Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit [2. Aufl.] 9783486701708, 9783486567663

Sowenig sich die zeitgenössische herrschende Politiktheorie, etwa eines Machiavelli, eines Lipsius oder Hobbes, mit dem

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German Pages 147 [148] Year 2004

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Vorwort
Inhalt
Vorwort des Verfassers
I. Enzyklopädischer Überblick
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
III. Quellen und Literatur
Register
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Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit [2. Aufl.]
 9783486701708, 9783486567663

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ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 33

ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 33 HERAUSGEGEBEN VON LOTHAR GALL IN VERBINDUNG MIT PETER BLICKLE ELISABETH FEHRENBACH JOHANNES FRIED KLAUS HILDEBRAND KARL HEINRICH KAUFHOLD HORST MÖLLER OTTO GERHARD OEXLE KLAUS TENFELDE

DER FÜRSTENHOF IN DER FRÜHEN NEUZEIT VON RAINER A. MÜLLER 2. Auflage

R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 2004

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2004 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Umschlagabbildung: Johann Samuel Mock, Palais im Großen Garten/Stadtseite Dresden; Staatliche Kunstsammlungen Dresden C 1968-798 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-56766-7 (brosch.)

Vorwort Die „Enzyklopädie deutscher Geschichte" soll für die Benutzer - Fachhistoriker, Studenten, Geschichtslehrer, Vertreter benachbarter Disziplinen und interessierte Laien - ein Arbeitsinstrument sein, mit dessen Hilfe sie sich rasch und zuverlässig über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse und der Forschung in den verschiedenen Bereichen der deutschen Geschichte informieren können. Geschichte wird dabei in einem umfassenden Sinne verstanden: Der Geschichte in der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates in seinen inneren und äußeren Verhältnissen wird ebenso ein großes Gewicht beigemessen wie der Geschichte der Religion und der Kirche, der Kultur, der Lebenswelten und der Mentalitäten. Dieses umfassende Verständnis von Geschichte muß immer wieder Prozesse und Tendenzen einbeziehen, die säkularer Natur sind, nationale und einzelstaatliche Grenzen übergreifen. Ihm entspricht eine eher pragmatische Bestimmung des Begriffs „deutsche Geschichte". Sie orientiert sich sehr bewußt an der jeweiligen zeitgenössischen Auffassung und Definition des Begriffs und sucht ihn von daher zugleich von programmatischen Rückprojektionen zu entlasten, die seine Verwendung in den letzten anderthalb Jahrhunderten immer wieder begleiteten. Was damit an Unscharfen und Problemen, vor allem hinsichtlich des diachronen Vergleichs, verbunden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einer zeitübergreifenden Festlegung ergäben, die stets nur mehr oder weniger willkürlicher Art sein könnte. Das heißt freilich nicht, daß der Begriff „deutsche Geschichte" unreflektiert gebraucht werden kann. Eine der Aufgaben der einzelnen Bände ist es vielmehr, den Bereich der Darstellung auch geographisch jeweils genau zu bestimmen. Das Gesamtwerk wird am Ende rund hundert Bände umfassen. Sie folgen alle einem gleichen Gliederungsschema und sind mit Blick auf die Konzeption der Reihe und die Bedürfnisse des Benutzers in ihrem Umfang jeweils streng begrenzt. Das zwingt vor allem im darstellenden Teil, der den heutigen Stand unserer Kenntnisse auf knappstem Raum zusammenfaßt - ihm schließen sich die Darlegung und Erörterung der Forschungssituation und eine entsprechend gegliederte Auswahlbiblio-

VI

Vorwort

graphie an zu starker Konzentration und zur Beschränkung auf die zentralen Vorgänge und Entwicklungen. Besonderes Gewicht ist daneben, unter Betonung des systematischen Zusammenhangs, auf die A b stimmung der einzelnen Bände untereinander, in sachlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die übergreifenden Fragestellungen, gelegt worden. A u s dem Gesamtwerk lassen sich so auch immer einzelne, den jeweiligen Benutzer besonders interessierende Serien zusamenstellen. Ungeachtet dessen aber bildet jeder Band eine in sich abgeschlossene Einheit - unter der persönlichen Verantwortung des Autors und in völliger Eigenständigkeit gegenüber den benachbarten und verwandten Bänden, auch was den Zeitpunkt des Erscheinens angeht. Lothar Gall

Inhalt Vorwort des Verfassers

1

I. Enzyklopädischer

3

Überblick

1. Mittelalterliche Grundlagen des Hofes 1.1 1.2 1.3

3

Zur Terminologie Königs- bzw. Kaiserhof Fürstenhöfe

3 4 6

2. Herrscherideal und politische Leitideen

8

3. Europäische Einflüsse 3.1 3.2 3.3 3.4

Burgund Italien Spanien Frankreich

4. Hofstruktur und Behördenorganisation 4.1 4.2 4.3 4.5 4.6

Generelles Hofdienst und Staatsdienst Hofämter und Hofpersonal Hofgremien und Landesverwaltung Größe und Etat der Höfe

5. Der Hof als Sozial- und Wirtschaftssystem 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Höfische Einbindung des Adels Hierarchie und Rationalität Bewältigung des Alltags Hofordnungen Zeremoniell Hoferziehung

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir 6.1 6.2

Hofmalerei und Bildende Kunst Hofmusik, Oper, Ballett

11 11 12 14 15 17 17 18 19 25 29 32 32 35 36 40 41 42 43 43 45

VIII

Inhalt

6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9

Bibliotheken Wissenschaft Schwarze Künste Literatur Feste Jagd Höfische Luxusindustrie

47 49 50 50 54 58 59

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

61

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3

Architektur Das Renaissanceschloß in Italien und Frankreich . Von der Burg zum Schloß im Deutschen Reich . . Das Barockschloß Die Schloßstadt Interieur Die Räumlichkeiten Ausstattung und Einrichtung Gartenanlagen

II. Grundprobleme

und Tendenzen der Forschung

61 61 62 64 66 68 69 72 74 77

1. Hof-Quellen

77

1.1 1.2 1.3 1.4

Fürstenspiegel, Hausväterliteratur, Testamente Regimentstraktate, Regierungslehren Hofliteratur, Zeremonienliteratur, Hofkalender Reiseliteratur, Memoiren, Gesandtenberichte, Briefe

1.5

Hofkritik

. . . .

77 81 82 85 86

2. Grundprobleme der Forschung

88

2.1

Kulturgeschichtliche Interpretationsansätze

. . . .

89

2.2 2.3

Ältere politikwissenschaftliche und kultursoziologische Interpretationsversuche Moderne soziologische Interpretationsvarianten . .

92 94

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4

Der Hof als „soziale Figuration" Der „absolutistische H o f als Idealtypus Der „ständische H o f Der Hof als „soziales System" Typologisierungs Varianten

94 96 97 98 99

Inhalt

IX

III. Quellen und Literatur

101

A. Quellen

101

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Hofordnungen/Hofkalender Präzedenz/Zeremoniell Fürstenspiegel/Haus Väterliteratur Regimentstraktate/Regierungs- und Policeylehren Politische Testamente Hofliteratur, Memoiren, Briefliteratur, Reiseberichte, Kritik Architektur

B. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 5. 6. 7. Register

101 101 103 . 104 104 105 105 106

Allgemeine und übergreifende Darstellungen . . . . Der mittelalterliche Hof Europäische Höfe Einzelne deutsche Höfe (Auswahl) Hofgremien, Landesverwaltung, Ständewesen . . . Adel, Alltag, Erziehung, Zeremoniell, Sozialgeschichte Kunst, Wissenschaft, Feste Architektur

106 110 111 112 114 117 121 124 127

Vorwort des Verfassers Den Hof der Frühen Neuzeit auf deutschem Reichsgebiet auch nur annähernd zufriedenstellend beschreiben zu wollen, ist beim gegenwärtigen Forschungsstand schlechterdings unmöglich. Nicht nur, daß sich für die mehr als dreihundert zu jener Zeit existierenden Höfe die Quellenlage als ausgesprochen disparat darstellt und der Zugang zu einer Vielzahl von Archivalien in Privatarchiven nicht ohne weiteres möglich ist, es erweist sich - in direkter Konsequenz dazu - auch die zur Verfügung stehende Literatur als höchst lückenhaft und unbefriedigend. Einzelne Höfe, so der Kaiserhof in Wien oder der preußische Hof, sind vergleichsweise gut dokumentiert, bei anderen, vollends den kleineren Grafenhöfen, fehlen Spezialuntersuchungen gänzlich. Hinzu kommt, daß die jüngere Hofforschung kaum prinzipielle Kontroversen austrägt - sieht man von der entweder positiven oder negativen Haltung zum Altmeister der Hofforschung, Norbert Elias, ab. Forschungsstreitpunkte zu erklären, Forschungsschwerpunkte zu beschreiben, methodische Vorgehensweisen abzuwägen, wie es das vorgegebene Schema der Reihe „Enzyklopädie Deutscher Geschichte" im zweiten Teil vorsieht, war im vorliegenden Fall somit nur bedingt möglich. Ein in chronologischer und typologischer Form gegebener Forschungsüberblick mag dem Leser vor Augen führen, daß der friihneuzeitliche Hof auf deutschem Reichsgebiet selbst in seinen maßgeblichen Strukturen noch nicht erforscht ist, die Resultate auch dieser Studie somit durchaus vorläufigen Charakter tragen. Der exzellenten Studie Aloys Winterlings über den kurkölnischen Hof verdankt der Autor entscheidende Vorgaben. Sie hat mit Abstand die meisten Anregungen zum Weiterdenken geliefert. Mit Sachverstand und Kritik haben darüber hinaus Kollegen der eigenen Zunft, der Kunstund Musikgeschichte helfend und fördernd gewirkt. Zu danken gilt es insbesondere Lothar Gall, Notker Hammerstein, Franz Matsche, Volker Press (f), Konrad Repgen und Theo Schmitt. Herr Dr. Adolf Dieckmann vom Oldenbourg Verlag hat das Manuskript dankenswerterweise für den Druck eingerichtet. Eichstätt, im November 1994

Rainer A. Müller

I. Enzyklopädischer Überblick 1. Mittelalterliche Grundlagen des Hofes 1.1 Zur

Terminologie

Der im Hochmittelalter an die Stelle der älteren Bezeichnungen palatium, aula und domus tretende Begriff curia bezeichnete zum einen den Hof (mhd. hof, afrz. cort, frz. cour, engl, court, ital. carte) als personale, hierarchisch strukturierte Einrichtung (Hofstaat/Hofgesellschaft), die in erster Linie der Versorgung (Haushalt) und dem Schutz der Herrscherfamilie diente, und zum anderen die administrative Institution resp. zentrale Landesverwaltung (Hofgericht/Hofkapelle) in der unmittelbaren Umgebung eines Regenten [ 1 8 1 : PARAVICINI; 1 8 3 : R Ö S E N E R ] , Dem Vorbild des Königs- bzw. Kaiserhofes folgten im 11. und 12. Jahrhundert geistliche und weltliche Herrschaften, die mit zentral plazierten „Höfen" auf eigenem Territorium Herrschaftszentren aufbauten. Bei fortschreitendem Territorialisierungsprozeß traten im Deutschen Reich neben den Königshof (curia regis) somit Höfe weltlicher und geistlicher Magnaten (curia ducis, principis, episcopi, abbatis etc.). Diese unterschieden sich entsprechend der Machtposition und den wirtschaftlich-finanziellen Möglichkeiten des Regenten bzw. seines Territoriums in größere und kleinere Höfe (curiae maiores, curiae minores) mit unterschiedlich vielen Hofchargen und breit bzw. spärlich gefächerter Ämterorganisation. Ämterfusion kennzeichnete den kleinen Hof, Ämterdifferenzierung war charakteristisch für den großen Hof [ 186: S C H R E I N E R ] . Der spätmittelalterliche Hof basierte prinzipiell auf drei Fundamenten: 1. auf der materiellen alltäglichen Versorgung des Herrschers, 2. auf der sich im Laufe der Jahrhunderte zunehmend professionalisierenden herrschernahen Landesadministration, 3. auf der zivilisatorisch-kulturellen Gestaltung des Herrschaftsmilieus. Die Hierarchie der Höfe in bezug auf Größe und Prestige reichte vom Kaiser- resp. Königshof über die Kurfürsten- und Herzogs-Höfe zu denjenigen der Bischöfe, Land- und Markgrafen bis hinunter zu den

Bezeichnungsvananten

Konstitutive Elemente

I. Enzyklopädischer Überblick

EntwicklungsProzesse

Normenkodex und -konflikte

einfachen Grafenhöfen. Ausdruck ihres jeweiligen Ranges waren auf dem Sektor der Architektur die stattliche Burg oder (später) das prächtige Schloß, auf gesellschaftlichem Gebiet Quantität und Qualität des Hofstaates, auf dem Feld der Kultur die standesgemäße Selbstdarstellung. Alle Höfe, unabhängig von den jeweiligen Bedingnissen, doch regional unterschiedlich, zeichnete seit dem Spätmittelalter ein Wachstumsprozeß aus, der sich in einer steten Vermehrung des Personals und einer Funktionserweiterung und -differenzierung der Administration niederschlug. Ferner bildeten sich im Spätmittelalter Residenzen, d.h., jgj. königliche wie auch der fürstliche Hof verminderten die RoutineUmzüge, ließen sich an wenigen Herrschaftsorten dauerhaft nieder oder konzentrierten sich gar auf eine Hauptresidenz. In dem Maße, in dem die „Reiseherrschaft" zurückging, entwickelten sich institutionalisierte Herrschaftszentren. Normenkonflikte entstanden vom Hochmittelalter an allerdings ¿urch d i e Scheidung von Klerus- und Laienkultur. Das höfische Leben (vita activa) distanzierte sich mehr und mehr von rein christlichen Lebensidealen (vita contemplativa). Diesem trug die Hofkritik Rechnung, die sich an einer Sentenz des Dichters Lucan ausrichtete: Exeat aula qui vult esse pius. Höfisches Leben ist der Seele Tod (vita curialis mors est animae), schrieb Peter von Blois ( t 1204). Die curialitas, der höfische Normen- und Verhaltenskodex, widersprach dem christlichen Armutsideal sowie dem apostolischen Leben. Klerikaler Unmut bezog sich nicht nur auf die „Minne", sondern auf die höfische Lebensfreude generell, die man als sündhafte Lust, als voluptas oder gar luxuria, mißbilligte. Kirchliche Moralisten nahmen die Jagd ins Visier und wandten sich gegen das Turnierwesen. Die höfische laszive Dichtung wurde Gegenstand kritischer Vorhaltungen. Im Spätmittelalter milderte das strenge Urteil eine kompromißbereitere Sichtweise. Nicht zuletzt, weil die geistlichen Höfe einer allgemeinen Hofkultur integriert sein wollten, arrangierte sich die Kirche mit den Höfen, forderte aber gleichwohl deren unbedingte moralische Integrität. Mit dem Segen der Kirche wurde der Hof zu einer tonangebenden Institution des mittelalterlichen Staates, sein Normenkodex fand in den Fürstenspiegeln idealisierende Beschreibungen [186: SCHREINER],

1.2 Königs- bzw. Kaiserhof „Alteuropäische Königsherrschaft war ihrem Wesen nach mit der Institution des Hofes verbunden, es gab keinen Herrscher ohne H o f " [134: MORAW, S. 32]. Daß der Hof im Spätmittelalter das entscheidende Me-

1. Mittelalterliche Grundlagen des H o f e s

5

dium des deutschen Königs gegenüber dem Reich darstellte, ist unbestritten, ebenso, daß anderweitige Herrschaftsinstrumente Surrogate des Hofes waren, so etwa der „Hoftag", der, in Absetzung vom „täglichen Hof", periodisch zur Beratung des Herrschers einberufen wurde. Der Hof machte das unerläßliche Verwaltungsorgan des Königtums aus, galt aber darüber hinaus als „Ausweis und Ausstrahlung königlieher Existenz, Basis des Dienstes am König und seiner Familie ..., patriarchalische Lebensform und festliche Lebensform einer höfischen Gesellschaft, Ort der Einwirkungen verschiedenster politischer Kräfte, Raum von Machtkämpfen" [MORAW, ebd.]. Der Königshof stellte das Kraftzentrum des Reiches dar; wenngleich zunächst nicht ortsstabil, besaß er im Reichsgefüge einen besonderen Stellenwert. Den Inhabern der königlichen Hofämter, die aus dem „Herrendienst" hervorgingen, oblag vordergründig die Versorgung des Herrschers, d. h. vor allem der Dienst an der Tafel, in Kammer, Keller und Stall (Erbhofämter). Aus diesen Ämtern entwickelten sich Verwaltungsbereiche, die jedoch ohne feste Ressortierung blieben. Anfangs „Ehrenämter", wurden sie alsbald erblich. Die Bedeutung der einzelnen Hofämter variierte; nicht selten zählte die gesellschaftliche Position des Amtsinhabers mehr als die ausgeübte Funktion. Ämterkumulationen waren keine Seltenheit; das spezifische Vertrauensverhältnis zum Fürsten bestimmte das individuelle Renommee. Prinzipiell und an nahezu allen Höfen in gleicher Weise entstand jedoch ein Ämterquartett, das Marschall, Mundschenk, Kämmerer und Truchseß umfaßte und sich im Laufe der Zeit in eine Vielzahl weiterer Zuständigkeiten spezifizierte [181: PARAVICINI]. Über der allgemeinen, auch zeittypischen und situationsbedingten Entwicklung der Hofämter darf nicht vergessen werden, daß der Königshof sich von Herrscher zu Herrscher wandelte und in starkem Maße vom individuellen Einfluß und der Disposition des jeweiligen Regenten abhing. Die Mitglieder des Hofes gehörten gemeinhin der familia des Herrschers an und genossen aus diesem Grund Rechts- und Steuerprivilegien. Während der Augustinereremit Aegidius Romanus ( t 1316) in seinem Fürstenspiegel („De regimine prineipum", Druck Rom 1556, Neudruck 1968) zwei Großgruppen am Hofe tätiger höherer Beamter und niederer Diener unterschied, differenzierte Konrad von Megenberg (t 1374) die höfische Familie nach einem Dreierschema. In seiner ,,0ekonomik" (1348/52) umschreibt er die Struktur einer fürstlichen curia, die offenkundig am Königs- resp. Kaiserhof orientiert war, wie folgt: An der Spitze der Hofhierarchie stünden die servi honesti, zu denen die Haus- und Hofkapläne, die Räte (consiliarii), der Haus- und Leibarzt

Hof-KönigtumReich

Hofämter

„Hof-Familie" und Hierarchie

6

Engerer und weiterer Hof

Entwicklung im Spatmittelalter

I. E n z y k l o p ä d i s c h e r Überblick

sowie qualifizierte Notare gehörten. Dieser ersten Gruppe folgten als zweite die servi utiles, denen der Autor u.a. den Hofmeister (magister curiae), die Inhaber der klassischen Hofämter sowie Förster, Fischer und ihnen vergleichbare Bedienstete zurechnete, gefolgt von der dritten und niedrigsten Gruppe, den servi delectabiles, den Musikern, Sängem, Mimen und Narren, denen nur noch die Mägde folgten. Der Regensburger Dompropst ließ die Bezeichnung curia nur für herrschaftliche Höfe gelten, nicht für adlige oder klerikale „Privathaushalte". Auf den Königs- bzw. Kaiserhof bezogen, lag ihm daran, von einer curia minor zu sprechen, wenn die Hofhaltung, bestehend aus den Hausgenossen und dem Personal, welches den Herrscher täglich umgab, gemeint war, sowie einer curia maior, wenn es sich um die Gemeinschaft des Königs oder Kaisers mit dem hohen Reichsadel oder den Reichsfürsten handelte. Mit dieser implizierten Trennung von privater und öffentlicher, gesellschaftlicher und politischer Sphäre rekurrierte er auf eine seit langem gebräuchliche Unterscheidung zwischen „engerem" und „weiterem" Hof [181: PARAVICINI 67]. Die Organisation der Hofämter hatte um ca. 1350 im Prinzip ihren Abschluß gefunden. Die „Goldene Bulle" (1356) und - realiter - der Hof Kaiser Karls IV. in Prag beschreiben einen Status von Hofämtern, der für das weitere Mittelalter wie auch für die Frühe Neuzeit prägend blieb. Der habsburgische Hof Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) in Wien knüpfte an die luxemburgischen Vorgaben des Hradschin an und führte den Ausbau der Hoforgane fort. Auch hier dominierte die „Perpetuierung tradierter klassischer Strukturen" gegenüber einigen moderaten Neuerungen [173: HEINIG]. Noch war der Hof weniger behördliche Regierungszentrale als „vormoderne Organisationsstätte für den Erwerb herrscherlicher Gnadenakte". Die zahlreichen Konflikte, die mit der „Verdichtung des Reiches" ( M O R A W ) einhergingen, ließen ihn z u n e h m e n d als ordnungspolitische Instanz an Bedeutung gewinnen. Mit der Translokation des Hofes durch Maximilian I. nach Innsbruck, der neuerlichen Fixierung des Reichstags sowie der Herauslösung wichtiger Institutionen (so des Reichskammergerichts) verlor der Kaiserhof seine herausragende Stellung im Zentrum des (habsburgischen) Reiches. Von einem Endpunkt der „Destruktion des Herrscherhofes" zu jener Zeit zu sprechen ist - mit Einschränkung - rechtens [ H E I N I G ] .

1.3

Fürstenhöfe

Königs- bzw. Kaiserhof stellten das nachahmenswerte Modell für die deutschen Fürstenhöfe dar. Die dort gebotenen Vorgaben der Hofhai-

1. Mittelalterliche Grundlagen des Hofes

7

tung kopierten mit zeitlicher Verzögerung und quantitativer wie qualitativer Absetzung weltliche und geistliche Fürsten. Wollte man anhand der Reichsmatrikel von 1521 „fürstliche" Stellung und hofgemäße Haushalts- und Lebensführung beurteilen, so bestanden an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit im Deutschen Reich - unter Aussparung von Reichsstädten, Reichsritterschaften und kleineren Konventen - ca. 300 bis 350 einschlägig qualifizierte „Hofhaltungen" [127: KRUEDE-

Vielzahl der Hofhaltungen

NER, 10; 1 6 7 : WINTERLING, 1],

Da die mittelalterliche Landesherrschaft im Reichsgebiet ein persönlich-dynastisches Regiment war, lagen die zentralen Ämter um den Regenten bzw. am jeweiligen Hof zentriert. Territorialisierung und Residenzbildung waren in Deutschland Phänomene des Spätmittelalters, vor allem des 15. Jahrhunderts. Auch wenn es dem Reich nicht gelang, sich eine Hauptstadt zu geben, so gelang es doch den Fürsten und Bischöfen, in ihren Ländern und Stiften Städte mit Mittelpunktfunktion zu bilden, d. h. Zentralorte anzulegen, an denen der Hof vermehrt bzw. dauerhaft residierte und zunehmend Zentralbehörden wirkten. Die Herrschernähe bedingte, daß auch hoher Adel und hoher Klerus sich im Mittelalter in Residenznähe aufhielten, am Zentralort Palais oder Häuser unterhielten und damit die Topographie der „Hauptstadt" wesentlich mitbestimmten. Derartige „Residenzlandschaften" mit Schloß, Höfen, Gärten, Alleen und Palais blieben ein Element dann vor allem der frühneuzeitlichen Hauptstadtanlagen (so Wiens, Potsdams, Dresdens oder Münchens). Im Verlauf des 14., vor allem aber des 15. Jahrhunderts konnten sich viele der am Hof Dienenden profilieren und ihre Positionen gegenüber den Erbämtern ausbauen. Um die Person des Landesherrn gruppierte sich schließlich ein immer komplexer werdendes System von Ämtern, in der Residenz entwickelte sich sukzessive ein intensives „Hofleben", ebenso ein weitgespannter „Wirtschaftsraum". Gleichwohl kam eine Differenzierung zwischen Hof- und Landesverwaltung kaum zustande. Zu den Aufgaben des Hofes zählte zu jener Zeit die Versorgung von ca. 100 bis 300 Personen und oftmals derselben Anzahl an Pferden. Die Kosten der Hofhaltung waren immens; die Stände ließen es sich immer wieder angelegen sein, durch Hofordnungen die Ausgaben und die Anzahl des Gesindes zu begrenzen. Trotz unverkennbar luxuriöser werdenden Lebens und Wohnens blieb der spätmittelalterliche deutsche Fürstenhof - im Unterschied zu den Höfen etwa Norditaliens oder Burgunds - eher archaisch einfach, wohl auch weitgehend „altdeutsch" und oftmals „grobianisch" geprägt [94: BAUER].

Bildung von Residenzen

8

I. E n z y k l o p ä d i s c h e r Überblick

2. Herrscherideal und politische Leitideen

Landeshoheit und „politisches" Fürstentum

Polyzentraiität des Reiches

Gottesgnadentum und fürstliche Omnipotenz

Der frühneuzeitliche institutionelle Flächenstaat entstand im Deutschen Reich aus der spätmittelalterlichen Landesherrschaft. Dem Dualismus von Königtum und Aristokratie (Fürsten) entsprang eine territoriale Landeshoheit (superioritas/potestas territorialis), die prinzipiell an einen Herrscher gebunden war. Im Verlauf des Spätmittelalters sowie des 16. und 17. Jahrhunderts gelang es den Landesherren (domini/ principes terrae), ihre aus adlig-fürstlichen Lehensprivilegien herrührende summa potestas zu festigen, ihr dominium altum bzw. dominium territoriale zu konsolidieren und ihre Länder zu nahezu autonomen Staaten" auszubauen. Aus dem spätmittelalterlichen patriarchalischen Fürstentum entwickelte sich in der Renaissance das politische Fürstentum. Die principes, ob Laien oder Hochklerus (Kurfürsten, Herzöge, Grafen, Bischöfe), bestanden einerseits auf ihrer Teilhabe am Reich, andererseits aber auf regionaler Herrschaft. Diese deutsche Art von „Föderalismus" manifestierte und dokumentierte sich im Fürstenhof. Das Reich war polyzentral von Höfen durchsetzt. Der Auf- und Ausbau der Territorialverwaltung in Form von Ratsgremien und Zentralbehörden hatte seinen Kristallisationskern im Hof. Hofämter und Hofetat bildeten das Fundament für das staatliche Behördenwesen. Hof- und Verwaltungsfunktionen waren zunächst kaum voneinander getrennt, Personalunionen die Normalität. Erst im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelten sich aus den fürstlichen Hofämtern und höfischen Behörden spezifische, aber selten hoffreie staatliche Regierungs- und Verwaltungsapparate. In den meisten Fürstentümern - nicht jedoch in den geistlichen Hochstiften - wurde zu jener Zeit auch die ständische Mitregierung ausgeschaltet - der Adel konnte der fürstlichen Allmacht kaum Paroli bieten. Im Landesfürstentum verkörperte sich gleichzeitig die Staatsidee. Der Fürst personifizierte das Staatswesen, die Dynastie maß sich substantielle und uneingeschränkte Autorität an und in der res publica zu. Die Fürsten sind Götter hier auf Erden, schrieb ein Autor 1746 (H. W. Döbel, Neu eröffnete Jägerpractica... Leipzig). Die starke Einbindung der fürstlichen Omnipotenz in das Ideenspektrum des Gottesgnadentums ließ Herrscher und Herrschaft pastorale Züge annehmen. Konrad Heresbach [44] sprach in seinem bedeutenden Fürstenspiegel 1570 vom Fürsten als einem princeps pastor populi, nannte ihn gelegentlich auch pater populi. Georg Lauterbeck hob in seinem „Regentenbuch" [47] 1557 den Vörbildcharakter des Herrscheramtes besonders hervor: Qualis princeps, talis populus; wie der

2. Herrscherideal und politische Leitideen

9

Hirt ist/also sein auch die Schaf. Lauterbeck ging davon aus, daß die Bevölkerung den Lebenswandel des Fürsten kopiere, wie die Regenten und Fürsten in dem gemeinen nutz/ also sein auch die Unterthanen. Zum Theorem des „Gottesgnadentums" trat ab dem 17. Jahrhundert die von verschiedenen Staatstheoretikern propagierte „Vertragstheorie", nach der das Volk seine Rechte samt und sonders dem Souverän übertrug und diesen zum obersten Organ bestimmte. Stand der Monarch oder Fürst zunächst jenseits aller Kritik, so wurde er in der Zeit des aufgeklärten Absolutismus mehr und mehr seines Mythos entkleidet und dem staatsrechtlichen System verpflichtet. In der Weise, wie der Staatsbegriff sich transpersonalisierte, entpersonalisierte dieser Prozeß die Leitinstanz des Staates vom Fürsten. Der patrimoniale Herrschaftsstil blieb zwar erhalten, doch wurde der fürstliche Tugendkatalog - ehedem durch Justus Lipsius im Sinne des Neostoizismus definiert - um bürgerliche Rationalitätsprinzipien erweitert. Gebraucht man - wie heutzutage vielfach üblich - das Bild der Elypse zur Erklärung der politischen Bipolarität des frühmodernen Staates, so stellt der Hof die Lokation der fürstlichen Macht dar, der Landtag resp. das Domkapitel den Ort ständischer Repräsentation. Die am Hof akkumulierte Macht wurde durch ein prätentiöses Erscheinungsbild gegenüber den Untertanen dokumentiert, der Hof war Regierungs- und Repräsentationsinstrument. Diese Kombination läßt Friedrich C. v. Moser in seinem „Teutschen Hof-Recht" von 1754 durchscheinen, wenn er neben dem „Schloß" und dem „Schloß-Platz" zwei Bedeutungen des Begriffes „Hof" benennt: Erstlich verstehet man darunter die ganze Regiments-Verfassung und begreift in diser Idee auch alle Staats-Bediente ... Zweytens wird darunter die eigentliche jedoch ganze Hofhaltung verstanden [26: MOSER I, 5]. Bezieht man die „Lehre vom Ganzen Haus", die in der aristotelisehen Oikonomia ihr Grundmuster hat, auf das gesamte Gemeinwesen und auf dessen Repräsentanz, den Hof, so erklärt sich der Satz „Oeconomia ist eine Monarchia " als genau treffend für die Zeit. Der Landesvater war gleichzeitig Hausvater des Hofes. Der Hof stellte eine binnenstrukturierte Herrschaftspyramide dar, er war ein „Sozialsystem", der Hof-Fürst selber stand wiederum in einem pyramidal konstruierten Bezugssystem zum Kaiser und vor allem zu Gott-Vater. In einem der letzten großen Werke der Hausväterliteratur stellte Franziscus Ph. Florinus [40] in einem ersten Teil die Aufgaben des bürgerlichen Hausvaters dar und zeichnete in einem zweiten Teil ein Modell des fürstlichen Hofes und seines Zeremoniells. Hof-Staat und Landes-Staat werden theoretisch noch nicht getrennt, die Mahnungen zu gutem Verwalten

Hof als Lokation fürstlicher M a c h t

Theorie des „Ganzen Hauses

"

10

I. Enzyklopädischer Überblick

sowohl an den fürstlichen „Hausvater" wie an den „Landesherrn" gerichtet. Aus der guten Hausverwaltung erwuchs die gute policey. Seckendorff schrieb in seinem „Fürstenstaat" dem Regenten neben der Funktion des Hausvaters auch diejenige einer verantwortungsvollen Ordnungsinstanz zu. Bei Anstellung von Hofleuten sei er hierinnen von der Schuldigkeit eines jeden haußvaters in einem so grossen und weitläufftigen hauß- und hof-wesen nicht befreyet, sondern desto mehr dazu verbunden ist, nachdem von seiner hofstatt und der hof-bedienten leben und wandel das gantze Land exempel zu nehmen, und sich darnach zu bessern und zu ärgern pfleget [70: 631]. ROSCHERS „stufenAuf der Suche nach den in der Gewichtung immer wieder wechtheone" s e j n ( jen Wesensmerkmalen des frühmodernen „Machtstaates" hat die Absolutismusforschung der „Stufentheorie" des Nationalökonomen und Juristen Wilhelm Roscher (t 1894) große Bedeutung beigemessen. Roscher sah - unter chronologischen Gesichtspunkten - die jeweilige Regierungspraxis einzelner Perioden mit den zu dieser Zeit dominierenden staatspolitischen Idealen verknüpft und erklärte demzufolge - das 16. Jahrhundert als Phase des „konfessionellen" Absolutismus, geprägt von der Formel cuius regio, eius religio (Repräsentant Philipp II. von Spanien); - das 17. Jahrhundert als das Zeitalter des „höfischen" Absolutismus, dem der legendäre Satz des Sonnenkönigs l'état c'est moi Symbolwert verlieh (Repräsentant Ludwig XIV.); - das 18. Jahrhundert als Phase des „aufgeklärten" Absolutismus, dem der Leitspruch des Preußenkönigs, der erste Diener seines Staates zu sein, beizugeben war (Symbolfigur Friedrich II.). Diese auch an moralische Kriterien geknüpfte Theorie war vom Gedanken an eine Vorwärtsentwicklung ebenso geprägt wie etwa die Beschreibung einzelner Stufen des Absolutismus als „FrühabsolutisAbsoiutismus mus", „Hochabsolutismus" und „Spätabsolutismus", wobei letzterer schon eine Dekadenz anzuhaften schien. Die Lehre von den diversen Stadien machte sich auch die marxistische Interpretationsvariante zunutze, die das letzte Stadium als das des „Feudalabsolutismus" definierte. Andere Typisierungsversuche sprechen vom „praktischen" und „bürokratischen", wieder andere vom „romanischen" und „germanischen" Absolutismus [ 1 0 0 : DUCHHARDT, 1 6 7 : WINTERLING]. Die zweckrationale Entfaltung absolutistischer Herrschaft wurde insbesondere auch auf die Praxis der Ausschaltung ständischer Mitregierung bezogen. „Geist und Gestalt des frühmodernen Staates" G.OESTREICH interpretiert z . B . GERHARD OESTREICH [ 1 4 2 ] als Elemente eines

3. Europäische Einflüsse

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„Verstaatlichungsprozesses", in dem der Fürst sich bemüht habe, das absolutistische System dadurch zu stabilisieren, daß er alle Ressourcen des Staates für seine Gesamtpolitik aktivierte, wozu gelegentlich auch die Partizipation diverser Stände und Räte zählen konnte, aber nicht mußte. Dem Prozeß der Konzentration staatlicher Gewalt korrespondierte dann eine Ausdifferenzierung und Modernisierung der Staatsbehörden, eine Vervielfachung der Beamtenschaft und die Schaffung eines stehenden Heeres. Soziale Disziplinierung des Untertanenverbandes und merkantilistische Wirtschaftsmaximen taten ein übriges. MAX WEBER [163] identifizierte die frühneuzeitliche Herrschaftsform im wesentlichen mit „patriarchaler und patrimonialer Herrschaft". Fundament seien die traditionale Pietät und der Autoritätsglaube gewesen, entscheidend der „patrimoniale Charakter" des Beamtenwesens und des Heeres. Die ständischen Territorialkörperschaften sah Weber als Vorläufer der modernen „Staatsanstalt", während für ihn die „Lehensfeudalität" einen Grenzfall des Patrimonialismus darstellte. Kollegiale Zentralbehörden galten ihm als Vorstufen der Bürokratie, als wichtig in der qualitativen Entwicklung der Verwaltungsaufgaben. Indem sie Fachwissen und Kompetenz bündelten, bildeten sie gleichzeitig ein Gegengewicht zum Fürsten.

3. Europäische Einflüsse Der deutsche Königs-, Fürsten- und Bischofshof der Frühen Neuzeit war in hohem Maße europäischen Einflüssen ausgesetzt. Dominierte wie im Spätmittelalter so noch im 16. Jahrhundert als Vorbild der burgundische Herzogshof, so folgten diesem die italienischen „Republikhöfe", des weiteren, in einigen Aspekten, der römische Papsthof, der spanische Hof, im ausgehenden 17. und dann im 18. Jahrhundert aber absolut der französische Hof. 3.1 Burgund Am Hof der Herzöge von Burgund erlebte die französische Ritterkultur im 15. Jahrhundert ihre Spätblüte. Der burgundische Hof - mit den Zentren in Dijon und Brüssel - pflegte, nicht zuletzt aus Propagandagründen gegenüber Ständen und Bürgern sowie den anderen europäischen Höfen, einen Lebensstil, der die Ideale des höfischen Rittertums reflektierte und kultivierte. Die Herzöge versuchten, durch ausgewähl-

M.

WEBER

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I. Enzyklopädischer Überblick

ten Luxus, ambitioniertes Kunstinteresse und verfeinerte Etikette ihrer selbstgewählten, herausragenden Rolle gerecht zu werden. Hoffeste und Turniere erreichten eine bis dahin nicht gekannte Pracht und wurden zur allegorischen Bestätigung eines zunehmend auf Distanz bedachten Regenten. War der Burgunderhof im 14. Jahrhundert noch stark Burgundisches am französischen Königshof ausgerichtet, so schuf Philipp der Gute im Hofzeremoniell jg Jahrhundert ein eigenes Hofzeremoniell, das alsbald Vorbildcharakter gewinnen sollte [209: PARAVICINI]! Maximilian I. und Karl V. führten es schließlich am habsburgischen Hof in Wien bzw. am spanischen Hof in Madrid ein. Das Charakteristikum des burgundischen Hofes vereinte zwei einander ideal ergänzende Elemente: Dem Mikrokosmos ritterlicher Kultur korrespondierte ein französisch geprägter Kosmopolitismus, dessen Vitalität und feinsinnige Heiterkeit die „romantische Melancholie", die JOHAN HUIZINGA im „Herbst des Mittelalters" als seelische Gestimmtheit des 15. Jahrhunderts befand, konterkarierte [174], Der burgundische Hof umfaßte neben der herzoglichen Hofhaltung einen großen Kreis an Adligen und Diplomaten, die sich im Zentrum der Macht aufhielten und dieses beherrschten. Dieser Personenkreis wechselte ständig, im Unterschied zum Hofpersonal, das mit festem Sold langjährig in Diensten stand. Hinzu kam eine Anzahl von Künstlern und vagabundierenden Schaustellern, die ihre Fähigkeiten anboten und nach beendigtem Engagement weiterzogen. Der burgundische Höfling, wiewohl in seiner kultivierten, an ritterlichen Idealen ausgerichteten Lebensform sowohl Antipode des derb-direkten mittelalterlichen Adligen als auch des geschäftstüchtigen Bürgerlichen, war noch nicht der humanistisch gebildete, italienische Cortegiano. Er befand sich gewissermaßen auf dem Weg dorthin.

3.2 Italien Die autokratische Herrschaftsform der Signoria, die sich in den mittelund norditalienischen Stadtstaaten aus republikanischen Formen vom Trecento zum Cinquecento entwickelte und bis zu erblichen Dynastien fortbildete, hatte ihr militärisches Machtzentrum im Castello, ihre repräsentative Heimstatt im Palazzo. Politische Zersplitterung bei gleichzeitiger ökonomischer Prosperität und einem schier überbordenden Geistes- und Kulturleben veranlaßten die führenden Dynastien zur Ausgestaltung geographisch begrenzter Herrschafts- und interkultureller Lebensformen, die für das Zeitalter der Renaissance exemplarischen Charakter annahmen. Als Ausdruck der politischen Substanz dieser ita-

3. Europäische Einflüsse

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lienischen Machtsituation kann Machiavellis „II principe" mit seinen induzierenden Idealen gelten, als Manifestation der höfischen Zivilisation Castigliones „Cortegiano". Am italienischen Hof der Renaissance fand eine erste Union von Macht und Kultur statt; aus den mittelalterlichen Condottieri wurden „Renaissancefürsten". Die Gonzaga in Mantua, die Visconti und Sforza in Mailand, die Medici in Florenz, die Montefeltro in Urbino, die Este in Ferrara gelten dafür nicht weniger als Beispiel wie die Dogen von Venedig, die Päpste in Rom, die Kardinäle und päpstlichen Vikare auf kurialem Gebiet. JACOB BURCKHARDT bezeichnete den Hof der Este in Ferrara als „Kunstwerk", ähnlich dem des Staates, und als „hohe Schule der feinsten Geselligkeit" (Kultur der Renaissance). „Italy was a honeycomb of princely courts", urteilt die neuere Forschung (MARTINES). Um 1500 gab sich der italienische Hof ein neues Aussehen, wie auch das Selbstverständnis der Aristokratie gegenüber dem Bürgertum sich zu wandeln begann. Das europäische Ideal des Courtier nahm in dem Maße Gestalt an, in dem die Mystifizierung des Fürsten fortschritt und das auf den Herrscher gebündelte Licht auch auf die ihn Umgebenden abstrahlte. Die politische und gesellschaftliche Potenz des Fürsten provozierte ein Splendor ungeahnten Ausmaßes, der alle Bereiche des Lebens und der Künste erfaßte und Architektur, Literatur, Malerei und Bildhauerei zu ungeahnter Blüte trieb. Ein weiteres Signum des Renaissancehofes und der Signorie war auch die gegenüber der traditionellen Moral freier gelebte Sexualität. Man bezeichnete das 15. Jahrhundert in Italien als „Golden age of bastardy". Fürstliche Bastarde wurden zum Teil legitimiert, stiegen in hohe Kirchenämter auf, wurden in die Aristokratie integriert. Die „Lizenz der Li bertinage" war ein Monopol der Männer, für adlige Frauen galt der Grundsatz der Treue und der Unversehrtheit der Ehe, die notwendig waren, um die Dynastie zu sichern und politische und dynastische Allianzen durch Heiratsverbindungen nicht zu gefährden. Sein klerikaler Charakter, seine überhöhte Aura sowie das Fehlen von Frauen machten das Besondere des Papsthofes aus. Er war beherrscht von luxuriöser Weltlichkeit, aber auch von religiöser Idealität, von Nepotismus nicht weniger wie von kunstsinnigster Liberalität und wissenschaftsförderndem Mäzenatentum. Er war Zentrum des Kirchenstaates, aber ebenso Zentrum der Universalkirche und als solches nicht nur mit lokalen, sondern mit europäischen und im Laufe der Jahrhunderte auch mit außereuropäischen Problemen befaßt. Rom und die Römer waren mehr oder weniger direkt abhängig vom Papsthof, der

Union von Macht undKultur

ideal des Courtier

Papsthof

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auf die Urbs nachgerade magnetische Kraft ausübte, obwohl er sich der weltlichen Aristokratie weitgehend verschloß. Die Adels-Kardinäle kopierten in ihren Palästen die päpstliche Hofhaltung in Pomp und Prunk; ihre Hofhaltungen bestanden aus minimal 30, maximal 200 Personen. 3.3 Spanien

Spanisches Hofzeremoniell

Kaiser Karl V. führte 1548 das burgundische Hofzeremoniell in Spanien ein und initiierte damit eine Entwicklung, die, über das rein Zeremonielle weit hinausreichend, das Wesen des (früh-)neuzeitlichen Herrschers wie Herrschaft überhaupt neu bestimmte. Karl V. vertiefte das burgundische Zeremoniell in religiös-sakraler Hinsicht, nahm jenem aber nicht nur ideell, sondern auch optisch alle weltliche Leichtigkeit und diesseitige Freude. Die schwarze, strenge Hoftracht des 16. Jahrhunderts mit Kniehose, Wams und Hut bzw. Mantelkleid blieb im Alcazar oder Escorial auch noch im 17. Jahrhundert die Mode schlechthin, als sich an anderen Höfen bereits die französische Sitte durchzusetzen begann. Das nunmehrige spanische Hofzeremoniell, dessen Einführung m j t e i n e r Reorganisation und Ausweitung des Hofes einherging, war weit weniger prunkvolle Verherrlichung fürstlicher Herrschaft nach außen, als vielmehr Disziplinierung des Monarchen und seiner Familie nach innen. Tenor dieses Zeremoniells war eine Sakralisierung und Charismatisierung des Herrschers, der Caesarea maiestas, der „katholischen Majestät". Die Königsfamilie war kein äußerliches „Kultobjekt" - auch wenn im Escorial byzantinische Elemente, so etwa der Handkuß, stilisiert wurden, sondern Gegenstand transpersonaler Verehrung. Diese Art der Etikette hatte etwas Düsteres, Gravitätisches an sich und führte zu einer bedingten Tabuisierung des Herrschers, den sie mit der Aura des Übermenschlich-Hochmütigen, des Weltentrückten, Gottnahen umgab. Eine „Entzauberung der Monarchie von Gottes Gnaden", wie sie später und andernorts zu beobachten ist, läßt sich in Spanien keineswegs feststellen. Hier war aus dem mittelalterlichen „Königsglauben" ein „Königsmythos" geworden. Allerdings war das eigentliche spanische Hofzeremoniell streng auf den „inner circle" des Hofes beschränkt; unterworfen in extensiver Form war ihm vor allem die Herrscherfamilie. König und Königin besaßen eigene Hofhaltungen. Man sah sich selten, schlief und speiste getrennt. Regent und Regentin waren „unberührbar". Der Madrider Königspalast wurde ihnen zum „prunkvollen Gefängnis", der Escorial zum prächtigen Kloster.

3. Europäische Einflüsse

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Dank der persönlichen Ambitionen Karls V., Philipps II. und Philipps III., bedingt aber auch durch den ständigen Machtzuwachs Spaniens, erfuhr der spanische Königshof des 16. und 17. Jahrhunderts eine enorme Vergrößerung. Während der kastilische Hofstaat noch kaum differenziert gewesen war, erbrachte die Einführung der „Casa de Borgona" eine weitgehende Kopie der burgundischen Ämterhierarchie. Die soziale Rangordnung war in Spanien - im Unterschied zu Burgund - freilich nicht durch den Hofstaat bedingt, da hier, abgesehen von den Ordensrittern und wenigen Granden, vornehmlich jüngere Mitglieder von Adelsfamilien sowie der niedere Adel den Königsdienst suchten.

3.4 Frankreich Während der englische Hof auf dem Kontinent kaum Einfluß gewann, wurde der französische Hof seit dem späten 17. Jahrhundert europa- Dominanz des franweit zum beherrschenden Vorbild [99: DICKENS; 103: ELIAS], Er hatte z ö s i s c h e n H o f e s sich, wenn auch nicht so prächtig wie der burgundische, im späten 15. Jahrhundert zur zentralen politischen Institution des Landes entwikkelt, an die sich der verarmte Adel begab. 1522 umfaßte der königliche französische Hof, der zu dieser Zeit noch immer an verschiedenen Orten verweilte, annähernd 550 Personen. Das Itinerar von König und Hof brachte es mit sich, daß die Landesverwaltung direkt erfolgte und daß zu den einzelnen Provinzen und Städten des Landes enger Kontakt bestand. Die Ortsveränderungen beruhten allerdings bald nicht mehr auf feudalen Notwendigkeiten, sondern dienten der Konstituierung des Nationalstaates. Der französische Hof war aufgrund politischer und kultureller Beziehungen seit dem 16. Jahrhundert einer folgenreichen „Italienisierung" ausgesetzt. In unmittelbarer Umgebung des Königs bildete sich eine italienische Fraktion, Heiratsverbindungen intensivierten die Kontakte. Kultur und Lebensstil bis hin zu Eßgewohnheiten, Tafelsitten und Konversationsgebräuchen wurden zunehmend italienisch stilisiert; die gesellschaftliche Integration der Frau bei Hofe schrieb man ganz italienischen Einflüssen zu. In der Baukunst der königlichen Schlösser - zu sehen beispielhaft in Blois und Chambord - löste die aus Italien importierte Renaissance einen wahren Kulturschock aus und nahm der ehemals so beliebten Wehrhaftigkeit alles Monströse. Zentrum der Bautätigkeit wurde ab 1528 Paris, wo Um- und Zubauten am Louvre diesen zu einem der Hauptschlösser werden ließen. Obwohl auch Elemente

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Hof von Versailles

I. Enzyklopädischer Überblick

der spanischen Architektur rezipiert wurden („Schloß von Madrid", Fontainebleau), blieben die ästhetischen Vorgaben aus Italien prägend. Das ausgeprägte Interesse für neuere „avantgardistische" Strömungen, das der französische Hof im 16. Jahrhundert in bezug auf die Kunst an den Tag legte, setzte sich im 17. Jahrhundert in ungeminderter Form fort. Noch hatte der französische Hof verschiedene Residenzen: In Paris residierte er im Palais Royal, im Louvre oder in den Tuilerien, auf dem Land in Saint Germain und Fontainebleau; frequentierte Jagdschlösser waren Vancennes und Chambord. Die Enge und Hektik von Paris, die keine freie Schloßarchitektur erlaubten, veranlaßten Ludwig XIV. (1643-1715), ein neues Schloß in Versailles zu errichten, wo sich bis dahin lediglich ein Jagdschloß seines Vaters befand. Paris blieb weiterhin Hauptstadt; die Minister hatten ihre hötels. Mit Versailles begann eine neue Ära des französischen Königtums, deren Einfluß auf die übrigen Herrscherhäuser des Kontinents und nicht nur diese, sondern weit hinab bis auf die Ebene der Duodezfürsten - geradezu stupende Ausmaße annahm. Ludwig XIV. war schon bei Regierungsantritt eine in Regierung und Hofleben trainierte, in Etikette und höfischem Umgang versierte Persönlichkeit. Dennoch perfektionierte er beide Bereiche in bisher nicht gewohntem Ausmaß. Seine 1660 geschlossene Ehe und die Geburt eines Dauphins garantierten den Fortbestand der Dynastie, die der Umgang mit Mätressen und mehrere illegitime Kinder nicht zu gefährden vermochten. Im übrigen blieb der französische Hof nach außen streng katholisch. Etwa 20000 bis 25000 Menschen lebten und arbeiteten im Umkreis von Versailles, die eigentliche Hofhaltung umfaßte an die 10000 Personen. Die obersten Hof- und Staatsämter waren zumeist getrennt: An der Spitze der Regierung stand der Kanzler, gefolgt von Ministern (aus dem Juristenadel), Sekretären und Räten, die ebensowenig als „Höflinge" galten wie die hohen Militärs. Die obersten Hofämter, die kaum mit politischen Funktionen verbunden waren, blieben aus Prestigegründen gewöhnlich dem Hochadel vorbehalten. Das gesamte „Hofsystem" war in 22 Departements untergliedert, in denen ihrerseits strenge Präzedenz und Titelhierarchie herrschten. Das „normale Volk" sah den Sonnenkönig selten. Zwischen 1670 und 1715 besuchte er Paris ganze 24 Mal. Audienzen in Versailles mußten teuer erkauft werden. In seiner Wirkung prägend für die großen Höfe der Nachbarstaaten wurde Versailles nicht nur hinsichtlich seiner Architektur, seines Kunstsinnes, seiner Etikette und bühnenreifen Alltagsbewältigung, sondern vor allem durch die mit Ludwig XIV. verbundene Herrschafts-

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

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technik. Der Prozeß der Domestizierung des Adels, wie er auch andernorts ablief, erhielt dort eine eigene Qualität. Den Adel, der durchaus in den Provinzen noch Besitzungen unterhielt, zog es meistenteils zu Hofe, um von den dort vergebenen Diäten und Provisionen zu profitieren, um bei den fêtes präsent zu sein und Licht vom Lichte des Sonnenkönigs auf sich und die eigene Familie zu lenken. Der höfische Absolutismus, wie ihn im 18. Jahrhundert gerade auch auf gesellschaftlichem Gebiet ganz Europa zu kopieren trachtete, hat nirgendwo ähnlich perfekt funktioniert wie in Frankreich.

4. Hofstruktur und Behördenorganisation 4.1

Generelles

Der Prozeß der Machtverlagerung und Machtkonzentration im Staat der Frühen Neuzeit, definiert als Übergang vom dualistischen Ständestaat zur absolutistischen Regierungsform, führte in nahezu sämtlichen europäischen Ländern zu einer enormen Bedeutungssteigerung der Höfe. Im Deutschen Reich wie auch in seinen geistlichen und weltlichen Territorien wurden - bedingt im wesentlichen durch die „Souveränitätserhebung" der Landesherren 1648 - die kaiserlich-königlichen Konsolidierung der oder fürstlichen Residenzen ausschließliche Zentren der Politik. Die Konzentration der Macht bewirkte, daß sämtliche höheren Regierungsgremien und Verwaltungsorgane auf den Hof ausgerichtet oder mit diesem verknüpft waren, wobei sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte eine Trennung der Bereiche Hof und Bürokratie abzuzeichnen begann. Am Hof oder in seinem unmittelbaren Umfeld wurden - vor allem nach der Konsolidierung der Herrschaften nach dem Westfälischen Frieden alle bedeutenden politischen, ökonomischen und militärischen Weichen gestellt. Die frühneuzeitlichen Höfe besaßen - wie die mittelalterlichen nach wie vor „aristokratische" und „feudale" Qualität, sie waren nun aber weitgehend stationäre Zentren der Landesherrschaft. Hof und Residenz bildeten soziale Gravitationszentren, die die nähere „Umwelt" stärker strukturierten als das weite Land.Untereinander bildeten die deutschen Höfe eine Art „Hofsystem", eine Rangfolge von Höfen, unterschieden nach politischer Macht und ökonomischen Möglichkeiten, die aufeinander bezogen waren oder als konkurrierende Institute wirkten. Nicht zuletzt spielten sich an den Höfen Modernisierungsprozesse unterschiedlicher Intensität ab, die beispielsweise der Umformung per-

Herrschaft nach 1648

„Hof-System"

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Re-Feudalisierung

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sönlicher Herrscher- und Hofdienste in „Staats- und Verwaltungsdienste" Vorschub leisteten. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an, als der Absolutismus sich voll auszuwirken begann, konstatiert die Forschung eine „Refeudalisierung" der deutschen Höfe. Der Hof des Barockzeitalters gilt als Ort, wo Fürsten und Adel eine neue Verbindung eingingen. Die HofFähigkeit des deutschen Adels wurde seit etwa 1680 durch Rangordnungen geregelt. Der Fürst regierte grundsätzlich mit Hilfe des Adels; der geburtsständische Adel wurde vom fürstlichen Staat absorbiert und zum Dienstadel sowie zum Berufsbeamtentum „funktionalisiert". Erst von der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, dem Beginn der großen Spätphase europäischer Hofkultur, an gewann der Hof der deutschen Territorialstaaten größeres Eigengewicht, um schließlich um 1700 zu seiner vollen Bedeutung aufzusteigen. 4.2 Hofdienst und Staatsdienst

Idealtypisch gesehen bestand der frühneuzeitliche Hof aus zwei Personengruppen, die unterschiedliche Funktionen wahrnahmen, wenn auch Hofstaat - oftmals in Personalunion. Die eine Gruppe - der sog. „Hofstaat" - war Staatsorgane ^ ¿gj- persönlichen Betreuung des Fürsten und seiner Familie beauftragt, die zweite Gruppe agierte in den Staatsorganen, etwa dem Hofoder Geheimen Rat. Hofkanzlei und Hofgericht hatten zumeist landesweite Kompetenzen. Beide Funktionsbereiche waren im patrimonialen Staat der Frühen Neuzeit nicht prinzipiell voneinander geschieden. „Hofdienst" bedeutete weitgehend auch „Staatsdienst". Die Institution „Hof" war staatlicher Regierungssitz einerseits und fürstlicher Haushalt andererseits. Arbeit in der Zentralverwaltung blieb mit Fürstendienst gekoppelt, der Verwaltungsbeamte hatte den zusätzlichen Status eines persönlichen Dieners des Landesherrn. Hierarchische Die Struktur des Hofes war hierarchisch streng gegliedert; sie Struktur w u r ( j e ursprünglich dominiert von den vier traditionell höchsten Hofämtern, den quattuor officio principalia, den Ämtern des Marschalls, Kämmerers, Truchsesses und des Mundschenken, die sich am deutschen Königs- bzw. Kaiserhof des Hochmittelalters herausgebildet hatten [ 1 8 1 : PARAVICINI]. An diese „Ministerebene" konnte sich eine schier unendliche Zahl Bediensteter anschließen, angefangen vom Oberhofmeister bis hinunter zur Kammetjungfer. Im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert kam es zu Gewichtsund Aufgabenverlagerungen - von Hof zu Hof durchaus unterschiedlich - , die einige Ämter dominieren und andere an Bedeutung und Renommee verlieren ließen. Im Hochabsolutismus verfestigte sich die

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

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Struktur der hierarchischen Hofgesellschaft insofern, als die einzelnen Ämter durch Rangordnungen festgelegt waren. Dieses starre Schema der Positionierung von Amtsfunktionen und ihrer adligen oder bürgerlichen Träger entstammte im Prinzip der Tischordnung, wurde nunmehr aber auf die Beamtenhierarchie ausgedehnt. Dies macht deutlich, daß die Beamtenhierarchie aus der Hofstaatsordnung hervorgegangen ist. Die systemimmanente Koppelung von Hof- und Staatsämtern, wie sie bis weit ins 18. Jahrhundert hinein üblich war, läßt eine klare Unterscheidung der Hof- und Staatsverwaltung weder personell noch funktionell zu. Erst im Zeitalter des Hochabsolutismus löste eine stärkere Trennung der Aufgabenbereiche die bisherige Personalunion von „Hofchargen" und „Staatsbeamten" auf. Um einiges früher als zur Festschreibung der Ämterkompetenzen kam es zur Definition der Gesamtorganisation der Hofverwaltung, auch wenn diese sich von Hof zu Hof, verschiedentlich auch von Regent zu Regent, durchaus unterschiedlich gestalten mochte. Eine sinnfällige Fixierung erhielt die Organisation des Hofstaates in den im 18. Jahrhundert publizierten Hof- und Staatskalendern, die die hochdifferenzierte Aufgabenteilung und Hierarchie der Landesverwaltung in einer „Hofpyramide" exemplarisch dokumentierten. 4.3 Hofämter und Hofpersonal Herrschernähe war Gradmesser höfischer Personalstruktur. Alle Amtsträger und Bediensteten waren dem Fürsten in einem persönlichen Dienstverhältnis verpflichtet. Hierarchische Rangkriterien schufen verschiedene Dienstebenen in der Hofverwaltung (Klientelsystem). Amtsfunktionen und Benennungen variierten an den deutschen Höfen stark, doch lassen sich einige Schlüsselpositionen verallgemeinernd so beschreiben: Im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit entwickelte sich aus dem vormaligen Führer des reisigen Gefolges die höfische Hauptcharge, der Marschall, der die Gesamtleitung des Hofstaates vom ehedem dominierenden „Hofmeister" übernahm. Der Marschall war der Chef der Hofverwaltung, dem Hofmeister in neuer Funktion wuchsen elementarere Aufgaben in der Betreuung der Regentin oder der Kinder zu. Ein Schloßhauptmann konnte das Marschallamt entlasten. Die Amtsgewalt des Marschalls erstreckte sich im wesentlichen auf drei Bereiche: die Ökonomie, das Zeremoniell und das Iudicium curiae. Dem Hofmarschallamt waren untergeordnet die Hofkammer, KU-

Marschallamt

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Hofkämmerer

Hofküche

I. Enzyklopädischer Überblick

che, Keller, Hofmusik, Hofklerus, ferner Kammerherren, Kavaliere, Leibärzte und Hofgesinde. Zu seinen Aufgabenbereichen zählte ferner die Instandhaltung der Gebäude, die Führung der Inventare sowie die gesamte Hofbedienung im Stammschloß wie auch auf Reisen. Wie das Amt des Hofmeisters so marginalisierte sich auch das Amt des Mundschenken zu Beginn der Frühen Neuzeit und wurde nicht selten zu einer Sinekure bzw. einem Ehrenamt. Gleichfalls zu einem Ehrenamt degenerierte das Truchsessenamt, wohingegen das traditionsreiche Amt des Kämmerers eine wichtige Bedeutung erfuhr. Sein Aufgabenbereich umschloß die fürstliche Finanzkammer nicht weniger als die fürstlichen Güter und Domänen. Der Charge des Hofkämmerers unterstanden die prinzipiell adligen Kämmerer, die in einem gewissen Turnus diese Ehrenfunktionen wahrnahmen. Den Kammerherren folgten in der Hofhierarchie die Hofkavaliere und Hofjunker, die ebenfalls im zeremoniellen Bereich tätig waren. Zum fürstlichen Gefolge gehörte traditionell - und über das 16. Jahrhundert hinaus - eine Anzahl „reisiger Edelleute", die Teil des Landesadels waren und dem fürstlichen Hoflager oder Haushalt in zeitlich begrenztem Rahmen angehörten. Lebte diese Adelsgruppe am mittelalterlichen Hof möglicherweise im homogenen Verband ohne funktionale Differenzierung, so bildete sich in der Frühen Neuzeit eine kategoriale Ordnung heraus, die einen Aufstieg vom „Kammerjungen" (= Pagen) zum „Hofjunker", weiter über den „Kammeijunker" zum „Kammerherm" vorsah. Pagen bzw. Edelknaben wurden am Hof zu leichteren Diensten herangezogen und als Gegenleistung dazu ausgebildet und erzogen. Zu den wenigen Hofämtern, die im wesentlichen Bürgerlichen vorbehalten blieben, zählte dasjenige des Hofküchenmeisters, weil es zu den Adelsprinzipien gehörte, sich nicht mit dem „Wirtschaften" abzugeben. Dabei war das Küchenamt das wichtigste der Hofversorgung. An seiner Spitze waltete der Hofküchenmeister, dem der Küchenschreiber unterstellt war, der die täglichen Wareneingänge und -ausgaben in ein Manual eintrug und die Rechnungsführung innehatte. Was neben den am Hof vorrätigen Nahrungsmitteln auf dem Markt besorgt werden mußte, wurde vom Küchenmeister, der dazu einen eigenen Etat besaß, finanziert. Mit einem Stab an Mund-, Leib-, Kavaliersköchen, an Bei- und Unterköchen für die verschiedenen Tafeln wurde allmorgendlich der Speiseplan besprochen. Für exklusive Speisen standen unter Umständen Spezialisten wie Hofzuckerbäcker, Konfektmeister, Konditoren oder Pastetenköche zur Verfügung. Weitere Spezialdienste erledigten etwa ein Brat- und Backmeister, ein Hofmetzger, Zehrgeber oder

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Geflügelwart; das niedere Küchenpersonal stellten Küchenjungen, Küchenweiber, Mägde und Knechte. Das höfische Küchenwesen war bis ins Detail reglementiert; die akribische Besorgung rührte nicht nur aus der Tragweite und Problematik der täglichen umfänglichen Hofversorgung, die ein durchaus logistisches Verfahren benötigte, sondern auch aus dem Verlangen nach luxuriöser und genußreicher Tafel. Große Bankette und Festessen benötigten adäquate Speisen, Gewürze und Getränke. Neben den normalen Viktualien galt es dann, Delikatessen an Wild, Meeresfrüchten, Fisch und Früchten, auch an „modernen" Genußmitteln wie Tee, Kaffee und Schokolade beizuschaffen. In engem Konnex zur Hofküche und gegebenenfalls zur Hofbäkkerei stand das Hofkelleramt, das sich aus dem traditionsreichen Mundschenkenamt ableitete und dessen Leitung der Oberschenk, Hofschenk bzw. Weinmeister (Kellermeister) innehatte. Neben dem Ressortvorstand waltete(n) ein (oder mehrere) Kellerschreiber, ferner war diverses Personal (Kellerknechte) angestellt. Die zentrale Obsorge galt der Beschaffung und Lagerung des Weines und der entsprechenden Versorgung der diversen höfischen Tafeln. Das von einem Hof- bzw. Kammerfurier geleitete Amt war Bindeglied zwischen den hohen Hofchargen und der Hofdienerschaft. Seine Aufgaben waren in der Hauptsache die Überwachung des Zeremoniells und der Hofordnung. Das Furieramt organisierte die Empfänge, die Staats- und Hoffeierlichkeiten wie auch die Reisen des Fürsten. Verantwortung trug diese Institution darüber hinaus für den Routinealltag am Hof, für das zeitgerechte Mahlzeiten und Essen, das protokollgemäße Sitzen bei Tisch, den Arbeitsablauf, die Ausgabe von Licht usf. Sie übte die Aufsicht über die Livreedienerschaft wie auch über das weibliche Hilfspersonal von der Leibwäscherin über die Hofwäscherin bis zur Bettmagd. Neben dem Bettzeug und der Tischwäsche zählten Geschirr und Tafelsilber zu den wertvollsten Teilen des höfischen Inventars. Silberund Zinngeräte und Bestecke, aber auch Nutzporzellan sowie ab und zu die Weißwäsche waren in der Silberkammer magaziniert. Die Chargen dieser Institution waren vielfältig und reichten vom (Ober-)Silberkämmerer über Silberknechte, Silberpolierer, Zinnwäscherinnen hinunter zum Kehrmenschen. Die Obliegenheiten des Oberjägermeisters umfaßten sämtliche Aspekte des Jagd- und Forstwesens von der Wild- und Waldhege, dem Holzschlag, der Köhlerei bis zur Haltung der Jagdhunde. Neben der Leitung und Beaufsichtigung des Personals, der Forstmeister, Jagdjun-

Hofkeller

Hoffurier

Hofsilberamt

Hofjäger

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Stallmeister

Hofgarde

Hof-Kirche

I. Enzyklopädischer Überblick

ker, Förster und Knechte hatte dieses landwirtschaftlich geprägte Amt die Funktion, die Einhaltung der Jagd- und Forstgerechtigkeiten zu überwachen, schließlich und vor allem das fürstliche Jagdvergnügen zu garantieren. Der Stallmeister stand dem Marstall vor und gehörte in der Hofhierarchie der oberen Kategorie an. Mit seinen Chargen, den Stallmeistern, Wagenmeistern, Bereitern, Schmieden, Wagnern, Sattlern, Knechten usf., trug er die Verantwortung für die Pferde, deren Ankauf, Fütterung und Zurichtung sowie für die Kutschen und Karossen. Die fürstlichen Pferde wie auch die „Staats-" und „Leibwagen" wurden getrennt gehalten von den gemeinen höfischen. Bei letzteren herrschte eine eigene Hierarchie, die durch die Anzahl der versorgten und zugestandenen Pferde, vom „Einrösser" bis etwa zum „Sechsrösser" der Kutschpferde, dokumentiert wurde. Die Futterversorgung (Rationen) wurde buchhalterisch überwacht, stellte aber wegen der meist enormen Zahl der Pferde immer wieder ein großes Problem dar. Ein eigenes „Hofkammerfutteramt" erledigte an einzelnen Höfen die Beschaffung von Heu, Hafer und Stroh. Neben der persönlichen Sicherheit des Regenten und seiner Familie und der Sicherung des Schlosses, die es zu gewährleisten galt, dienten die Garden - bestehend u. a. aus Leibwache, Feldgarde, Trabantenkorps und Husaren - auch dem höfischen Repräsentationsbedürfnis. Gekleidet in oft farbenprächtige Hofuniformen, stellten sie die Eskorten bei Besuchen und Empfängen. Der Hof bildete im Regelfall auch eine Art von „Kirchengemeinde". Diese konnte aus dem engeren Hofstaat bestehen, der seine Gottesdienste in der Hofkapelle oder in der Hofkirche abhielt, oder aber aus einem größeren, insgesamt dem Hofe nahestehenden Kreis, so daß die Hofkirche auch parochiale Stadtpfarrkirche sein mochte. An der Spitze des je nach Hofgröße unterschiedlich vielfältigen Klerus stand bzw. standen der bzw. die Oberhof- resp. Hof-Prediger. Jene hatten im katholischen wie im protestantischen Bereich das Direktorium über die religiös-kirchlichen Handlungen inne, ordneten und überwachten nicht nur prinzipiell die Moral am Hofe, sondern versahen auch die Gottesdienste und Predigten und führten an hohen Festtagen und bei wichtigen Anlässen die Administration der Sakramente. Einige von ihnen waren mehr oder minder persönliche Seelsorger bzw. Hausgeistliche des Landesherrn und brachten es zu großem Einfluß auf die Politik. Häufig gehörten die protestantischen Hofprediger auch dem Konsistorium an, wurden u.U. sogar Bischöfe; in katholischen Territorien war der Beichtvater oftmals Mitglied im Geistlichen Rat. An den größeren ka-

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

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tholischen Höfen war das Beichtvateramt nahezu ausschließlich Monopol der Societas Jesu. Gleichwohl konnten auch andere Orden den Dienst in der Hofkirche versehen; verschiedentlich war die Hofkirche zugleich Kloster- und Konventskirche (Theatiner in München; Augustiner/Kapuziner in Wien). Eine wichtige Funktion am Hofe nahm die Hofmusik ein (vgl. S. 45 ff.). Unter Leitung eines (Ober-)Kapell- oder Konzertmeisters gestalteten kleinere und größere Orchester, Sänger und Sängerinnen neben den Mahlzeiten und kleineren Kammermusiken vor allem auch die großen Festivitäten, so Opern und Festgottesdienste, bei Hofe. Unter den Hofmusikanten nahmen die Trompeter eine besondere Stellung ein, da diese bei so gut wie allen höfischen Anlässen - und sei es auch nur zum Tuschblasen - in Aktion traten. Neben den eigentlichen Musikanten, Instrumentalisten und Vokalisten fungierte auch technisches Personal, so Orgel- und Geigenmacher, Kopisten usf. Aus dem Metier der höfischen Vagantendichter des späten Mittelalters entwickelte sich vornehmlich in Frankreich und England das Amt des „Hofpoeten" oder „Hofdichters" (vgl. unten: Hofliteratur). In Deutschland war dieser Dichtertypus nur vereinzelt an wenigen Höfen (Berlin, Dresden) und nur zeitweise zu finden (Johann von Besser in Preußen etwa). Seit dem Humanismus ging die Poesie andere als höfische Wege. Seit dem späten 17. und dann im 18. Jahrhundert diente die BeZeichnung „Hofmeister" dem Erzieher oder Hauslehrer der Söhne höherer Adelshäuser. Absolventen der philosophischen oder theologischen Fakultäten übernahmen den Unterricht am Hof, zogen mit auf die Kavaliers- und Bildungsreisen und stiegen nicht selten zu höheren Ämtern auf. Berühmte Hofmeister waren u.a. Erasmus von Rotterdam (t 1536), Aventin (t 1534), Heresbach ( t 1576), Veit Ludwig von Sekkendorff ( t 1692), Winckelmann (t 1768), Wieland (f 1813), Herder (t 1803). Dem jüdischen Hoffaktorentum wird entscheidender Anteil am Entwicklungsprozeß hin zum modernen Staat zugeschrieben; es zählte zu den grundlegenden Bestandteilen des Frühkapitalismus und des rationalen Systems, wie es dem Absolutismus eigen war. Waren es im 16. Jahrhundert zumeist noch christliche Geldgeber, die den Fürstenstaat mit ökonomischen und finanziellen Ressourcen mitversorgten, so traten in den folgenden Jahrhunderten jüdische Finanziers an deren Stelle. Die Geschichte der deutschen Hoffinanz verläuft sozusagen von der Dynastie der Fugger zur Familie der Rothschild. „Im 17. und 18. Jahrhundert sind Hoffaktor und Hofjude identisch" [150: S C H N E E ] .

Hofmusik

Hofpoeten

Hofmeister

Hoffaktoren

Hof-Finanz

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Hof-Juden

I. Enzyklopädischer Überblick

Die volkstümliche Bezeichnung „Hofjude" war keineswegs despektierlich gemeint, die Oppenheimer und Wertheimer waren vielmehr stolz, als kaiserlicher Hofjud bezeichnet zu werden. Das Beziehungsgeflecht Fürst - Hofjude war mehrdimensional, beruhte aber vor allem auf dem „immediaten", dem persönlichen Kontakt. Die Tätigkeit des Hoffinanziers und Bankiers war aber stets auf die gesamte Hofgesellschaft hin orientiert. Dieser Kontakt zur Residenz gab den Hofjuden eine Sonderstellung innerhalb des Judentums, die von den mosaischen Glaubensgenossen nicht immer kritiklos hingenommen wurde. Einwände erhoben vielfach auch die Landstände, deren Steuerbewilligungsrecht durch die jüdische Finanzierung unterlaufen wurde. Der Reichtum der Hoffaktoren beruhte vornehmlich auf Gewinnen, die sie als Heereslieferanten - so etwa im Dreißigjährigen Krieg erzielten, aber auch auf gewinnträchtigem Hausierhandel. Juden besaßen Monopole im Silberhandel. Als Heeres- und Kriegslieferanten wirkten sie bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts; kein Krieg zwischen 1618 und 1815 im Reich ist ohne jüdische Heereslieferanten geführt worden. Die Positionen der Hofjuden entsprachen in etwa denen des Hofmünzers, des Hofjuweliers, auch des Hoflieferanten. Keine große Residenz konnte im 18. Jahrhundert auf sie verzichten, wenn es galt, Luxusgüter zu finanzieren oder zu requirieren. Fürstliche Subsidienpolitik wie die Zahlung von Pensionen und Bestechungsgeldern war ohne die Mithilfe jüdischer Finanziers praktisch nicht realisierbar. Auch als politische Agenten und Konsuln eröffneten sich Juden Betätigungsfelder in der Diplomatie, einige stiegen als Intendanten, Kommissäre und Kriegsräte in die Beamtenhierarchie ein, andere wirkten als Leibärzte. Mit der Ausnahme von Joseph Süß Oppenheimer (Jud Süß, t 1738), der ambitioniert in die Landespolitik Württembergs eingriff, waren die politischen Betätigungen jedoch eher marginal. Die Fürsten begünstigten die Hoffaktoren durch Privilegien und Nobilitierungen. Sie wurden so zur führenden Schicht des Judentums und definierten sich selbst als Aristokraten. Neben der Führung höfischer Titel (Hoffaktor, Hofjuwelier, Hofjude, Unser Jude, Hofrat usf.) und entsprechender Besoldung bedeuteten die Befreiung vom „Judentribut", die Exemtion vom Rabbinergericht und die Unterstellung unter die Hofgerichtsbarkeit, die Möglichkeit des Grunderwerbes und die Befreiung von der Kleiderordnung begehrte Vorzüge. Das jüdische Hoffaktorentum hatte fast beamtenrechtlichen Status, in manchen Hofkalendern wird es ausdrücklich aufgeführt. Einige dieser „Finanzdynastien" (Oppenheim, Wertheim, Seligmann, Hirsch etc.) stiegen durch

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

25

Zinseinnahmen und Provisionen zu immensem Reichtum auf. Nicht wenige von ihnen spielten im allgemeinen Prozeß der jüdischen Emanzipation eine Vorreiterrolle. Andererseits widerstand das Hoffaktorentum dem allseitigen Assimilierungsprozeß kaum. Privilegierte „Lustigmacher" kannte schon die Antike. Im Mittel- Hofnarren alter gehörte der Hofnarr zum obligatorischen Personal der Königshöfe (fou du roi, the king's fool). Die Hoch-Zeit der Hofnarren war das Spätmittelalter, doch findet sich ihr Stand bis in die Aufklärungszeit, ehe die französische Etikette diesem Institut ein Ende bereitete. Höfische Possenreißer in Narrenkleidung gelangten zu großer Popularität, so etwa Kunz von der Rosen, der Narr Kaiser Maximilians I., Klaus von Ranstatt, der Narrendichter Kurfürst Friedrichs des Weisen, oder der witzige Zwerg Kurfürst Karl Philipps von der Pfalz, „Perkeo". Zur Hofnarrentracht gehörten Narrenkappe (mit Eselsohren oder Narrenkamm), Hofnarrenszepter (Rohrkolben, Keule), übergroße Halskragen und zuweilen Schellen. Oftmals mimten Krüppel oder Zwergwüchsige diese Profession aus, sprachen aus der Maske der Torheit, entwarfen Zerrbilder und gössen beißenden Spott, Satire und Witz im Schutz der „Narrenfreiheit" über die Hofgesellschaft. Den Untergang des Hofnarrenstandes erklären zwei Dinge: zum einen die Vernunftorientiertheit der Aufklärung, die Narrenpossen diskreditierte, zum anderen die immer stärker werdende Stellung der fürstlichen Mätressen, die zum Todfeind des Hofnarren avancierten. Außereheliche Favoritinnen der Fürsten hat es zu allen Zeiten ge- Mätressen geben. Mußten im 16. Jahrhundert diese illegitimen Liaisons aus moralischen Gründen verheimlicht und ambivalente Rechtspositionen beibehalten werden, so änderte sich dies im späten 17. und dann im 18. Jahrhundert prinzipiell. Die intime Beziehung zur Mätresse wurde durch die liberale Moral der Zeit und das Genußideal der „galanten Zeit" enttabuisiert. Nach französischem Vorbild wurde der Fürst vom traditionellen Sittenkodex dispensiert, die Mätresse als Konkurrentin der Fürstin in die Hofhierarchie integriert. Als regelrechte „Staatsfigur" war ihre Position nahezu ein „Hofamt".

4.5 Hofgremien und

Landesverwaltung

Bereits im Spätmittelalter entwickelten sich an den deutschen Fürstenhöfen - nach dem Vorbild des Kaiserhofes - Formen bzw. Vörformen von kollegial geführten Gremien. Obwohl - wie erwähnt - sich staatliche und fürstlich-private Verwaltungssphäre bis ins 18. Jahrhundert hinein kaum auseinanderhalten ließen, reduzierte sich im Laufe der

Entflechtung von Hofstaat und Administration

26

Etabiierung von Speziaibehörden

Hofrat

Zentralorgan der Rechtspflege

I. E n z y k l o p ä d i s c h e r Überblick

Zeit in steigendem Maße die Verklammerung von Hofwesen und Landesverwaltung auf die personelle Zugehörigkeit der höchsten Landesbeamten zum Hofe. Allerdings erhielt und behielt der Hof vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nicht nur seine Bedeutung als Zentrum der Landesverwaltung, als Spitze der Verwaltungshierarchie, sondern auch als Symbol staatlicher Macht. Aus dem Hof bildeten sich seit dem 16. Jahrhundert Spezialbehörden mit besonderen Kompetenzen heraus. Die praktischen Bedürfn j s s e des absolutistischen Wohlfahrtsstaates erzwangen Fachgremien, die in alle Lebensbereiche intervenierten und dem Prinzip der bürokratischen Kompetenzerweiterung unterworfen waren. Dem alten Typus des Hofrates, der vor allem zur Entlastung des Regenten gedient hatte und ein vorwiegend aufgrund personaler Kriterien sich rekrutierendes und agierendes Kollegialorgan gewesen war, erwuchs ein nach Sachfeldern strukturiertes Behördensystem, dem schließlich Hofrat, Hofgericht, Hofkammer und Konsistorium/Geistlicher Rat zugehörten. Expansion und Professionalisierung der Verwaltung veränderten gleichzeitig auch das Bild des Herrschers und mit ihm die Staatsaufgabe: Nicht mehr der patriarchalische Richter war ideologisches Fundament, sondern der omnipräsente Landesherr. Der Regent präsentierte sich als „Herrscher" oder „Feldherr", nicht mehr wie noch in der Renaissance als „Richter". Wie erwähnt, war das älteste höfische Kollegialorgan der Hofrat. Vereinzelt schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts, vor allem dann im frühen und mittleren 16. Jahrhundert entstanden, hatten die Hofratsgremien vor allem Jurisdiktions- und Administrationsaufgaben. Sie unterstützten den Landesherrn primär in seiner Funktion als oberster Richter, sekundär als politische Instanz. An den Sitzungen dieses Gremiums nahm der Landesherr zunächst mehr oder weniger regelmäßig teil, in den größeren Territorien späterhin kaum noch, in anderen nur in Konfliktfällen. Eine Differenzierung einzelner Sach- und Kompetenzbereiche, etwa von reinen ordnungspolitischen Verwaltungsakten und eigentlichen Rechtsbelangen, spielte im 16. Jahrhundert kaum eine Rolle. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts verlor sich die ursprüngliche Doppelkompetenz der Hofratskollegien; der Hofrat wurde zum zentralen Organ der Rechtspflege, seine Ratsordnungen verdeutlichen seine Justizfunktion. Den Aufgabenbereich der zentralen Administration und Landespolitik übernahm in einigen Fällen die Kammerbehörde, im Regelfall der „Geheime Rat". Das Kollegialgremium der „Hofräte" handelte in Stellvertretung des Landesherrn, erhielt aus dessen Status seine Kompetenzen und

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

27

blieb als dessen Instrument typisches Organ des patriarchal geführten Obrigkeitsstaates. Aufgaben und Arbeitsweise der „Hof"- oder „Ober"-Räte wurden in Ratsordnungen festgeschrieben, dort auch modifiziert und modernisiert. Eine Kompetenzverteilung innerhalb des Hofrates, der zumeist zur Hälfte mit bürgerlichen und promovierten Räten und zur anderen Hälfte mit Adligen besetzt war (vom 17. Jahrhundert an vermehrt mit adligen Akademikern), zeichnete sich nur selten ab; man beriet im Prinzip alle Angelegenheiten gemeinsam, kollegial. Dies schloß nicht aus, daß wachsende Routine und fortschreitende Verfestigung der Normen den Tätigkeitsverlauf beschleunigten und die Eigenkompetenz stärkten, wenn auch die letzte Instanz stets der Landesherr blieb. Soweit der Regent in den größeren Territorien nicht mehr am Hofrat teilnahm („Flucht vor dem Rat/Regieren"), ließ er sich zum Teil in Audienzen berichten oder in Konfliktfällen supplizieren. Die Ratssitzungen, zumeist im Schloß, fanden häufig jede Woche statt; den Vorsitz führte der Hofmeister, der Kanzler oder ein besonderer Ratspräsident. Die Zahl der Hof- bzw. Oberräte ist nur selten verbindlich festgesetzt, ein Quorum nicht gegeben. Sekretäre und Schreiber protokollierten die Sitzungen. Der „Geheime Rat" als spezielles Gremium zur politischen Beratung des Landesherrn war ein typisches Produkt absolutistischer Herrschaft. Zwar war es auch im Mittelalter üblich, sich einzelner „persönlicher Räte" zu bedienen, doch kam es erst im 16. Jahrhundert in einigen Territorien zur Schaffung eines eigenen Kollegialorgans, das neben dem Hofrat agierte und unter dem realen oder theoretischen Vorsitz des Fürsten über die wichtigsten Staatsangelegenheiten beriet. Der Geheime Rat spiegelt das Streben der deutschen Fürsten nach Souveränität wider, er wurde zum Verhandlungsort höchster Staatsgeschäfte. Er diente dem Fürsten auch als Gegengewicht gegen die Stände (Landtage, Domkapitel), die dieses Organ nur selten beeinflussen konnten. In personeller Hinsicht bestand der Geheime Rat aus einem kleinen Kreis Adliger und gelehrter Doktoren. Man traf sich bei Hofe, eine Organisationsform ist in den seltensten Fällen überliefert. Da das Kollegium relativ rasch und situationsgebunden agierte, tagte es regelmäßig, aber seltener als der Hofrat. Es stand in der Kollegienhierarchie an der obersten Stelle. Die gelegentlich starke personelle Aufstockung des Geheimen Rates im 17. Jahrhundert aufgrund komplexer werdender Aufgaben und zunehmender Formalitäten führte zu einer Inflexibilität, die einen neuen engeren Beraterkreis zu intensiverer Politikpflege geradezu pro-

Kompetenzen und Arbeitsabläufe

Der Geheime Rat

28 Kabinett und

vozierte, nämlich das „Kabinett" oder die „Konferenz" (Kursachsen Österreich 1709; Württemberg 1724; Bayern 1726). Diese Gremien dienten nun nicht mehr vorrangig der Konfliktbewältigung, sondern gerierten sich als praktizierende Regierungsorgane. Vollends die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mode kommenden neuen Behördenformen, wie der „Staatsrat" (Österreich 1761; Preußen 1781), trugen das Signum der Professionalität und Konstanz, das den politischen Problemen des aufgeklärten Machtstaates in angemessener Weise Rechnung trug. Nach dem Vorbild der kombinierten Reichs- und österreichischen Hofkanzlei, die 1526 ihren Geschäftsbereich neu ordnete und wichtige Instruktionen empfing, die sie zur zentralen Regierungsbehörde werden ließen, entwickelten sich auch die entsprechenden (Hof-)Kanzleien der deutschen Territorien aus fürstlich-landesherrlichen Instituten zu staatlichen Regierungs- und Verwaltungszentren mit hoher Kompetenz. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts entwuchsen den Hofkanzleien eigene arbeitsteilige Hofrats- und Hofkammerkanzleien, die - im Behördendifferenzierungsprozeß von Territorium zu Territorium unterschiedlich durch Instruktionen geordnet und - falls gegeben - von den Ständen und durch Visitationen kontrolliert wurden. In personeller Hinsicht beliefen sich die Größenordnungen der Kanzleien, die sich in den jeweiligen Residenzen oder in deren Nähe befanden, im 16. Jahrhundert auf wenige Sekretäre, Schreiber und Registratoren, sie wuchsen aber im 17. und 18. Jahrhundert zu Behörden mit beachtlichen Personalkontingenten an Kanzlisten, Sekretären, Protokollanten, Schreibern und Archivaren an. In Mittelstaaten waren in den Kanzleien zwischen 10 und 20 Personen beschäftigt. Wie für die Hofkanzleien des Reiches, so war auch für die Hofkammern die - seit 1498 bestehende - österreichische Vorbild. Ihrer Aufgabe gemäß hatte sie die Landeseinkünfte einzuheben, den Staatshaushalt zu leiten, die Hoffinanzierung zu garantieren, die Domänenverwaltung und die Heeresbesoldung zu gewährleisten sowie die Landes- und Rentkammern zu kontrollieren. In den Territorien entstanden bald ähnlich geartete, kollegial geführte Institutionen, die einerseits Finanzbehörden waren, die sich aus der allgemeinen Verwaltung oder dem Hofrat herauskristallisiert hatten, andererseits aber Verwaltungsund Justizbehörden. Die jeweiligen Hofkammern wirkten nicht nur im eher geringen Bereich der landesherrlichen „Eigenwirtschaft" (Domänen, Hausgut, Regalien), sondern hatten in großem Umfang staatliche Funktionen und Aufgaben wie etwa Steuern, Zölle und Renten einzuheben und wirtschaftspolitische Kontrollfunktionen auszuüben (später:

Konferenz l 7 0 6 ,

Hofkanzlei

Hofkammer

I. Enzyklopädischer Überblick

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

29

Kommerzienräte). Ihr Einfluß im Wirtschafts- und Etatbereich stieg in dem Maße, in dem es den absolutistischen Fürsten gelang, das ständische Steuerbewilligungsrecht einzuschränken oder zu liquidieren. Die der Landeshoheit und Landesherrschaft wesensmäßig zugehörige oberste Rechtshoheit pflegten Fürsten im 15. und 16. Jahrhundert verschiedentlich an eigene, kollegial geführte Ratsgremien zu delegieren, die sich in der Mehrzahl „Hofgerichte", verschiedentlich auch „Kammergerichte" titulierten. Als „Obergerichte", die sich allein aus der suprema potestas der Landesherren legitimierten, und als oberste „Territorialgerichte" (1346: Privilegium de non appellando et non evocando für die Kurfürstentümer) waren sie mit akademisch gebildeten Juristen, zum Teil Universitätsprofessoren, besetzt. Sie wurden durch detaillierte Ordnungen in ihren Tätigkeiten normiert. Aufgrund der kriegstechnischen Modernisierungen und militärisehen Vorgaben wandelte sich die Struktur der territorialen Landesdefension im Laufe der Jahrhunderte beachtlich: Aus den vormaligen gemeinen Aufgeboten und Söldnerheeren entwickelten sich neue Organisationsformen der Heere sowie stehende Armeen. Diese neuen Formen der Landesverteidigung erforderten entsprechende Institutionen der Militärverwaltung, die als sog. „Hofkriegsräte" vom späten 16. Jahrhundert an in den Residenzen ins Leben gerufen wurden. Als oberste militärische Zentralbehörden waren sie sowohl Verwaltungsspitze wie oberster Landesstab als auch „Militärkabinett" des Regenten. Im Kontext von Reformation und Gegenreformation entstanden aus den Hoforganen durch Spezialisierung oder durch Neueinrichtung kollegiale Gremien, die das Kirchen- sowie das Schulwesen zu verwalten und zu kontrollieren hatten. Die protestantischen „Kirchenräte" bzw. „Konsistorien" - erstmals 1539 in Wittenberg für Kursachsen etabliert - bildeten sich nicht nur als Aufsichtsbehörden aus, sondern übernahmen auch die kirchliche Jurisdiktion. Im protestantischen Reichsteil entwickelten sich die Konsistorialbehörden aus Hofgremien; sie waren personell vornehmlich durch Juristen und Theologen besetzt. In Analogie dazu entstanden in den katholischen Territorien und Hochstiften „Geistliche Räte" (in Bayern etwa 1570); ihre Kompetenzen blieben aufgrund der Bistumsstrukturen allerdings in ihrem Aktionsradius geringer bemessen.

Hofgericht

Hofkriegsrat

Geistlicher Rat Konsistor um

i

4.6 Größe und Etat der Höfe Im Zeitraum der Frühen Neuzeit stellt die stetige personelle Erweiterung der Höfe eine feste Größe dar. Gewiß konnten einzelne Herrscher-

Größe der Höfe

30

Entwicklung des Personals

I. Enzyklopädischer Überblick

persönlichkeiten aus Gründen der Sparsamkeit oder aus persönlichen Interessen heraus kurzfristig gegenläufige Maßnahmen ergreifen, etwa den Hof umstrukturieren, die Etatausgaben verringern oder festschreiben, doch wird man nicht fehlgehen in der Annahme, daß sich das Hofpersonal von 1500 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verdreifacht bis verfünffacht hat. Die allgemeine Zunahme war eine Folge diverser Ausweitungen in Einzelbereichen, so etwa der Vergrößerung der fürstlichen Haushaltung, der Aufstockung des Dienstpersonals, aber auch der Gruppe der Musikanten und Theaterleute. Ebenso machte sich die Ausdifferenzierung des Regierungsapparates sowie die verstärkte Beiziehung von Militär (Hofgarnison) und Garderegimentern bemerkbar. Je nach Hofgröße hat man sich die Entwicklung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert etwa folgendermaßen zu denken:

Grafenhof Mittlerer Fürstenhof Fürsten-/Kurfürstenhof Kaiserhof

16. Jhdt. 5 0 - 80 100-170 200-500 500-700

Personen im 17. Jhdt. 120- 150 200- 300 600- 800 1000-1200

18. Jhdt. 200- 300 350- 500 1000-1500 1500-2000

Der kaiserliche Hofstaat z.B. umfaßte 1576 etwa 530 Personen, 1674 bereits ca. 1000; er stieg im Laufe der folgenden Jahrzehnte weiterhin so enorm an, daß er Mitte des 18. Jahrhunderts etwa 2000 erreichte. Der bayerische Hof umfaßte 1508 etwa 160 Personen, im Jahre 1600 bestand er aus ca. 540 Personen. Mitte des 18. Jahrhunderts zählte er knapp 1500 Personen. Die Volkszählung von 1781 weist für München etwa 5000 „Hofzugehörige" aus, zuzüglich gut 4000 kurfürstliche Beamte. Mitte des 16. Jahrhunderts waren am preußischen Hof etwa 450 Personen beschäftigt; zur Mitte des 18. Jahrhunderts dürfte die Zahl 1000 überschritten worden sein. Der württembergische Hof hatte Ende des 18. Jahrhunderts etwa 2000 Angestellte, der Würzburger Hof 1725 etwa 400. Etat des Hofes

interferenz von Hofund Staatsetat

Der Hofetat, prinzipiell Paradigma der absolutistischen Herrschaftsform, verschlang in den meisten deutschen Territorien und Fürstenstaaten der Frühen Neuzeit einen beachtlichen Teil des Gesamtetats eines Landes. Obwohl zwischen Staats- und Hofausgaben aufgrund bereits erörterter vielfacher Personalidentitäten kaum unterschieden werden kann, dürfte etwa ein Viertel bis ein Drittel des Landesetats inklus j v e , j e s fürstlichen Kammergutes in Form von Personal- und Sachkosten auf den Hof entfallen sein [118: HENNING]. Bei größeren Staaten

4. Hofstruktur und Behördenorganisation

31

wie Preußen, Sachsen oder Bayern mag der Anteil niedriger, in den Kleinterritorien und Duodezfürstentümern erheblich höher gelegen haben. Nimmt man als Vergleichsmaßstäbe die Zivilausgaben hinzu, die etwa ein Viertel der Länderetats ausmachten, sowie die Militärausgaben (z. B. Wachbataillone des Hofes), die zusammen mit den Kosten für Baumaßnahmen etwa 50% betrugen, so kann man den Stellenwert, den der Hofetat gewöhnlich einnahm, entsprechend einschätzen. Subsidiengelder dienten zumeist der Finanzierung von Luxusgütern, Festivitäten und Bauten. Aufgrund der Veränderungen in der Personalstruktur von Hofund Landesverwaltung, des enormen Zuwachses an Staatsbeamten und der ständig kostenintensiveren Unterhaltung stehender Heere verschob sich dieses Verhältnis vom 16. Jahrhundert an zunehmend zugunsten des Staatsetats, der im 17./18. Jahrhundert im Regelfalle wohl zwei Drittel bis drei Viertel der Gesamtbilanz erreichte. Der Etat des Kaiserhofes belief sich 1576-aufca. 89000 fl. 1 6 7 2 - a u f c a . 1200000 fl. 1705 - auf ca. 2800000 fl. 1740 - auf ca. 4000000-5000000 fl. Der Etat des bayerischen Hofes umfaßte 1508-ca. 3 800(1. 1600-ca. 7000 fl. 1701 - ca. 750000 fl. (= 55% der Gesamtstaatsausgaben) 1750 - ca. 760000 fl. (= 35% der Gesamtstaatsausgaben) Der Etat des Berliner Hofes betrug 1 6 9 7 - c a . 302000Taler 1711 - ca. 421000 Taler 1 7 1 3 - c a . 335000Taler Der Etat des hannoverschen Hofes war 1678/79 mit ca. 150000 Talern, 1696/97 mit 267 000 veranschlagt. Die Kasseler Hofhaltung kostete im Jahre 1586 etwa 45 000 Gulden, davon waren u. a. vorgesehen: 10000 fl. für Ankäufe auf der Frankfurter Messe (Möbel, Tücher, Gewürze), 5000 fl. Hofküche, 3000 fl. Kellerei, 2000 fl. Marstall, 4000 fl. Reisezehrung, 1200 fl. Bauwesen, 1000 fl. Gnadengaben, 1300 fl. Handwerkerlöhne. Der 400 Personen umfassende Würzburger Hofstaat verbrauchte um 1725 etwa 60000 fl. für Verpflegung (zuzüglich 840 fl. für Rhein- und Moselweine), 1000 fl. für Beheizung und 6500 fl. für Beleuchtung, für Wäsche und Reinhaltung etwa 3500 fl. Der Residenz-

32

I. Enzyklopädischer Überblick

bau kostete etwa 1,5 Mio. fl.; B. Neumann verdiente als Beamter 1055, Tiepolo erhielt für die Erstellung der Fresken insgesamt 22000 fl. Das jährliche Einkommen des Hofstiftes umfaßte zu jener Zeit durchschnittlich 500000 fl. bis 1 Mio. fl.

5. Der Hof als Sozial- und Wirtschaftssystem

Sustentation v o n Fürst und Familie

Patronage-und Klientelstrukturen

Der private wie gleichzeitig öffentliche Charakter des frühmodernen Hofes als Wohn- und Lebensmittelpunkt des Herrschers und seiner Familie wie auch als politische Leitzentrale veränderte sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nicht prinzipiell; die jeweilige Gewichtung der Aufgabenbereiche entwickelte sich jedoch dergestalt, daß mit wachsender Staatlichkeit das Regieren von Hofe aus sich zunehmend intensiver, notwendig effektiver und qualitativ anspruchsvoller gestaltete. Mochte aufs ganze gesehen die Sustentation des Fürsten samt Anhang noch Priorität besitzen, so gewannen in einer Zeit, als der Übergang von der Reise- zur Residenzherrschaft - zumindest grundsätzlich - abgeschlossen und der Hof als tragende Säule des Absolutismus auch verfassungsgeschichtlich neu bestimmt war, gouvernementale Aspekte vermehrt Gewicht. Am Hofe bildeten sich neue, komplexere Patronage- und Klientelstrukturen, neue Mentalitäten, Leitaxiome und Denkformen aus, die zur Bewältigung des Alltags zeremoniell und in Hofordnungen kanalisiert sein wollten. Überhaupt bestimmte das Motiv der Protektion eine Vielzahl von konkurrierenden Netzwerken, die über den nationalterritoralen Rahmen bisweilen weit hinausreichten. Der infolge starker Adelsanbindung dem mittelalterlichen Hof zahlenmäßig kaum noch vergleichbare Hof-Staat der Frühen Neuzeit mußte nach einem ausgeklügelten System versorgt, unterhalten und bedient werden. Projektionen dieser Hof-Haltung auf die übrige Gesellschaft waren teils erwünschte, teils mit Verboten belegte Imitate, die zwangsläufig der Attraktivität des Hofes entsprangen.

5.1 Höfische Einbindung des Adels Thesen v o n N . ELIAS

Was N. E L I A S am Beispiel des französischen Königshofes als die drei wichtigsten Funktionen des frühneuzeitlichen Hofes beschreibt, gilt mutatis mutandis auch für deutsche Verhältnisse: Der Hof sei, so Elias, Instrument zur Beherrschung des Adels; er diene der Adelsversorgung und damit gleichzeitig als Gegengewicht zum Bürgertum. Die Anbindung des Adels an den Hof löse schließlich einen Zivilisationsschub

5. D e r H o f als Sozial- und Wirtschaftssystem

33

aus, der die staatliche Entwicklung vorantreibe. Hofhaltung sei identisch mit Domestizierung des Adels, gewährleiste aber gleichzeitig eine soziale Identität von Aristokratie und Königtum aufgrund gemeinsamer Ideale und Werte. Gegenüber dem Bürgertum manifestiere sich dies hauptsächlich in elitärer Lebensführung und demonstrativem Konsum. Die Anziehungskraft des Hofes zeigte sich für die Aristokratie zum einen darin, daß in seiner unmittelbaren Umgebung die zentrale Administration stattfand („Fürst unter der Kontrolle des Adels") und die höchsten Ämter vergeben wurden. „Hof" hieß prinzipiell „Regierungssitz". Die dort gewährte Dauerfinanzierung von Hochbürokratie und Militär ging über alle Formen leistungsbezogener Besoldung weit hinaus, sie war gleichzeitig subsidiäre Unterhaltszahlung und als solche Machtmittel des Herrschers. Auch wenn der deutsche Adel in weitem Umfang noch ländlich und lehensrechtlich verortet war, so begünstigten die politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen des absolutistischen Territorialstaates doch eminent die jeweilige Zentralgewalt. Die starke Monopolisierung territorialer Administration in den jeweiligen Residenzen nötigte auch im Deutschen Reich größere Teile des Adels, sich von seinen Burgen und Sitzen herab und an den Herzogs-, Fürstenoder Kaiser-Hof zu begeben. Politisch akut wurde die Entmachtung des landsässigen Adels vor allem durch die Sequestrierung der Landtage, die den politischen Dualismus Fürst - Adel wesentlich bestimmt hatten. Man hat bei diesem Zentralisierungsprozeß nicht ganz zu Unrecht von „Sozialdarwinismus" zugunsten der Fürsten gesprochen, der im Fall der geistlichen Fürstentümer die Domkapitel allerdings nicht gänzlich entfunktionalisieren konnte.

Domestizierung des Adels

Wirtschaftliche Veränderungen taten das ihre: Das Schwinden adligen Rentenaufkommens sowie die Konzentration ökonomischer Monopolisierung Chancen im Umfeld von Hof und Regierung nötigten die Nobilität, in ökonomischer Chancen

Staatsverwaltung und Militär ihr Auskommen zu suchen. Adlige Substitution, zumindest der Nachgeborenen, konzentrierte sich mehr und mehr auf den Hof; bürgerliche Aktivitäten blieben im Grunde genommen für das Selbstverständnis der Aristokratie inakzeptabel. Von dieser „Monopolisierung der ökonomischen Chancen" [ 1 2 7 : KRUEDENER] wurde im Reich freilich nur ein Teil des Adels betroffen; ein Großteil lebte weiter auf seinen Herrensitzen (Reichsritter) und ließ ein oder zwei Mitglieder der Familie an den jeweiligen Hof ziehen. Andere Adlige dienten nur zeitweise am Hof, so daß sich die Lage wesentlich differenzierter darstellt, als sie von Elias für Frankreich beschrieben wurde [95: BAUMGART; 145: PRESS], Die These WINTERLINGS, derzufolge der deutsche Fürstenhof - exemplifiziert am Kölner Kurfürsten-

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These von A . WINTERLING

CHRISTIAN W O L F F

Attraktivität höfischer Lebensqualität

I. Enzyklopädischer Überblick

hof - keine eigentlich politische Funktion gehabt habe, die aufwendige Hofhaltung vielmehr den ständischen Gegebenheiten allein Rechnung getragen und damit die ständestaatlichen Verhältnisse stabilisiert habe [ 1 6 7 : WINTERLING, 1 5 2 ] , geht entschieden zu weit und läßt sich vermutJ^JJ J H T einmal für alle geistlichen Höfe, wo die ständische Mitregierung der adligen Domkapitel immerhin fortbestand, uneingeschränkt aufrechterhalten. Das Interesse am Versorgungsmonopol der Fürsten betraf im Grunde nur den ärmeren Adel. Gleichwohl lag es im Interesse des Fürsten, auch den ökonomisch unabhängigen und potentiell unbotmäßigen konkurrierenden Adel zu domestizieren und zu kontrollieren. Christian Wolff, der bedeutende Aufklärungsphilosoph, erkannte dies wohl, als er schrieb: dass, wenn die hohe Landes-Obrigkeit die vornehmsten und mächtigsten Familien im Lande nach Hofe ziehet, dieses zugleich ein Mittel ist, ihre Macht und Gewalt zu befestigen ... [ 3 4 : WOLFF, 5 0 6 ] . Das absolutistische Fürstentum verfügte zur Erreichung dieses Zieles keine wie auch immer geartete formalisierte Residenzpflicht, sondern setzte auf das Unterhaltsbedürfnis und das Prestigedenken des Adels. Der Hof hatte sich erfolgreich zur exklusiven Domäne adliger Selbstachtung und ihrer Befriedigung stilisiert. Die Erwartungshaltung des Adels fand Befriedigung unter anderem in einer Vielzahl fiktiver Ämter und Tit p \ die neben tatsächlichen Verwaltungs-, Hof- und Militärposten ergeben wurden. Dem höheren Landes-Adel wurde gleichsam suggeriert, sich in seiner sozialen Position nur dann halten zu können, wenn er zusätzliche Prämien vom Hof entgegennehme. Daß er damit sein traditionelles Freiheitsideal verriet, war die andere Seite der Medaille. Einer der Anreize, die Domestizierung ertragen zu können, lag für Adel im Gewinn an höfischer Lebensqualität. Das höfische Fest etwa wurde zum konstitutiven Element feudaler Lebensführung; es war keineswegs nur pures Spiel oder Zeitvertreib. Ebensowenig bedeutete Luxus etwas „Überflüssiges", sondern elementares Statussymbol. Ökonomische Schwäche auf der einen Seite, prämierte Exklusivität auf der anderen Seite - letztere schirmte den Adel gegenüber bürgerlicher Konkurrenz ab - bezog ihn in die Hoffamilie mit ein. Wer nicht dazugehörte, lief Gefahr, diskriminiert zu werden. Der Hof bot den Existenzrahmen: für den bloßen Höfling (aulicus), aber auch für den kompetenten Beamten (aulicus politicus; consiliarius). Der Fürstenhof steigerte sich im Laufe der Zeit an Größe und Aufwand derart, daß der „Normaladel" ihn nicht mehr kopieren konnte. Er setzte Maßstäbe, zum Beispiel in Oper und Architektur, die den finanN

C

5. Der Hof als Sozial- und Wirtschaftssystem

35

ziellen Rahmen der meisten Adligen sprengten; auf diese Weise wurde der Hof nicht nur zum Mittel gegen das Volk, sondern auch zur Handhabe gegen den Adel. Diese soziale und kulturelle Exklusivität findet sich literarisch untermauert: Wer am Hofleben teilhatte, vermochte literarisch eine tragische, das heißt historisch relevante Person abzugeben, während der Hof-Ferne in der Komik des Trivialen versank. Im historischen Prozeß verzeichnet das Deutsche Reich an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert eine deutliche Krise des Hofes, in

Soziale und kulturelle Exklusivltät

Transformationspro* e s s e d< ; s deutschen Furstenhofes

der Landstände, Fürst und Adel ihre Interessen neu bestimmten. Der deutsche Renaissancehof war eher noch bescheiden, wirkliche Residenzen gab es wenige, in München etwa, oder in Heidelberg. Der Fürst verstand sich durchaus als „Gottes Amtmann". Der Hof wurde patriarchalisch regiert, der Landesherr noch kaum von Hof-Staat und Untertanen getrennt. Er führte ein wahrhaft „persönliches Regiment" [102: EHALT; 94: BAUER ]. Die Attraktivität des Hofes für die Aristokratie einerseits, die stete Mehrung von Positionen in der Staatsverwaltung andererseits bewirkten von der Mitte des 17. Jahrhunderts an eine Strukturveränderung des Hofes. Der Landesadel, nunmehr seiner Repräsentativrechte beraubt, veränderte sich vielfach zum Hofadel; als Äquivalent für den Verlust ständischer Freiheiten winkten ihm kulturelle und ökonomische Attraktionen. Der Adel wurde domestiziert, keineswegs liquidiert. Der Hof und seine Struktur bewirkten Disziplinierung und Kontrolle. Die Tragödie des Dreißigjährigen Krieges verzögerte allerdings den Aufstieg der Fürstenhöfe [145: PRESS]. Die Notsituation des langen Krieges stützte den aktiven Landesherrn und relativierte die Funktion des Adels. Intensives Regieren tat Not; rationale Politik wurde begründet durch die „Gottesgnadentumstheorie", später durch die aufgeklärte „Vertragstheorie" [159: VIERHAUS]. Der Fürst wurde zum Abbild Gottes stilisiert. Um die Wende zum 18. Jahrhundert stand der Hof auf dem Zenit seiner Bedeutung; Mitte des 18. Jahrhunderts zeigten sich erneut Krisensymptome, doch gingen aufgeklärter Absolutismus und Hof nochmals eine Symbiose ein. 5.2 Hierarchie und Rationalität Der Hof war zweckorientiert, seine soziale Zusammensetzung rational geplant. Hier sah Max Weber eine wichtige Parallele zur Rationalität der zum Teil mit Akademikern versetzten Administration. Während das Bürgertum jener Zeit nach einer weiteren Mehrung ökonomischer Macht trachtete, richtete sich das Bestreben des Adels auf das Fortkommen bei Hofe. Im Ancien Régime lag das Monopol der Standessicherung beim

Domäne adliger Standessicherun

g

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Hof-Hierarchie als Soziai-Modeii

Rationalität

I. Enzyklopädischer Überblick

Monarchen oder Fürsten. Als Domäne sozialer Statusfixierung und honoriger Positionierung erwies sich der Hof. Während der Adelsanteil an der Gesamtbevölkerung 1 bis 3 Prozent ausmachte, lag der Anteil von Hochadel/Adel an der Hofgesellschaft zwischen 10 und 25 Prozent. Zwangsläufig besaß der Hof veritable hierarchische Strukturen. Die potestas des Regenten stand in direktem Verhältnis zur Größe des Hofes. Das höfische Zusammenleben, das nahezu sämtliche Sozialgruppen _ m j t Ausnahme des patrizisch-zünftischen Bürgertums - auf engem Raum und in intensivem Kontakt zusammenführte, vom Hochadligen bis hinunter zum Zimmermädchen, kann als streng reglementiertes, aber doch auch flexibles Sozialmodell angesehen werden. Es war, trotz ständiger Unwägbarkeiten, die als Folge von fürstlichem Gunsterweis oder Gunstentzug ein Auf oder Ab im Hierarchiegefüge bewirken mochten, kein „fragiles Netzwerk" [102: EHALT]. Soziologisch betrachtet war es auch kein „Familienleben" im bürgerlichen Sinne. Fürst und Fürstin besaßen meist einen eigenen Hofstaat und eigene Appartements, sahen sich oftmals nur zu den Mahlzeiten und Festen. Des öfteren bewohnte die Regentengattin auch ein anderes, entfernter gelegenes Schloß; Mätressen waren keine Seltenheit. Das Verhältnis zu und der Kontakt mit den Kindern war überaus formal und zeitlich eingeschränkt, die Erziehung delegiert. Auch Hofchargen und Dienerschaft entbehrten weitestgehend eines eigenen Familienlebens bei Hofe. Mochte bis zum 16. Jahrhundert an deutschen Höfen eine gewisse „Gemütlichkeit" geherrscht haben [94: BAUER], SO wurde diese unter dem Einfluß Karls V. durch die spanische gravitä und schließlich vom 17. Jahrhundert an durch die französische Etikette ersetzt. Die dem Hof eigene Rationalität hatte ein ständiges Abwägen und Kontrollieren des Verhaltens zur Folge. Affektbeherrschung gehörte zum sine qua non. Wurde in älterer Zeit der soziale und politische Machtkampf militärisch oder im Duell entschieden, so bestimmten den Konkurrenzkampf am Hofe mit Beginn der Frühen Neuzeit vermehrt Diplomatie, Intrige und Affäre. Sprache ersetzte vielfach das Schwert. Neben oder vor die administrative Leistung oder bürgerliche Vernunft trat das verbale Agieren in Floskeln und Arabesken. Nicht der stringente Diskurs um einer Sache willen wurde bevorzugt, sondern das Parlieren in manierlicher Rhetorik und in Komplimenten.

5.3 Bewältigung des Alltags Die Garantie des materiellen Unterhalts der Fürstenfamilie einschließlich der Zur-Verfügung-Stellung von Wohnraum war die traditionell

5. D e r H o f als S o z i a l - u n d W i r t s c h a f t s s y s t e m

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unwiderrufbare und zentrale Aufgabe des Hofes. Im Rahmen der täglichen Routine galt es vornehmlich, Lebensmittelakquisition und Speisung der gesamten Hofgesellschaft, sofern sie an der Mensa des Fürsten teilhatte, zu gewährleisten. Hofküche und Hofkeller und ihre Logistik bildeten ein komplexes System, für dessen reibungsloses Funktionieren eine effiziente Einkaufs- und Vorratspolitik Sorge trug. Aus dieser entwickelte sich nicht selten die höfische Finanzkammer. Die Aufgabe der Versorgung in früheren Zeiten, durch das Itinerar des Hofes in weit erschwerterer Form gegeben, wurde durch länger dauernde Residenzaufenthalte des Hofstaates bedingt erleichtert, vor allem dann, wenn dieser sich in der Nähe einer Kommune niederließ. Gleichwohl war die lokale Fixierung des Hofes niemals konsequent, vielmehr bildete sich in den einzelnen Territorien eine spezifische „Hoftour" heraus, die Winter- und Sommerresidenz, Jagd- und Lustschlösser einbezog. Der Wechsel etwa des Kaiserhofes von der Hofburg nach Schönbrunn oder Laxenburg, des preußischen Hofes vom Berliner Stadtschloß nach Potsdam, des Kölner Kurfürstenhofes von der Bonner Residenz nach Brühl erforderte eine solide Organisation, deren Probleme dank der zunehmenden Monetarisierung gegenüber der früher üblichen naturalwirtschaftlichen Entlohnung jedoch offenbar gut zu bewältigen waren. Daß die zahlreichen Reisen den Hofalltag dennoch enorm tangierten, versteht sich von selbst. Ein Teil des Personals reiste mit dem Fürsten, ein anderer Teil verblieb im jeweiligen Schloß. Im Marstall war eine Vielzahl von Kutschen und Pferden ständig reise- und reitfähig zu halten. Energie-Fragen, so die Wasserversorgung - auch für die sehr verbrauchsintensiven Gärten und Springbrunnen die Beschaffung von Brenn- und Beleuchtungsmaterial wie Holz, Kerzen, Öl, ferner Entsorgungsprobleme - angesichts der zum Teil katastrophal schlecht besorgten Sanitäranlagen vielfach nicht die geringsten der anstehenden Schwierigkeiten - harrten stets von neuem einer Lösung [335: L A F U E ; 3 5 5 : TREUSCH],

Die Entwicklung führte schließlich zu einem differenzierten System der Ver- und Entsorgung, dem zuständiges Hofpersonal, kommunale Kaufmannschaft (Hoflieferanten) und herrschaftliche Domänenverwaltung integriert waren. Das mittelalterliche Prinzip der „Zwangsgastung" wurde liquidiert, die Stadtwirtschaft half nicht unwesentlich, die Lebensnotwendigkeiten des Hofes zu gewährleisten. In der gesamten Frühen Neuzeit basierte die materielle Hofversorgung auf einer Mischform von Geld- und Naturalwirtschaft. Der Hof und seine Bedürfnisse schufen Arbeitsplätze. Der Umstand der Stadtsässigkeit des

Logistik der Haushaltsführung

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I. Enzyklopädischer Überblick

Hofes erleichterte auch die Logistik der großen Festivitäten. Nicht zuletzt erzwang die immense Vergrößerung des Hofstaates eine Ausweitung und Verbesserung der Handels- und Verkehrswege. Hof-„Aiitag"

Der Hofalltag selbst gliederte sich vornehmlich durch die Mahlzeiten. Die oftmals relativ spät, nämlich am mittleren Nachmittag und gegen Mitternacht, eingenommenen Mittag- und Abendessen vollzogen sich nach bestimmten zeremoniellen Vorgaben. Teilhabe an der Mensa des Fürsten signalisierte ausdrücklich die Zugehörigkeit zur „Hofgesellschaft", der zugewiesene Platz entsprach dem sozialen Rang und dem Grad momentaner fürstlicher Wertschätzung. Herrenspeisung und Dieneressen waren selbstverständlich qualitativ verschieden. Neben den gewöhnlichen Mahlzeiten bürgerten sich an größeren Höfen und verstärkt im Zeitalter des Absolutismus sogenannte SchauEssen ein, die der Repräsentation fürstlicher Macht und Pracht dienten.

Tages- und Nicht unerheblich prägte auch der kirchliche Festkalender den Jahresabläufe Hofkalender. Gottesdienste zählten zu den Obligos des höfischen Wochenrhythmus, Morgen- und Abendandachten, Meß- bzw. Gottesdienstbesuche, Beicht- und Bußübungen und Gebete konvenierten an protestantischen und katholischen Fürstenhöfen - wenn auch natürlich von den Fürsten individuell abhängig - der zeitgenössischen religiösen Normalität. Das Religiöse in den verschiedensten Ausformungen diente nicht nur der Selbstheiligung, sondern ebenso der demonstrativen Zur-Schau-Stellung des sakralen Charakters der Herrschaft wie auch der moralischen Inpflichtnahme der teilnehmenden Hofgesellschaft. Eindrucksvolle Zeremonien bei öffentlichen Hofgottesdiensten, bei Prozessionen, Hochzeiten, Begräbnissen, Taufen etc. setzten Glanzpunkte im Rahmen der alltäglichen Frömmigkeitspraxis und ließen sich im Aufwand ihrer liturgischen Gestaltung durchaus der weltlichen Fest-Regie vergleichen. Das Faktum religiöser Betätigung spielte natürlich an den katholischen geistlichen Fürstenhöfen eine besondere Rolle; die Fürstbischöfe zelebrierten zumindest an den hohen Festtagen persönlich. Dosierte Routine prägte ansonsten den normalen Tagesablauf. Die Ehrendienste des Adels - etwa beim Ankleiden des Herrschers, bei den Mahlzeiten, bei der Begleitung zu den Gottesdiensten, bei Audienzen vollzogen sich durch ständig gleiches Ritual in großer Monotonie. Hinzu kamen dem eigentlichen Auftritt vorgeschaltete lange Wartezeiten in den Vorzimmern, die das sprichwörtliche mourir d'ennui bei Hofe mitbestimmten, sofern nicht Festivitäten und Jagdausflüge den alltäglichen Rhythmus unterbrachen. Doch auch die im Barockzeitalter Wochen und Monate andauernden Feste mit ihrer übersteigerten Vir-

5. D e r H o f als S o z i a l - und W i r t s c h a f t s s y s t e m

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tuosität vermochten langfristig gesehen die höfische Langeweile nicht zu unterbinden, zumal sie selbst durch ihre permanente, Zeit und Aufwand ignorierende Maßlosigkeit zum „prosaischen Pensum" degenerierten [ 3 9 6 : S T R A U B ] , Ausfluß dieser stark genußorientierten Lebensführung mochten Frivolität und sexuelle Freizügigkeit sein, wie sie dem galanten Zeitalter wohl zu Recht bescheinigt werden. Daß sie bei Hofe das Maß zeittypischen Durchschnitts überstiegen, lassen alle Zeugnisse, die uns vor allem die Malerei überliefert, vermuten. Auch das Auftreten der „französischen Krankheit" bei Höflingen wird wiederholt erwähnt, ganz abgesehen von den zahllosen Konflikten, Intrigen, Eifersüchteleien, Erpressungen und Bestechungen, zu denen Liebeshändel führten. Der Hofalltag provozierte, so gesehen, Probleme, die eine ständig zeitknappe, von den Mühen der Lebensbewältigung ^geprägte Bevölkerung nicht oder nicht in diesem Ausmaß kannte. Hinzu kamen Schwierigkeiten, die das Zusammenleben einer relativ großen, geschlossenen Gesellschaft auf relativ kleinem Raum mit sich brachte. Necessitates corporis stellten Herausforderungen an Architektur, Wasserversorgung und -entsorgung, die nicht selten unerfüllt blieben. Legendär schlechter Geruch in den Gängen und Treppenhäusern war höfische Normalität. Auch war das Hofleben von Strapazen durchsetzt: Winterliche Kälte mit allen Folgen für die Gesundheit wie Rheuma und Gicht betraf Hofadel und Personal; das Essen war oftmals kalt, bis es den Letzten an der Tafel erreichte. Zeremonielle Vorschriften wie im übrigen auch der Mangel an bequemen Sitzmöbeln nötigten zum ständigen Stehen. Müdigkeit und Entspannung aber paßten ebensowenig zu einer auf Haltung und Disziplin einerseits, Frohsinn und Amüsement andererseits getrimmten Lebensauffassung wie Alter und Siechtum. Letztere stellten vor allem für die Bediensteten existentielle Nöte dar, die nur zum Teil durch ausgesetzte Pensionen gemildert wurden. Persönliche Körperpflege - Badesitten, Puderungen, Schminke Frisur- und Bekleidungsmoden zeugten von der jeweiligen Zeitkultur und den diversen Hofpraktiken. In der Kleidung spiegelten sich im höfischen Zeitalter besonders deutlich die sozialen Unterschiede; die Kleiderordnung war Parameter der Sozialordnung. Die Bürgerwelt wurde in der Mode auf Distanz gehalten. Prunkgewand und Geschmeide versinnfälligten aristokratische Exklusivität. Nachdem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die strenge schwarze spanische Mode - für Männer das kurze Wams, die enge Strumpfhose, Hüftwülste, Schultermantel und steifer Hut, für Frauen geschlossene Kleidung mit Glocken- bzw. Kegelrock - , die bis dahin übliche Pluderhose samt

Galanterie und Moral

Negativa und Probleme des Hoflebens

Exklusivität der Mode

40

I. Enzyklopädischer Überblick

Wams und Barett sowie den bauschigen Frauenrock abgelöst hatte, orientierte sich der Adel seit der Mitte des 17. Jahrhunderts an französischen Vorbildern. Die „ä la mode"-Kleidung wurde bei den Männern nun bestimmt vom Leib- bzw. Schoßrock (Frack), von Kniehosen und Allongeperücke, bei den Frauen vom Reifrock, von Mieder, Schleppe und stilisierter Frisur. Paßte die Renaissance-Mode sich noch relativ eng den Körperformen an, so trachtete die Barock-Mode weit mehr nach Stilisierung und Ornamentierung des Körpers. Ausnahme bildete das Dekollete, das nicht mehr die kunstvoll „gedrechselten Küglein" spanischer Strenge favorisierte, sondern das „malerische Gewölbe" [ 3 5 8 : ALEWYN, 4 3 F . ] ,

5.4

Hofordnungen als Normierung des Alltags

Hofordnungen

Die Tagesabläufe am Hof sowie die Funktionen der Hofbeamten wurden durch „Hofordnungen" arrangiert bzw. umschrieben. Schriftlich fixierte Hofordnungen entstanden an den deutschen FUrstenhöfen aufgrund sich ständig differenzierender und intensivierender Hofhaltung vornehmlich seit dem späteren 15., vermehrt im 16. und 17. Jahrhundert. Aufs Ganze gesehen dienten sie als Reglementarien für die Hofverwaltung, bedingt auch für die Landesverwaltung, sie galten der Fürsorge des guten „Haushaltens" und der Obsorge um ein gutes „Regiment". Hofordnungen normierten nicht nur Alltagsleben, Dienstaufga^en u n ( j Moral am Hofe, sondern nicht selten auch politische Aktivitäten, wie sie sich als Folge von Audienzen ergaben, sowie administrative Abläufe in der Kanzlei oder in den Regierungsgremien (Hofrat). Ihre ursprüngliche, von den Ständen erzwungene Zielsetzung bestand zum einen in der Kontrolle und finanziellen Begrenzung der Hofhaltung, zum anderen in der Aufrechterhaltung von Disziplin und „Dienstrecht" ( 1 6 6 : WIU.OWF.IT]. Das bei Hofe geltende Sicherungssystem kam in den Hofordnungen in der Regel genau zur Sprache. Schloßgarde und Türhüter hatten Obsorge für die Unversehrtheit des Dynasten und seiner Familie zu tragen. Der Zugang zum Schloß war streng geregelt, die Einlaßpraktiken waren rigoros, auch wenn an einigen Höfen, wie etwa am Kaiserhof, an bestimmten Wochentagen freier Eintritt auch für bürgerliche Petenten erlaubt war. Die Hofordnungen der deutschen Höfe zeichneten sich durch weitgehende Kohärenz aus; lediglich die Größe des Hofstaates, die Zahl der Hofämter sowie lokale und traditionale Besonderheiten von Amtsaufgaben führten zu Abweichungen im Detail. Oftmals besaßen

5. Der Hof als Sozial- und Wirtschaftssystem

41

sie als Beimischung Einzelvorschriften, andererseits enthielten sie bisweilen generelle Ausführungen zur Beamtendisziplin, zu Amtsaufgaben, zur höfischen Loyalität. Summa summarum zählten Hofordnungen zu den charakteristischen Ausflüssen der „Hoftechnik", in denen sich Hofstruktur und Verwaltungssystem sach- und personenbezogen widerspiegelten.

5.5

Zeremoniell

Die mittelalterlichen Ursprünge des europäischen Zeremoniells liegen beim byzantinischen Kaiserhof einerseits, beim römisch-avignonesisehen Papsthof andererseits. Hier wie auch am osmanischen und venezianischen Hof fand die „staatspolitische Funktionalisierung" des Zeremoniells statt, die sich klar von liturgischen Formen ableitete. Zeremoniell diente nun aber nicht mehr wie in archaischen Zeiten einer Sakralisierung oder Tabuisierung, sondern war in seiner Intentionalität auf die Repräsentation der „Staatsidee" ausgerichtet. Es hatte effektive, propagandistische Bedeutung, mit seiner Hilfe ließ sich das Politische zum Mythischen und Quasi-Religiösen steigern, das Menschliche verklären und mit Sinnlichem und Augenfälligem mystifizieren [244:

Traditionsvorgaben des Zeremome,ls

PLODECK].

Auswirkungen auf die europäischen Höfe im allgemeinen und auf die deutschen Fürstenhöfe im besonderen hatte zunächst die burgundisehe Hofordnung. In ihrer durchrationalisierten Strenge wie auch in ihrer kulturell-zivilisatorischen Ambitioniertheit galt sie als „nordisches Gegenstück" zu jener der italienischen Renaissancehöfe. Als letzter Höhepunkt höfisch-mittelalterlicher Ritterlichkeit eigneten ihr zwei Charakteristika: zum einen die exakte Normierung des höfischen Tagesablaufs, zum anderen die Distanz des Herrschers. Beide Gestaltungsmuster wurden kennzeichnend für das Zeremoniell an zahlreichen Renaissancehöfen und darüber hinaus an jenen des Absolutismus. Intensiver noch als das burgundisch-spanische Zeremoniell, wie es vornehmlich katholische Höfe am Ende des 16. Jahrhunderts adaptierten, wurde im Deutschen Reich dasjenige des französischen Königshofes rezipiert und kopiert, später vor allem das Zeremoniell von Versailles. Hier erfuhr der absolutistische Herrscherkult seine höchste und komplexeste Entfaltung. Innerhalb des deutschen Reiches entstand kein originäres Zeremoniell. Zwar gab es am deutschen Königs- resp. Kaiserhof bestimmte protokollarische Formen und feste Hofämter, als eigentliches Zeremoniell übernahm Wien dann aber das burgundische, und zwar unter der

Funktionen des Zeremoniells: Normierung und Distanz

42

I. Enzyklopädischer Überblick

Bezeichnung „spanische Sitte". Von Wien aus wurde es an die deutschen Fürstenhöfe weitergegeben und dort zum Teil mit Vorbildern von italienischen Renaissancehöfen vermengt. Während sich im süddeutsch-katholischen Raum der strenge spanische Kodex vergleichsweise lange hielt, setzte sich an norddeutschprotestantischen Höfen gegen Ende des 17. Jahrhunderts der leichtere französische durch. Im mittleren 18. Jahrhundert war spanische Etikette nur noch in Wien, München und Kur-Köln üblich, an allen übrigen Höfen wurde Versailles das tonangebende Vorbild. Am Kaiserhof entschloß man sich dann allerdings auch zu einem Kompromiß: In Wien an der Hofburg und in Schönbrunn dominierte das spanische, auf den Jagd- und Lustschlössern das französische Zeremoniell.

5.6

Hoferziehung

Die Erziehung von Fürsten bzw. Dynasten erfolgte weitgehend als = „Hoferziehung" in bedingter Isolation. Die als Privaterziehung durch Hoferziehung Hofmeister, Instruktoren oder Präzeptoren vermittelte Bildung, die zumeist vor dem Besuch eines Gymnasiums, einer Ritterakademie oder einer Universität lag oder auch an dessen Stelle trat, umfaßte neben einer spezifisch „fürstlich-aristokratischen Ethik" und den obligatorischen Fächern wie Religion und Latein spezielle Kenntnisse, die der Fächerkanon des bürgerlichen Bildungs- und Erziehungswesens nicht oder nur sporadisch vorsah, wie etwa Architektur, Kriegskunde, neuere Sprachen oder Ballistik. Darüber hinaus hatten die sogenannten Kavaliersfächer, die sich aus den adligen probitates entwickelten und Fechten, Reiten, Tanzen, das feine Parlieren und Fragen der Etikette umfaßten, in der Hoferziehung einen hohen Stellenwert. Die fürstlich-höfische Erziehung rief eine eigene, in der Frühen Neuzeit vornehmlich pädagogisch-ethisch ausgerichtete Literaturgattung ins Leben, in der Fürsten, zumeist aber Hofräte, Hofmeister oder Professoren, Lehrnormen und Bildungsinhalte für die hocharistokratischen Zöglinge formulierten: die Fürstenspiegel. Höfe als AusbilBedeutendere Höfe, nicht selten auch der Kaiserhof, oftmals aber dungsstatten Höfe größerer Landesherren, dienten Abkömmlingen des mittleren und niederen Adels, die sich eine kostspielige Einzelerziehung nicht leisten konnten oder wollten, als Ausbildungsstätte, wo sie nicht nur am Hofleben partizipierten und damit in dessen Abläufe hineinwuchsen, sondern je nach Alter intensiv instruiert wurden. Die fürstliche Residenz, wo sich die internationale Aristokratie mit dem ihr eigenen Ambiente versammelte, fungierte so als „Hof- und Lebensschule", an der

Fürstenerziehung

6. Kunst, W i s s e n s c h a f t und Plaisir

43

vielfach als Pagen dienende Zöglinge gute Manieren erlernten und sich vielerlei Wissen aneigneten. Kavaliers- und Bildungsreisen führten die jungen Adepten im übrigen auch an ausländische Höfe, insbesondere nach Frankreich (in die „Venus"-Stadt Paris) und Italien (u.a. zum Carneval nach Venedig), wie auch - unter Begleitung von Präzeptoren und Hofmeistern - an auswärtige Universitäten (Italien, Frankreich, Niederlande), wo sie jedoch im Regelfalle keinen akademischen Grad anstrebten. Die Hochschulen ihrerseits boten, um die Aristokratie anzuziehen, vermehrt Kavaliersfächer an, verstanden sich zu Präzedenzrechten bzw. erwählten Hochadlige aus Prestigegründen zu Rektoren.

Kavaliers- und B l l d u n

gsreisen

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir Die Höfe der Frühmoderne waren Zentren der Kunst. Niveau und Quantität von Musik, Theater, Literatur und bildender Kunst im Deutsehen Reich sind ohne die Vielfalt und die Konkurrenz der Höfe kaum erklärbar. Freilich korrespondierte die künstlerische Potenz eines Hofes nicht immer mit seiner machtpolitischen, oftmals waren gerade die kleineren Höfe „Musenhöfe".

Höfe als Zentren der Kunst

6.1 Hofmalerei und Bildende Kunst Nicht nur stadtbürgerliche Ansprüche der Renaissance führten zu einer Profanierung, einer Erweiterung der Formen, Farben und Sujets der Kunst, zu einer Höherbewertung des Künstlerindividuums und einer Ausweitung des Kunstmarktes, in gleichem, wenn nicht in noch größerem Maße taten dies auch die deutschen und europäischen Höfe. Durch höfische Aufträge oder höfische Positionen emanzipierten sich die Kunstschaffenden von den sozialen Zwängen kommunaler Zünfte. „Hoffreiheit" enthob den Künstler bürgerlicher Beschwernisse, machte ihn exemt, ermöglichte nicht selten seine Nobilitierung.Höfisches Repräsentationsbedürfnis zog Kunst notwendigerweise an, der Künstler hatte elementaren Anteil an der Repräsentation der Fürsten. Der Hofdienst gab materielle Sicherheit und ließ - mit Einschränkung - ideelle Freiheiten zu. Zum Außenseiter der Gesellschaft wurde der Künstler erst mit dem Wegfall der Höfe [404: W A R N K E ] . Höfischer Kunstförderung lagen allenthalben ambivalente Motive zugrunde. Rein subjektiven Interessen der Auftraggeber, die sich in Ruhmsucht und Wahrung des Gedechtnus erschöpfen mochten, standen Statusansprüche zur

Aufwertung des Kunsllers

Intentionen des Mäzenatentums

44

Höfischer Kunstmarkt

Hofmaler

I. Enzyklopädischer Überblick

Seite, die Kunst zur Verherrlichung der eigenen Dynastie und des persönlichen Regierungsstils instrumentalisierten. Kunst diente damit „visueller Überzeugungsarbeit" sowohl rivalisierenden Adelsgruppen als auch den Untertanen gegenüber. Versuche, potentielle Opponenten aus dem eigenen Lager durch Einbeziehung in die „höfische Luxusspirale" zu neutralisieren, waren oft und lange Zeit vielversprechend. Beim einfachen Volk, das aufgrund kirchlich-religiöser Praxis im Dechiffrieren metaphorischer und allegorischer Darstellungen geübt war, ließen sich Loyalität und Akzeptanz durch den Einsatz säkularer Bildprogramme planvoll provozieren. Zur Vielschichtigkeit höfischen Kunstinteresses und fürstlichen Förderwillens zählte nicht zuletzt mäzenatische Freigebigkeit als Ausdruck herrscherlicher magnificentia und liberalitas. Investitionen in Kunst und Kultur machten sich als Investitionen in das bonum commune, die allgemeine Wohlfahrt, bezahlt. Sie gaben der Qualität des Regierungsstils eine über das z.T. rohe, die Kriegs„kunst" einschließende Alltagsgeschäft hinausreichende, geistig-humanitäre Note. Die Vorstellung, daß dort, wo die Künste herrschten, die Waffen schwiegen, wurde sprichwörtlich. Höfische Kunst wurde auf unterschiedliche Weise akquiriert. Zu besonderer Bedeutung stiegen in diesem Zusammenhang die Hoflieferanten auf, die bürgerliche Unabhängigkeit und privilegierte Hofstellung geschickt zu verbinden wußten. Der Künstlertypus Hoflieferant, zu dessen berühmtesten Vertretern Raffael, Michelangelo und Tizian, Dürer, Cranach und Rubens zählten, hat sich, als Inkarnation moderner Künstlersouveränität, sowohl gegen als auch mit dem Hof entwickelt. Zur unentbehrlichen Spezies höfischer Arbeitnehmer zählten gewissermaßen als Pendant zu den Hoflieferanten - die Hofmaler. Sicherlich recht unterschiedlich im künstlerischen Wert reichte das Spektrum ihrer Tätigkeiten vom Konterfeien fürstlicher Herrschaften bis zur Bemalung von Wänden, Türen und Möbeln, zur illustrierenden Ausschmückung des Stammbaumes, zur Skizzierung von Fahnen und Wappen, zur Herstellung von Triumphbildnissen (Historienmalerei). Zeigte ein Hofmaler über sein eigentliches Metier hinausreichende Fähigkeiten, konnte er es bis zum Hofbaumeister und Architekten bringen und mit der ästhetischen Ausstattung des ganzen Schlosses betraut werden. Die zeichnerischen Vorlagen für Bildhauer, Stukkateure, Holzschnitzer, Schreiner und ähnliche Handwerker lagen dann in seinem Verantwortungsbereich. Diese Aufgabe verlangte große Flexibilität und ständige Anpassung an den internationalen Geschmack. War der Hofmaler nicht mehr aktuell, traten Konkurrenten an seine Stelle.

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

45

Trotz des weiten Feldes potentieller Einsatzmöglichkeiten blieb das Portrait die eigentliche Domäne des Hofmalers. „Das Bildnis war das wichtigste Medium höfischer Kunstpolitik" [404: WARNKE, 270]. An den deutschen und europäischen Höfen herrschte ein reger Portraitaustausch, der jenseits von bloßen Freundschaftsgaben (Miniaturportraits) nicht nur musealen Zwecken diente, etwa der Erstellung von Ahnen- und Verwandtschaftsgalerien, sondern bei Heiratsabsichten auch eine - ungefähre bis klare - Vorstellung vom gewünschten Partner ermöglichte (Brautbildnisse). Die vielfach durchaus bezweckte sakrale oder mythologische Überhöhung des Portraitierten (dazu dessen Ähnlichkeit mit Christus, Herkules, Alexander, Mars) ließ aber - zumindest bei guten Portraits - dennoch die Aura des Dargestellten ahnen. Im Laufe der Zeit verstärkte sich der Wunsch nach personaler Identität, und die Conterfetter übten sich, trotz aller nach wie vor bestehenden ästhetischen Konvenienz (Majestätsstil, „Hofstil") in veristischer Strenge. Bildhauer waren an europäischen Höfen der Frühmoderne gefragte Handwerker respektive Künstler. Sie schufen Statuen oder Denkmäler, die den Fürsten auf Plätzen dem Volk präsent machten. Reiterdenkmäler galten seit der Antike als Herrschaftssymbole und Ausdruck etatistischer Triumphalkunst. An kleineren Höfen mit beschränkteren finanziellen Möglichkeiten begnügte man sich in der Regel mit Zimmerskulpturen und Bronzestatuetten. In den Aufgabenbereich der Bildhauer resp. Steinmetze fielen des weiteren Entwurf und Ausführung von Grabdenkmälern, die die Verstorbenen vielfach in Halb- oder Ganzreliefs, idealiter oder realiter- je nach Zeitgeschmack und Kunstströmung - , in der Regel geschmückt mit Symbolen, Tugendallegorien, Lebensregeln oder Wahlsprüchen zeigten.

Portraitkunst

M o n u m e n t e und Denkmäler

6.2 Hofmusik, Oper, Ballett „Die Tonkunst lebte von der Fürstengunst", umgekehrt erzwang höfisches Leben zur Zeit des Absolutismus mit seinen hohen Ansprüchen an Unterhaltung und Zerstreuung eine Musik, die in ihrem kompositorischen Raffinement und in der Wahl ihrer Sujets weit über die im Mittelalter gebräuchliche, nahezu ausschließlich liturgisch bedingte Musik hinausging. An sämtlichen deutschen Residenzen bildeten sich aus den noch im 15.Jahrhundert üblicherweise nur kleinen Ensembles von Trompetern und Paukern, die zum Hofpersonal zählten, im 16. Jahrhundert kleinere Hofkapellen heraus, die sich in den folgenden beiden Jahrhunderten, sofern Finanzen und Musikinteresse des Hausherrn es

Validität der Hofmusik

46

I. Enzyklopädischer Überblick

zuließen, zu größeren und großen Orchestern bzw. Hofmusiken

entwik-

kelten. Im 18. Jahrhundert wurden nicht selten Orchestergrößen von 50 und mehr Musikern erreicht. Hoforchester samt Solisten, Primaballerinen, Primadonnen und sonstigen Sängem und Sängerinnen, unter ihnen die im 17./18. Jahrhundert sehr beliebten Kastraten, spielten im Etat größerer H ö f e - etwa in Wien, München, Dresden, Mannheim oder Salzburg - eine nicht geringe Rolle. Daß die Musikausübenden jener Zeit sehr häufig Ausländer - meist Italiener - waren, gehörte zum guten Ton; j e größer der Anteil der Ausländer, desto größer das Ansehen einer Hofkapelle. Die Zahl der Instrumental- und Vokalkompositionen, die für Fürsten und an Höfen der Frühen Neuzeit aus- und aufgeführt wurde, ist immens. Musik dieser Zeit war zum einen Kirchenmusik - an vielen Höfen wurde ein eigener Hoforganist beschäftigt - zum anderen Unterhaltungsmusik bei Tisch (Tafelmusik), bei Tanz- und Abendveranstaltungen, bei Familienfesten, Jagden, Feuerwerken und ähnlichen Vergnügungen, zum nicht geringen Teil aber auch Militärmusik. Hofkapellmeister

Die Vielzahl der durchschnittlichen Hofkapellmeister, die nicht nur als Dirigenten, sondern vielfach auch als Komponisten ihres Amtes zu walten hatten, wird überstrahlt von Namen wie Orlando di Lasso ( t 1594), Heinrich Schütz ( t 1672), Johann Sebastian Bach ( t 1750), Wolfgang Amadeus Mozart ( f 1791) und Joseph Haydn ( t 1809), einer der produktivsten Hofkomponisten - neben Mozart - überhaupt. D i e Liste größerer und weniger großer Berühmtheiten ließe sich mit Praetorius ( t 1621), Johann Joseph Fux ( t 1741), Georg Friedrich Händel ( t 1759), Johann Stamitz

(t

1757), Carl Philipp Emanuel

Bach

( t 1788), Christoph Willibald Gluck ( t 1787) beliebig fortsetzen. Oper

A m Beispiel Oper läßt sich die Janusköpfigkeit höfischer Musikförderung besonders deutlich exemplifizieren. Entwicklung und Blüte dieses Genres stehen zweifellos in unmittelbarem Bezug zum H o f der Frühen Neuzeit. Als Musikschöpfung des späten 16,/frühen 17. Jahrhunderts eroberte die Oper von Italien (mit C. Monteverdi, F. Cavalli, L. Rossi u. a.) und Frankreich (J.-B. Lully, J.-Ph. Rameau) aus die deutschen H ö f e der Barockzeit. Die deutsche Operngeschichte setzt mit der „ D a f n e " von H. Schütz ein und erhielt wichtige Impulse durch den Aufenthalt italienischer Komponisten an den Höfen Wiens (P. A . Cesti, A . Draghi, A . Caldara), Münchens ( A . Steffani), Dresdens (G. A . Bontempi, C. Pallavicino) und Stuttgarts (Jommelli). Festliche Opernaufführungen gehörten im Zeitalter des Barock zu den Höhepunkten des Hofkalenders, und zwar v o m Kaiserhof bis hinunter zum H o f des Duodezfürsten. Neben der in Deutschland zunächst

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

47

favorisierten Opera seria mit ihren mythologischen und heroischen Sujets, intrigengesteuerten Handlungsschemata und typisierten Instrumentationen setzte sich bald die volkstümlich-heitere, musikalisch durch freiere Formgebung, handlungsorientierte Motivik und Rhythmik geprägte Opera buffa durch, die gleichermaßen Vorbild für das deutsche Singspiel wie für die französische Opéra comique wurde. Wie die Entwicklung der Oper beeinflußte der Hof auch die Entstehung des Balletts. Dessen Ursprünge sind in den höfischen Schreitund Springtänzen Italiens und Frankreichs zu sehen, die im Unterschied zum „freien" Volks- und Bauerntanz zeremonielle Standestänze waren. Nahm im 16. und 17. Jahrhundert die Hofgesellschaft noch aktiv an diesen z. T. pantomimisch durchsetzten Aufzügen und Prozessionen teil, so veränderte sich deren Charakter mit der Etablierung der Ballettoper im 17. Jahrhundert grundlegend. Unter Ludwig XIV., der den Beinamen „Sonnenkönig" nach einer Rolle erhielt, die er 1653 im ,,Ballet de la nuit "getanzt hatte, erarbeiteten der Komponist J.-B. Lully und der Choreograph R Beauchamp ein feststehendes Schrittreglement, das bald nur noch Berufstänzer beherrschten. Aus dem Ballett als höfischem Tanz (Ballet de cour) im Saal oder auf dem Platz wurde so ein Bühnenstück mit frontal ausgerichteter Choreographie, das in den Prachtballetten des Pariser und Wiener Hofes (Roßballett, Triumphballett) seinen Höhepunkt fand.

6.3

Ballett

Bibliotheken

Im Zeitalter von Humanismus und Reformation begannen Fürsten grö- B i b l i o p h i l e ßere Bibliotheken anzulegen. Diese „bibliophilen Schatzkammern", in Schatzkammern Anspruch und Ausstattung durchaus den prestigeträchtigen Kunst-, Antiquitäten-, Münz-, Kuriositäten- oder Kleinodiensammlungen vergleichbar, standen anfänglich nur der fürstlichen Familie, den Hofbeamten, den Hofhistoriographen und „Hofgelehrten" zur Verfügung. Da in der Dotation den konkurrierenden Universitäts-, Stadt- und Klosterbibliotheken gewöhnlich überlegen, konnten sie bereits im 16. Jahrhundert jenseits der Befriedigung fürstlicher schöngeistiger oder wissenschaftlicher Sonderinteressen eine weitgehend aktuelle und qualitativ hochstehende Akquisition betreiben. Ein Auf und Ab von Stagnationen und Konjunkturen ließ sich gleichwohl nicht vermeiden. Dies sowie der Umstand, daß den Hofbibliotheken jener Zeit eine unverwechselbare Typik fehlte, war unmittelbare Folge der zu starken Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten und den persönlichen Interessen der Regenten.

48

Repräsentative Hofbibiiotheken

I. Enzyklopädischer Überblick

Nach dem Dreißigjährigen Krieg gehörte die Bibliothek zu den Unentbehrlichkeiten eines Hofes. Sie galt als beredter Beweis für die höfische Teilhabe an der res publica litterata wie auch für die Schutzherrschaft des Potentaten über Musen und Wissenschaft. Den Regierungs- und Verwaltungsbeamten im expandierenden Kameralwesen diente sie nicht weniger als unentbehrliche Wissensfundgrube wie den Juristen des jeweiligen Territoriums. Als erste Bibliotheken öffneten sich diejenigen der Höfe einem breiteren Publikum; gelehrte Bibliothekare wurden eingestellt: Leibniz in Hannover, van Swieten in Wien, Lessing in Wolfenbüttel, Gesner in Weimar. Die prächtig dekorierten, zum Teil als sogenannte Kulissenbibliotheken konzipierten Bibliothekssäle gerieten zu Schauräumen höfischen Literatur- und Wissenschaftskonsums. Neben Handschriften und Frühdrucken früherer Jahrhunderte enthielten sie in großem Umfang Bücher der jeweiligen Zeit, die in ihrer vielfach aufwendigen Gestaltung mit Prachteinbänden und Wappenprägungen, Kupferstichen, Aquarellen oder Federzeichnungen einem Zeitgeist entsprachen, der intellektuelle Reize stets mit optischen zu verbinden suchte und dabei der mittelalterlichen Wertschätzung alles Geschriebenen weit näher stand als der spartanisch-einfachen Selbstgenügsamkeit späterer Gelehrsamkeit. Zu den glanzvollsten Hofbibliotheken jener Zeit zählte die Wiener Hofbibliothek, die, im frühen 16. Jahrhundert aus diversen Habsburgischen Bibliotheken zusammengeführt, 1623 in die Hofburg verlegt wurde. Mit dem Epitheton „Mutter aller Bibliotheken in Teutschland" schmückte sich die „Bibliotheca Palatina" (gegr. 1557) in Heidelberg, deren bibliophile Kostbarkeiten an mittelalterlichen, humanistischen und reformatorischen Werken sie weltberühmt machten und bei Glaubenskontroversen als regelrechte Auskunftsdatei erscheinen ließen. 1623 schenkte der mit der pfälzischen Kurwürde belehnte bayerische Herzog Maximilian I. sie zu großen Teilen der Kurie. Die Münchner Hofbibliothek entstand durch Zusammenführung der ca. 12000 Bände umfassenden Bibliothek J. J. Fuggers und der 1558 vom bayerischen Herzog erworbenen Büchersammlungen des Humanisten J. A. Wildmanstetter. Als erste Bleibe (1569) diente ihr das „Antiquarium" der Münchner Residenz. Die aus dem 16. Jahrhundert stammende Wolfenbüttler Bibliothek fand ihren großen Mäzen in Herzog August d. J. (t 1666), dessen umfangreiche Ankäufe ihr einen Bestand sicherten, der 1661 an die 2000 Handschriften, 2000 Inkunabeln und weitere 26000 Bände umfaßte. In Preußen existierte seit Beginn des 16. Jahrhunderts eine Schloßbibliothek in Königsberg, seit Mitte des

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

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17. Jahrhunderts eine Hofbibliothek in Berlin, die Friedrich II. dann in regelrechtem Erwerbsrausch auf 150000 Bände erweiterte. Die sächsischen Schloßbibliotheken verloren im Verlauf des 16. Jahrhunderts Teile ihrer Bestände an die Universitäten, so daß sich auch spätere Renommieranstalten, Dresden und - Goethes! - Weimar, erst im frühen resp. späten 18. Jahrhundert zu bemerkenswerten Adressen entwickelten. Bedeutende Bibliotheken besaßen im 18. Jahrhundert darüber hinaus die Fürsten von Thum und Taxis in Regensburg, diejenigen von Fürstenberg in Donaueschingen, die Grafen von Oettingen-Wallerstein in Maihingen, die Fürsten Leinigen in Amorbach, die Grafen von Nassau in Dillenburg, die Grafen Waldeck in Arolsen, die Fürsten Schwarzburg in Rudolstadt, die Grafen von Lippe in Detmold.

6.4

Wissenschaft

Das Verhältnis zwischen Hof und Wissenschaft resp. zwischen Hof und Universität war ambivalent, im Einzelfall jedoch durchaus befruchtend. Man mag sich erinnern, daß nicht wenige Humanisten ihr Auskommen an fürstlichen Höfen, etwa in Wien oder Heidelberg, fanden, daß im Umkreis von Höfen Akademiepläne geschmiedet und realisiert wurden, so in Weimar, Berlin oder München, daß in Residenzstädten unter tatkräftiger Unterstützung des Landesherrn Universitäten errichtet wurden, die Hof und landesherrliche Gremien mit akademisch Ausgebildeten versorgten. Universitätsprofessoren dienten häufig in Doppelfunktion als akademische Lehrer und Leibärzte, Prinzenerzieher, Hof- und Geheimräte, Richter. Wissenschaftler profitierten ebenso von fürstlichen Mäzenen wie diesen der Umgang mit und der Kontakt zur Wissenschaft zur Ehre gereichte. An einigen Höfen bestanden Gelehrtenzirkel, von denen die Tafelrunde in Sanssouci unter Friedrich II., zu der 1750-53 auch Voltaire zählte, besondere Berühmtheit erlangte. Gleichwohl sah der Adel - und zwar mit Recht - durch bürgerliches Bildungsstreben seine ererbten Privilegien schwinden. Zwar blieben die hohen Hofämter nach wie vor in adliger Hand, doch erwuchs der ehemals uneingeschränkt führenden Schicht in den Bereichen Recht und Verwaltung bereits gegen Ende des 15. Jahrhunderts ernsthafte Konkurrenz aus dem akademisch gebildeten Bürgertum. Zum Verstaatlichungsprozeß, der eine Trennung von Hofhaltung und Territorialverwaltung mit beinhaltete, trug das Aufrücken nicht-adliger, jedoch universitär ausgebildeter Bürgerlicher wesentlich bei. Der Adel reagierte zögerlich, nahm die Herausforderung aber letztlich an und begab sich an die Hochschulen, lieber freilich an die eigens eingerichteten

Verhältnis H o f Wissenschaft

50

I. Enzyklopädischer Überblick

Ritterakademien, die adliger Lebensführung mehr entsprachen. Akademischen Abschlüssen verweigerte er sich so gut es ging, stets hoffend, daß die Vorteile der Examina sich durch die Vorzüge der Geburt ausgleichen ließen. Der starke Aufstieg Bürgerlicher im 16. Jahrhundert in sämtlichen Bereichen der Administration flaute im Verlauf des späteren 17. Jahrhunderts deutlich ab, so daß das Argument einer „Refeudalisierung", wie es die Forschung neuerdings benutzt, nicht von der Hand zu weisen ist.

6.5 Schwarze Künste Nicht nur Kunst und Wissenschaft wurden an den Höfen des Reiches gepflegt, auch die „Schwarzen Künste" machten vor den Burg- und Schloßtoren nicht halt. Nicht wenige deutsche Fürsten - etwa Kaiser Rudolf II., Erzherzog Ferdinand II., Johann Friedrich von Sachsen, August von Sachsen, Philipp von Hessen - übten sich selber in technischen Fertigkeiten oder sie beschäftigten Alchemisten, Mathematiker und Astrologen. Neben Horologien, Astrolabien, Magneten, Jagdgeräten und Waffen war es vor allem die Herstellung von Gold und Silber, die die Phantasie erregte und zu großzügigen Investitionen verleitete. Goldlaboranten waren um so gefragter, je größer das Defizit in der Hofoder Staatskasse war. Astrologen stiegen bisweilen zu grauen Eminenzen auf; ihr Einfluß war, man denke an Wallensteins Hofastrologen Seni, demjenigen der Beichtväter nicht unähnlich. Nicht nur um das persönliche Schicksal ging es dabei den adligen Auftraggebern, wenngleich das Nativitätskalkül mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen eine große Rolle spielte, sondern auch um Prognosen für Staatsgeschäfte, Kriege vor allem. Aus dem Stand der Gestirne Handlungsmaximen abzuleiten, war, trotz des abergläubischen Odeurs, kaum von Unrechtsbewußtsein begleitet, war die Frömmigkeitspraxis der Zeit doch ebenfalls von allerlei „Zeichen", „Erscheinungen", Weissagungen und Wundern geprägt.

6.6 Fehlen höfischer Literatur im 16. Jahrhundert

Literatur

Das 16. Jahrhundert kennt im deutschen Sprachbereich - sieht man von einigen humanistischen Auftragsarbeiten ab - keine speziell höfische Literatur, vielmehr wurde das, was zum großen Teil von Reformatoren, ihren Anhängern und Gegnern verfaßt wurde, auch bei Hofe gelesen unter dem Gesichtspunkt der religiösen Unterweisung, der Erbauung,

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

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Zerstreuung, oder, wie im Falle der anspruchsvolleren Artes-Literatur, demjenigen von Wißbegier und Bildungsstreben. Für die dramatische Dichtung, die wie keine andere poetische Gattung in die Auseinandersetzung zwischen Alt- und Neugläubigen geraten war, bildete die Konfessionszugehörigkeit des Landesherrn vielfach eine Barriere des pro oder contra. Legendenspiele, Marienklagen, Oster-, Passions- und Weihnachtsspiele verboten sich an protestantischen Höfen. Moralitäten, allgemeine Humanistendramen und Fastnachtspiele ließen sich zwar von beiden Lagern als Kampfmittel gegen die andere Seite benutzen, doch waren sie, wie auch die neulateinischen Dramen und geistlichen Spiele, bei denen vielfach die Sprache als Handikap hinzukam, seit jeher an (Rats-)Säle, öffentliche Plätze und (Jesuiten-)Schulen gebunden. Zum obligaten Lektüreprogramm eines Höflings des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zählten vor allem internationale „Bestseller", anfänglich aus Italien, später dann aus Spanien, die sich inhaltlich am höfisch-ritterlichen Ideal orientierten und über das Nostalgische hinaus der sozialen Selbstbestätigung literarische Hilfestellung gaben. Wertschätzung erfuhren insbesondere Ariosts „Rasender Roland", Boccaccios „Dekamerone", Castigliones „Cortegiano", Cervantes' „Don Quijote", Rabalais' „Gargantua und Pantagruel", spanische „Cid"Epen, ferner verschiedene Formen der „Amadis"-Romane. Ritterromantik in extensiver Form wurde revoziert und fand in der höfischen Adelswelt ein enthusiastisches Lesepublikum. Höfische Literatur setzte sich weitestgehend ab von der realistisch-bürgerlichen Literatur (Schelmenroman; Eulenspiegel; etc.). Das deutsche Hoftheater in der Renaissancezeit hatte selten antike Tragödien oder humanistische Dramen in seinem Repertoire, diese blieben meist den Schultheatern (Jesuitentheater) überlassen, der Spielplan lebte vielmehr vom Import italienischer Schauspiele und Komödien; als Modestücke galten vor allem Werke von Ludovico Ariost ( t 1533) und Torquato Tasso (f 1595). Italienische Dichter wurden an den großen Höfen angestellt, südländische Theaterensembles engagiert. Englische Komödiantengruppen, die in Deutschland vorwiegend Stücke von Shakespeare spielten, hatten an den Höfen nachgeordneten Stellenwert. Mit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, vollends nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, änderten sich die Voraussetzungen für Dichtung und Literatur völlig. Im Zuge der religiösen und gesellschaftlichen Entwicklung hin zur Barockzeit trat der Kollektivismus der Reformation, auf den Flugschriften und Kirchenlieder gebaut hat-

Höfische .-Bestseller"

Barock-Literatur

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I. Enzyklopädischer Überblick

ten, zurück hinter einen neuen Subjektivismus, der dem gesteigerten Selbstbewußtsein einer frühabsolutistischen, höfisch dominierten Gesellschaft entsprach. Allerdings gab zunächst das Ausland - neben Spanien nun vor allem Frankreich - den Ton an. Das ursprünglich Volksnah-Komödiantische der Wandertruppen reduzierte sich auf Posse, Schwank und Hanswurstiaden der (neuen) Komödien. Die Tragödien, als Spiegel der absolutistisch-höfischen Gesellschaftsideale, hielten es mit „Haupt- und Staatsaktionen", die in ihrer glanzvollen Ausprägung im Hochbarock, etwa bei Gryphius, dramatisierte Geschichtsphilosophie sein mochten, bei Daniel Caspar von Lohenstein ( t 1683) oder Johann Christian Hallmann ( t 1704) aber zu schwülstigen Intrigen-, Märtyrer- oder Schäferstücken absanken. Das höfische Theater wurde in der Barockzeit von den französischen Klassikern, von Corneille ( t 1684), Racine (t 1699) und Molière ( t 1673) dominiert, entsprechend der Vorreiterrolle des Hofes von Versailles. Erst im mittleren und späteren 18. Jahrhundert konnten deutsche Theaterstücke das Monopol der französischen Favoriten brechen. Barock-Theater

Die Phantasie der Zuschauer, die durch diese Art von Sensationsheroismus ständig in Atem gehalten werden wollte, beanspruchte zwangsläufig immer raffiniertere Mittel sinnlicher Darstellung, als die alte, nach allen Seiten offene Simultanbühne der Wanderschauspieler sie zu gewähren vermochte. Auf Illusion zielte schon das Jesuitentheater. Bei den Wanderbühnen wurde eine Verfeinerung des Apparats gewissermaßen aus Konkurrenzgründen wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Bühne wurde, im Hoftheater vollends, geschlossen, am Kölner Hof bereits 1581 nach drei Seiten hin. Nun erst gab auch der Vorhang Sinn und unterstützte in seiner Funktion Szenentrennung und Akteinteilung des Dramas. Mit der Errichtung von eigenen Hoftheatern kam es auch zur Professionalisierung der Schauspieler und dem Engagement fester Ensembles sowie „Stars", die das Prestige des jeweiligen Hofes steigern konnten. Die eigentlichen Zentren epischen wie auch dramatischen Literaturbetriebes waren die zahlreichen Höfe Nord- und Mitteldeutschlands einschließlich Frankens. In den katholischen Gebieten Süddeutschlands lebte die lateinische Ordensdichtung fort, die eine theaterfreudige Hofgesellschaft für Familienfeste und staatliche Demonstrationen wie Geburtstage, Hochzeiten, Krönungen, Rückkehr aus dem Krieg, Friedensfeiern und dergleichen adaptierte. Die Dichter entstammten dem Beamten- oder Pastorenstand, waren nicht selten selbst adliger Herkunft (etwa H. J. v. Braunschweig; A. U. v. Braunschweig; Ph. v. Zesen, H. J. Chr. v. Grimmelshausen).

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

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Der höfische Roman - der seine Ursprünge in Frankreich hatte Höfischer Roman (Gomberville; La Calprenede; M. de Scudery) - , in seinen Erscheinungsformen als Schäfer-, Liebes-, heroischer oder Staatsroman, war in erster Linie Unterhaltungsroman für die Hofgesellschaft. Wie im Fall der Tragödie waren Stil und abenteuerlicher Inhalt durch die Mode der Höfe vorgegeben. Sprache und Handlung bewegten sich zwischen den Extremen moralischer Untadeligkeit, Belehrung - soweit es sich um geographisch-historische oder biblische Stoffe handelte - und übertreibender Sinnlichkeit. Die handelnden Personen gehörten entweder der guten Seite der mehr oder weniger überlegenen Schelme und Narren, der abenteuernden und liebenden Prinzen oder galanten Ritter, der treuen und lieblichen Heldinnen oder der bösen Seite der Intriganten und Tyrannen, der verworfenen Schönheiten und frivolen Schäferinnen an. Die religiöse Antithese von Gerechten und Sündern fand sich in der höfischen Idealität in unzähligen Variationen wieder. Bei der Entwicklung der Sprache spielte der Hof der Frühen Neu- Hof-Sprache und zeit desgleichen eine beträchtliche Rolle. Man wird dabei nicht in erster " F u r s t e n d c u l s c h Linie das 16. Jahrhundert im Auge haben, wo trotz allen Strebens nach einer normierten Schriftsprache in den Offizinen noch zumindest fünf Schriftdialekte Verwendung fanden, dann aber, gestärkt durch Luther, das Mitteldeutsche Gewicht erhielt, sondern an das 17. Jahrhundert, wo neben der sich, dank Opitz, Buchner und deren Schülern, festigenden Schriftsprache ein sog. „Fürstendeutsch" entstand. Die Adaption französischer Kultur bewirkte, daß die Hofsprache sich mit französischem Sprachgut anreicherte und alsbald ganz zum Französischen überging. Wie zur Zeit des Humanismus das Lateinische, das im übrigen bis ins endende 17. Jahrhundert (und darüber hinaus) die Sprache der gebildeten Elite und der Wissenschaft blieb, schuf das Französische einerseits Distanz zum Volk, drang aber andererseits - hier durchaus vergleichbar der Rechtssprache mit ihren zahlreichen Latinismen - in die Hochsprache, ja selbst in die Dialekte ein. Der Hofbeamte Weckherlin monierte diese Sprachmixtur 1619 mit den Versen: Ihr mischet Teutsch, Welsch und Latein, (Doch keines rein) Ewern verstand nicht zulang zu verhüten: Vnd sagt mir zu witziger schmach, Das ich verdörb die Teutsche Sprach, Weil ich nicht mag frembde wort (wie ihr) quählen. In sämtlichen Bereichen des barocken Gesellschaftslebens von der Kleidung, der Schönheitspflege bis zu den Tafelsitten, Vergnügun-

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Der Hof als gen und Lustbarkeiten, Tänzen und Spielen, Künsten, Möbeln und arLemnstanz c hitektonischen Details wirkte der Hof „tonangebend" und sprachnormierend. Hinzu kam, daß die vom Adel gepflegte floskelreiche, mit Komplimenten durchsetzte, in ihrer bombastischen Aufblähung artifiziell wirkende Sprache, die zudem in ihren devoten Anredeformen das höfisch-absolutistische System feinsinnig kommentierte, als feines Parlieren in weitere Volksschichten ausstrahlte, wogegen besagte Sprachpuristen, einschließlich der Sprachgesellschaften und Poetenklubs mit ihrer bewußten Pflege und Normierung der Muttersprache vorzugehen suchten. Es waren allerdings vornehmlich Gelehrte, die an Höfen und nicht an Universitäten tätig waren (Opitz, Leibniz, Gottsched), die sich hier hervortaten. „So ist Neuhochdeutsch ein Geschöpf nicht des ostdeutschen Volksbodens, sondern des absolutistischen Fürstenstaates ... Die deutsche Schriftsprache begibt sich unter den Schutz und den Schatten der Krone; sie wird noch einmal höfisch" \A. Schirokauer in: Dte. Philologie im Aufriß I, 21957, Sp. 917/18; 3 6 9 : C O H N ] , Die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert leitete einen Wandel der Moden in Stil und Geschmack ein; er begann dort, wo die barocke Kultur ihren Ausgang genommen hatte: an den Höfen. Dem Vorbild Frankreichs auch hier folgend, huldigten die sog. Hofdichter der Übergangszeit einer Temperiertheit des Gefühls, bei der die barocke Sprachtrunkenheit in serviler Devotion und Platitüde unterging. Der Weg von der Persiflage höfisch barocker Lebensart zur dezidierten Ablehnung war nicht weit. Frührationalismus und Aufklärung hatten, weit über ihre ideengeschichtlichen Implikationen hinaus, eminente soziale Folgen: Ihr „Publikum" war nicht mehr der Hof, sondern die „bürgerliche Gesellschaft". Aufklärung als Bildungsmacht entwickelte sich ohne aristokratische Vorbehalte.

6.7 Feste Feste und

Höfische Feste, die sich um Theater- und Opernaufführungen gruppiezu denen aber auch Familienfeierlichkeiten und „Lustbar-

Lustbarkeiten r e n m o c h t e n , als Konstanten höfischer Kultur

keiten" wie Bälle und Maskeraden, Feuerwerke, Schlittenfahrten, Schiff-Fahrten, Turniere und Spiele der verschiedensten Art zählten, gehörten wesensmäßig zur adligen Kultur der Frühen Neuzeit. Ihr Zweck war ein doppelter: Vordergründig boten sie einer - mehr oder weniger - müßiggängerischen, jedenfalls nicht unmittelbar erwerbstätigen Bevölkerungsschicht Amüsement und Kulturgenuß und gaben einer nicht vom Arbeitsrhythmus bestimmten Tages-, Wochen- oder Jahresplanung ein festes Gerüst. Hintergründig stellten höfische Feste sub-

6. Kunst, Wissenschaft und Plaisir

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tile Ausdrucksformen adliger Ideale, absolutistischer Herrschaftsprinzipien und Sinnstrukturen dar. Sie stärkten die Funktion des Hofes als Macht- und Aktionszentrum, gewährleisteten eine Repräsentation des Herrschers, die bis zur triumphalen Apotheose reichen mochte, und versinnfälligten ein Moralgefüge, in dem Religion und Glaube, ethischer Anspruch und das Gefühl sozialer Auserwähltheit sich mit Luxus, Pracht und Verschwendung paarten. In den Burgen des Mittelalters und den Schlössern der Renaissance waren Feste zwar üblich, doch nicht lebensbestimmend. Die Architektur folgte den Gesetzen sicheren Wohnens und zweckmäßigen Wirtschaftens. Zweck des barocken Schlosses hingegen war das Fest, dessen Kern der Festsaal. Während im 16. und beginnenden 17. Jahr-

Intimität und Exkiusivitat der barocken Hof-Feste

hundert Feste noch vorwiegend auf den Schloßplätzen stattfanden, zog das barocke Fest sich mehr und mehr zurück in die Intimität eigener Räume, der Ballsäle, Theater oder doch wenigstens der Hofgärten. Die Aura der Exklusivität, die das höfische Fest zu umgeben begann, erzwang den Ausschluß des einfachen Volkes. Die relativ wenigen Zugelassenen, Hofadel und Beamtenschaft, wußten um den Wert des privilegierten Einlasses. Desgleichen wandelte sich in bewußter Absetzung zum Tagesab- Diskrepanz zwichen lauf des Volkes, dann aber auch mit Rücksicht auf bauliche Gegeben- ?bürgerlicher höfischer und Zeitheiten und Beleuchtungsmöglichkeiten im Verlauf des 17. Jahrhunderts nutzung die Fest-Zeit. Ehedem am Tage stattfindende Vergnügungen wurden häufig auf den späten Abend oder in die Nacht verlegt (Bälle, Opern, Feuerwerke). Ein Zeitgenosse schrieb dazu 1739: Die Hofleute verändern die Ordnung der Natur, indem sie aus dem Tage Nacht und aus der Nacht Tag machen, wenn sie nämlich zur Ausübung ihrer Lustbarkeiten wachen, da andere Menschen schlafen, und her nach zur Wiedererlangung ihrer durch die Wollüste verlorenen Kräfte schlafen, da andere Menschen wachen und die Geschäfte ihres Berufs verrichten. [Ludwig E. v. Faramond; Zitat Nr. 358, S. 38] Der höfische Alltag wurde so im Laufe der Zeit zur Abfolge eines Hof-Alltag als Festzyklus, quasi zu einem „ständigen Fest". „In der höfischen Welt ist " s t ä n d l g e s " F e s t jeder Raum Festraum und alle Zeit Festzeit. Das höfische Leben ist totales Fest." Was RICHARD ALEWYN [358] in großartiger Analyse des barocken Festes verallgemeinernd zuspitzt, traf auf viele, freilich nicht alle Höfe der Frühmoderne zu. Höfische Festprogramme variierten entsprechend der Größe der Höfe, der finanziellen Möglichkeiten und der persönlichen Disponiertheit der Regenten. Sie waren im preußischstrengen Berlin von anderer Art als am kunstsinnigen wittelsbachischen Hof eines Ferdinand Maria und seiner hochgebildeten sa-

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Unvereinbarkeit von Festinflattonind qualitätsvoller Administration

Symbolträchtigstes

I. E n z y k l o p ä d i s c h e r Ü b e r b l i c k

voyischen Gemahlin Adelheid, am Kaiserhof in Wien anders als in der eher bescheidenen Hofhaltung eines kleinen Grafen-Hofes. Gleichwohl konnte die Verstetigung der Feste am barocken Hof so weit gehen, daß Regent und Hofbeamte kaum noch Zeit für Staatsgeschäfte und Verwaltungsbelange fanden. Trotz eines sich perpetuierenden absolutistisehen Anspruchs stand der Zeitaufwand zur Erledigung der Dienstoftmals im umgekehrten Verhältnis zu demjenigen, den ein ausuferndes Hofleben erforderte. Die unheilvolle Symbiose von ständig e m festlichen delectare und politischem dilettare setzte Kräfte der Kritik frei, die ä la longue zum Untergang der absolutistischen Staatsform führten [167: W I N T E R L I N G ]. Als das edelste höfische Fest galt das Turnier, das in der Renaisromantische Wiedergeburt erlebte. Obwohl nach der Erfin-

h o f i s c h e s Fest: s a n c e s e i n e das Turnier

dung des Schießpulvers seines ursprünglichen Charakters als Kampfspiel beraubt, nährte ein kurioses Gemisch aus ritterlichem Idealismus, romanhafter Phantasie und Reminiszenzen an Kreuzfahrer und Argonauten eine neue Mythologie, die zu den färben- und formenprächtigsten Ausformungen pseudo- und paramilitärischer Darstellungen führte. Turniere der Frühen Neuzeit dienten nicht mehr der Rangbestimmung, sondern trugen Züge eines sportlich-freien Wettkampfes. In diesem Sinne auch war nicht Mut die gefragteste Tugend, sondern Geschicklichkeit. „Sachziele" galt es zu erobern, etwa im „Ringelrennen" bei voller Karriere einen Reigen abzuheben. Die vielfach breit ausgespielte galante Werbung um die Dame griff den mittelalterlichen Minne-Topos auf und gab dem Turnier eine auch vom Bewegungsablauf her gefälligere, dem Ballett nicht unähnliche feminine Note (RoßBallett). Trotz der allgemeinen Duell-Hysterie jener Zeit wandelte sich das Kampfspiel zum Schauspiel, der Ritter zum Kavalier. Paraden der Hofgesellschaft

Neben dem Turnier waren es vor allem die triumphalen Einzüge ¡ n Residenzstädte, Kirchen und Schlösser, die das soziale System Hof nach außen präsentierten und der gesellschaftlichen Hierarchie Ausdruck verliehen.Aufsteigend in seiner Prächtigkeit zu Regent und Regentin, die in kostbaren Kutschen sich huldvoll den akklamierenden Zuschauern präsentierten, umfaßte ein Zug auch die in Uniformen und Livreen gekleideten Diener, Garden, Musikanten, Narren, Mohren, Turnierreiter, Herolde, Hofchargen und Hofräte der verschiedensten Positionen, deren Kleidung, Schmuck und Bewaffnung, zusammen mit der Anzahl der Pferde und Kutschen, den ihnen eigenen Hof- bzw. Staatsrang bekundeten. Triumphzüge dieser Art, italienisch Trionfo, französisch Triomphe, zu deren Anlaß nicht selten eigene, motivisch

6. Kunst, W i s s e n s c h a f t und Plaisir

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ausgestaltete „Triumphpforten" und Tribünen errichtet wurden, leiteten sich aus antiken Vorbildern ab. Paraden der Hofgesellschaft, wie sie die beschriebenen Einzüge Tafelzeremoniell darstellten, fanden in ihrer aufwendigsten Version bei großen Feierlich- ^ ^ ¡ , ' s c h e keiten statt. Der sakrale Charakter, der ihnen eignete, ging weit über das Maß würdevoller Selbstdarstellung und angemessener Festlichkeit hinaus. Latente Bezüge zu liturgischen Handlungen, die sich im übrigen auch im Tafelzeremoniell beim öffentlichen Speisen an hohen Feiertagen nachweisen lassen, erzeugten durchaus erwünschte Assoziationen zu biblischen Gegebenheiten und ließen die Grenzen zwischen säkularem Anlaß und religiöser Überhöhung fließend werden. Der Instrumentalisierung von Religion und Glaube zum Zwecke persönlichen und dynastischen Vorteils entsprach in etwa diejenige von Moral und Ethik in Literatur und Kunst. In beiden Fällen gelang die Schaffung eines quasi sakrosankten Raumes, in dem Kritik als Blasphemie gegolten hätte. Daß religiöse wie moralische Realität bei Hofe durchaus nicht immer diesen hohen Idealen entsprach, blieb dem Volk lange Zeit verborgen. Festlichkeiten der geschilderten Art pflegten vielfach mit einem Feuerwerke Feuerwerk zu enden. Barockfeuerwerke waren nicht, wie heute üblich, Höhenfeuerwerke, sondern nahe am Boden angesiedelte Lichtschauspiele, die eine Geschichte erzählten, im Gegensatz zu den sonstigen Schauspielen jedoch einem breiteren Publikum zugänglich waren. Sie verzichteten weitgehend auf Pfeif- und Knallgeräusche, waren statt dessen traditionell mit Musik unterlegt. Georg Friedrich Händel hat wohl die berühmteste Feuerwerksmusik geschrieben. Welche anderen Lustbarkeiten die sprichwörtliche Langeweile Potpourri bei Hofe vertreiben halfen, beschrieb Friedrich C. v. Moser 1754 in sei- h o f i s c h e r F e s t e nem „Teutschen Hof-Recht". In alphabetischer Auflistung, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, führte er aus: Bauern-Wirtschaften und Hochzeiten, Carneval-Fasching, Caroussels, Feuerwerke, Fischer-Stechen, Götter-Aufzug, Jahrmärkte, Illumination, König-Spiel, KopfRennen, Lust-Lager, Maskeraden, Nachtrennen, Oper, Redouten, Schäfer-Reigen, Scheiben-Schießen, Schlitten-Fahrten, Spiele, Tanz, Turniere. Unter dem Stichwort Spiele wurde die meistgeübte abendliche Höfische Spiele Freizeitgestaltung bei Hofe subsumiert. Neben dem Schachspiel, das in adligen Kreisen viele passionierte Freunde hatte, zählten dazu alle Arten von Brettspielen, auch Kartenspiele, wie das berühmte „PochSpiel" oder das „Tarock", dem auch die Damen der Gesellschaft huldigten. In aufwendiger Aufmachung und z. T. symbolträchtigen Bezü-

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I. Enzyklopädischer Überblick

gen zur höfisch-absolutistischen Gesellschaft galten Brett- und Kartenspiele - wie im übrigen auch Billard, das in Ludwig XIV. seinen Meister gefunden haben soll - als harmlose, moralisch nicht anstößige Vergnügen. Würfelspiele hingegen waren als Hasard- und Glücksspiele verpönt, wurden aber dennoch gespielt.

6.8 Jagd

Jagd als fürstliches Statussymbol

Jagdkritik

Die Jagd zählte nicht eigentlich zu den höfischen Festen, aber doch zu den sehr typischen und exzessiv gelebten höfischen „Lustbarkeiten", und sie hatte auch eine praktische und ökonomische Komponente. Sie war erst im Spätmittelalter zum ausschließlichen Privileg einer Minderheit - des höheren und niederen Adels - geworden und als solches bis ins 16. Jahrhundert hinein, etwa während der Zeit der Bauernkriege 1524/25, nicht unumstritten. Im weiteren Verlauf der Frühen Neuzeit wurde die hohe Jagd exklusives Recht des Landesherrn, gelegentlich auch der mediatisierten Grafen und Ritter, wohingegen die niedere Jagd dem Grundadel zustand. Wiewohl Statussymbol erster Ordnung wurde das Jagdvergnügen n j c h t n u r ¡ n den einschlägigen „Jägerpractica", sondern auch in Staatsschriften, Lexika, Hofkalendarien, ja sogar in Testamenten des 16. bis 18. Jahrhunderts als Übung des Leibes, Ernährerin der Gesundheit, Gemütserquickung und Feindin des Müßiggangs beschrieben (aus „Georgica curiosa" des Wolf H. von Hohberg, 1582). Der Landgraf Philipp von Hessen (f 1567) erklärte gar das Überleben der Tiere bei der Sintflut auf der Arche Noah als „göttliches Jagdgebot". Machiavelli äußerte in seinem „II Principe" die Vermutung, daß das Weidwerk die beste praktische Übung für den Krieg darstelle, da der Fürst seinen Körper auf diese Weise an Beschwerden gewöhne (Kap. 14). Jagd als praeludium belli, als Einübung in Kriegshandwerk und Ritterlichkeit, gehört als Rechtfertigungsmuster einem feudalen, patriarchalisch geprägten Gesellschaftsverständnis an, dem Kritiker aus unterschiedlichen Motiven widersprachen. Luther etwa argumentierte vom Standpunkt des Sozialrevolutionärs aus und monierte, daß die Fürsten „mit ihren vielen unmäßigen Jagden die armen Leute beschweren ... derohalben wird endlich der Türke oder ein anderer Jäger kommen, der den deutschen Fürsten beyde die Netze und die Spieße, so sie in der Jagd gebrauchen, mit Gewalt aus der Hand nehmen wird [Werke, WA 43, 1912, S. 411], Der aufgeklärte Preußenprinz und spätere König Friedrich II. sah in der Jagd eine Sünde wider den Geist. Im „Anti-Machiavell" 1741 schrieb er: Das Weidwerk ist eines jener sinnlichen Ge-

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nüsse, die dem Leibe stark zu schaffen machen, dem Geiste aber nichts geben; eine Leibesübung und Gewandheit im Morden des Wildes, eine fortgesetzte Zerstreuung, ein geräuschvolles Vergnügen, das die innere Leere ausfüllt, die Seele aber für jeden anderen Gedanken unempfänglich macht... Fürsten haben wirklich andere Obliegenheiten: sie sollen vor allem etwas lernen, sollen Kenntnisse erwerben und die Gewandheit, zusammenhängend zu denken [41], Höfische Großjagden der verschiedensten Art verführten nicht Höfische nur zu übermäßiger Wildhege, zu Flurschäden und strengen bäuerli- J agden chen Jagdfronen, sie hielten die Regenten auch wochenlang von ihren Regierungsgeschäften fern. Bei Duodezfürsten geriet das Jagdvergnügen nicht selten in den Geruch einer Ersatzhandlung, allerdings einer äußerst kostspieligen, da damit häufig ein Orts- und Haushaltswechsel verbunden war. Nahezu sämtliche Dynastien ließen sich Jagdschlösser errichten, die, innerhalb oder in der Nähe großer Forsten gelegen, heimischen Wohnluxus gewährleisteten. Kosten, die darüber hinaus die personalintensive Jagdverwaltung verursachte, einschließlich des „Jagdrates", dem die Organisation der Jagden oblag, ließen sich durch den Verkauf der Beute oder entsprechende Einsparungen bei Verwertungen derselben in der Hofküche in keiner Weise decken. Hinzu kamen Zucht und Haltung von Jagdpferden, Jagdhunden und Falken bzw. deren Ankauf. Der englische Hof z.B. war als Lieferant von Jagdhunden berühmt, vom Königsberger Hof bezogen im 16. Jahrhundert nahezu alle europäischen Königshöfe Falken, auch die feindlichen Habsburger. Mit der Einführung des Feuergewehres als Jagdwaffe Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte sich aus der „Fangjagd" die „eingerichtete Jagd". Das Wild wurde in einem abgesperrten Bezirk dem ranghöchsten der anwesenden Jagdherren zugetrieben. Treibjagden gewannen gleichzeitig an Attraktivität, da sich nun riesige Mengen Niederwild erlegen ließ. Parforcejagden, so beschreibt Zedier sie 1740 [Bd. XXVI, 856], waren das eigentlich „königliche Vergnügen", setzten sie doch große Ländereien voraus, die dem einfachen Edelmann in dieser Größenordnung niemals zur Verfügung standen. 6.9 Höfische

Luxusindustrie

Im Umkreis großer deutscher Höfe wirkten Seidensticker, die ihr kostbares Warenangebot auf den distinguierten Geschmack ihrer anspruchsvollen Kundschaft hin ausrichteten. Chinesische oder venezianische Seide zählte seit dem 15. Jahrhundert zu den begehrtesten Lu-

Seide

Groß-

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Seidenmanufakturen

Porzellan

Das „weiße Gold"

I. Enzyklopädischer Überblick

xusgütern im Reich. Dekorative Seidenstoffe fanden nicht nur in der Mode Verwendung, sondern ebenso als komfortable Wandbespannung und kostbarer Mobiliarbezug. Nachdem im 16. und frühen 17. Jahrhundert die französische Seidenindustrie um Lyon in bezug auf Qualität und Ansehen die führende Rolle in Europa und damit das Preisdiktat übernommen hatte, entschlossen sich deutsche Kaufleute und auch Fürsten, sich von teurer Importware freizumachen und eigene Manufakturen zu gründen. Insbesondere nach der Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden in mehreren deutschen Residenzstädten, so u. a. in Wien, München und Dresden, „Seidenmanufakturen" oder „Seidencompanien", in denen vor allem Handwerker aus Italien und Frankreich, hier vor allem Hugenotten, ihre einschlägigen Kenntnisse nutz- und gewinnbringend weitergaben. Der soziale Aspekt, ärmeren Klassen Arbeit zu verschaffen, der als legitimierendes Movens nicht nur diesen, sondern auch den sonstigen Manufakturgründungen des Merkantilismus vorgeschaltet war, entsprach damit nur der halben Wahrheit. Fachkräfte aus dem Ausland erwiesen sich zumindest in der Anfangszeit der Betriebe als unentbehrlich. Wie Seide so zählte auch Porzellan zu den höfischen Luxusgütern, deren Herstellung im eigenen Land zunächst am Fehlen der notwendigen Kenntnisse scheiterte, deren heimische Produktion aber nach langwierigem, unter dem Druck fiskalischer und prestigeorientierter Gesichtspunkte zu guter Letzt arg forciert betriebenem Experimentieren schließlich gelang. Deutsche Regenten trugen im 16. und 17. Jahrhundert umfangreiche Sammlungen chinesischen Porzellans zusammen, das sie großteils direkt, d. h. vor allem über die niederländische Vereinigte Ostindische Kompagnie, aus China bezogen. Im 18. Jahrhundert, dem eigentlichen „Zeitalter des Porzellans", gehörten Porzellankabinette geradezu zum Standard eines fürstlichen Schlosses. Chinoiserien in allen Variationen waren große Mode. Die Nachfrage nach dem „weißen Gold" konnte vor allem dann kaum noch befriedigt werden, als mit dem aufkommenden Genuß von Tee, Kaffee und Schokolade gegen Ende des 17. Jahrhunderts Porzellan mehr und mehr „Gebrauchsgeschirr" wurde. Trotz fieberhaften Forschens und Suchens in ganz Europa, in Italien z.B., wo man sich nach der Herstellung des kaolinfreien Medici-Porzellans dem Geheimnis unmittelbar auf der Spur wähnte, in den Niederlanden, wo die große Fayencemanufaktur von Delft wenigstens die blaue Bemalung übernommen hatte, am Münchner Hof, wo der große Naturforscher, Arzt und Kameralist J. J. Becher (t 1682) von Kurfürst Ferdinand Maria zu den

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

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zweifelhaftesten Experimenten verleitet wurde, reichte es zunächst nur zu Annäherungen in Form von „Beinglas" (Opalglas) oder dem Porzellan ähnlichen Keramikprodukten. Die Erfindung des europäischen Porzellans gelang schließlich 1708 J. F. Böttger ( t 1719), der am Hofe Augusts des Starken wie ein Gefangener gehalten worden war, um die Ergebnisse, die ihm zusammen mit dem Physiker Graf E. W. von Tschirnhaus ( t 1708) gelungen waren, die aber lediglich zur Erfindung des marmorierten und roten Böttgersteinzeugs geführt hatten, weiter zu verbessern. 1710 wurde unter Böttgers Leitung auf der Albrechtsburg in Meißen die erste europäische Porzellanmanufaktur eröffnet, die dank technischer Verbesserungen und künstlerischer Weiterentwicklung insbesondere unter J. G. Höroldt und J. J. Kändler - Maßstäbe für alle weiteren europäischen Porzellanmanufakturen setzte. Diese entstanden in rascher Folge, als trotz strengster Sicherheitsvorkehrungen sog. „Arkanisten", aus Meißen geflohene Porzellanmaler, das Meißener „Arcanum" an andere Höfe verrieten. Die Wiener Porzellanmanufaktur, 1718 zunächst als Privatunternehmen gegründet, 1744 von der Krone übernommen, verdankte ihre Existenz ebenso Meißener Flüchtigen wie die vom Mainzer Kurfürsten protegierte, 1746 in Höchst eingerichtete Porzellanfabrik oder die Berliner Gründung, die sich nach dem Kauf durch König Friedrich II. 1763 „Königliche Porzellanmanufaktur Berlin" nannte. Bayern besaß seit 1747 eine Porzellanmanufaktur, die 1761 vom Jagdschloß Neudeck/Au nach Nymphenburg verlegt wurde. Neben diesen großen Unternehmen bestanden zahlreiche weitere, oft nur kurzlebige: Fürstenberg (1747), Frankenthal (1755), Gotha (1757), Ludwigsburg (1758), Ansbach (1758), Ottweiler (1763), Fulda (1764), Kassel (1766), Rauenstein (1783) und andere mehr.

Porzellanmanufakturen

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung 7.1

Architektur

7.1.1 Das Renaissanceschloß in Italien und Frankreich Im späten 15. und ganzen 16. Jahrhundert dominierte in Italien und italienische Frankreich ein Palast- und Schloßbau, der in der Literatur als „propor- A d e l s P a , ä s t e tionierter Renaissancestil" umschrieben wird und den Forderungen der Architekturtheoretiker der Zeit durchaus entsprach. Vorbild dieses Gebäudetypus' waren die Adelspaläste in Florenz, die, aus den Häuserfluchten ausgeklammert und damit den Abstand der Aristokratie zum

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I. Enzyklopädischer Überblick

Bürgertum betonend, sich als Vierflügelanlagen mit Arkadenhof präsentierten. Ähnlich konstruierte Paläste und Kastelle befanden sich in R o m , Venedig, Padua und Mailand sowie in anderen norditalienischen Republiken. Was sich in Italien an durchaus gemäßigt fortifikatorisehen Elementen dieser Bauweise nachweisen läßt, trug in Frankreich deutFranzösische lieh monumentalere und wehrhaftere Züge. Eindrucksvollstes Beispiel Renaissanceschlösser

ist der Louvre in Paris, dem ebenbürtig zu sein wohl nur der spanische Escorial, 1563-1584 in der Nähe Madrids errichtet, in Anspruch nehmen darf. Französische Renaissanceanlagen waren in realistischeren Dimensionen geplant, führten aber dennoch ihre typisch hohe Dachung über Flügel und Pavillons; sie waren mit Ecktürmen und Wassergräben versehen und ließen sich selten in vertretbarer Bauzeit vollenden. A m Louvre etwa wurde von 1546 bis ins späte 17. Jahrhundert gebaut. W i e hier entstanden in Amboise, Blois und Chambord nur einzelne Flügel. Allein Fontainebleau hat Franz I. von Frankreich, der große Renaissance-Schloßbaumeister, in weitestgehender Vollendung erlebt. Der im 16. Jahrhundert wohl berühmteste, auch in Frankreich wirkende theoretische Begründer dieser auf der geometrischen Figur des Rechtecks beruhenden geschlossenen Hofsysteme war der Italiener Se-

Seriio und Paiiadio bastiano Serlio ( t 1554). Die Rekonstruktion antiker Bauelemente in Villen und Palästen, wie sie von ihm vorwiegend theoretisch in umfänglichen Werken und Traktaten, von Andrea Paiiadio ( t 1580) dann in praxi vorgenommen wurde, verband sich idealiter mit der Rezeption stoischer

Lebenslehre

und

römischer

Kultur.

Neostoizismus,

im

deutschsprachigen Bereich über die Vermittlung von Lipsius ( t 1606), und „Palladianismus" beeinflußten Denken und Bauen sowohl der protestantischen wie auch der katholischen Landesherren im Deutschland jener Zeit wesentlich.

7.1.2 Von der Burg zum Schloß im Deutschen Reich Deutsche Architek-

Die prinzipiell andere Wohnsituation des deutschen Adels, der, im Ge-

turtheorenker der g e n s a t z

z u m

stadtsässigen italienischen, großteils landsässig war, ließ

eine Rezeption romanischer Architekturtheorie und eine Adaption entsprechenden Bau- und Wohnstils erst mit deutlicher Verzögerung und mit nicht zu übersehender Abschwächung zu. Deutsche Architekturtheoretiker wie Wendel Ditterlin ( f 1599) („Architectura", 1593/99) und Josef Furttenbach ( t 1667) („Architectura civilis", 1628 f f . ) blieben trotz weitgehender Anlehnung an ihre italienischen und französischen Vorbilder auffallend blaß oder, man denke an Elias Holl ( f 1646), sehr

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

63

pragmatisch ausgerichtet. Überhaupt verkürzte der Gedanke an das Praktische originellere Höhenflüge rasch auf das realisierbare Maß. Nachdem mit Fehdeverbot und Söldnerheer wichtige Voraussetzungen für eine „Entmilitarisierung" des Adels gegeben waren, ihm andererseits die rasche Entwicklung territorialstaatlicher Mechanismen neue Aufgaben erschlossen und eine sozio-kulturelle Assimilierung abverlangten, war der Zug von der wehrhaften Burg ins repräsentative Schloß nicht nur eine Frage anspruchsvolleren und bequemeren Wohnens, sondern auch eine des politischen Kalküls. Die Ritterburg hörte Von der „Wehrburg" auf, architektonisches Symbol adlig-fürstlicher Macht zu sein; der nach zu,™ " R e s i d e n z schloß

italienischem Vorbild errichtete Stadtpalast, das Stadtschloß, zeugte fortan als bauliche Metapher von politischer Potenz. Die Fürsten-Residenz trat ins Zentrum des Staates, wurde Mittelpunkt für Verwaltung, Wirtschaft, Kunst und Bildung. Im Zeitalter der Renaissance, vor allem vom späteren 16. Jahrhundert an, zog der deutsche Adel endgültig vom Berg in die Stadt. Fürsten und Grafen - wie die Pappenheimer - tauschten den Burgberg mit dem Stadtschloß, Fürstbischöfe - so diejenigen von Würzburg - verließen ihre Zwingfesten und ließen sich in Stadtresidenzen nieder. Residierte man bereits in der Stadt, schuf man sich alternative Paläste, in deren Architektur der archaisch-kubische Festungscharakter wenn nicht gänzlich verschwand, so doch deutlich hinter architektonisch gliedernden, die Fassaden betonenden Stilelementen zurücktrat. Bedeutende R j Renaissanceschlösser entstanden im Deutschen Reich zunächst in Prag schlösser e n a

Schloß Aschaffenburg

(1605-14)

s s a n c e

_

64

I. Enzyklopädischer Überblick

(Belvedere, Lusthaus), später in Neuburg/Donau, Landshut, Aschaffenburg, Heidelberg, Plassenburg, Augustusburg (Chemnitz), Babenhausen, Stuttgart (Lusthaus), Göppingen, Weikersheim, Weilburg, Ambras, Spittal, Brixen, München, Detmold, Baden-Baden, Eichstätt (Willibaldsburg) und Wolfsburg, um nur einige zu nennen. Neben so begehrten ausländischen Bauleitern wie Sustris (t 1599) und Giovanni della Strada (t 1605) machten sich als bedeutende deutsche Architekten im 16. Jahrhundert Rambout Keldermans ( t 1531), Franciscus Parr (t 1580), Aberlin Tretsch ( | 1577), Heinrich Schickhardt (t 1634), Georg Riedinger ( t 1616), Johannes Schoch (t 1631), Kaspar Weinhart (t 1597) und Elias Holl einen Namen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ließen Kriegswirren und - damit einhergehend - materielle Not größere repräsentative Schloßund Palastbauten kaum zu. Die Palais Waldstein und Czernin in Prag, das Residenzschloß in Gotha, Wolfegg in Schwaben, Bad Homburg vor der Höhe und die Residenz in Osnabrück gehören zu den Ausnahmen. Ohnehin begann die Zeit der Renaissancearchitektur sich ihrem Ende zuzuneigen. Geschlossene Vierflügelanlagen bestimmten fortan zwar noch das Bild von Klöstern und Spitälern, wurden bei Profanbauten aber selten.

Vom „ L o u v r e t y p u s " zum

„ Versaillestypus

7.1.3 Das Barockschloß Dominierten im Deutschen Reich des 16. und 17. Jahrhunderts im Schloßbau italienische Einflüsse, so setzten sich im späteren 17. und 18. Jahrhundert hier wie andernorts französische Stilelemente durch. Der „Louvretypus" in seiner kastellartigen Geschlossenheit wich dem „Versaillestypus" mit seiner fassadenbetonten Offenheit. Protagonisten der neuen französischen Schloß-(und Garten-)Architektur waren vor allem André de Nòtre (t 1700), Louis Le Vau (t 1670), Charles Le Brun (t 1690) und Jules Hardouin-Mansart (f 1708). Mächtige Vierflügelanlagen blieben den „Hochburgen" des Absolutismus vorbehalten, so der Wiener „Hofburg", dem Berliner „Stadtschloß", der Münchner „Residenz". Sie verkörperten das Selbstbewußtsein eines sich mehr denn je konsolidierenden Staates. Die Münchner Residenz etwa wurde durch Maximilian I. nach Erhalt der Kurwürde durch ein System von Binnenhöfen und Trakten als Schloßanlage systematisch ausgebaut. Auch die bis dahin aus drei kastellartigen Vierflügelbauten (Schweizerhof, Stallburg, Amalienburg) bestehende Wiener Kaiserresidenz faßten ergänzende Zubauten vom letzten Drittel des 17. Jahrhunderts an zu einem regelrechten Hofsystem zusammen („Reichsarchitektur"). Ob der so entstandene Bau-

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

65

typus an die altrömischen Kaiserpaläste (Palatin) anzuschließen trachtete, die wie die Domus Aurea Kaiser Neros ganze Stadtteile umfaßten, oder ob er in der Nachwirkung der Louvre-Tuilerien-Konzeption stand, muß dahingestellt bleiben. In der Gunst barocker Bauherren dominierte ohnehin der „Versaillestypus", der sich vom Vierflügelbau prinzipiell durch seine einachsige Symmetrie unterschied. Die dreiflügelige Ehrenhofanlage von Versailles wurde zum Symbol absoluten Herrschertums schlechthin; die Dislozierung von Hof und Regierung aus der Enge der Metropole hinaus in die Weite des Landes leistete der Absolutsetzung des Königtums wesentlich Vorschub. Das Barockschloß gruppierte sich in der Die dreiflügelige Regel idealtypisch um den in der Hauptachse liegenden Festsaal, der, ^ h r e n h o f a n ' a p als,

Reprasentanzbau ac

wie die weltberühmte, oft kopierte Galerie des Glaces in Versailles, nicht nur für Festlichkeiten genutzt wurde, sondern wie alle Galerien in den Hotels, Palais und Schlössern als Durchgangsraum zwischen den Gemächern des Königs und der Königin in den beiden Seitenflügeln sowie als „Spaziersaal" diente, wo die Höflinge ihre Aufwartung machten. Das im Renaissancepalast noch weitgehend ungeordnete Raumgefüge zeigt sich im Barockschloß ersetzt durch eine funktionale Raumordnung, dem die architektonische Symmetrie korrespondierte. Konsequenterweise verschwand die Gleichwertigkeit der Geschosse, wie sie im 16. und frühen 17. Jahrhundert üblich war, zugunsten einer absoluten Vorrangstellung des 1. Stockwerkes, des piano nobile, mit den Repräsentations- und Wohnräumen des Regentenpaares. Alternativen zu Versailles gab es nur wenige. Man mag das habsburgische Schloß Schönbrunn in Wien nennen, dessen Architekt - Fischer von Erlach - stark vom römischen Sakralbau bestimmt war. Sakraler Kuppelbau und antikisierende Triumphportale finden sich im 17. Jahrhundert im Schloßbau ohnehin des öfteren. Im 18. Jahrhundert pflegte man gelegentlich die Ehrenhofanlage zu einem Forum auszuweiten. Der so gewonnene Schloßplatz konnte dann eine Schloßkapelle, ein Opernhaus, eine Bibliothek oder andere Paläste umfassen. Beispielhaft wurde dies in Berlin vorexerziert, wo das „Friedrichsfor u m " zu einem „Kulturforum" erwuchs und in anschaulicher Weise der Metamorphose des Absolutismus zum aufgeklärten Monarchentum Gestalt verlieh. Als weiterer Kunstgriff, das im Prinzip introvertierte Hofsystem durchlässig und transparenter erscheinen zu lassen, war der Bau von Kolonnadenplätzen und Vorhöfen (Potsdam, Sanssouci), die, wie Berninis römischer Petersplatz, Raum für sich versammelnde Menschenmassen boten.

solutistischer Herrschaft

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I. Enzyklopädischer Überblick

Johann B. Fischer von Erlach: Erster Entwurf für das Schloß Schönbrunn bei Wien; Stich von J.A. Delsenbach (BA Preußischer Kulturbesitz)

Deutsche Architekturtheoretiker und ihre Schloßbauten

Aus der Synthese sich überschneidender Einflüsse aus Italien und Frankreich entstanden seit Beginn des 18. Jahrhunderts im Deutschen Reich e^ne Fülle von Barockbauten, an denen oft mehrere Architekten und Ausstatter, teils etappenweise einander ablösend, teils gleichzeitig arbeitend, die hohen Ansprüche ihrer vielfach verschwenderisch großzügigen Bauherren zu erfüllen suchten. Ein Andreas Schlüter (f 1714), Johann Bernhard Fischer von Erlach ( t 1723), Matthias Daniel Pöppelmann (f 1736), Johann Lukas von Hildebrandt (t 1745), Maximilian von Welsch ( t 1745), Jakob Prandtauer ( t 1726), Georg Wenzeslaus von Knobeisdorff (t 1753), Joseph Effner ( t 1745), François Cuvilliés (t 1768), Johann Dientzenhofer (t 1726) oder Balthasar Neumann (t 1753) erlangten mit ihren Bauten in Berlin und Umgebung (Stadtschloß, Charlottenburg, Potsdam, Sanssouci, Rheinsberg), in Wien (Schönbrunn), Dresden (Zwinger, Palais Taschenberg), Würzburg (Residenz), Pommersfelden, Linz, Hohenbrunn, München (Nymphenburg, Schleißheim, Preysing-Palais), Fulda, in Böhmen und Ungarn weit über die Grenzen des Reiches hinaus Ruhm und Ansehen. 7.1.4 Die Schloßstadt Die theoretische Maxime des Barock respektive des Absolutismus, weitläufige Anlagen zu zwar gestaffelten, aber einheitlichen Baukörpern zusammenzuschließen und der Konzentration aller Fluchtpunkte

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

67

auf die Mitte Gestalt zu geben, zielte in ihrem Extrem auf die Schaffung eigener Schloß-Städte, wie wir sie zum Beispiel in Karlsruhe, Mannheim, Ludwigsburg oder Rastatt verwirklicht finden.

Christian Than: Karlsruhe, Stadtplan von 1739; Stich J.M. Steidlin (Stadtarchiv Karlsruhe)

In Karlsruhe ließ von 1 7 1 5 an Markgraf Wilhelm von Baden-Dur- Karlsruhe lach die barocke Fürstenstadt („Carols-Ruhe") auf einem in engster räumlicher Beziehung zum Schloß stehenden Grundriß erbauen. Das architektonische Programm fand seinen Mittelpunkt im Turm des Schlosses als dem zentralen Sinnbild des Staates, von dem 32 Straßen in strahlenförmiger Anordnung ausgingen. Diese trugen die Namen von Rittern, die dem ebenfalls 1715 gegründeten „Orden der Treue" angehörten. Ein Straßenname blieb dem Markgrafen vorbehalten, der sich damit selbst in das Beziehungsgeflecht einer Staatsmetaphorik einordnete, die das Gemeinwesen fest verankert in der Treue seiner Untertanen verstand. In Mannheim verwirklichte der spätere Winterkönig Kurfürst Mannheim Friedrich IV. von der Pfalz zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Idee einer geometrisch ausgelegten „Festungswohnstatt", die allerdings im

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Ludwigsburg und Rastatt

Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Planungen im späteren 17. Jahrhundert sahen vor, die Stadt als „Tempel christlicher Eintracht" zu strukturieren, die von der Zitadelle „Friedrichsburg" am Rhein beherrscht würde. Diese mit Bastionen umgürtete Stadt ging im „Orleanskrieg" 1689 ein weiteres Mal unter. Schließlich ließ Kurfürst Karl Philipp von 1720 an im Zuge der Residenzverlagerung von Heidelberg nach Mannheim eine pompöse Schloßanlage errichten und das Stadtcorpus mit seinem geometrischen Straßenmuster auf diese ausrichten. Ähnlich sinnträchtige Systeme entstanden in Ludwigsburg und R a s t a tt. Die dort verwirklichten Programme dokumentieren in interessanter Variation die konzeptuelle Zuordnung von Schloß und Stadt durch Übertragung des Symbols der Gnadensonne auf das geographische Weichbild. Hier wie andernorts blieben die städtischen Straßenzüge auf die fürstliche Residenz ausgerichtet, die Stadtbauten gruppierten sich zum Teil in fächerförmigem Halbrund zum Schloßbau. Die reißbrettartigen Anlagen versinnfälligen eindrücklich die Leitfunktion des Hofes, von dem ausgehend - als Brücke zur Bürgerstadt - die Gebäude der Hofleute in Regie ihrer Rangfolge standen.

7.2 Dialektische Verflechtung von Architektur und Gesellschaftsform

I. Enzyklopädischer Überblick

Interieur

Die dialektische Verflechtung von Architektur und Gesellschafts- bzw. Staatsform, wie sie besonders auffällig in Renaissance- und Barockschlossern zutage tritt, setzte sich fort sowohl in der Zweckbestimmung der Räume als auch in deren innenarchitektonischem Ambiente. Nicht nur, daß die künstlerische Ausstattung dort das politische Gewicht des Hausherrn würdigte, auch die Zuordnung von Amts- und Repräsentativräumen zu den diversen Privatgemächern von Fürst und Fürstin, das System von Kabinetten und Antichambres, von Sakral-, Konzert- und Ballräumlichkeiten evozierten die Identifikation von Fürst und Staat, von Hof und Regierung. Verständlicherweise richtete sich das Raumprogramm nach der Größe des Staates und dem Vermögen der Fürstendynastie. Die sich im Laufe der Jahrzehnte mehrenden Staatsgeschäfte und der sich enorm vergrößernde und diversifizierende Hofstaat, der nicht zuletzt in den meisten Fällen zu einer horrenden Verschuldung der Duodezfürsten und nicht nur dieser - führte, verlangte eine ständige Vergrößerung der Schloßanlagen. Bedacht sei in diesem Zusammenhang, daß der Regentin zumeist ein gleiches Raumprogramm zur Verfügung stand wie dem Regenten.

7. H ö f i s c h e S c h l o ß - und Gartengestaltung

69

Bedingt trug die Renaissance-, in jedem Fall aber die barocke Schloßarchitektur der Gleichberechtigung der - regierenden - Frau Rechnung. Sie war nicht in erster Linie Haus-Frau einer vielköpfigen Haushaltung, sondern sie nahm mittelbar, vor allem repräsentierend, an den Staatsgeschäften teil. 7.2.1 Die Räumlichkeiten Aus den mittelalterlich-gotischen Palas-Sälen, den Repräsentationsräumen der Burgen, entwickelte sich im 16. Jahrhundert der flachgedeckte Renaissance-Saal (Spanischer Saal in Ambras/Tirol, Weikersheim, Schloß Dachau, Heiligenberg), der an bautechnisch günstiger Stelle des Schlosses positioniert war. Die großen Festsäle (Mittelsäle) des 17. und 18.Jahrhunderts, verschiedentlich auch als „Kaisersäle" tituliert (Würzburg, München, Innsbruck, Weimar), befanden sich hingegen im Zentrum der Schloßanlage. Deren Illuminierung, Freskierung oder Ausstattung mit allegorischen Gemälden, Skulpturen oder Wandteppichen entsprach dem jeweiligen Zeitgeschmack. Dem Vorbild Versailles mit seinem grandiosen Spiegelsaal nachzueifern gelang nur wenigen. Als zeremonielle Darstellung und Selbstbespiegelung des feudalen Systems bot der Spiegelsaal ein unübertrefflich festliches Ambiente. „Ahnensäle" oder „Ahnengalerien", wie sie in Schlössern des 16. bis 18. Jahrhunderts gleichfalls wiederholt anzutreffen sind, dienten der Zurschaustellung dynastischer Legitimation in Bildfolgen und Stammbäumen. Höfisches Zeremoniell und privates Komfortbedürfnis erforderten eine Hierarchisierung der Gemächer, in Barockschlössern etwa die Einteilung in Grands Appartements (Appartements de parade) für offizielle Belange und in Petits Appartements für private Bedürfnisse, deren jeweilige Zahl und funktionale Bestimmung sich vom 16. zum 18. Jahrhundert hin enorm steigerte respektive differenzierte. Im frühen Barockschloß lagen sowohl die Repräsentations- als auch die Privatgemächer des Herrscherpaares im corps de logis, dem Mittelflügel, wohingegen sie im 18. Jahrhundert für Fürst und Fürstin in symmetrischer Aufteilung, also räumlich weit getrennt, in den Seitenflügeln angeordnet wurden. Das Schlafgemach des Herrschers - in Versailles aus der festen Raumfolge herausgelöst und auf der Mittelachse des Marmorhofes, genau nach Osten, plaziert - wurde zum Mittelpunkt des Herrscherkultes, zum Divinationszentrum, um das sich trabantengleich die übrigen Räumlichkeiten für Hofstaat und Staatsverwaltung gruppierten. Hier fanden die berühmten Zeremonien morgens (leverdu Roi) und abends (coucher du Roi) statt, bei denen der Regent Audienzen gab.

Säle

Kaiser-und Spiegel-

feudalen Systems

Appartements und Kabinette

Hierarchische Lozierun g von G e m ä c h e r n

, .

und Appartements

70

Portale, Toranlagen, Treppen

„Dramaturgie der Treppe"

Kapelle/Hofkirche

I. E n z y k l o p ä d i s c h e r Überblick

Den privaten bzw. offiziell genutzten Appartements oftmals nicht eindeutig zuordnen ließen sich in den Schlössern der Frühen Neuzeit eine Vielzahl kleinerer Räumlichkeiten unterschiedlicher Funktion und Ausstattung. Phantasievolle Benennungen etikettierten diese als Empfangs-, Tee-, Warte-, Gesandtschafts-, Schatz-, Raritäten- und Schauoder einfach Durchgangszimmer genutzten Räume nach Wandfarben, Teppich- oder Kachelmotiven, nach den dort gesammelten chinesischen oder japanischen Porzellanen und Pretiosen, nach Fayencen, Mineralien oder Gemälden, nach Antiken, Silber- und Goldschmiedearbeiten. Unter den Sammelbegriffen Kabinette, Reiche Zimmer, Paradezimmer, Galerien oder ähnliches unterstrichen sie den Charakter der Höfe als Kunstzentren des Landes, bei deren Ausbildung sich fürstliches Geltungsbedürfnis, künstlerischer Sachverstand, sammlerische Leidenschaft und mäzenatische Großmut in trefflicher Weise verbanden. Den eher wehrhaften Charakter, der gotischen Portalen eignete, e r s e t z t e n in Renaissance- und Barockzeiten großzügig proportionierte, vielfach mit Säulen, Statuen und Wappen geschmückte „Triumph-" oder „Ehrenpforten". Sie bildeten das Ende von breit angelegten Auffahrten, auf denen die Kutschen der Anreisenden zum Stillstand kamen, oder das markante Entrée eines Hofes, der unter Umständen nur der königlichen bzw. fürstlichen Familie vorbehalten war. Aus der Baukonzeption frühneuzeitlicher Schlösser schwand immer mehr der Turm, der bei der Burg noch zu den konstitutiven Elementen gezählt hatte. Zwar kannten die Renaissanceschlösser noch Ecktürme (Aschaffenburg), zum Teil auch Treppentürme, in den Barockschlössern dagegen waren diese bis auf Uhr- und Glockentürme gänzlich verschwunden. Hier zählte das imposante, aufwendig gestaltete Treppenhaus mit seiner weit über den praktischen Zweck hinaus ¡ n s Zeremonielle hineinreichenden Bedeutung zu den Meisterleistungen vieler Anlagen (Residenz in Würzburg, Pommersfelden, Brühl, Bruchsal, Schloß Mirabell in Salzburg, Belvedere in Wien). Die Literatur spricht von einer „Dramaturgie der Treppe", in die sich der eintretende Gast durch Usancen protokollgerechten Aufsteigens, Begleitetund In-Empfang-genommen-Werdens eingebunden sah. Durch Brechung der Läufe, Auflösung des Gewändes in Atlanten und anderes Figurenwerk, Wölbung und Lichtführung wurden Treppenhäuser (Treppensäle) in die Rangfolge der Repräsentationsräume einbezogen. Die Schloßkapellen und -kirchen jener Zeit waren weitgehend funktionale, jedoch nicht an zentraler Stelle in den Baukörper integrierte Sakralbauten, die der privaten Religionsausübung der Herr-

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

71

scherfamilie und ihres Hofstaates vorbehalten blieben. Die Loge oder Empore der Herrscherfamilie lag vielfach auf Höhe der Privatgemächer und konnte von diesen aus betreten werden. Stiftergemälde, heraldische Attribute, allegorische Umdeutungen oder hagiographische Anklänge, vielfach sogar der Reliquienschatz ließen Assoziationen an eine besondere heilsgeschichtliche Vorrangstellung der Schloßbesitzer Hofkirche als freien Lauf, wie überhaupt die künstlerische Innenausstattung stark auf Symbolraum dynastischen

Dynastie und Geschlecht abhob und in zahlreichen Symbolen ein Got- Gottesgnadentums tesgnadentum des Fürsten beschwor. Im 18. Jahrhundert verstärkte sich der Drang zum Bau großer Schloß- bzw. Hofkirchen. Als besonders gelungen werden diejenigen Dresdens und Münchens (Theatinerkirche) angesehen. In ihnen konnten Festlichkeiten der Herrscherfamilie wie Taufen oder Hochzeiten mit ungleich größerem Pomp als in den kleinen Kapellen ausgerichtet werden; auch boten sie Platz für Staatsakte wie Krönungen oder große Begräbnisse. Nicht selten dienten sie als Familiengrablege. Das deutsche Hoftheater gilt in der europäischen Schloßge- Hoftheater schichte als Spezifikum, das prägend wirkte auf andere derartige Einrichtungen, etwa in Petersburg oder Moskau. Was die Italiener Serlio und Palladio in dieser Richtung vorgedacht hatten, nahmen deutsche Architekturtheoretiker des 17. Jahrhunderts in ihre Überlegungen auf, wie sie überhaupt Vorgängerbauten in Italien, so das Uffizientheater in Florenz oder das „Teatro Olimpico" in Vicenza als beispielgebend herausstellten, ohne eine sklavisch genaue Nachahmung zu empfehlen. Früh - so Joseph Furttenbach (t 1667) in seiner 1628 in Ulm erschienenen „Architectura Civilis" - plädierten sie für eine Aufnahme von Theatern oder entsprechenden Sälen in das Bauprogramm fürstlicher Paläste. Ob das Theater dabei im Residenzkomplex selbst oder in unmittelbarer Nachbarschaft dazu angesiedelt sein sollte, wurde wiederholt - und durchaus kontrovers - diskutiert. Während die Plazierung im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich gewählt wurde, entschied sich zur Barockzeit, daß dem autonomen - von der Mitte des 18. Jahrhunderts an französisch beeinflußten (Rang-)Opernhaus die Zukunft gehörte und nicht dem - italienisch in- Vom italienischen spirierten - Saaltheater der Renaissancezeit. Im deutschen Reich waren franzosischen " Saa '~ Ttle f ter z u m beide Typen in unterschiedlichster Ausstattung vertreten: Das älteste „Opern-Haus" deutsche Hoftheater, das Kasseler „Ottoneum", wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet. Aus der gleichen Zeit stammt das Heidelberger „Turmtheater". Um 1650 begann der Bau des ältesten selbständigen Theaters, des Salvatortheaters in München, dem eine Vielzahl adliger Opernhäuser folgte, die sich kategorisieren lassen:

72

Logen und Ränge als Spiegelbild der ständiscnen SozialPyramide

Wirtschafts- und Personalräume

I. Enzyklopädischer Überblick

a) als in Schlösser integrierte Bauten: Celle, Hannover (Theater und Oper), Potsdam; b) als Theater in eigenen Schloßtrakten: Dresden (Komödienhaus und Oper), Wolfenbüttel, Ludwigsburg, Mannheim, Schwetzingen, München (Residenz-Theater); c) als freistehende Theaterbauten: Darmstadt, Braunschweig, Erlangen, Berlin (Knobelsdorff/Oper), Bayreuth (Markgräfliches Opernhaus), Stuttgart. Das deutsche Barocktheater zeigt deutlichen Bezug zum antiken Theater mit seinem amphitheatralisch angeordneten Sitzreihen, führte diese aber über das Parterre hinaus in ein nach Rängen gegliedertes Logenhaus weiter. So zum geradezu klassischen Interpretament einer absolutistisch geführten Gesellschaft geworden, gab es selbstredend dem Herrscher und seiner Familie mit einer Fürsten- oder Königsloge die ihm gebührende, alles und alle überstrahlende Ehre. Der 1. Rang war gewöhnlich dem Hofadel vorbehalten, der 2. der höheren Beamtenschaft. Im 3. Rang saßen ehrbare Bürger, im 4. die Bediensteten, soweit den beiden letztgenannten Gruppen der Eintritt überhaupt gestattet war. In der Regel war dies in den freistehenden Opernhäusern der Fall, wohingegen die ins Schloß integrierten Theater meist dem Hofpublikum vorbehalten blieben. Im einen wie im anderen Fall blieb das Volk statistische Zutat, Zaungast eines Spektakels, in dem Leben und Fest ohne eigentliche Grenzen verliefen und das Theater beides in illusionärer Verschmelzung zu neuer Wirklichkeit erhob. Magazine und Küchen, Schlafkammern der Lakaien und Dienstmädchen, Vorrats- und Versorgungsräume waren in den Schlössern der Frühen Neuzeit einander meist funktional zugeordnet und von großer Schlichtheit. Sie blieben von den Repräsentationsräumen in der Regel strikt getrennt. Allerdings erlaubte ein Netz von Gängen, Treppen und Tapetentüren die fortwährende Verfügbarkeit der Dienstboten. Nicht selten auch wohnte ein Großteil des Personals außerhalb des Schloßbezirkes in bescheidenen Domizilen und mußte zur Nachtzeit den Hof verlassen. 7.2.2 Ausstattung und Einrichtung Während das Gros der Untertanen bei wohlkalkulierten Auftritten des Herrschers oder seiner Familie deren ostentative Hulderweise genoß, blieb das Schloßinnere ihm so gut wie versperrt, wenn auch an einigen Höfen (etwa am Kaiserhof) „Audienztage" die Schloßtore für die Untertanen öffneten. Bittsteller, die bisweilen in großer Zahl erschienen, wurden meist am Einlaß oder in dort benachbarten Räumen abgefertigt.

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

73

Das Schloßinnere war vornehmlich auf den höfisch-diplomatischen Verkehr hin ausgerichtet. Der Schloßbesucher war im Regelfall Adliger, fürstlicher Gast, Diplomat oder hoher Beamter, der wiederum entsprechend seinem gesellschaftlichen Rang oder seiner politischen Mission behandelt wurde. Die Räumlichkeiten, die dem einzelnen Besucher zu passieren erlaubt waren und deren Kostbarkeit in Dekor und Mobiliar zu den Herrschaftsräumen hin zunahm, trugen, selbst wenn die intime Privatsphäre überwog, stets auch Repräsentationscharakter. Die kunstvollen Dekorationen der Decken, Wände, Fenster und Böden mit Stuck, Tapeten, Fresken, Gobelins und Bildern, mit Stoffen aus Brokat, Samt, Seide und Spitze, mit eingelegten Hölzern und Teppichen, in denen auch auf vielfältige Weise Symbolisches, Heraldisches, Mythisches oder auch Realistisches wenn nicht die Apotheose des Herrschers oder seiner Dynastie, so doch wenigstens einen elitären Geschmack zeigten, versetzten Höflinge wie Besucher in Staunen. Obwohl nicht selten insbesondere der Wandschmuck mit kostbar bemalten Landschaftstapeten, die den Blick illusionistisch in die Natur hinausführten, rein dekorativen und ästhetischen Zwecken diente, überwog im allgemeinen doch das absichtsvolle staatlich-dynastische Interesse. Allegorien tugendhafter Herrschaft, politischer Klugheit, Gerechtigkeit und Weisheit waren an der Tagesordnung. Doch ebenso wie sich die Dekoration zum bedeutungstragenden Element entwickelte, erwuchsen ihr über den ästhetischen Eigenwert hinaus durch Ikonologie und Emblematik vielfach neue Funktionen als Vehikel fürstlicher Lebenslehre und absolutistischen Staatsverständnisses. Der unmittelbare funktionale Zweck wurde noch am ehesten beim Mobiliar sichtbar. Höfische Gebrauchsmöbel unterschieden sich vom bürgerlichen Mobiliar weniger durch ihre technische Verwendbarkeit als durch hochwertige dekorative Ausstattung. Bestand im Zeitalter der Renaissance noch eine bedingte Gleichwertigkeit adliger und patrizischer Möblierung, so wurden die Unterschiede im Barock signifikanter. Während das bürgerliche Möbel vergleichsweise konservativ blieb, brachte die Umstellung auf Stilformen des Barock dem höfischen Möbel eine neue Physiognomie, die nur noch schwerlich außerhalb des Hofes und von nichtadligen Gesellschaftsschichten kopiert werden konnte. Heimisches Holz, im 16. Jahrhundert noch fast ausschließlich zur Möbelproduktion verwendet, wurde ersetzt durch fremdländisches schwarzes Ebenholz oder Imitate. Schlichte Fassungen und einfache Einlegearbeiten wichen den Vergoldungen und kostbaren Intarsien aus Elfenbein, Perlmutt, Silber oder Alabaster sowie Seidenbespannungen. Das geschnitzte naturfarbene Möbel wirkte dagegen unmodern, bürger-

Intentionen von Dekor und

Mobiliar

Allegorische Pro

grammatik

Hofmobiliar desBarock

74

„Soziologie" des itehens und Sitzens

Das fürstliche Bett

lieh, provinziell. Bis zum Klassizismus folgten Adel und Bürgertum in der Möbelherstellung unterschiedlichen ästhetischen Normen. In den großen Residenzen gehörten fürstliche Prunkmöbel, Meubles d'apparat, zum Signum höfischen Lebensstils und wurden vom Adel auf dessen Schlössern und Sitzen nach Möglichkeit kopiert. Höfische Etikette gab dem Kunsthandwerk genaue Maße und Vorschriften an die Hand - insbesondere was die Sitzmöbel betraf. Je nach sozialem Status war dem Besucher - soweit ihm nicht ohnehin nur devotes Stehen zukam -erlaubt, auf einem einfachen Stuhl ohne Lehne (Stylo Tabouret) Platz zu nehmen, auf einem von mittlerer Qualität mit Rückenlehne (Chaise ä dos) oder einem vornehmen mit Rücken- und Armlehnen (Fauteuil). Andernorts reichte die „Sitz-Hierarchie" vom einfachen Schemel über den gepolsterten Plauderstuhl (Chaise ä bras) zum Sofa. In seiner Nutzung zunehmend an protokollarische Vorgaben gebunden, zeigte sich im Wandel der Zeit auch das fürstliche Schlafgemach. Im 16. Jahrhundert noch ein eher intimer Raum mit Bett und offenem Pfostenbaldachin, entwickelte er sich bis zum 18. Jahrhundert zum großen und wichtigsten Besuchs- und Empfangssalon des Schlosses. Vom prunkvollen Parade- bzw. Thronbett aus wurden Staatsgeschäfte getätigt, Besuche empfangen, Mahlzeiten eingenommen. Aufstehen und Zubettgehen waren zu dieser Zeit längst enttabuisiert und wie nahezu alle menschliche und familiäre Intimität höfischer Publizität geopfert.

7.3 Hofgärten als metaphorische NaturArchitektur

Vom italienischen zum französischen Gartenstil

I. Enzyklopädischer Überblick

Gartenanlagen

Die Gartenanlagen dienten dazu, die Schloßarchitektur ins Freie zu erweitern und einen repräsentativen Außenraum zu schaffen. Nicht um Nachbildung oder geformte Kopie der Natur ging es dabei, vielmehr forderte das auf Symbol und Allegorie ausgelegte Architekturkonzept in komplementärer Ergänzung zum bühnenähnlich konzipierten Gebäudeensemble eine inszenierte Ideallandschaft. Ausgehend von den Kunstgärten (Terrassengärten) der suburbanen Villen Italiens, die aus symmetrischen Laubengängen und Hecken sowie geometrischen Beeten gestaltet, mit Brunnen und Skulpturen durchsetzt waren, favorisierte man nördlich der Alpen zunächst die „Renaissanceform", die alsbald unter anderem auf dem Hradschin in Prag, im Salzburger Schloß Hellbrunn oder auch im Hofgarten in München realisiert wurde. Dieser relativ intime italienische Gartenstil überlebte sich gleichwohl früh, entsprach bald nicht mehr dem Zeitgeschmack, dessen zunehmender Hang zu Größe, Weite und Eindrücklichkeit sich ungleich

7. Höfische Schloß- und Gartengestaltung

75

besser mit dem französischen Gartenstil vertrug. Gemeinsam blieb beiden zwar die geometrisch-axiale Anordnung des Gartenareals, doch verlangte der französische Typus als wesentlich neue Elemente zum einen eine abwechslungsreichere Raumanordnung durch Dislozierung ganzer Baum- und Pflanzensegmente auf einer einzigen großen Ebene, zum anderen eine größere Raumtiefe durch ausladendere Dimensionierung. Riesige Parkanlagen französischen Stils, die die Schloßarchitektur regelrecht bis zum Horizont prolongierten, entstanden an nahezu allen großen und reichen Höfen. Musterbeispiele sind die Schloßparks von Schönbrunn, Nymphenburg, Brühl, Veitshöchheim. Diese Parkanlagen entfalteten sich zu weiträumigen „Architekturlandschaften", in denen sich als Attribute der jeweiligen Moden Orangerien, Pagoden, chinesische Bauten, Pavillons, Tempel, Eremitagen und ähnliches mehr befanden. Skulpturen, Alleen ebenso wie plan- und phantasievoll in die Anlagen eingestreute Steinplastiken variierten mythologische und allegorische Programme und trugen so zur Unterhaltung wie auch zur pädagogischen Unterweisung oder moralischen Belehrung der höfischen Gesellschaft bei. Kunstvolle Hecken, prachtvolle Wassersysteme, Springbrunnen, Baumwände, Spaliere und Irrgärten formten sich zu Kulissen, in denen Landschaft und Natur gleichsam zur verfügbaren und optimierten Dekoration mutierten, zum drapierenden Prospekt verkamen. Kunst und Künstlichkeit der italienischen und französischen Gartenarchitektur, der in idealer Weise das Streben einer sozial weitgehend abgeschirmt und abgesichert lebenden, sich auf Zerstreuung, Amüsement und verfeinerte Lebensart kaprizierenden Gesellschaftsschicht entsprach, fehlten im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert zunehmend die Voraussetzungen. Gleichwohl war das für die nun favorisierten, englisch geprägten Landschaftsgärten typische Auslaufen des kultivierten, vielfach schloßnahen Parks hinaus in eine möglichst organisch belassene Natur keinesfalls ohne illusionistische Absicht. Der Drang ins Weite, Wilde, Gefahrvolle, wie ihn die Romantiker beschrieben oder malten, das Aufbrechen der Standesgrenzen, dank dessen das Volk Zutritt zu bisher verschlossenen Lebensräumen gewann, die Demokratisierung des Vergnügens allgemein mögen als zwar abgeschwächte, aber gleichwohl unverkennbar leitende Gestaltungsprinzipien Eingang gefunden haben in Gärten wie den von Schwetzingen, von Wilhelmshöhe-Kassel, der Franzensburg, des Englischen Gartens in München, des Praters in Wien.

„Demokratisierung" des Garlens

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Hof-Quellen Sowenig sich die zeitgenössische herrschende Politiktheorie, etwa eines Machiavelli, eines Lipsius oder Hobbes, mit dem Hof an sich befaßte, statt dessen ganz auf die - gleichwohl eng damit zusammenhängenden - Fragen des Herrschafts- und Regierungsstils einging, so nachdrücklich wird der Hof der Frühen Neuzeit in der Hausväter- und Fürstenspiegelliteratur, in den Regimentstraktaten und Regierungslehren, in den FUrstentestamenten erwähnt. Daneben etablierte sich eine eigene „Hofliteratur", die sich mit Themen wie dem Ethos des Hofmannes, standesgemäßem Verhalten oder dem Zeremoniell befaßte. Diese vielfach moralisierende Literatur ihrer Naivität und Schönfärberei zu entkleiden, ließ sich eine rege, im übrigen gleichermaßen moralisch argumentierende Hofkritik angelegen sein, die aber gerade wegen ihrer freimütigen Rede gute Einblicke in Hofleben und Hofhaltung gewährt. Auf folgendes Quellenschrifttum soll im folgenden näher eingegangen sein: 1. Fürstenspiegel/Hausväterliteratur/Testamente 2. Regimentstraktate/Regierungslehren 3. Hofliteratur (Präzedenz, Ceremonialwesen, Hofmannlehre, Hofkalender) 4. Reiseliteratur/Memoiren/Gesandtenberichte 5. Hofkritik 1.1 Fürstenspiegel,

Hausväterliteratur,

Testamente

Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit waren keineswegs „personalisierte Kunstlehren der Politik", gekleidet in moralische, religiöse und pädagogische Ermahnungen, vielmehr enthielten sie durchaus pragmatisch gemeinte Anweisungen zur Landesverwaltung und Stellungnahmen zum Hof [156: STOLLEIS; 1 5 1 : SINGER], Als typisch für ihre vielfach ambivalente Aufgabenstellung mag das populäre Werk von CONRAD

Fürstenspiegel und

Hof

Praxis

78 HERESBACH

MALVENDA/ ALBERTINUS

LÖHNEYSS

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

HERESBACH „De educandis erudiendisque principum liberis ... deque republica Christiana administranda" (Frankfurt 1570) gelten. Der Autor beschreibt darin als Aufgabe des Fürsten, dessen Legitimation er mit Römer 13 begründet, in bezug auf den Hof: Nam cum principis christiani officium sit aulam suam ad christianam disciplinam componere, ambitionem, luxum, crapulam, corruptiones coercere, religionem, iudicia tuere... [44: 5]. Der Hofordnung ist ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem mit moralischen Appellen nicht gespart wird. Grundsätzlich sei die aula Vorbild und Sonne und solle auf das Land ausstrahlen. Dem Fürsten werden in diesem Zusammenhang pastorale Aufgaben zugewiesen. Daß er bei Hofe keine schlechten und schon gar nicht korrupte Ratgeber anstellen möge, versteht sich nachgerade von selbst, daß es nach Möglichkeit promovierte Akademiker sein sollten, entspricht dem gewandelten Anspruchsdenken einer zunehmend unter den Gesichtspunkten von Professionalität und Effizienz arbeitenden Administration (Consiliarii boni maximum boni imperii instrumentum [S. 106 v ]). LUDOVICO DE MALVENDA, dessen 1604 spanisch verfaßter Fürstenp i G S E e i v o n Albertinus ins Deutsche Ubertragen wurde und als bedeutendster katholischer Fürstenspiegel gilt, äußerte sich in eben diesem „Spiegel eines christlichen Fürsten" [52] nicht nur zu Fürstenerziehung und Tugendkatalog des Regenten, sondern auch zum Hofpersonal und den Ständen des Staates, deren Aufgaben und Pflichten er darlegt. Er gebraucht dabei die Organismusmetapher, um der vielfältigen Arbeitsteiligkeit und Pflichtendifferenzierung Anschaulichkeit zu verleihen: Das Herz des Reiches seien die „Hofräte", so Malvenda, der Magen die fürstlichen Schatzmeister, die Ohren die Richter, die Augen die Räte, die Zunge die Gelehrten und Juristen, Arme und Hände stünden für Adel und Ritter, die Milz symbolisiere Fiskale und Landrichter, die Leber Priester und andere Religiösen, während die Füß des Königreichs eind die Pauren unnd Arbeitsleuth welche die meiste mühe und arbeit im Land außstehen. Die im allgemeinen auf das Reich und seine ständische Gliederung bezogene Metaphorik schlägt sich im übrigen nicht nur hier, sondern auch anderwärts in der Fürstenspiegelliteratur in bezug auf den Hof nieder. Eine interessante Variante zum Beispiel steuert GEORG ENGELHARD LÖHNEYSS in seiner „Aulico Politica . . . " (1622) bei [49: 218ff.], wo er das Bild vom „gläsernen Berg", sprich Fürstenhof, entwickelt: Unsere Vorfahren [hätten] das Hoffleben oder die Herrendienst einem Gläsern Berg [verglichen] / kömpt man darauff so hat es Müh und Arbeit / weil er spitzig und glat ist / das man darauff stehen

1. H o f - Q u e l l e n

79

oder sitzen bleibet/dann hat einer einen gnädigen Herrn /so hat er gemeiniglich einen ungnädigen Hoff/ verscherzt er die gnade / wie dann Hoffgunst über Nacht verreucht wie Legelwein / so richtet sich halt das Gesinde nach dem Herren ... Im „Anti-Machiavell" Friedrichs II. von Preußen aus dem Jahre 1741, der bedingt der Gattung der Fürstenspiegel einzureihen ist, lesen sich einschlägige Verhaltensregeln für absolutistische Fürsten zwar zeit- und genretypisch, doch mit kritischeren Untertönen als anderswo. Harsch wie sonst nur in der dezidierten Hofkritik fällt das Urteil über die deutschen Duodezfürsten und deren Prunksucht aus: Die meisten kleinen Fürsten, namentlich in Deutschland, richten sich durch ihren Aufwand zugrunde, der ihre Einkünfte bei weitem übersteigt und wozu der Taumel ihrer eitlen Größe sie verleitet. Um die Ehre ihres Hauses zu erhalten, stürzen sie sich in Schulden; aus Hoffart betreten sie den Weg, der zum Elend und zum Spital führt. Selbst der jüngste Sohn eines nachgeborenen Prinzen von einer apanagierten Linie will so etwas wie Ludwig XIV. darstellen: er baut sein Versailles, hat seine Mätressen und hält sich Heere [41: 121]. Sofern die Hausväterliteratur sich höfischer Belange annimmt, tut sie es gleichfalls in warnender Fürsorge. Wolf Helmhard von Hohberg (t 1688), ein vielseitiger adlig-lutherischer Publizist, warnt in seiner „Geórgica curiosa oder Adeliges Land- und Feldleben" (1682/87) [63] vor den Unwägbarkeiten der Hoferziehung adliger Nachkommen: Hingegen ist das Hofleben auch gleich dem grossen Meer / darinn Schroffen / Felsen und Sand-Bänke / es gibt grausame und wütende Wall-Fische welche die kleineren fressen und verschlingen / so sind auch Ungewitter/Schiffsbruch und Sturmwinde zu förchten / nicht wenige Wollust-Sirenen/die mit ihrem lieblichen Singen die Einfältigen / darumb anlocken / daß sie solche verführen / und um Leben und Wolfart bringen mögen. Wie viele Mitstreiter vermag ihn das Gepränge der Höfe nicht zu irritieren: Der grosse Glantz an den Höfen / ist wie ein Feuer das brennet und verzehret/als daß es leuchten und erklären solle /daß also der Welsche weislich sagt: Entrare in Pelago déla Corteé provocat la fortuna: Sich in das Hof-Meer begeben / ist so viel / als das Glück zum Duel herausfordern (I, S. 155). Dennoch rät er von einer Hoferziehung nicht grundsätzlich ab, will sie jedoch nur an großen und moralisch gefestigten Höfen zugelassen wissen, keinesfalls an den verderbten, die sich wie öffentliche Siechen-Häuser darstellten:... und ein anderer sagt: der Hof sey ein Babylonischer Thum (!), so wol von Verwirrungen als Eitelkeiten angefüllet..., ein Pflanzschul des Ehrgeitzes und der Unordnung.

FRIEDRICH II.

V0N P r e u s s e n

Hausväterliteratur

HOHBERG

80

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Vom pädagogischen Eifer, der der Gattung insgesamt eignet und in der Regel immer in moralische Appelle mündet, nicht unberührt, bleiben selbst diejenigen Passagen der Hausväterliteratur, die von „Hauswirtschaft", auch der höfischen, handeln. Der „Oeconomus pruFLORINUS dens et legalis . . . " (1702) des FRANZISKUS PH. FLORINUS, des „Patriarchen" der Hausväterliteratur, ist dafür ein gutes Beispiel. Von der Schloßarchitektur bis zum Schloßmobiliar, vom Finanzplan bis zur Jagd reichen seine Vorschläge für eine zwar standesgemäße, aber auch verantwortungsvolle fürstlich-höfische Wohn- und Lebensgestaltung [40], Testamente Das Biedermännische der Hausväterliteratur ist in den politischen Testamenten insofern gemildert, als die staatsmännische Programmatik ungleich stärker durchschlägt. Politische Testamente, vornehmlich von protestantischen Fürsten des Reiches verfaßt, da für sie eine kirchlichdynastische Erbsicherung weit weniger garantiert war als für katholische Fürsten [71: DUCHHARDT: Testamente], sind trotz vieler individueller Züge traditionellen Usancen stark verpflichtet. In den für die oder den Erben fixierten Willenserklärungen findet der Hof bzw. das Hofleben meist dann Erwähnung, wenn es um Sparsamkeit, Tugendhaftigkeit und Maßhalten geht. Exempei Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt legte 1625 seinem Sohn ans Herz, ... allen ohnnöthigen Kosten, alß mit Uberflüssiger Hojfhaltung vielen unnd langwührigen Gastereyen köstlichen Kleydungenn, hohen Spielen, stadtlichen Bäwen, Außtheyllung große Geschenckhe ... verbunden seien, zu meiden und statt dessen Sorge zu tragen,... daß trewlich unnd wohll haußgehalttenn werde, deßgleichen daß er Unnserß Herrn Vatterß gottsehligen Hoffordtnunge fleissigk haltte ... [71: DUCHHARDT, 38]. Landgraf Ernst Ludwigs einschlägige Worte, geäußert in seinem Testament (1700), klingen fast identisch:... allen Überfluß, der ohne dem sündlich und verbotten ist, bei Hoff, in Kleidern, in Meublen, in Küchen, Kellern und Marstall und sonsten [zu] meiden [71: 89], Auch Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg-Preußen treibt die väterliche Sorge im nämlichen Punkte um. 1647 schreibt er in seinem Testament: Nehmet Euch wohl in acht, das Ihr nicht gar zu weitleuftige Hofstadt haltet, sonderen ziehet denselben nach Gelegenheit der Zwitt ein ... [71: 181]. Kurfürst Maximilian I. von Bayern warnt in den ,,Mónita Paterna" (1639) seinen Sohn vor dem schmaichlen der Hoff-Kazen [71: 131] und betont an anderer Stelle den Vorbildcharakter des Fürsten und seines Hofes für Land und Volk: Der Sohn solle alzeit sorgfeltig Acht geben und darob halten, damit menigelich sowol an seinem Hof als in den Stetten unnd auf dem Landt

1. H o f - Q u e l l e n

81

gleichergestalt ainen gottsförchtigen, erbarn und tugentsamen Wandl fiehre, warzue dann er als Cur- unnd Landtsfürst mit guettem auferpenlichen Exempl öffentlich vorleuchten... solle... Vita enim principis optima instructio est Aulicorum et Subditorum et ad virtutis Studium plus incitat, quam multa mandata et poenae. 1.2 Regimentstraktate,

Regierungslehren

Die Nähe zur Gattung der Fürstenspiegel wie auch zu den Regimentstraktaten ist bei allen Belangen der politischen Testamente, die Ministerkollegien, Ratsgremien oder auch nur Beraterstäbe betreffen, frappant. Insbesondere die Regimentstraktate und Regierungslehren, die als „polizeiliche Ratlehre" die ältere deutsche Verwaltungspraxis definierten [131: M A I E R ] , greifen Aspekte der guten policey, der bona administratio, basierend auf einem Gleichgewicht zwischen Fürst, Landständen und Untertanen, eingehend auf. Die zunehmende Säkularisierung der Politik im 16. und 17. Jahrhundert zog nicht nur eine Neuorientierung der politischen Theorie nach sich, sondern ließ auch Fürst und Territorialstaat vermehrt zweckorientiert aktiv werden und ein dynamisches Aktionsprogramm entwickeln. Zur Forderung der Gottesfürchtigkeit und Obrigkeitstreue als unabdingbaren Beamteneigenschaften treten verstärkt Bildung, vielfach akademische, in jedem Fall fachbezogene Kompetenz. Hof und Landesverwaltung beginnen sich ganz allmählich zu scheiden. Eines jeglichen grossen Herren Nottdurfft ist / seinen Hofrath in Sonderheit mit Gottesförchtigen / ehrlichen / frommen / verständigen unnd gelehrten Leuten zuversehen / denn da ist der Ort/da sich der Herr selbst /und das gantze Land Raths und Bescheids erholet, schrieb M E L C H I O R VON O S S E in seinem 1607 erschienenen Traktat „Prudentia regnativa . . . " (55: 97). Diesem für die Zeit durchaus typischen, in der Forderung traditionell gehaltenen Ratschlag, der eine eigene, vom Hof unabhängige Regierung und Administration noch nicht vorsah, korrespondiert die Aussage von A R N O L D C L A P M A R I U S in seinem Werk „De arcanis rerum publicarum . . . " (1644), wo strikt gefordert wird: Disiuncta enim aula a Republica esse debet: sicut et alia est persona privata alia publica (61: 247). Überhaupt ist die Forderung, Hof- und Regierungsbehörden zu trennen, nur bedingt Maßstab für die Modernität einer Staats- und Verwaltungslehre. Selbst der große und einflußreiche lutherische Verwaltungspraktiker und Arbeitsethiker V E I T L U D W I G VON Seckendorff ( t 1692) forderte sie noch nicht konsequent ein. Im „Teutschen Fürstenstaat" werden Struktur und Verwaltungstechnik des deutschen ab-

Regimentstraktate als H o f i n s t r u k o n e n

"

Postulat einer Tren un

" 8 von

und Regiment

SECKENDORFF

Hof

82

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

solutistischen Territorialstaates exemplarisch dargestellt, drei Oberbehörden (Rat, Konsistorium, Kammer) als Ideal apostrophiert, auch ein „Hof-Modell" entwickelt. Im „Handbuch der Politik" schließlich finden sich kollegiale Behördenorganisation, Regierung und Hof-Statt weitgehend differenziert, wobei die Personen ausgegrenzt sind, die nicht ständig am Hofe leben. Zu den Hofangelegenheiten und Hofämtern zählt Seckendorff ausschließlich das, was 1. Zu der fürstlichen Wohnung und was darzu gehöret; 2. Zu der Speisung; 3. Zu der Kleidung, Schmuck, Gewand, Mobilen und Haußrath; 4. Zu der aufwartung und bedienung der Herrschaft; 5. Zu dero Fortkommung mit kutschen und pferden in der nähe und auf reisen; 6. Zu Verwahrung und Sicherheit dessen Person und zughörungen; 7. Zu dessen fürstlicher Belustigung und Ergetzung [70: 588]. Besonderes Augenmerk schenkt Seckendorff der Hofordnung. Insonderheit solle jene die pflichtgemäße Amtsverrichtung und eine solide Dienstwartung garantieren. Ihr oberstes Gebot bestehe in dtr Anweisung zur gottesfurcht und christlichen Übungen. Es sei Aufgabe des Hofmarschalls, auf ihre gewissenhafte Einhaltung zu achten, wie es ihm auch ferner obliege, den Hof ständig zu kontrollieren und dem Regenten Bericht zu geben. Die Hofordnung sieht Seckendorff als gutes Exempel für alle anderen Haushaltungen im Lande [70: 656], in denen die eigentlichen Regierungsgeschäfte sich vollziehen. 1.3 Hofliteratur, Zeremonienliteratur, Hofliteratur

Hofkalender

Die sogenannte Hofliteratur, die im 16. und 17. Jahrhundert als eigene Gattung entstand, stellt sich thematisch ungleich begrenzter dar als die Regimentstraktate. Ihre Welt ist im wesentlichen der Hofmann (aulicus), seine Erziehung, sein Verhalten bei Hof, an dessen Zentralfunktion für die Politik wiederum so gut wie nie gezweifelt wird. Als K l a s s i k e r d e r H o f l i t e r a t u r m u ß BALDASSARE CASTIGLIONE [77] m i t

Der Klassiker: CASTIGLIONES

„Cortegiano"

Exempel

seinem „Cortegiano" (1528) gelten. Durch Neuformulierung des Höflingsideals der Renaissance versucht Castiglione, der bürgerlich-humanistischen Kritik am Hof und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen [300: ANGLO; 309: BURKE], Im Rekurs auf antike Ideale läßt er den Typus eines prinzipientreuen und weltgewandten, diplomatisch versierten, in geistiger und körperlicher Harmonie mit sich selbst lebenden Hofmannes entstehen, der von immensem Einfluß auf die europäische Adelserziehung im 16. und 17. Jahrhundert wurde [338: Loos]. Schon im Titel verraten die Werke, die in der Folge allenthalben entstehen, worum die Autoren sich schreibend bemühen: „L'honneste

1. H o f - Q u e l l e n

83

Homme. Das ist . . . der Ehrliebende Welt/Mann" (N. Faret 1647); „Consiliarius ex Tacito formatur" (A. S. Freisteyn 1653); „Kluger Hofmann . . . " (De Refuge 1655); „Aulicus peccans sive Tractatus de Peccatis Aulicorum" (A. Fritsch 1682); „Aulicus politicus" (D. de Pascalos 1596 u.ö.); „ H o f s c h u l . . . " (M. Mayer 1659); „Palatinus sive Aulic u s " (H. a Collibus 1595); „Der redliche Mann am Hofe" (J. M. v. Loen 1742). Warnungen etwa, die einen Verstoß gegen die Hofordnung als Widerstand gegen die Gottesordnung - ... simil ipso Deo resistere (Fritsch: Aulicus peccans, 39) interpretieren, finden sich in der Fülle der gutgemeinten Ratschläge nicht selten. Überhaupt sind die Einzelverweise so uferlos, daß vermeintliche Monographien zu Kompendien anwachsen. Das „Teutsche Hof-Recht" ( 1 7 5 4 / 5 5 ) von FRIEDRICH C A R L VON M O S E R ( T 1 7 9 8 ) ist hier zu nennen, ein „höfisches Handbuch" schlechthin, mit dem die Hofliteratur ihren Zenit erreichte. Moser äußerte sich zu fast allem, was den Hof betrifft: zu den Tugenden des Regenten, zur Rolle der Dynastie, zu Inhalt und Sinn der Hofordnungen, zur Hof-Policey, zum Hofpersonal im einzelnen, zu den „Geistlichen" am Hofe (Hofkapelle/Hofprediger/Beichtväter) im besonderen, den Ehrenbezeugungen (Handkuß/Verbeugung), dem Ordenswesen, der Hofgerichtsbarkeit, dem Hof-Mohren, der fürstlichen Tafel, der Schloßarchitektur, den Festivitäten. Im breit ausgeführten Kapitel über die Etikette erfahren wir, daß das spanische Zeremoniell über den Kaiserhof nach Deutschland kam, italienische Elemente aber das Ergebnis von Fürstenreisen waren. Der Feststellung, daß um die Mitte des 17.Jahrhunderts ... die protestantische Heljfte Teutschlands Französisch [war]; die andere und Catholische aber Oesterreichisch und Spanisch [26: 32], gibt Anlaß zu detaillierterer Auflistung der Besonderheiten. Der gesellschaftliche Wert, der dem höfischen Zeremoniell und den höfischen Rangordnungen in Deutschland zugemessen wurde, läßt sich an der Breite der einschlägigen Literatur ablesen. Als frühestes „Zeremonialbuch" ist JOHANN VON B E S S E R S „Notitia dignitatum illustrium civilium, sacrarum, equestrium" (Frankfurt/Oder 1670) bekannt, das in dem Werk von G O T T F R I E D STIEVE 1 7 1 5 „Europäisches Hoff-Ceremoniell", Leipzig, eine Erweiterung erfuhr [ 2 9 ] . JOHANN CHRISTIAN L Ü N I G ließ sich im „Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum" (Leipzig 1719) gleich in zwei Bänden zum nämlichen Gegenstand aus [ 2 4 ] , der Kameralwissenschaftler JULIUS B E R N H A R D VON R O H R folgte kurze Zeit später ( 1 7 2 9 ) mit einer Art Lehrbuch: „Einleitung zur Ceremonialwissenschaft der grossen Herren" [28].

MOSER

Zeremonienliteratur

Deutsche ZeremonienbUcher

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Präzedenz- und Titel-Literatur

Nutz- und Staatsfunktion der Etikette

Hotkalender

II. Grundprobleme und T e n d e n z e n der Forschung

Eine weitere Gattung, in der höfische Etikette und Rangordnung festgeschrieben werden sollte, war die sogenannte „Präzedenz- und Titel-Literatur". In die Vielfalt der Ränge und Chargen, Ämter und Titulaturen, wie sie sich vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg herausgebildet hatte, Ordnung zu bringen, ließen sich Autoren wie Bartholomäus Chassaneus, Jakob Andreas Crusius, Gerhardus Feldman, Samuel Stryk, Adam Friedrich Glafey und Friedrich Carl von Moser angelegen sein. Werke zur Präzedenz verfaßten Balthasar S. v. Stosch, Caspar Henricus Horn, Johannes Klein, Zacharias Zwantzig, Heinrich von Cocceji, Friedrich Benedikt Carpzow und Johann Theodor Hellbach. Die moderne historische Zeremoniell-Forschung untersucht die Umsetzung von Zeremoniell und Etikette in konkrete politische Macht [ 2 4 4 : PLODECK; 1 2 7 : KRUEDENER; 3 2 5 : HARTMANN]. Mehr funktional interpretiert die soziologische Betrachtung. Norbert Elias sieht im Zeremoniell und dem sozialen System „Fürstenhof" eine komplexe Verflechtung und Verkettung von Selbstbehauptungstendenzen der bedrohten elitären Gruppe „Aristokratie". Das Zeremoniell ist für ihn ein Instrument, mit dem die höfische Gesellschaft ihre Interessen zum Ausdruck bringt und ihre innere Balance sichtbar macht. Die Etikette habe seit jeher einen gewissen Nutzen gehabt, im Absolutismus erhalte sie zusätzlich Funktionen für den Staat [ 1 0 4 : ELIAS; 3 2 5 : HARTMANN]. Etikette wird definiert als „Steuerungsorgan der höfischen Prestige- und Machtinteressen", als „ordnendes Prinzip", dem gleichwohl zwangsläufig Tendenzen zu einer Tabuisierung von Lebens- und Verhaltensbereichen einhergehen. Etikette dient ihrem Verständnis nach vornehmlich der Legitimation und Sicherung des Herrschaftssystems. EHALT [102] verengt die Sicht vielfach auf die bloße Regelung der Verhältnisse der Hofangehörigen untereinander, betont aber andererseits stark den Charakter der Etikette als Herrschaftsmittel gegenüber dem Volk. Sie sei zum „mächtigen Hindernis auf dem Weg zu einer in allen Bereichen funktionierenden Demokratie" geworden, so seine Folgerung, da sie Hierarchie, Devotion und Untertanengeist konserviere. Die Gegenthese, derzufolge das Hofzeremoniell „zu keiner Zeit den Charakter eines kurfürstlichen Herrschaftsmittels gegenüber dem Adel" ausgemacht habe [ 1 6 7 : WINTERLING, 1 5 0 ] , relativiert den Charakter des Zeremoniells nur partiell und lokal. Zu weit geht wohl auch die These, daß der Fürst mittels des Zeremoniells vom Adel diszipliniert wurde. Nach dem Vorbild des französischen „Almanac royal" ( 1 6 9 9 f f . ) wurden im Deutschen Reich vom frühen 18. Jahrhundert an vereinzelt (Preußen 1704; Sachsen 1728; Österreich 1736; Ansbach-Bayreuth

1. H o f - Q u e l l e n

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1737), vom letzten Drittel des Aufklärungsjahrhunderts an dann in nahezu sämtlichen weltlichen, geistlichen und reichsstädtischen Territorien sogenannte „Hof- und Staatskalender" publiziert; ihre Titel (Adreß-, Ehrenkalender, Hof- und Staats-Schematismus u. ä.) und ihre Inhalte variierten. Diese Personalverzeichnisse und Kaiendarien benennen einerseits neben dem Regenten und seinen verschiedenen Titulaturen die Mitglieder der Herrscherfamilie, die Personen und Chargen des Hofstaates bis hinunter zum letzten Lakaien, den immatrikulierten Adel des Landes und darüber hinaus die Staatsbeamten nach ihren Behörden und Funktionen. Neben dem höfischen und staatlichen Personalschematismus leisteten die Hofkalender eine regelrechte Inventarisierung des Staates, dokumentierten das System der Behördenstruktur und trugen dem Ansinnen der Zeit nach Statistik und „politischer Arithmetik" Rechnung. Sie waren Prestigeprodukte ersten Ranges - nicht wenige Regenten ließen sich den Druck persönlich angelegen sein - , indem sie Zeugnis von der Noblesse und Größe eines Hof- und Staatswesens gaben, und sie dienten andererseits als nützliche Kommentare und Behördenwegweiser, als Adreß- und Titularbücher. Die Kopflastigkeit der Gesellschaft fiel dabei so manchem Zeitgenossen ins Auge. J. v. SCHWARZKOPF schrieb 1792 in seiner Abhandlung „Über Staats- und Adress-Calender" (Berlin): Der Schafft jener Pyramide, womit Moser den Staat so scharfsinnig vergleicht / wird unförmlich, wenn die hohe Dienerschaft sich am Halskragen zu sehr vermehrt, wenn sie alle Kräfte nach dem Kopf ziehen, und den unteren Theil muhtlos lassen [6: 74/75], Von den archivalischen Quellen, die nicht die Akten und Protokolle der Verwaltungsorgane im Umfeld des Hofes betreffen, sondern konkrete Aussagen zum Hofwesen beinhalten, sind vornehmlich die Rechnungsbücher, Kammerberichte und Fahrnisverzeichnisse zu nennen, deren Edition sich aus technischen Gegebenheiten und wissenschaftlichen Gründen heraus bis dato leider als wenig opportun erwiesen hat. 1.4 Reiseliteratur, Memoiren, Gesandtenberichte,

Hofkalender als „Staatsinventar"

Archivaiische Quellen

Briefe

Interessante externe Beurteilungen wie auch interne Hofberichte liefern diverse Reisebeschreibungen, so etwa diejenige von PHILIPP A N D R E A S O L D E N B U R G E R (t 1 6 7 8 ) , der unter dem Pseudonym Constantinus Germanicus seinen Bericht „Ad lustum Cincerum Epistola Politica de Peregrinationibus Germanorum . . . " (ca. 1669) passagenweise zur Skandalchronik deutscher Fürstenhöfe werden läßt. Eine Vielzahl von Rei-

Reiseberichte

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Memoiren und Briefsammlungen

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

seberichten und Apodemiken (etwa: Lehmann, Krebel, Treuer, Wagenseil usf.) mit Anleitungen für die Hofreisen des Adels wären ebenso zu nennen. Insonderheit liefern auch Memoiren und Briefsammlungen ausgei imete Einblicke in das Hofleben: Berühmtheit etwa erlangten die ze c Erinnerungen des KARL LUDWIG VON PÖLLNITZ (t 1775), der seine Reisen und diversen Hofaufenthalte in einem großen Memoirenœuvre [83] publizierte, wie auch diejenige des JOHANN JOSEPH VON KHEVENHÜLLERMETCH (F 1776), dessen umfangreiches Tagebuch das Leben am Hof Maria Theresias beschreibt [81]. Als klassisches Exempel höfischer Briefliteratur kann das Œuvre LISELOTTES VON DER PFALZ ( F 1722) gelten, in dem sich in faszinierender Weise der Hof von Versailles widerspiegelt. Beide Gattungen, Brief- und Memoirenliteratur, harren einer systematischen Auswertung. Gleiches gilt für die Gesandtenberichte, die für den Zeitraum der Frühen Neuzeit zumeist nur als archivalische Quellen zur Verfügung stehen. 1.5 Hofkritik

Humanistische

Kritisches Räsonieren über das Hofleben ließ sich - mit unterschiedliIntensität - vom 1 5 . bis zum 1 8 . Jahrhundert die Literatur immer wieder angelegen sein [124: KIESEL], Nahezu toposhafte Formeln entwickelten sich zur Zeit des Humanismus, die von der Hofkritik der späteren Jahrhunderte übernommen wurden. Diese zum Teil biblisch begründete, im übrigen auch schon in der Antike vorgebrachte, überwiegend moralisch eingefärbte Kritik blieb stets an der Oberfläche, d. h., sie stellte das gesellschaftliche System nie grundsätzlich in Frage, sondern prangerte lediglich seine als moralisch verwerflich betrachteten Auswüchse an. Im übrigen beurteilten durchaus nicht alle gelehrten Humanisten den Hof gleich negativ. Während z. B. ein ERASMUS VON ROTTERDAM im „Lob der Torheit" den Höflingsalltag zynisch persiflierte, fand ULRICH VON HUTTEN im „Aula"-Dialog 1 5 1 8 dafür Worte der Rechtfertigung. Insgesamt freilich überwogen schon im 16. Jahrhundert eindeutig die kritischen Stimmen. Mit am weitesten gingen die Attacken AGRIPPAS VON NETTESHEIM in seinem Pamphlet „De incertudine et uanitate scienciarum declamatio inuectiva" ( 1 5 3 0 ) . Kap. 6 8 „Von fürstlicher Haushaltung zum Hofe" stellt den Hof als Collegium gigantium, als nebulösen Konvent des Adels dar, als Theatrum pestimorum sattelitum, als Schule korruptester Sitten und Asyl schlimmster Ruchlosigkeiten. Abwägender im Urteil waren zweifellos AENEAS SILVIUS PICCOLOMINI und vor allem FRATER ANTONIO DE GUEVARA, der Hofprediger Kai-

Hofkritik c | l e r

1. H o f - Q u e l l e n

87

ser Karls V., der sich in seinen diversen, zum Teil auch ins Deutsche übertragenen Schriften, so im „Libro áureo", einem an der Person Marc Aurels orientierten Fürstenspiegel, im „Horologium Principum das ist: Fürstliche Weckuhr und Lustgarten" [43], in der „HofSchul", 1539, und in „ De Molestiis Aulae, et Ruris Laude. Das ist: Mißbrauch des Hoff-lebens / und Lob deß Landt-Lebens", 1539, sowohl als Hofkritiker als auch als Präzeptor höfischer Normen erweist. Die deutschsprachige Renaissancekunstdichtung eines Opitz und Weckherlin verlieh der Hofkritik literarischen Rang. Mónita vermischten sich hier mit Lebens- und Klugheitslehren, die zum Teil aus einschlägigen fremdsprachigen Werken stammten und durch Übersetzungen - etwa auch von Opitz - rezipiert wurden. Der „Argenis-Roman" (1621) von John Barclay und das „Oráculo manuale" (1647) des spanischen Jesuiten Baltasar Graciáns erhielten auf diese Weise Vorbildcharakter als „Hofschulen". Als literarische Sujets überdauerten hofkritische Themen die Jahrhunderte. Erinnert sei nicht nur an die Werke Lessings und Schillers, sondern auch an die bürgerlichen Romane und moralischen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts. Der Thomasiusschüler JOHANN MICHAEL VON LOEN (t 1800) holte in seinem Roman „Der redliche Mann am Hofe . . . " (1740) zu einer der letzten großen Hof-Abrechnungen aus [82]. Nicht nur das höfische Günstlingswesen („Hofschranzen") im allgemeinen, die Sklavenmentalität und der Schmeichlersinn der Höflinge im besonderen, auch der Dünkel der Fürsten, selbst deren vielfach unzureichendes oder banausisches Interesse an Kunst und Literatur werden aufs Korn genommen. Religiös-pietistische Motive trieben den wiederholt zitierten Friedrich Carl von Moser zu einer ganzen Reihe höchst polemisch gehaltener hofkritischer Schriften an. „Der Charakter eines Christen und ehrlichen Mannes bey Hofe", „Der Hof in Fabeln" oder das „Teutsche Hof-Recht" [26/27] ergehen sich in rigoroser Verdammung der Höflings- und „Hofschranzen "-Existenz, sparen aber, wie häufig zu beobachten, den Fürst selbst vom allgemeinen Verdikt aus. Unter dem Eindruck starker antifranzösischer Ressentiments werden der Fürst gar als einziger redlicher Deutscher, die Höflinge aber samt und sonders als verschwendungssüchtige Franzosen beschrieben, deren Existenz nur bei völliger „ethischer Besinnungslosigkeit" zu denken sei. Hofkritik war in der Frühen Neuzeit zu keiner Zeit ausschließlich Sache der Gelehrten oder Literaten. Einer auf die Tugenden Fleiß, Sparsamkeit, Mäßigung und Gottesfurcht verpflichteten Gesellschaft galten krasse Abweichungen davon, wie der Hof sie vorexerzierte, als

Hofkritik der Aufklärun

g

88

Lang zu hofe / lang zu helle

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Teufelswerk, wie überhaupt der Spruch Lang zu hofe / lang zu helle zum geflügelten Wort avancierte. Johannes Agricola führt ihn als Numm e r 262 seiner Sammlung „Sybenhundert vnd fünffzig Teutsche Sprichwörter" an. In Zedlers Universallexikon (1735) heißt es im Artikel über den Hofmann: Gleichwohl wird nicht vergeblich gesagt, daß nahe bey Hofe, sey nahe bey der Hölle ... Mathematisch gewiß erscheint die Verdammnis dann schon in Mosers „Teutschem HofRecht" [26: Bd. 2, 87]: Da dann ein altes Sprüchwort bekannt ist, das heißt: Exeat aula, qui volet esse pius; ist es jemals wahr gewesen, so wird es bey unsern gegenwärtigen Zeiten an vilen Höfen, wo die Irreligiosität und Religions-Spötterey den Freybrief hat, mathematisch gewiß. Andere Sprichwörter betonen, daß selten Fürsten und ebenso selten Hofleute - oftmals auch als „Hofschranzen" verballhornt - im Himmel anzutreffen seien, daß das Hofglück ein trügerisches Glück sei, denn es ist vmb das hofeleben gethan / eben wie vmb die huener die ym korbe sitzen / vnn die draußen frey gehen ... Florilegien und Sprichwortsammlungen bleiben bis ins 17. Jahrhundert hinein beliebt und eine wichtige Quelle hofkritischer Sentenzen. Sebastian Francks 1545 publizierte Sammlung ist derjenigen Agricolas vergleichbar; Julius W. Zincgref verfaßte 1626 seine „Apophthegmata", die er ihres vorwiegend auf den Hof bezogenen Inhalts wegen auch „Hoffreden" titulierte. Das „Florilegium Politicum" des Christoph Lehmann von 1630 bleibt dem Genre ebenfalls verwandt und wartet mit einer Reihe von Sprichwörtern zum Hofleben auf: Hofleut spielen mit ihrem Fürsten wie mit einem Ballen; Zu Hof gilt ein Quintlein Gunst mehr als zwanzigjährige Arbeit; Das Glück zu Hof/ verkehrt sich offt.

2. Grundprobleme der Forschung Forschungsdefizite

., „ .

in d e r

Hornistoriographie

Der deutsche Fürstenhof der Frühen Neuzeit fand und findet in der historischen Forschung kaum Interesse. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, daß die historisch reizvollen Themen der Zeit von 1500 bis 1800 nach wie vor im Umfeld der Reformation und deren vielfältigen, geistesgeschichtlich wie wirtschafts- und sozialgeschichtlich gleichermaßen folgenschweren Implikationen gesehen werden, sodann in der Geschichte des Reiches und seiner Institutionen, in der Geschichte der politischen Ideen, neuerdings auch wieder in der Geschichte der Kriege und der europäischen Staatensysteme, dann aber auch damit, daß die Welt der Höfe und die sie belebende adlige Gesellschaft dem zeitgenössischen bürgerlichen Historiker ferner denn je

2. Grandprobleme der Forschung

89

liegt und daß eine Beschäftigung mit ihr eher des Abbaues einer mentalen Barriere bedarf als einer angemessenen Zurücknahme forscherlichen Erkenntnisdranges [vgl. grundsätzlich: 1 6 7 : WINTERLING], Gleichwohl kam es in den letzten Jahren verschiedentlich zu Untersuchungen über Höfe, Hofgesellschaften und höfische Kultur im europäischen Rahmen, die grundsätzlich, ob Fallstudie oder verallgemeinernde Strukturanalyse, den pauschalierenden Betrachtungsweisen älterer Arbeiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein differenzierendes Gegengewicht boten. Dennoch ist ein unübersehbarer Mangel an qualitätvollen Spezialuntersuchungen zu deutschen Fürstenhöfen zu konstatieren. Zwar gibt es eine nicht unbeträchtliche Zahl von DetailStudien, von eklektizistischen Sammelwerken [ 9 8 : BUCK; 9 9 : DICKENS; etc.] und auch einige komparatistische Arbeiten unterschiedlicher Intensität und Qualität, doch ersetzen diese in keiner Weise kompetente Lokalstudien. Zu nennen wären allenfalls jüngere Arbeiten, so von KA-

Detailstudien und Sammelwerke

RIN PLODECK [ 2 4 4 ] , v o n GERDA ZIMMERMANN [ 2 5 3 ] u n d v o n HUBERT C H . EHALT [ 1 0 2 ] ,

Diese wie auch die resümierenden, im Rahmen kompakter Studien Hof und Hofkultur als Phänomene der Frühen Neuzeit behandelnden Werke von BAUMGART [ 9 5 ] , VIERHAUS [ 1 5 9 ] , PRESS [ 1 4 5 ] und anderen übernehmen die weder methodisch kritisierten noch empirisch intensiver hinterfragten Resultate der Hof-Forschung eines Elias oder Max Weber, auch wenn sie in manchen Punkten diese Modelle für Deutschland als zu starr und unpassend interpretieren [ 1 1 4 : HAMMERSTEIN]. Deutlicher als ihre Vorbilder markieren diese Autoren in der Regel den politischen Stellenwert des Hofes, sein Gewicht in der Innenund Außenpolitik.

2.1 Kulturgeschichtliche

Interpretationsansätze

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem deutschen Fürstenhof erschöpfte sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert vornehmlich in der Darbietung von „Kulturgeschichte". Diese stand der „höfischen Kultur", die nach bürgerlichen und ökonomischen Wertmaßstäben moralisch und wirtschaftlich diskreditiert schien, vielfach negativ gegenüber, ein Umstand, der durch nationale Ressentiments gegen die französisch dominierte Adelskultur noch verstärkt wurde ( z . B . BIEDERK., Deutschland im 18. Jhdt., Leipzig 1854/80). Sofern diese Art von Kulturgeschichte sich eher wertneutral gab, skizzierte sie, bei gleichbleibend deskriptiver, unanalytischer Vörgehensweise, „HistoMANN,

Negativ-„image" des Hofes in der bürgerlichen Wertung

90

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

rienbilder" und „Sittengemälde" des Hofes auf der Basis von Memoirenliteratur. Zum voluminösen Standardwerk der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts avancierte die vielbändige „Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation" von EDUARD VEHSE [158: 51 Bde., Hamburg 1851/60], einem promovierten Juristen und Privatgelehrten liberal-protestantischen Zuschnitts (t 1870), der eine immense Materialfülle ohne jegliche strukturierende Aufbereitung und interpretatorische Qualität, vielmehr in durchschaubarer populistischer Absicht ausbreitete. Heinrich Heine beurteilte das noch im Entstehen begriffene Opus 1852 in einem ironisch gehaltenen Brief an seinen Verleger Campe wenig schmeichelhaft: Ich habe die Bände von Vehse mit der größten Gier durchgelesen... Dies Buch istfür mich wahrer Kaviar. Jetzt fang ich an zu glauben, daß wir Deutschen einmal eine ordentliche Nationalgeschichte bekommen werden. Vehses Buch ist der Anfang. Sein Verdienst ist ungeheuer. Der Weg ist gebahnt, und die Deutschen bekommen endlich ihre Fürsten von Angesicht zu Angesicht zu sehen ... Diese Fürsten, die macht ihm keiner nach — kein Shakespeare und kein Raupach. Da sehen wir den Finger Gottes. (Preußische Hofgeschichten, hrsg. v. H. CONRAD, I, 1913, S. XIII.) GUSTAV FREYTAG (T 1895) bezog in seinem Werk „Bilder aus der deutschen Vergangenheit" (5 Bde., 1859/67) zum Hof ungleich kritiSittengemäide scher Stellung. So etwa setzte er die Renaissance-Fürstin als „Hausfrau und Hofkritik ¿ e s H o f e s " gegen die Mätressen des Barockhofes ab und betonte: früher war das Leben an den Höfen rauh, oft wild gewesen, jetzt wurde es frivol und liederlich [109: Bd. 3, 1922]. Bei allem Tadel, den er für die zunehmende Zügellosigkeit höfischen Lebens übrig hatte, war er doch nicht blind gegenüber dem Fortschritt der Zivilisation, der sich mit der Adaption französisch-italienischen Lebensstiles auch in Deutschland verband. Wenig Gutes hingegen mochte der Schweizer Kulturhistoriker u n d S t a a t s a r c h i v a r in St. G a l l e n , OTTO HENNE-AM RHYN (F 1 9 1 4 ) , in

seiner „Kulturgeschichte der neueren Zeit" [117: Bd. 2, 1871] an den Höfen finden. In seiner eidgenössisch-bürgerlichen Antipathie gegen die höfische Gallomanie, die seiner Ansicht nach im wesentlichen durch die Mätressenwirtschaft repräsentiert werde (75 ff.; ebenso in: „Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Bd. 2, 1893, 200), sah er sich bestätigt nicht nur durch die Arbeiten Vehses, sondern vor allem auch diejenigen von JOHANNES SCHERR (F 1866), eines Demokraten und Professors in Zürich, dessen 1852 erstmals erschienene „Geschichte deutscher Cultur und Sitte" das Bild der Höfe schwarz in schwarz malte:

2. Grundprobleme der Forschung

91

Unser Land hatte es schwer zu büßen, daß sein höchstes Haupt vom 16. Jahrhundert an ein entnationalisiertes war. Nachdem die kaiserlichen Habsburger sich hispanisirt hatten, fingen die deutschen Fürsten um die Wette an, sich zu italisiren und zu französisiren [148: 314], In seiner „Germania - Zwei Jahrtausende deutschen Lebens" ( 5 1885) versuchte Scherr den Nachweis zu führen, daß durch das Raffinement ihrer Ausschweifungen die Höfe kritikresistent geworden seien, die Unsitte quasi den Nimbus von Bildung erhalten und das Sittengesetz nur noch für den gemeinen Mann und nicht mehr für die Hofgesellschaft gegolten habe. Die große höfische Verderbtheit habe zum Herabkommen des Adels zur Schranzenscha.fi geführt, zu Despotismus und Sultanismus. GEORG STEINHAUSEN (1866-1933), ein Kasseler Bibliotheksdirektor, überschreibt in seiner „Geschichte der deutschen Kultur" (Bd. 2, 2 1913) ein Kapitel mit „Die Säkularisierung und Modernisierung der Kultur unter fremdem Einfluß und unter Führung der Hofgesellschaft" und zeigt damit programmatisch die Leitlinien seiner Untersuchung auf. Frühe Neuzeit und Wandel der gesellschaftlichen Ordnung sind für ihn weitgehend identisch: Der Fürst und sein Hof, die Hofgesellschaft, waren nun aber Uberhaupt die Hauptträger der Kultur dieser neuen Zeit. Eine aristokratische Periode löst nun endgültig die bürgerlich-demokratische ab, die ihrerseits seit etwa 1300 einer älteren aristokratischen Epoche gefolgt war [154: 311]. Das neue Kulturideal sei das des „gebildeten Hof- und Weltmannes" geworden, eine Zeit grobianischer Sitten habe einer Periode verfeinerter Lebenshaltung Platz gemacht. Die - insgesamt positiv gesehene - fürstlich-aristokratische Kultur sei als europäische Erscheinung zu werten, literarisch vornehmlich getragen vom Roman. Wertneutrale Positionen, Positiva wie Negativa des Hofes im großen und ganzen sorgfältig abwägend, vertraten FRIEDRICH ZOEPFL (t 1973) in seiner „Deutschen Kulturgeschichte" [168: 2 Bde., 1928/30], EDUARD FUCHS in seiner „Illustrierte(n) Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart" [111:2 Bde., 1910] und auch EMIL ERMATINGER (t 1953) im entsprechenden Kapitel des „Handbuch(s) der Kulturgeschichte" [106: 1969]. Die charmanten Plaudereien über das Gesamtspektrum der europäischen Höfe [112: „Das galante Europa, Geselligkeit der großen Welt 1600-1789", 1910] eines ALEXANDER V. GLEICHEN-RUSSWURM (F 1947), eines kulturhistorischen und philosophischen Essayisten, bleiben oberflächlich narrativ. Trotz vorherrschender rein deskriptiver Behandlung des For- Moderne" schungsgegenstandes kennt auch die kulturgeschichtliche Betrach- Kulturgeschichte

92

II. Grundprobleme und Tendenzen der F o r s c h u n g

tungsweise Ansätze höchst innovativer, strukturorientierter Art. Dazu zählen vor allem die Arbeiten von EGON FRIEDELL [T 1938; 110: Kulturgeschichte der Neuzeit,

1927

u. ö . ] u n d RICHARD ALEWYN [ 3 5 8 :

Das

große Welttheater, 1959], die den Kulturbegriff weitestgehend unabhängig vom ökonomischen und sozialen Kontext analysierten und „ H o f " bzw. „Höfische Kultur" als Objektivation einer bestimmten Geisteshaltung begriffen. Das „höfische Leben als totales F e s t " , wie Alewyn es beschrieb, hat nicht nur der Hof-, sondern der Barockforschung insgesamt große Einblicke gewährt. Von beiden zehren jüngere Arbeiten über einzelne Höfe, so F. KAVKAS „ A m H o f e K a r l s I V . " ( L e i p z i g 1 9 8 9 ) , K . CZOKS „ A m

Hofe

Augusts des Starken" (Stuttgart 1990) oder H. REINALTERS „Am Hofe Josephs I I . " (Leipzig 1991), die ihre populärwissenschaftlichen Ansätze nicht verhehlen, aber dennoch modernen Fragestellungen aufgeschlossen bleiben.

2.2 Ältere politikwissenschaftliche Interpretationsversuche

VEBLENS T h e o r i e

von der Dichotomisierung der Gesellschaft

SOMBARTS K a u s a l -

kette: Liebe - Luxus - Kapitalismus

und

kultursoziologische

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kam es, angestoßen durch den Amerikaner THORSTEIN VEBLEN (The Theory of the Leisure Class, New York 1899) und seine Dichotomisierung der Gesellschaft in eine nichtarbeitende Oberklasse und eine arbeitende Unterklasse samt dem daraus resultierenden Prestige- und Begehrlichkeitsverhalten zu einer vertieften Reflexion des höfischen Luxuskonsums unter ökonomischen, politikwissenschaftlichen und kultursoziologischen Gesichtspunkten [167: WINTERLING, 8 ff.]. Während Veblen als Movens wie auch Resultat dieser Statusdifferenzierung die „nicht produktive Verwendung von Zeit" bzw. den „demonstrativen Konsum" herausarbeitete und dabei typische Phänomene der „Reichtumsdemonstration" wie Feste, Dienerschaft, Manieren oder verfeinerte Lebensformen als statuskongruente und statusdokumentierende Faktoren in eher genereller Form beschrieb, führte WERNER SOMBART (F 1941) in seinem epochalen Buch „Luxus und Kapitalismus" [1912; 153] den Hof als stimulierende, den Weg hin zu einer im wesentlichen neuen Wirtschaftsordnung, dem Kapitalismus, bereitende Institution in die Diskussion ein. Sombart, der die römische Kurie und den italienischen Renaissancehof als wichtige Vorstufen des frühmodernen Hofes konstatierte, sah in der starken Stellung der Frau bei Hofe (vor allem der Kurtisane) wie auch in der zunehmenden sexuellen Libertinage (Mätressenwirtschaft) eine der wesentlichen Vorbedingungen verfeinerter Lebensformen. Der im Kontext von

2. Grundprobleme der Forschung

93

Erotik und allgemeiner Gefallsucht aufblühende Luxus, der großen materiellen Aufwand bedingte, führte seiner Ansicht nach auf direktem Wege, durch Kopie höfischer Lebensformen durch das Stadtbürgertum etwa, zum Kapitalismus. Nach Sombart waren drei Elemente für den frühmodernen Hof konstitutiv: 1. die adelige Hofgesellschaft, 2. deren materieller Luxus, 3. die höfische Zivilisation. Der Sombartschen Kausalkette „Liebe - Luxus - Kapitalismus", in der der Fürstenhof eine elementare Relaisfunktion besaß, widersprach die - klassisch gewordene, 1905 formulierte - Doktrin von MAX WEBER ( F 1920). Er sah in der protestantischen Ethik (Puritanismus/ Askese) den Motor zum Kapitalismus. Weber war es auch, der die Sombartsche Theorie relativierte, sie mit den Theoremen Vehlens in Verbindung brachte und beide zur Präzisierung seiner „Herrschaftssoziologie" nutzte. Obwohl Max Weber den deutschen Fürstenhof nicht direkt autopsierte, argumentierte er mit der - mittelbar auf den höfischen Absolutismus bezogenen - These von der Verbindung von patrimonialem Feudalismus und Ostentation der Lebensführung. Luxus und Prestige gehörten seines Erachtens zum Wesen und zur Behauptung aristokratisch-feudaler Macht, Nimbus signalisiere die Zugehörigkeit zur Herrenschicht [163], Im absolutistischen Patrimonialismus sah Weber allerdings auch und vor allem den Beginn moderner, rationaler Staatswerdung vorgeprägt, deren sich ausweitende Verwaltungsprofessionalisierung den Fürsten allmählich zum Dilettanten werden ließ [102:

MAX WEBER

EHALT; 1 2 7 : KRUEDENER; 9 4 : BAUER],

Um eine interessante Variante bereicherte JOSEPH A. SCHUMPETER S C H U M P E T E R S (t 1950) mit seiner Studie „Zur Soziologie der Imperialismen" (1919) ..Kriegstheorie" die Debatte. Seinem Dafürhalten nach resultierte der französische „Imperialismus" aus der Lethargie bei Hofe und aus einer militärischen Grunddisposition des Adels. Ludwig XIV. habe die Aristokratie in Versailles regelrecht interniert. Er, der sich ohne eigentliche Kompetenz und Funktion wähnte, sich nur amüsiert und gelangweilt habe, habe in Erwartung einer Revolte gegen die vom Adel empfundene Passivität Kriege als das probateste Gegenmittel angesehen. Französische Verhältnisse hätten im Deutschen Reich allerdings nicht existiert, da die Omnipotenz der Fürsten durch die vergleichsweise geringe Potenz des Adels nicht gefährdet gewesen sei; Kriege als Ablenkungsmanöver hätten sich erübrigt. Der Soziologe ALFRED VON MARTIN (t 1955) konstatierte an der v. M A R T I N S Theorem Wende zum 16. Jahrhundert den Bankrott des Bürgertums, des Ritter- ..Anstokratisierung der (iPSPlKrhiiit

tums und in dessen Folge ein Erstarken adliger Einflüsse in den Städten: „Die Höfe wirkten naturgemäß als Kristallisationspunkte einer

94

ALFRED WEBER

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

neuen Aristokratisierung der Gesellschaft" [132: Soziologie der Renaissance, 1974]. Der Hof habe Eliten angezogen, ehemals nicht akzeptierte Gruppen (Humanisten, Kurtisanen) legitimiert und ästimiert. Fürst und Fürstin hätten an der Ausprägung eines „höfischen Stiles" wesentlichen Anteil ( „ . . . repräsentiert er nach außen, so sie nach innen ... die kulturelle Rolle steigert sich in dem Maße, in dem die Gesellschaft höfisch wird" S. 99). A L F R E D WEBER ( t 1958), der eine geschichtssoziologische Kulturgeschichte betrieb [161], favorisierte die „städtische Lebensdemokratie" und den sie prägenden Frühkapitalismus als Signum der Frühmoderne und blendete den Hof weitgehend aus. Seine Begriffsbildung des „höfischen Staates" bleibt weitgehend unerläutert, von Interesse war für ihn neben dem „Lebensgefühl" der höfischen Gesellschaft allerdings das außerordentlich rasche Anwachsen des Hof- und Beamtenadels, dem, da dieser sich mediatisieren ließ, das Bauerntum ausgeliefert wurde [161: 338]. 2.3 Moderne soziologische

Interpretationsvarianten

2.3.1 Der Hof als „soziale Figuration" Während die bisher referierten Arbeiten sich dem Hof nur peripher zuwandten, machte der Soziologe NORBERT ELIAS (T 1990) den Hof von E L I A S - „über den Versailles zum zentralen Thema seines Werkes „Über den Prozeß der ^Prozeß der Zivilisation" [105]. Das französische Königtum habe den ehemals politisch aktiven Adel domestiziert, so Elias, ihn einerseits von den entscheidenden Funktionen ferngehalten, ihn andererseits durch standesgemäße Hofämter versorgt und ihm so gegenüber dem konkurrierenden Bürgertum ökonomisch und standesbetont Rückhalt geboten. „Das Doppelgesicht des absolutistischen Hofes entspricht genau diesem zwiespältigen Verhältnis von König und Adel: Dieser Hof ist ein Instrument zur Beherrschung des Adels und gleichzeitig ein Instrument seiner Versorgung" [105: II, 268], Als bedeutende „soziale Figuration" zwischen Mittelalter und Moderne habe der Hof ferner durch praktizierten Luxus und gelebte Etikette zivilisationsfördernd und enkulturierend gewirkt. Mit der „Verhöflichung" des Adels sei eine Affektkontrolle einhergegangen, die - trotz der Distanz zum Bürgertum - eine Integration in den modernen Staatsmechanismus erleichtert habe. Die Theorie Elias' ist verschiedentlich als Verbindung von „okzidentalem Rationalisierungsgedanken" Weberscher Art, verbunden mit psychognostischen, an Sigmund Freud erinnernden Deutungsmodellen

2. G r u n d p r o b l e m e der F o r s c h u n g

95

interpretiert und kritisiert worden [ 1 6 7 : WINTERLING, 1 7 ] . Bereiche wie Reinlichkeitsverhalten und Sexualität blieben bei Elias zum Beispiel gänzlich unberücksichtigt, so die Kritiker, dabei seien die in den Schlössern des Absolutismus auffallende allgemeine Unsauberkeit, gipfelnd in einer nur marginalen Körperpflege, ferner die allseits übliche sogenannte galante Libertinage und Frivolität keineswegs im Sinne eines Zivilisationsschubes zu verstehen. Auch sei die konstatierte höfische Rationalität weniger ein Resultat des Hofes als ein Reflex gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. Nicht zuletzt sei das Eliassche Absolutismusmodell mit der starken Betonung der Zentralität nur vereinzelt zutreffend und infolgedessen zu relativieren. Elias selbst hat darauf verwiesen, daß der in Frankreich prakti- Adaption bzw. zierte „Königsmechanismus" für Deutschland nicht oder kaum Bedeu- i n f ra g este i' u "g d e r

ELIASSCHEN T h e s e n

tung hatte, daß im Reich eine vergleichbare Konkurrenz zwischen Aristokratie und Bürgertum nicht bestand, daß der Adel dort bereits stattliche Monopole im politischen Alltag besaß und eine höfische Sedation somit jeder Grundlage entbehrte. Er verwies allerdings nicht auf den Sondercharakter des Imperiums als fürstlichem Staatenbund, thematisierte nicht das Defizit an Zentralität bzw. das vielfältige Machtkonzentrat in den Territorien, ging mit keinem Wort auf ständische Rechte, etwa der Landtage oder Domkapitel, ein, sondern verwies vereinfachend auf die Adaption und Imitation französischer Kultur an deutschen Fürstenhöfen [167: WINTERLING; 94: B A U E R , 33 ff.]. Elias' Thesen, die sich in Vörformen zum Teil in der älteren Literatur formuliert finden, wurden drei Jahrzehnte lang so gut wie nicht rezipiert (Druck in geringer Auflage; Kriegszeit). Erst von 1969 an, mit der Neuauflage seines Hauptwerkes und der gleichzeitigen Publikation seiner zu Beginn der 30er Jahre verfaßten Habilitationsschrift „Die höfische Gesellschaft" [103], fand in der modernen Sozialgeschichtsforschung eine angemessene Aufarbeitung der vorgestellten Thesen statt. „Die höfische Gesellschaft" als Vorstudie zum „Prozeß der Zivilisation" prononciert bereits die These von der Domestizierung des Adels bei Hof und befaßt sich dabei vor allem mit dem Nutzwert und der Funktion von Zeremoniell, Etikette und Luxus. Mit der Etablierung eines kunstvoll gestuften Zeremoniells habe das Königtum einen Prestigefetischismus kultiviert, so Elias, mit dessen Hilfe sich der Adel als potentieller Rivale instrumentalisieren ließ. Diese „höfische Rationalität", gesehen als beiderseitiger Nutzen und wechselseitiger Ansehenszuwachs, konnte einen höfischen „Sozialmechanismus" in Gang setzen, den Elias als ,Perpetuum mobile' charakterisierte und persiflierte.

ELIAS sch

- „Die höfi-

e Gesellschaft"

96

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Höfisches Zeremoniell und politische Herrschaft bilden die beiden Fixpunkte der Eliasschen „höfischen Ellipse". Die Einwände gegen die in der „Höfischen Gesellschaft" vorgetragenen Thesen entsprachen im wesentlichen denjenigen gegen den „Prozeß der Zivilisation". Kritiker monierten auch hier die schmale Quellen- und veraltete Literaturbasis, wandten ein, daß eine völlige politische Entmachtung des französischen Adels und eine Reduktion zur „höfischen Staffage" keinesfalls uneingeschränkt zutreffe, und verwiesen im übrigen auf den problematischen Modellcharakter des französis c h e n B e i s p i e l s [ 1 6 7 : WINTERUNG, 2 1 / 2 2 ] .

v.

KRUEDENER

Nutzung der Theoreme

M A X WEBERS u n d NORBERT ELIAS'

2.3.2 Der „absolutistische H o f als Idealtypus Den Hof als frühneuzeitlichen Idealtypus in Max Weberschem Sinne zu untersuchen war konzeptionelles Hauptanliegen JÜRGEN VON KRUEDENERS in seiner Studie „Die Rolle des Hofes im Absolutismus" [127: 1973]. Als eine der vier tragenden Säulen des Absolutismus - neben stehendem Heer, Beamtentum und Finanzsystem - habe der Hof sich zum Motor und Garanten absolutistischer Herrschaft entwickelt, so Kruedeners These, da ihm beides, die Kontrolle des Adels wie auch des Untertanen Verbandes, gelungen sei. Durch Monopolisierung politischer und sozialökonomischer Chancen bei Hof sei die Aristokratie insgesamt diminuiert, auf lange Sicht gesehen funktionalisiert und durch die Maßlosigkeit höfischen Aufwandes finanziell stranguliert worden. Die Untertanen habe die perfekte Demonstration von Macht, gipfelnd in der Charismatisierung des Herrschers, auf staatsbürgerlichen Gehorsam eingeschworen. Der Hof war politisches Machtinstrument par excellence, so die Zentralthese von Kruedeners. So plausibel die idealtypische ZuspitR

J

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R

zung erscheinen mag, ihre gegenüber dem ungleich aspektenreicheren Modell Elias' stark vereinfachend wirkende Holzschnittartigkeit wirkte sich bei empirischer Überprüfung nachteilig aus. Mit ihrer Hilfe die deutschen Fürstenhöfe zu erklären, wie von Kruedener es auch versuchte, konnte nur unzulänglich gelingen. Wiederum erwies sich der Einwand, daß die „Eindeutschung" einer im wesentlichen am französischen Beispiel entwickelten Theorie höchst problematisch sei, als zutreffend, zumal eine quellenfundierte Absicherung weder vom Autor selbst geboten noch mangels einschlägiger Fallstudien überhaupt beigebracht werden konnte. Soweit kritische Einwände das theoretische Gebäude betrafen, bezogen sie sich auf den angenommenen Kausalzusammenhang von steigendem höfischen Luxus und sinkenden ökonomischen Möglichkeiten

2 . G r u n d p r o b l e m e der F o r s c h u n g

97

des Adels [ 1 6 7 : W I N T E R L I N G , 22 f f . ] . Daß Luxus bewußt zur Liquidierung wirtschaftlicher Chancen eingesetzt wurde, wird ebenso angezweifelt wie die von Kruedener vertretene Ansicht, der Einsatz von organisiertem Vergnügen bei Hofe, so Feste, Jagden oder Theater, habe vorrangig das „neurotische Potential" des disziplinierten Hofadels abschöpfen sollen. 2.3.3 Der „ständische H o f In seiner vorzüglichen, quellennah argumentierenden Dissertation „Der Hof der Kurfürsten von Köln 1688-1794" (Bonn 1986) versucht A L O I S W I N T E R L I N G [ 1 6 7 ] den Nachweis zu führen, daß der Hof - zumindest der geistliche - keineswegs eine Machtreduktion des Adels bewirkt und daß er sich auch nicht als Überwachungsapparat für die Aristokratie dargestellt habe. In deutlichem Kontrast zu herkömmlichen, in der Nachfolge Elias' sich artikulierenden Ansichten sieht Winterling das Hofwesen im Gegenteil als Stabilisierungsfaktor für ständische Mitherrschaft. Der kurkölnische Hof gerierte sich mehr oder minder als Ort „unpolitischer Gefälligkeit", er war zum größeren Teil von landfremdem Adel frequentiert, die Adressaten einer weitgehend irrationalen Prachtentfaltung sind nicht unmittelbar faßbar. Winterling entpolitisiert gleichsam den deutschen, zumindest den geistlichen (Kurfürsten-)Hof. Hofkultur sei Prestigeoptimierung aus egoistischem Plaisir, Kompensation von Bedeutungs- und Funktionslosigkeit des territorialen Fürsten auf europäischem Parkett. Hofluxus und höfisches Leben seien - hier in starker Abgrenzung zur Generalthese von Kruedeners etwa - charakterisiert durch politischen Dilettantismus und persönlichen Unwillen eines Fürsten, der die Regierungsaufgaben an Fachkräfte delegiert habe, da Arbeit, in weitester Bedeutung des Begriffes, als der fürstlichen Daseinsform unangemessen galt. Der Autor vollzieht in seiner Analyse einen radikalen Perspektivenwechsel und transponiert das Modell, das Elias am französischen Königshof entwickelt hatte, auf die höfische Gesellschaft des gesamten Deutschen Reiches. Gesehen von der besonderen Struktur des Reiches her und dessen „doppeltem Ständesystem" (Reichsstände/Landstände), sei der hohe Adel eben nicht entmachtet worden zugunsten eines einzigen Souveräns oder Fürsten. Es existierten zwar diverse höfische Zentren, doch insgesamt befanden sich diese in einer gegenseitigen Konkurrenz, und zwar in bezug auf das Prestige wie auch die jeweilige Funktion in der Reichspyramide. Winterling vergleicht das Reichssystem insgesamt mit Versailles bzw. die gesamte deutsche „Fürstengesellschaft" mit dem französischen Königshof. In der spezi-

WINTERLING

Antithese zu

ELIAS:

H

? f Stabihsierungstaktor ständischer Mitherrschaft

Perspektiven wechsel: ELIAS' Hofmodell als Parameter des Reichssystems

98

Piädoyer für die „Systemtheorie

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

fischen Konstellation des hohen und höchsten deutschen Adels vollzogen sich, seiner Ansicht nach, Prozesse der Interaktion, der Konkurrenz, der Präzedenz, der sozialen Stilisierung. Der Prestige- und Machtkampf habe somit nicht an einem „Monopolhof" (Kaiserhof) stattgefunden, vielmehr bildeten die einzelnen Höfe insgesamt eine „höfische Öffentlichkeit". Winterling klammert unter diesen Vorzeichen bewußt den Hof als Focus der Zentralregierung eines Territoriums aus, zumal ein Großteil der Duodezfürsten dem Verwaltungswesen kaum Aufmerksamkeit geschenkt und sich statt dessen lieber im Konsumrausch ruiniert habe. Hier liegt jedoch gleichzeitig das zentrale Manko der Arbeit. In den weitaus meisten Fällen - so bei der Vielzahl der kleineren Territorien - bestand eine weitgehende Identität von Hof- und hohen Verwaltungsbeamten. Darüber hinaus muß der „geistliche Hof" als Sondertypus insofern gesehen werden, als das Domkapitel - durch Kontrolle und gewisse Verfahrensweisen - ein nicht unerhebliches politisches Gegengewicht aufbaute, das der geistliche Fürst seinerseits - etwa durch die Beiziehung auswärtiger Adliger zu mindern suchte. Winterling bietet aber nicht nur eine kritische Evaluierung der bisherigen Forschungsansätze [167: 3 ff.], er plädiert zudem am Ende seiner Ausführungen für die Anwendung der von Talcott Parson inaugurierte- und von Niklas Luhmann ausformulierten „Systemtheorie". £jj e Strukturveränderungen des sozialen Systems der Frühen Neuzeit unter dem Gesichtspunkt einer sozio-kulturellen Evolution zu sehen, in der die ständische Ordostruktur mit ihren statusbedingten Interaktionsund Kommunikationsnormen sich auflöste zugunsten einer modernen Spezialisierung und Funktionalisierung relativ autonomer Teilsysteme, ist nicht neu. In der Minderung adliger Interaktionsmöglichkeiten, bedingt durch die rationale Effizienz von Arbeitsteilung und Leistungsprinzip, aber einen kompensationsnotwendigen Qualitätsverlust für die Aristokratie zu sehen, verleiht den Interpretationsmodellen „Hof" und „höfische Gesellschaft" eine neue Dimension. Im Sinne einer derartigen Systemtheorie wäre die höfische Kultur in all ihren facettenreichen Schattierungen nicht Instrument fürstlichen Herrschaftsinteresses, sondern Ausdruck politischer Irrationalität. „Involution" nennt Luhmann den Prozeß künstlicher Bedeutungssteigerung in Ermangelung realer Gegebenheiten. 2.3.4 Der Hof als „soziales System" hat in seiner jüngst erschienenen Studie „Der Hof als soziales System" [120: 1993] das Modell „Systemtheorie" auf an-

JAN HIERSCHBIEGEL

2. Grundprobleme der Forschung

99

dere Weise erprobt. Untersuchungszeitraum ist für ihn die Schwelle von der Spätantike zum Frühmittelalter, eine in unserem Zusammenhang nur insofern interessierende Zeit, als der Verfasser in seiner durchgängig sehr theoretisch gehaltenen Untersuchung bemüht ist, nicht der Individualität einzelner Höfe nachzugehen, sondern dem Typischen vieler. Nach Hierschbiegel weist das soziale System „Hof" generell einen „autopoietisch-selbstreferentiellen Kern der Reproduktion" auf, der zur Hervorbringung systemkonformer Elemente neige. Als Institution habe der Hof sich stets um einen dauerhaften Orientierungsrahmen bemüht, um seinen Mitgliedern Verhaltenssicherheit zu geben, auf daß das Machtgefüge als Ganzes Akzeptanz erfahre. Aus dieser Perspektive den frühneuzeitlichen deutschen Fürstenhof als kostspielige Kompensation für ein sich minderndes fürstlicharistokratisches Machtpotential zu interpretieren ist nicht ungefährlich. Zum einen gilt es zu bedenken, daß die Absolutheit fürstlichen Regiments bis ins mittlere 18. Jahrhundert hinein kaum ernsthaft in Frage gestellt wurde, daß ein subjektiv empfundenes irreversibles Politikdefizit also nicht bestand, und zum anderen die Symbiose von Regiment, Hof und Landesverwaltung zwar keinesfalls überall, aber an den kleinen Höfen allemal sich lange Zeit halten konnte. 2.4

Hof als „seibstreferentielles

System"

Typologisierungsvarianten

Die ältere und methodisch weniger streng ausgerichtete Historiographie stellte für mögliche Hof-Typisierungen nur wenige Parameter zur Verfügung. Es war allgemein üblich, die annähernd 300 bis 350 deutschen Höfe geographisch in „norddeutsch" und „süddeutsch" zu un- Konventionelle terscheiden, sie nach ihrer konfessionellen Ausrichtung in „protestanti- Jef Höfe-"86" sehe" und „katholische" zu teilen oder sie, abhängig vom Grad höfi- nach geographischer Wissenschafts- oder Kunstpflege, in „aufgeklärte" oder „ba- sehen, konfessiorocke" zu trennen. Die Dichotomisierung war in jedem Falle einfach, geschichtlichen methodisch absolut ungefährlich, aber auch von begrenzter Aussage- Gesichtspunkten kraft, da eigentliche kategoriale Aspekte dabei nicht angesprochen wurden [159: V I E R H A U S ] . Anders verhält es sich mit der gleichfalls simpel erscheinenden Gliederung in „geistliche" und „weltliche" Höfe, der bei weitem pragmatischsten, da erstere - nahezu 70 an der Zahl - sich in gravierenden, den Gegenstand „Hof" in seinem Wesen betreffenden Punkten von den säkularen Höfen unterscheiden. So fehlt zum einen am geistlichen Hof eine - legitime - Herrscherin und damit Hofherrin samt dazugehörigem Hofstaat; der geistliche Hof ist weitgehend ein „Klerikerhof". Es fehlt

100

Definition von „idealtypen": - zeremonieller, -hausväterlicher, - geselliger, - Kaiserhof

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

zum anderen die dynastische Erbfolge und damit die „Hof-Familie" im engeren Sinn. Es existierte beständig, auch zu Zeiten des Hochabsolutismus, eine ständische Mitregierung - das Domkapitel - , das Hof und Landesverwaltung wesenhaft tangierte und prägte. In jüngster Zeit bemühte sich VOLKER BAUER mit seiner Studie „Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts" [94] um eine zusätzliche Variante. Der Ansatz der Arbeit ist ein rein systematischer, auf Quellenarbeit wird bewußt verzichtet, statt dessen dienen Einzelmonographien zur Abstützung des Interpretationsrasters. Bauer entwirft für die Spätphase der Frühmoderne fünf Idealtypen: Neben dem singulär eingestuften Kaiserhof sind dies der „zeremonielle" (Köln, Bayern, Sachsen etwa), der „hausväterliche" (Sachsen-Gotha), der „gesellige" (Preußen) und der „musische" (Weimar, Wolfenbüttel) Hof. Die dieser Klassifikation zugrundeliegende Begrifflichkeit ist sowohl unter historischen als auch unter soziologischen Gesichtspunkten anfechtbar. Sie ist unscharf, vielfach bewußt nebulös gehalten und nicht imstande, das Typische und Unverwechselbare des Untersuchungsgegenstandes über längere Zeit zu erfassen, sondern lediglich das Spezielle und Individuelle einer sehr begrenzten Zeitspanne. Atmosphärisches wird zur Kategorie erhoben und nicht beachtet, daß sich die Eigenart eines Fürstenhofes nicht selten bei einem Wechsel des Regenten gravierend ändern konnte. Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen spielen eine viel zu untergeordnete Rolle.

III. Quellen und Literatur

A. Quellen 1. Hofordnungen/Hofkalender 1.

2. 3. 4. 5.

6. 7.

K . FORSTREUTER, Die Hofordnungen der letzten Hochmeister in Preußen, in: Prussia 31 (1929) S. 223-231. F. HASENRITTER, Die pommerschen Hofordnungen als Quelle für die Hof- und Landesverwaltung, in: BStNF 39 (1937) S. 147-182. A. KERN, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts, 2 Bde., 1905/07. R. LÜDICKE, Vier Münstersche Hofordnungen des 16. Jahrhunderts, in: Z. f. Kulturg. 9 (1902) S. 137 ff. W. PARAVICINI, Edition der burgundischen Hofordnungen, in: Francia 10 (1982) S. 131-166, 11 (1983) S. 257-301, 13 (1985) S. 191-211, 15 (1987) S. 183-231. J. v. SCHWARZKOPF, Über Staats- und Adress-Calender, Berlin 1792. J. SPINDLER, Hofordnung des Bischofs von Augsburg, Heinrich V. von Knöringen (1611), in: Jb. Hist. Verein Dillingen 21 (1908) S . 1 ff.

2. Präzedenz/Zeremoniell 8. J. CHR. BECKMANN, Notitia dignitatum illustrium civilium, sacrarum, equestrium, Frankfurt/Oder 1670. 9. J. CHR. BECKMANN, Syntagma Dignitatum Illustrium, Frankfurt Leipzig 1696. 10. J. v. BESSER, Ceremoniale Brandenburgicum, Freiburg 1700.

102 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

20.

21. 22. 23.

24. 25. 26. 27. 28. 29.

30. 31. 32.

III. Quellen und Literatur

F. B. CARPZOW, De iure proedriae naturali programma, Wittenberg 1742. H. v. COCCEJI, Disputatio de Praecedentia, Heidelberg 1681. H. a COLLIBUS, Palatinus sive Aulicus, Hanau 1595. J. a CRUSIUS, Tractatus politico-juridico-historicus de Praeminentia . . . Magnatum in Europa, Bremen 1654. DE REFUGE, Kluger Hofmann: Das ist/ Nachsinnige Vorstellung deß untadelichen Hoflebens ..., Frankfurt 1655. N. FARET, L'honneste Homme. Das ist: Der Ehrliebende Welt/ Mann ... Leipzig 1647. G. FELTMAN, Tractatus de titulis honorum, Bremen 1672. A. F. GLAFEY, Dissertatio epistolica de titulo Dominis atque Baronis, Tübingen 1716. J. T. HELLBACH, Meditationes juris proedriae moderni oder Abhandlungen von den heutigen Rechten des Ranges, Vorzugs und Vorsitzes, Leipzig 1742. H . P. HERDESIANUS, Aulica vita et opposita huic vita privata, Frankfurt 1578. C. H. HORN, De iure proedriae seu praecedentiae, Wittenberg 1697. J. KLEIN, De praerogativis principum Sacri Romani Imperii, Rostock 1698. G. LAUTERBECK, Ein kurtz Formular/oder Unterricht/ aus welchem sich einer/ so sich an Fürsten/Graffen/oder Herren Höfen/ für einen Rath oder Diner/wil gebrauchen lassen,... Erfurt 1559. J. CHR. LÜNIG, Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, 2 Bde., Leipzig 1719. M. MAYER, Hoffschul..., Augsburg 1659. F. C. v. MOSER, Teutsches Hof-Recht, 2 Bde., Frankfurt - Leipzig 1754/55. F. C. v. MOSER, Von der Staats-Galanterie, in: Kleine Schriften I, Frankfurt 1752, S. 1-181. J. B. v. ROHR, Einleitung zur CeremonialWissenschaft der grossen Herren, Berlin 1729. G . STIEVE , Europäisches Hof-Ceremoniell, 2 . Aufl. Leipzig 1 7 2 3 . B. S. v. STOSCH, Von dem Praecedenz- oder Vorder-Rechte aller Potentaten und Republiquen in Europa, Jena 1677. S. STRYK, Programma de eminentia Imperii et Imperatoris, Wittenberg 1691. Fr. W . v. WINTERFELD, Teutsche und Ceremonial Politika, Frankf u r t - L e i p z i g 1700-02.

A. Quellen

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E. v. WEYHE, Aulicus politicus, diversis regulis, praeceptisque .. Hanau 1596. CHR. WOLFF, Vernünftige Gedancken vom gesellschaftlichen Leben der Menschen und insonderheit dem gemeinen Wesen, Frankfurt - Leipzig 5 1740. E . ZWEYBURG (= Zacharias Zwantzig), Theatrum Praecedentiae, Berlin 1706.

3. Fürstenspiegel/Hausväterliteratur 36. 37. 38. 39.

40. 41.

42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53.

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J. COLER, Oeconomia oder Haussbuch, Wittenberg 1593-1599. G. DRAUDIUS, Institutio principis, Rostock 1659. W. F. v. EFFEREN, Manuale politicum de ratione status seu idolo principum, Frankfurt 1639. ERASMUS VON ROTTERDAM, Institutio principis christiani (hg. v. J . Gail), Paderborn 1968. F. PH. FLORINUS, Oeconomus prudens et legalis oder Allgemeiner Kluger und Rechtsverständiger Haus-Vatter, Nürnberg 1702. FRIEDRICH V. PREUSSEN, Anti-Machiavell, Frankfurt 1 7 4 1 . A. FRITSCH, Princeps peccans, sive Tractatus de peccatis principum, Jena 1674. A. DE GUEVARA, Horologium Principum, das ist Fürstliche Weckuhr und Lustgarten ... übers, v. A. Albertinus, Hanau 1634. C. HERESBACH, De educandis erudiendiqusque principum liberis . . . deque republica Christiana administranda, Frankfurt 1570. A. KIRCHER, Principis Christiani archetypon politicum, sive Sapientia Regnatrix ..., Amsterdam 1672. J. LAUTERBACH, Princeps christianus, Leipzig 1597. G. LAUTERBECK, Regentenbuch, Leipzig 2 1557. P. LEYSER, Regentenspiegel, Leipzig 1605. G. E. v. LÖHNEYSS, Aulico-Politica ..., Remlingen 1622. R. LORICH, Wie junge fürsten vnd grosser Herren Kinder rechtschaffen instituirt vnd unterwisen, Marburg 1537. N. MACHIAVELLI, Principe (Opere 1, hg. S. Bertelli), Mailand 1960, dt. v. H. Freyer, Stuttgart 1961. L. DE MALVENDA, Spiegel eines christlichen Fürsten, München 1604. P H . A . OLDENBURGER, Manuale Principum Christianorum, Genf 1672. J. OMPHALIUS, De officio et potestate principis, Basel 1550.

104

55. 56.

57. 58.

59. 60.

III. Quellen und Literatur

M. v. OSSE, Prudentia regnativa, Frankfurt 1607. U. RHEGIUS, Enchiridion oder Handbüchlein eines Christlichen Fürsten, Wittenberg 1535. TH . RORER, Fürstenspiegel, Schmalkalden 1566. J. T H . SPRENGER, Bonus princeps ..., Frankfurt 1 6 5 2 . J. T H . SPRENGER, Tacitus axiomaticus de principe, Frankfurt 1658. J. TEXTOR, Obrigkeit-, Richter- und Hofleut-Spiegel, Frankfurt 1616.

4. Regimentstraktate/Regierungs- und Policeylehren 61.

A . CLAPMARIUS, De arcanis rerum publicarum ..., Löwen 1644.

62.

CH. W. FRIEDTLIEB, Prudentia politica, das ist: Beschreibung einer

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65.

66. 67.

68. 69. 70.

Christlichen/Nützlichen und guten Policey ..., Goslar 1614. W. H . v. HOHBERG, Georgica curiosa oder Adeliges Land- und Feldleben, Nürnberg 1682/87. J. H. G. v. JUSTI, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Königsberg 1760/61. J. H. G. v. JUSTI, Die Natur und das Wesen der Staaten als die Grundwissenschaft der Staatskunst, der Policey und aller Regierungswissenschaft, Berlin 1760. N. MYLER v. EHRENBACH, Hyparchologia seu de Officialibus, Magistratibus et Administris über singularis, Stuttgart 1678. G. OBRECHT, Fünff Underschiedliche Secreta politica von Anstellung, Erhaltung und Vermehrung guter Policey ..., Straßburg 1644. J. OLDENDORP, Van radtslagende/wo men gude Politie vnd ordenunge/ ynn Steden vnd Landen erholden möghe, Rostock 1530. M. v. OSSE, Politisches Testament, in: O. A. Hecker (Hg.), Schriften M. v. Osses mit Lebensabriß, Briefe und Akten, Leipzig 1922. V. L. v. SECKENDORFS Teutscher Fürstenstaat, Frankfurt - Leipzig 1656, Jena 3 1773.

5. Politische Testamente 71.

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105

A. Quellen

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R. DIETRICH, (Hg.), Politische Testamente der Hohenzollern, München 1981. F. SCHMIDT, Geschichte der Erziehung der bayerischen Wittelsbacher von den frühesten Zeiten bis 1750, Berlin 1892 (MGP 14). H. SCHULZE (Hg.), Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, 3 Bde., Jena 1 8 6 2 - 1 8 8 3 . G. B. VOLZ (Hg.), Die politischen Testamente Friedrichs des Großen, Berlin 1920.

6. Hofliteratur/Memoiren/Briefliteratur/ Reiseberichte/Kritik 76. 77.

78. 79.

80.

81.

82. 83. 84. 85.

A E . ALBERTINUS, Institutiones vitae aulicae oder Hofschuel, München 1600, hg. v. M.-E. A. METZGER, Bern - Frankfurt 1978. B. CASTIGLIONE, Cortegiano, ( 1 5 2 8 ) , dt. München 1 9 8 6 . N. FARET , L'honneste Homme. Das i s t . . . der Ehrliebende Welt/ Mann, 1647. L. JUST (Hg.), Die westdeutschen Höfe um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Blick der Kölner Nuntiatur, in: AHVNiederrhein 134 (1939) S. 50-91. J . B . KÜCHELBECKER, Allerneueste Nachricht vom römisch-kaiserlichen Hofe ..., Wien 1732. R. G R A F KHEVENHÜLLER-METSCH, H. SCHLITTER (Hg.), Aus derZeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten J. J. Khevenhüller-Metsch, 7 Bde. (1742-1773), Wien - Leipzig 1907/25; Bd. VIII (17741780), hg. v. M. BREUNLICH-PAWLIK/H. WAGNER, Wien 1972. J. M. v. LOEN, Der redliche Mann am Hofe, Frankfurt 1742. K. L. v. PÖLLNITZ, Mémoires, 3 Bde., Liège 1734, dt. 1735; Nouveaux Mémoires, 2 Bde., Amsterdam 1737 etc. E. PUFENDORF, Bericht über Kaiser Leopold, seinen Hof und die österr. Politik 1671-1674, hg. v. K. G. HELBIG, 1862. Die Korrespondenz der Kurfürsten von Köln aus dem Hause Wittelsbach (1583-1761) mit ihren bayerischen Verwandten, Düsseldorf 1978.

7. Architektur 86.

L. B.

ALBERTI,

De Re Aedificatoria, hg. v. G.

GHESI, 2 Bde., Mailand 1966.

ORLANDI/P. PORTO-

106

III. Quellen und Literatur

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J . FURTTENBACH,

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92.

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B. Literatur 1. Allgemeine und übergreifende Darstellungen 93.

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B. Literatur

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104.

105. 106. 107. 108.

109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119.

120.

121. 122. 123.

124.

107

108

III. Quellen und Literatur

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Register Personenregister Aegidius Romanus 5 AgricolaJ. 88 Agrippa von Nettesheim H. C. v. 86 Albertinus Ae. 78 AlewynR. 55,92 Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 52 Ariosto L. 51 August der Starke, Kurfürst von Sachsen 50,61 August der Jüngere, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 48 Aventin J. 23 Bach C. Ph. E. 46 B a c h J . S. 46 Barclay J. 87 Bauer V. 95, 100 Baumgart P. 89 Beauchamp P. 47 Becher J. J. 60 Bernini L. 65 Besser J. v. 23, 83 Biedermann K. 89 Boccaccio G. 51 Bontempi G. A. 46 BöttgerJ. F. 61 B r u n C h . Le 64 Buchner A. 53 B u c k A . 89 BurckhardtJ. 13 Caldara A. 46 Carpzow F. B. 84 Castiglione B. 1 3 , 5 1 , 8 2 Cavalli F. 46 Cervantes 51 Cesti P. A. 46

Chassaneus B. 84 Clapmarius A. 81 Cocceji H. v. 84 Collibus H. a 83 Corneille P. 52 Cranach L. 44 CrusiusJ. A. 84 Cuvillies F. 66 Czernin 64 Czok K. 92 Delsenbach J. A. 66 Dickens A. G. 89 Dientzenhofer J. 66 Ditterlin W. 62 Döbel H.W. 8 Draghi A. 46 Dürer A. 44 E f f n e r J . 66 Ehalt H. Chr. 84, 89 Elias N. 32 f., 84, 89, 94 ff. Erasmus von Rotterdam 23, 86 ErmatingerE. 91 Ernst Ludwig, Landgraf von HessenDarmstadt 80 Este 13 Faramond L. E. v. 55 F a r e t N . 83 Feldman G. 84 Ferdinand II., Erzherzog von Österreich 50 Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern 55,60 Fischer v. Erlach J. B. 65 f. Florinus F. Ph. 9, 80 FranckS. 88

128 Franz I., König von Frankreich 62 Freisteyn A. S. 83 FreudS. 94 Freytag G. 90 Friedell E. 92 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 25 Friedrich II., König von Preußen 10, 4 9 , 5 8 , 6 1 , 7 9 Friedrich III., Deutscher Kaiser 6 Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 67 Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Brandenburg 80 FritschA. 83 Fuchs E. 91 Fugger 23 Fugger J. J. 48 Fürstenberg 49, 61 Furttenbach J. 62,71 Fux J. J. 46 GesnerJ. M. 48 G l a f e y A . F. 84 Gleichen-Russwurm A. v. 91 Gluck Chr. W. 46 Goethe J. W. v. 49 Gomberville de, M. Le Roy 53 Gonzaga 13 Gottsched J. Chr. 54 Graciän B. 87 Grimmelshausen H. J. Chr. v. 52 Gryphius A. 52 Guevara A. de 86 Hallmann J. Chr. 52 Hammerstein N. 89 Händel G. F. 46, 57 Hardoin-Mansart J. 64 HaydnJ. 46 Heelbach J. Th. 84 Heine H. 90 Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 52 Henne-Am Rhyn O. 90 Herder J. G. v. 23 Heresbach C. 8 , 2 3 , 7 8 Philipp, Landgraf von Hessen 50 Hierschbiegel J. 98 f.

Register Hildebrandt J. L. v. 66 Hirsch 24 HobbesTh. 77 Hohberg W. H. v. 58, 79 Holl E. 6 2 , 6 4 H o r n C . H. 84 Höroldt J. G. 61 HuizingaJ. 12 Hutten U. v. 86 Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen 50 Jommelli N. 46 Kandier J. J. 61 Karl IV., Deutscher Kaiser 6 Karl Philipp, Kurfürst von der Pfalz 25,68 Karl V., Deutscher Kaiser 12, 14f„ 36, 87 KavkaF. 92 Keldermans R. 64 Khevenhüller-Metch J. J. v. 86 Klein J. 84 Knobeisdorff G. W. v. 6 6 , 7 2 Konrad von Megenberg 5 KrebelG. F. 86 Kruedener J. v. 96f. Kunz v. Rosen 25 Lasso O. di 46 La Calprenede G. de Coste 53 Lauterbeck G. 8 f. Lehmann Chr. 88 Lehmann P. A. 86 Leibniz G. W. v. 48, 54 Leiningen 49 Lessing G. E. 48, 87 Lippe Grafen v. 49 LipsiusJ. 9 , 6 2 , 7 7 Liselotte von der Pfalz 86 Loen J. M. v. 83, 87 Lohenstein D. C. v. 52 Löhneyss G. E. 78 Lucan 4 Ludwig V., Landgraf von HessenDarmstadt 80 Ludwig XIV., König von Frankreich 10, 1 6 , 4 7 , 5 8 , 7 9

Register Luhmann N. 98 Lully J.-B. 46 f. Luther M. 58 Machiavelli N. 1 3 , 5 8 , 7 7 Malvenda L. de 78 Martin A. v. 93 Maximilian I., Herzog/Kurfürst von Bayern 6, 1 2 , 2 5 , 4 8 , 6 4 , 8 0 Medici 13,60 Michelangelo 44 Molière 52 Montefeltro 13 Monteverdi C. 46 Moser J. 85 Moser Fr. C. v. 9, 57, 83 f., 87 f. Mozart W. A. 46 Nassau Graf. v. 49 Neumann B. 32, 66 Nòtre A. de 64 OestreichG. 10 Oettingen-Wallerstein 49 Oldenburger Ph. A. 85 Opitz M. 53 f., 87 Oppenheimer (Jud Süß) 24 O s s e M . v. 81 Palladio A. 6 2 , 7 1 Pallavicino P. 46 Pappenheim 63 ParrF. 64 ParsonT. 98 Pascalos D. de 83 Perkeo 25 Peter von Blois 4 Philipp der Gute, Herzog von Burgund 12

Philipp II., König von Spanien 10, 15 Philipp III., König von Spanien 15 Philipp der Großmütige, Landgraf von Hessen 58 Piccolomini A. S. 86 Plodeck K. 89 Pöllnitz K. L. v. 86 Pöppelmann M. D. 66 Praetorius M. 46 Prandtauer J. 66

Press V. 89 Rabalais F. de 51 Racine J.-B. 52 Raffael 44 Rameau J.-Ph. 46 Ranstatt K. v. 25 R e f u g e D e 83 Reinalter H. 92 Riedinger G. 64 RohrJ. B. v. 83 Roscher W. 10 Rossi L. 46 Rothschild 23 Rubens 44 Rudolf II., Deutscher Kaiser 50 ScherrJ. 90 f. Schickhardt H. 64 Schiller Fr. 87 Schlüter A. 66 SchochJ. 64 Schumpeter J. A. 93 Schütz H. 46 Schwarzburg 49 Schwarzkopf J. v. 85 Scudèry M. de 53 Seckendorf? V. L. v. 10, 23, 81 f. Seligmann 24 Seni 50 SerlioS. 6 2 , 7 1 Sforza 13 Shakespeare 51 SombartW. 92 f. StamitzJ. 46 SteffaniA. 46 Steidlin J. M. 67 Steinhausen G. 91 StieveG. 83 Stosch B. S. v. 84 Strada G. della 64 StrykS. 84 Sustris F. 64 Swieten G. van 48 Tasso T. 51 Thum und Taxis 49 Tiepolo D. 32 Tizian 44

129

130

Register

Treuer G. S. 86 TretschA. 64 Tschirnhaus E. W. v. 61

Weinhart K. 64 Welsch M. v. 66 Wertheimer 24 Wieland Chr. M. 23 Wildmanstetter J. A. 48 Wilhelm, Markgraf von Baden-Durlach 67 Winckelmann J. J. 23 Winterling A. 33, 92, 95 ff. WolffChr. 34

Vau L. Le 64 Vehlen Th. 92 f. VehseE. 90 Vierhaus R. 8 9 , 9 9 Visconti 13 Voltaire 49 Wagenseil J. Chr. Waldeck 49 Waldstein 64 Wallenstein A. v. Weber A. 94 Weber M. 11, 35, Weckherlin G. R.

86

Zedier J. H. 59, 88 Zesen Ph. v. 52 Zimmermann G. 89 Zincgref J. W. 88 Zoepfl F. 91 Zwantzig Z. 84

50 89,93 ff., 96 53,87

Ortsregister Amboise 62 Ambras 64, 69 Amorbach 49 Ansbach 6 1 , 8 4 Arolsen 49 Aschaffenburg 63 f., 70 Avignon 41 Babenhausen 64 Baden-Baden 64 Bayern 28 ff., 100 Bayreuth 7 2 , 8 4 Berlin 23, 31, 37, 49,55, 61, 64ff., 72 - Charlottenburg 66 Blois 15,62 Böhmen 66 Bonn 37 Braunschweig 72 Brixen 64 Bruchsal 70 Brühl 3 7 , 7 0 , 7 5 Brüssel 11 Burgund (burgundisch) 7, 11 f., 15,41 Byzanz 41

Celle 72 Chambord 15 f., 62 Chemnitz 64 China 60 Dachau 69 Darmstadt 72 Delft 60 Detmold 4 9 , 6 4 Dijon 11 Dillenburg 49 Donaueschingen 49 Dresden 7, 23, 46, 49, 60, 66, 71 f., 89 Eichstätt 64 England (englisch) 1 5 , 5 1 , 5 9 Erlangen 72 Escorial 14, 62 Ferrara 13 Florenz 1 3 , 6 1 , 7 1 Fontainebleau 16,62 Frankenthal 61 Frankfurt 31 Frankreich (französisch) 15 ff., 32 f.,

Register 4 0 , 4 2 f., 4 7 , 5 2 ff., 60 ff., 64,66, 71, 74 f., 83, 94 f. Fulda 6 1 , 6 6 Göppingen 64 Gotha 61,64, 100 Hannover 3 1 , 4 8 , 7 2 Heidelberg 35, 48 f., 64, 68, 71 Heiligenberg 69 Höchst 61 Hohenbrunn 66 Homburg (Bad) 64 Innsbruck 6, 69 Italien (italienisch) 7, 12, 15f.,41ff., 46f., 51, 60ff., 64, 66, 71, 74f., 83 Karlsruhe 67 Kassel 3 1 , 6 1 , 7 1 , 7 5 Köln 37,42, 97 f., 100 Königsberg 48, 59 Landshut 64 Laxenburg 37 Linz 66 Ludwigsburg 61, 67 f. Lyon 60 Madrid 1 2 , 1 4 , 6 2 - Alcazar 14 Maihingen 49 Mailand 13,62 Mainz 61 Mannheim 4 6 , 6 7 f., 72 Mantua 13 Meißen 61 Moskau 71 München 7, 23, 35,42, 46, 48f., 60, 64, 66,69, 71 f., 74f. - Nymphenburg 6 1 , 6 6 , 7 5 - Schleißheim 66 Neuburg/Donau 64 Niederlande 43, 60 Osnabrück 64 Österreich 28, 30f., 83 f. Ottweiler 61

131

Padua 62 Paris 15 f., 43, 47, 62 - Louvre 15,62, 64f. Petersburg 71 Plassenburg 64 Pommersfelden 66, 70 Potsdam 7, 37, 65 f., 72 - Sanssouci 49, 65, 66 Prag 6, 63 f., 74 Preußen 23, 28, 30 f., 37, 48, 84 Rastatt 67 f. Rauenstein 61 Regensburg 49 Rheinsberg 66 Rom 1 3 , 4 1 , 6 2 , 6 5 Rudolstadt 49 Sachsen 28 f., 31, 49, 84, 100 Saint Germain 16 Salzburg 46, 70, 74 Schwetzingen 72, 75 Spanien (spanisch) 14f., 39, 41 f., 51, 83 Spittal 64 Stuttgart 46, 64, 72 Ungarn 66 Urbino 13 Vancennes 16 Veitshöchheim 75 Venedig 1 3 , 4 3 , 6 2 Versailles 16,42, 52, 64 f., 69, 79, 97 Vicenza 71 Weikersheim 64, 69 Weilburg 64 Weimar 48 f., 69, 100 Wien 6 f., 12, 2 3 , 4 1 f., 46 ff., 49, 56, 60f., 64ff., 70, 75 - Schönbrunn 37, 42, 65 f., 75 Wittenberg 29 Wolfegg 64 Wolfenbüttel 48, 72, 100 Wolfsburg 64 Württemberg 2 4 , 2 8 , 3 0 Würzburg 30f., 63, 66, 6 9 f .

Enzyklopädie deutscher Geschichte Themen und Autoren Mittelalter Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter (Werner Rösener) 1992. EdG 13

Gesellschaft

Adel, Rittertum und Ministerialität im Mittelalter (Werner Hechberger) Die Stadt im Mittelalter (Frank G. Hirschmann) A r m u t im Mittelalter (Otto Gerhard Oexle) Geschlechtergeschichte des Mittelalters (Hedwig Röckelein)

Die Juden im mittelalterlichen Reich (Michael Toch) 2. Auf! 2003. EdG 44 Wirtschaftlicher Wandel und Wirtschaftspolitik im Mittelalter (Michael R o t h m a n n )

Wirtschaft

Wissen als soziales System im Frühen und Hochmittelalter (Johannes Fried) Die geistige Kultur im späteren Mittelalter (Johannes H e l m r a t h )

Kultur, Alltag, Mentalitäten

Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters (Werner Paravicini) 2. Aufl. 1999. EdG 32 Die mittelalterliche Kirche (Michael Borgolte) 1992. EdG 17 M ö n c h t u m und religiöse B e w e g u n g e n im Mittelalter (Gert Melville)

Religion und Kirche

Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter (Arnold Angenendt) 2003. EdG 68 Die Germanen (Walter Pohl) 2. Aufl. 2004. EDG 57 Die Slawen in der deutschen Geschichte des Mittelalters ( T h o m a s W ü n s c h )

Politik, Staat, Verfassung

Das römische Erbe und das Merowingerreich (Reinhold Kaiser) 3., Überarb. u. erw. Aufl. 2004. EdG 26 Das Karolingerreich (Klaus Zechiel-Eckes)

Die Entstehung des Deutschen Reiches (Joachim Ehlers) 2. Aufl. 1998. EdG 31 Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert (Egon Boshof) 2. Aufl. 1997. EdG 27 Der Investiturstreit (Wilfried Hartmann) 2. Aufl. 1996. EdG 21 König und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat (Bernhard Schimmelpfennig) 1996. EdG 37 Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500 (Dieter Berg) 1996. EdG 40 Die kirchliche Krise des Spätmittelalters (Heribert Müller)

König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter (Karl-Friedrich Krieger) 1992. EdG 14 Fürstliche Herrschaft und Territorien im späten Mittelalter (Ernst Schubert) 1996. EdG 35

Frühe Neuzeit Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800 (Christian Pfister) 1994. EdG 28 Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit (Christian Pfister)

Gesellschaft

134

Themen und Autoren

Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg (André Holenstein) 1996. EdG 38 Bauern 1648-1806 (Werner Troßbach) 1992. EdG 19 Adel in der Frühen Neuzeit (Rudolf Endres) 1993. EdG 18 Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit (Rainer A. Müller) 2. Aufl. 2004. EdG 33 Die Stadt in der Frühen Neuzeit (Heinz Schilling) 2. Aufl. 2004. EdG 24 Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit (Wolfgang von Hippel) 1995. EdG 34 Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 (Peter Blickle) 1988. EdG 1 Frauen- und Geschlechtergeschichte 1500-1800 (Heide Wunder) Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (J. Friedrich Battenberg) 2001. EdG 60 Wirtschaft

Kultur, Alltag, Mentalitäten

R e l i g i o n und Kirche

Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert (Franz Mathis) 1992. EdG 11 Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620-1800 (Rainer Gömmel) 1998. EdG 46 Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit (Walter Achilles) 1991. EdG 10 Gewerbe in der Frühen Neuzeit (Wilfried Reininghaus) 1990. EdG 3 Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit (Michael North) 2000. EdG 59 Medien in der Frühen Neuzeit (Stephan Füssel) Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (Notker Hammerstein) 2003. EdG 64 Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650-1800 (Anton Schindling) 2. Aufl. 1999. EdG 30 Die Aufklärung (Winfried Müller) 2002. EdG 61 Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der Frühen Neuzeit (Bernd Roeck) 1991. EdG 9 Lebenswelt und Kultur der unterständischen Schichten in der Frühen Neuzeit (Robert von Friedeburg) 2002. EdG 62 Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung (Olaf Mörke) Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert (Heinrich Richard Schmidt) 1992. EdG 12 Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert (Michael Maurer) 1999. EdG 51 Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit (Hans-Jürgen Goertz) 1993. EdG 20

Politik, Staat und Verfassung

Das Reich in der Frühen Neuzeit (Helmut Neuhaus) 2. Aufl. 2003. EdG 42 Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit (Joachim Bahlcke) Die Landständische Verfassung (Kersten Krüger) 2003. EdG 67 Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus (Walter Demel) 1993. EdG 23 Militärgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Bernhard Kroener)

Staatensystem,

Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648 (Alfred Kohler)

internationale

Beziehungen

1990. E d G 6

Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 (Heinz Duchhardt) 1990. EdG 4

Themen und Autoren

135

19. und 20. Jahrhundert Demographie des 19. und 20. Jahrhunderts (Josef Ehmer) Umweltgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (Frank Uekötter) Adel im 19. und 20. Jahrhundert (Heinz Reif) 1999. EdG 55 Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert (Andreas Gestrich) 1998. EdG 50 Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert (Klaus Tenfelde) Soziale Schichtung, soziale Mobilität und sozialer Protest im 19. und 20. Jahrhundert (N.N.) Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft (Lothar Gall) 1993. EdG 25 Die Angestellten seit dem 19. Jahrhundert (Günter Schulz) 2000. EdG 54 Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Gerhard Schildt) 1996. EdG 36 Frauen- und Geschlechtergeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (Karen Hagemann) Die Juden in Deutschland 1780-1918 (Shulamit Volkov) 2. Aufl. 2000. E d G 16 Die Juden in Deutschland 1914-1945 (Moshe Zimmermann) 1997. E d G 43

Gesellschaft

Die Industrielle Revolution in Deutschland (Hans-Werner Hahn) 1998. EdG 49 Die deutsche Wirtschaft im 20. Jahrhundert (Wilfried Feldenkirchen) 1998. EdG 47 Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Stefan Brakensiek) Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert (Ulrich Kluge) Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert (Toni Pierenkemper) 1994. EdG 29 Handel und Verkehr im 19. Jahrhundert (Karl Heinrich Kaufhold) Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert (Christopher Kopper) 2002. E d G 63 Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert (Eckhard Wandel) 1998. EdG 45 Untemehmensgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (Werner Plumpe) Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914) (Rudolf Boch) Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert (Gerold Ambrosius) 1990. EdG 7

Wirtschaft

Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert (Hans-Christof Kraus) Kultur, Bildung und Wissenschaft im 20. Jahrhundert (Frank-Lothar Kroll) 2003. EdG 65 Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert (Andreas Schulz) Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert (Wolfgang Kaschuba) 1990. EdG 5

Kultur, Alltag und Mentalitäten

Formen der Frömmigkeit in einer sich säkularisierenden Gesellschaft (Karl Egon Lonne) Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Gerhard Besier) 1998. EdG 48 Kirche, Politik und Gesellschaft im 20. Jahrhundert (Gerhard Besier) 2000. EdG 56

Religion und Kirche

136

Themen und Autoren

Politik, Staat, Verfassung

Der Deutsche Bund und das politische System der Restauration 1815-1866 (Jürgen Müller) Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815-1871 (Elisabeth Fehrenbach) 1992. EdG 22 Politik im deutschen Kaiserreich (Hans-Peter Ullmann) 1999. EdG 52 Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft (Andreas Wirsching) 2000. EdG 58 Nationalsozialistische Herrschaft (Ulrich von Hehl) 2. Auflage 2001. EdG 39 Die Bundesrepublik Deutschland. Verfassung, Parlament und Parteien (Adolf M. Birke) 1996. EdG 41 Militärgeschichte des 19. Jahrhunderts (Ralf Pröve) Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts (Bernhard R. Kroener) Die Sozialgeschichte der BRD (Axel Schildt) Die Sozialgeschichte der DDR (Amd Bauerkämper) Die Innenpolitik der DDR (Günther Heydemann) 2003. EdG 66

Staatensystem, internationale Beziehungen

Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871 (Anselm Doering-Manteuffel) 2. Aufl. 2001. EdG 15 Deutsche Außenpolitik 1871-1918 (Klaus Hildebrand) 2. Aufl. 1994. EdG 2 Die Außenpolitik der Weimarer Republik (Gottfried Niedhart) 1999. EdG 53 Die Außenpolitik des Dritten Reiches (Marie-Luise Recker) 1990. EdG 8 Die Außenpolitik der BRD (Ulrich Lappenküper) Die Außenpolitik der DDR (Joachim Scholtyseck) 2003. EDG 69 Hervorgehobene Titel sind bereits erschienen. Stand: (Januar 2004)