauungen entwickelten, konnte zur Klärung größerer Zusammenhänge und tieferliegender Ursachen führen" [ebd., 11]. Sein bleibendes Verdienst ist es, auf die Unterschiede zwischen den Branchen aufmerksam gemacht zu haben. Am Bremer Beispiel sind verheiratete Gesellen als ein Thema in die Forschung eingeführt worden, das zu erörtern für andere Städte und Regionen lohnend erscheint. Schwarz gelang es, Zusammenhänge zwischen Konjunkturen und Gesellenunruhen aufzuzeigen und detailliert zu belegen. Den gleichen Zeitraum und die gleiche Gruppe wie Schwarz untersuchte A. Griessingers Konstanzer Dissertation von 1981 [122: Kapital]. Sie entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts, das sich der Frage nach „Kontinuität und Diskontinuität zwischen
plebejischen und proletarischen Handlungsmustern"
annahm
[ebd.,
9]. Methodisch trennen Griessinger und Schwarz Welten, weil zwischen beiden Autoren nicht nur eine Forschergeneration, sondern auch der Aufbruch der deutschen Sozialgeschichte zu einer stärkeren Betonung der Theorie liegt. Grießinger versucht, die verschiedenen Formen der Rationalität im Verhalten streikender Gesellen darzulegen. Seine Einzelfallstudien zur sozialen Lage und zu den Streiks der Gesellen sind „dichte Beschreibungen" im Sinne der Anthropologen. Freilich verlangt schon die Anwendung des Streikbegriffs auf das 18.Jahrhundert nach Erklärungen [Griessinger: Handwerkerstreiks, in: 103, Engelhardt, 407-434], erst recht die Übertragung der bei außereuropäischen Völkern gewonnenen Erkenntnisse über ,mythische' Handlungsweisen. Bei aller Kritik, der
1. Das städtische Handwerk
59
Grießingers Buch deshalb ausgesetzt sah, ist es als erster großangelegter Versuch zu würdigen, territorien- und städteübergreifend sich
der Gesellen zu rekonstruieren. W. Reininghaus behandelte die Entstehung und die Struktur der von den Gesellen gebildeten Gruppen [122: Gesellengilden]. Er führte die Entstehung dieser von den Zünften separaten Gruppen vor allem auf die Auswirkungen der Pestumläufe nach 1349 zurück. Den daraus resultierenden Dualismus zwischen Meistern und Gesellen in den großen Handwerken interpretierte er als folgenreich für die Sozialgeschichte des Handwerks in der Frühen Neuzeit. Im Rahmen eines Siegener Forschungsprojekts befaßt sich R. S. Elkar mit der Sozialgeschichte der Gesellenwanderungen in der Frühen Neuzeit [Umrisse einer Geschichte der Gesellenwanderungen, in: 102: Elkar, Handwerk, 85-116; Wandernde Gesellen in und aus Oberdeutschland, in: 103, Engelhardt, Handwerker, 262-293]. Um für das Gesellenwandern zu quantitativen Aussagen zu kommen, die über Bekanntes hinausführen, wertete Elkar Aufschreibungen vor allem fränkischer Städte und Zünfte aus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Nürnberg, trotz rückläufiger Konjunktur beliebtestes Wanderziel. Die Auswertung mehrerer zehntausend Eintragungen erlaubt, die Untersuchungen, die herkömmlich auf die regionale Herkunft der Gesellen beschränkt sind, um Größen wie Verweildauer und Rückkehr zu erweitern. Neuland ist die Koppelung von Frequenzanalysen mit der Geschichte einzelner Branchen. Deshalb kann Elkar, ausgehend von seinen Befunden, fordern, „größere Forschungsenergie darauf zu verwenden, welche Anpassungsmöglichkeiten den verschiedenen Handwerken in den Strukturkrisen [des 18. Jahrhunderts] innewohnten" und „stärker jene Impulse zu beobachten, die zur Umstrukturierung des Handwerks führten" [in: 103: Engelhardt, 292]. H. Bräuers Arbeiten gehen von Sachsen im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution aus. Er lotete die Stellung der Gesellen in der Stadtbevölkerung aus; für Chemnitz und Zwickau legte er hierzu ausführliche Gesamtstudien vor [60: Bräuer, Zwickau]. In seiner Dissertation B 1986 erörterte Bräuer [120, Gesellen] sowohl die Determinanten der wirtschaftlichen Lage der Gesellen als auch Stärken und Schwächen ihrer Organisationen. Er stellte „relativ große Unterschiede in den Arbeits- und Lebensbedingungen" fest, „die den Schlüssel für das Verständnis ihrer beträchtlichen sozialen Differenziertheit" liefern. Bräuer trägt zwar der sich vergrößernden Zahl lebenslänglicher Gesellen Rechnung, betont aber den Sonder-
das
Vorgehen
Gesellenwandern und Quantifizierung
Sächsische Gesellen im Zeitalter der
„Frühbürgerlichen Revolution"
60_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung der Gesellen in den nichtbürgerlichen Schichten. Kernstück aller Arbeiten Bräuers zu den Gesellen im 16. Jahrhundert ist deren Rolle in den Auseinandersetzungen des Zeitalters von Reformation und Bauernkrieg. Im Gegensatz zu Bergleuten und Bauern gelang es den Gesellen so Bräuer nicht, „die lutherische Lehre als kollektiven geistigen Mobilisator zu verwerten", da sie „künftige Zunftmeister und De-facto-Lohnarbeiter" vereinigten, „gewerblich zersplittert" existierten und „mit dem Gegensatz von lokaler Organisationsbindung und weitgehend nichtlokaler Herkunft ihrer Mitglieder" leben mußten [120: Gesellen, 183]. Die von K. Schulz 1985 vorgelegten Untersuchungen zu oberrheinischen Gesellen [124: Handwerksgesellen] gehen von der spätmittelalterlichen Verfassungs- und Sozialstruktur der Städte aus und ergänzen sie um preis- und lohngeschichtliche Aspekte. Schulz weitet den zeitlichen Rahmen bis in das frühe 17. Jahrhundert aus in dem Bewußtsein, „daß sich viele Phänomene des [vorreformatorischen] Zunft- und Gesellenwesens nur dann zureichend verstehen und bewerten lassen, wenn die Entwicklung des 16. und des 17. Jahrhunderts miterfaßt wird, da viele Faktoren, die zwar schon im Spätmittelalter latent vorhanden sind, erst jetzt in dieser zweiten Phase voll sichtbar und greifbar werden" [ebd., 11]. Der begrüßenswerte Vorschlag, die Grenze von 1500(/1525) in der Handwerksgeschichte zu überschreiten, birgt allerdings die Gefahr, Älteres durch Jüngeres zu erklären und dadurch Brüche, insbesondere durch die Reformation, zu übersehen. Die Parallelarbeit von Schulz' Schüler K. Wesoly zum Mittelrhein bezieht verdienstvollerweise mit den Lehrlingen eine Gruppe im Handwerk ein, die erheblich schlechter erforscht ist als die der Gesellen [126: Lehrlinge]. Die Diskussionen über die Handwerksgesellen vor 1800 sind spontan entstanden und nirgendwo resümierend zusammengefaßt. Wenn überhaupt Synthesen gewagt worden sind, trugen sie thesenhaften und vorläufigen Chrarakter. Die einzelnen Beiträge lehren, die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen und Gewerben ernstzunehmen und die sozioökonomisch bedingten Differenzierungen unter den Gesellen zu beachten. Daß dies ein Reflex der Situation der Meister war, bedarf der Beachtung. Die regionenübergreifenden, Normen nivellierenden Wanderungen halten davon ab, die Ortsgebundenheit vieler Gesellen angemessen zu berücksichtigen. Wer wanderte nicht, wer entzog sich damit dem Normengefüge der Gesellenorganisation? Viel zu oft fallen die Gesellen der Klein- und Mittelstädte durch das Raster. Dies status
-
Preise, Löhne und soziale Lage
Lehrlinge
Die Rolle der Klein- und Mittelstädte
-
1. Das städtische Handwerk
61
ist allerdings generell ein Mangel der Handwerksgeschichte. Auch die Situation der Meister in den vielen kleineren Städten ist nicht besser erforscht. Die genauere Untersuchung eines Territoriums, das durch mittlere und kleinere Städte geprägt ist, erweist die Abkopplung der Meister und der Gesellen von den Vorgängen, die die Handwerker in Reichs-, Residenz- und Bischofsstädten erschütterten [93: Reininghaus, Mark]. Mit guten Gründen warnt daher P. Schichtel bei ähnlichem Befund für die von ihm bearbeitete Region davor, die an „(reichs-)städtischen Beispielen" gewonnenen Erkenntnisse über handwerkliche Vereinigungen vorschnell zu übertragen: „eine Verallgemeinerung auf alle Zünfte schlechthin wird den völlig anders gearteten wirtschaftlichen Verhältnissen in ländlichen Gegenden des Reichs kaum gerecht werden" [49: Schichtel,
Pfalz-Zweibrücken, 207]. Bezogen auf die Gesellen ist
zu fragen: Wie wirkte sich die berufliche Spezialisierung im Handwerk auf sie aus, vollzogen sie sie nach? Für die einzelnen Berufe ist die Reichweite der überregionalen Bünde zu rekonstruieren; es gibt keine Untersuchung, die das ganze Reichsgebiet einbezieht. Unbestimmt sind auch die Beziehun- Der Vergleich mit gen zu anderen sozialen Gruppen inner- und außerhalb des Hand- anderen sozialen Gruppen werks. Gesellen müssen nicht nur den Meistern, sondern auch den Tagelöhnern, See- und Bergleuten gegenübergestellt werden. Die inneren Trennlinien in der Gesellenschaft müßten erst noch rekonstruiert werden. Hierzu wären Lohnreihen nützlich, diese aber gibt es außerhalb des Baugewerbes nur allzu selten.
1.5
Plädoyer für Forschungen
zur
frühneuzeiüichen Zunft
Einer Geschichte der Zünfte in der frühen Neuzeit das Wort
zu
reden, mag verwegen sein. Über Zünfte im Ancien Regime zu diskutieren, könnte als überflüssig empfunden werden, da ihre Funktio-
scheinbar hinreichend bekannt sind: Sie galten als Horte der Fortschrittsfeindlichkeit, Bewahrer und Verteidiger des Überkommenen, Institutionen, die sich spätestens am Ende des 18.Jahrhundert überlebt hatten. Unstrittig ist, daß in Deutschland „im Verlauf des 18. Jahrhunderts das Gefüge des Alten Handwerks so bunt wie die Vielfalt der weltlichen und geistlichen Territorien" blieb [118: Stürmer, Herbst, 28]. Merkwürdigerweise fand sich bisher noch niemand, der hierfür um im Bilde zu bleiben eine Farbskala entwikkelt hätte. Es fehlt an systematischen Untersuchungen, um die vielen Komponenten einer Geschichte der Zünfte im deutschen nen
-
-
Feinde des Fortschritts?
62
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
zwischen 1525 und 1806 in den Griff zu bekommen. Dabei haben die vielen orts- und regionalbezogenen .Gewerbegeschichten hinreichend Material und Anregungen für eine Synthese
Sprachraum
geliefert.
Fallstudien betonen, daß die Gründungen der Zünfte im Spätmittelalter längst nicht abgeschlossen waren. In vielen kleineren Städten entstanden Zünfte oft erst nach 1500. Und selbst mit dem Dreißigjährigen Krieg kam die Gründungswelle noch nicht zum Abschluß. Freilich verschob sich der Schwerpunkt bei der Privilegierung neuer Zünfte endgültig. Er lag „im 18. Jahrhundert eindeutig bei den kleineren Landstädten und den größeren Flecken" [22: Albrecht, Landesausbau, 238]. Nicht übersehen werden darf, daß es ganze Regionen mit schwacher Zunftpräsenz gab. Am Niederrhein gab es in 13 von 31 Städten überhaupt keine Zünfte. Konkordanzen für mehrere Territorien könnten Sonderformen der Entwicklung aufzeigen und helfen, zwischen den Gewerben zu gewichten. Z.B. fällt im 16./17. Jahrhundert die rasche Verbreitung der Tischlerzünfte auf. Die in der frühen Neuzeit gegründeten Zünfte erhielten Rechte von höchst unterschiedlicher Natur. Das Beispiel Nordwestdeutschlands lehrt, daß die meisten jüngeren Zünfte von der politischen Zünfte und Stadt- Macht ausgeschlossen waren. Die Leineweber, die selten vor dem politik 16. Jahrhundert Zunftrechte erhalten hatten, führten im 17. Jahrhundert einen erbitterten Kampf um die Gleichberechtigung bei der Besetzung der Ratsstellen. Das Verhältnis zwischen Obrigkeiten und den Vertretungen der Handwerker gestaltete sich sehr wechselvoll. Einerseits gingen in Schwaben, in der Landgrafschaft Hessen oder in Österreich Zünfte ihrer politischen Rechte verlustig, andererseits bauten sie in Kleve-Mark bis 1609 innerstädtisch solche Positionen auf, die selbst der absolutistische preußische Staat nach 1720 nur mit Mühe brechen konnte. Zunftkonjunkturen Regional gab es unterschiedliche „Zunftkonjunkturen", um einen originellen Ansatz A.-M. Dublers zu erwähnen [25: Luzern]. Anhand der Luzerner Zunftmitgliedslisten unterschied sie mehrere Auf- und Abstiegsphasen. Von einem Tiefpunkt um 1500 entwickelten sich die Zünfte bis 1670 kontinuierlich aufwärts. Vom tiefen Sturz bis 1720 erholten sie sich vor 1800 nicht mehr. Das Verhältnis der Zünfte zu ihren Landesherrn oder zur Stadtobrigkeit betraf auch ihre Bündnispolitik. Bünde, von autonomen Zunftbünde Zünften geschlossen, stabilisierten Zunftherrschaft, denn sie festigten Normen und Maßstäbe in einer Vielzahl von Städten. Dies Gründungen nach 1500
1. Das städtische Handwerk
63
für das Mittelrheingebiet die Arbeit von F. Handwerk und Bündnispolitik]. Der DreißigjähGöttmann [110: markiert eine Grenze, bis zu der die Zünfte nicht daran rige Krieg sich mit gehindert wurden, Kollegen anderer Städte zu verbinden. Merkantilistische Politik verhinderte später solches Paktieren und förderte Landesinnungen. Für Dresden (und Sachsen) ist bereits 1896 in M. Flemmings Aufsatz [63: Dresdner Innungen], der jeden Beruf berücksichtigte, die Entwicklung der Orts-, Kreis- und Landesinnungen nach 1500 vorbildlich bearbeitet worden. Die abweichenden Entwicklungen in anderen Territorien lassen kaum ein allgemeines Urteil über das Verhältnis von Haupt- und Nebenladen, über die Dominanz einzelner Orte zu. In manchen metallverarbeitenden Gewerben blieb gegen alle landesherrlichen Befehle Nürnberg die Stadt, deren Handwerke in letzter Instanz Streitfälle entschieden. Im Norden setzten die Zünfte der Hansestädte zwischen Bremen und Stralsund ihre Tagfahrten bis in das 18. Jahrhundert ungehindert fort. Selbst Förderung der Zünfte durch den Landesherrn wie im kleinen Wittgenstein kam vor. Dort sollten im 17. Jahrhundert auf Frankfurt ausgerichtete Zünfte die Qualität der Landesprodukte verbessern [283: Naumann, Arbeitswelt]. Eine Betrachtung der frühneuzeitlichen Zünfte darf nicht bei ihren ökonomischen Funktionen haltmachen. Wie wirkte sich der Verlust der bruderschaftlichen Aufgaben in den protestantischen Territorien aus, wie der Verlust der militärischen Bedeutung? Ein Rückgangan stufenweiser Rückgang an Kompetenz zeichnet sich ab, der überzo- KomPetenz gene wirtschaftliche Forderungen möglicherweise in anderem Licht erscheinen läßt. Selbst Defizite in der sozialen Absicherung in den Zünften traten im 18. Jahrhundert auf. Denn hätte die Solidarität der Mitglieder untereinander Bestand gehabt, wären nicht so viele Handwerker-Sterbekassen neu entstanden. Dem Bedeutungsrückgang steht die Attraktivität des Zunftmodells gegenüber, wie Beispiele der „Fabrikzunft" von Pforzheim oder der Zunft der Freimeister in Altona zeigen. Selbst wenn hier „unter der alten Form schon ein wesentlich veränderter Inhalt" [152: H. Hoffmann, Knyphausen, 50] auftrat, vermochten die Zeitgenossen dieser Form einiges abzugewinnen.
zeigte eindrucksvoll
64_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 2. Das Handwerk auf dem Lande 2.1 Ein
spätes Thema der Forschung Das ländliche Gewerbe, das nicht für den Export arbeitete, stand in der Forschung lange im Schatten des städtischen Handwerks. Eine der
wichtigsten
Lehren der Historischen Schule der Na-
tionalökonomie, die Stufenfolge der Wirtschaftsentwicklung, verDer angebliche setzte es ins Abseits. Es gehörte nach dieser Theorie zu einer niedriSieg
der^stadt-
geren, überwundenen Stufe der Wirtschaftsgeschichte, nachdem Stadtwirtschaft und Zünfte entstanden waren. K. Bücher, wie kein anderer der Stufentheorie verbunden, trennte Haus-, Lohn- und Handwerk „in historischer Aufeinanderfolge". Aus dem „Hauswerk" („gewerbliche Produktion im Hause für das Haus aus selbsterzeugten Rohstoffen") [4: Entstehung, 1681 sei „Lohnwerk" entstanden, indem die Verbindung mit dem Grundbesitz langsam gelöst worden sei. Zwei Formen des gleichsam zwischen Stadt und Land plazierten Lohnwerks unterschied Bücher: die „Stör", bei der der Lohnwerker im Hause des Kunden tätig war, und das „Heimwerk" bei Gewerben, die mit Zwangs- und Bannrecht ausgestattet waren und fester Produktionsmittel bedurften (z. B. Mühlen). Mit Entstehung der Stadtwirtschaft ging dort die Stör unter, gleichzeitig beherrschte die Stadt mittels Bannmeilenrecht das Land, „das Verhältnis zwischen Stadt und Land ist tatsächlich ein Zwangsverhältnis wie zwischen Haupt und Gliedern" [ebd., 127]. Büchers schärfster Kritiker G. von Below hat die Herrschaft der Stadt über das Land relativiert. „Rechtlich wird die Abhängigkeit des Landes oft nur für ein oder einige wenige Gewerbe (Brauerei, bessere Gewerbe) ausgesprochen... Es gibt endlich ländliche Bezirke, die keiner Stadt rechtlich unterworfen sind." Zwar erstrecke „sich der Einfluß der Städte wohl meistens weiter, als er rechtlich dokumentiert wird. Indessen ist doch auf dem Lande überall in mehrfacher Hinsicht ein selbständiges wirtschaftliches Leben vorhanden" [2: Below, Probleme, 223]. Wie sehr dennoch von Below Büchers Vorstellungen verhaftet blieb, zeigt sein zuerst 1901 erschienener Aufsatz „Der Untergang der mittelalterlichen Stadtwirtschaft" [ebd., 501-621]. Darin analysierte er im Abschnitt „über die Beherrschung des Landes durch die Stadt" die zahlreichen Angriffe auf die Vorherrschaft der Städte beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, über die Territorialherren zu entscheiden hatten. Sie stellten sich auf die Seite der Städte, woraus von Below folgerte: ...
2. Das Handwerk auf dem Lande
65
„So ist denn die Herrschaft des städtischen Handwerks in ihren wesentlichen Zügen bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts bestehen geblieben" [ebd., 530]. Below hielt die Rechts-Norm für die Realität und kam deshalb zu einem bemerkenswerten Fehlurteil. 1923 erschien als erste umfassende Quellenstudie zum Thema Die Diskrepanz F. Hähnsens Buch über das schleswig-holsteinische Landhandwerk zwischen Edikt und Wirklichkeit [33]. Es blieb nicht bei Rechtssätzen stehen, sondern ging von der tatsächlichen Verbreitung der Gewerbe auf dem Lande aus. Der Kontrast zu von Below spiegelt sich nirgendwo deutlicher als in der Überschrift zum 2. Kapitel, in der Hähnsen von der „tatsächlichen Unwirksamkeit der allgemeinen Gewerbegesetze" sprach. 20 Jahre später kleidete A. Skalweit die Analyse des Mißerfolgs der preußischen Principia Regulativa in systematische Betrachtungen über Ausmaß und Ursachen der Verbreitung des Landhandwerks. Die Principia Regulativa hatten 1718 die Handwerke mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Bedürfnisse arbeitenden in die Städte verbannen wollen. Auch Skalweit betonte die Diskrepanz zwischen Edikt und Wirklichkeit und verstand die Geschichte des Landhandwerks als wichtigen „Beitrag zur Gewerbegeschichte vornehmlich des 18. Jahrhunderts" [144; Skalweit, Dorfhandwerk, 5]. Hähnsen und Skalweit lieferten eine Basis für Untersuchungen, die langsam, aber stetig unser Bild von den Gewerben auf dem Lande wandelten. Gewiß wirkte die Debatte um die „Protoindustrialisierung" seit den späten 1970er Jahren der stiefmütterlichen Behandlung des Landhandwerks entgegen. Doch wichtige Befunde zum Landhandwerk entstanden schon einige Zeit vorher. So haben seit den frühen 1950er Jahren im schweizerischen Aargau J.-J. Siegrist und A.-M. Dubler bei ortsgeschichtlichen Arbeiten Material in beachtlicher Dichte zum ländlichen Handwerk des 16. bis 18. Jahrhunderts bereitgestellt. Hervorzuheben sind Studien zu Hallwil [77], Wohlen [61] und Muri [78]. Hinzu kommen jetzt die Arbeit Dublers zum Luzerner Landgebiet [25] und die Dissertation von T. Meier zum Zürcher Unterland [44]. Im deutschen Sprachraum kann daher das Gebiet der Alten Eidgenossenschaft insgesamt als am besten erforscht gelten. E. Schremmer nutzte die 1970 für eine Wirtschaftsgeschichte Bayerns [50] bis 1800 ausgewerteten Quellen in der Folge für die theoretische Durchdringung der Zusammenhänge zwischen Bevölkerungs- und Gewerbegeschichte. Als „Territorialisierung der Ge- Die Territorialisiewerbe" bewertete er „die Ausbreitung des Handwerks und der rung der Gewerbe (Schremmer) Handwerkerschaft über die Stadtmauern und die städtische Bann-
66_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung meile hinaus auf das gesamte bayerische Territorium, auf das flache Land mit seinen Dörfern, Klöstern und Hofmarken, ohne daß damit eine ,Entleerung' der Städte vom Handwerk verbunden ist" [50: Bayern, 345 f.]. Schremmers Wunsch nach vergleichenden Wirtschaftsgeschichten deutscher Territorien [ebd., XI] kam in seinem Kernbereich H. Schultz nach. Sie kombinierte „einen großräumigen, auf die Erarbeitung von Grundlinien, von Gesetzmäßigkeiten gerichteten Vergleich mit der ins einzelne gehenden Untersuchung eines begrenzten Territoriums", nämlich Mecklenburg [143: Schultz, Landhandwerk, 19]. Schremmer wie Schultz bedienten sich mit ihren Fragen und Konzepten verwandter Überlegungen. Beide untersuchten das Beziehungsgefüge von Bevölkerungsdichte, sozialer Schichtung auf dem Lande, gemessen am Besitz, und der Zahl der ländlichen Handwerker, beide kamen zu differenzierenden Ergebnissen. Kleinräumige Besonderheiten und ein unterschiedliches Tempo im Zuwachs an ländlichen Handwerkern stellten beide fest, wobei Schremmer die Territorialisierung des Gewerbes eng an agrarische Aufschwungphasen im 16. und 18. Jahrhundert koppelte. Hiergegen erhob Schultz Bedenken, weil der „Kern des Prozesses, die gesellschaftliche Arbeitsteilung auf dem Lande", außer acht gelassen Landhandwerk werde [143, Schultz, Landhandwerk, 18]. Für sie ist das Landhandbeim Übergang werk in einer Übergangsepoche zwischen Feudalismus und Kapitavom Feudalismus lismus angesiedelt; Schremmer hielt sich in der Epochenfrage merkzum Kapitalismus (Schultz) lich zurück. Schultz interessiert sich für das Dorfhandwerk nicht zuletzt deshalb, weil es für die „Vorgeschichte des Kapitalismus" Bedeutung erlangt hat. Sie kommt zu einer weitreichenden Schlußthese: „Die Ausweitung der gewerblichen einfachen Warenproduktion auf dem platten Lande während der Übergangsepoche zum Kapitalismus war eine Voraussetzung und Begleiterscheinung der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals" [ebd., 134]. Schultz faßte allerdings unter die „einfache Warenproduktion" sowohl Handwerker für die Selbstversorgung des Landes als auch verlegte Handwerker, die für den Export arbeiten. Zwar ist das Einwirken der Landhandwerker auf den strukturellen Wandel, etwa über eine Erweiterung der Marktbeziehungen, zu bedenken, doch im Gegensatz zu den in Exportgewerben tätigen wirkten sie auf die Kapitalbildung höchstens mittelbar ein. Schultz' These leidet in einem zentralen Punkt an einem Mangel an Trennschärfe, weil sie die Abgrenzung zwischen Produktion für den lokalen und den überregionalen Markt verwischt. Das stellt bisweilen die Ergebnisse ihrer
2. Das Handwerk auf dem Lande
67
Statistiken in Frage. Leineweber in Tecklenburg und Schmiede in der Grafschaft Mark können nicht oder nur zu geringeren Teilen als Landhandwerker eingestuft werden. Die Differenzierung, die man hier fordern müßte, führt zu dem Problem, vor das jede Studie zu Handwerken auf dem Lande gestellt ist: Wie sind die nicht-agrarischen Tätigkeiten und Erwerbsformen systematisch voneinander bzw. von landwirtschaftlicher Tätigkeit abzugrenzen? 2.2 Die
Vielfalt des Landhandwerks
Beim Versuch „einer möglichst vollständige(n) Erfassung des nicht-agrarischen Elements im Zürcher Unterland des 18. Jahrhunderts in quantitativer wie qualitativer Hinsicht" unterschied T. Meier vier Gruppen: erstens die traditionellen ländlichen Spezialisten
Die Klassifikation des Landhandwerks (Meier)
in Handwerk und Gewerbe bzw. im öffentlich-dörflichen
Dienst; zweitens Gewerbe unterschiedlich verdichteten Charakters mit überregionalem oder lokalem Absatz; drittens hausgewerbliche
Betätigung
der bäuerlichen Haushalte für den
Tausch; viertens wandergewerbliche Tätigkeit
Eigenbedarf, ohne
Fremden [44: Unterland, 12]. Meier lieferte für alle künftigen Studien wichtige Anregungen, die ländlichen Gewerbe neu zu klassifizieren, obschon sein anstelle des Gewerbebegriffs eingeführter zeitgenössisch-quellennaher Terminus „Professionist" für die oben zuerst genannte Gruppe nicht allseits befriedigen dürfte. Ebenso wäre mancher froh, in seinem Untersuchungsgebiet bei Spinnern und Webern von
Zürcher
so deutlich wie im Zürcher Unterland zwischen Produktion für Eigen- und Fremdbedarf unterscheiden zu können. Meier hebt trotz fließender Übergänge die Gewerbestruktur in Landstädten und ländlich-dörflichen Siedlungen voneinander ab. In letzterem Bereich dominierten die ländlichen Grundbedarfsgewerbe Müller und Schmiede sowie die Bekleidungsgewerbe für die ländliche Massen-
nachfrage (Schuster, Schneider, Weber). Nahrungsmittelhandwerke und Spezialberufe waren selten, ihr Vorhandensein prägte die Landstädte. Daneben spielten „Gewerbe mit nicht-siedlungsspezifischem Standort" eine Rolle. Sie benötigten für ihren Betrieb Rohstoffe, die nur außerhalb der Siedlungen zu finden waren: Säge-, Öl- und andere Mühlen, Ziegeleien, ferner Gewerbe ohne festen Standort, die sogenannten Waldgewerbe, z. B. Köhler und Salpeterer [ebd., 115]. Vor allem auf diese hingewiesen zu haben, zeichnet Meiers Arbeit aus. Allzu oft treten die „Waldgewerbe" analog ihrer Arbeitsweise an den Rand der Betrachtung, obwohl sie elementaren Bedarf in -
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Gewerbe außerhalb der Siedlungen
Waldgewerbe
68
Landhandwerk und regionale Mobilität
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
der vorindustriellen Gesellschaft befriedigten. Zu prüfen ist allerdings, ob die „Waldgewerbe" nicht Nebentätigkeiten der Landbewohner zuzuordnen sind. Für Niedersachsen hat K. H. Kaufhold [37: Niedersachsen, 185] eine Trennung dieser Berufe vom Landhandwerk vorgeschlagen. Meier erwähnte ein weiteres wichtiges Phänomen: das auffällig oft an emjgen Orten auftretende Baugewerbe, das u. U. einen weiten Radius abdeckte. Die Beobachtung aus der Nordschweiz deckt sich mit der in anderen Regionen. Ganze Dörfer oder Täler verlegten sich auf einen Bauberuf, dem die Bewohner oft weit entfernt von ihrem Herkunftsort nachgingen. Maurer und Steinmetze aus dem Tiroler Tal Außerfern zogen in die katholischen Territorien Westdeutschlands [284: Pieper-Lippe/Aschauer, Bauhandwerker). Die in Berlin arbeitenden Bauhandwerker kamen im 18. Jahrhundert oft aus dem vogtländischen Plauen. Neben den Bauhandwerkern sind in diesem Zusammenhang die lippischen Ziegler zu erwähnen, die seit 1680 zu Kampagnen nach Westfriesland zogen [303: Lourens-
Lucassen, Lipsker, 13-27].
2.3
Kontroversen um Bannmeilenrechte
Landhandwerk und Territorialstaaten
Landhandwerk im Streit der Landstände
Die umfassende Beschreibung der Gewerbe außerhalb der Stadt durch T. Meier lohnt, in Erinnerung behalten zu werden. Sie erweitert den Blickwinkel, weil sie weit über jene Auseinandersetzungen um Handwerker auf dem Lande hinausführt, die Zünfte, Stände und Staat in der Frühen Neuzeit beschäftigten. Unumstritten waren dabei die standortgebundenen Gewerbe, die der Rohstoffe wegen auf dem Lande saßen und die in der Regel nicht-zünftig waren (u. a. Köhlereien, Glashütten). Auch die mit dinglichen Rechten versehenen Betriebsstätten, die für die bäuerliche Bevölkerung notwendig waren, entzogen sich schon wegen der regional sehr unterschiedlichen Rechtslage den Angriffen der Zünfte. Streitigkeiten entstanden wegen jener Berufe, die in Landtagsabschieden, Polizeiordnungen und Mandaten erwähnt werden und deren Erwähnung Kontroversen um die Bannmeilenrechte der städtischen Zünfte signalisierten: insbesondere Schuhmacher, Schneider und Leineweber. Seit dem 16. Jahrhundert mußten sich die Territorialstaaten ständig mit der Zulassung und Umfang des Landhandwerks befassen. Tendenziell wurden immer mehr Berufe mit immer weniger Einschränkungen außerhalb der Städte erlaubt. In Sachsen sind die
2. Das Handwerk auf dem Lande
69
Etappen „des Kampfes zwischen Stadt und Land", vertreten durch städtische Zünfte und Räte bzw. durch den Adel, in den Jahren von 1482 bis 1555 genau zu verfolgen. Schließlich konnten sich Schneider, Schuster, Schmiede, Leineweber und Böttcher unter einigen Auflagen auf dem Lande niederlassen [223: Heitz, Leinenproduktion, 77-107]. Nirgendwo ging die Obrigkeit vor 1800 so weit wie in der Grafschaft Mark. Die Akziseordnung für diese Provinz von 1791 legte fest: Für einen bestimmten jährlichen Betrag erhielt „das auf immer die völlige Consumtions-, Handlungsplatte Land und Gewerbe-Freyheit ohne städtischen Accise- und Gilde-Zwang" [93, Reininghaus, Mark, 36]. Deutlicher vermochte die preußische Verwaltung nicht ihr Unvermögen zu bekunden, die Ausdehnung des Landhandwerks in den westlichen Provinzen nicht verhindern zu können. Sie resignierte nach 70 Jahren ununterbrochener Querelen. In den preußischen Westprovinzen verraten die Akten der unteren Behörden interessante Koalitionen. Der Adel und oft auch die unteren Beamten förderten direkt oder indirekt die gewerbliche Betätigung der Dorfbewohner. Für weite Gebiete außerhalb Preußens läßt sich diese Unterstüt- Unterstützung durch den Ade zung des Landhandwerks durch den Adel nachvollziehen. Die Motive für diese Parteinahme dürften sowohl finanzielle Fragen als auch ein Autarkie-Streben des Adels gewesen sein, das im Bereich der fränkischen Reichsritterschaft und in den bayerischen Hofmarken im Laufe des 18. Jahrhunderts durch „Peuplierungen" minimerkantilistische Züge annahm. ...
2.4
Bevölkerungsdruck und Ausweitung des Landhandwerks
Der Versuch, Handwerke vom Lande fernzuhalten und der Stadt zuzuweisen, scheiterte, weil ihm das Wachstum der ländlichen Bevölkerung entgegenstand. Die Forschung ist sich darin einig, daß zwischen dem späten 15. Jahrhundert und dem frühen 17. Jahrhundert und dann wieder nach 1700 die Landbevölkerung erheblich zugenommen hat. Als Folge des Wachstums entstanden mehrere un- Unterbäuerliche terbäuerliche Schichten, die mit minderen oder gar keinen Besitz- Sch|chten rechten ausgestattet waren. Verfügten Kötter, Gärtner, Seidner oder wie immer diese Schichten in den einzelnen Landschaften hießen noch über kleinere Ackerflächen und eigene Behausung, so hatten die Insten, Brinkligger, Häusler keinen Anspruch auf Land, sie wohnten zur Miete. In Sachsen machten 1550 Gärtner und Häus-
-
70
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
3,4 % der Bevölkerung aus, 1750 schon 30,4 % [23: Blaschke, Bevölkerungsgeschichte, 190]. Diese Zahlen verdeutlichen, welchen Druck das Wachstum der ler
zusammen nur
unterbäuerlichen Schichten ausübte. Bei nicht unbegrenzt zu vermehrendem Boden boten sich ihnen, den nachgeborenen Söhnen und Töchtern, verschiedene Möglichkeiten. Sie konnten nicht-agrarische Berufe ausüben, das Dorf verlassen und in die Stadt ziehen oder einer Saisonarbeit in einer Region mit höherem Lohn nachgehen. Diese von Schremmer [50: Bayern, 104-147] skizzierten Chancen galten freilich nur für Gebiete mit Grundherrschaft. Feudale Bindungen und Einbeziehung in den Gutsbetrieb verhinderten in den ostelbischen Gebieten die Ausübung von Landhandwerk in jenem Umfang, der für das westliche und südwestliche Deutschland in der frühen Neuzeit charakteristisch war. Vier Spielarten mit absind zu unterscheiLandhandwerk und nehmender Verbreitung von Landhandwerk Agrarstrukturen Jen1 der deutsche Südwesten (unter Einschluß der Schweiz) mit sehr dichter Verbreitung, hoher Bevölkerungskonzentration und relativ geringem Anteil der Landarmut; Gebiete mit hohem Anteil von Exportgewerbe auf dem Lande, wo die Spezialisierung der Bevölkerung die Verbreitung von traditionellem ländlichem Gewerbe förderte (Rheinland, Westfalen, Oberösterreich, wahrscheinlich auch Schlesien); Gebiete mit großbäuerlicher Entwicklung, in denen Bekleidungs- und Gerätschaftsherstellung aus der dörflichen Hauswirtschaft ausschieden; Gebiete mit gutsherrlicher Agrarstruktur und geringer Bevölkerungsdichte (Ostelbien). Schultz konnte allerdings auch für Mecklenburg ein Anwachsen der Landhandwerkerzahl im langfristigen Verlauf feststellen. Noch nicht hinreichend geklärt ist, wie Handwerk auf dem Lande konkret entstand. Ließen sich aus der Stadt kommende Handwerker, z. B. Gesellen während der Wanderschaft, auf dem Lande nieder? Glaubt man den Klagen Zürcher Handwerker um 1600, so war damals das unbefugte Eindringen fremder Handwerker im Umland gang und gäbe [95: Schnyder, Quellen]. Die Zunftakten belegen indes nur Einzelfälle, als massenhaftes Phänomen ist die Stadt-Land-Mobilität bisher nicht nachzuweisen gewesen. Ausaus der Entstehung zugehen ist deshalb davon, daß sich das Landhandwerk aus der ändlichen Bevölke- iandiichen Bevölkerung bildete. rung Doch wo lernten die Kinder der unterbäuerlichen Schicht, ein -
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-
2. Das Handwerk auf dem Lande
71
Handwerk auszuüben? Als erste sind die Schweizer A. M. Dubler und T. Meier in ihren Arbeiten ausführlich der Qualifikation der Landhandwerker nachgegangen. Meier bemerkte Gegenläufiges: „nebst eigentlichen Gesellenlehren waren Anlehre und Autodidaktismus häufige Erscheinungen" [44: Meier, Zürcher Unterland, 204]. Er vermutet, daß oft mündlich Wissen weitergegeben wurde, liefert jedoch gleichzeitig Belege für eine große Anzahl vom Lande stammender Lehrlinge in Zürich. Gerade die Orte der Landschaft, die sich auf Bauhandwerke spezialisiert hatten, sandten ihre Söhne nach Zürich. Dubler betont, daß der Ausbildungszwang den Luzerner Landhandwerkern oktroyiert wurde. „Sie waren [im 16. Jahrhundert] den Erfordernissen der Stadt und den dort herrschenden Verhältnissen angepaßt", obwohl die Anforderungen an die Landhandwerker geringer waren [25: Dubler, Luzern, 241]. Häufig kürzten Junghandwerker die Lehre ab, erst auf Druck der Stadtzünfte erhöhte sich während der krisenhaften Jahrzehnte um 1700 die Lehrzeit von zwei auf drei Jahre. „Es ist anzunehmen, daß man in den städtischen Siedlungen der Ausbildung der Söhne größere Aufmerksamkeit schenkte und sie direkt anging, während die jungen Leute auf dem Lande offenbar für ihre Familie so lange unentbehrlich waren, bis jüngere Geschwister ihren Platz einnahmen" [ebd., 250]. 2.5
Zünfte der Landhandwerker „Fast schlagartig" begannen sich
Die Qualifikation der Landnandwerker
die Dorfhandwerker der Luzerner Landschaft in den 1560/1570er Jahren zu organisieren. A. M. Dubler führte die „Handwerkerbewegung auf der Landschaft" Handwerkerauf der [ebd., 193] auf zwei Ursachen zurück. Sie war zum einen getragen bewegung Landschaft durch religiöse Motive, die eine Welle von Bruderschaftsgründungen hervorriefen, zum anderen wollten die Handwerker ihre Interessen in Zeiten wirtschaftlicher Depression wahren. Sie bildeten Zünfte, die den städtischen in nichts nachstanden. Im 17. Jahrhundert zerfiel die Landhandwerkerbewegung in immer kleinere Aktionszentren. Dies erregte den Argwohn der Stadt-Luzerner Zünfte, die bis zum Ende des Ancien Regime einige Privilegien für sich zurückerobern konnten. Das Luzerner Beispiel ist in das überkommene Bild vom Handwerk auf dem Lande nicht einzuordnen. Dörfer und ländliche SiedDörfer als zunftlungen galten als zunftfreier Raum. Deshalb stellt sich die Frage, in- freie Räume? für Zünften charakteristisch von eine solche Ausbreitung wieweit andere Territorien ist. H. Schultz hat hierzu Entwicklungen in Ter-
72
II
Grundprobleme und Tendenzen
der
ritorien mit guts- und
Forschung
grundherrschaftlicher Agrarstruktur übergestellt [114: Zünfte].
gegen-
Im gesamten norddeutschen ostelbischen Raum wurde überall
zugunsten einer klaren Trennung zwischen Stadt und Land die Un-
zünftigkeit
des Landhandwerks gefordert. Aus steuerlichen Gründen strebte Brandenburg-Preußen die Einzünftung der LandhandLandzünfte werker in der Stadt an. Dies dürfte die Gründung vereinzelter Landzünfte gefördert haben; solche Landzünfte gab es im Gebiet der Gutsherrschaft vor allem in Schleswig-Holstein, seltener in Mecklenburg. Für die Gebiete mit Grundherrschaften stellt Schultz in der Landgrafschaft Hessen, in Sachsen-Weimar, in Baden und in Württemberg fest, daß häufig selbständige Landzünfte entstanden. Schultz' Aufsatz regt zu weiterer intensiver Auseinandersetzung mit dem Problem Landzünfte an. Viele Fragen sind noch unbeantwortet, vor allem die nach den Unterschieden zwischen größerem Territorialstaaten und kleineren Immediatherrschaften. Auf die Vielfalt innerhalb der Alten Eidgenossenschaft hat Dubler [25: Luzern] hingewiesen: Während die Landhandwerker in den Kantonen Bern, Luzern, Solothurn und im südlichen Aargau dicht organisiert waren, beherrschten die Stadtzünfte in Basel, Zürich und Schaffhausen die Landschaft. In der Innerschweiz fehlten Zünfte weitgehend. Der Befund für die Schweiz macht deutlich, daß zwischen verordneter Einzünftung und autonomer Zunftbildung streng zu unterscheiden ist. Die „Entdeckung" der Landzünfte darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es weite Regionen ohne Landzünfte gab. Sie waren z. B. am Niederrhein und im katholischen Westfalen fast unbekannt. Zeitliche Differenzierungen sind ebenso notwendig zu beachten wie branchenbedingte Unterschiede. Gediehen allerorten die Landzünfte im 17. Jahrhundert am besten? In welchen Berufen waren sie am verbreitetsten? 2.6 Das Landhandwerk im Alle
Autoren, die
Vergleich mit dem städtischen Handwerk jüngst über das Landhandwerk schrieben,
verglichen es mit dem Handwerk in der Stadt. Die leitenden Gesichtspunkte waren dabei die Konkurrenzkämpfe zwischen beiden und die Einkommens- und Vermögensunterschiede. H. Schultz hob für Mecklenburg die Verbreitung des Landhandwerks hervor, obwohl es eigentlich verboten war. Daher wies dort „die Situation des Landhandwerks relativ geringe Unterschiede
zum
Stadthandwerk auf'. Landwirtschaftlicher Nebenbe...
2. Das Handwerk auf dem Lande
trieb
73
für den Landhandwerker nicht typisch, allerdings lag die Betriebsgröße unterhalb der des Handwerks in der Stadt. Gleichzei- Betriebsgröße tig war die soziale Differenzierung geringer als in der Stadt [143: war
Landhandwerk, 133]. Schremmer hob die „Variationsbreite der Höhe der Einkomein niedriges Einkommensniveau" hervor [50: Bayern, 380]. Wegen des dadurch entstehenden Spielraums der kleinbäuerlichen Söldner-Gewerbe bei der Festsetzung von Preisen vermutet Schremmer, daß „die ständige Furcht der .ordentlichen Handwerker' vor dem Landhandwerker durchaus begründet" erscheint men um
...
[ebd., 439]. Einige
Autoren betonen, daß Handwerker in Stadt und Land unterschiedliche Kreise belieferten. Für Hessen-Darmstadt stellte G. Emig fest, daß die Bauern Müller-, Schmiede- und Wagnerarbeiten wohl ausschließlich an ländliche Handwerker vergaben [27: Emig, Berufserziehung, 83]. Ähnliche Schlüsse zog A. Steinkamp. Zwischen Stadt und Land habe in Schaumburg-Lippe nur ein geringer Austausch bestanden. Hohe Preise in der Stadt erzeugter Produkte verhinderten den Absatz auf dem Lande. Umgekehrt eigneten sich „die speziell für den Bedarf und Geschmack der Landbewohner hergestellten Erzeugnisse nicht für einen Verkauf in der Stadt, und die Landhandwerker besaßen wegen ihrer nur auf die ländliche Nachfrage ausgerichteten Ausbildung nicht die notwendige Geschicklichkeit, die von den Städtern verlangte Machart herzustellen" [52: Schaumburg-Lippe, 88]. Meier stellt für das Zürcher Unterland „einen außerordentlich hohen Grad der Emanzipation der Landschaft von der Stadt im Bereich des traditionellen Gewerbes" fest. „Dem städtisch-zünftigen Gewerbe" sei es „auch mittels eines ganzen Arsenals gewerberechtlicher Regelungen nicht gelungen, den ländlichen Professionalismus entscheidend zu hemmen". Die hohe berufliche Differenzierung auf dem Land verweist „auf die Existenz eines inneren Marktes auf dem Lande selbst. Die Unterländer Wirtschaft des 18. Jahrhunderts war entsprechend komplex und offenbar auch fähig, sich selbst zu regulieren" [44: Zürcher Unterland, 400]. Dubler hebt hervor, wie die Stadtzünfte jene Handwerker diskriminierten, die im Einzugsbereich Luzerns wohnten. Diese „verhaßte Konkurrenz" arbeitete wohl billiger, ohne geringere Qualität abzuliefern. Die „rings um Luzern angesiedelten Handwerker" hätten „in einer offenen Stadt jene Stadthandwerker, die sich nur dank eines Monopols halten konnten, an die Wand gespielt" [25: Luzern, 337]. Auf der Luzerner
Absatz
...
Ein innerer Markt aufdem Unde
74_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung Schichten des mdhandwerks
Landschaft bildete sich wie im Zürcher Unterland eine Hierarcnje heraus, an deren Spitze die mit Realrechten begabten Handwerke der Müller und Schmiede standen. Die übrigen Landhandwerker waren auf ergänzenden Ackerbau angewiesen und zählten zur mittleren und unteren Schicht. Sie hatten wie die städtischen Handwerker im 18. Jahrhundert große Schwierigkeiten, dem durch -
-
Teuerung bedingten Verarmungsprozeß entgegenzuwirken. Wegen der Selbstversorgung besaßen die Landhandwerker einen kleinen Vorsprung vor den Städtern. Ein Vergleich zwischen Stadt-und Landhandwerk hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage fällt schwer. Die Verbreitung des Handwerks auf dem Lande sagt allein noch nichts über die Vermögenslage aus. Vor allem ist das Ausmaß der agrarischen Tätigkeiten von Land- und Stadthandwerkern nicht exakt zu bestimmen. Ein möglicher Rückgriff auf die Selbstversorgung konnte in Krisenzeiten Vorteile gegenüber Konkurrenten bringen. Der Umfang des Landbesitzes ist deshalb ein wichtiges Kriterium nicht nur zur Bestimmung der Differenzierung auf dem Lande, sondern auch des Stadt-LandUnterschiedes, weil dabei die den Städten zur Verfügung stehende Acker- und Gartenfläche in die Analyse Eingang findet. Deutlich zeichnet sich schon jetzt ab, daß das Handwerk in Stadt und Land getrennte Kundenkreise belieferte und das Vordringen von Landhandwerkern auf innerstädtische Märkte auf einzelne Berufe (Maurer, Tischler) beschränkt blieb. Zu vermuten ist damit auch, daß die Zünfte auf dem Lande nicht jene Durchsetzungskraft wie die in den Städten besaßen. 2.7
steuerlisten
Quellen
zum
Landhandwerk
Das Landhandwerk ist im Rahmen der Gewerbegeschichte der Frühen Neuzeit noch ein relativ junger Gegenstand der Forschung. Weitere Regionalstudien können abweichende Entwicklungen zutage fördern. Neue Ergebnisse scheinen auch deshalb möglich zu sein, weil längst nicht alle Quellengattungen ausgeschöpft sind. Bisher fußten die meisten Untersuchungen auf Personenlisten, die überwiegend zur Besteuerung angelegt worden sind. Für Mecklenburg konnte H. Schultz auf „eine zwar lückenhafte, unterschiedlich aussagekräftige, aber in der Dichte und dem Informationsgehalt stärker werdende Reihe von Steuerregistern bzw. kirchlichen
Erhebungen" zurückgreifen [143: Schultz, Landhandwerk, 21]. DaBevölkerung bei
bei wurden Vieh- und Landbesitz der ländlichen
3.
„Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
75
einzelnen Zählungen uneinheitlich mit erfaßt. Unterschiede in der Qualität der Personenlisten treffen für alle Regionen zu. Im Idealfall listen die Quellen neben dem Beruf die Familienangehörigen, das Gesinde und den Besitz mit auf. Freilich bieten die Listen nur selten jenen „einzigartigen quantitativen Einstieg in viele zentrale Aspekte" des Landhandwerks, den die ,Oeconomischen Tabellen' Meier für die von ihm behandelte Landschaft am Ende des Ancien Regime gewährten [44, Zürcher Unterland, 27]. Wichtig erscheint, nicht nur beim 18. Jahrhundert stehen zu bleiben, sondern das quantifizierbare Material herab bis zum 16. Jahrhundert zu sichten. Im allgemeinen dürfte es zahlreicher sein, als man annimmt. Türken- und andere, kriegsbedingte Schätzungen trugen gerade dem Landhandwerk Rechnung. Mit Personen- und Steuerlisten allein ist das Landhandwerk allerdings nicht erschöpfend zu behandeln. Protokolle der niederen Gerichtsbarkeit bieten Material für eine Fülle von Einzelfallstudien. Eine genauso wichtige Quelle, vor allem für das 17. Jahrhundert, sind neben den grund- Landtagsakten herrlichen Archiven die Landtagsakten. In den Propositionen und Schlüssen werden mit der zeitgemäßen Ausführlichkeit Stellungnahmen abgegeben, die selten genug von der Regionalgeschichte ausgewertet worden sind. Städtische Zunftakten sind als (parteiische) Quellen gleichermaßen heranzuziehen. Sie protokollierten z. B. die Verfolgung unerwünschter Konkurrenten außerhalb der Stadt und bieten mit den Inventaren beschlagnahmter Geräte eine Quelle für die Ausstattung von Landhandwerkern. Anschreibebücher des späten 18. Jahrhunderts sind möglicherweise für einzelne Berufe auf dem Lande, z. B. Tischler, in größerer Zahl vorhanden, weil das Arbeiten an weiter entfernten Orten mehr Schriftlichkeit als in der Stadt erforderte [114: Ottenjann/Wiegelmann, Anschreibebücher,
49-84].
3.
„Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
5.7 Das Interesse der Historischen Schule der Nationalökonomie an der ,,Hausindustrie"
Aktuelle politische Fragen des Arbeiterschutzes bildeten in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Anlaß, sich wissen-
76 Das aktuelle Interesse an der Hausindustrie 1870-1930
Schmoller: Zwei soziale Klassen in der Hausindustrie
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
schaftlich mit „Hausindustrie" und „Verlagswesen" zu beschäftigen. Nach 1870 erörterte der „Verein für Socialpolitik" wiederholt
Gegenwart und Vergangenheit jener Gewerbe, die außerhalb der In-
dustriestädte auf dem Lande für den Markt produzierten. Da Arbeiten und Wohnen dort nicht voneinander getrennt waren, fand für diese Betriebsform der Begriff „Hausindustrie" neben „Heimarbeit" allgemeine Verbreitung. Das Für und Wider zur Hausindustrie entfachte Diskussionen, die bis etwa 1930 andauerten. Derweil hatte die Jüngere Historische Schule der Nationalökonomie Hausindustrie und Verlag in die gewerbliche Entwicklung systematisch eingeordnet. Es lohnt, ihre wichtigsten Positionen darzulegen, weil sie bis heute Tendenzen der Forschung mitbestimmen und weil für viele offene Fragen ihr Erklärungsangebot noch längst nicht ausgeschöpft ist. Vorarbeiten von 30 Jahren faßte G. Schmoller 1900 im „Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre" [17] zusammen. Er reihte Hausindustrie und Verlag in die „älteren und einfachen Formen der Unternehmen" ein und definierte Hausindustrie als „die Art der Produktion und des Absatzeswelche die im Hause, in der Familie, in der handwerksmäßigen Werkstatt mit einfacher Technik hergestellten Produkte nicht mehr direkt einem Kunden, sondern einem Händler, einer Zwischenperson übergibt, um sie in den Handel zu bringen" [ebd., 482]. „Zwei sociale Klassen, häusliche Produzenten und kaufmännische Vermittler", waren aufeinander angewiesen. Schmoller betont einerseits eine einheitliche „sociale Struktur" der Beziehungen zwischen Verleger und Heimarbeitern, „schon weil stets zur Verlegerstellung nur wenige, zur Stellung des Heimarbeiters sehr viele brauchbar sind" [ebd.]. Andererseits erkannte er Nuancen in diesem krassen Gegeneinander, „wo Kaufleute und Meister sich noch näher standen, die fähigen Meister zu Verlegern aufstiegen" [ebd., 487]. „Nähe" war nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch und geographisch bestimmt. Sobald Zwischenhändler bei räumlicher Ausbreitung des Verlags eingeschaltet waren, „kennt der große Verleger die Dutzende oder Hunderte von Heimarbeitern, die er beschäftigt, gar nicht persönlich" [ebd., 483]. Drang die Heimarbeit aufs platte Land vor, blieb die Lage leidlich, falls Heimarbeiter noch Rohstoffe, z. B. Flachs oder Holz, selbst beschaffen konnten. Hingen sie dagegen von Rohstoffen und Geräten der Kaufleute ab, wurde also „das Kaufsystem durch das Lohnsystem ersetzt" [ebd., 485], waren die Heimarbeiter extrem den Konjunkturen unterworfen. Sie unter-
3.
„Hausindustrie", „Verlag",
„Protoindustrialisierung"_77
schieden sich von Industriearbeitern nur noch dadurch, daß sie nicht in der Fabrik arbeiteten. K. Bücher machte dem schwankenden Sprachgebrauch ein Bücher: Verlag und AbEnde, entschied sich gegen den „schiefen Ausdruck" Hausindustrie wirtschaftliche hängigkeit und setzte „das gut deutsche Wort ,Verlag' in sein historisches Recht" wieder ein [3: Bücher, Gewerbe, 985]. Er grenzte Hausindustrie auf das „Arbeitsverhältnis" des Verlagssystems ein, d. h., er definierte den Begriff durch die wechselnden Beziehungen zwischen Unternehmern' und .Arbeitern'. Das Verlagssystem bestimmte er „als Art des gewerblichen Betriebs, bei welcher ein Unternehmer regelmäßig eine größere Zahl von Arbeitern außerhalb seiner eigenen Betriebsstätte in ihren Wohnungen beschäftigt" [ebd., 986]. Bücher unterschied idealtypisch drei Rechtsformen aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten: 1. Der Kauf- oder Werklieferungsvertrag: Bei leicht zu beschaffenden Rohstoffen produziert der Hausarbeiter „entweder auf Bestellung und nach Mustern des Verlegers gegen einen im voraus vereinbarten Dutzendpreis, oder er stellt die Waren auf Vorrat nach bekannten Typen her, um sie bald diesem oder jenem Verleger anzu-
bieten"; 2. Der einfache Werkvertrag: „Der Verleger liefert den Hauptstoff; der Hausarbeiter hat das Werkzeug und empfängt Stücklohn"; 3. Arbeitsvertrag: „Der Verleger liefert nicht nur den Rohstoff,
sondern ist auch Eigentümer des Hauptwerkzeuges" [ebd.]. Bücher betonte die Vielfalt der Arbeitsverhältnisse, häufig in Verbindung mit der Landwirtschaft, fast immer in den Wohnräumen und mit Hilfe der Familie, die „Produktionseinheit" war. Er führte zur Genese des Verlagssystems die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Hausindustrie ein. Jene ging unmittelbar aus dem bäuerlichen Hauswerk hervor, diese durchlief die Zwischenstufe des Handwerks, jene war eher für Ost- und Nordeuropa, diese mehr für das westeuropäische Verlagswesen charakteristisch
[ebd., 989]. In seinem Hauptwerk „Der moderne Kapitalismus" unter- Sombart: der Verschied W. Sombart zwei Arten des Verlages, den exakt zu definieren lag „eine Art von Symbiose" er allerdings im Gegensatz zu Schmoller und Bücher unterließ („eine Art von Symbiose zwischen geldbesitzenden Leuten und gewerblichen Produzenten") [18: Sombart, Kapitalismus, II.2, 708]. In breiter Form stellte er Verlagsverhältnisse im Berg- und Hüttenwesen, in der Textilindustrie (dort in der Form der„Hausindustrie"),
78
in
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
Buchdruckereien, in der Kleineisen- und Holzindustrie und ande-
ren
Branchen
vor.
Charakteristisch sei für diese Verlagsverhältnisse
das Vorstrecken von Geld gewesen. Dieser „reine Verlag" sei nur den Vorstufen, nicht den Anfängen der kapitalistischen Großbetriebe zuzurechnen. Der „reine Verlag" zeige lediglich an, „daß eine alte Produktionsordnung, das Handwerk, im Begriffe ist zu verfallen" [ebd., 723]. „Ein vollständiger Umschwung aller Verhältnisse" trat nach Sombart in dem Moment ein, in dem „der Geldgeber die Leitung der Produktion übernimmt" [ebd., 724]. Diese „halbgesellschaftlichen Betriebe" charakterisierte Sombart als „produktiven Verlag", der außerordentlich große Wirkung auf die Volkswirtschaft genommen habe, weil „durch ihn das Quantum geleisteter Arbeit in einem Volke wesentlich vermehrt wurde" [ebd., 725].
Neben diesem Effekt trat schrittweise eine
Vervollkommung
des Arbeitsprozesses unter dem Einfluß der Verleger ein, vor allem durch Spezialisierung der Arbeit. Für beide Formen des Verlages wie für die verschiedenen Formen des Großbetriebes arbeitete Sombart eine Verlagerung der Standorte in der frühen Neuzeit heraus. Bei Schmoller und Bücher war dieser Aspekt eher beiläufig be„Die Rustikalisie- handelt worden. Die Verlegung aufs Land, „die Rustikalisierung rung der Industrie" ^eT Industrie" zählte Sombart „zu den folgenreichsten wirtschaftlich-kulturellen Erscheinungen der frühkapitalistischen Epoche" [ebd., 803]. Er unterschied zwei Formen: die Anlage neuer Industrien und die Verlegung von Gewerben aus der Stadt in die Dörfer. Häufig war beides mit einer „Zerteilung des Standorts" verbunden, insofern der Verleger oder Teile des Produktionsprozesses in der Stadt ansässig blieben. Bei der Analyse der Ursachen betonte Sombart die Ressourcen des platten Landes: „Hier allein fand man die notwendigen Produktionsfaktoren in hinreichender Menge: Roh-
stoffe, Hilfsstoffe, Triebkräfte, Arbeitskräfte" [ebd., 904].
3.2
Regionale Studien
zum
Verlagswesen
In den 1920er Jahren konnte die Diskussion über das Verlagswesen nicht als abgeschlossen gelten. Gerade weil die Synthesen der Ökonomen eine Vielzahl theoretischer Anregungen gebracht hatten, entstand der Wunsch nach materialgesättigten Studien. Eine solche, die ihrer Zeit als regionale Wirtschaftsgeschichte weit voraus war, Troeltschs Pionier- hatte W. Troeltsch bereits 1897 zur Calwer Zeughandelskompastudie (1897) gnie veröffentlicht [245]. Troeltsch untersuchte Handels- und Produktionssphäre gleichermaßen, nicht ohne die Nachteile des Ver-
3.
„Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
79
für die Heimarbeiter anzuprangern. Gemessen an Troeltschs Quellenstudien bedeutete die 1925 erschienene Dissertation von F. Furger „Zum Verlagswesen als Organisationsform des Frühkapitalismus" [129] keinen Fortschritt, weil Furger keine neuen Quellenstudien betrieben hatte. Anhand der vorliegenden Studien zum Textilgewerbe des oberdeutschen Raums betonte er die Rolle des Handels, der das Ideal mittelalterlicher städtischer Produktion durchbrochen und Rohstoffe zur weiteren Verarbeitung auf dem Land importiert habe. Furger fand entschiedenen Widerspruch bei G. Aubin, der damals Material zu den schlesischen und mitteldeutschen Textilgewerben sichtete. Nacheinander, z. T. gemeinsam mit A. Kunze, legte er mehrere Untersuchungen zu einzelnen Orten vor, deren Summe 1940 erschien [209: Aubin/Kunze, Zunftkauf]- Darin vertieften und ergänzten Aubin/Kunze das Bild vom Verlagswesen. „Will man das innerste Wesen dieses Verlagssystems erfassen und damit auch seine Stellung in der Entwicklung der Wirtschaft und ihrer gewerblichen Organisationsformen bestimmen, so muß man sich vor allem freimachen von Vorstellungen, die sich über das Wesen des Verlages zumeist unter dem Eindruck der ländlichen Hausindustrie moderner Prägung gebildet haben" [ebd., 276]. Aubin/Kunze belegten breit, wie nach 1520 Einzel- und Kollektivverträge zwischen Webern und Kaufleuten abgeschlossen wurden. Bei kurzer Laufzeit der Verträge vereinbarten Zünfte und Verleger die Lieferung von Leinwand. Die Verleger, zumeist oberdeutscher Herkunft, erhielten große Mengen Leinwand zu einer Qualität, die die Zunft- oder städtische Schau garantierte, und zu festen Preisen. Zwar stuften Aubin/Kunze den Zunftkauf zurückhaltend ein. Er sei „keine Form eines gewerblichen Betriebssystems, sondern nur eine bestimmte Organisation des Absatzes" gewesen, „bei dem die alte Form der gewerblichen Betriebe, die handwerkliche, in ihrem Kern unberührt blieb" [ebd., 276]. Gleichwohl vertieften die Studien zum mitteldeutschen Textilgewerbe jene bei Schmoller nur eben angedeuteten Überlegungen zum Kaufsystem; es konnte als eine Form der gewerblichen Betriebssysteme zwischen Handwerk und Verlag neu eingeführt werden. Die spätere Form der Ausweitung der Verlagsbeziehungen auf das Land (nach 1650) behandelten Aubin/Kunze nur am Rande. Kunze griff diesen Aspekt später in einem Aufsatz zur Umformung von Bauerndörfern der Oberlausitz zu Weberdörfern im 17. Jahrhundert auf [39: Bauerndorf]. Als Ergänzung zu Aubin/Kunze ist ebenfalls G. Heitz' 1950 bis 1953 ent-
lagssystems
...
Der Zunftkauf als Absatzform
80_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung standene Dissertation zu
zum
ländlichen
Leinengewerbe Sachsens [223]
werten.
Auf die Arbeiten seines Bruders kam H. Aubin 1967 noch einmal zurück. In einem Beitrag zum Nürnberger Sammelwerk über „Form und Verbreitung des Verlagswesens" [58: Beiträge, 620-668] wies er auf die Abfolge von Gezeug- und Geldverlag nach dem 14. Gezeug-und Geldvertag Jahrhundert hin. Der Gezeugverlag als „das Vorschießen von Rohstoffen oder Hilfsmaterialien", darunter auch Werkzeug, sei dem Vorschießen von Geld vorangegangen. Für die bedeutendste Gewerbestadt Deutschlands sah er um 1500 den Nachweis erbracht, „daß der Verlag viel älter ist als alle als Frühkapitalismus etwa zu bezeichnenden Regungen". Gleichwohl konzedierte H. Aubin die „Weitergestaltung des Verlagswesens" und „eine allmähliche Steigerung", die in dem Maße eintrat, in dem mehr Kapital für einzelne Gewerbe, für den Absatz der Produkte notwendig wurde [ebd., 666]. 1960 erschienen gleichzeitig zwei Arbeiten in der Schweiz, in denen Verlagsbeziehungen einen zentralen Rang einnahmen. W. Schweizer Studien Bodmers umfassende Geschichte der Textilwirtschaft [24: Industriezur Industrialismgeschichte] ist zumal in den Passagen zum 17. und 18. Jahrhundert ru"8 (unter dem Stichwort „Die Industrialisierung der Schweiz") insbesondere eine Geschichte der Verleger und der verlegten Weber. Eine weitaus größere Resonanz als Bodmer fand R. Braun mit seiner volkskundlichen Untersuchung über „Industrialisierung und Volksleben" im Zürcher Oberland [127]. Diese Arbeit bahnte eine Wende an. Sie sprach im Untertitel das eigentliche Thema, die „Verlagsindustrielle Heimarbeit" an. Das Verlagswesen setzte sich nach Braun aus zwei Trägerschichten zusammen, den privilegierten Stadtbürgern und den ländlichen Untertanen. Bei Brauns volkskundlicher Fragestellung stand allein die letztere Gruppe im Zentrum. „Bei einer wirtschaftshistorischen Zielsetzung stände die erste Trägerschicht die Stadtbürger, als Leiter und Lenker des Verlagswesens im Vordergrund" [ebd., 15]. Brauns Pionierarbeit kehrte jene Aspekte heraus, die bislang zu kurz gekommen waren. Sie handelt von Familie, Bevölkerung, Arbeit, Haushalt und Armut der ländlichen Weber und nahm damit die meisten Themen der späteren So...
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-
zialgeschichte vorweg. Schon die Wortwahl Industrialisierung in den beiden SchweiArbeiten signalisierte, daß von nun an Verlag und ländliches Gewerbe vor dem Hintergrund des Übergangs zur Moderne stehen sollten. Auch das Lebenswerk des in Prag geborenen Amerikaners H. Kisch stand im Zeichen dieser Problematik. Im Anschluß an
zer
3.
„Hausindustrie", „Verlag",
„Protoindustrialisierung"_81^
seine 1958 abgeschlossene Dissertation über die deutschen Textilge- Textiigewerbe und werbe in der Industriellen Revolution wandete er sich regionalen Resion Studien zu. Ihn faszinierte, wie unterschiedlich sich einzelne deutsche Textilregionen zwischen 1750 und 1850 entwickelten. Seine den Rheinlanden gewidmeten Ergebnisse erschienen seit 1959 in Aufsätzen; sie wurden größtenteils postum 1981 als Buch zusammengefaßt [228: Textiigewerbe]. Hier wurden konkrete regionale Fallstudien so Kisch im ökonomischen Fragestellungen zugeordnet, denn Rückblick 1977 die regionalen Besonderheiten „schienen mir nur aus einer detaillierten Erforschung jener spezifischen Reaktionen erklärbar, welche die jeweiligen regionalen Produktionsfaktoren innerhalb ihres spezifischen regionalen Bedingungsgefüges als Antwort auf ökonomische Anreize hervorbrachten" [in: 134: Kriedte u. a., Industrialisierung, 379]. -
...
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3.3 Protoindustrie und Protoindustrialisierung in der Kritik
ein
Konzept
-
In Heftigkeit und Ausdauer ähnelt die seit den späten 1970er Die Karriere eines Kon Jahren andauernde Diskussion über Protoindustrialisierung und Besnffes und zeptes Hausinüber die Protoindustrie jener aus den Jahrzehnten um 1900 dustrie. Die Debatten haben im Unterschied zu den älteren Kontroversen stärker internationalen Zuschnitt. Auf dem 8. Internationalen Kongreß für Wirtschaftsgeschichte in Budapest standen sie 1982 im Mittelpunkt des Interesses. „Protoindustrie" und verwandte Wörter bürgerten sich überaus erfolgreich als neue Begriffe ein, ohne daß das dahinterstehende Konzept allgemein akzeptiert worden wäre. Die Karriere des Begriffes „Protoindustrie" begann mit der Dissertation des Amerikaners F. Mendels über Industrialisierung und Bevölkerungsdruck in Flandern im 18. Jahrhundert. Auf der Grundlage seiner Dissertation formulierte Mendels im „Journal of Economic History" einen Ansatz, der gestattete, regionale wirtschaftliche Entwicklung im 17./18. Jahrhundert und Industrialisierung in Europa miteinander in Beziehung zu bringen [138: Mendels, Proto-Industrialization]. Eine breite Resonanz im deutschen Sprachraum und darüber hinaus fand die Kritik und Weiterentwicklung dieses Ansatzes durch eine am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte forschende Gruppe. Das 1977 erschienene Buch „Industrialisierung vor der Industrialisierung" von P. Kriedte, H. Medick und J. Schlumbohm [134] vereinigte systematisch-theoretische Überlegungen mit der Aufarbeitung der immensen west-, mittel-
82
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
und osteuropäischen Literatur, um die Forschungen zur „Gewerblichen Warenproduktion auf dem Land in der Formationsperiode des Kapitalismus" so der Untertitel weiterzubringen. Es ist ausdrücklich als vorläufig und die Diskussion darüber als offen erklärt worden, die Beiträge pro und contra Protoindustrie bzw. Protoindustrialisierung markieren seither wichtige Beiträge zur frühneuzeitlichen Gewerbegeschichte. Die Göttinger Autoren charakterisierten Protoindustrialisierung „als Herausbildung von ländlichen Regionen, in denen ein großer Teil der Bevölkerung ganz oder in beträchtlichem Maße von gewerblicher Massenproduktion für überregionale und internatioZwei Phasen der nale Märkte lebte" [134: Kriedte u.a., Industrialisierung, 26]. Sie Protoindustriali- ordneten Protoindustrialisierung dem Übergang von der feudalen sierung Agrargesellschaft zum industriellen Kapitalismus zu. Er spielte sich in zwei Phasen ab. In einer ersten entstand seit dem Hochmittelalter eine Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land mit einem Produktionsmonopol der Stadt. Diese „wurde von der Dynamik des sozialökonomischen Prozesses überspült" [ebd., 38]. Ein Bevölkerungswachstum in mehreren Wellen veränderte die Sozialstruktur auf dem Lande, die Vollbauern gerieten gegenüber landarmen und -losen Schichten in die Minderzahl. Nur gewerbliche Einkünfte konnten deren Versorgungsproblem lösen. Allerdings hing der Übergang zu gewerblichen verdichteten Regionen von der Ausgestaltung der Feudalbeziehungen ab. Voll ausgebildete Gutsherrschaft verhinderte Protoindustrialisierung. Als Sonderfall ist die Konstellation in Schlesien, Böhmen und in der Lausitz einzustufen, wo das „ländliche Leinengewerbe in das Feudalrentensystem einbezogen wurde" [ebd., 54]. Westlich der Elbe stand wegen des Übergangs zur Geldrente einer Beschäftigung der ländlichen Bevölkerung außerhalb des Agrarsektors nichts im Wege. Die so skizzierte Ausgangslage veränderte sich, als im 17. Jahrhundert immer mehr Menschen auf dem Lande Arbeit suchten und die Nachfrage nach gewerblichen Produkten, vor allem aus Über-
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see, sprunghaft wuchs. „Quantitative Änderungen auf der Angebots- und Nachfrageseite verbanden sich zu einem kumulativen Prozeß, der schließlich in eine neue Phase hinüberführte" [ebd., 62]. Die vermehrte Nachfrage konnte nur befriedigt werden, wenn sich die Produktion auf das Land verlagerte, weil das städtische, zünftige Handwerk nicht flexibel genug reagierte. Eine entscheidende Funktion kam dem Handelskapital zu, das nunmehr „der Nutzung des ländlichen Produktionspotentials den Vorzug" gab [ebd., 63].
3.
„Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
83
Eine wichtige Voraussetzung für das protoindustrielle System Familien und die Einbeziehung von Familie und Haus der ländlichen Gewer- Produktionsprozeß betreibenden in den Produktionsprozeß. Frauen und Kinder wurden im Gegensatz zum zünftigen Handwerk stärker zur Mitarbeit herangezogen. Dies trug aus volkswirtschaftlicher Perspektive erheblich zur Senkung der Produktionskosten bei. Der Stellenwert der „Protoindustrialisierung" zwischen Feuda- System oder lismus und Kapitalismus war innerhalb der Göttinger Gruppe um- Prozeß? stritten. Kriedte und Medick setzten für diese Phase ein eigenständiges System an, das von beiden Produktionsweisen durchdrungen war. Demgegenüber interpretierte Schlumbohm „Protoindustrialisierung" nicht als System, vielmehr betonte er das Prozeßhafte und die Vielfalt der Phänomene. Damit kommt er im Gegensatz zu der theorieorientierten Auffassung von Kriedte und Medick wohl der historischen Realität näher. Die Beispiele aus den einzelnen Regionen ordnete er den Typen „Kaufsystem", „Verlagssystem" und „Manufaktur" zu. Überlegungen von Schmoller, dessen Begriff „Kaufsystem" Schlumbohm übernahm, Bücher und Sombart kehren an dieser Stelle wieder. Schlumbohm folgte Sombart bei der Trennung zwischen Kaufsystem und Verlag (bei Sombart der „reine" bzw. „produktive" Verlag). Er unterschied zwischen dem „Händler" im Kaufsystem und dem „Verleger", der über mehr Kapital verfügen mußte und auf die Produktion Einfluß nahm. Die vorgestellten Stufen folgten nicht zwangsläufig aufeinander. „Trotzdem läßt sich in der Proto-Industrialisierung insgesamt ein Trend erkennen, der ein langsames, oft stockendes, aufs Ganze gesehen aber doch unverkennbares Vordringen des Kapitals in den Produktionsbereich und eine Verwandlung von relativ unabhängigen Kleingewerbetreibenden, die Eigentümer ihrer Produktionsmittel waren, in abhängige Lohnarbeiter zum Inhalt hatte" [ebd., 230 f.]. Das hier u.a. ohne seine demographischen Komponenten refe- Kritische Würdirierte Buch steht seit nunmehr zehn Jahren in einer kritischen Dis- gungen kussion, in der das Wissen über die frühneuzeitlichen Gewerbe vertieft wurde. Nicht zu bestreiten ist das Verdienst der Autoren, Ökonomie und Demographie, Makro- und Mikroperspektive, Theorie und Empirie miteinander verknüpft zu haben. Der Zwang zu generalisieren mag bewußt in Kauf genommen worden sein. Wer allerdings mit Systemen und Prozessen argumentiert, vereinfacht notgedrungen, zumal wenn er selbst die protoindustriellen Regionen nur als „Minderheit" in größeren staatlichen Einheiten betrachtet war
-
-
84
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
[ebd., 34]. Einsprüche können abgeleitet werden aus den Formen der frühneuzeitlichen Gewerbetätigkeit, die die Göttinger Gruppe
Offene Flanken
Probleme der gewerblichen Statistik
beiseite ließ oder nur als Negativfolie verwandte: aus dem Landhandwerk für den örtlichen Bedarf, aus dem städtischen Verlagswesen, aus dem zünftigen Handwerk. Für die Übergangsproblematik sind diese Formen bedeutender, als Kriedte, Medick und Schlumbohm ursprünglich annahmen. Sie einzubeziehen, fordert eine differenziertere Argumentation als im ersten, weitgehend noch auf Ableitung von Theoremen angelegten Zugriff. Der von den Autoren selbst empfohlene „Gang in die regionalgeschichtliche Feldforschung" [ebd., 35] erlaubt, einige der angesprochenen Aspekte schärfer zu fassen. Ob je die einzelnen Bausteine zu einer in sich stimmigen Theorie mittlerer Reichweite zusammengesetzt werden können, mag dahingestellt bleiben. Unter Einbeziehung der Quellenproblematik sollen einige der offenen Flanken des Protoindustrialisierungskonzeptes angesprochen werden: die statistischen Probleme; die Rolle des Handels; die Branchenspezifik; der Begriff der Gewerberegion. a) Eine Quellenkunde täte not, die den besonderen Schwierigkeiten Rechnung trägt, Verlag und Hausindustrie in der Neuzeit quantitativ und qualitativ zu erfassen. Ausgangspunkt vieler Untersuchungen sind die Gewerbestatistiken, die die großen Territorialstaaten im Laufe des 18. Jahrhunderts angelegt haben und die für die meisten kirchlichen Herrschaftsgebiete fehlen. Zwar wurden die zeitgenössischen Zählungen schrittweise verbessert, doch blieben sie lückenhaft und fehlerhaft. So erfaßten z.B. die preußischen „Fabrikentabellen" und die österreichischen „Manufakturtabellen" zwischen 1780 und 1800 nur die für den Handel arbeitenden Gewerbe, diejenigen, die für den örtlichen Bedarf arbeiteten, blieben unberücksichtigt, in Preußen auch die, die auf Bestellung arbeiteten. Doppelzählungen sowie die Erfassung der ländlichen Spinner und überhaupt aller saisonal oder im Nebenberuf Tätigen bereiteten die größten Probleme. In diesem Zusammenhang befremdet die Unbefangenheit der Göttinger Autoren, die ländlichen Produzenten unter
Begriff „Hausindustrie" zu subsumieren. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Standort der Gewerbetreibenden korrekt zugewiesen werden soll: Sind die Beschäftigten an ihrem Wohn- und Arbeitsplatz oder am Sitz des Verlegers gezählt worden? Jedes der z.B. 1769 im Taschenbuch Knyphausen [152: Hoffmann, Handwerk und Manufaktur] aufgeführten Unternehmen, ob Verlag oder Manufaktur, muß mittels ergänzendem
Fragen des Standorts
3.
„Hausindustrie", „Verlag",
„Protoindustrialisierung"_85
der Quellen darauf überprüft werden, wie sich im Einzelfall die Beziehungen zwischen Unternehmer und kleinen Warenproduzenten gestalteten. Ohne daß die Gewerbezählungen zu ersetzen sind, warnen Äußerungen wie die der Kriegs- und Domänenkammer Minden 1788 davor, zeitgenössische Zahlen zu überschätzen: „Die Fabrikentabelle enthält fast auf jeder Seite so große Unrichtigkeiten, daß solche bei bloß generaler Kenntnis des Landes auffallen" [46: Reekers,
Quellen, 173]. Je weiter die entwickelten Verhältnisse des späten 18. Jahrhunderts zurückverfolgt werden, um so spärlicher wird die quantifizierbare Überlieferung, um so mehr gewinnen normative Aussagen und Berichte an Bedeutung, und um so wichtiger werden städtische Archivalien. R. Holbach hat mit Hilfe von Zunftstatuten und anderen normativen Texten eine Verbreitung des Verlagswesens im hansischen Wirtschaftsraum beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit nachweisen können [130: Holbach, Formen des Verlags]. Die innerstädtische Ausbreitung des Verlages ist z. B. für die Nürnberger Gewerbe durch H. Aubin [in: 58: Beiträge, 620-668] und E. Wiest [81: Entwicklung, 88-93] behandelt worden. Verlagsbeziehungen wies H. Bräuer [87: Zwickau] für die Zwickauer Tuchknappen im 16. Jahrhundert nach. Rats- und Zunftprotokolle und -akten ließen sich dabei mit Steuerlisten kombinieren. Sobald der Verlag auf das Land ausgreift, wird die Quellenlage schwieriger. Zwar benennen die Eingaben städtischer Zünfte und Magistrate noch das Phänomen der Landweber, statistisch überprüfen lassen sich die dort erwähnten Angaben aber nur selten. Eine für die Ausbreitung des ravensbergischen Leinengewerbes wichtige, im folgenden angeführte Eingabe der Stadt Bielefeld bei ihrem Landesherrn 1596 ist daher nur mittelbar zu kontrollieren. Bielefeld behauptete, bis vor wenigen Jahren hätten im umliegenden Amt Sparrenberg nur drei oder vier Leineweber gewohnt, die den Hausleuten ihr eigenes Garn gewebt haben. Seit etwa 10 Jahren sei eingerissen, daß allein in den benachbarten Dörfern an die 350 Weber sitzen. In günstigen Fällen sind „Gäuweber" wie die in Langenau 1515 und öfter in einem Ulmer Urbar zu finden [30: Grees, Unterschichten, 297]. Aber immer dann, wenn territoriale Grenzen übersprungen werden, wird es fast unmöglich, Verleger und Verlegte einander zuzuweisen. P. Kriedte mußte z. B. für das Ausgreifen der Samtbandfertigung von Krefeld in das kölnische Umland die Gründung von Unterstützungskassen der Weber als Nachweis bemühen [230:
Kriedte, Krefeld, 251].
86_II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
Je weiter sie
zu
von
Der Nachweis verdeckter Verlags-
beziehungen
Verlagsbeziehungen reichten, desto schwerer fällt es, belegen. Schwer wiegt der Verlust der allermeisten Archive
Kaufleuten, denn in ihren Geschäftsbüchern wurden die Auf-
tragsvergabe, die Bestellungen bei auswärtigen Handwerkern festgehalten. Die weiter unten als Beispiel herangezogene Analyse von erhaltenen Geschäftsbüchern verdeutlicht: erst mit Hilfe der Hauptund Nebenbücher und der Briefe sind verdeckte Verlagsbeziehungen offenzulegen bzw. bekannte Abhängigkeiten zu analysieren. Be-
schränkte man sich allein auf die staatliche Überlieferung, so würde man oft nur bei gravierenden Verstößen gegen merkantilistische Prinzipien auf sie aufmerksam. Erst als z.B. das bergische Handelshaus Gebr. Hilger aus Remscheid 1795 Zollvergünstigung in Königsberg für sich reklamierte, nahmen die preußischen Behörden zur Kenntnis, daß es mehrere Dutzend Schmiede in der Grafschaft Mark für sich arbeiten ließ. b) Mehrere Kritiker haben bemängelt, daß im ProtoindustrialiDie Rolle des sierungskonzept zwar das Handelskapital eine zentrale Rolle für die Handelskapitals Ausdehnung der Gewerbeproduktion auf dem Lande spiele („causa movens"), daß es aber nirgendwo konkret behandelt werde [136: Linde, Proto-Industrialisierung 118]. Ebenso wie das Handelskapital recht pauschal behandelt wird, werden die Außennachfrage und der Weltmarkt in das Modell eingeführt. Absatzchancen dort mußten ja erst Anreize bieten, sich in der Produktion zu engagieren. Deshalb sprach E. Schremmer davon, daß die Außennachfrage als „deus ex machina" in der Region der späteren Proto-Industrialisierung wirke [142: Schremmer, Industrialisierung, 436]. Es ist notwendig, den Handel in den gewerblich verdichteten Regionen unter mehreren zu differenzierenden Aspekten zu betrachten: Wer lieferte den Produzenten die Roh- und Hilfsstoffe? Wer vermittelte zwischen Produzenten und Endverbrauchern? In welchen Regionen saßen überhaupt die Endverbraucher? Wer verschaffte den Produzenten Lebensmittel, falls die Autarkie einer Region verlorenging? Die Antworten dürften zeigen, daß der Handel nicht monolithisch, sondern äußerst vielgestaltig war. Der Einkauf der Rohstoffe hing ab von der räumlichen Verflechtung der einzelnen Gewerberegionen. Mit zunehmender Entfernung der Rohstoffbasis vom Produktionsort, also mit steigenden Transportkosten, wuchs der Einfluß der Großkaufleute, z. B. bei der Beschaffung der Merinowolle aus Spanien für die Tuchmacher der Eifel. In kleinräumigeren Bezugsnetzen, etwa im Garnhandel zwischen Ostwestfalen/ Zwischenhändler Niedersachsen und dem Wuppertal, konnten Zwischenhändler und
3.
„Hausindustrie", „Verlag", „Protoindustrialisierung"
Aufkäufer
87
größere Bedeutung gewinnen. Beim Absatz spielten die gleichfalls Entfernungen eine Rolle. Auf dem Binnenmarkt konnten die Erzeuger selbst und die Hausierer tätig werden, der Absatz über See mußte in mehreren Etappen zwischen Kaufleuten organisiert werden. K. H. Kaufhold folgerte deshalb, daß „der überin den Händen von Personen sehr unterschiedliörtliche Absatz cher ökonomischer Funktion und Potenz" gelegen habe, „ein wichtiger Umstand, der nicht hinter einem übervereinfachenden Kürzel [Handelskapital] verschwinden darf'. Für die Eingriffe der AbsatzJe beträger in die Produktion formulierte er eine „Faustregel scheidener die Absatzorganisation, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer naturwüchsigen' Entwicklung der Gewerbelandschaft ohne planmäßigen Aufbau der Produktion durch Kaufleute" [Gewerbelandschaften in der Frühen Neuzeit (1650-1800), in: 15: Pohl (Hrsg.), Gewerbe- und Industrielandschaften, S. 196 ff.] Geschäftsbücher von Kaufleuten aus dem märkischen Sauer- Verflechtung von land zeigen wie vielgestaltig Handel, Rohstoffbeschaffung und Pro- Handel und Produktion duktion im 17./18. Jahrhundert miteinander verbunden sein konnten. Das Handelshaus Harkort (bei Hagen) kaufte im Siegerland Roheisen ein und gab es an Schmiede seiner Nachbarschaft weiter, ließ es aber auch auf eigenen Hämmern zu Fertigprodukten weiterverarbeiten. Die Schmiede erhielten das Eisen auf Vorschuß, waren aber nicht gehalten, nur für die Harkorts zu arbeiten. Allerdings spezialisierten sie sich nicht ohne deren Zutun auf Sensen und Messer für einzelne Absatzmärkte im Nord- und Ostseeraum, dort, wo als Handelpartner Harkorts neben größeren Kaufleuten auch Wanderhändler auftraten. Beschränkten sich die Harkorts weitgehend auf Metallwaren, so waren Handel und Einfluß auf die Produktion durch die Iserlohner Kompagnie Johannes Rupe & Co. erheblich weiter gestreut. Traditionell handelte sie mit Draht aus Iserlohn und Altena. In beiden Städten hielt sie Anteile am Drahtstapel. Daneben bündelte sie Kommissionsgeschäfte für märkische Kleineisenschmiede, die auf auswärtigen Absatz angewiesen waren. Nach 1750 schalteten sich Rupe & Co in den Garnhandel aus Ostwestfalen ein und legten selbst Bleichen an. Während sie sich aus der Textilproduktion bald zurückzogen, war ihr Einsatz im Wollimport aus Schlesien und Spanien dauerhafter. Zwischenzeitlich kontrollierten sie große Teile der Rohstoffzufuhr der Tuchmacher in Kleve-Mark. c) Einen entschiedenen Mangel des Protoindustrialisierungskonzeptes stellte W. Mager [137: Protoindustrialisierung] heraus. Er ...
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Besonderheiten der einzelnen Branchen
Eine Typologie für das Zürcher Unterland
II
Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
vermißte eine Typisierung und Spezifizierung, die angemessen die Besonderheiten der einzelnen Branchen berücksichtigt. Mit Sombart betont Mager, daß die zentralisierte und dezentralisierte gewerbliche Produktion in den Gewerbelandschaften in sehr verschiedenen Wirtschaftsformen in Erscheinung trat. „Es ist davon auszugehen, daß diese Wirtschaftsformen' je nach Branche, wenn nicht gar Produkt oder Fertigungsschritt je unterschiedlichen Gestaltungslogiken folgten" [ebd., 284]. Mager hielt im übrigen am Begriff und Konzept von Protoindustrie fest, um „Entstehungsbedingungen und Organisationsformen, Entwicklungspotentiale und Entfaltungsschranken der in Gewerbelandschaften verdichteten frühneuzeitlichen Industrie zu erfassen" [ebd., 282]. Die von Mager vorgelegte Typologie ist auf die Arbeitsabläufe und Produktionskosten in den wichtigsten protoindustriellen Branchen ausgerichtet. Er bezeichnet das Leinengewerbe „als klassische Ausprägung der mit kleiner Landwirtschaft verbundenen Hausindustrie" [ebd., 285]. Sie gründete auf Arbeitsinstrumenten einfachen Formats und stellte geringe Anforderungen an die Qualifikation der Spinner und Weber. Wie die Leinenfertigung wurde die Baumwollverarbeitung als ländliche Hausindustrie betrieben, jedoch setzten Kaufleute, die die Rohbaumwolle importierten, das Verlagssystem durch. Der Kattundruck fand allerdings wegen der zu koordinierenden Produktionsschritte in Manufakturen statt. Das galt seit dem 17. Jahrhundert auch für die feinen Wollzeuge. Die Seidenweberei unterlag der Kontrolle und Koordination von Verleger-Unternehmern in teilzentralisierten städtischen oder stadtnahen Werkstätten. In der Eisenverarbeitung herrschte in den vorwiegend ländlichen Arbeitsstätten der Verlag vor. Die Verleger mußten die dezentralen Arbeitsschritte zwischen den Produzenten aufeinander abstimmen. Nur bei einzelnen, extrem arbeitsteilig herzustellenden Produkten wie den Nadeln war eine (Teil-)Zentralisierung angebracht. Mager zieht als Resümee: „Die familienwirtschaftliche Einbettung der rustikalisierten Industrie in die Agrarwirtschaft reichte unterschiedlich weit" [ebd., 299]. Für die Ausbildung von Gewerberegionen betont Mager die Bedeutung anderer Faktoren, z.B. die natürlichen und sozialökonomischen Rahmenbedingungen. An konkreten Beispielen entwickelte T. Meier eine nach Brancheneigenarten verfeinernde Typologie der Protoindustrien. Die Protoindustrie des Zürcher Unterlandes gliederte er in solche mit autochthon-autonomem bzw. mit allochthon-heteronomem Charakter. Hinter den „zunächst abstrakten Begriffsungetümen" verbergen
3.
„Hausindustrie", „Verlag",
„Protoindustrialisierung"_89
sich nützliche Kriterien [44: Meier, Zürcher Unterland, 308], Meier unterschied einerseits Gewerbe, die Rohstoffe vorwiegend aus der einheimischen Landwirtschaft verwenden und sie zu fertigen Konsumgütern verarbeiten. Beispiele für solche autochthon-autonomen Protoindustrien sind die Strumpfstrickerei und die Strohflechterei, die sich im 16. bis 18. Jahrhundert nicht nur in der Nordschweiz, sondern in vielen ländlichen Regionen ansiedelten. Sie arbeiteten zwar für entfernte Märkte, waren aber kaum von städtischen Verleger-Kaufleuten abhängig. Zu den allochthon-heteronomen Protoindustrien andererseits, die von städtischen Verleger-Kaufleuten abhingen, gehörten solche Gewerbe, deren Rohstoffe importiert werden und die nur Halbfertigprodukte lieferten, etwa Seiden- und
Baumwollspinner. Meier führte den Faktor
„Rohstoff als einen Faktor für die
gewerbliche Verdichtung auf dem Lande ein. Deshalb kann man mit seinem Ansatz Gewerbe wie die Spielzeugherstellung einordnen, die bisher außerhalb der systematischen Ansätze stehen. Die Schnitzer des Meininger Oberlandes, die den einheimischen Rohstoff Holz verwenden, könnten wegen ihrer Abhängigkeit von Nürnberger Verlegern einer autochthon-heteronomen Protoindustrie zugerechnet werden; die Schnitzer des Grödnertals mit eigenen Absatzwegen betrieben unter diesen Gesichtspunkten eine autochthon-autonome Protoindustrie. d) Der Raum ist eine wichtige Komponente im Modell der Göt- Raum und Prototinger Autoren. Die Region (außerhalb der Städte) ist für sie der Industrialisierung Ort, an dem in der frühen Neuzeit Protoindustrialisierung stattfand. Zwar berufen sie sich auf jene „wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschung", vor allem auf die Annales-Schule, die „in der Region das der Vielfalt ihrer Fragestellungen und der Subtilität ihrer Methoden angemessene Forschungsfeld" fand [134: Kriedte u.a., Industrialisierung, 23]. Sie kommen jedoch ohne einen präzisierten Begriff von Region aus, der die vielen Fälle darin sich ereignender gewerblicher Verdichtung angemessen umschlösse. Dies ist nicht zuletzt in der Rezension ihres Buches in den „Annales" durch P. Jeannin [131]: Protoindustrialisation, 61 f.] angemerkt worden. Der unsichere Umgang mit dem Faktor Raum mag dazu beigetragen haben, daß mehrere Beiträge der Tagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Graz 1983 mit dem Themenschwerpunkt Gewerbe- und Industrielandschaften auf das Konzept der Protoindustrialisierung eingingen [15: Gewerbelandschaft]. So sah O. Pickl [ebd., 37] die Standortkontinuität der steirischen
90
Protofabriken und Protoindustne
Die Strukturen der Gewerbeland-
II
Grundproblerne
und Tendenzen der
Forschung
Eisen- und Stahlindustrie seit dem Mittelalter als Beweis gegen die Theorie des Göttinger Forscherteams an. W. von Stromer [Gewerbeindustrien und Protoindustrien in Spätmittelalter und Frühneuzeit, ebd., 39-111] attackierte das Konzept der Protoindustrialisierung, weil es einseitig auf „eine zwar massenweise, aber dezentrale ländliche Produktion einfacher Textilien in Heimarbeit" ausgerichtet sei. Stromer hielt es für wenig wahrscheinlich, daß ländliche Heimgewerbe und Produktion typische Vorformen der Industrie des 19./20. Jahrhunderts seien [ebd., 43]. Trotz dieser Kritik sah er „Proto-Fabrik" und „Proto-Industrie" als „wirtschafts- und technikhistorisch sinnvolle Begriffe" an. Stromer beschrieb als Protofabriken großgewerbliche Anlagen mit wesentlichem Anteil der Kraftund Bearbeitungsanlagen an der Produktion. Die in einigen Gewerbezweigen zu verzeichnende Konzentration von „Proto-Fabriken" führte zur Herausbildung von „Proto-Industrien" [ebd., 45 f.]. K. H. Kaufhold entwickelte ausführlich eine Typologie der Gewerbelandschaften im Zeitraum von 1650 bis 1800 und fragte nach Ursachen für das Entstehen und den Wandel solcher Landschaften [ebd., 112-202]. Mit Zielrichtung gegen das Protoindustrialisierung-Konzept schloß er aus, daß ein Produktionszweig, Stadt oder Land für sich allein oder nur eine Betriebsform „die Entwicklung der Gewerbelandschaft" bestimmt habe [ebd., 186]. Kaufhold definierte Gewerbelandschaft als Gebiet mit überdurchschnittlicher großer Gewerbedichte (gewerblich Beschäftigte pro 1000 Einwohner) und überörtlicher Bedeutung des Gewerbes. Aufgrund dieser Definition wurden 39 Gewerbelandschaften ermittelt, die in 26 monostrukturierte (davon 23 Textilgebiete) und 13 polystrukturierte zerfielen. Mit wenigen Ausnahmen konzentrierten sie sich in den Mittelgebirgen. In sich waren die Gewerbelandschaften überaus komplex, weshalb Kaufhold „die Frage nach der Homogenität von Gewerbelandschaften" stellte [ebd., 176]. Stadt und Land befanden sich in den meisten und vor allem in den entwickeltsten Regionen in Gemengelage, nebenberufliches Heimgewerbe und Verlag waren in den verschiedenen Spielarten
wichtigste Betriebsformen. Als Tendenz kann aus der Typenbildung abgelesen werden, daß „die beiden zentralen Merkmale der Gewerbelandschaften" das „Überwiegen der ländlichen Produktion und der nicht-handwerklichen Betriebsformen" waren [ebd., 185]. Als gemeinsame Ursachen für den Aufschwung der deutschen Gewerbelandschaften nach dem Dreißigjährigen Krieg erweisen sich ein quantitativ wie qualitativ hinreichendes Angebot an Arbeitskräften
4. Manufakturen
mit möglichst keiten.
billigen
Rohstoffen und ausreichende
91
Absatzmöglich-
4. Manufakturen Folgen. Zur Betriebsform Manufaktur Jegliche Untersuchung zur Geschichte der Manufakturen ist K. Marx verpflichtet. Die Sätze am Beginn des 14. Kapitels von Band 1 des „Kapitals" erhoben die Manufakturen zum herausragenden Merkmal einer ganzen Epoche: „Die auf Teilung der Arbeit beruhende Kooperation schafft sich ihre klassische Form in der Manufaktur. Als charakteristische Form des kapitalistischen Produktionsprozesses herrscht sie vor während der eigentlichen Manufakturperiode, die, rauh angeschlagen, von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 4.1 Marx und die
letzten Drittel des 18. währt" [13: MEW 23, 356]. Marx pierte gründlich die Schriften deutscher Technologen wie
zum
Manufakturen im Werk von Marx
exzer-
Beckund Poppe. Deren Kenntnisse brachte er sowohl systematisierend wie historisierend mit Überlegungen zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung bei Vertretern der politischen Ökonomie zusammen, ohne daß er eine vollständig ausgearbeitete Theorie der Gesellschaftsformationen hinterlassen hätte. Manufakturen entstanden nach Marx durch Vereinigung unabhängiger Arbeiter in einer Werkstatt (Beispiel: Kutschenmanufaktur) oder durch gleichzeitige Beschäftigung vieler Handwerker, die allein eine Ware herstellten, in einer Werkstatt. Letztere Form hatte die Tendenz, sich in Teilarbeiten aufzulösen, die Manufaktur produzierte „die Virtuosität des Detailarbeiters". Marx gliederte die Manufaktur in zwei verschiedene Grund- Heterogene und Manuformen. Die erste, die heterogene Manufaktur, war geprägt durch organische fakturen „die räumliche Trennung zwischen den besonderen Produktionsphasen des Machwerks". Mit der zweiten Form, der organischen Manufaktur, entstand eine neue Produktivkraft, weil die Herstellung der Waren räumlich nebeneinander in viele Teilarbeiten zergliedert wurde. Lange galt Marx' Einschätzung der Manufaktur als Außenseiterposition. Bücher und Schmoller erkannten zwar die Bedeutung von Großbetrieben im 17./18. Jahrhundert an, ohne sich aber definitorische Gewißheit über die zeitgenössischen Begriffe „Fabrik" und „Manufaktur" zu verschaffen. Schmoller hob die Verbesserung der mann
92
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
Eisentechnik am Beginn der Neuzeit für die Entstehung des moderGroßbetriebs hervor. Er sah jedoch nur geringe Auswirkungen „der neuen Technik" auf die Nationalstaaten des 16. bis 18. Jahrhunderts [17: Grundriß, Bd. 1, 211 f.]. Bücher grenzte „Fabrik" und „Manufaktur", beide gekennzeichnet durch Produktion im großen und Arbeitsteilung im Inneren der Unternehmung, gegen das Handwerk ab, eine weitere Differenzierung galt ihm jedoch als „willkürlinen
Begriffsspalterei" [3 : Bücher, Gewerbe, 985]. „Nichts irrtümlicher als diese Ansicht", protestierte Sombart, der den Begriff Manufaktur als „unentbehrlich für das Verständnis der modernen industriellen Entwicklung" ansah [18: Sombart, Kapitalismus, II.2, 758]. Freilich verwirrte Sombart mehr, als daß er zur Klärung der Betriebsformen Manufaktur und Fabrik beitrug. Er che
Manufakturen und Fabriken bei Sombart
Dezentralisierte und zentralisierte Manufakturen
unterstellte nämlich Marx die These, „daß zunächst die Manufakturen entstanden und diese sich später in Fabriken umgewandelt haben", und grenzte sich dagegen ab: „die Zeit vom 16. bis 18.Jahrhundert sei „ebenso eine Fabrik- wie eine Manufakturperiode" gewesen [ebd., 731 f.]. Sombarts Antithese wurzelt im Unbehagen, das Berg- und Hüttenwesen, „die zwieschlächtig (mechano-chemischen) Fabriken", nicht eindeutig einer Betriebsform zurechnen zu können. Von Marx, der hierfür den Begriff „kombinierte Manufaktur" fand, über Sombart bis zu R. Forberger [148: Sachsen] zieht sich dieses Zuordnungsproblem wie ein roter Faden durch die Geschichte der Erforschung von Manufakturen. Eine wichtige Rolle für den Gang der Forschung zu Manufakturen spielte J. Kulischers „Allgemeine Wirtschaftsgeschichte" von 1929, in der er der (zentralisierten) Manufaktur ein eigenes Kapitel widmete [11: Bd.2, 146-163]. Innerhalb der Gliederung der Betriebsformen hat Kulischer Manufakturen deutlich von Fabriken des Dampfmaschinenzeitalters getrennt, indem er Manufakturen als Form zwischen dezentralisiertem Verlag und Fabrik einstufte. Marx' Ausführungen zu Manufakturen boten den Ausgangspunkt für einen Schwerpunkt der historischen Arbeiten in der DDR in den 1950er Jahren. H. Krüger entwickelte den Manufakturbegriff weiter, er führte die Kategorie „dezentralisierte Manufaktur" ein und hob diese Form entschieden vom Verlag ab trotz der eingestandenen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung. In der dezentralisierten Manufaktur wurden „unter Anwendung des Systems der Arbeitsteilung innerhalb des Produktionsprozesses zahlreiche Arbeitskräfte unter dem Kommando des gleichen Kapitals außerhalb des eigentlichen Manufakturgebäudes in deren eigenen Werkstätten -
4. Manufakturen
93
Wohnungen beschäftigt" [156: Preußen, 192]. Krüger würdie weite Verbreitung der dezentralisierten Manufaktur, stellte digte zentralisierte als tendenziell wachsende „höchstentwikdie jedoch kelte Produktionsform vor der Entstehung der Fabrik" heraus [ebd., 206]. Er ordnete die Manufaktur den kapitalistischen Produktionsformen zu. Dem widersprach J. Kuczynski, der in der DDR-internen Diskussion auf feudal, außerökonomisch gebundene Arbeitskräfte der Manufakturen, Spinner und Weber sowie Insassen von Zucht- und Waisenhäusern hinwies [157: Kuczynski, Lage der Arbzw.
beiter, 21-23].
geht in seiner Arbeit über sächsische Manufaktudie zeitlich ren [148], parallel zu Krügers Buch erschien, nicht ausauf den Unterschied zwischen dezentralisierten und zentraführlich lisierten Manufakturen ein. Statt dessen setzte sich Forberger theo- Feudale und retisch mit den Begriffen „feudale" und „kapitalistische" Manufaktur auseinander. Die „kapitalistische" Manufaktur beruhte auf freier, die „feudale" Manufaktur auf unfreier Arbeit, und nur von der west- und mitteleuropäischen „kapitalistischen" Manufaktur führte nach Forberger ein Weg zur Fabrik. Sein besonderes Augenmerk fiel auf die in Sachsen zahlreichen Manufakturen, die Bergwerksprodukte verarbeiteten. Forberger führte dafür aus der zeitgenössischen Staatenkunde den Begriff „Bergfabrik" ein. Bergfabriken „stellten in vielen Fällen arbeitsteilige Kooperationen dar, Manufakturen, und zu einem nicht unerheblichen Teil auch Mischformen zwischen Manufaktur und Fabrik" [148: Sachsen, 178]. Forberger verfolgte die Geschichte der Bergfabriken zurück bis in das 16. Jahrhundert. Später hat H. Wilsdorf seine Befunde vertieft und Vorschläge zur Unterscheidung zwischen Bergfabriken und eher handwerklich-feudal ausgerichteten Hammerwerken geliefert. Er unterstrich die besondere Rolle der Facharbeiter in den Bergfabri- Bergfabriken ken. „Diese mußten spezialisiert sein wie etwa ein Handwerksmeister", konnten jedoch niemals selbständig arbeiten. Vielmehr waren sie „auf die sie zeitlebens integrierende Fabrikorganisation angewieR. Forberger
^'^j^J
sen"
[189: Wilsdorf, Berg-Fabriquen, 43].
In der westdeutschen Literatur wurde der Begriff „Manufaktur" uneinheitlich gebraucht. F. Lütge hatte allein zwischen Verlag
und Manufaktur unterschieden [12: Wirtschaftsgeschichte, 332]. Seine Schüler G. Slawinger und O. Reuter konzentrierten sich daher in ihren Monographien über Manufakturen in Kurbayern [164] bzw. Franken [162] auf zentralisierte Großbetriebe mit vorherrschender Handarbeit [162: Reuter, Franken, 4]. Ebenso zog J. Ker-
94_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung Untersuchung von Manufakturen in der späteren einen deutlichen Trennstrich zum Verlag: „Im GeRheinprovinz Manufaktur stellt der Verlag einen dezentralisierten zur gensatz dar" Großbetrieb [153: Kermann, Rheinland, 80]. Dagegen hat A. Tausendpfund in seiner Arbeit über Manufakturen im Fürstentum Neuburg bemerkt, „der Verlagscharakter der Unternehmung ist kein Grund, ihm den Manufakturcharakter abzusprechen" [165: mann
bei der
...
Tausendpfund, Neuburg, 2]. Primäre und sekundäre Manufakturen
Eine weite Fassung des Manufaktur-
Begriffs
Fabriksprivilegien in Österreich
Gängig ist in den Untersuchungen zu Manufakturen des süddeutschen Raums die Trennung in primäre und sekundäre Großbetriebe. Zum ersten Typ zählte Slawinger u.a. Bergwerke, Salinen, Hütten- und Hammerwerke, Papier- und Getreidemühlen sowie Druckereien. Er behandelte ausschließlich den zweiten Typ, der im 17./18. Jahrhundert neu entwickelt worden sei, vor allem Textilmanufakturen [164: Slawinger, Kurbayern, XVII]. Durchgesetzt haben sich die Vorbehalte gegen die Einbeziehung dezentralisierter Manufakturen nicht. K. H. Kaufhold bezieht sowohl sie als auch die Bergfabriken in einen nicht zu eng gefaßten Manufaktur-Begriff mit ein [36: Preußen, 230-236]. Eine weite Fassung ist notwendig, um den vielfachen Zwischen- und Sonderformen Rechnung zu tragen; möglicherweise ist eine noch weitergehendere Typologisierung nützlich. S. Reekers hat dies angeregt, als sie bemängelte, bei Ausgrenzung von Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten aus dem Kreis der Manufakturen würden zahlreiche kaufmännisch-profitorientierte Unternehmen aus dem Blickfeld verschwinden [47: Reekers, Beiträge XI]. Der rechtsgeschichtliche Aspekt erhält in der österreichischen Literatur zum Manufakturwesen eine Bedeutung, wie sie in Deutschland unbekannt ist. In Österreich wurde nämlich die kleingewerbliche Produktion schon früh ausgehöhlt durch landesherrliche Vergünstigungen für Großbetriebe, die sog. „Fabriksprivilegien". Die Übergänge zwischen den vorindustriellen „Fabriksprivilegien" des 17./18. und dem industriellen „Fabrikrecht" des 19. Jahrhunderts scheinen für Österreich fließend zu sein, doch ist zu fragen, ob nicht jenseits der zeitgenössischen Quellenbezeichnungen schärfer nach den realen Phänomenen differenziert werden muß. Wenig hilfreich für vergleichende Manufaktur-Forschung ist es, wenn „die Begriffe .Manufaktur' und ,Fabrik' so wie sie in den Quellen aufscheinen synonym verwendet" werden [161: Otruba, -
Fabriksprivilegien, 13]. -
4. Manufakturen
4.2
95
Ausgewählte Probleme der Geschichte der Manufakturen
Eine Sichtung der Literatur zur Geschichte der Manufakturen im deutschen Sprachraum zeigt, daß bisher die großen Territorialstaaten im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben. Für die mittleren preußischen Provinzen, für Sachsen und für Kurbayern dürfen die Manufakturen als gut erforscht gelten. Aber schon das Zusammentragen von Material für die vor der Franzosenzeit territorial zersplitterten Rheinlande durch J. Kermann zeigte, wie schwierig es ist, in kleineren Staaten Manufakturen nachzuspüren. Kermann bemerkte, daß die Zahl der Manufakturen dort zu einer solchen Höhe angeschwollen sei, daß „eine eingehende Untersuchung" der ermittelten Manufakturen „zu einer fast uferlosen Aufgabe wird" [153: Kermann, Rheinland, 74]. Die Suche macht jedoch allemal Sinn, wie A. Tausendpfund bewies [165: Neuburg]. Er ermittelte für den von ihm untersuchten Raum, eine ausgesprochene ländliche Gegend, 31 echte Manufakturen. Unterrepräsentiert sind zur Zeit neben den kleineren Territorien die größeren und kleineren Reichs- und Hafenstädte. In den älteren Arbeiten von D. Herms über Bremen [151: Herms, Anfänge] und H. Milz über Köln [160: Großgewerbe] ist nachzulesen, wie die Kaufmannschaft dieser Städte in die Produktion drängte und Manufakturen in den nicht-zünftig besetzten Gewerben gründete. Betriebe zur Herstellung von Zucker und Tabak waren bevorzugt. Selbst für eine stagnierende Hafenstadt wie Stralsund wies R. Kusch nach, daß dank einer Vielzahl von Großbetrieben im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine Manufakturbourgeoisie entstand [158: Handelskapital]. Eine zusammenfassende Geschichte der Manufakturen in Hamburg, Altona und Harburg fehlt. Schon das, was A. Wucher [84: Altona] und R. Bake zu Hamburg [146: Vorindustrielle Frauenerwerbsarbeit] in Teilen berichteten, unterstreicht die Bedeutung Hamburgs und seiner Umgebung im 18. Jahrhundert. Wegen des beginnenden Atlantikhandels und der Nähe Englands ist es lohnend, die unternehmerischen Strategien hanseatischer Manufakturbesitzer näher zu analysieren. Ergänzende territorial- und stadtbezogene Arbeiten könnten zu weiterer Differenzierung in der Frage führen, wer Manufakturen gründete. Längst ist ja selbst für Preußen widerlegt, daß der Staat selbst Manufakturen in großem Stile eingerichtet habe. Zwar förderte Preußen wie andere Staaten Manufakturen durch handelsund absatzpolitische Maßnahmen, trat aber selbst nur selten als Ei-
Manufakturen in
großen Territorialstaaten
Manufakturen in Reichs- und Hafenstädten
Staatliche und private Gründer
96_II Grundprobleme und Tendenzen der Forschung gentümer und Betreiber auf. Private Gründungen machten bei weitem die Mehrzahl
Für Franken ermittelte Reuter einen Anteil etwa 8% [162: Reuter, Franken, 74]. Allerdings ist Skepsis gegenüber Zahlen angebracht, die den Gesamtumfang anzeigen oder die soziale Herkunft der Gründer von Manufakturen aufschlüsseln wollen. Denn kleinere, „spontane Manufakturen" (W. Zorn) [1: Aubin/Zorn, 546] entzogen sich bisher oft dem Zugriff des Historikers, weil sie außerhalb staatlicher Aktenführung blieben. Deshalb wird der Anteil der handwerklichen Gründungen wohl oft unterschätzt. Der Einnuß der Aussagen über Gründungsphasen sind trotz der unvollständiHugenotten gen QUellenbasis notwendig, nicht zuletzt um den Einfluß von Hugenotten und anderen Religionsflüchtlingen auf die Einrichtung der Großbetriebe zu überprüfen. In den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wurden besonders viele Manufakturen gegründet, und dies ist auf den Einfluß der französischen Exulanten zurückzuführen. Im späteren 18. Jahrhundert verstärkte sich in mehreren Territorien die Kapitalanlage in Manufakturen. Einiges deutet darauf hin, daß in jener Zeit allmählich verbesserte Arbeitsinstrumente zum Einsatz kamen. Besonders in Sachsen gab es damals viele Beispiele für rapiden Technischer Fön- technischen Fortschritt in den Textilgewerben [148: Forberger, Sachsen' 288 f-l- Allerdings ist für Fragen der technischen Ausstattung die Quellenlage besonders schlecht. Nur selten, z. B. bei Konkursen von Unternehmern, sind Inventare mit den Werkzeugen in Manufakturen überliefert. Deshalb ist Forbergers Feststellung von 1958 unverändert gültig: „Für die Manufakturperiode fehlen eindeutige Zusammenstellungen über die Gesamtzahl der in den einzelnen Produktionszweigen verwendeten Großinstrumente, wie sie über den Einsatz von Maschinen bereits für die erste Zeit nach ihrem Aufkommen vorliegen" [ebd., 133]. Den unverändert bestehenden Mangel an Technikgeschichte der Manufakturen bedauerte fast dreißig Jahre später R. J. Gleitsmann: Es „liegen noch kaum umfassende, d.h. systematische Informationen darüber vor, welche Produktionsinstrumente in den Manufakturen zum Einsatz gelangten, wie der sich im 18. Jahrhundert vollziehende technisch-technologische Wandel in der manufaktureilen Produktion konkret aussah und welche Auswirkungen er hatte" [298: Gleitsmann, Spiegelglasvon
aus.
Staatsbetrieben
von
SChri"'fakturen
manufaktur, 1]. Das Auftreten der Manufaktur-Unternehmer auf den Absatzmärkten ist eine genaue Untersuchung wert. R. Bettgers auf die
4. Manufakturen
97
Kattundruckerei Schüle in Augsburg gemünzte Aussage, die Manufakturen reagierten auf Nachfrageänderungen so wenig flexibel wie Absatzverfahren das Zunfthandwerk [59: Augsburg, 49], kann so umfassend kaum aufrechterhalten werden. Dagegen spricht u.a. die starke Präsenz von Manufaktur-Unternehmern auf den Messen von Zurzach, Frankfurt und Leipzig am Ende des 18. Jahrhunderts, dagegen sprechen Versuche mit „modernen" Verfahren, Kunden zu gewinnen. In Hamburg z.B. annoncierten Manufaktur-Unternehmer um 1760 bereits in den Zeitungen. Und noch folgenreicher war der Einsatz von Reisenden im In- und Ausland, um den Direktabsatz zu fördern. Die Lebensdauer von Manufakturen war sehr unterschiedlich. Die Lebensdauer Sehr viele arbeiteten nur kurze Zeit, einige Gründungen des 18. Jahrhunderts bestehen noch heute. Für den Verfall wurden zahlreiche Faktoren verantwortlich gemacht, Slawinger teilte sie in wirtschaftsendogene und -exogene auf [163: Kurbayern, 54]. Zu den wirtschaftsendogenen Ursachen gehörte neben dem Mangel an Absatz die nicht-erwerbswirtschaftliche Zielsetzung von Prestigeobjekten wie Gobelin- und Porzellanmanufakturen. Wirtschaftsexogen war die staatliche Förderung, auf die die Manufakturen als „Treibhauspflanzen" [ebd., 55] angewiesen blieben. Ihr Produktionsvorsprung war gegenüber Handwerk und Verlag zu gering, als daß sie ohne staatliche Absatzgarantien hätten überleben können. Kaufmännische Gesichtspunkte zählten kaum. Deshalb formulierte O. Dascher pointiert: „Wo der Staat den Standort diktiert, bleiben Fehlgründungen selten aus" [215: Dascher, Hessen, 71]. Einigkeit herrscht in der Forschung darüber, daß die Arbeiter- Manufakturarbeiter schaft in Manufakturen breit gestaffelt war. H. Matis hat aus den österreichischen Merkantiltabellen eine Pyramide zusammengestellt, an deren Spitze Werkmeister und im Handwerk geschulte (Fach-)Arbeiter standen [159: Manufakturarbeiter]. Es verwundert nicht, daß diese qualifizierte Gruppe z.T. über Unterstützungskassen wie die Zünfte verfügte. Sie bildete allerdings eine Minderheit gegenüber der Masse der un- oder nur angelernten Hilfskräfte, die zunehmend aus Frauen und Kindern bestand. In der Textilbranche oder in einzelnen Metallgewerben (z. B. Nadelindustrie) waren solche nicht-qualifizierten Arbeitskräfte um 1800 sehr gefragt. Freilich beziehen sich unsere Kenntnisse über die Manufakturarbeiterschaft vorwiegend auf Großbetriebe, die direkt staatlicher Kontrolle unterstanden, wie Porzellan- und Fayencemanufakturen oder Zuchthausbetriebe. Für Sachsen und andere Territorien gilt daher, „daß es
98
Manufakturen als
Sl8Epoche?
II
Grundprobleme
und Tendenzen der
Forschung
noch weiterer und eingehenderer Forschung bedarf, um eine genaue Vorstellung von den Arbeits- und Lebensbedingungen" der Manufakturarbeiter zu erlangen [148: Forberger, Sachsen, 226]. Es bleibt die Frage nach dem Stellenwert der Manufakturen in Wirtschaft und Gesellschaft des 16./18. Jahrhunderts zu erörtern. Zu unterscheiden ist zwischen ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung. Kaum mehr als ein Prozent aller Beschäftigten arbeitete um 1800 in Bayern und Franken in oder für Manufakturen. Diese Zahl mag für Sachsen oder Hamburg um einiges zu niedrig liegen. Dennoch ist unstrittig, daß nicht-kapitalistische Betriebsformen vorherrschten. Vom Verlag sind die dezentralisierten Manufakturen praktisch kaum zu trennen, Verlag und Manufaktur zusammen wurden von K. H. Kaufhold für Preußen mit maximal 20% veranschlagt [36: Preußen, 304]. Reicht ein solcher Wert aus, um wie Marx und marxistische Forscher von einer Manufakturperiode zu sPrecnen^ ^as Nein fiele leichter, gäbe es nicht Wirkungen der Manufakturen, die kaum in Zahlen gefaßt werden können: Sie erleichterten den Übergang zu Fabriken im heutigen Sinne, Großbetrieben mit (Dampf-)Maschineneinsatz, die menschliche Arbeitskraft ersetzen. Manufakturen erleichterten sowohl in England als auch in Deutschland den Übergang zu den Fabriken. In den fortgeschrittensten Regionen Deutschlands, in Sachsen und im Rheinland, kann ohnehin keine genaue Grenze zwischen dem Vorherrschen von Manufaktur und Fabrik festgelegt werden. Die Entwicklung der Manufakturen von ihren ältesten Formen in der Renaissance bis zum Einsatz der Dampfkraft zu erforschen, gehört also zu den vorrangigen Aufgaben einer Gewerbegeschichte der frühen Neuzeit, auch wenn man es ablehnen sollte, diesen Zeitraum „Ma-
nufakturperiode"
zu nennen.
5. Gewerbegeschichte oder Geschichte der Gewerbe? Die verschiedenen Bedeutungen des Wortes in der Umgangszu den Schwierigkeiten bei, für den wissenschaftlichen Gebrauch „Gewerbe" eindeutig zu definieren. Das Gewerbe ist u.a. zu unterscheiden von den Gewerben. Läßt man die strittige Frage beiseite, ob der Bergbau einbezogen werden soll, umfaßt Gewerbe im Singular die gesamte nichtlandwirtschaftliche Produktion für den Markt. Gewerbe in diesem Sinne zerfällt, wie K. Bücher im
sprache trugen
5.
Gewerbegeschichte
oder Geschichte der Gewerbe?
99
wegweisenden Artikel im Handwörterbuch der Staatswissenschaften schrieb, „infolge spezieller Arbeitsteilung in zahlreiche verschiedenartige Zweige Jeder dieser besonderen Produktionszweige ist ein Gewerbe" [3: Bücher, Gewerbe, 967]. Die sprachliche Unterscheidung zwischen dem Gewerbe und Zugänge zur Geden Gewerben im Sinne von Gewerbezweigen deutet auch zwei Zu- werbegeschichte: das Gewerbe und gänge zur Gewerbegeschichte an. Wer das Gewerbe untersucht, wid- die Gewerbe met sich dem Umfang und der Struktur der gesamten gewerblichen Produktion im Rahmen der Wirtschaft einer Stadt, einer Landschaft oder eines Territorialstaates. Wer einen Gewerbezweig als Untersuchungsgegenstand wählt, hebt stärker die besonderen Merkmale dieses Gewerbes hervor, die Technik, die Arbeitsweise, die Kunden. Zweifellos müssen beide Zugänge aufeinander bezogen sein. Das Gewerbe eines Ortes oder eines Raumes ist von seiner sektoralen Struktur her zu bestimmen, andererseits ist ein einzelnes Gewerbe in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge eingebettet. Die Geschichten der einzelnen Gewerbe sind also zwangsläufig in die Gewerbe...
geschichte eingebettet. Allerdings steht dem oft die Forschungspraxis entgegen. Über einzelne Gewerbezweige ist so viel Spezialwissen angehäuft worden, daß es schwerfällt, diese Kenntnisse wieder in allgemeinere Fragestellungen einzubinden. Fast hat es den Anschein, als ob ein Dopplungseffekt aufgetreten und der Spezialisierung der Gewerbe eine Spezialisierung der Wissenschaften gefolgt sei, die sich mit einzelnen Gewerben befassen. Für die Geschichte des Berg-, Hütten- und Salinenwesens, des Papiergewerbes, der Brauer, der Textilgewerbe und der Keramikherstellung, um nur einige Beispiele zu nennen, gibt es eigene Publikationsorgane und Bibliographien. Es sind nicht nur Teilbereiche der Wirtschaftsgeschichte, die sich einzelnen Gewerbezweigen zuwenden, sondern ebenso die
Das Spezialwissen über einzelne Gewerbe
Nachbarwissenschaften, insbesondere die Volkskunde und die Die Volkskunde hat sich gerade des Zeitraums Volkskunde als 1500 bis 1800 in den letzten Jahren verstärkt angenommen. Inner- Nachbärwissenschaft halb der Geschichte der Sachkultur behandelt sie implizit Fragen der Gewerbegeschichte mit. Die Erforschung der landwirtschaftlichen Arbeitswelt bringt z.B. eine Klärung der Frage mit sich, wer den Bauern die Geräte und Werkzeuge lieferte. In die Erforschung der Bekleidung muß die Geschichte der Schneider und die ihres Handwerks einbezogen werden; zur Geschichte der Bäcker und Fleischer gehört es, den Wandel der Ernährungsgewohnheiten zu betrachten [20: Wiegelmann:
Kunstgeschichte.
100_II
Grundprobleme und Tendenzen
der
Forschung
Wandel der Alltagskultur, 119-200]. Vielleicht am raschesten haben sich die volkskundlichen Untersuchungen des städtischen Bauens und Wohnens im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit entwickelt [278: Assion/Brednich, Bauen und Wohnen; 286 Wiegelmann/Kaspar, NordwesT-deutschland]. Sie gehen zwar stärker von den Funktionen und der Nutzung der Gebäude aus, doch kann keine Geschichte der Baugewerbe und der holzverarbeitenden Gewerbe ohne Rückgriff auf diese jüngsten volkskundlichen Forschungen geschrieben werden. Kunst- und Ähnlich wie die Volkskunde hat die Kunstgeschichte die Gewerbegeschichte Kenntnisse über einzelne Gewerbe sehr erweitert. Die Studien zum Wiegendruck erhellen z. B. die Frühgeschichte des Buchdrucks. Die Gold- und Silberschmiede sind ein Thema sowohl für die Gewerbeals auch für Handwerksgeschichte [197: Herrnmarck, Gold- und Silberschmiede; 203: Rathke-Köhl, Augsburger Goldschmiedegewerbe]. Der Dialog zwischen beiden Disziplinen ist allerdings nicht so intensiv wie der zwischen (Sozial- und Wirtschafts-)Historikern und Volkskundlern, obwohl beide sehr viel voneinander lernen könnten. Zwei Beispiele sollen dies belegen. Das Werk eines Kunsthistorikers über die Holzskulptur im 16. Jahrhundert [269: Baxandall, Kunst der Bildschnitzer] liefert nicht nur neue Einsichten über Stile und Mentalitäten der Künstler, sondern auch über die Rohstoffbeschaffung, die Monopole und die Käuferkreise der zünftig organisierten Bildschnitzer. Das Werk eines Historikers über die europäische Möbelkunst im 18. Jahrhundert [277: Stürmer, Höfisches Handwerk] verbindet Fragen der Ästhetik mit Fragen der Struktur des Marktes. Ein Desiderat: Über den Nutzen der SpezialStudien über einzelne Gewerbe ist moderne Branchennicht zu streiten. Für einige Gewerbezweige sind genauere Untersugeschichten chungen dringend erforderlich. Zu den Massenhandwerken wie Schuhmacher, Schneider, Bäcker und Fleischer fehlen Monographien, die mehr als nur einen Ort behandeln. Wer etwas über diese Gewerbe erfahren will, muß viele Arbeiten durchsehen. Angesichts der Fülle des Materials kann man diesen Mangel verstehen. Die älteren branchengeschichtlichen Monographien, die immer noch Bestand haben, behandelten vor allem kleinere Gewerbe, etwa die Weißgerber [253: Ebert, Entwicklung], die Tischler [274: Hellwag, Geschichte] oder die Buchbinder [290: Helwig, Buchbinder-Handwerk]. Ein solch monumentales, umfassend angelegtes Werk wie das von L. Beck über die Geschichte des Eisens und der eisenverarbeitenden Berufe [191: Beck, Eisen] kann heute wohl nicht mehr ge-
5.
Gewerbegeschichte
oder Geschichte der
Gewerbe?_101
schrieben werden. Die jüngeren, unter starkem Einfluß der Technikgeschichte in Hamburg entstandenen Dissertationen von G. Bayerl über die Papiermacherei [287] und von H. Aagard über die Nähnadelherstellung [190] sind auf Gewerbe ausgerichtet, die zwar für die Einführung moderner Produktionsverfahren wichtig waren, die jedoch in gesamtwirtschaftlichem Rahmen keine großen Anteile an den Beschäftigtenzahlen aufwiesen. Es heißt nicht zu übertreiben, wenn auf die Gefahr aufmerksam gemacht wird, daß einzelgewerblich und lokal oder regional ausgerichtete Untersuchungen isolierte Betrachtungsweisen wählen. In seiner Studie zur Bierproduktion und zum Bierverbrauch stellte sich H. Huntemann deshalb die Aufgabe, „die Geschichte des Braugewerbes aus der städtischen oder regionalen Einzelschau zu lösen und im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu schildern" [262: Huntemann, Bierproduktion, 2]. Huntemanns Ziele sind geeignet, methodisch eine Brücke zu schlagen zwischen den Einzelgewerben und dem volkswirtschaftlichen Rahmen. In einem Katalog von Einzelfeldern umreißt er die Aufgaben einer modernen, ökonomisch ausgerichteten und auf interregionalen Vergleich angelegten Gewerbegeschichte. Zu untersuchen sind demnach: 1. der Umfang der Produktion; 2. die Beziehungen zwischen der Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung, zwischen der Kaufkraft und der Schichtung der Verbraucher; 3. das Preisgefüge für alternative Produkte, in Huntemanns Fallstudie der Bierpreis im Verhältnis zu Preisen für Wein, Kaffee, Tee und Branntwein; 4. das Verhältnis zwischen den Preisen für das Endprodukt und Preisen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe; 5. das regionale Gefälle von Preisen, Kosten und Erlösen innerhalb eines Gewerbes. Kein Zufall dürfte sein, daß gerade für ein Gewerbe, das ein Konsumgut herstellt, mit der Bevölkerung und ihrem verfügbaren Einkommen die Nachfrage nach gewerblichen Produkten ins Spiel gebracht wurde. Dies ist eindringlich von R. Sandgruber gefordert worden. „Die Geschichte der Früh- und Hochindustrialisierung ist so wenig dokumentiert, daß eine Ergänzung der Produktionsgeschichte von der Verbraucherseite her dringend geboten erscheint, um wichtige Fragen klären zu können" [16: Sandgruber, Anfänge der Konsumgesellschaft, 16]. Sandgruber macht darauf aufmerksam, daß in der klassischen Ökonomie die Nachfrage weitgehend aus dem Gesichtskreis der Theorie verschwand und daß unter den Historikern bis in die jüngste Zeit eher die Außen- als die Binnennachfrage im Vordergrund stand. „Die Idee, der Kapitalismus sei
102
II
Grundprobleme und Tendenzen
der
Forschung
vorrangig durch die geographische Ausweitung der Absatzbeziehungen gefördert worden, hat der Auslandsnachfrage beträchtliche Beachtung verschafft" [ebd., 12]. Sandgruber stellt unter den Möglichkeiten nachfrageinduzierNachfrageinduziertes Wachstum tgn Wachstums vor allem das Wachstum der (ländlichen) Bevölkerung sowie die Modernisierung der Landwirtschaft im 18. Jahrhundert heraus. Beide Faktoren waren von zentraler Bedeutung für die Umformung der überkommenen gewerblichen Verhältnisse. Die ländliche Bevölkerung konsumierte sowohl Gebrauchsgüter wie solche des gehobenen Bedarfs, für die Landwirtschaft mußten Werkzeuge und Geräte bereitgestellt werden. Zur Analyse dieser Zusammenhänge sind gewerbegeschichtliche Studien nötig, die Angebot und Nachfrage gleichermaßen in den Blick nehmen. der Das Beispiel Am Beispiel der Sensenherstellung kann anschaulich dargelegt Sensenherstellung werden, wie Produzenten und Konsumenten aufeinander abgestimmt waren [195: Fischer, Sensen]. Die Sensen mußten dem Untergrund der abzumähenden Flächen durch besondere Ausformung des Blattes angepaßt sein. In den großen landwirtschaftlichen Gebieten Nordwest- und Nordostdeutschlands gab es keine Zentren, die die große Nachfrage in den Agrarregionen nach speziell gefertigten Sensen hätten befriedigen können. Vielmehr wurden Sensen aus Oberösterreich, der Steiermark und dem märkisch-bergischen Raum importiert, und sie wurden seit dem 17. Jahrhundert dort ausschließlich in ländlicher Produktion angefertigt. Anhand weiterer Gewerbe ließe sich das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den ländlichen und städtischen Märkten der frühen Neuzeit noch erheblich präzisieren. Insbesondere die
Abstimmung zwischen
beiden „Marktseiten" bedarf verfeiViele der Analyse. Leitfragen der jüngeren wie älteren Gewerder Neuzeit frühen sind möglicherweise im Lichte eibegeschichte ner auf die Binnennachfrage orientierten Betrachtung neu zu werten. Diejenigen Betriebsformen, die zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert den größten Zuwachs erhielten, das Handwerk in den kleineren Städten und auf dem Lande und der Verlag, standen nicht zum geringsten im Zeichen der Fertigung für inländische Abnehgenaue nerter
mer.
III.
Quellen und Literatur A
1779
Quellen
legte der sehr gut informierte
Patrizier Paul
von
Stetten
dar, wie seine Augsburger „Kunst-, Gewerbe- und Handwerksgeschichte" [79] zustande gekommen war. Über das Gewerbe finde indessen waren Ur„man selten" etwas „in gedruckten Büchern kunden und Acten eine weit reichere Quelle, daraus ich schöpfen konnte", sie „verursachten mir aber weit größere Arbeit" [ebd., 4]. Von Stettens Befund ist hinsichtlich der Quellen immer noch aktuell: Der Fundus ist trotz der zu erläuternden Lücken immens, ihn zu erschließen, erfordert allerdings gewaltige Anstrengungen. Die Probleme beim Umgang mit Quellen zur frühneuzeitlichen
Gewerbegeschichte haben quantitative wie qualitative Ursachen. Die Verwaltungstätigkeit des Staates hinterließ zwar eine große Zahl von Akten und Schriftgut, die für alle Bereiche der Gewerbegeschichte zu nutzen sind. Gerade das Mengenproblem ruft aber die Frage nach Strategien hervor, um das Material zu sichten, zu ord- Strategien für den nen, zu verzeichnen und kritisch zu bewerten. Eine kritische Quel- Umgang mit ^uellen lenkunde für die Wirtschaftsgeschichte der frühen Neuzeit ist bisher nicht entwickelt worden. Die klassischen Hilfswissenschaften waren und sind eine Domäne der Mediävisten. Die Aktenkunde der frühen Neuzeit sparte das Schriftgut der Wirtschaft aus oder wandte sich ihm nur dann zu, wenn es im Zusammenhang mit staatlichen Aktivitäten stand. Schließlich liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Wirtschaftsarchivare auf dem 19./20. Jahrhundert. Es verwundert daher nicht, daß aus der großen Menge vorhandenen Materials kaum Editionen zur frühneuzeitlichen Gewerbegeschichte erwuchsen. Wenn überhaupt solche erschienen, dann verlängerten sie mittelalterliche Zunfturkundenbücher über 1500 hinaus [86, 90, 94, 100] oder spiegelten wie die Bände zum Seidengewerbe [241: Schmoller/Hintze, Seidenindustrie] oder zum Wollgewerbe [224: Hinrichs, Wollgewerbe] innerhalb der Acta Borussica staatlichen Einfluß wider.
104
Unternehmensarchive
III
Quellen
und Literatur
Wer sich mit der Gewerbegeschichte der Frühen Neuzeit befaßt und schriftliche Quellen für seine Arbeit benutzen will, hat es also in der Regel mit ungedruckten Texten zu tun. Gerade deshalb wäre eine Quellenkunde erforderlich, die einen Überblick über vorhandenes Material vermittelte. Daß sie fehlt, muß zu den Grundproblemen einer Gewerbegeschichte der frühen Neuzeit gerechnet werden. Unter dem vorhandenen Schriftgut kommt dem aus der Provenienz der wirtschaftenden Unternehmen der höchste Rang zu. Nur m (jen Geschäftsbüchern oder sonstigen betrieblichen Aufzeichnungen lassen sich aus erster Hand Fragen wie Rohstoffbeschaffung, Produktion, Absatz, Gewinn und Verlust entscheiden. Klammert man das Schriftgut zu staatlichen Regiebetrieben oder staatlich subventionierten Manufakturen aus, die relativ gut belegt sind [z.B. sind die Archive der bedeutenden Porzellanmanufakturen erhalten] und wendet man sich privaten Unternehmungen und Betrieben zu, so findet man in diesem Bereich nur selten Archivalien, die in die Zeit vor 1800 zurückgehen. Die Ursachen für die Verluste der Privatarchive sind vielfältig: die Einstellung von Unternehmen, Zersplitterung im Besitz der Erben, kriegsbedingte Abgänge. Nur dann, wenn die zumeist einer Familie verbundenen Unternehmen bis in unser Jahrhundert bestanden und ihr Schriftgut Archiven anvertrauten, konnte originales Geschäftsschriftgut gerettet werden. Im Bereich der alten Wirtschaftsregion des südlichen Westfalen hat das Westfälische Wirtschaftsarchiv Dortmund mit den Geschäftsbüchern der Firmen Johann Caspar Harkort zu Harkorten und Wendener Hütte der Gebr. Remy Bestände für die Forschung gesichert, die in das frühe 18. Jahrhundert oder noch weiter zurückreichen und die Tätigkeit von VerlegerKaufleuten belegen. Die erhaltenen Serien der Hauptbücher, Memoriale, Hammerbücher und Briefkopierbücher lassen genaueste Analysen zur Beschaffung der Rohstoffe, zur Produktion und zum Absatz über einen längeren Zeitraum hinweg zu. Sie ermöglichen das, was W. Troeltsch 1897 schon gefordert hat: „Die wirtschaftsgeschichtliche Forschung muß sich dazu bequemen, hinabzusteigen bis zu scheinbar kleinlichen Einzelzügen, will sie nicht in die Gefahr geraten, ein bloßes Gebilde der Phantasie ohne festen Boden zu schaffen" [245: Calw, VI]. Troeltsch standen damals in Calw noch die Journale der Zeughandelscompagnie zur Verfügung, die heute als verloren gelten müssen. Dieses Beispiel zeigt, wie rar Geschäftsbücher aus produzierenden Unternehmen des 18. Jahrhunderts geworden sind.
A
Quellen
105
Die größte Dichte dürfte noch im märkisch-bergischen Raum, in den Gewerbestädten Augsburg, Nürnberg und Basel sein. In Basel ist die Überlieferung zum Seidenbandgewerbe im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv so dicht, daß P. Fink sich vornehmlich auf Unternehmens- und Familienarchive stützen konnte [218: Fink, Basel]. Eine Gruppe von Archiven verheißt unter Umständen einigen Adelsarchive Erfolg bei der Suche nach Geschäftsschriftgut: die Adelsarchive. Die Betriebe im Besitz von Adligen reichten von Ziegeleien bis zu Hütten- und Hammerwerken. Aus dem Archiv der Grafen Landsberg-Velen entstand z. B. die detailreiche Arbeit von F.-L. Hinz über die Wocklumer Hütte im kölnischen Sauerland [173: Hinz, Wock-
lum]. Noch seltener als Geschäftsbücher der Verleger sind Aufschrei- Das Schriftgut der bungen von Handwerkern. Die in den letzten Jahren von der Handwerker volkskundlichen Forschung forcierte Auswertung von handwerklichen Anschreibebüchern bezieht sich vor allem auf Stücke des 19. Jahrhunderts [114: Ottenjann/Wiegelmann, Anschreibebücher]. Verbreiteter sind Chroniken oder Briefe von Handwerkern, in denen sie ihre Wanderungen, festliche Anlässe oder Besonderheiten, seltener ihren Alltag beschreiben [88: Fischer, Quellen; 268:
Schultz, Roggenpreis]. Weil unmittelbar bei den Betrieben entstandenes Material meifehlt, ist die Gewerbegeschichte der Frühen Neuzeit auf Ersatz angewiesen. Im Bereich des Handwerks wird das Fehlen von betrieblichen Aufzeichnungen teilweise durch das Schriftgut der Zunftschriftgut Zünfte wettgemacht. Die Statuten, Einschreib-, Protokoll- oder Kassenbücher sind allerdings sehr ungleichmäßig in Archive und Museen gelangt. Dies sollte eigentlich Anlaß sein, wenn schon nicht Quellenkataster vom ungarischen Zuschnitt [91], dann doch regionenbezogene Archivnachweise zu erstellen [vgl. als Übersicht für Baden-Württemberg: 99]. Für nicht wenige Orte werden Zunftarchivalien vollständig vermißt, weil sie nach Auflösung der Zünfte oft entgegen den staatlichen Vorschriften nicht von den Kommunen übernommen wurden und damit heute der Forschung nicht mehr zur Verfügung stehen. Liegt internes Zunftschriftgut vor, so ist zu beachten, daß ein normativer Zug die Überlieferung der Zünfte prägt. Darum muß man stets Soll- und Ist-Zustand miteinander vergleichen. Die Zunftakten, die die Städte geführt haben, bieten ein gutes Kontrollinstrument, denn sie behandeln u. a. Streitfälle zwischen den Zünften, ihren Mitgliedern oder anderen Bürgern. Als Pertinenzbestand sind stens
106
III
Quellen und Literatur
z.B. im Historischen Archiv der Stadt Köln die städtischen Akten in
der
„Zunftabteilung" organisiert [98: Tuckermann, Urkunden].
Einen ähnlichen Quellenwert besitzen die Gerichtsakten. Eine hochwertige städtische Quelle zur Gewerbegeschichte sind Akten zur Finanzverwaltung, die Rückschlüsse auf Einkommen und VerKommunaiarchive mögen der gewerbetreibenden Bevölkerung zulassen. In ihrer Gesamtheit bieten die Stadtarchive ein heterogenes Bild. Die Archive großer Gewerbestädte bergen mit den Verwaltungsakten und Protokollserien der Ratsgremien reiches Material. Die Archive der kleineren Städte sind für das 18. Jahrhundert wesentlich schlechter ausgestattet; häufig fehlt die noch ältere Überlieferung vollständig. Zur Gewerbegeschichte der Territorialstaaten des Alten ReiArchivalien staat- ches sind die Staatsarchive mit den von ihnen aufbewahrten Akten licher Provenienz der Zentral- und Mittelbehörden die wichtigste Anlaufstelle. Wegen der unterschiedlichen Strukturen der Behörden sind verallgemeinernde Aussagen nur begrenzt möglich. Für die Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts bieten die Findbücher in den Gruppen Gewerbe und Handel jedem Benutzer in der Regel rasch einen ersten Zugang. Wichtig ist es, weitere Aktengruppen zu erschließen. Für die Zeit vor 1700 sind mit großem Gewinn für die Gewerbegeschichte die Protokolle der landständischen Versammlungen mit den dazugehörigen Akten auszuwerten. Das Problem des Landhandwerks wird darin z. B. ausführlich behandelt. Eine in letzter Zeit für gewerbegeschichtliche Fragestellungen Schriftgut der häufiger frequentierte Quellengruppe sind die Akten und Bücher Gerichtsbarkeit der Gerichtsbarkeit. Insbesondere die bei Sterbefällen angelegten Inventare können mit großem Gewinn ausgewertet werden, wie volkskundliche Arbeiten gezeigt haben. Die Hypothekenbücher und die Anlagen dazu bieten umfangreich Aufschluß über den Besitz und die Verschuldung einzelner Personen. Die Masse der Urbare vor allem des süddeutschen Raumes bleibt ebenso noch im Detail zu erschließen wie die große Gruppe der Amtsbücher, die in Fülle Material zu Löhnen, Preisen und Verbrauchsmengen bereithält. Welchen Ertrag die Auswertung der Rechnungsbücher bringt, zeigt H. Rechnungsbücher Schuberts Geschichte der nassauischen Eisenindustrie [186]. Er stützt sich wesentlich auf Rentmeisterrechnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts. Unabdingbar ist es, auf die Landesbeschreibungen, Topographien und Statistiken in den staatlichen Archiven zurückzugreifen. Statistik als Vom „Ökonomischen Staat" des hessischen Landgrafen Wilhelm Staatenkunde aus dem Reformationszeitalter bis zu „Historischen Tabellen" der
A
107
Quellen
im 18. Jahrhundert ist eine fortschreitende amtlicher Statistik, im zeitgenössischen Sinne StaatenVerbesserung festzustellen. Wenn kunde, quantitative Quellen verwendet werden, müssen die Ergebnisse mit ergänzendem Material kritisiert und kontrolliert werden. Die in jüngerer Zeit gewachsene Bedeutung des Bildguts in Archiven kommt auch der vorindustriellen Gewerbegeschichte zugute. Verwaltungskarten, Pläne, technische Zeichnungen können vor allem für ländliche Gewerbebetriebe und das Baugewerbe wichtig sein. Wer auf quantitatives Material zurückgreifen will, ist nicht in jedem Fall auf Archivgut angewiesen. Es liegt für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts so viel gedruckt vor, daß es lohnt zu überprü- Gedruckte Quellen fen, inwieweit das damals veröffentlichte Material von Nutzen sein kann. Die Fülle des Materials, das es allein zu Preußen für die Zeit von 1750 bis 1850 gibt, ist von W. Sachse [48: Sachse, Bibliographie] zusammengestellt worden. Die wichtigsten Formen gedruckter Quellen sind: 1. die offiziellen oder offiziösen Publikationen, die auf amtliche Erhebungen zurückgreifen konnten; 2. Reisebeschreibungen, in denen Bericht erstattet wurde über Handel und Gewerbe; 3. Gewerbeadreßbücher, die um 1800 die wichtigsten Produktionsstätten im deutschen Sprachraum erfaßten; 4. Periodika, unter denen an Informationsgehalt die von 1784 bis 1789 in Gotha erschienene Handlungs-Zeitung des Johann Adolph Hildt alle übrigen übertrifft [vgl. ebd., 145]; 5. Monographien wie die des Paul von Stetten [79], die heute selbst Quellenwert besitzen; 6. technologisches Schrifttum mit präzisen Beschreibungen der Werkzeuge und Arbeitsvorgänge, wie sie beispielsweise J. C. G. Jacobson für die Textilgewerbe in den 1770er Jahren vorgelegt hat [227: Jacobson,
preußischen Verwaltung
Schauplatz].
seit J. G. Droysen die (dinglichen) Überreste. Sie einzubeziehen ist notwendig, denn sie bieten Stoff zur Erkenntnis unabhängig von schriftlichen Quellen. Sachquellen Der Gang der Wissenschaften führte die (Wirtschafts-)Historiker weg von der Behandlung dieses Materials. Es ist heute weitgehend Volkskundlern, Technik- und Kunsthistorikern vorbehalten, aus gewerblicher Tätigkeit entstandene Gegenstände zu sammeln, zu katalogisieren und zu interpretieren. Wer Fragen der Gewerbegeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts intensiv erörtern will, kommt allerdings nicht daran vorbei, den Zugang zu seinem Thema über die Objekte einzubeziehen. Zum historischen Material rechnet
man
108
Kundschaften
Musterbücher
Weberhäuser
III
Quellen und Literatur
Einige Beispiele verdeutlichen, wie nützlich es ist, mehr als nur die schriftlichen Quellen als Grundlage von Forschungen zu wählen. Zunft- und Handwerksgeschichte beispielsweise sollten nicht betrieben werden, ohne die vorhandenen Bild- und Sachquellen zu sichten. Oft schon sind einzelne Zünfte oder Gesellenvereinigungen nur über ihren erhaltenen Sachbesitz nachzuweisen gewesen. Auf dem Gebiete der Handwerksgeschichte ist von der Methodik wie von der Intensität der Suche nach Material K. Stopps umfassende Dokumentation zu Handwerkskundschaften [116] kaum zu überbieten. Wer sich dem Absatz der Produkte durch Verleger-Kaufieute im späten 18. Jahrhundert widmen will, darf Musterbücher nicht übersehen, in denen die angebotenen Produkte abgebildet wiederzufinden sind und die Bestellungen auf weite Entfernungen hin erleichterten. Die Lage der verlegten Weber im Umkreis von Ulm ist besonders gut durch die Form der Häuser zu kennzeichnen. Halb unterirdisch gelegene Werkstätten erlaubten es selbst bei extremer Teilung der Höfe, im Hause zu weben [30: Grees, Unterschichten,
71).
B LITERATUR 1.
Gesamtdarstellungen
1. H. Aubin/W. Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Bd. 1. Stuttgart 1971. 2. G. von Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1920. 3. K. Bücher, Art. Gewerbe, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4, 4. Aufl. Jena 1927, 966-989. 4. K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. Erste und zweite Sammlung. 16. bzw. 7. Aufl. Tübingen 1922. 5. C. Cipolla/K. Borchardt (Hrsg.), Europäische Wirtschaftsgesichte, Bd. 2: Sechzehntes und siebzehntes Jahrhundert, Stuttgart 1979. 6. H. Haussherr, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit vom Ende des 14. bis zur Höhe des 19. Jahrhunderts. Weimar 1954. 7. F. W. Henning, Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800. Paderborn 1974. 8. H. Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Bd. 1. Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 1977. 9. K. H. Kaufhold, Das deutsche Gewerbe am Ende des 18. Jahrhunderts. Handwerk, Verlag und Manufaktur, in: H. Berding/ H.-P. Ulimann (Hrsg.), Deutschland zwischen Revolution und
Restauration.
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110
III
Quellen
und Literatur
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2. einzelner
Gewerbegeschichte Regionen und Territorien
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B Literatur
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112
III
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und Literatur
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3. Gewerbe- und
Handwerksgeschichte
einzelner Orte
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114_III
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4.
Quellen-
Handwerksgeschichte
und
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B Literatur
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vom
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vom
späten 18. bis ins frühe
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20. Jahr-
Syposium. Symposium. Symposium.
116 4.3
III
Quellen
und Literatur
Allgemeine Handwerksgeschichte
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Lehrlinge
120. H. Bräuer, Gesellen im sächsischen Zunfthandwerk des 15. und 16.Jahrhunderts. Weimar 1989 [= erw. Diss. Promotion B.
Leipzig 1986]. 121. A. Griessinger, Das Berlin/Wien 1981.
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B Literatur
117
122. A. Griessinger/R. Reith, Lehrlinge im deutschen Handwerk des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in: ZHF 13 (1986), 149-199. 123. W. Reininghaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter. Wiesbaden 1981. 124. K. Schulz, Handwerksgesellen und Lohnarbeiter. Untersuchungen zur oberrheinischen und oberdeutschen Stadtgeschichte des 14. bis 17. Jahrhunderts. Sigmaringen 1985. 125. K. Schwarz, Die Lage der Handwerksgesellen in Bremen während des 18. Jahrhunderts. Bremen 1975. 126. K. Wesoly, Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis ins 17. Jahrhundert. Frankfurt 1985.
5.
Verlag, ländliches Gewerbe, Protoindustrialisierung
127. R. Braun, Industrialisierung und Volksleben. 2. Aufl. Göttingen 1979. 128. H. Freudenberger, Die proto-industrielle Entwicklungsphase in Österreich, in: Von der Glückseligkeit des Staates. Hrsg. von H. Matis. Berlin 1981, 355-381. 129. F. Furger, Zum Verlagssystem als Organisationsform des Frühkapitalismus im Textilgewerbe. Stuttgart 1927. 130. R. Holbach, Formen des Verlags im Hanseraum vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, in: HansGbll 103 (1985), 41-73. 131. P. Jeannin, La Protoindustrialisation: developpement ou impasse, in: Annales 35 (1980), 52-65. 132. H. Kellenbenz (Hrsg.), Agrarisches Nebengewerbe und Formen der Reagrarisierung. Stuttgart 1975. 133. B. Kirchgässner, Der Verlag im Spannungsfeld zwischen Stadt und Umland, in: Stadt und Umland. Hrsg. v. E. Maschke/J. Sydow. Stuttgart 1974, 72-128. 134. P. Kriedte/H. Medick/J. Schlumbohm, Industrialisierung vor der Industrialisierung. Göttingen 1977. 135. G. Lange, Das ländliche Gewerbe in der Grafschaft Mark am Vorabend der Industrialisierung. Köln 1976. 136. H. Linde, Proto-Industrialisierung. Zur Justierung eines neuen Leitbegriffs der sozialgeschichtlichen Forschung, in: GG 6 (1980), 103-124.
118
III
Quellen und Literatur
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Quellen und Literatur
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Bekleidungsgewerbe Aubin /A. Kunze, Leinenerzeugung
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Ortsregister Aachen 22, 25 Aarau 30
Danzig
Aargau 33, 65, 72 Allgäu 28,42
Düren 42
38 Dresden 63
Altena 21 f., 87 Altona (Hamburg-) 63,95 Amelith (Solling) 44 Amerika 37 Amsterdam 13,27,37 Andreasberg 19
Annaberg 19 Apolda 33 Augsburg 10, 16, 29-31, 36 f., 42, 55, 97, 105
Außerfern (Tirol) 68 Baden (Land) 9,72, 104 Baltikum 24,27 Barmen 29; siehe auch Wuppertal Basel 32,42,72, 105 Bayerischer Wald 44 Bayern 9, 24, 41, 65 f., 69, 93, 95, 98 Bengalen 45 Berchtesgadener Land 39
Berg (Herzogtum) 14,102,105 Bergisches Land 21, 28 Berlin 10, 15,32,68 Bern 30,72 Biberach 29 Bielefeld 27, 85
Hagen und Schwelm) 22 Erlangen 33 Erzgebirge 19,29,33,39 Eschwege 35
Fichtelgebirge
21
Flandern 33, 81 Franken 19,44,58,69,93,98 Frankenthal 25, 33 Frankfurt (Main) 10, 25, 29, 43 f., 50, 63, 97 Frankreich 25 Friedberg (Lech) 23 Gent 31 Gera 25
Göttingen
25
(Südtirol) 40, 89 Grünenplan 44, 89 Grödnertal
Borgholzhausen (Westfalen) 36 Brandenburg siehe Preußen Bremen 13, 25, 27, 33 f., 37, 40, 58, 63,95
18,35,54
Calw 25 f., 78, 104 Chemnitz 28-31, 59
Ratingen
England 15, 17,24,28,31,45,95 Enneperstraße (Westfalen, zwischen
Gotha 107
Böhmen 27,82
Clausthal 19 Cromford bei
Wuppertal
Gleiwitz 20
Blomberg (Lippe) 35 Bodenseegebiet 28, 30
Breslau
Eichsfeld 10,25 Einbeck 38 Eifel 12,20,25,86 Elbe 13 Elberfeld 31; siehe auch Elbmarschen 36
Haarlem 28
Hagen (Westfalen) 87 Halle (Saale) 33 Hallwil (Aargau, Schweiz) 65 Hamburg 13, 30, 38, 50, 54, 95, 97 f. Hameln 25 Hanau 10,33,37,44
Harburg (Hamburg-) 31
Harz 19 f.
95
Helmstedt 35 Hessen 19, 25 f., 28, 44, 62, 72 f. Henstedt 15 Hildesheim 27 Holland 15
Hüttenberger Erzberg (Kärnten) Innerberg
Monschau 25 Mühlhausen (Thüringen) 25
19
19
Kamen 35 Kärnten 19 Kassel 45 Kaufbeuren 29 Kleve-Mark 62, 87
Nürnberg 10, 14, 21-23, 36f., 42f., 54, 59, 80, 85, 89, 105
Klingenthal (Sachsen) 10,30 Köln 10, 15, 29, 32, 42 f., 95, 106 Königsberg 86 Königsborn (bei Unna) 15 Königsbronn 46 Krefeld 32, 85
44
Langenau (bei Ulm) 85 Lausitz 29, 82 Leipzig 23, 35, 40, 42 f., 97 Lenzburg (Schweiz) 30 Linz (Donau) 25 f. Lippe (Land) 68
Losenstein (Österreich) 22 Lübeck 50 Lüdenscheid 21 Lüneburg 47, 50 Luzern 62,65, 71-73
Magdeburg
33
Mähren 27
Marburg (Lahn) 44 Marienberg 19 Mark (Grafschaft) 14, 27 f., 62, 67, 69, 86 f., 102, 105 Markneukirchen (Vogtland) 40 Marktredwitz 46
Mecklenburg 43, 66, 70, 72 Meißen 45
Meiningen 89 Memmingen 29 Minden 27 Mittelrhein
60, 63
Nassau-Siegen 19,21,106
Neustadt an der Dosse 44 Neustadt-Eberswalde 22 Niedersachsen 68, 86 Niederlande 24 f., 27, 30, 46 Niederrhein 25, 32, 62, 72 Nordsee 10
Iserlohn 21,23,87 Italien 15,33,43
Kröning (Niederbayern)
München 31, 35 Münster (Westfalen) 50 Muri (Aargau, Schweiz) 65
Nürtingen
56
Oberammergau 39 f.
Oberitalien 31 Oberlausitz 10, 28, 79 Oberösterreich 9, 102
Oberpfalz 14, 19-21,44
Oberrhein 60 Oberungarn 19 Osnabrück 27
Ostalpen
19
Österreich 37, 41, 62, 94 Osterode 25 Ostfriesland 43 Ostsee 10 Ostwestfalen 86 f.
Pegnitz
37
Pforzheim 63 Plauen 29 f., 68
Portugal
28 Potsdam 44 Preetz (Schleswig-Holstein) 35 Preußen 9, 17, 32, 50, 62, 65, 69, 72,
84, 95
Ratingen 31 Ravensberg (Grafschaft) Ravensburg 42
10
Reichenhall 46 f. Remscheid 22, 86 Rhein 13 Rheinisches Schiefergebirge 19 Rheinland 9, 24, 29, 70, 79, 94 f. Rur 25
133
Ortsregister Sachsen 9, 19, 21, 24, 27, 29-31, 33, 44f., 54, 59, 63, 68 f., 79, 93, 95 f., 98 Sachsen-Weimar 72 Saarland 20,44,46 Saarlouis 45 Salzkammergut 39 Salzwedel 24 Sauerland 21, 87, 105 Schaffhausen 72 Schaumburg-Lippe 73 Schlesien 13, 18-20, 24, 27 f., 44, 70, 79, 82, 87
Schleswig-Holstein 65, 72
Stralsund 63,95 Südtirol 40
20
Tarnowitz 15
Tecklenburg 13,67 Thüringen 9, 19, 44 Thüringer Wald 19,39 Tirol 19,68 Traunstein 46
Ulm 29,85, 108 Ungarn 53, 105
Vogtland 40,68 Vordernberg 19
Schneeberg 10,21
Stolberg 19,23
(Saarland)
Velbert 22 Viechtau (Österreich) 39
Schmalkalden 21 f. Schwabach 22, 33 Schwaben 28 f., 44, 62 Schwäbisch Hall 36, 47 Schwarzwald 23, 30, 33, 44 Schwaz 19 Schweiz 9, 13, 30, 32, 50, 65, 72, 89 Seiffen (Erzgebirge) 39 Siegerland 12, 20, 87 Solingen 22 f. Solling 44 Solothurn 72 Sonneberg 39 Spanien 24, 28, 86 f. Spessart 44 Steiermark 9, 19, 102 Steinbach (Thüringen) 22 Steirischer Erzberg 11, 19, 21 Stendal 24 Steyr 22 St. Gallen 28
Suhl 22 Sulzbach
79,
Waidhofen 22 Waldeck 19 Wesel 25 Westfalen 9, 42, 70, 72, 104 Westfriesland 68 Wien 10,44 Wiener Neustadt 22 Wittgenstein 63 Wocklum (bei Balve, Westfalen) 105 Wohlen (Aargau, Schweiz) 65 Wolkenburg (Sachsen) 26 Wuppertal 27 f., 86 Württemberg 9, 24 f., 72, 105
Zofingen (Schweiz)
30 Zürcher Oberland 80 Zürcher Unterland 65, Zürich 30,50,70-72 Zurzach (Schweiz) 97 Zwickau 24 f., 59, 85
73, 88
Personenregister Autorennamen sind durch Kapitälchen erfaßt.
Fischer, F. 102 Fischer, W. 50 f., 105 Forberger, R. 29 f., 96, 98 Friedrich Wilhelm I, preußischer
Aagard, H. 101
Abel, W. 49, 51
Agricola, J.
14
Aschauer, O. 68 Assion, P. 100
König
32
Furger, F. 79
Aubin, G. 79 f. Aubin, H. 79, 85
Gleitsmann R. J. 96 Göttmann, F. 63 Grees, H. 85, 108 Griessinger, A. 58 f. Gutenberg, J. 42 ,
Bake, R. 95 Baxandall, M. 100 Bayerl, G. 101 Beck, L. 100 Beckmann, J. 91 Below, G. von 64 f. Benscheidt, A. R. 56 Bettger, R. 96 Blau, A. 21 Böttger, J. F. 17,45 Bodemann, E. 50 Bodmer, W. 80 Bollenbeck G. 53 Härtel 43 Bräuer, H. 54, 59f., 85 Braun, R. 80 Brednich, R. 100 Brunner, H. 53 Bücher, K. 1, 64, 77 f., 83, 91
Habicht, B. 54
Hähnsen, F. 65 Hahn, W. von 53 Harkort, J. C. 87, 104 Heitz, G. 69, 79 f. Hellwag, F. 100 Helwig, H. 100 Henning, F. W. 7 Herms, D. 95
,
Breitkopf &
Conrad, J. 49 Dascher, O. 97
Droysen, J. G.
Herrnmarck, C. 100
Hildt, J.
A. 107
Hilger, Gebr. f., 99
86
Hinrichs, C. 103 Hintze, O. 103 Hinz, F.-L. 105 Hoffmann, H. 63, 84 Holbach, R. 85 Huntemann, H. 101
107
Dubler, A. M. 62,65,71-73
Ebert, G. 100 Elkar, R. S. 53, 59 Emig, J. 73
Jacobson, J. C. G. 107 Janota, J. 53 Jeannin, P. 89
Kaspar, F. 100
Engels, J. C. 29 Eulenburg, F. 54
Kaufhold, K. H. 51, 56, 68, 87, 90,
Fehring, P. 55, 105
Kisch, H. 81 f.
Fink, P. 55, 105
94, 98 Kermann, J. 93-95
Koberger, A.
43
135
Personenregister Kriedte, P. 81-85, 89 Krüger, H. 92 f. Krumbholtz, R. 50 Kuczynski, J. 93
Sachse, W. 107 Sandgruber, R. Schanz, G. 57
101 f.
Schichtel P. 61 ,
Kuli scher, J. 92 Kunze, A. 79 Kusch, R. 95
Schlumbohm, J. 81-84 Schmoller, G. 1,49,76-78,83,91,
Landsberg-Velen, Graf 105 Leyen, von der 32 Linde, H. 86 Lourens, P. 68
Schoenlank,
Lucassen, J. 68
Schremmer, E. 65 f., 70, 73, 86 Schubert, H. 106 Schüle, J. H.von 31,97 Schultz, H. 66, 70-74, 105
Lütge, F. 93
Schulz, K. 60
Mager, W. 87 f. Marx, K. 1,91 f., 98 Matis, H. 97 Medick, H. 81-84 Meier, T. 65, 67 f., 71, 73, 75, 88 f. Mendels, F. 81 Merzbacher, D. 53 Meyer, M. 50 Milz, H. 95 Mitterauer, M. 52 Naumann, J. 63
Oexle, O. G. 49
Otruba, G. 94 Ottenjann, H. 75, 105
Pickl, O. 89
Pieper-Lippe, M. 68
Poppe, J. H. P.
91
Proesler, H. 50
Radtke-Kölsch, C. 100 Reekers, S. 85, 94 Reichel, J. 53 Reininghaus, W. 57,59,61,69
Remy, Gebr.
104
Roeck, B. 54 Rupe, Johannes, & Co. 87
93
Schnyder, W. 50, 55, 70 B. 57
Schwarz, K. 58 Siegrist, J. J. 65 Skalweit, A. 65 Slawinger, G. 93 f., 97 Sombart, W. 1,77 f., 83, 92 Steinkamp, A. 51,56,73 Stetten, P. von 103, 107 Stopp, K. 108 Stromer, W. von 90 Stürmer, M. 61, 100 Tausendpfund, A. 94 f. Treue, W. 55 Troeltsch, W. 78, 104 Tuckermann, W. 106
Villeroy,
N. 45
Wehrmann, C. 50 Wesoly, K. 60 Wiegelmann, G. 75, 99 f., 105 Wiest E. 54, 85 Wilhelm, hessischer Landgraf 106 Wilsdorf, H. 93 Wissell, R. 50 Wucher, A. 95 ,
Zorn, W. 96
Sachregister I6f., 32, 44, 46 f., 53, 55 f., 73,76, 79, 86 f., 91, 96 f., 104, 108 Adel 39,69, 105 Arbeitsteilung 5, 21, 55, 66, 78, 91 f., Absatz
99
15,27, 29,31,85,87
10 Gerber 12,34, 56, 100
Gesellen(vereinigungen) 14-16, 57-61,70, 108
Gewerbebegriff 3,98-102
Bäcker 7, 9, 35 f., 57, 99 f. Bandwirker 15, 28 f., 32, 55
Baugewerbe 6,40-43,61,68,
71-100 Baumwolle 14f., 23, 28-31, 33, 88 f. Bekleidungsgewerbe 6, 32 f., 99 Betriebsformen 3 f., 7, 26, 90 Betriebsgrößen 7, 9, 54 f.
Berufsbildung 15,71 Bevölkerung 12 f., 66, 69 f., 80,
Garn
Geigenbau
101
Bierbrauer 18, 38,99, 101 Bildschnitzer 39, 100 Bleichen 12, 27 f., 30, 87 Böttcher 38, 40, 69 Buchbinder 39, 100 Buchdrucker 9, 14, 42f., 78, 94 Chemie 6, 30, 45 f.
Dampfmaschinen 15,17,20,98 Draht 14,21,87 Drechsler 11, 39 f.
Dreißigjähriger Krieg 10, 13, 24 f., 27, 63
Eisen(erze) 11, 18-21,92, 100 f. Exportgewerbe 8 f., 13 f., 22, 25, 28, 32, 45, 66
Exulantenstädte 10, 17 Fabrik 5,77,91-94,98 Färben 24-26, 30, 46 Familie 11 f., 27, 52, 71, 77, 80, 88 Fayence 8, 44f., 97 Flachs 11,23,26-28,76 Fleischer 7, 9, 36 f., 57, 99 f. Frauenarbeit 22,31,33,83,97
Gewerbelandschaft 8 f., 28, 81, 88-91 Gewerbestatistik 6, 51, 54, 84f., 106 f.
Glas, Glashütten 8, 11, 20, 43 f., 68 Gobelinmanufakturen 8, 97 Goldschmiede 9, 100 Häfen 10,38,40,95 Handel 13 f., 35-37, 56f., 70, 82, 86 f. Hanf 11,23,26-28 Handwerk 4, 7, 15 f., 22, 34, 49-75 Haubergwirtschaft 12
Heimgewerke 4, 30, 39, 76, 80, 90
Hobel 39,55 Hochöfen 20f. Holz II f., 16, 38-40, 45 f., 76, 89, 100 Holzkohle 12,20,44
Holzverarbeitung 6,38-40,78,
100
Inventare 56, 75, 106 Irdenware 44 Juden 36f. Kalk 11,43 Kattundruck 8, 30f., 88, 96 Kaufleute 4, 7 f., 21 f.', 28, 30f., 37, 44, 57, 76, 86f., 89, 94, 97, 108 Kaufsystem 4, 28 f., 79, 83 keramische Gewerbe 11,23,44 Kleinstädte 10,60-62,67,102 Köhler 67 f. Konsum 101 f. Kürschner 35 Kunstgeschichte 99 f., 107
Sachregister Kupfer 19 Kupferschmiede
23
Landhandwerk 5, 8 f., 17 f., 34 f., 40, 64-75, 102 Landstände 67 f., 106 Landwirtschaft 3, 7 f., 12 f., 57, 69 f., 72, 74, 82, 89, 99 Lederverarbeitung 34 f.
Lehrlinge 15,60,71
Leineweber 7, 9, 11, 26-29, 42, 68 f., 79, 82, 88 Löhne 8,58,61,70, 106 Lohnwerker 4, 56, 64 Luxus 8,23,31,44 Maler 9,41 Manufakturen 4L, 7f., 10, 17f., 26, 28, 30 f., 34 f., 44 f., 51,83 f., 91-98, 104 Märkte 3f., 16f., 35, 56, 89, 98 Maurer 41, 68, 74 Messen 40, 56, 97 Messing 19, 23 Metallgewerbe 6, 11, 14, 17 f., 20-23 Möbel 39, 100 Mode 22 f., 30f., 33, 35 Mühlen 9, 11 f., 64, 67, 94 Müller 7, 9, 37, 67, 73 f.
Musikinstrumentenmacher 10,40 Musterbücher 108 Nadeln 22,97, 101 Nägel 22
Nahrungsmittelgewerbe 6, 35-38, 67
Nahrungsspielraum
12 f., 57
Osemund 21
Papier(macher) 9, 14, 42, 94, 99, 101
Periodisierung
5 Porzellan 8, 17, 44f., 97, 104 Preiswerker 4, 64
Protoindustrialisierung 65,75-91 Quellen 50, 54f., 65, 74f., 84-86, 96, 103-108
137
Rademacher 38, 40 Raschmacher 25 Regalien 16
Reichshandwerksordnung 1731 16 Religionsflüchtlinge 10,14,25,29, 33, 96 Sachkultur 13,99, 107 f. 19 Salinen 3, 20, 40, 46 f., 94, 99 Salpetersieder 46 f., 67 Schafzucht 12,24 Schmiede 7, 9, 11, 21-23, 55, 57, 73 f., 87 Schneider 6 f., 9, 32 f., 55 f., 67-69, 99 f. Schneidwaren 28, 34 f. Schuhmacher 6 f., 9, 55 f., 67, 69, 100
Saigerhütten
Seide, Seidengewerbe 8, 10, 15, 18, 23, 31 f., 88 f., 103, 105 Seiler 40 Sensen 22, 87, 102
Spielzeugwaren 8, 39, 89 Spinner 7, 26, 28, 30 f., 88 f. Spinnräder 14, 39 Spitzenklöppler 33 Staat 15-17,26,32,37,47,50,62, 72,95-97, 103 f. Städte 8-10,64-66,72, 105 f. Steinkohle 19,44,46,57 Steinmetze 41, 68 Streiks 58-60 Stricker 33, 89 Strohflechter 33, 89 Tabak 8, 10, 14, 37, 95 Technik 5, 10, 20, 25, 27, 30, 33, 46, 55, 76, 96, 99, 101
Textilgewerbe 4, 6, 8, 23-32, 46, 72, 78f., 80f., 99, 107 Tischler 7, 12, 38 f., 55, 62, 74, 100 Töpfer 44 f. Uhrmacher 9, 22 f.
Verlag(swesen) 4L, 7-9, 22, 26, 28f., 31, 40, 51, 75-91, 93f., 102, 103 Volkskunde 52 f., 80, 99 f., 107
138
Sachregister
Wanderhandel 12,33,87
Wanderungen
41 f., 59, 67, 11 f., 22, 45
Wasser(kraft) Weber 6 f., 28 f., 67, 80,88,
70, 105 108
Weltwirtschaft 13 f., 82, 86 Werkzeuge 4, 14, 22, 39, 55 f., 80, 96, 107 Windmühle 37 Wolle, Wolltuchmacher 18,23-26, 87, 103
Zeugmacher 25 f. Ziegler 40 f., 43, 67
Zimmerleute 7,9, 12,39^11 Zink 19 Zinn 19,44
Zinngießer 9, 23 Zölle 17 f. Zucker 8, 14, 37 f., 95 Zünfte 15f., 22, 34, 40,49f., 61-63, 68f., 71 f., 84f., 97, 105f., 108
Enzyklopädie deutscher Geschichte Themen und Autoren Mittelalter Demographie des Mittelalters / Neithard Bulst Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im
Gesellschaft
Mittelalter /
Werner Rösener
Adel, Rittertum und Ministerialität im Mittelalter / Thomas Zotz Die Stadt im Mittelalter / Franz Irsigler Armut im Mittelalter / Otto Gerhard Oexle Geschichte des Judentums im Mittelalter / Michael Toch
Wirtschaftlicher Wandel und Wirtschaftspolitik im Mittelalter / Ulf Dirlmeier Die geistige Kultur bis zur Gründung der Universitäten in Deutschland / Johannes Fried Die geistige Kultur im Mittelalter / Jürgen Miethke Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters / Werner Paravicini Die materielle Kultur des Mittelalters / Hartmut Boockmann Die mittelalterliche Kirche / Michael Borgolte Religiöse Bewegungen im Mittelalter / Matthias Werner Formen der Frömmigkeit im Mittelalter / Arnold Angenendt Die Germanen / Hans Hubert Anton Die Slawen in der deutschen Geschichte des Mittelalters / N.N. Das römische Erbe und das Merowingerreich / Reinhold Kaiser Das Karolingerreich / Peter Johanek Die Entstehung des deutschen Reiches / Joachim Ehlers Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert / Egon Boshof Der Investiturstreit / Wilfried Hartmann König und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat / Bernhard Schimmelpfennig Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500 / Dieter Berg Die kirchliche Krise des Spätmittelalters / Heribert Müller Reichsverfassung und Reichsreform im Spätmittelalter / Karl-Friedrich Krieger Landesherrschaft, Territorien und Frühformen des modernen Staates / Ernst Schubert
Frühe Neuzeit Demographie 1500-1800 / Christian Pfister Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg /
Peter Bierbrauer Bauern zwischen Dreißigjährigem Krieg und Werner Troßbach Adel in der frühen Neuzeit / Rudolf Endres
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140
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Beziehungen
Themen und Autoren
Der frühneuzeitlicha Hof / Rainer A. Müller Die Stadt in der frühen Neuzeit / Heinz Schilling Unterständische Schichten in der frühen Neuzeit / Wolfgang von Hippel Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 / Peter Blickle Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft / Lothar Gall Geschichte des Judentums vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts / Stefi Jersch-Wenzel Frühkapitalismus und wirtschaftliche Entwicklung 1470-1620 / Franz Mathis Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620-1800 / Rainer Gömmel Landwirtschaft in der frühen Neuzeit / Walter Achilles Gewerbe in der frühen Neuzeit / Wilfried Reininghaus Handel und Verkehr, Banken und Versicherungen in der frühen Neuzeit / N.N. Medien in der frühen Neuzeit / Erdmann Weyrauch Bildung und Wissenschaft in der frühen Neuzeit 1650-1800 / Anton Schindling Die Aufklärung / Wolfgang Hardtwig Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit / Bernd Roeck Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten in der frühen Neuzeit / Günther Lottes Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung / Bob Scribner Konfessionelle Institutionalisierung im 16. Jahrhundert / Heinrich Richard Schmidt Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert / Hartmut Lehmann Religiöse Bewegungen in der frühen Neuzeit / Hans-Jürgen Goertz Das Reich in der frühen Neuzeit / Helmut Neuhaus Landesherrschaft, Territorien und Staat in der frühen Neuzeit / Winfried Schulze Die Entwicklung der landständischen Verfassung / Franz Quarthai Vom absolutistischen zum bürokratischen Reformstaat / Walter Demel Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648 / Alfred Kohler ^ltes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 / Heinz Duchhardt
19. und 20. Jahrhundert Gesellschaft
Demographie des
19. und 20. Jahrhunderts / A. Gräfin zu Castell Rüdenhausen Geschichte der ländlichen Gesellschaft 1800-1970 / Heinz Reif Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert / N.N. Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert / Klaus Tenfelde Schichtung, Mobilität und Protest in der modernen Gesellschaft / Josef Mooser Das Bürgertum im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Hein
Themen und Autoren
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Die Angestellten im 19. und 20. Jahrhundert / Günther Schulz Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert / Detlev K. Peukert Geschichte des Judentums in Deutschland vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1914 / Shulamit Volkov Geschichte des deutschen Judentums 1914-1945 / Mosche Zimmermann
Vorgeschichte, Verlauf und Charakter der deutschen industriellen Revolution / Hans-Werner Hahn Die Entwicklung der Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Wilfried Feldenkirchen Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert / N.N. Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert / (Toni Pierenkemper) Handel und Verkehr im 19. Jahrhundert / Karl Heinrich Kaufhold Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert / Horst A. Wessel Banken und Versicherungen im 19. Jahrhundert / Eckhard Wandel Banken und Versicherungen im 20. Jahrhundert / Eckhard Wandel Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914) / Heinrich Best Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Gerold Ambrosius Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert / Rüdiger vom Bruch Kultur, Bildung und Wissenschaft im 20. Jahrhundert / Horst Möller Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Langewiesche Lebenswelt und Kultur der Unterschichten im 19. und 20. Jahrhundert / Wolfgang Kaschuba Formen der Frömmigkeit in einer säkularisierten Gesellschaft / Werner K. Blessing Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert / Gerhard Besier Der Deutsche Bund und das politische System der Restauration 1815-1866 / Wolfram Siemann Das Vordringen des Konstitutionalismus und das Ringen um den deutschen Nationalstaat / Elisabeth Fehrenbach Die innere Entwicklung des Kaiserreichs / Hans-Peter Ullmann Die innere Entwicklung der Weimarer Republik / Peter Steinbach Das nationalsozialistische Herrschaftssystem / Dieter Rebentisch Die Bundesrepublik. Verfassung, Parlament und Parteien / Adolf M. Birke Die Innenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik / Günther Heydemann Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871 / Anselm Doering-Manteuffel Deutsche Außenpolitik 1871-1918 / Klaus Hildebrand Die Außenpolitik der Weimarer Republik / Franz Knipping Die Außenpolitik des Dritten Reiches / Marie-Luise Recker Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland / Gregor Schöllgen Die Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik / Alexander Fischer
(Stand:
März
1990)
Wirtschaft
Kultur, Alltag, Mentalitäten
Religion und Kirche
Politik, Staat,
Verfassung
Staatensystem,
internationale
Beziehungen