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German Pages [147] Year 1991
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 10
ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 10 HERAUSGEGEBEN VON LOTHAR GALL IN VERBINDUNG MIT PETER BLICKLE, ELISABETH FEHRENBACH, JOHANNES FRIED, KLAUS HILDEBRAND, KARL HEINRICH KAUFHOLD, HORST MÖLLER, OTTO GERHARD OEXLE, KLAUS TENFELDE
LANDWIRTSCHAFT IN DER FRÜHEN NEUZEIT VON WALTER ACHILLES
R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 1991
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Enzyklopädie deutscher Geschichte / hrsg. von Lothar Gall in München : Oldenbourg. Verbindung mit Peter Blickle ...
ISBN 3-486-53691-5 NE: Gall, Lothar [Hrsg.]
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Band 10. Achilles, Walter: Landwirtschaft in der frühen Neuzeit. 1991 -
Achilles, Walter:
Landwirtschaft in der frühen Neuzeit / von Walter Achilles. München: Oldenbourg, 1991 (Enzyklopädie deutscher Geschichte; Bd. 10) ISBN 3-486-55739-4 brosch. ISBN 3-486-55702-5 Gb.
© 1991 R. Oldenbourg
Verlag,
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München
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und die Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Gesamtherstellung:
Dieter
R.
Vollendorf, München
Oldenbourg Graphische
ISBN 3-486-55702-5 geb. ISBN 3-486-55739-4 brosch.
Betriebe GmbH, München
Vorwort Die
„Enzyklopädie deutscher Geschichte" soll für die Benutzer
Fachhistoriker, Studenten, Geschichtslehrer, Vertreter benachbarter Disziplinen und interessierte Laien ein Arbeitsinstrument sein, mit dessen Hilfe sie sich rasch und zuverlässig über den gegenwärti-
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gen Stand unserer Kenntnisse und der Forschung in den verschiedenen Bereichen der deutschen Geschichte informieren können. Geschichte wird dabei in einem umfassenden Sinne verstanden: Der Geschichte der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates in seinen inneren und äußeren Verhältnissen wird ebenso ein großes •Gewicht beigemessen wie der Geschichte der Religion und der Kirche, der Kultur, der Lebenswelten und der Mentalitäten. Dieses umfassende Verständnis von Geschichte muß immer wieder Prozesse und Tendenzen einbeziehen, die säkularer Natur sind, nationale und einzelstaatliche Grenzen übergreifen. Ihm entspricht eine eher pragmatische Bestimmung des Begriffs „deutsche Geschichte". Sie orientiert sich sehr bewußt an der jeweiligen zeitgenössischen Auffassung und Definition des Begriffs und sucht ihn von daher zugleich von programmatischen Rückprojektionen zu entlasten, die seine Verwendung in den letzten anderthalb Jahrhunderten immer wieder begleiteten. Was damit an Einschärfen und Problemen, vor allem hinsichtlich des diachronen Vergleichs, verbunden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einer zeitübergreifenden Festlegung ergäben, die stets nur mehr oder weniger willkürlicher Art sein könnte. Das heißt freilich nicht, daß der Begriff „deutsche Geschichte" unreflektiert gebraucht werden kann. Eine der Aufgaben der einzelnen Bände ist es vielmehr, den Bereich der Darstellung auch geographisch jeweils genau zu bestimmen. Das Gesamtwerk wird am Ende rund hundert Bände umfassen. Sie folgen alle einem gleichen Gliederungsschema und sind mit Blick auf die Konzeption der Reihe und die Bedürfnisse des Benutzers in ihrem Umfang jeweils streng begrenzt. Das zwingt vor allem im darstellenden Teil, der den heutigen Stand unserer Kenntnisse auf knappstem Raum zusammenfaßt ihm schließen sich die Darlegung und Erörterung der Forschungssituation und eine entspre-
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Vorwort
chend gegliederte Auswahlbibliographie an -, zu starker Konzentration und zur Beschränkung auf die zentralen Vorgänge und Entwicklungen. Besonderes Gewicht ist daneben, unter Betonung des systematischen Zusammenhangs, auf die Abstimmung der einzelnen Bände untereinander, in sachlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die übergreifenden Fragestellungen, gelegt worden. Aus dem Gesamtwerk lassen sich so auch immer einzelne, den jeweiligen Benutzer besonders interessierende Serien zusammenstellen. Ungeachtet dessen aber bildet jeder Band eine in sich abgeschlossene Einheit unter der persönlichen Verantwortung des Autors und in völliger Eigenständigkeit gegenüber den benachbarten und verwandten Bänden, auch was den Zeitpunkt des Erscheinens angeht.
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Lothar Gall
VIII
Inhalt
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Aussagekraft für das Einkommen der Bauern Die Aussagekraft für das Einkommen der Guts-
2. Die 3.
besitzer
.
4. Die Aussagekraft für das Einkommen der Stadtbewohner
.
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89
Abgaben und Steuern der Landwirtschaft 1. Leistungen an die feudale Klasse. 2. Leistungen an den Staat und Gesamtbelastung Produktionssteigerungen der Landwirtschaft 1. Leistungen der Pflanzenproduktion. 2. Leistungen der Tierproduktion.
101 103
D. Die unterbäuerliche Schicht 1. Die zahlenmäßige Entwicklung. 2. Der Erwerb 3. Betriebsgrößen-und Sozialstruktur des Dorfes
107 113 117
B.
.
C.
.
.
.
91 98
.
///. Literatur.
121
Register.
135
Themen und Autoren
139
.
Abkürzungen: Dezitonne, Gewicht von
dt T.
=
=
Taler
100
kg (früher: Doppelzentner)
I.
Enzyklopädischer Überblick Epochenbegriff „Frühe Neuzeit" agrarhistorischer Sicht
A. Der in
Epochenbegriff „Frühe Neuzeit" wird gegenwärtig nicht ernsthaft in Frage gestellt. Einigkeit herrscht über ihren Beginn, der mit Der
dem Auftreten des Humanismus, der Reformation und dem Erstarken der Habsburger gegeben ist. Übereinstimmung besteht auch über den Abschluß der Epoche, der im Erlöschen des Ancien Regime oder des Feudalismus gesehen wird. Es sind also Ereignisse aus der allgemeinen Geschichte, die den Anfang und das Ende markieren. Deshalb ist zu überprüfen, ob sich zeitgleiche Wendepunkte auch in der Agrargeschichte finden lassen. Entscheidende Einschnitte im Geschichtsverlauf können nur nachgewiesen werden, wenn auf die immerwährende Aufgabe der Aufgabe der LandLandwirtschaft zurückgegriffen wird. Sie besteht darin, die nicht- Wlrtschaft landwirtschaftliche Bevölkerung und sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen, die in der Produktion verbrauchten Betriebsmittel zu ersetzen und die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten. Im Vergleich zum Preis nimmt Getreide ein relativ großes Volumen ein und verfügt über ein ziemliches Gewicht. Der Wert einer Wagenladung bleibt also verhältnismäßig gering. Die Kosten des teuren Landtransports können deshalb nur in Hungerjahren gedeckt werden, wenn der Getreidepreis am Verbrauchsort weit höher steht als im Einkaufsgebiet. Der Getreidehandel über die Reichsgrenzen hinweg blieb deshalb auf solche Notjahre beschränkt. Kaufkräftige Nachfrager wie Fürsten und Patrizier erwarben hingegen fortlaufend dänische, polnische und ungarische Ochsen. Die Ausgangsfrage muß deshalb dahingehend präzisiert werden, ob die deutsche Landwirtschaft die Nichtlandwirte und sich selbst ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgte! In welchem Umfange das der deutschen Landwirtschaft gelun'
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I.
Enzyklopädischer Überblick
ist, hat Wilhelm Abel als erster untersucht. 1935 erschien seine Habilitationsschrift mit dem Titel „Agrarkrisen und Agrarkonjunkturen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert". Nach seiner Auffassung wird eine Agrarkonjunktur durch einen säkularen Anstieg der Lebensmittelpreise nachgewiesen. Der Preisanstieg für sich genommen sagt erst bei der Annahme etwas aus, die Nachfrage habe langfristig das Angebot übertroffen. Mißernten fallen als erklärende Ursachen von vornherein aus, da sie nur die Preise weniger Jahre anheben. Es muß vielmehr nach Ursachen gesucht werden, die nachhaltig auf Agrarkrisen-und die Preisbildung einwirkten. Abel zählt dazu die Bevölkerungsbe-konjunkturmoden wegUng und den Umfang der landwirtschaftlichen Produktion. Im Falle einer Agrarkonjunktur müßte die landwirtschaftliche Produktion stagnieren. Bei einer Agrarkrise würden sich die Verhältnisse entsprechend umgekehrt entwickeln. Betrachtet man die Abb. 1 (S. 4), so läßt sich für das 15. Jahrhundert ein zwar schwaches, aber stetiges Sinken des Roggenpreises ablesen. Er repäsentiert das Niveau der Lebensmittelpreise, da Roggen damals das Hauptnahrungsmittel war und außerdem eine enge Interdependenz zu den Preisen der übrigen Nahrungsmittel bestand. Berücksichtigt man wie Abel noch die Nominallöhne, die bei der geringen Bevölkerungszahl stiegen, so verbesserte sich der Reallohn erst recht, weil ein deutlich geringerer Teil des Nominallohns für die billiger gewordenen Nahrungsmittel ausgegeben werden mußte. Das 15. Jahrhundert wird daher zu Recht als Goldenes Zeitalter der Lohnarbeiter bezeichnet. Umgekehrt sanken die Einkommen der Landwirte, weil sich bei fallenden Getreidepreisen ihre Einnahmen verringerten und die Ausgaben durch die steigenden Löhne erhöhten. Sie erlebten das 15. Jahrhundert als Krise. Im 16. Jahrhundert, dem der sogenannten Preisrevolution, stiebei den Landwirten mit den Getreidepreisen wieder die Einnahgen während die Ausgaben für die Löhne abnahmen. Das 16. Jahrmen, hundert ist deshalb für sie eine Zeitspanne anhaltender Agrarkonjunktur. Umgekehrt verfielen in dieser Zeit die Reallöhne der Arbeiter. Ist der Wendepunkt von der Agrarkrise zur Konjunktur auch nicht genau auf die Zeit um 1500 festzulegen, so verbesserten sich für die Landwirte zumindest 10 Jahre später die genannten Rahmenbedingungen erheblich. Es ist daher sinnvoll, den Beginn des 16. Jahrhunderts auch als Ausgangspunkt für eine agrarhistorische gen
Betrachtung
der Frühen Neuzeit zu wählen. Stimmt man der Methode Abels zu, so kann man mit ihr auch für die Zeit um 1800 einen einschneidenden Wendepunkt ermitteln.
Der
Epochenbegriff „Frühe
Neuzeit"
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Die Agrarpreise stiegen im 18. Jahrhundert erst zögernd, ab 1780 aber geradezu boomartig an. Die Löhne stagnierten immerhin bis 1790, als die enorm gekletterten Nahrungsmittelpreise ihre Erhöhung erzwangen. Mit der Besetzung weiter Teile Deutschlands durch die napoleonischen Armeen endete diese Agrarkonjunktur und schlug in eine Krise um. Es genügt sicher nicht, für eine Epoche den Anfangs- und Endpunkt festzulegen. Trotz aller Entwicklung müssen die Verhältnisse während dieser Zeitspanne soviel Eigenständigkeit bewahren, daß sie sich mit hinreichender Deutlichkeit von jenen in den vorhergehenden und nachfolgenden Zeiten unterscheiden. In dieser Hinsicht scheint jedoch die Abb. 1 auf erhebliche Brüche zu verweisen. Schien das Jahrhundert der Preisrevolution um 1600 zu enden, so überrascht schon kurz darauf ein steiler Preisanstieg, der noch während des Dreißigjährigen Krieges seinen Höhepunkt erreichte und dem ein ebenso jäher Abfall bis kurz vor 1700 folgte. Die nachfolgende kleine Spitze kann vernachlässigt werden, weil sie auf einer ungewöhnlichen Häufung von Mißernten beruht. Die enorme Preissteigerung während des Krieges wie der nachfolgende Preisverfall waren für die jeweils Betroffenen zwar bittere Wirklichkeit, doch müssen sie als exogenes Ereignis angesehen werden. Die hohen Preise regten die Landwirtschaft damals keineswegs an, die Erzeugung derart zu steigern, daß ein Überangebot an Nahrungsmitteln entstand. Vielmehr blieben wegen der Kriegsereignisse viele Felder unbebaut, während die in den Städten besser geschützten Nachfrager die letzten Ersparnisse hergaben, um das lebensnotwendige Brot zu kaufen. Danach stagnierte das Bevölkerungswachstum ebenso wie das Wirtschaftsleben. Hingegen erholte sich die landwirtschaftliche Produktion etwas rascher, so daß die Agrarpreise fielen. Erst kurz vor 1700 kehrte sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder um und nahm jene Konstellation an, die schon für das 16. Jahrhundert kennzeichnend war. Die angeführten Rahmenbedingungen, aus denen Abel Schlüsse auf das Einkommen der Grundherren, der Landwirte und Verbraucher zog, sind bei weitem nicht der einzige Gegenstand der agrargeschichtlichen Forschung. Sieht man von Disziplinen ab, die mit ihr nur in loser Verbindung stehen, so ist zumindest die soziale und politische Stellung der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Die Suche nach entscheidenden Wendemarken auf diesen Gebieten bleibt jedoch enttäuschend. Vor allem um 1500 sind keine bedeutsamen Ereignisse zu beobachten. Selbst der Bauernkrieg veränderte die Lage der Bauern nicht grundlegend. Das gleiche gilt für die
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L
Enzyklopädischer Überblick
sogenannten Stein-Hardenbergischen Reformen, die gegen Ende
Epoche nur die Stellung der Laßbauern (s. S. 29) in Alt-Preußen wirklich einschneidend wandelten. Hingegen gleichen die Agrarreformen in allen anderen Fällen eher einem Prozeß, dessen Anfänge Jahrhunderte weit zurückreichen. Wie wollte man sonst das Fehlen der Leibeigenschaft in den sächsisch-thüringischen Staaten, in den weifischen Territorien, in weiten Teilen Frankens und bei den meisten bayerischen Bauern erklären? Diese Entwicklungsder Bedeutung gänge, durchaus der Frühen Neuzeit zugehörig, führen jedoch zu Agrarreformen einem Geschehen, das seinen Schwerpunkt erst im 19. Jahrhundert hatte. Deshalb können sie hier nur angedeutet werden (vgl. S.41). der
Roggenpreise in Deutschland vom 13. bis zum 20. Jahrhundert (dreigliedrig gleitende Zehnjahresdurchschnitte*, Gramm Silber je 100 Kilogramm)
1200
Abbildung "
1300
1400
1500
1600
1700
1800
1900
1
W.Abel verwendete diese Durchschnitte, um kurzfristige und den säkularen Trend schärfer herauszuarbeiten.
Schwankungen
zu
eliminieren
B. Die
Entwicklung
der
Landwirtschaft 1. Normative Ansätze für den
Agrarsektor
Überlegungen zur Produktionstechnik Theoretische Überlegungen abstrahieren zwar von der Wirklichkeit, 1.1
doch bleiben sie bis zum gewissen Grade ihr Abbild. Sie sollen deshalb in einem einleitenden Kapitel dazu dienen, einen Überblick über die damaligen Verhältnisse und ihre Probleme zu geben. Theoriebildung bedeutet außerdem im besten Falle das Aufstellen einer Gesetzmäßigkeit, mit deren Hilfe vielfältige Erscheinungen auf ein Theorien als einheitliches Grundmuster zurückgeführt werden können. Das kann Normen Selbstzweck sein. In den Wirtschafts- und angewandten Naturwissenschaften sie sind für den Landbau die maßgeblichen haben sie dagegen die Aufgabe, die Erzeugung effizienter zu gestalten. Theoretische Überlegungen haben deshalb in diesen Fällen auch normativen Charakter. Für den Historiker ist es keineswegs müßig, zu fragen, in welcher Art und in welchem Umfang die Wirklichkeit hinter dem Wunschbild zurückblieb, das die Theoretiker in der Frü- Theorie und Praxis hen Neuzeit für den Agrarsektor entwarfen. Um die immer bestehende Kluft zwischen Realität und theoretisch Gefordertem abschätzen zu können, ist es notwendig, eingangs solche Forderungen vorzustellen. Die kritische Stellungnahme dazu bleibt späteren Abschnitten vorbehalten. Für das Geistesleben der Frühen Neuzeit ist der Rückgriff der Humanisten auf die Antike nicht zu unterschätzen. Nur zu oft sah man die Aussagen griechischer und römischer Schriftsteller als verbindliche Maximen an, nach denen man sich im Leben richten sollte. Allem Anschein nach wurde diese Einstellung auch auf die Agrarschriftsteller übertragen. Entdeckerfreude wie Bildungshunger scheinen zu einer wahren Publikationsflut geführt zu haben. Corinne Beutler [20: Un chapitre, 1280-1301] hat sie zahlenmäßig er- Publikationen der faßt und ausgewertet. 750 Ausgaben antiker Verfasser stehen, noch Humamsten -
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Kein Nutzen für die deutsche Landwirtschaft
Grosser: Schlesische Bauernwirtschaft
L
Enzyklopädischer Überblick
dazu in einem etwas längeren Erscheinungszeitraum, nur 273 Drucke zeitgenössischer Autoren gegenüber. Wie sehr man dem eigenen Bildungszirkel verhaftet blieb, zeigt die Tatsache, daß von 750 Ausgaben griechischer, vor allem römischer Verfasser 610 in lateinischer Sprache erschienen. Unbefriedigend ist zudem, wenn Schriftsteller wie Virgil (419) und Plinius (99) von den 750 Ausgaben bereits 518 stellen; denn beide bringen nur höchst unklare Hinweise für den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß. Weiten Vorrang genießt Virgil offensichtlich als Poet. Immerhin war man sich wenigstens der Sprachbarriere bewußt. Michael Herr [84: Deutscher Palladius und Columella] gab deshalb schon 1538 eine Kompilation zweier römischer Autoren heraus, wobei er ausdrücklich betonte, sie sollten in dieser Form eine weitere Verbreitung finden und so größeren Nutzen stiften. Wenn man dann aber in den Arbeitskalender hineinschaut, ist man fast schon amüsiert. Im August sollen bei frühen Reben die Weinlese, Pflegearbeiten bei späten Reben und Olivenbäumen ausgeführt werden, und außerdem soll man die Bergäcker brachen. Mit solchen Ratschlägen war der deutschen Landwirtschaft nicht aufzuhelfen. Die Wirkungsgeschichte dieser Literaturgattung kann in agrargeschichtlicher Hinsicht getrost vernachlässigt werden. Auch die vermittelnde Meinung, die Herausgabe antiker Agrarschriftsteller und die Beschäftigung mit ihnen könnten den Anstoß zur Herausbildung einer eigenständigen deutschen Fachliteratur gegeben haben, vermag nicht zu überzeugen. Spätestens seit der Mitte des 16. Jahrhunderts müssen handgeschriebene sogenannte Wirtschaftsbücher vorhanden und im Umlauf gewesen sein, in denen das Erfahrungswissen der damaligen Zeit in umfassender und einsichtiger Form zusammengestellt worden war. Sowie sie zur Richtschnur für andere wurden, erweist sich ihr normativer Charakter. Sein Buch sollte anderen zum Nutzen sein, betonte Martin Grosser [168: Anleitung zu der Landwirtschaft, 54], der erste Verfasser eines gedruckten Wirtschaftsbuches. Es erschien 1590 und war vorher in Abschriften verbreitet worden. Die Nützlichkeit seines Buches sieht der schlesische Pastor als gegeben am, weil er die Landwirtschaft der umwohnenden Bauern sorgfältig studierte, eigene Erfahrungen hinzutat, und weil er sich ausdrücklich von den antiken Autoren distanzierte, deren Ratschläge für die schlesische Landwirtschaft nicht taugten. Abraham v. Thumbshirn hat Grosser aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht gekannt. Im Gegensatz zu ihm wurde Thumbshirn
1. Normative Ansätze für den
Agrarsektor
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durch seine Position gezwungen, ein Wirtschaftsbuch zu verfassen. 1569 wurde ihm die Oberaufsicht über 72 kurfürstlich sächsische Domänen übertragen. Naturgemäß konnte er bei einer solchen Zahl herrschaftlicher Wirtschaftsbetriebe nicht jedem einzelnen Verwalter ständig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auf Wunsch des Kurfürsten verfaßte er deshalb eine Wirtschaftsanleitung, die „Oeconomia". Sie wurde erst 1616, 23 Jahre nach dem Tode ihres Verfassers, gedruckt und noch 1705 ein viertes Mal aufgelegt [168: Oeconomia]. Im Unterschied zu Grossers Anleitung wird die Viehhaltung nur in dem Maße berücksichtigt, wie es bei der Verpachtung dieser Viehzweige erforderlich war. Produktionstechnische Ratschläge hierfür findet man eher in dem landwirtschaftlichen Kalender. Sein Vorhandensein unterstreicht den Zweck der Schrift, die Verwalter dazu anzuhalten, alle Arbeiten termingerecht durchzuführen, damit von dieser Seite her der größtmögliche Erfolg der Domänen gesichert
Thumbshirn: Sachslsehe Gutswirtschäft v.
war.
Der Theoriegehalt der beiden Schriften ist noch sehr bescheiden. Ihr rein empirischer Charakter ist unübersehbar. Handlungsanweisungen werden gegeben, und zwar so detailliert, daß jeder Bauer sie verstehen und ausführen konnte. Daß er es auch tat, ist nach Theoriegehalt der Grossers Feststellungen durchaus zu bezweifeln. Dennoch beob- Scnnften achtete Grosser die Tätigkeit der Bauern, und seine Darstellung ist somit durchaus Reflex der Wirklichkeit. Aber nicht jeder der Bauern beherrschte jedes der vielen Produktionsverfahren in wünschenswerter Weise. Die Anleitung ist somit die Sammlung der Bestleistungen vieler auf Teilgebieten, und insoweit ist sie landläufig ausgedrückt zumindest partiell doch Theorie. In gleicher Weise wurde mit der „Oeconomia" bezweckt, die Wirtschaftsweise auf den einzelnen Domänen an die eines Spitzenbetriebes anzugleichen. In beiden Anleitungen folgt auf die Brache die Wintersaat, und es ist gleichfalls von Sommersaat die Rede. Man kann aber aus diesen Hinweisen nicht zwingend auf eine Dreifelderwirtschaft schließen, bei der nach der Brache Wintergetreide (Roggen, auch Weizen) und anschließend Sommersaat (Hafer, Gerste, Kohl, Rüben, Lein) gebaut wurden. Man wußte um den Wert der Brache [168: Oeconomia, 101] und meinte, sie gliche einer halben Düngung. Wie oft sie Betriebsorganisaaber bei unterschiedlich fruchtbaren Böden zu halten sei, überließ tl0n blelbt offen man dem Leser. In einem weiteren sächsischen Wirtschaftsbuch [44: Haushaltung in Vorwerken, 52] werden die Drei-, Vier- und Fünffelderwirtschaft lediglich erklärt. Die entscheidende Frage jedoch, welche für einen bestimmten Boden passe, muß so heißt es lapidar -
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Enzyklopädischer Überblick
nach Gelegenheit seiner Vorwerksfelder selbst entdie Böden nach ihrer Ertragskraft noch nicht hinman Da scheiden. reichend klassifizieren konnte und vor allem nur völlig unzureichende Kenntnisse über die Ernährungsphysiologie der Pflanzen besaß, konnte man eine präzisere Antwort noch nicht geben, um die Bodenfruchtbarkeit auf Dauer zu erhalten. Daran änderte sich bis zum Ende der Frühen Neuzeit nichts Grundlegendes. Ob aus den Wirtschaftsbüchern die Hausväterliteratur erwuchs, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall mangelte es auch in der nachfolgenden Zeit nicht an Publikationen, die rein landwirtschaftlichen Sachfragen gewidmet waren. Umfassende Darstellungen der Theoretiker des gesamten Landwirtschaft lieferten jedoch erst wieder 1750 Johann späten 18. Jahr- Georg Leopoldt, 1754 Johann Gottlieb v. Eckhart und 1769 Johunderts hannes Beckmann. Beckmanns Buch erlebte bis 1806 immerhin sechs Auflagen, doch ist es sehr abstrakt, und wer als Landmann Roggen bauen wollte, wäre mit Thumbshirns „Oeconomia" besser beraten gewesen, von Leopoldt und Eckhart ganz zu schweigen. Für den Fortschritt der Landwirtschaft waren andere SchriftVorschläge der steller von größerer Bedeutung. Als erster ist J. G. H. v. Justi zu Kameralisten nennen, der erstmals 1755 „Anmerkungen von dem gerechten Verhältniß des Ackerbaues und der Viehzucht gegeneinander" herausgab [90: Anmerkungen, 29-31]. Danach, meinte er, halte die deutsche Landwirtschaft zu wenig Vieh, deshalb würden die Felder statt im dreijährigen Turnus nur im sechs- oder neunjährigen gedüngt. Der Viehbestand müsse also aufgestockt, werden. Das nötige Futter sei auf den Äckern zu gewinnen, die man auf gewisse Jahre zu Weiden machen könne. Ständen diesem Vorgehen Hut- und Triftgerechtigkeiten entgegen, müsse man Klee und andere Futterkräuter auf dem Ackerland anbauen. Zu diesem Zweck schlug J. Fr. v. Pfeiffer vor, nach fünfjährigem Getreidebau den bisherigen Brachschlag mit Futterpflanzen zu bestellen; ein wenig überzeugender Vorschlag, da die fünfmalige Abfolge des Getreides zu schweren Ertragseinbußen führen muß. Gleich v. Justi verlangte er zu Recht die Teilung der ertragsarmen Schubart: Vor- Gemeinheiten und die Abschaffung der gemeinsamen Weiderechte kämpfer des der Bauern. Diese Forderung dehnte J. C. Schubart, später Edler Kleebaus von dem Kleefelde, auf die Weiderechte der Rittergüter aus. Er entwickelte drei überzeugende Fruchtfolgen, bei denen der Klee erst nach dem nötigen zeitlichen Abstand wieder angebaut wurde und der Brachanteil bei zweien auf V6 und bei einer sogar auf % des Ackerlandes sank. Zu rasch hatte man andernorts auf demselben
jeder Hauswirt
1. Normative Ansätze für den
Agrarsektor
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Schlag Klee auf Klee folgen lassen. Die damit verbundenen Mißerfolge hatten die Verbreitung seines Anbaus nicht unerheblich verzögert.
In dem Bemühen der drei Autoren, den Umfang des Viehbestandes und des Ackerlandes zueinander in ein optimales Verhältnis zu setzen, lag immerhin der Versuch, die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten. Exakte Zahlenverhältnisse konnten sie freilich nicht anbieten. Th. v. d. Goltz, der ihre Vorschläge referierte, zog daher zu Recht das Fazit [64: Geschichte, 335], sie hätten noch kein deutliches Bild davon gehabt, wie der „vollkommene Betrieb" zu organisieren sei. Über das „gerechte" Verhältnis der Viehzucht zum Ackerbau Verhältnis der zum sann auch der mecklenburgische Amtmann Schumacher nach. Die Viehzucht Ackerbau damals als fortschrittlich geltende Koppelwirtschaft interpretierte er jedoch in anderer Weise. Es war nicht das Mehr an Futterflächen und Dung, das die Felder wieder fruchtbar machen sollte, sondern das längere Ruhenlassen als Weideland [172: Die gerechte Verhältniß, 48]. Quantitative Angaben über das diskutierte Verhältnis machte nur J. C. Bergen [15: Anleitung, 7.Abschn.]. Jedoch fand sein Buch erst Beachtung, als es A. Thaer, der es sehr schätzte, erneut mit einer Vorrede und Kommentaren herausgab. Seine Kritik traf am stärksten den 7. Abschnitt mit den quantitativen Festlegungen Bergens über das gerechte Verhältnis des Ackerbaues zur Viehhaltung, gestaffelt nach guten, mittleren und schlechten Böden, weil er sie nicht für allgemeingültig ansehen konnte. Bergen scheiterte wie so viele in der Frühen Neuzeit an der entscheidenden Voraussetzung der induktiven Methode, über so viele abgesicherte Berichtsfälle zu verfügen, daß eine repräsentative Aussage möglich wird. Bei der hier gewählten Zielsetzung genügt es, die Hausväterliteratur nur kurz zu erwähnen; denn ihre Autoren verfolgten ein erheblich breiter gefächertes Anliegen, nämlich die Erfassung des ganzen Hauses (oikos). Infolgedessen räumten die Hausväter der Hausväterliteratur reinen Landwirtschaft nur einen kleinen Teil innerhalb des Gesamtwerkes ein. Dennoch sollte man ihre Aussagen auf diesem Gebiet nicht von vornherein abtun, selbst wenn sie ausdrücklich erklärten, sie stützten sich in beträchtlichem Maße auf frühere Agrarschriftsteller, seien es antike Autoren oder frühe Hausväter. So ging C. Fischer durchaus planmäßig vor, als er die Einteilung des Ackers in drei Felder beschrieb und etliche Früchte aufzählte, mit denen (1719!) die Brache besömmert werden könnte [46: Fleißiges Herren-
10
Ansätze
zur
Be-
lebsorgamsation
Landwirtschaft der
L
Enzyklopädischer Überblick
Auge, 13-15]. 1722 hob auch F. Ph. Florinus hervor, welch günstige Wirkung der Anbau von Wicken auf dem Brachschlag zeitige [47: Rechtsverständiger Haus-Vatter, 590]. Bei C. F. Germershausen klingt sogar die Organismustheorie der Kameralisten wieder an, wonach alle Betriebszweige so aufeinander abzustimmen seien, daß sich ein Zusammenspiel wie in einem tierischen oder menschlichen Organismus ergäbe. Außerdem dringt er entschieden auf eine sorgfältige Buchführung, nicht nur, um aus ihr Anwachsen oder Abnahme des Vermögens zu ersehen, sondern auch, um beispielsweise Wiesen zu verbessern, falls die Kühe aus Futtermangel nicht die zu fordernde Milchleistung erbringen. Hervorzuheben ist auch seine systematische Darstellung der seinerzeit bekannten Feldsysteme [61: Hausvater, I 31-70]. 1.2 Die Aufgaben der Landwirtschaft in den volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen In der Frühen Neuzeit wurden drei Lehrgebäude errichtet, in denen keineswegs immer vorrangig die Frage aufgegriffen wurde, welche Aufgaben die Landwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Rahmen zu erfüllen habe. Auf jeden Fall war die Landwirtschaft während jener Epoche der bedeutendste Wirtschaftszweig, errechnete doch W. G.
wichtigste Wirt- Hoffmann selbst für die Zeit von 1850/54 ihren Anteil am Nettoinschaftszweig landsprodukt noch auf 45,2 v. H. Als nächstgrößter Sektor folgten Handwerk und Industrie erst mit 20,4 v. H. [88: Das Wachstum, 33]. Der Umfang der einzelnen Wirtschaftszweige war jedoch für die Theoretiker während der Frühen Neuzeit kein Ansatzpunkt für die Frage, bei welchem der Hebel anzusetzen sei, um die Gesamtwirtschaft auf ein höheres Produktionsniveau anzuheben. In den drei Jahrhunderten, die der Frühen Neuzeit zugerechnet werden, traten die Merkantilisten schon im ersten auf den Plan, aber auch im letzten fehlte es nicht an Publikationen, die zumindest Kameralismus als in den Grundzügen diese Wirtschaftsauffassung bezeugten. Dagevorherrschende gen veröffentlichte der Physiokrat F. Quesnay erst 1758 sein „TaLehrmeinung bleau economique", und noch später, nämlich 1776, erschien A. Smith' ,,An Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations", mit der die liberale Wirtschaftsauffassung begründet wurde. Bereits der späte Erscheinungstermin der beiden zitierten Werke sicherte den Merkantilisten die größere Bedeutung zu, die dann noch einmal wuchs, weil bis zum Ende des Ancien Regime trotz der nunmehrigen Ideenkonkurrenz ihre Grundsätze am ehe-
I. Normative Ansätze für den sten
befolgt
Agrarsektor
11
wurden. Die Merkantilisten trachteten in erster Linie
danach, mit Mitteln des Staates solche Betriebe zu gründen oder zu fördern, die exportfähige Waren produzierten. Es war sodann die Aufgabe des Händlers, sie im Ausland zu verkaufen. Man erstrebte eine positive Handels- und Zahlungsbilanz. Letztere verschaffte dem Staat steigende Geldeinnahmen, das hieß damals, steigende Edelmetallvorräte. Umgekehrt mußte danach gestrebt werden, Importe einzuschränken, da sie das Ziel einer positiven Zahlungsbilanz gefährdeten. Die Wertschätzung der Autarkie, fast ist man geneigt zu sagen, einer Hyper-Autonomie, ist unverkennbar. Auf die logische Inkonsequenz, wonach nicht alle Staaten zu gleicher Zeit eine positive Handels- und Zahlungsbilanz erreichen können, braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Merkantilistische Ideen wurden in den deutschen Territorien in erheblichen Brechungen vertreten. In stark abgewandelter Form wurden sie von den Beratern politisch Mächtiger verfochten, nicht zuletzt von den Inhabern der seit 1729 rasch vermehrten Lehrstühle für Kameralistik. Sie neigten meistens dem Naturrecht und der Aufklärung zu, so daß die ursprünglich nahezu rein wirtschaftlich ausgerichtete Lehre mit politisch-sozialen Zielen kombiniert wurde. Hinzu kam die Rücksichtnahme auf die Ambitionen des Herrschers ebenso wie auf die spezifischen Belange der jeweiligen Territorialwirtschaft. In diesem Ideenbündel, das man als Kameralismus bezeichnet, macht der ursprünglich allein vertretene Merkantilismus nur noch den kleineren Teil aus. Zielpunkt aller kameralistischen Anstrengungen war der absolut regierende Fürst. Es galt, seine Person zu verherrlichen. Aufwendige Schloßbauten gaben die repräsentative Kulisse ab, und verschwenderisch gestaltete Feste erhöhten den Glanz des Fürstenhauses. Man führte ein stehendes Heer ein oder verstärkte es, um in Angriffskriegen den Staat und damit seine Macht zu vergrößern. In den meisten Territorien baute man die Verwaltung aus, um den Willen des Staates bis zum letzten Dorf durchzusetzen. Die Intensivierung der Verwaltung diente aber auch dem Zweck, die Steuerobjekte genauer als bisher zu erfassen und mittelbar und unmittelbar die Steuerleistung zu erhöhen. Anders wären besonders im 18. Jahrhundert die zunehmenden Staatstätigkeiten nicht zu finanzieren gewesen. Die genannten Ziele und Aktivitäten genügen, um zu begründen, weshalb man den Kameralismus wohl am treffendsten als eine Fürstenwohlstandslehre bezeichnet hat. Hingegen ist bei dem Mangel an Geschlossenheit seiner Ideenwelt der Ausdruck Staats-
Grundsätze des Merkantll|smus
nur
Grundsätze des Kamerallsmus
Kameraiismus als Fürstenwohistandslehre
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Enzyklopädischer Überblick
Wissenschaft zu hoch gegriffen, und die damalige Bezeichnung KaPolizeiwissenschaft ist, vor allem in der zuletzt genannten Formulierung, heute nicht mehr allgemein verständlich. Die Fürstenwohlstandslehre setzt also die Hebung der Wirtmerai- oder
schaft voraus und kann bei diesem Bestreben auch untertanenfreundliche Züge gewinnen. Die entscheidende Frage ist, ob die Mehrerträge ganz oder nur zum Teil wieder weggesteuert wurden. Das Beispiel Wie diese Lehre die reale Politik zu lenken vermochte, sei am BeiBraunschweig- spiel des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel gezeigt, wo man Wolfenbüttel alle wesentlichen Ratschläge der Kameralisten zu verwirklichen suchte. Ursache waren der verschwenderische Lebensstil des Herzogpaares und ein überstarkes Militär. Der Herzog war mit Friedrich II. v. Preußen verschwägert und stets sein Bundesgenosse. Schon 1746 begann man, den landwirtschaftlich genutzten zur Grundbesitz zu vermessen, um eine untrügliche Basis für diese SteuVermessung Gewinnung der erquelle zu schaffen. Dem kameralistischen Grundsatz folgend, nur Steuerkataster die Überschüsse, nicht aber das Vermögen selbst durch Steuern zu schmälern, staffelte man die Grundsteuer entsprechend der Bodenfruchtbarkeit. Außerdem berücksichtigte man die Zehntpflicht und ebenso das Besitzrecht, dessen Spielarten die Bauern mit unterschiedlich hohen Grundzinsen belasteten. Ob diese Rücksichtnahme erforderlich war, wurde unter den Kameralisten kontrovers diskutiert. Man könnte daher vorerst auf eine eher bauernfreundliche Politik des Herzogs und seines Geheimen Rates schließen. Diese Vermutung wird gestärkt, wenn man die weiteren Ziele betrachtet, die mit der Generallandesvermessung angestrebt wurden. Die durchführenden Beamten sollten getreu den kameralistischen Grundsätzen den Bauern die Teilung der Gemeinheiten vorFlurzusammen- schlagen und die vielen kleinen Feldstücke zu größeren zusammenlegung legen. Von einer Einschränkung bäuerlich-genossenschaftlicher oder gar feudaler Weiderechte war dagegen nicht die Rede. Zeigten die Bauern auch oft genug wenig Einsicht, so wurden doch in etlichen Dörfern größere Ackerparzellen geschaffen, vor allem aber ein Wegenetz, das den Zugang zu jedem Stück gewährleistete. Der indiWegenetz zur viduellen Bewirtschaftung des Ackers, also dem Agrarindividualisindividuellen
Bewirtschaftung mus,
war
jetzt
erst im wörtlichen und
übertragenen
Sinne der
Weg
gebahnt. Zur Steigerung des Exports erwies sich die braunschweigische Landwirtschaft als ungeeignet. Zwar lag ihre Leistungskraft über dem Durchschnitt, aber auch in den Nachbargebieten erzeugte man genügend Nahrungsmittel. Die Regierung versuchte deshalb, andere
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Agrarsektor
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Einnahmequellen zu erschließen, und verlegte sich auf die Projektemacherei. Exportfähige Waren sollten erzeugt werden, indem man sich in der Seidenraupenzucht versuchte; außerdem gründete man Manufakturen, in denen Porzellan, Fayencen und Spiegelglas hergestellt wurden. Der Absatz stockte indessen. In einigen Fällen wurde die Qualität verfehlt, die der Markt forderte, vor allem überschätzte man die Kaufkraft für diese Güter des gehobenen Bedarfs. Die kontroverse Diskussion der Kameralisten über das bestmögliche Steuersystem half der braunschweigischen Regierung kaum weiter. Eine gewisse Übereinstimmung bestand noch bei der Besteuerung der Bauern und Handwerker, doch ähneln die Vorschläge für die Verbrauchssteuern eher einem Verwirrspiel. Auch der wegen seiner Systematik gerühmte v. Justi wußte nichts Überzeugendes anzubieten. Zwar „mästeten" sich seiner Meinung nach die Besitzer großer Vermögen am Fleiß ihrer Mitbürger, aber da ihr Besitz doch nicht genau zu erfassen sei und sie ihn ins „Ausland" transferieren könnten, ließe man die Erträge am besten steuerfrei. Nur den Akzisen sollten sie unterworfen sein. Diese wären nicht von den Lebensmitteln zu erheben, um die Armen zu schonen. Geradezu durchgängig wurden statt dessen Luxusgüter als geeignete Steuerobjekte angesehen, aber v. Justi möchte dann doch Karossen, Sänften und Silbergerät unbesteuert lassen, da der Mensch auch in seinen „eitlen" Handlungen nicht eingeschränkt sein möchte. Die Folgen liegen für Braunschweig auf der Hand. Um 1760 stellte die Landwirtschaft 40 v. H. aller Erwerbstätigen, trug aber 47 v. H. aller Steuern. Außerdem führten die Dienste zu Einnahmen bei den Domänen, die auf den Gesamtsteuerertrag bezogen noch einmal 18 v. H. ausmachten. Die Regierung folgt zwar nicht dem Vorschlag J. G. Leibs, die Landwirtschaft müsse billige Viktualien liefern, damit Handel und Manufakturen „in Flor" kämen; aber deren Konkurrenzfähigkeit wurde doch indirekt zu Lasten der Landwirtschaft gestärkt, indem bei beiden die Steuerbürde deutlich vermindert wurde [8: W. Achilles, Die steuerliche Belastung, 213-219 u.
Gründung von Manufakturen
Steuersystem
theoretisch nicht
schlüssig
Überproportionale Belastung der
Landwirtschaft
164 f.].
Bei der Vorliebe des Herzogs für das Militär sollte man meiman habe eine Peuplierungs- oder aktive Bevölkerungspolitik betrieben, um über eine hinreichende Rekrutierungsbasis für die Truppen zu verfügen. Konkrete Anreize sind jedoch nicht zu entdecken. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte das noch anders ausgese- Peuplierungspolitik hen. Die Bauern mußten Flächen am und im Dorf abtreten, damit man Kleinstellen mit etwas Gartenland auslegen konnte. Von den nen,
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Enzyklopädischer Überblick
Domänen erhielten sie wenige Morgen Ackerland, damit wenigder notdürftigste Lebensunterhalt gesichert war. Solche Flächen standen aber im Altsiedelland Braunschweig im 18. Jahrhundert nicht mehr zur Verfügung. Deshalb blieb nur übrig, die Bevölkerungsvermehrung nicht durch Gesetze einzuschränken. Die überproportional anwachsende unterbäuerliche Schicht behalf sich vor allem mit Garnspinnen, so daß kein Kameralist daran zu erinnern brauchte, zu einer wachsenden Bevölkerung gehöre auch ihre ausreichende Beschäftigung. Einige nahmen sogar schon die düsteren Prognosen eines Malthus vorweg. Aber sie erfüllten sich erst in der nachfolgenden Periode des Pauperismus. Wenn auch die Kameralisten Vorschläge zur Förderung der Landwirtschaft entwickelten, nicht zuletzt, um sie als Steuerobjekt besser nutzen zu können, so wiesen sie ihr doch im wesentlichen eine dienende Rolle in der Volkswirtschaft zu. Dieses Verhältnis Grundsätze kehrt sich um, wenn man die Annahmen betrachtet, die F. Quesnay Quesnays semem ^Tableau economique" zugrunde legte. Danach war nur die Landwirtschaft in der Lage, bei der Bebauung des Bodens neue Werte zu schaffen, während das Handwerk die Rohstoffe lediglich zu Fertigwaren weiterverarbeitete und der Handel für den nötigen Absatz sorgte. Infolgedessen bilden die Landwirte in der natürlichen Ordnung die produktive Klasse, Kaufleute und Handwerker dagegen die sterile. Bei den Grundeigentümern mutet die Klasseneinteilung förmlich als Kunstgriff an: Sie werden als distributive Klasse gekennzeichnet. Dadurch erhielten die Grundherrn, ohne zu arbeiten, dennoch ihre volkswirtschaftliche Legitimation. Will man das Leistungsniveau der gesamten Volkswirtschaft anheben, kann das nach Meinung Quesnays und seiner Schüler, der Physiokraten, nur geschehen, indem man die Landwirtschaft fördert. Die Verwirklichung fortschrittlicher Ideen traute Quesnay aber nur den Pächtern großer Güter zu und keinesfalls den Bauern. Das gescheiterte Experiment des Markgrafen von Baden, mit Bauern physiokratische Grundsätze zu realisieren, hätte Quesnay von vornherein nicht gutheißen können. Dennoch ist nicht zu überseHöheres Ansehen hen, daß die Agromanie im späten 18. Jahrhundert ohne die Physioer Landwirtschaft k^ten nicht ein so erstaunliches Ausmaß erreicht hätte, betonten sie doch unermüdlich die Vorzugsstellung der Landwirtschaft. Quesnays Klasseneinteilung, die den Feudalismus aus volkswirtschaftlicher Sicht legitimieren sollte, hat Adam Smith in überzeugender Weise verworfen. Bei ihm beruht der Nationalreichtum eines Volkes auf der jährlichen Arbeitsleistung, gleichgültig, wer sie stens
1. Normative Ansätze für den
Agrarsektor
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vollbringt. Jeder Unternehmer darf und soll seinem Eigennutz nachgehen, aber er muß sich der freien Konkurrenz des Marktes stellen, damit die Verbraucher so billig wie möglich beliefert werden. Es können also nur jene Landwirte ihre Erzeugnisse auf dem Markt absetzen, die zu einem Preis produzieren, der nachhaltig die Kosten für die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital deckt, den aber gleichzeitig die Konsumenten bezahlen können und wollen. Diesen Preis nennt Smith den Gleichgewichtspreis. Kann ihn ein Kaufwilliger nicht aufbringen, muß er verzichten, auch wenn es sich um ein lebenswichtiges Gut handelt. Kann der Landwirt nicht zu diesem Preis produzieren, muß er seinen Betrieb aufgeben. Diese Gefahr besteht vor allem für solche Höfe, die weit vom Markt entfernt liegen und deren Produkte mit hohen Transportkosten belastet sind. Da in der Frühen Neuzeit die Erzeugungskosten weit eher vom Flächenumfang als von der Höhe der Ernte abhingen, war bei niedrigen Erträgen die Mengeneinheit mit höheren Kosten belastet. Solche heute so genannten Grenzböden konnten nach Meinung Quesnays und Smith' unbedenklich aus der Bewirtschaftung ausscheiden; denn beide befürworteten einen freien Getreidehandel, der die Fehlmengen aufgegebener ertragsarmer Böden durch Einfuhren aus fruchtbaren Landstrichen ersetzte. -
Die Art und
Der Markt entüber die
^neidet
-
1.3 Das Fremdbild zer, ihr Bild
Grundsätze Smith'
vom
Bauernstand
Weise, wie sich Nichtlandwirte, aber auch GutsbesitBauernstand machten, veränderte sich in der Frü-
vom
hen Neuzeit nicht unerheblich. Die Sehweise wurzelte im 16. Jahrhundert noch überwiegend in den Grundsätzen des Christentums. Sie war keineswegs in sich geschlossen, sondern spaltete sich in zwei Auffassungen, die in einem gewissen Widerspruch zueinander standen. Beide lassen sich für die Frühe Neuzeit im Bauernspiegel des Kartäusermönchs R. Rolevinck nachweisen, der 1480 erschien Christentum als [146]. Den Bauern mahnte er, er dürfe an seinem niedrigen Stande Wurzei des Fremdnicht verzweifeln; denn er schaffe die Abendmahlsspeise Brot und Wein, er sei der beste Mitarbeiter Gottes, der die Menschheit in seiner Allmacht auch ohne ihn ernähren könnte, doch überläßt er das dem Bauern, damit dessen Werke nicht ohne Segen seien. Dann flocht Rolevinck Beispiele aus der Antike ein, aus denen hervorgeht, auch die bedeutendsten unter den Heiden hätten den Ackerbau hoch geschätzt. Mit diesem Standeslob verknüpfte der Mönch Legitimation der mühelos die soziale Abwertung des Bauern. Die Unterordnung des Standeordnung
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Menschen unter den Menschen sei nämlich Gottes Wille, sonst würde die Ordnung der Kirche gestört und der Friede gefährdet. Somit sei die Leibeigenschaft gottgewollt, die schuldigen Dienste und Abgaben seien zu leisten. Das Streben nach Freiheit sei sündhaft, weil es den Willen Gottes mißachte. Die Heiligung des Werktages der Bauern war demnach schon vor Luther gegeben, der diese Heiligung dann auf alle Berufe ausdehnte. An der Einbindung der Bauern in den Ständestaat rüttelte auch er nicht; denn in seiner Lehre von den zwei Reichen vertrat er ihre Unterordnung unter ihre weltlichen Herren ebenso wie die katholischen Theologen. Es ist hinreichend bekannt, in welch rigoroser Form er 1525 den Freiheitswillen der Bauern als Verstoß gegen Gottes Ordnung geißelte. Der lutherische Pastor Grosser argumentierte 1590 ganz ähnlich wie Rolevinck, um den „gottvergessenen Bauern" verständlich zu machen, daß seit dem Sündenfall der Akker zwar verflucht und deshalb nur mit Schweiß und Mühe zu bebauen sei, doch bleibe der Ackerbau dennoch Gottes Gebot, dessen Erfüllung von ihm reich belohnt werde. Dem Anschein nach eignet sich das Christentum, dessen Urheber dem Kaiser geben wollte, was des Kaisers sei, und den Mühseligen und Beladenen den Himmel versprach, unabhängig von den Konfessionen dazu, irdische Machtverhältnisse zu legitimieren und die ausgleichende Gerechtigkeit in die jenseitige Welt zu verlegen. Eine Änderung der sozialen Verhältnisse bewirkten eher weltliche Strömungen. Zwei sind hervorzuheben, die beide ins 17. Jahrhundert zurückreichen, aber erst im 18. Jahrhundert ihre eigentliche Wirksamkeit entfalteten: Naturrecht und Aufklärung. Blieb die Naturrechtslehre auch schwammig und führte sie deshalb zu keinen allgemein konsensfähigen Ergebnissen, so darf sie dennoch für das 18. Jahrhundert nicht unterschätzt werden. Ihre Vertreter verglichen die herrFragwürdigkeit der sehende Gesellschaftsordnung mit einer angeblich ursprünglichen, Standeordnung nocn der Natur des Menschen gemäß gewesen sei. In ihr habe es keine Geburtsstände gegeben, so daß die Ständeordnung entweder neu begründet oder abgeschafft werden mußte. So konsequent dachten allerdings längst nicht alle Verfechter des Naturrechts und ebensowenig alle Aufklärer. Die mehr als schwierige Frage, worin Aufklärung eigentlich bestehe, kann hier unbesorgt außer acht gelassen werden. Es genügt die Feststellung, daß die Aufklärer auch den Bauern als bildungsfähig betrachteten, dessen Moral und Wirtschaftsweise verbessert werden könnten. In einer eigenständigen Literaturgattung, der sogenannten Bauernaufklärung, wurden beide
2. Die Produktionstechnik
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Anliegen zugleich vertreten, doch verwies man den Bauern ausdrücklich in die Grenzen seines Standes. Nur Schubart wagte es, die Feudalordnung ausdrücklich in Frage zu stellen (vgl. unten 34). Nachdem Quesnay die Rolle der Landwirtschaft in der Volkswirtschaft beschrieben hatte, war die Kluft nicht länger zu übersehen, die zwischen der tatsächlichen Wirtschaftsordnung und der seiner Meinung nach anzustrebenden bestand. Hatten die Kameralisten den Staat noch förmlich zu Eingriffen in das Wirtschaftsleben Liberalisierung der gedrängt, so stellten dem die Physiokraten den Grundsatz des Produktlon „Laissez faire" entgegen. Wenn gar die Presse die Annäherung der realen Wirtschaftsverhältnisse an die als ideal gedachten bei den Regierenden anmahnen sollte, wird deutlich, wie aus dem feudalismuskonformen Lehrgebäude die systemsprengende Idee zutage tritt. War somit die Autorität des Staates auf landwirtschaftlichem Gebiet eingeschränkt, so ging Smith noch darüber hinaus. Jeder, auch der Bauer, sollte produzieren, was, wie und wieviel er wollte. Entscheidend war, ob ihm das zu einem Preise gelang, den die Nachfrager auf dem Markt akzeptierten. Alle Unternehmer hatten also Initiative zu entwickeln und den Produktionsprozeß zu rationalisieren. Überlegenswert ist, ob dazu jene Bauern befähigt waren, die sich fatalistisch der Feudalordnung ergeben hatten. Smith kennt diese Erwägung nicht. Über die Existenz des Bauern hat nicht der feudale Staat zu entscheiden. Das besorgt vielmehr der Markt, genauer der Preismechanismus, die „invisible hand". Der Unfähige scheidet aus, und sein Boden wandert zum besseren Wirt. Der Staat hat nur noch für die Ordnung, Verteidigung, Schulwesen und ein brauchbares Verkehrsnetz zu sorgen. In dem Maße, in dem der absolute Staat bisher als wichtig angesehene Aufgaben verlor, gewann der Bauer, der ihm am stärksten unterworfen gewesen war, mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Das Fremdbild vom Bauernstand mußte sich aufhellen.
2. Die Produktionstechnik
Pflanzenproduktion Von der Marktleistung der Landwirtschaft, gemessen in Verkaufser2.1 Die
lösen, entfielen in Drittel auf die
unserer
Zeit in den letzten Jahrzehnten rund zwei Drittel auf den Pflanzenbau.
Viehhaltung und nur ein
18
Pflanzenproduk-
tion der bedeutendste Wirtschafts-
zweig
Hohe Nachfrage nach pflanzlichen
Erzeugnissen
Umfang der Viehhaltung bleibt ungeklärt
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Enzyklopädischer Überblick
Für die Frühe Neuzeit gilt das umgekehrte Verhältnis. Die Pflanzenproduktion machte rund zwei Drittel des Rohertrages aus. Dieser vorrangigen Bedeutung trugen die Zeitgenossen Rechnung, indem sie die Fragen des Acker- und Pflanzenbaues weit intensiver diskutierten als jene der Viehhaltung. Dieses Ungleichgewicht schlug sich auch in der zeitgenössischen Literatur nieder, in der man der Pflanzenproduktion umfangreiche Abhandlungen widmete, während man die Viehhaltung oft genug nur kursorisch darstellte. Die unterschiedliche Bedeutung, die man den beiden Produktionszweigen zumaß, schien mit der damaligen Marktlage übereinzustimmen. Abgesehen von einigen Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts stiegen die Getreidepreise ständig an, so daß man sich bewogen fühlte, den mühelos zu gewinnenden Mehrerlös mitzunehmen. Den Verbrauchern blieb nichts weiter übrig, als die höheren Ausgaben für Brot zu akzeptieren, da dieses Produkt die höchste Präferenz genoß. Sie beruhte darauf, daß es je Geldeinheit den höchsten Sättigungs- und Nährwert besaß. Wuchsen die Ausgaben für das Brot an, mußten bei den damals stagnierenden Nominallöhnen die Ausgaben für andere Budgetposten eingeschränkt werden, und dazu gehörten auch die für das Fleisch. Dessen Produktion wurde auch durch den Veredlungsverlust behindert, der zwangsläufig bei der Umwandlung von Getreide in Fleisch auftritt und den man sich bei dem früheren geringen Getreideertrag so gut wie gar nicht leisten konnte. Diese landläufig vertretene Meinung bezweifelte indessen schon v. Justi (vgl. oben 8). Hätte man den Ackerfutterbau intensiviert und das Vieh besser gefüttert oder gar mehr davon gehalten, so hätte man Fleisch billiger anbieten können. Durch den vermehrten Dunganfall wären die Getreideernten gesteigert worden, und die Getreidepreise wären gefallen. Der Verbraucher hätte die freiwerdende Kaufkraft für den Einkauf von Fleisch verwenden können. Ob jedoch v. Justi mit seiner Kritik recht hatte, hängt davon ab, ob seinerzeit die Viehhaltung im „gerechten Verhältnis" zum Ackerbau stand. Aber darüber war nichts Genaues zu erfahren. Germershausen [61: Hausvater, 1319] wog Eckharts Zahlen gegen die Bergens ab und gab letzteren den Vorzug, aber dann resümierte er: „Man muß nicht verlangen, daß dieses Verhältniß der Viehzucht zum Akkerbau noch genauer angegeben (wird), indem sich der Schriftsteller sodann zu sehr ins Weitläufige hineinbegeben müßte." Letztlich muß jeder Wirt die „Ab- und Zustufungen" selbst herausfinden. Bei diesem Sachstand waren gravierende Änderungen zugun...
2. Die Produktionstechnik
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der Viehhaltung nicht zu erwarten, doch erfolgten sie gegen Ende der Frühen Neuzeit zumindest in kleinen Schritten. Germershausen lieferte selbst einen schönen Beleg für die herausragende Bedeutung des Ackerbaues, wenn er auf immerhin 182 Seiten 21 verschiedene Fruchtfolgen abhandelt und kritisch würdigt [61: Hausvater, I 352-533]. Mögen einige in der Praxis nur geringe Verbreitung gefunden haben, so fehlen andererseits wesentliche; um nur einige zu nennen: das Zweifeldersystem, die Dreischwirtschaft Ackerbausysteme und Umfangder und die Kultur auf Eschböden. Allein die Vielzahl der Systeme J Brache sollte davor warnen, die Dreifelderwirtschaft als repräsentative Fruchtfolge anzusehen, wenn sie auch relativ die größte Bedeutung gehabt haben mag. Aber es gab ganze Landstriche, wo sie völlig fehlte, beispielsweise in der Grafschaft Mark und im weit größeren Nordteil des Kurfürstentums Hannover. Trotzdem ist es zweckmäßig, von der Dreifelderwirtschaft (vgl. oben 7) auszugehen, weil von ihr zwanglos die Zwei-, Vier- und Fünffelderwirtschaft abgeleitet werden können. Bei Germershausen erscheint sie von vornherein als Rotation, bei der im Brachjahr die eine Hälfte des Ackers bereits mit Brachfrüchten, vor allem Futterpflanzen, bestellt oder besömmert wird; beim zweiten Durchgang wurde die andere Hälfte für den gleichen Zweck genutzt. Unbebaut blieb demnach bei dieser Form lediglich ein Sechstel des Ackerlandes. Natürlich war das nur eine theoretische Vorgabe, aber dieser Satz konnte durchaus mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Greift man auf eine 1766 im Kurfürstentum Hannover durchgeführte Enquete zurück und beschränkt man sich auf die 22 Betriebe südlich der Stadt Hannover, die durchgängig Mehrfelderwirtschaft praktizierten, so betrug der Anteil des Brachlandes 16,8 v. H. Trotz der großen Annäherung stimmt der Prozentsatz mit einem Sechstel nicht völlig überein, da auf mindestens 3 von den 22 Höfen eine Vier- oder Fünffelderwirtschaft zu vermuten ist [10: W. Achilles, Lage, 37 u. Tab. II]. Über die Arbeiten, die der Bauer während einer Rotation der Dreifelderwirtschaft durchzuführen hatte, war man sich weitgehend einig. Der Umlauf endete mit der Ernte des Sommergetreides im DreifelderwirtAugust. Anschließend ließ man den Acker sich begrünen oder be- schaft grasen, wie es damals hieß. Die Fläche diente sodann Rindvieh, Schafen und Schweinen als Weide. Durch den Tritt dieser Tiere und den Bewuchs wurde die Oberfläche recht fest. Infolgedessen wurde das Brachen, das Aufreißen des Bodens mit dem Pfluge im Juni des folgenden Jahres, als die schwerste Pflugarbeit angesehen. Die Arsten
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Enzyklopädischer Überblick
beitsleistung kann qualitativ den heutigen Ansprüchen nicht genügt haben. Die Tiefe des Pflügens schwankte von 8 bis 14 cm heute um 25 cm -, und da die Geräte statt des gewundenen stählernen -
Streichblechs nur ein hölzernes Streichbrett besaßen, muß besonders das Wenden des Bodens recht mangelhaft ausgefallen sein. Das machte sich vor allem in einer unzureichenden Unkrautbekämpfung bemerkbar und störte überdies, wenn Stallmist untergebracht werden sollte. Falls sich der Acker rasch wieder begrünte, schob man das Wenden mit dem Pfluge ein. Stets wurde der Acker mit dem Haken quer zur Furche „gerührt". Auf diese verschiedenen Arbeitsgänge mit dem Pfluge (Haken), die sogenannten Pflugarten, folgte jedesmal die Egge. Gute Wirte pflügten den Stallmist, um Nährstoffverluste zu vermeiden, erst bei der vierten Pflugart unter, die gleichzeitig als Saatfurche anzusehen ist. Die Wintersaat, selbst auf besten Böden baute man überwiegend Roggen, fiel in die Vertiefungen der sogenannten rauhen Furche. Drei bis vier Eggenstriche, kreuz und quer gegeben, waren nötig, um das Saatgut mit Erde zu bedecken und vor Vogelfraß zu schützen. Nach der Ernte des Wintergetreides im August begann meistens das Zurichten des Ackers für die Saat des Sommergetreides. Manche gaben zwei Pflugfurchen, andere ersetzten die zweite durch das Rühren mit dem Haken. Im nächsten Frühjahr säte man das Saatgetreide entweder einfach auf den Boden und pflügte es unter, oder man pflügte zuerst und säte es in die rauhe Furche. Die Intensität, mit der man den Acker während des dreijähriintensität der gen Umlaufes bearbeitete, wies erhebliche Schwankungen auf. So Bearbeitung wur(jen Bauern gerügt, weil sie drei Pflugarten auf dem Brachschlag für ausreichend hielten und eventuell die Herbstarbeiten für das Sommergetreide ausfallen ließen. Man konnte also schon mit vier Pflugarten innerhalb der drei Jahre auskommen. Andere hielten dagegen sieben für unbedingt erforderlich. Sandige Böden sind jedoch nicht so unkrautwüchsig wie lehmige oder tonige. Infolgedessen brauchen sie weniger oft gepflügt zu werden, und man sollte deshalb diese Bauern nicht gleich als nachlässig schelten. Das Hauptziel der Brache bestand darin, die Verwitterung der festen Bodenmasse zu beschleunigen, um die beim Zerfall freiwerdenden Pflanzennährstoffe mit den nachfolgenden Kulturen zu nutzen. Diese Mineralisation des Bodens erfordert Luft und Wasser. Beides führte man dem Boden mit jedem Bearbeitungsgang zu: die Zweck der Brache Luft direkt, das Wasser indirekt, indem man das Einsickern der Niederschläge gegenüber einer verdichteten Oberfläche erheblich
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2. Die Produktionstechnik
verbesserte. Auf leichten Böden gelingt es, mit weniger Pflugfurchen den Boden hinreichend lange locker zu halten. Zur Drill- und Hackkultur des Engländers Jethro Tull mochte man sich in Deutschland nicht entschließen, sondern säte alle Kulturpflanzen breitwürfig. Dann aber war es schwierig, im stehenden Bestand gegen Unkräuter vorzugehen. Tatsächlich sind auch nur wenige Pflegearbeiten wie das Distelstechen im Getreide Kaum Pflegeüberliefert. Nur der Lein wurde in seiner Jugendphase mehrmals ge- arbeiten jätet. Deshalb wurde die Verminderung der Unkrautflora durch eine fortlaufende Bearbeitung des Brachschlages um so wichtiger. Nur so konnte wenigstens das Wintergetreide bei der Konkurrenz der Pflanzen um Wasser, Licht und Nährstoffe einigermaßen begünstigt werden. Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, daß zu Beginn der Frühen Neuzeit erst wenige Wirte ihre Äcker intensiv bearbeiteten, jedoch im Laufe der Zeit immer mehr dazu übergingen. Dadurch hob sich die durchschnittliche Bearbeitungsintensität. Sie nahm in dem Intensivierung der Maße wieder ab, wie man den Brachschlag mit Sommerfrüchten be- Bearbeitung stellte, also besömmerte. Deshalb ist zu überlegen, ob Mineralisation und Unkrautbekämpfung darunter litten. Beim Lein war man sich darüber einig, er zehre den Acker aus, und die Betriebswirte waren gar nicht schlecht beraten, wenn sie zu den Gestehungskosten des Flachses eine zusätzliche Düngung hinzurechneten. Gleiches gilt für den Weißkohl, dessen Anbau zur Sauerkrautbereitung weit verbreitet war. In beiden Kulturarten konnte man wenigstens das Unkraut leidlich bekämpfen. Ohne Schaden für andere Früchte konnte man das Brachfeld zuerst vorsichtig erst im größeren Umfang besömmern, als man tastend dazu überging, Leguminosen darauf anzubauen. Die Besömmerung der Pflanzen dieser Unterfamilie verschaffen dem Landwirt gleich meh- Brache rere Vorteile. Sind Wicken, Erbsen oder Bohnen auch nur halbwegs geraten, unterdrücken sie das Unkraut recht gut. Jene Pflanzen durchwurzeln den Boden intensiver als andere Kulturarten und schließen Phosphate und Kali, zwei Hauptnährstoffe, für sich und die nachfolgenden Pflanzen auf. Außerdem sammeln sie durch die mit ihnen in Symbiose lebenden Knöllchenbakterien Stickstoff, den dritten Hauptnährstoff. Er steht nach der Verrottung der Wurzeln auch noch zu einem erheblichen Teil den nachfolgenden Pflanzen zur Verfügung. So gedieh zum Erstaunen der Landwirte die Folgefrucht besser, wenn sie auf dem Brachfeld Leguminosen angebaut hatten, statt es zu bearbeiten. Die positive Wirkung der Legumino-
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I.
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beruht im Grundsatz bei Phosphaten und Kali auf einer rascheMineralisation der festen Bodenmasse. Die Böden altern daher rascher. Auf leichten Sandböden war oft der Nährstoffvorrat im Boden schon nach einjährigem Anbau einer Kulturart verbraucht, so daß ein Brachjahr folgen mußte. Bei dieser Zweifelderwirtschaft wurde Mehrfelderwirt- also nur die Hälfte des Bodens bebaut. Anders sah es aus, wenn die schaft Bodengüte als überdurchschnittlich einzustufen war. Dann konnte der Acker drei oder vier Jahr lang Getreide tragen, und der Anteil der Brache sank bei der Vierfelderwirtschaft auf ein Viertel, bei der Fünffelderwirtschaft sogar auf ein Fünftel ab. Folgte Getreide mehrmals aufeinander, war man sich seit der Antike der Notwendigkeit bewußt, die Art zu wechseln. Grundsätze für die Abfolge im einzelnen waren geläufig und wurden beachtet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hielt man die KopKoppeiwirtschaft pelwirtschaft für ein fortschrittliches System. Sie wurde lebhaft propagiert, und sie gewann auch tatsächlich an Verbreitung. Wollte man sie einführen, mußte der Flurzwang aufgehoben und die Weiderechte anderer mußten abgelöst werden. Außerdem mußten alle Parzellen frei zugänglich sein. Im einfachsten Falle richtete man eine achtfeldrige Folge ein. Bei ihr wurde eine bestimmte Parzelle vier Jahre lang beweidet, die sich in dieser Zeit durch den fehlenden Anbau so erholte, daß anschließend vierjähriger Getreidebau möglich war. Das System konnte nur dort zu einigermaßen befriedigenden Ergebnissen führen, wo feuchtes Küstenklima wie in SchleswigHolstein oder Mecklenburg den sich von selbst einstellenden Graswuchs begünstigte. Fragt man nach den Erträgen, die im Pflanzenbau erzielt wurden, ist zuvor folgendes zu bedenken: Bei einer Pflugtiefe von rund 10 cm stand den Pflanzen von vornherein nur ein geringer Wurzelraum und damit nur ein geringer Vorrat an Pflanzennährstoffen zur Erträge des Acker- Verfügung. Blieb es auch nur kurze Zeit trocken, so fehlte im hauptbaus sächlich durchwurzelten Standraum das Wasser. Fielen dagegen viele Niederschläge, mangelte es den Pflanzen sehr rasch an Luft, und außerdem gewann das Unkraut die Oberhand. Die Erträge sen
ren
konnten bei diesen Gegebenheiten nur gering ausfallen und mußten außerdem entsprechend dem Witterungsverlauf von Jahr zu Jahr stark schwanken. Die Materialbasis, auf die E. Bittermann seine Ertragsangaben für die Zeit um 1800 stützt, ist zwar schmal, doch sind sie bis heute maßgeblich geblieben. Er beziffert die Ernte auf 1 ha Ackerland
2. Die Produktionstechnik
23
Roggen auf 9,0 dt, bei der damals überwiegend gebauten Sommergerste auf 8,1 dt und beim Hafer auf 6,8 dt [22: Landw. Produktion, 33]. Im Hinblick auf die Ernährungsleistung des Pflanzenbaus muß ergänzend auf die Kartoffel verwiebeim Weizen auf 10,3 dt, beim
werden, von der man nach Bittermann 80 dt auf 1 ha erntete. Sie lieferte mindestens den doppelten Nährwert einer Getreideernte. Der Anbau der Kartoffel entspannte daher bei steigender Bevölkerung deutlich die Versorgungslage. Da aber diese Pflanze im 18. Jahrhundert nur vereinzelt auf dem Felde und sonst in den Gärten kultiviert wurde, ist auch nicht annähernd abzuschätzen, in welchem Umfang das geschah. In der Frühen Neuzeit wurden die Feldfrüchte nicht gewogen. Das Erntegut wurde vielmehr mit Hohlmaßen (Scheffel, Himten, Definition der Mud von lat. modius, Malter, Simmer, Metze u.a.) gemessen. Bei- Erntemengen spielsweise faßte der stadtbraunschweigische Himten 31,14 1. Bei einem Hektolitergewicht des Roggens von 65 kg hielt er demnach rund 20 kg Getreide. Bei einer Ernte von 9,0 dt Roggen auf 1 ha hätte man seinerzeit also 45 Himten erhalten müssen. 8 Himten benötigte man zur Saat, die zur Erntemenge im Verhältnis von 1:5,6 stand. In der Frühen Neuzeit drückte man diese Relation mit der Formel aus: Man habe das 5. bis 6. Korn geerntet. Da die Aussaatmengen von Jahr zu Jahr nicht unerheblich schwankten und auch nur grob quantifiziert wurden, ist es kaum möglich, in Gewichtseinheiten ausgedrückte Ernteerträge aus der genannten Relation abzuleiten. sen
2.2 Die
Tierproduktion Die Zugtierhaltung (Pferde und Ochsen) ist nur dann als Produktionszweig anzusehen, wenn nicht alle Jungtiere für die Nachzucht im eigenen Betrieb benötigt wurden und an andere verkauft werden konnten. Eine solche Arbeitsteilung zwischen grünlandreichen Aufzuchtgebieten und grünlandarmen Zukaufsregionen kann späte-
seit dem 18. Jahrhundert beobachtet werden. Aufs Ganze gesehen spielte sie in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rolle. Dagegen ist die Zugtierhaltung als Kostenfaktor nicht zu unterschätzen. Bittermann schätzt den Pferdebestand um 1800 auf 2,7 Mio. Stück. Im Vergleich dazu nimmt sich der Milchkuhbestand mit 5,1 Mio. Tieren recht bescheiden aus [22: Landw. Produktion, 42 f.]. Welche Last die umfangreiche Zugtierhaltung für den Bauern bedeutete, erhellt die Tatsache, daß man mit der Futtermenge für ein Pferd unbedenkstens
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Belastung durch lieh 1 Vi bis 1 Vi Kühe hätte ausfüttern können. Der große PferdebeZugtierhaltung stand der Bauern wurde eindeutig durch die in natura zu leistenden Frondienste bedingt. Als man sie von 1774 an im Amt Calenberg bei Hannover durch Dienstgeldzahlungen ersetzte, konnte man bis 1800 die Zahl der Knechte um 186 und die der Pferde um 284 verringern. Das waren in beiden Fällen rund 10 v. H. des Gesamtbesatzes auf 7800 ha Ackerland. Die Jahreskosten eines Knechtes zu 70 T., die eines Pferdes zu 50 T. gerechnet, ergab für die Bauern eine Ersparnis von 27220 T., die durch die Dienstgeldzahlung in Höhe von 15 705 T. nur zum Teil wieder aufgehoben wurde [123: G. F. W.
Meyer, Georg III., 19f.].
Die Rindviehhaltung wurde durchgängig als wichtigster Zweig Rindviehhaltung der Tierproduktion angesehen. Da das Rindvieh der bedeutendste wichtigster Zweig Fleischlieferant war und auch die Milch dringend benötigt wurde der Tierproduktion (und selbst die Häute bildeten eine nicht unwichtige Einnahmequelle), bestand an ihrer Notwendigkeit kein Zweifel, wohl aber an ihrer Rentabilität [60: F. K. G. Gericke, Praktische Anleitung, I 383-389]. Es ist deshalb nicht erstaunlich, wenn man sogar auf den selbstbewirtschafteten Gütern und Domänen den Rindviehstapel gegen eine feste Summe verpachtete. Vom Rindvieh gewann man auch den meisten Dünger, und an dessen Bedeutung zweifelte niemand. Aber auch dieser Sachverhalt führte nicht zu einer Ausdehnung des Bestandes; denn sonst wären die Klagen über einen zu geringen Viehbestand der Betriebe gegenstandslos geworden (vgl. oben 8). Andererseits konnte niemand genau angeben, wieviel Vieh, und das hieß vor allem Rindvieh, eigentlich gehalten werden mußte (vgl. oben 18). Schließlich darf nicht übersehen werden, daß während des 18. Jahrhunderts immer wieder die Rindviehbestände, abgeschwächt auch die der Schafe, durch Seuchenzüge der Rinderpest dezimiert wurden. An der Haltungsweise des Rindviehs änderte sich während der Haltung des Rind- Frühen Neuzeit im Grundsatz nichts. Während des Sommerhalbjahviehs res, vom Mai bis zum November, holte man die Kühe nachts regelmäßig heim, damit man sie abends und morgens melken konnte. Tagsüber wurden sie vom Dorfhirten gemeinschaftlich auf dem unbebauten Teil des Brachfeldes, den Ängern und Triften, die auch als Allmenden oder Gemeinheiten bezeichnet wurden, sowie zu einem nicht unerheblichen Teil im Wald geweidet. Die Klagen über die geringe Futterwüchsigkeit dieser Flächen waren allgemein. Verschärft konnte dieser Futtermangel noch werden, wenn die Obrigkeit ein Weiderecht für neuangesetzte Kleinstelleninhaber von der Dorfge-
2. Die Produktionstechnik
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meinschaft erzwang. Entscheidend aber war, daß alle die Gemeinheiten nutzten, aber niemand sie pflegen wollte. Eine individuelle Rindviehhaltung konnte es erst dann geben, wenn man diese Flächen aufteilte. Die Fütterung während des Winterhalbjahrs war meistens kläglich. Eventuell brühte man nur Strohhäcksel auf und hielt das Hinzufügen von Spreu schon für eine Verbesserung. Häufig wurde eine Häckselmischung aus Heu und Stroh verfüttert. Waren diese Futtermittel auch alles andere als milchergiebig, so waren sie dennoch oft so schwer zu beschaffen, daß hier ein wesentliches Hindernis für die Ausdehnung der Rinderhaltung gesehen werden muß. So beweidete ständiger Futterman bei eklatantem Futtermangel sogar die Wintersaaten im Früh- man8el jähr, was schon von den Zeitgenossen heftig kritisiert wurde. Bekannt war der günstige Einfluß von Getreidekleie und Ölkuchen auf die Milchleistung. Im 18. Jahrhundert wurde sie auch durch Leguminosenstroh, Kleeheu und weiße Rüben verbessert. Gegen Ende der Epoche ging man in Einzelfällen zur ganzjährigen Stallhaltung des Rindviehs über, doch änderte das noch nichts am Gesamtbild seiner
Haltungsweise. Die Rindviehhaltung blieb während der gesamten
Frühen Neuzeit das Stiefkind betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Bei der Doppelnutzung: Milch und Fleisch, sollte man meinen, an quantitativen Angaben sei kein Mangel, doch ist das Gegenteil der Fall; repräsentative sind kaum zu gewinnen. Für das Lebendgewicht, das über den Fleischanfall entscheidet und auch dessen Qualität beeinflußt, trug schon Bittermann Material zusammen [22: Landw. Produktion, 47]. Danach ist das Gewicht einer Kuh mit 150 bis 220 kg, heute um 650 kg, anzusetzen. Die Ausschlachtung lag bei Fleischleistung 50-55 v. H. Obwohl der Verkaufspreis je kg Rindfleisch vom Gewicht des Schlachttieres abhing, begnügte man sich in der Regel damit, einfach den Preis für eine „abständige" Kuh zu notieren, also eines Tieres, das man aus Altersgründen verkaufte. Auch bei den Mastochsen verfuhr man nicht anders. Natürlich lag ihr Gewicht bedeutend höher. J. Bölts gibt es anhand eines breiten Materials aus Nordwestdeutschland mit 375 kg an ([191: Rinderhandel,
222]. Zahl sind auch die Notizen über die Milchleistung eine erhebliche Streuung, so daß es unmöglich ist, einen auch nur annähernd repräsentativen Durchschnittswert zu ermitteln. Auf Grund etlicher zeitgenössischer Notizen aus dem späten 18. Jahrhundert ist Abels Aussage: „Die Milch-
Gering
an
der Kühe. Sie
zeigen zudem
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Milchleistung
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kaum 1000 1 je Kuh und Jahr" [4: Geschichte, 257], mit Sicherheit als Durchschnittswert zu hoch gegriffen, und selbst der von Bittermann als repräsentativ angesehene Milchertrag von 860 1 [22: Landw. Produktion, 57] dürfte noch zu hoch angesetzt sein. Mit größerer Wahrscheinlichkeit hat er wohl bei 750 1 je Kuh und Jahr gelegen. Aus dieser Menge konnte man, falls man sie ausschließlich zur Herstellung von Butter verwandte, um 25 kg gewinnen. Zwangsläufig fielen gleichzeitig noch Käse und Magermilch an. Da selbst auf den Bauernhöfen, die keine Butter verkauften, noch nicht einmal 1 Kuh auf 1 Vollperson entfiel Kinder sind entsprechend ihrem Alter auf eine Einheit hochzurechnen -, erweist sich schon auf der Erzeugerstufe L. H. H. v. Engels Meinung als unhaltbar, wonach für 1 Person je Woche 1 Pfund Butter als normaler Verzehr zu unterstellen sei [43: Briefe, 14]. Diese Auffassung wird vollends obsolet, wenn Bittermann mit seiner Schätzung auch nur annähernd recht hat, wonach sich um 1800 5 Personen die Milcherzeugung einer Kuh teilen mußten [22, Landw. Produktion, 43 f.]. Butter ist deshalb in der Frühen Neuzeit als ausgesprochenes Luxusprodukt zu betrachten. Verglichen mit der Rindviehhaltung war die Schafhaltung recht unbedeutend. Rechnet man wie üblich auf 1 Kuh 10 Schafe, so verhielten sich diese beiden Zweige der Tierhaltung wie 6:1 [22: E. Bittermann, Landw. Produktion, 44]. Dieses Verhältnis läßt die Bedeutung der Schafhaltung für die Bauernhöfe noch in einem zu günstigen Licht erscheinen. Schafe wurden nämlich in etlichen Landstrichen vorwiegend auf den Gütern und weniger auf Bauernhöfen gehalten. So ermittelte D. Saalfeld, nachdem er die verschiedenen Tierarten auf Grund der unterschiedlichen Lebendgewichte in Großvieheinheiten umgerechnet hatte, für das 18. Jahrhundert einen Anteil der Schafhaltung am Gesamtviehbestand bei braunschweigischen Bauernbetrieben von 17,4 v. H., während er bei den Gütern 55,8 v. H. betrug [149: Bauernwirtschaft, 115]. Ähnlich sah es auf den sächsischen Domänen aus. Die Erklärung ist einfach. C. F. v. Benekendorf meinte zwar, die Gutsbesitzer hätten sich die Schäfereigerechtigkeit vor undenklichen Zeiten „angemaßt", aber jetzt, also um 1780, sei sie unbestreitbares Recht. Deshalb könne die Gutsherde in der gesamten Feldmark gehütet werden. Dieses Recht schlösse ferner ein, daß die Bauern gar keine Schafe halten dürften [14: Oeconomia, I 95-105]. Dieses strenge Recht kam schon deshalb nicht für alle Bauern zum Tragen, weil längst nicht in jedem Dorf
leistung betrug
-
Butter ein Luxus-
produkt
Unterschiedliche
Bedeutung der Schafhaltung
Recht
zur
Schaf-
haltung
2. Die Produktionstechnik
27
eine Domäne oder ein Rittergut vorhanden war (vgl. unten 95); zum andern dürfte es an etlichen Orten durchbrochen worden sein. Anders als bei der Rinderhaltung, die erst wieder um 1800 den Stand um 1600 erreicht zu haben scheint, ist bei der Schafhaltung in dieser Zeitspanne auf Gütern und Bauernhöfen mit einer nicht unbeträchtlichen Vermehrung zu rechnen. Die Schafe lieferten überwiegend grobe Landwolle. Erst in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts kreuzte man feinwollige Merinos ein. Vom Eigenbedarf und von Ausnahmen abgesehen war die Wolle ein Ausfuhrartikel. Mit besseren Sorten vermischt wurde sie in England und den Niederlanden zu feineren Tuchen verarbeitet. Die Haltung von Schweinen ist in ihrer Bedeutung noch geringer als die Haltung von Schafen einzustufen. Bei Schweinen muß auch mit einer nicht geringen Erzeugung in den Städten gerechnet werden, wobei die Müller und Bäcker eine herausragende Stellung einnahmen. Auf dem Lande aber war die Mast mit Getreide und Getreideabfällen zu teuer. Diese Futtermittel wurden höchstens in geringen Mengen in der Endmast eingesetzt. Deshalb richtete sich der Umfang der Schweinehaltung weitgehend nach den Nutzungsrechten in Eichen- und Buchenwäldern. Da aber diese Mast von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfällt, mußte man stets genügend Jungvieh halten, um gute Mastjahre hinreichend nutzen zu können. Blieben sie aus, schlachtete man notgedrungen recht junge und damit auch kleine Schweine. Wurden keine Mastfuttermittel eingesetzt, wogen sie nach einem Jahr erst 50 kg [43: v. Engel,
Briefe, 15].
Insgesamt gesehen blieb der Anfall
von Fleisch (einschl. Zieohne noch sehr um 1800 gering. Mit 16 kg je Kopf gen, Geflügel) und Jahr blieb er ganz erheblich hinter dem heutigen Verbrauch von über 90 kg zurück [22: E. Bittermann, Landw. Produktion, 55 f.]. Beim Fleischverzehr ist zusätzlich die außerordentliche Streuung der damaligen Einkommen zu bedenken. So erscheint die Annahme nicht unrealistisch, die kaufkräftige Oberschicht habe bereits den heutigen Durchschnittsverbrauch verwirklichen können. Falls das zutrifft, mußten die Armen weitestgehend auf Getreide, die Ärmsten auf Kartoffeln ausweichen. Für eine Differenzierung dieser Art ließen sich viele Hinweise anführen (vgl. unten 61 u. 90).
28
I.
Enzyklopädischer Überblick
3. Die 3.1
Leistungen
an
Feudalquote
die Feudalklasse
Zu der Feudalklasse werden alle Personen und Korporationen gerechnet, die auf Grund einer Belehnung oder eines Kaufs Nutzungsrechte am Boden erworben hatten. Diese Rechte wurden nur zum
Teil durch den Auf- oder Ausbau einer Eigenwirtschaft genutzt. Die Standesqualität des Adels ließ es ursprünglich nicht zu, selbst Landwirtschaft zu treiben. Das änderte sich zu Beginn der Frühen Neuzeit. Der weitaus größte Teil des Bodens wurde schon weit früher an Bauern zur Bewirtschaftung weitergegeben. Sie schuldeten dafür Abgaben und Dienste. Konnte der Überlassende bestimmen, in welGrundherrschaft cher Weise und in welchem Umfang das geschah, übte er die im engeren Sinne Grundherrschaft im engeren Sinne aus. Adlige, Klöster, Kirchen, Patrizier und in Ausnahmefällen sogar Bauern konnten solche Herrschaftsrechte erhalten. Sie wurden bis zum Ausgang des Mittelalters durch das Herkommen bestimmt, das in den Fällen präzisiert und annähernd fixiert wurde, in denen Absprachen zwischen Herren und Untertanen erfolgt waren. Im 15. Jahrhundert ist der Mangel an Menschen und damit an Bewirtschaftern von Bauernhöfen zu bedenken, der die Stellung der Landbevölkerung gegenüber ihren Herren stärkte. War die Villikationsverfassung Ausgangspunkt einer Grundherrschaft, so schloß sie die Gerichts- und Leibherrschaft mit ein. Villikationsverbände mit mindestens einem Herrenhof und etlichen abhängigen Bauernhöfen sind zwar selbst im Altsiedeiland nicht fläKombination von chendeckend nachgewiesen, doch ist die Kombination mehrerer Herrschaftsrechten Herrschaftsrechte in einer Hand durchgängig zu beobachten. Auch für die Leib- und Gerichtsherrschaft hatten die Hörigen Dienste zu leisten und Abgaben zu entrichten. Bei der Bündelung von Herrschaftsrechten ist es oft unmöglich, die Gesamtheit der bäuerlichen Leistungen auf die zugrundeliegenden Berechtigungen aufzuschlüsseln. Das stört nicht, wenn es nur darum geht, die Gesamtbelastung der Bauern zu erfassen. Es läßt aber in anderer Hinsicht unbefriedigt, weil sich bei der Kombination von Rechten private und öffentlich-rechtliche Sphäre miteinander vermischen, deren Trennung eins der wesentlichen landesherrlichen Ziele während der Frühen Neuzeit war. Dieses Problem gewinnt eine neue Dimension, wenn die Territorialherren in die Betrachtung einbezogen werden. In den kleinen
3. Die
Feudalquote
29
Herrschaftsbezirken verzichteten sie häufig ganz darauf, Land an Lehnsträger weiterzugeben. Sie übten die Herrschaft über die Bau- Landesfürsten als ern vielmehr selber aus. Als Beispiele seien die Fürstabteien in Grundherren Oberschwaben genannt. Im Verlauf der Frühen Neuzeit konnte dieser Zustand wieder erreicht werden, wenn es leidlich finanzkräftigen Fürsten gelang, einen schwach begüterten Adel auszukaufen. Als Beispiele lassen sich die Grafschaften/Herzogtümer Oldenburg und Anhalt anführen. Aber auch in den mittleren und großen Territorien schlug man diesen Weg ein, so daß im Verlauf der Epoche der Landesherr immer häufiger Grundherr der Bauern wurde und auf diese Weise direkte Herrschaftsbeziehungen zu immer mehr Untertanen aufnahm. In den Ländern, in denen die Reformation dauerhaft Platz griff, beschleunigte die Säkularisation des Kirchengutes diesen Prozeß beträchtlich. Die katholisch gebliebenen Territorien holten 1803 kräftig auf, als durch den Reichsdeputationshauptschluß die geistlichen Staaten aufgehoben wurden. In der Person des Landesfürsten verschmolzen also private und öffentlich-rechtliche Sphäre miteinander, die man selbst dann nur grob auseinanderhielt, wenn man jenen Landbesitz aussonderte, dessen Erträge in die Privatschatulle des Fürsten flössen. Diese Scheidung kam nur selten vor und hält nicht jeder Kritik stand. Es ist hier nicht der Ort (vgl. unten 3.3.), den Kräften nachzugehen und ihr Machtpotential abzuschätzen, die während der Frühen Neuzeit auf die Grundherrschaftsformen einwirkten und sie veränderten. Es genügt, einen kurzen Blick auf den Endzustand zu werfen, dessen Erscheinungsformen am umfassendsten immer noch F. Lütge gezeichnet hat [120: Agrarverfassung, 118-200]. Zuerst nimmt er eine Zweiteilung vor und trennt das Altsiedelland vom Gutsherrschaft Kolonisationsgebiet. Für letzteres war die Herausbildung der Gutsherrschaft kennzeichnend. Bei ihr befanden sich alle drei Herrschaftsformen (Grund-, Leib-, Gerichtsherrschaft) in der Hand des Gutsherrn, der abgesehen von der Hochgerichtsbarkeit in jeder Hinsicht die Obrigkeit für den Bauern darstellte. Die Leibherrschaft' wurde in der Erbuntertänigkeit realisiert, die den Bauern schollenpflichtig machte, mit dem Hofannahmezwang verbunden war und ihn verpflichtete, bei der Wahl des Ehepartners oder eines Berufes den Konsens des Gutsherrn einzuholen; die Kinder schließlich wurden zum Gesindezwangsdienst herangezogen. Die Gut und Gutsherrn in dieser Weise verbundenen Bauernhöfe wurden als Laßbauernstellen bezeichnet und konnten erblich oder nichterblich sein. Verbreitung der Mit dem häufig gebrauchten Begriff „Ostelbien" ist das Verbrei- Gutsherrschaft
30
L
Enzyklopädischer Überblick
der Gutsherrschaft nur unzureichend charakterisiert. Mit der Altmark ist der Ausgriff nach Westen gegeben, dagegen fehlte den kursächsischen Grundherrschaften die Leibherrschaft, und auch in Schlesien trat die Gutsherrschaft in ihrer Verbreitung deutlich zurück. Schon G. F. Knapp warnte davor, dieses Recht für Preußen zu verabsolutieren. Leider geht aber auch Lütge über dessen Zahlenmaterial nicht hinaus. So läßt sich nur festhalten, daß vor den Agrarreformen im preußischen Teil Pommerns 53 v. H. der Mitteldeutsche spannfähigen Bauern ihren Hof zu Laßrecht besaßen, in BrandenGrundherrschaft burg waren es nur 40 v.H. [120: F. Lütge, Agrarverfassung, 235]. Innerhalb der Gutsherrschaft war mit einiger Wahrscheinlichkeit die Grundherrschaft, aber eben in Verbindung mit der Leib- und Gerichtsherrschaft, die drückendste. Sieht man von Sonderformen ab, unterscheidet Lütge im übrigen Reichsgebiet fünf verschiedene Typen der Agrarverfassung. Diese umfaßte alle Rechtsbeziehungen zwischen Bauern und Obrigkeit, wird jedoch von Lütge nicht ganz zutreffend wieder auf den engeren Begriff „Grundherrschaft" eingeschränkt. Zuerst wendet er sich der Mitteldeutschen Grundherrschaft zu, weil sie das Bindeglied zwischen dem gutsherrlich geprägten Osten und dem grundherrlichen Westen darstellte. Dieser Typ war für Thüringen, Anhalt und das Kurfürstentum Sachsen kennzeichnend. Zwar gab es hier Güter, doch konnte sich eine Gutsherrschaft schon deshalb nicht entwikkeln, weil die Bauern frei waren. Frondienste wurden nur in geringfügigem Umfang geleistet. Die Besitzrechte waren gut, und ein entwickeltes bäuerliches (dörfliches) Gemeinschaftsleben sieht Lütge gleichfalls als Beweis für die freie und günstige Lage der Bauern an. In Sachsen waren die Frondienste drückender, als Lütge annahm. Die Nordwestdeutsche Grundherrschaft wurde durch ein erbliNordwestdeutsche Grundherrschaft ches Nutzungsrecht (Meierrecht) gekennzeichnet, dem andere Nutzungsrechte angeglichen wurden. Die Landesherren setzten die Fixierung der Abgaben durch und erwarben die Obergrundherrschaft. Es fehlt bei Lütge die Tatsache, daß alle leibherrlichen Verpflichtungen in unbedeutende Reallasten umgewandelt wurden und alle Landbewohner die volle Freizügigkeit besaßen [8: W. Achilles, BeWestdeutsche lastung, 65 f.]. Die Westdeutsche Grundherrschaft präsentierte sich Grundherrschaft als ausgesprochene Rentengrundherrschaft, mit Erbzinsrecht, aber auch mit Eigenbehörigkeit, die Schollenpflichtigkeit, leibherrliche Abgaben und geringfügige Frondienste einschloß. Bemerkenswert war der hohe Anteil freier Pächter, die ein Drittel des Ackerlandes bewirtschafteten.
tungsgebiet
3. Die
31
Feudalquote
Die Südwestdeutsche Grundherrschaft erstreckte sich nach Osten bis an den bairischen Siedlungsraum, umfaßte auch das Elsaß und reichte im Norden bis nach Hessen hinein. Vorherrschend war das Erbzinsrecht, bei dem wegen der frühzeitigen Fixierung keine Beziehung zwischen der Größe des Ackerlandes und der Höhe der Abgaben mehr festzustellen ist. Die Leibherrschaft war „nicht im mindesten diffamierend" [120: F. Lütge, Agrarverfassung, 106], verlieh aber den Herren „hohe Einnahmen" [ebd., 107]. Indem sie möglichst auf alle Untertanen eines Territoriums ausgedehnt wurde, gelangte man auf diesem Wege zur direkten Staatsbürgerschaft. Praktisch hieß das, das sei ergänzt, daß die Freizügigkeit der Untertanen auf kleinste Staatsgebiete beschränkt wurde, falls sie nicht die Abzugsgebühren bezahlen wollten. Die Frondienste standen nach Lütge nur jenen Herren zu, die über die Hochgerichtsbarkeit gebo-
Südwestdeutsche Grundherrschaft
ten.
In letzter Zeit hat sich besonders P. Blickle mit der Agrarverfassung im südwestdeutschen Raum auseinandergesetzt. Der Titel einer Zusammenfassung „Deutsche Untertanen Ein Widerspruch" ist programmatisch gemeint [27]. In ihr soll nachgewiesen werden, daß der gemeine Mann eine mitgestaltende Rolle in der -
deutschen Geschichte übernommen hat. Sie ist in den südwestdeutschen Staaten besonders gut zu beobachten, weil hier die Bauern die Landstandschaft errungen hatten. Interessiert an der Ausgestaltung der Agrarverfassung, gipfelte ihr Bemühen im Aushandeln eines Agrarverfassungsvertrages. Allerdings blieb, das sei ergänzt, nicht nur diesen Bauern während der Frühen Neuzeit der Weg in die Inferiorität erspart [nur für den Südwesten: ebd. 133]. In diesem Gebiet konnten sich zudem die Frondienste als drückend erweisen, wie in Württemberg [39: H. W. Eckardt, Herrschaftl. Jagd, 112-125]. Sie wurden auch in nicht unbeträchtlicher Höhe gefordert und konnten außerdem gesteigert werden [196: H. Zückert, Die sozialen Grundlagen, 187-241; 185: W. Trossbach: Bewegung, 19-27]. Die Südostdeutsche Grundherrschaft umfaßte weite Gebiete und war keineswegs einheitlich ausgeformt; deshalb ist es hier notwendig, sie auf Bayern zu beschränken. Hoch ist der Anteil jener Bauern, die ihren Hof zu einem schlechten Besitzrecht erhalten hatten. Oft war es auf die Lebenszeit des Besitzers beschränkt, beim Freistift war sogar die jährliche Kündigung statthaft. Die Belastung, vor allem mit Besitzwechselabgaben, war beträchtlich. Daneben sind die Hofmarken bemerkenswert, deren Herren die Grund- und Gerichtsherrschaft in ihrer Hand vereinigten. Ansätze zur Gutsherr-
Landstandschaft der Bauern
Südostdeutsche Grundherrschaft
32
L
Enzyklopädischer Überblick
schaft waren durch diese Kombination zweier Herrenrechte gegeben, doch wurde sie durch die Politik der Landesfürsten verhindert. Die Leibeigenschaft spielte nach Verbreitung und Belastung keine nennenswerte Rolle.
Lütge entwarf ein umfassendes Bild vom Verhältnis der BauFeudalklasse. Neben den vorherrschenden beschreibenden Zügen stehen Wertungen, die nicht in jedem Falle überzeugen. Das sei an nur einem, aber bedeutsamen Beispiel gezeigt. Die Lage der schlesischen Bauern am Vorabend der Agrarreformen zeigt Lütge in einem eher günstigen Licht [120: Agrarverfassung, 166, 181], doch kam es hier zu erheblichen Unruhen unter der Landbevölkerung. Um über die Schwere der Belastung der Bauern mehr Klarheit zu gewinnen, ging Fr.-W. Henning im Unterschied zu Lütge über die Beschreibung hinaus und erfaßte die Belastung quantitativ. Bei den ostpreußischen Scharwerksbauern schied er zwischen denen, LancJesherrn dienten, und jenen, die Adligen zu Diensten verpflichtet waren. Bei den ersteren betrug die jährliche Belastung in Geld ausgedrückt je 100 ha zwischen 73 und 120 T. Bei den Adelsbauern stieg sie in den gebildeten Gruppen dagegen von 80 über 220 und 313 T. auf 550 T. an. Aus dieser Gegenüberstellung läßt sich ablesen, welche Mehrleistung auf Grund feudaler Rechte aus den Bauern herausgeholt werden konnte [81: Bauernwirtschaft, 222]. Verschaffte in diesem Falle das Recht auf Dienste den Empfängern ein höheres Einkommen zu Lasten der Bauern, so bot sich auch beim Grundzins die gleiche Gelegenheit. Dafür bieten die in der Literatur oft zitierten drei Meierhöfe in Petze, im früheren Hochstift Hildesheim gelegen, ein schlagendes Beispiel. Der Grundzins belief sich bei diesen Höfen auf 1 T. je ha, während im benachbarten Südteil des Kurfürstentums Hannover sechs andere Meierhöfe nur 0,6 T. je ha entrichteten [10: W. Achilles, Lage, Tab. H/1]. Der Vergleich unterschiedlich hoher Grundzinsen, die von verschiedenen Bauern abgeliefert wurden, hat nur dann eine leidliche Aussagekraft, wenn die übrigen einkommensbestimmenden Faktoren annähernd gleich sind. Das trifft jedoch meistens nicht zu. Desern zur
Quantitative Beiastung der Bauern
halb ist nach einem geeigneten Maßstab zu suchen. Das ist auch noch aus einem anderen Grunde notwendig. Es ist zwar nicht unBelastung wjchtig; bei den Bauern die unterschiedliche Höhe der Grundzinsen zu ermitteln, doch die daraus resultierenden Abweichungen geben keinen Hinweis auf die sozialhistorisch bedeutsame Frage, in welchem Maße ein bestimmter Bauer durch den Grundzins bedrückt
Maßstab für die
3. Die
33
Feudalquote
wurde, und schon gar nicht auf die noch wichtigere, ob diese Last
seine Existenz bedrohte. Um auf diese Fragen wenigstens eine Teilantwort geben zu können, wurde anfangs in der Literatur der Getreiderohertrag als Bezugsgröße gewählt. Dagegen machte Henning mit Recht geltend, dadurch entstünde ein verzerrtes Bild [79: Dienste, 151]. Der gesamte Rohertrag eines Betriebes sei nämlich bedeutend höher, im Falle der Petzer Meierhöfe immerhin doppelt so hoch wie der Getreiderohertrag. Daher ist ein objektives Urteil über die Höhe der Belastung nur zu gewinnen, wenn sie auf jenen Teil am Rohertrag des Betriebes bezogen wird, der dem Bauern als Roheinkommen nach Abzug des Sachaufwandes und der Fremdlöhne vorerst verbleibt (vgl. Abb. 3, S. 78). Über dieses Einkommen könnte der Bauer nur dann verfügen, wenn er keine Leistungen, in Geld ausgedrückt, an die feudale Klasse und den Staat erbringen müsse. Ihren Geldwert insgesamt bezeichnet Henning als Feudal- Verfügbares Soll statt dieser Gesamtbelastung nur die Schwere des Einkommen und quote. JL Feudalquote .
.
Grundzinses gewichtet werden, müssen vom Roheinkommen zuvor der Geldwert der Dienste, des Zehnten und die öffentlichen Abgaben (onera publica) abgezogen werden. Führt man diese Operation bei dem Material durch, das für die kurhannoverschen Vollerwerbsbetriebe für die Zeit um 1765 aufbereitet wurde, so hatten die Höfe mit über 60 Morgen Ackerland von einem Roheinkommen in Höhe von 222 T., das bereits um den Wert der Dienste, des Zehnten und der onera publica gekürzt wurde, 37 T. als Grundzins abzuführen. Die Höfe unter 30 Morgen Ackerland führten dagegen von 141 T. nur 2 T. als Grundzins ab. Die ungleich höhere Belastung der großen Höfe war keinesfalls existenzbedrohend, konnte doch die Bauernfamilie auf einem großen Hof nach Abzug des Grundzinses über 185 T. frei verfügen, während der auf Verfügbares einem kleinen nur 139 T. verblieben. Die ermittelten Relationen er- Einkommen und Grundzins klären auch, weshalb den Grundherren an der Erhaltung großer Höfe gelegen war. Sie waren im Beispielsfalle im Schnitt viermal so groß wie die kleinen. Wäre also ein großer Hof in vier kleine geteilt worden, hätte der Grundherr statt 37 T. nur 8 T. erhalten [10: W. Achilles, Lage, 71 u. 154 f.]. ,
.
.
,
..
.
,
_
3.2
Leistungen
an
den Staat
Waren sich auch die Kameralisten keineswegs darüber einig, wie, und in welchem Umfang man die einzelnen Beiträge zu den Staatseinnahmen fordern sollte, so stimmten sie doch darin von wem
34
L
Enzyklopädischer Überblick
überein, daß
man sie insgesamt in größtmöglicher Höhe erheben und daß sicn der Grundbesitz als Steuerquelle besonders gut eignete. Da sie meistens an den Vorrechten der Feudalklasse nicht rüttelten oder nicht zu rütteln wagten, verblieb der Bauernstand als bevorzugtes Steuerobjekt. Schubart, der Edle von dem Kleefelde, war wahrscheinlich der erste Publizist, der 1785 diese ungerechte, historisch nicht zu rechtfertigende und dem göttlichen Recht widersprechende Lage heftig kritisierte [170: Schriften, IV 15f.]. Offensichtlich hatten sich auch die Bauern seinen Standpunkt zu eigen gemacht; denn schon fünf Jahre später rebellierten sie im Hochstift Hildesheim gegen die Art und Weise, wie man Steuern erhob und Unruhen wegen der wie man sie verwendete. Bedingt sind die Unruhen in Sachsen und Besteuerung Schlesien anzuschließen, bei denen neben anderen Ursachen auch die Klagen über das Akzisewesen eine Rolle spielten [50: G. Franz, Geschichte, 252-256]. Anzufügen ist ein ausschließlich gegen den Steuermodus gerichteter Aufruhr in Schaumburg-Lippe [71: C. H. Hauptmeyer, Bauernunruhen, 149-207], und auch im Kurfürstentum Hannover kam es deswegen, neben anderen Gründen, in Folge der Französischen Revolution zum offenen Protest, der indessen in recht gemäßigten Bahnen blieb [66: C. Haase, Obrigkeit,
Bauernstand bevor-
zugtes Steuerobjekt sonte
192-294].
Bei dieser Sachlage ist es erstaunlich, daß in der Literatur nur lapidar festgestellt wurde, es sei wegen der Besteuerung zu Unruhen gekommen, ohne deren tatsächliche Höhe zu überprüfen; denn Untersuchungen über das Steuerwesen oder den Haushalt eines Territorialstaates blieben eine Rarität. Die wenigen, die veröffentlicht wurden, gestatten es nicht, den Anteil des Bauernstandes nachträgMangel einschlägi- lieh herauszulösen und so den Umfang seines Beitrages wie den seiger Forschungen ner Belastung zu gewichten. Die Begründung dafür ist einfach. Beispielsweise können die Einnahmen eines Staates aus seinen Domänen nur dann aufgeschlüsselt werden, wenn bekannt ist, in welchem Umfang die Frondienste der Bauern an ihrer Entstehung beteiligt waren. Bei Verbrauchssteuern, die zugleich in Stadt und Land erhoben wurden, ist es aus methodischen Gründen unzulässig, sie nach dem Bevölkerungsverhältnis aufzugliedern; denn die spezifische Nachfrage konnte in beiden Bevölkerungsgruppen ein ganz ver-
schiedenes Ausmaß besessen haben. Im Hinblick auf die steuerliche Belastung der Bauern und ihren Beitrag zu den Staatseinnahmen ist meine Untersuchung für das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel ein Einzelfall geblieben [8]. Höchstens könnte man noch das Untersuchungsergebnis von H.-C. Steinborn heranziehen. Danach
3. Die
35
Feudalquote
belief sich „der Beitrag der Landwirtschaft zu den ordentlichen Einnahmen des Gottorfer Staates aus dem Herzogtum Holstein im Jahre 1708" auf drei Viertel [177: Abgaben, 119]. Es ist jedoch nicht zu
erkennen, in welchem Ausmaß die Bauern
teiligt
an
diesem
Beitrag be-
waren.
Für die
braunschweigischen
Bauern lassen sich Zahlen darüber
anführen, in welchem Umfang ihr um die feudalen Lasten gekürztes Roheinkommen durch die Steuern geschmälert wurde. Diese Lasten Verfügbares Einkommen und nur ein Teilbetrag der Feudalquote im Sinne Hennings, Steuerhohe weil er die Steuern der Quote zurechnet) mußten zuvor abgezogen werden, weil der Staat sie guthieß und sie notfalls mit seinen Machtmitteln erzwang. Er konnte deshalb nur jenen Teil des Roheinkommens als Besteuerungsgrundlage ansehen, der nach Abzug der feudalen Lasten dem Bauern vorerst verblieb. Davon forderte der braunschweigische Staat um 1760 von den Ackerleuten 23 v. H. und von den Halbspännern 26 v. H. [8: Achilles, Belastung, 182]. Für das Kurfürstentum Hannover gibt es für denselben Zeitraum vergleichbare Zahlen. Hier beanspruchte der Staat von den großen Höfen 26 v. H., von den mittleren 15 v. H. und von den kleinen 12 v. H. des Roheinkommens, das um die feudalen Lasten vermindert worden war. In Hannover konnten auch die Nebenerwerbsbetriebe erfaßt werden, die bei der gleichen Berechnungsart 9 v. H. an den Staat abführten. Da die vorgestellten Werte auch vom jeweils gültigen Preis- und Lohnniveau abhängen, können sie nicht mit früheren oder späteren verglichen werden.
(sie sind v
,
3.3 Der Dualismus zwischen Staat und Feudalklasse
Gegen die Zweiteilung der Gesamtbelastung der Bauernhöfe in
Leiweitere wie sie bean die feudale Klasse und den Staat, stungen an reits in den beiden vorhergehenden Abschnitten vorgenommen wurde, könnten aus verfassungsgeschichtlicher Sicht Bedenken geltend gemacht werden. Die Angehörigen der Feudalklasse hatten Feudalklasse und durchaus teil an der Staatsgewalt. Sie waren landtagsfähig und be- Staatsgewa|t einflußten den Willensbildungsprozeß auf den Landtagen, sie übten weiterhin in etlichen Fällen die Gerichtsherrschaft aus. Indirekt verfügten sie auch dann über die Staatsgewalt, wenn sie Dienste und Abgaben erhöhten und sich der Staat als Erfüllungsgehilfe gegen aufbegehrende Bauern einspannen ließ. Gegen diese unbezweifelbaren Tatsachen lassen sich jedoch andere ins Feld führen.
L
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Enzyklopädischer Überblick
Sie treten in Erscheinung, wenn man statt des Durchgängigen, das jeder Epoche anhaftet, stärker die Entwicklungsprozesse beachtet. Betonte Lütge noch die Einheitlichkeit der Frühen Neuzeit [120: Agrarverfassung, 116], so nahm Blickle eine deutliche Zweiteilung vor. Auch er hält die institutionelle Verfestigung der Stände Abnehmende Be- um 1500 für abgeschlossen, doch schätzt er ihre Mitwirkung von deutung der Stände 1650 bis um 1800 weit geringer ein, weil ihr organisatorischer Verfall und ihre zunehmende Funktionslosigkeit unübersehbar sind [27: Untertanen, 86 f.]. Soll die Wirksamkeit der Landstände beurteilt werden, genügt eine institutionenkundliche Betrachtungsweise nicht. So ist es wenig aufschlußreich zu wissen, wer die Landstandschaft besaß das gilt auch für die Bauern -, wie groß die Kurien waren und wie oft Landtage gehalten wurden. Entscheidend ist vielmehr die Systemanalyse, bei der untersucht wird, in welcher Art und in welcher Stärke die Landstandschaft die Teilhabe an der Macht verbürgte. Damit war es in der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit immer schlechter bestellt. Selbst das Recht auf Steuerbewilligung, das häufig als einzige Befugnis verblieben war, taugte nur Abnehmende Be- noch wenig. Der Fürst und seine Geheimen Räte ließen sich die Inideutung des Steuer- tiative nicht mehr aus der Hand nehmen. Sie entschieden über Friebewiüigungsrechtes den oder Krieg, der immer noch die höchsten Kosten verursachte. Sie tätigten die für erforderlich gehaltenen Ausgaben; und wenn endlich die Waffen schwiegen, stellte man erschrocken die Höhe der Neuverschuldung fest, deren Verzinsung und Tilgung die Landstände anschließend mitverantworten durften. In dieser Hinsicht wird der Absolutismus nur zu oft unterschätzt. Bei dem zunehmenden Funktions- und Machtverlust der Stände ist es für die zweite Hälfte der Epoche von geringer Bedeutung zu ermitteln, welche Kurie die anderen dominierte; denn die Gesamtinstitution hatte weitgehend ihre Macht verloren. Außerdem wurde der Vertretungsanspruch, den vor allem die Ritterschaft für die gesamte Landbevölkerung geltend machte, immer mehr in Frage gestellt. Neben Schubart (vgl. oben 34) kann als weiterer herausragender Zeuge J. L. Ewald angeführt werden, der den historischen Aspekt betonte, daß der Adel seine früheren FunkVertretungsan- tionen eingebüßt habe. Ewald ließ sich das Beispiel Württembergs spruch der Ritter- nicht entgehen, wo der Landtag auch ohne Adelskurie funktionsfäschaft hig geblieben war [45: Adel, 62-67]. Der landsässige Adel war hier durchgängig reichsunmittelbar geworden, so daß er nicht länger als württembergischer Landstand auftreten konnte und das auch gar nicht wollte. -
3. Die
37
Feudalquote
Bald darauf wurden dann auch bei den Agrarreformen die Abgaben und Dienste der Bauern, die sie der Feudalklasse leisten mußten, im Grundsatz als Verpflichtungen gegenüber Privatpersonen angesehen. Ursprünglich waren sie erbracht worden, weil diese Klasse staatliche Aufgaben übernommen hatte und auch durchführte. Am Ende der Frühen Neuzeit kann mit Ausnahme der Ge- Privatisierung der richtsherrschaft davon keine Rede mehr sein. So deutet die Kate- Rechtsansprüche gorie der Finalität unmißverständlich auf einen Privatisierungsprozeß hin, der mit einer zunehmenden Entprivilegierung gleichgesetzt werden kann. Soweit man die unübersehbaren Restbestände feudaler Institutionen noch als namengebend für die Frühe Neuzeit verwendet, könnte man auch von einem Entfeudalisierungsprozeß -
-
sprechen. Nach O. Brunner ist der beschriebene Dualismus des Ständealt wie die Landesverfassung. Auch Brunner betonte die „prekär" werdende Stellung der Landstände im Absolutismus, eine Entwicklung, die mit dem Sieg der Fürsten über die Landstände endete [35: Land, 438]. Diese Feststellung wird ganz wesentlich durch K. Schreiner ergänzt, der zuerst auf den sich durchsetzenden Rechtsbegriff für das Eigentum verweist, der in Anpassung an das Römische Recht zur Zweiteilung in dominium directum und utile führte, und der dann hinzufügt, immerhin sei es einigen Fürsten ge- Einschränkung der lungen, die Grundherren ihres Territoriums auf das dominium di- Grundherrschaft rectum zu beschränken und auf diese Weise deren Grundherrschaft „in eine herrschaftsfreie Verfügungsgewalt über Grund und Boden zu verwandeln" [161: „Grundherrschaft", 68 f.]. Die nach absoluter Herrschaft strebenden Fürsten verfolgten demnach zwei Ziele zugleich: Sie wollten die Stände einmal von der Regierungsgewalt ausschließen und zum anderen deren Herrschaft über die Bauern einschränken. Beiden Absichten ist in der Literatur nicht immer die nötige Aufmerksamkeit zugewandt worden. So klingen beispielsweise Lütges Ausführungen zur Nordwestdeutschen Grundherrschaft recht positiv, wenn er die Bauernschutzpolitik erläutert [120: Agrarverfassung, 190 f.]. Seine Darstellung ist in- Sogenannte dessen einseitig und ungenau. Um was es den Herzögen von Braun- Bauernschutzpolitik schweig-Wolfenbüttel wirklich ging, kann an ihrem Streit mit der Stadt Braunschweig aufgezeigt werden. Kurz vor 1540 beschwerte sich die Stadt, die landesfürstlichen Beamten hinderten die Patrizier daran, ihre Meier der Stelle zu entsetzen, wenn sie die Meiergefälle nicht vollständig aufbrachten oder wenn dieser Zins erhöht werden sollte und der Bauer zahlungsunwillig war. Sie führte außerdem an: staates so
38
I.
Enzyklopädischer Überblick
Der Herzog habe die Bauern durch ungewöhnlich hohe Dienste, hohes Dienstgeld und große merkliche Schätzungen beschwert. Darauf erwiderte der Herzog: Die Zahlungsschwäche der Meier sei vielmehr auf die Steigerung der „Malter und Zinse" zurückzuführen, die von den Grundherren laufend vorgenommen würde [62: C. Gesenius, Meierrecht, I 418]. Die Stadt ließ diese Argumentation nicht gelten und verwies ergänzend auf „andere beschwerliche neuweKampf um die ge- rung". Damit ist das entscheidende Stichwort gegeben: Der Meier stiegene Leistungs- sollte neuerdings mehr leisten, als es dem alten Herkommen entkraft der Bauern sprach, wobei noch nicht entschieden war, zu wessen Gunsten das geschehen sollte. Grundherren und Landesherr stritten um seine
Leistungskraft.
Für diesen Streit gab es neben dem politischen Kalkül noch einen weiteren handfesten Anlaß, nämlich die sich laufend verbessernde Agrarkonjunktur. Die Abb. 2(S. 39) zeigt, welche Auswirkungen sie auf das Einkommen der Bauern hatte. Nach Abel wurde für das 16. Jahrhundert eine Getreidepreissteigerung auf das Zweieinhalbfache unterstellt, während bei den Viehpreisen wegen der geringeren Preis- und Einkommenselastizität der Nachfrage nur eine Erhöhung um die Hälfte angenommen wurde [3: Agrarkrisen, 127 u. 308 f.]. Die Veränderungen für die Löhne heben sich im zugrunde Agrarkonjunktur und Einkommen gelegten Abschluß auf, da ihnen die sonstigen Einnahmen praktisch der Bauern in gleicher Höhe gegenüberstehen. Natürlich können etliche methodische Bedenken dagegen geltend gemacht werden, die Einnahmenund Ausgabenstruktur mittelgroßer hannoverscher Höfe um 1765 für eine Extrapolation der Einkommensentwicklung im 16. Jahrhundert zu verwenden. Da aber mit Ausnahme der Preise und Löhne keine wesentlichen Abweichungen für die übrigen einkommensbestimmenden Faktoren während der Zwischenzeit bekannt sind, kann die Aussage der Graphik im Grundsatz nicht bezweifelt werden. Der braunschweigisch-wolfenbüttelsche Territorialstaat siAnsprüche des cherte sich an dieser enormen Einkommenssteigerung von 71 v. H. Staates werden des Ausgangswertes seinen Anteil. Wurden im 16. Jahrhundert die vorrangig Steuern längere Zeit hindurch noch fallweise erhoben, so wurden doch die Intervalle kürzer, und zum Schluß hatte man die kontinuierliche Steuerpflicht durchgesetzt. Die Grundherren waren die Leidtragenden. Mehrmals arbeitete die Regierung Grundzinserhöhungen entgegen, bis sie 1597 endgültig fixiert wurden. Nach dem Dreißigjährigen Kriege durfte der Zins bei der desolaten Lage der fürstlichen Kassen nur zu Bruchteilen verlangt werden, und die Be-
3. Die
39
Feudalquote Urn 1600
A Urn 1500 bar 67 T.
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natu-
t
ral 133 T.
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Belastung
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produktion
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Sonstiges
Bodenproduktion 88 T.
Tierproduktion
Tierproduktion 40 T.
60 T.
Natural-
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nahmen
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Belastung Bar
Lohn
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Sachaufwand
Sachaufwand
Abbildung 2: Steigerung des verfügbaren Einkommens während des 16. Jahrhunderts. Schematische Darstellung anhand der Ertrags-Aufwands-Rechnung für mittelgroße hannoversche Bauernhöfe um 1760 [nach 10: Achilles, Lage].
gründung ist eindeutig: Die Kürzung der Meiergefälle sei wegen der fortdauernden Landeslasten erforderlich [62: C. Gesenius, Meierrecht, I 491]. Schließlich wurde den Grundherrn aber doch der volle Zins wieder zugestanden. Nachdem nicht unerhebliche Steuererhöhungen erfolgt waren, griff der Staat wieder zu. 1747 wurde unmißverständlich festgestellt: „Es könne nur alsdenn von dem Meyer gesagt werden, daß er den vollen Zins zu leisten im Stande sey, wenn er dabey vermögend bleibe, seine Haushaltung und den Ackerbau, wie sichs gebührt, fortzusetzen und die onera publica ferner abzutragen" [62: C. Gesenius, Meierrecht, I 520]. Damit war die Rangfolge eindeutig festgelegt: Zuerst kam der Staat, dann der Meier, über dessen Bedürfnisse notfalls ein herzogliches Gericht entschied, und dann erst der Grundherr. Wenn er zu Teilverzichten zugunsten des Staates gezwungen wurde, kann man nicht mehr unbedenklich von einer Bauernschutzpolitik sprechen, vor allem, wenn die Gesamtlast stieg. Weiterhin ist zu überlegen, ob man bei dieser Vorgehensweise die Inhaber des dominum directum noch als Grund-Herren bezeichnen kann (vgl. oben 37). Verbreitung der soDas Ganze wäre als Fallbeispiel ungeeignet, wenn ihm nicht genannten Bauemschutzpohtik ein hohes Maß an Repräsentanz zukäme. Kurhannover wie Bran,
_
.
40
I.
Enzyklopädischer Überblick
aber auch die thüringischen Staaten und Kursachsen trieben diese sogenannte Bauernschutzpolitik. Sie tritt auch bei den bayerischen Kurfürsten, wenn auch nicht in letzter Konsequenz, so doch bei vielen Einzelmaßnahmen in Erscheinung. Diese Politik hatte nicht zuletzt die Erhaltung der großen Höfe zum Ziel. Sie dürfte in den Gebieten kaum zu verwirklichen gewesen sein, in denen ein günstiges Besitzrecht den Bauern die Realteilung erlaubte. Mit jedem Erbgang wurden die Höfe zerrissen, und bei jeder Heirat kamen die Erbteile von zwei verschiedenen Höfen wieder zusammen, doch wurde nur in Ausnahmefällen die ursprüngliche Größe wieder erreicht. Ein Grundsteuersystem verursachte bei dieser Erbsitte einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand, und es erstaunt daher nicht, wenn in Württemberg die Steuern für die Landesherrschaft nur „als zusätzliches Aushilfsmittel" galten [86: W. v.
denburg/Preußen,
Hippel, Bauernbefreiung, I 279]. Die Fürsten drängten also im größeren Teil des Reiches die Ansprüche der Grundherren zurück. Der Erfolg, den sie dabei erzielten, läßt sich nur ausnahmsweise in Zahlen angeben. Die FürstbiAnteil des Staates schöfe von Paderborn erhielten, bei erheblichen Abweichungen in an der Belastung den einzelnen Ämtern, von den Bauern des Adels im Schnitt 60 der Bauern v. H. aller Leistungen, die Grundherren nur 30 v. H., und in den Rest teilten sich Kirche und Schule [79: F.-W. Henning, Dienste, 79 f.]. Anhand der kurhannoverschen Enquete von 1766 läßt sich eine wichtige Schlußfolgerung ziehen. Von der Feudalquote, dem Zehnten, dem Geldwert der Dienste und des Grundzinses sowie der onera publica, machten letztere bei den großen Höfen nur 34 v. H. aus, bei den mittleren 38 v. H. und bei den kleinen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben sogar 54 v. H. [10: W. Achilles, Lage, 154 f.]. Die Deutung ist einfach. Besonders die kleinen Höfe gehörten sehr häufig späteren Zusiedlungswellen während der Frühen Neuzeit an, und da der Staat in dieser Epoche seine Macht gegenAusdehnung der über den Grundherren systematisch ausbaute, konnte er in zunehGrundherrschaft mendem Maße an der Leistungskraft der Höfe partizipieren. Auch des Staates bei den Neben- und Zuerwerbsbetrieben ihre Zahl ist nicht sonderlich repräsentativ konnte er 44 v. H. aller Leistungen für sich gewinnen. Damit liegt der Schluß auf der Hand, daß der kurhannoversche Staat Nutznießer der kameralistischen Peuplierungspolitik war. In Bayern traten an seine Stelle die Hofmarksherren, die trotz anderslautender landesherrlicher Edikte Nebenerwerbsstellen auslegten und zudem ihre Marken gegenüber den landesherrlichen Gerichtsbezirken vergrößerten [162: E. Schremmer, Agrarverfassung, -
-
4. Das Einkommen der Landwirte
44 f.]. Der Staat
41
baute, daran sei abschließend erinnert, nicht nur sei-
der Feudalquote aus, sondern erwarb neben den publica weitere Berechtigungen wie Zehnte, Dienste und Grundzinse (vgl. oben 29). Private und öffentlich-rechtliche Sphäre
nen
Anteil
an
onera
verschmolzen also immer mehr miteinander. Das störte vorerst nicht, weil auf beiden Wegen die Finanzkraft des Staates gestärkt wurde. Wollte der Staat jedoch bei den Agrarreformen die Bauern begünstigen, mußte er gegenüber einer äquivalenten Ablösung gleich den „privaten" Grundherrn auf einen Teil seiner Berechtigungen verzichten. Der Staatshaushalt konnte in Unordnung geraten, und die Sorge davor hat die Reformen in nicht wenigen Territorien deutlich verzögert.
4. Das Einkommen der Landwirte
Agrarkrisen und Agrarkonjunktur Die beiden Begriffe, Avers und Revers derselben Münze, sind fest mit dem Namen Wilhelm Abels verknüpft, der ihnen seine 1935 er4.1
schienene Habilitationsschrift widmete [1]. Seitdem wird nicht nur in Deutschland immer wieder auf dieses Periodisierungsschema zurückgegriffen. Was es für die Abgrenzung der Frühen Neuzeit leisten kann und wie Agrarkonjunktur, Krise und erneute Konjunktur einander ablösten, ist bereits dargestellt worden (vgl. oben I.A.), so daß nur noch die Methode und ihre Begründung vorzustellen sind. Zuerst ist der Begriff „Agrarkrise" zu definieren; denn er deutet nicht nur auf eine schlechte wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft hin, sondern schließt sogar ihre Existenzbedrohung mit ein. Das geht eindeutig aus M. Serings Definition hervor, die Abel Definition des übernimmt. Danach ist eine Agrarkrise gegeben, wenn eine Preisge- Knsenbegnffe staltung und ein daraus folgendes Verhältnis der Einnahmen zu den Kosten und Lasten vorliegen, welche viele Landwirte mit dem Verlust von Haus und Hof bedrohten [3: Agrarkrisen, 280]. Der hauptsächlich Betroffene einer solchen Krise ist der „Mittelbauer", er verspürte nicht „im Maße der Großbauern die Last der Löhne. Auch waren die Preise für ihn nicht ohne Bedeutung, doch befriedigte der Hof im Verein mit Nachbarschafts- und Herrenhilfe noch die wesentlichen Bedürfnisse. Die entscheidenden Größen seiner Wirtschaftsrechnung waren die Dienste und Abgaben, die er an
42
L
Enzyklopädischer Überblick
Grund-, Leib-, Gerichts- und Landesherren zu leisten hatte" [ebd., 87]. Die vorgelegte Definition Abels muß als äußerst knapp be-
Preissteigerungen und umlaufende
Geldmenge
zeichnet werden. Er selbst beschränkt sich in seiner Darstellung der Auswirkungen von Agrarkonjunkturen und -krisen nicht auf den „Mittelbauern", der auch von der Sache her nicht repräsentativ für den Kreis der Betroffenen ist. Da der unterschiedliche Grad der Betroffenheit ein wesentliches Kriterium für die Lage der Landwirtschaft ist, wird er hier ausführlich darzustellen sein. Das geschieht in den Abschnitten I. B. 4.1, II. A. 2., 3. und 4., die sich mit dem Einkommen der Bauern, Gutsbesitzer und der städtischen Bevölkerung befassen. Den Agrarkrisen, aber auch den Versorgungskrisen bei den Verbrauchern galt Abels vorrangiges Interesse. Da aber die Frühe Neuzeit während des 16. und 18. Jahrhunderts durch Agrarkonjunkturen gekennzeichnet ist, soll die Begründung der Phänomene bei ihnen einsetzen. Hatte die ältere Forschung noch geglaubt, sie könne die „Preisrevolution" im 16. Jahrhundert durch Edelmetallzufuhren aus Amerika hinreichend erklären, weil sie die umlaufende Geldmenge erhöhten, so konnte Abel diese Auffassung widerlegen, indem er das Preisgeschehen differenzierte. Die Preise der verschiedenen Güter stiegen nämlich nicht gleichmäßig an das gilt ebenso für das 18. Jahrhundert -, sondern die Getreidepreise eilten den Preisen für gewerbliche Waren und den Löhnen ganz erheblich voraus. Dieses Vorauseilen erklärte Abel mit einem Rückgriff auf die Grundrententheorie D. Ricardos. Da Abel die Erläuterung auf wenige Stichwörter beschränkt, soll hier die Theorie etwas ausführlicher illustriert werden. Geht man zu diesem Zweck von einer Dreifelderwirtschaft im Hohen Mittelalter aus, so wurden damals häufig nur drei Pflugfurchen während einer Rotation gegeben. Zu Beginn der Frühen Neuzeit hatte man jedoch die Intensität der Bearbeitung bereits in vielen Fällen erheblich gesteigert. Sieben bis acht Pflugfurchen mögen zusammen mit den übrigen Arbeitsgängen, bei denen der Arbeitsein-
Ricardos Begründung der Preis-
steigerungen
nur unterproportional zunahm, insgesamt den doppelten Arbeitsaufwand verursacht haben. Auf Grund des Gesetzes vom fallenden Ertragszuwachs führte er aber nicht zu einer Verdoppelung der Ernte. Der Einfachheit halber sei unterstellt, sie habe nur um die Hälfte zugenommen. In diesem Falle stieg der Arbeitsaufwand im Verhältnis 1:2, die Erntemenge aber nur in der Relation 1:1,5
satz
4. Das Einkommen der Landwirte
43
Die Arbeitsproduktivität sank demnach natural von 1 auf 0,75. Das bedeutet ein Fallen des Reallohns oder umgekehrt ein Ansteigen der Getreidepreise. Sie bewegten sich noch aus einem weiteren Grunde nach oben. Die Mehrerträge, die durch eine Intensivierung des Arbeitseinsatzes erzielt wurden, vermochten dem wachsenden Bedarf einer sich vermehrenden Bevölkerung nicht zu genügen. Deshalb wurden weitere Flächen zum Ackerbau herangezogen. Sie brachten aber nur geringere Naturalerträge, so daß die Arbeitsproduktivität niedrig blieb; anders ausgedrückt: die Erzeugung verursachte hohe Produktionskosten, so daß die Getreidepreise steigen mußten, wenn sie lohnen sollte. Schließlich ist die Kultivierung marktferner Gebiete anzuführen, deren Produktion neben den Erzeugungskosten mit nicht unbeträchtlichen Transportkosten belastet war. Auch dieser Sachverhalt trieb die Getreidepreise nach oben. Die genannten Ursachen begründeten sich gegenseitig verstärkend Ricardos Erkenntnis, wonach eine wachsende Bevölkerung Ge- Bevölkerungstreidepreissteigerungen hinnehmen muß, weil sich ihr Nahrungs- vermehrung als an.
-
-
spielraum verengt.
Noch eine weitere Erscheinung muß angeführt werden, um die Steigerungen des Getreidepreises hinreichend zu erklären. Sie ist durch die geringe Einkommenselastizität der Nachfrage nach dem lebensnotwendigen Getreide gegeben, wie es heute in der Marktlehre heißt. Die ihr zugrundeliegende Verhaltensweise der Konsu-
Ursache der Preis-
steigerungen
indessen schon in der Frühen Neuzeit bekannt. Fiel die Getreideernte schlecht aus, so versuchten trotz erheblich gestiegener Preise auch die Armen, ihren Bedarf zu decken, und dadurch wur- Geringe Nachfrageden sie gezwungen, auf teurere Lebensmittel wie Fleisch und auch elastizität bei Nahrungsmitteln auf weniger lebenswichtige Güter wie Kleidung und Feuerung zu verzichten. Schon G. King (1648-1712) stellte die nach ihm benannte Regel auf, daß der geringere Ausfall einer Ernte, in Prozent ausgedrückt, eine weit höhere prozentuale Preissteigerung zur Folge hat. Diese Aussage erkennt auch die heutige Marktlehre an, jedoch verwirft sie die festen Zahlenpaare, mit denen King diese negative Korrelation zahlenmäßig zu fassen suchte. Es ist also nicht möglich, aus dem Anstieg der Getreidepreise den Fehlbedarf zu erschließen, wie King seinerzeit glaubte. Wirtschaftstheoretisch ist das Wesen der Grundrente von Ricardo in erheblichem Maße und erstmalig aufgehellt worden. Er sieht sie als jenen Teil des Preises der Ackererzeugnisse an, der dem Grundherren für die ursprünglichen und unzerstörbaren Kräfte des Bodens bezahlt wird. Ergänzend ist bei einer Agrarkonjunktur auf menten war
44
I.
Enzyklopädischer Überblick
das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs zu verweisen. Danach müssen die Getreidepreise bei einer wachsenden Bevölkerung steigen, während umgekehrt die Reallöhne fallen. Abel erkannte als Grundrente als erster, daß „die Geschichte der Preise und Kosten" über die Höhe Gradmesser der der Grundrente Auskunft gibt. Sie ist deshalb als ein MarktphänoKonjunktur men zu betrachten. Die Preise bezog Abel nicht nur auf die Agrarprodukte, sondern gleichfalls auf jene gewerblichen Erzeugnisse, die der Landwirt zukaufen mußte. Diese verursachten den einen Teil der Betriebskosten, den anderen die Löhne, die für Fremdarbeitskräfte ausgegeben werden mußten. H. Freiburg hat 1972 die Agrarkrisentheorie Abels in einem wesentlichen Punkt ergänzt [55: Agrarkonjunktur, 290-327]. Sein Konjunkturmodell kann nur für solche Betriebe gelten, die eine positive Netto-Marktleistung erwirtschafteten. War jedoch die Selbstversorgung nicht mehr gegeben, so mußte bei einer Agrarkonjunktur der Zukauf zu steigenden Preisen gedeckt werden. Da hierfür monetäre Einkünfte aus der Landwirtschaft nicht zur Verfügung standen, mußten außerlandwirtschaftliche Einkünfte dafür verwendet werden. Mit einer Erhöhung wie bei den Agrarpreisen ist jedoch bei ihnen nicht zu rechnen; denn der Bevölkerungsdruck trieb nicht nur die Agrarpreise hinauf, sondern senkte gleichzeitig die Löhne. Es öffnete sich deshalb bei einer Agrarkonjunktur stets die LohnBetriebsgröße und Preis-Schere zuungunsten jener Landbewohner, deren Höfe zu klein Konjunkturum die volle Selbstversorgung zu gewährleisten. Daraus folabhängigkeit waren, gert Freiburg, in Landschaften mit vielen kleinen landwirtschaftlichen Betrieben könne sich eine Agrarkonjunktur im Sinne Abels in eine „Agrarkrise" für die Mehrzahl der Bevölkerung verwandeln. Freiburg ist insoweit zuzustimmen, als die Agrarkonjunktur einer Region nicht länger allein als eine Geschichte der Preise und Kosten gesehen werden kann, sondern die Agrarstruktur stets in die Betrachtung einbezogen werden muß. Einzubeziehen ist ferner die Produktionsstruktur der Betriebe. Der wirtschaftliche Erfolg, den sie erzielten, beruhte nur zum Teil Grundrente nur ein auf der Grundrente. Auch in der Frühen Neuzeit wirkten im ProTeil des Einkomduktionsprozeß die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital mens stets zusammen, und es galt deshalb auch damals, jeden Faktor für seine Mitwirkung zu entlohnen. Neben dem Boden dürfen also Arbeit und Kapital nicht vergessen werden. Nun stellte zwar in der Frühen Neuzeit die Bodenproduktion in vielen Betrieben den dominierenden Anteil an der Gesamtproduktion, doch darf darüber die Viehhaltung nicht vergessen werden, und sie zählt zum (Besatz-)Afa-
4. Das Einkommen der Landwirte
45
pital des
Betriebes. Welchen Wertanteil sie gegenüber dem Boden erreichen konnte, läßt sich anhand einer Taxation des Gutes Wustrau in der Markt Brandenburg aus dem Jahre 1696 zeigen. Sieht man von Berechtigungen ab, die auf feudalen Privilegien beruhten, so belief sich der Wert des Ackerlands auf 567 T., der des Viehstapels mit 30 Stück Rindvieh und 300 Schafen jedoch auf 1162 Taler, wozu noch ein Weinberg mit 400 T. kam [4: W. Abel, Geschichte, 216]. Der Gewinn dieses Betriebes ist bei dem vorliegenden Verhältnis von Bodenwert zu Kapital nur zum geringeren Teil dem Boden zuzurechnen. Ähnlich dürfte die Lage in den viehstarken Betrieben des Allgäus und weiten Teilen Bayerns gewesen sein. Diese Landwirte lebten zum größeren Teil von der Kapitalverzinsung. Die konjunkturellen Auf- und Abschwünge, die sie erlebten, lassen sich nicht zureichend mit den Veränderungen der Grundrente erfassen. Die fortschrittlichen Betriebe hielten nicht nur mehr Vieh. Mit dem vermehrt anfallenden Dünger verbesserten sie auch die Ertragskraft ihrer Felder und ernteten mehr Getreide. Damit setzten sie das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs in seinem bisherigen Gültigkeitsumfang außer Kraft. Auf Grund des verbesserten Produktionsverfahrens stieg der nunmehr erzielbare Höchstertrag merklich an, und der Mehraufwand an Arbeit führte zu einer erheblich höheren Produktivität, als sie unter den vorher herrschenden Bedingungen erreichbar gewesen war. Das Fallen des Reallohns wurde also gebremst, wenn nicht verhindert. Schon diese Folgewirkung könnte in ökonomischer Hinsicht die Leiter landwirtschaftlicher Betriebe nachdenklich gestimmt haben. Erst recht mußten das die steigenden Getreideernten tun, die der überproportionalen Preissteigerung entgegenwirkten. Tatsächlich bewegte v. Engel die Sorge vor einem Preisverfall schon vor 1797, und er riet deshalb auch prompt seinen Berufskollegen, von der Erzeugung eines Produktes „abzustehen, sobald die Märkte von dergleichen Waare zu voll sind..." [43: Briefe, 7]. Warum setzten trotz dieser Warnung die fortschrittlichen Landwirte die Intensivierung des Getreidebaus fort und begnügten sich nicht einfach mit den überproportionalen Preissteigerungen, die nach Ricardos Grundrententheorie zu erwarten waren? Dafür waren aller Wahrscheinlichkeit nach zwei Gründe maßgebend. Zum einen erforderten die steigenden Preise eine hinreichende Kaufkraft, die in der Endphase der Frühen Neuzeit bei breiten Bevölkerungsschichten nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden war, so daß diese Verbraucher auf das billigere Substitutionsprodukt Kar-
Bedeutung der Kapitalverzinsung
Einkommens-
vermehrung ohne Grundrenten-
steigerung
Begründung der Intensivierung der Produktion
46
L
Enzyklopädischer Überblick
toffel ausweichen mußten. Dennoch stiegen die Getreidepreise auch weiterhin. Diese Steigerung läßt sich jedoch nur im nachhinein mit Sicherheit konstatieren; sie war nicht mit Gewißheit zu erwarten. Man war daher gar nicht schlecht beraten, wenn man die Erzeugung steigerte und das Einkommen über die Mehrerlöse sicherte. Zum andern ist das Angebot der Landwirtschaft so die heutige Marktlehre geradezu „atomistisch" zersplittert. Der Fortschrittliche geht daher subjektiv richtig von der Überzeugung aus, seine Mehrproduktion sei bezogen auf die Gesamterzeugung so gering, daß sie den Preis nicht drücke. Er hofft also, die bisherige Menge ohne Preiseinbußen absetzen zu können und über die zusätzlich produzierte Menge seine Erlöse und damit sein Einkommen zu -
-
steigern.
Da der Konjunkturbegriff unlösbar mit der Gesamtrendite der Betriebe verknüpft ist, wird die Beziehung zwischen Konjunktur Grundrente, Ge- und Grundrente vor allem bei viehstarken Betrieben oder solchen samtrendite und mit Sonderkulturen lockerer, als es bisher den Anschein hatte. Die Konjunktur Intensivierung des Ackerbaues und der Viehhaltung zeigt außerdem, daß allein aus den Veränderungen der Grundrente das Verhalten der Landwirte nicht zwingend abgeleitet werden kann. -
-
4.2 Das
verfügbare Einkommen Nach heutiger Auffassung ist ein konjunktureller Aufschwung unlösbar mit einer Steigerung des Einkommens verbunden. Anders wären die Neigung zu Investitionen und das Vermögen, auf die dafür benötigten Beträge vorerst zu verzichten, nicht zu erklären. Es Agrarkrisenmodell, wäre ein Mißverständnis, die Parallelentwicklung von Konjunktur Grundrente und und Einkommen einfach auf das Agrarkrisenmodell Abels zu Einkommen übertragen. In ihm ist nur die Parallelität von Konjunkturverlauf und Grundrente gegeben. Das ist ein nicht zu unterschätzender
Berechnung des Betriebseinkommens
Unterschied. Er läßt sich am leichtesten verdeutlichen, wenn beschrieben wird, wie das sogenannte verfügbare Einkommen ermittelt wird. War ein Wirtschaftsjahr abgelaufen, so standen für alle landwirtschaftlichen Betriebe drei Größen fest: 1. Der Rohertrag des Betriebes, der die Summe aller Verkaufseriöse und naturalen Leistungen des Betriebes darstellt; 2. der Sachaufwand, der den Aufwand für die ganz oder teilweise im Produktionsprozeß verbrauchten Betriebsmittel umfaßt. Man bezeichnet diese Ausgaben auch als Vor-
4. Das Einkommen der Landwirte
47
leistungen anderer Wirtschaftszweige für die Landwirtschaft. In der Frühen Neuzeit waren vor allem die Rechnungen der Handwerker
begleichen, die das Inventar und die Gebäude instand hielten. Blieb die Höhe des Sachaufwandes in der Frühen Neuzeit auch noch sehr niedrig, so konnte doch kein Betrieb gänzlich auf solche betriebsfremden Vorleistungen verzichten. Während der gesamten Epoche vergrößerte sich bei zunehmender Intensivierung dieser Posten sicherlich tendenziell, doch nahm der Aufwand dafür relativ ab, weil in den Aufschwungphasen des 16. und 18. Jahrhunderts die Handwerkerlöhne und Preise für gewerbliche Produkte erheblich hinter den Agrarpreisen zurückblieben. Zieht man vom Rohertrag den Sachaufwand ab, so verbleibt das Betriebseinkommen (vgl. Abb. 3, S. 78), das annähernd der Wertschöpfung des Betriebes entspricht. Diese Größe hatte aber für die Landwirte praktisch keine Bedeutung; denn sie mußten 3. noch die Fremdarbeitskräfte entlohnen. In der Frühen Neuzeit geschah das nur zum geringeren Teil in Berechnung des Form von Bargeld; der Wert der gewährten Unterkunft und Ver- Roheinkommens pflegung sowie einiger Kleidungsstücke überwog noch. Häufig wird in der Literatur die Rolle der bäuerlichen Landwirtschaft als Arbeitgeber überschätzt. Deshalb seien aus der kurhannoverschen Enquete von 1766 folgende Zahlen angeführt: Von den 51 kurhannoverschen Vollerwerbsbetrieben beschäftigten nur 31 neben dem ganzjährig tätigen Gesinde noch Tagelöhner. Für sie gaben die Betriebe im Schnitt 3 T. aus. Dieser Geldbetrag wurde an rund 11 Arbeitstagen verdient [10: W. Achilles, Lage, 100], falls Landwirtschaft als ausschließlich Barlohn gezahlt wurde. In der Regel machte er aber Arbeitgeber nur die eine Hälfte des Verdienstes aus, und die andere bestand aus der gereichten Beköstigung. War das der Fall, mußte der Tagelöhner 22 Tage lang arbeiten, um 3 T. bar zu erwerben. Auch die Güter zahlten meistens nicht nur Barlöhne, sondern stellten darüber hinaus Land zur Verfügung, dessen Pacht abzuverdienen war. Werden zusätzlich zum Sachaufwand auch noch die Fremdlöhne vom Rohertrag des Betriebs abezogen, erhält man das Roheinkommen. Über dieses Roheinkommen konnten die Angehörigen der Feudalklasse völlig frei verfügen, falls es ihnen gelungen war, die Exemtion von den öffentlichen Lasten aufrechtzuerhalten. In vollem Umfang gab es das am Ende der Frühen Neuzeit wohl nur noch in wenigen Fällen, doch blieben die Lasten, gemessen an der Höhe Roheinkommen des Einkommens, unbedeutend. Sonst wäre auch die zum Teil bei- der Feudalklasse ßende Kritik eines Schubart oder Ewald nicht zu verstehen gewesen (vgl. oben 36). Geht man der Einfachheit halber davon aus, die zu
48
I.
Enzyklopädischer Überblick
Angehörigen der Feudalklasse hätten auf den Betrieben nicht mitgearbeitet, also auch keine Leitungsfunktion ausgeübt, so bestand
ihr Roheinkommen aus den Zinsen für das im Betrieb vorhandene Kapital und der Grundrente. Stieg sie konjunkturbedingt an, kam diesem Personenkreis der Einkommenszuwachs voll zugute. Die Lage der Bauern sah im Vergleich dazu völlig anders aus. Auch wenn man sie zuerst rein ökonomisch betrachtet, ergibt sich Zusammensetzung bereits ein fundamentaler Unterschied. Bei den Bauern setzte sich des Roheinkom- nämlich das Roheinkommen nicht nur aus der Kapitalverzinsung mens der Bauern und der Grundrente zusammen, sondern bestand zum weitaus größeren Teil in der Entlohnung der Familie für die im Betrieb geleistete Arbeit. Infolgedessen spielte für die Höhe ihres Einkommens die Grundrente nur eine untergeordnete Rolle. Allein aus diesem Grunde waren die Bauern von einer Agrarkonjunktur längst nicht so abhängig wie die Gutsbesitzer. Mit einer rein ökonomischen Betrachtung ist jedoch die Wirklichkeit nur höchst ungenügend zu erfassen. In rechtlicher Hinsicht ist zu überlegen, ob die Bauern während der Frühen Neuzeit überder Rechtsanspruch haupt einen Anspruch auf die Grundrente oder einen Teil davon beBauern auf die saßen. Hatten sie als Erbzinsbauern das dominium utile erworben, Grundrente kann ein Teilanspruch nicht bezweifelt werden. Besaß aber ein bayerischer Bauer seinen Hof zu Freistiftrecht, der ihm nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres aufgekündigt werden konnte, so ist der Anspruch nicht mehr zu begründen. Wie sehr diese Problematik den Zeitgenossen bewußt war, läßt sich am Meierrecht zeigen. Das ursprüngliche Pachtrecht hatte sich längst in ein erbliches Nutzungsrecht verwandelt. Obwohl die Obrigkeit selbst die Erblichkeit zielstrebig gegen den Widerstand der Grundherren durchgesetzt hatte, betonte sie doch stets, damit sei kein Eigentumserwerb verbunden gewesen, und die Bauern besäßen nach wie vor nur ein bloßes Pachtrecht. Diese Überlegungen konnten sich in der rauhen Wirklichkeit des Feudalismus als reines Gedankenspiel erweisen. Staat und Feudalherren forderten ihre Abgaben, und sie bemaßen deren Höhe nicht nach ökonomischen und rechtlichen Gesichtspunkten. Abel hatte recht, wenn er die Dienste und Abgaben, die der „Mittelbauer" an Grund-, Leib-, Gerichts- und Landesherren leistete, als die entscheidenden Größen in dessen Wirtschaftsrechnung bezeichAnteil der Feudal- nete. So mußten die kurhannoverschen Vollerwerbsbetriebe um quote am verfüg- 1765 trotz der von Lütge gesehenen Bauernschutzpolitik von ihrem baren Einkommen durchschnittlichen Roheinkommen in Höhe von 248 T. 76 T. oder
4. Das Einkommen der Landwirte
49
v. H. an die Feudalklasse und den Staat abführen [10: W. Achilles, Lage, 155]. Das Einkommen während eines Wirtschaftsjahres, über das sie frei verfügen konnten, betrug also nur 172 T. Legt man das Meierrecht streng aus und billigt deshalb den kurhannoverschen Meiern keinerlei Anspruch auf die Grundrente zu, so ist immer noch zu überlegen, ob ihnen nach Abzug der Feudalquote eine Kapitalverzinsung in einer damals üblichen Höhe und ein angemessenes Arbeitsentgelt verblieben. Solche Überlegungen hat man in der Frühen Neuzeit nur selten und dann auch nur recht überschlägig angestellt. So begnügte man sich in der kurhannoverschen Enquete damit zu ergründen, ob die Meier ihr standesgemäßes Auskommen fänden. Hatte der Bauer den Sachaufwand bezahlt, den Aufwand für Fremdlöhne beglichen und die Feudalquote entbehrt, konnte er über den jetzt noch übriggebliebenen Teil des Rohertrages frei verfügen. Dieses verfügbare Einkommen hat Henning als erster berechnet und gleichzeitig als Bezugsbasis benutzt, um die Last der Feudalquote zu gewichten. Anhand eines breiten Materials ermittelte er das verfügbare Einkommen für ostpreußische Domänenbauern und solche des Adels. Es schwankte bei den Bauern des Landesherrn zwischen 54 und 96 T., bei denen des Adels zwischen 20 und 61 T. [79: Dienste, 39]. Dagegen lagen sie bei der kurhannoverschen Landbevölkerung zur gleichen Zeit erheblich höher, und zwar je nach Betriebsgröße zwischen 120 und 200 Talern [10: W. Achilles, Lage, 154 f.]. An der beträchtlichen Differenz mag die Art der Erhebung beteiligt gewesen sein, nicht zuletzt auch die Bewertung der Erträge aus der Tierproduktion [81: F.-W. Henning, Bauernwirtschaft, 166-170], doch bleibt bei allen Bedenken im einzelnen der Einkommensabstand gravierend. Die kurhannoverschen Bauern standen sich auch gegenüber den Handwerkern in der Stadt Hildesheim nicht schlecht, die zu dieser Zeit nur 70/80 Taler im Jahr verdienten [94: K. H. Kaufhold, Handwerk, 105 f.]. Gleiches gilt für einen Vergleich mit den Göttinger Officianten [58: H.-J. Gerhard, Diensteinkommen, Tab. i. Anh.]. Blickt man auf den Ermittlungsgang des verfügbaren Einkommens zurück, so werden viele Faktoren sichtbar, die auf seine Höhe einwirkten. Die Grundrente ist nur einer davon. Deshalb ist zu überprüfen, wie sich ihre konjunkturbedingten Schwankungen auf die Einkommenshöhe auswirken konnten. Für die Frühe Neuzeit sind mehrere Varianten anzuführen. Die günstigste liegt vor, wenn trotz
31
Höhe des verfügbaren Eink°mmens
Einkommens-
verg|eiche
50
L
Enzyklopädischer Überblick
steigender Agrarpreise
Feudalklasse und Landesherr ihre Anteile
Überschuß der Bauernwirtschaft nicht erhöhten. Das traf für die kurhannoverschen Bauern in der Zeit von 1766, dem Erhebungsjahr der Enquete, bis um 1800 zu. Die feudalen Berechtigungen waren ohnehin fixiert, und der Staat erhöhte in dieser Spanne die Steuern am
gut wie nicht. Infolgedessen kamen die Preissteigerungen ausschließlich den Bauern zugute. Im Durchschnitt der Vollerwerbsbetriebe wuchs der Erlös aus den Getreideverkäufen bei einer Preissteigerung auf 150 v. H. um 28 T. an, und diese Erhöhung der GrundPreissteigerungen rente verbesserte das Einkommen um 16 v. H. Diese Rate ist ein und Einkommenswenig zu hoch gegriffen, weil sich auch die Barlöhne etwas erhöhhöhe ten. Da die großen Höfe weit mehr Getreide verkauften, profitierten sie auch stärker von der Preissteigerung, und ihr Einkommen wuchs um 25 v. H. Neben der Grundrente war aber auch eine höhere Kapitalverzinsung an der Einkommensverbesserung beteiligt. Trotz der geringeren Einkommenselastizität der Nachfrage nach Fleisch kletterten auch die Preise für Schlachtvieh auf 150 v. H., und die dadurch gestiegene Kapitalverzinsung hob das verfügbare Einkommen um 11 v. H. an. Wird diese Art der Einkommensverbesserung der Grundrente zugeschlagen, wie Abel das wohl aus Gründen der Vereinfachung tat, so bewirkten die gestiegenen Agrarpreise nach Abzug einer Erhöhung der Barlöhne um 20 v. H. einen Zuwachs beim verfügbaren Einkommen um 25 v. H. [10: W. Achilles, Lage, so
128-139]. Überproportionaler
Anstieg des Bargeldanteils
gewerbliche Waren, die im Preis praktisch gleichblieben, vergrößerte sich jedoch weit stärker. Vom verfügbaDie Kaufkraft für
ren Einkommen in Höhe von 172 Talern entfielen nämlich rund 122 Taler auf die Entnahmen aus dem Betrieb, während für die Einkäufe auf dem Markt nur 50 Taler zur Verfügung standen. Dieser Betrag stieg auf 92 Taler an, wenn man die Mehrerlöse durch die Preissteigerungen beim Getreide und Vieh hinzurechnet und die Barlohnerhöhung berücksichtigt. Da im Herzogtum BraunschweigWolfenbüttel die Verhältnisse denen in Kurhannover weitgehend entsprachen, erlebten auch hier die Bauern eine beträchtliche Steigerung des verfügbaren Einkommens. In der Mitte des 18. Jahrhunderts statteten sie in den Ämtern Königslutter und Jerxheim die weichenden Erben noch mit einer Abfindung um Werte von 185 und 252 T. aus. In den sieben Jahren vor der Jahrhundertwende waren Überproportionaler dagegen diese Beträge in Königslutter auf 323 T. und in Jerxheim Anstieg des Ein- sogar auf 806 T. gestiegen. Die unterschiedliche Steigerungsrate bekommens ruht auf der unterschiedlichen Durchschnittsgröße der Betriebe, die
4. Das Einkommen der Landwirte
51
in Jerxheim deutlich höher lag [6: W. Achilles, Vermögensverhältnisse, 99 f.]. So günstig wie in Hannover und Braunschweig lagen die Verhältnisse nicht überall. Höhere Anforderungen des Staates in Hessen und solche süddeutscher Feudalherren wurden bereits erwähnt (vgl. oben 31). Auch sind die verbreiteten Unruhen im Gefolge der Französischen Revolution zu bedenken. Allerdings wurden sie nicht immer durch konkrete Anlässe hervorgerufen. Sie konnten auch der Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen sein; denn selbst in Hannover murrte darüber die Bevölkerung, allerdings in der Hauptsache in den Landstädten. Am rücksichtslosesten verfuhr wohl der mecklenburgische Adel mit seinen Bauern. Er begnügte sich nicht damit, seinen Hintersassen alle Vorteile wieder abzunehmen, die ihnen anderswo ganz oder teilweise die Konjunktur verschaffte, sondern er nahm ihnen die Höfe Verlust der Konund schlug das Land zum Gut, um mit der vergrößerten Eigenwirtschaft die günstige Agrarkonjunktur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch besser nutzen zu können. Die Landesfürsten versuchten zwar, diesem Treiben Einhalt zu gebieten, doch konnten sie es nicht verhindern. Die Ausgaben für den Sachaufwand und der Bargeldanteil des verfügbaren Einkommens beweisen, daß nicht nur bei den Gütern, sondern auch bei den Bauernhöfen in der Frühen Neuzeit von einer geschlossenen Hauswirtschaft nicht mehr die Rede sein kann. Rein Keine geschlossene quantitativ könnte man dagegen von einer Bedarfsdeckungswirt- Hausw|rtschaft schaft sprechen, da selbst unter günstigen Verhältnissen das Einkommen noch zu zwei Dritteln aus Erzeugnissen des Hofes bestand. Da der Begriff „Bedarfsdeckungswirtschaft" aber auch die Zufriedenheit mit dem Erreichten oder Vorhandenen einschließt, könnte er zu einem Mißverständnis führen. Ein Erwerbsstreben, das meistens mit der Gesellschaftsformation des Kapitalismus verbunden Keine Bedarfswird, läßt sich bereits vorher beobachten. Gegen Ende der hier deckungswirtschaft abzuhandelnden Epoche strebten bereits viele Bauern nach einem höheren Einkommen, sonst hätten sie nicht die Brache besömmert und die damit verbundene Mehrarbeit auf sich genommen. Den Willen zum Fortschritt bewiesen vor allem jene, die in den letzten Jahrzehnten zur ganzjährigen Stallhaltung des Rindviehs über-
^"^"^urg6'"
gingen.
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Bevölkerungs-
und
Siedlungsstruktur
Die Siedlungsweise wurde stets durch die Bevölkerungszahl mitbestimmt, doch gewann im Laufe der Zeit die Art des Wirtschaftens darauf einen steigenden Einfluß. Dagegen wird der früher gern betonte Zusammenhang zwischen „Stammescharakter" und Art der
Besiedlung heute eher kritisch gesehen. Für die Siedlungsdichte und damit für den verfügbaren Nahrungsspielraum ist die Zahl der Menschen je km2 die entscheidende Größe. Sie besitzt jedoch nur für leidlich homogene Naturräume eine hinreichende Aussagekraft. Beschränkt man sich allein auf die Angabe, um 1300, den Höhepunkt des mittelalterlichen Landesausbaus, hätten in Deutschland 15 Millionen Menschen oder 28 je km2 gelebt, so werden wesentliche Sachverhalte verdeckt. Im Altsiedelland lag nämlich schon um 1150 die Siedlungsdichte weit höher, und der bisher genutzte Nahrungsspielraum war hier bereits erschöpft. Die Bevölkerung wuchs jedoch weiter. Deshalb war der überschüssige Teil gezwungen, in weniger fruchtbare Gebiete des Ostens abzuwandern oder im bisher gemiedenen Berg- und Hügelland Wald zu roden. Auch hier erbrachten die Felder nur geringere Erträge. Die Durchschnittszahl Regionale Diffe- von 28 Menschen je km2 verschleiert also ebenso die geringere Siedrenzierungen lungsdichte weniger fruchtbarer Gebiete wie die höhere in den altnotwendig besiedelten Regionen. Ohne räumliche Differenzierungen ist deshalb nicht auszukommen. Vor Beginn der Frühen Neuzeit änderten sich die Verhältnisse stärker als danach. Schon um 1320 endete der Bevölkerungsaufschwung, und 1348 verkehrte er sich durch den Einbruch der Beulenpest in Mitteleuropa in das Gegenteil. Diese Infektionskrankheit, also ein rein exogener Faktor, raffte auf verschiedenen Seuchenzügen die Menschen dahin, wegen der höheren Ansteckungsgefahr in den Städten mehr als auf dem Lande. Im Durchschnitt werden die Verluste auf ein Drittel geschätzt. Die Bevölkerungszahl mag um und BeBeulenpest völkerungsverluste 1430 ihren Tiefstand erreicht haben, danach stieg sie wieder an. Nach allgemeiner Auffassung wurde die Ausgangszahl um oder kurz nach 1500 wieder erreicht. Aufs Ganze gesehen folgte man beim erneuten Ausbau des Landes der ursprünglichen Siedlungsstruktur. So bewiesen beispielsweise die Wald- oder Marschhufendörfer, die Rundlinge und Haufendörfer ihre prägende Kraft. Die mit Busch- oder Strauchwerk bestandenen Felder wurden gesäubert und wieder unter den
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Siedlungsstruktur
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Pflug genommen. Die frühere Siedlungsstruktur wurde aber nicht überall wiederbelebt und erneut verfestigt, es traten auch bedeutsame Abweichungen auf. Als erste ist die geringere Zahl der Siedlungsplätze zu nennen. Hatte es schon im späten Mittelalter weniger Dörfer als Weiler im frühen Mittelalter gegeben, so setzte jetzt ein Konzentrationsprozeß ein. Den Rückgang an Wohnplätschätzt Abel auf 26 v. H. Das bedeutet in absoluten Zahlen: Von 171000 Dörfern um 1300/1350 fielen 46000 wüst, so daß um 1500 nur noch 131 000 Siedlungen bestanden. Bei annähernd gleich hoher Bevölkerung und deutlich weniger Dörfern muß demnach deren Einwohnerzahl spürbar gestiegen sein [4: Abel, Geschichte, 71 f.]. Die Fluren, die zu den untergegangenen Dörfern gehörten, bedeckt bis heute in etlichen Fällen der Wald. Sie wurden zu einem erheblichen Teil von den Siedlungsgeographen kartiert. In vielen Fällen wurden die Felder aber auch von den bestehengebliebenen Dörfern aus weiter oder wieder bewirtschaftet, so daß wegen der weiten Wege die Bearbeitung dieser Flächen nicht rationeller geworden war. Da vor allem im Umkreis der Städte besonders viele Dorfstätten wüst wurden, die Überlebenden in die Stadt zogen und von dort aus ihre Felder bestellten, waren in einigen Landstädten bis in die Gegenwart hinein geradezu groteske Wirtschafts-Erschwernisse zu beobachten. Besonders die weiten Wege empfand man in einigen Regionen als unnütze Last und zog daraus die nötigen Konsequenzen. So ging man in Westfalen schon im späten Mittelalter daran, die Siedlungsweise beträchtlich aufzulockern. Die Ausdünnung der Bevölkerung durch die Pest mag innerhalb einer Dorfgemarkung die Anlage von Weilern und Dörfern begünstigt haben. Die sogenannte Vereinödung im Allgäu, bei der im zunehmenden Umfang ebenfalls Weiler und Dörfer angelegt wurden, fällt dagegen insgesamt in die Frühe Neuzeit. Diese beiden Gegenströmungen müssen jedoch im Wortsinn als Randerscheinungen betrachtet werden. Die allgemeine Bewegung ging in eine andere Richtung. Wenn die Preisrevolution im 16. Jahrhundert zutreffend mit einem spürbaren Bevölkerungsanstieg begründet wird, so muß der Zuwachs bei der Siedlungsweise faßbar werden. Sie erfuhr in den Realteilungsgebieten die geringsten Veränderungen. Zwar nahm hier die Zahl der Höfe zu, während die Ausstattung mit Ackerland schrumpfte, doch veränderten sich Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur nicht grundsätzlich. Beide wurden dagegen in den Regionen mit geschlossener Vererbung erheblich abgewandelt. Auch hier ist eine Vermehrung erneuter
Konzentration auf
zen
weniger Orte
Weniger Flur- als Orts Wüstungen
Realteilung und geschlossene Hofübergabe als Bestimmungsgrößen
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der Hofstellen unverkennbar. Sie betraf jedoch kaum die Vollhöfe, für deren Erhalt das Interesse des Grundherrn, bald darauf das des Landesherrn und nicht zuletzt die Erbsitte der Bauern sorgten. Der Zuwachs beschränkte sich vielmehr auf Kleinstellen, die jetzt vermehrt ausgelegt wurden. Da im allgemeinen auch hier der Boden ein knappes Gut war, stieß die Zusiedlung auf nicht geringe Schwie-
rigkeiten.
Sie betrafen einmal den Hofplatz selber. Lagen die alten Höfe im Dorf weit genug auseinander, so mochte sich der Bauer dazu entschließen, einen kleinen Platz von der Hoffläche abzutrennen, um Art der Zusiedlung wenigstens einen weichenden Erben mit einer Hofstelle ausstatten zu können. Wurde dagegen die Zusiedlung auf dem gemeinschaftlich genutzten Dorfanger geplant, so leisteten die Alteingesessenen geschlossen Widerstand. Sie wollten für den genannten Zweck auch nicht auf dorfnahe Ackerstücke verzichten, weil sie am bequemsten zu bewirtschaften sind. So ist es nicht erstaunlich, wenn Kleinstellen besonders in jenen Dörfern entstanden, in denen die grundherrliche Gewalt präsent war. Sie konnte am ehesten die Bauern zwingen, Hausplätze an Siedlungswillige abzutreten. Die meistens vorherrschenden Haufendörfer wurden dadurch noch enger und unregelmäßiger. An diesen Orten bestand gleichfalls am ehesten die Möglichkeit, einige Morgen Herrenland den Stelleninhabern zu verpachten. Die Parzellierung der Gemarkung wurde dadurch noch kleinteiliger. In nicht wenigen Fällen rodete man außerdem noch Land hinzu, so daß die Siedlungsgeographen eine Konzentration des Akkerlandes der Neusiedler in den Außenbezirken der Feldmark feststellen konnten. Im allgemeinen durften sie auch wenige Stück Vieh in die Dorfherde eintreiben. Anders als in den Realteilungsgebieten gliederte sich die Bevölkerung in den Dörfern mit Anerbenrecht auf die verschiedensten Bauernklassen auf, die in sozialer Hinsicht auch Schichtungsgrenzen markieren konnten (vgl. unten 119). In Gebieten an der Ostsee, wo die Eigenwirtschaften der Grundherren erheblich weiter verbreitet waren, verlief die WiederVergrößerung der besiedlung in anderer Weise. Bauernland war auch hier in erhebliGuter im Osten chem MaBe durch die Pestumzüge der Bewirtschafter beraubt worden. Um den Ausfall an Einnahmen wenigstens geringfügig zu ersetzen, schlugen die Grundherrn dieses Land zum Gut und nutzten es anfangs extensiv als Viehweide. Sie wandelten es später erneut in Ackerland um, als sie wieder über genügend Arbeitskräfte verfügten. Diese Kräfte erfüllten ihre Aufgabe am besten dann, wenn man sie nur mit einem Hausplatz samt Garten ausstattete. Siedlungs- und
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Bevölkerungs-
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Siedlungsstruktur
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Bevölkerungsstruktur
veränderten sich dabei gleichermaßen. Das Bauernland erreichte nicht wieder den früheren Umfang, weil die Güter ihre Wirtschaftsfläche vergrößert hatten. An die Stelle der Bauern traten hausgesessene Gutsarbeiter, und die soziale Differenzierung in den Dörfern nahm hier stärker zu als in den Anerbengebieten. Dieser Prozeß wurde noch durch eine andere Ursache verstärkt. Das ständige Steigen der Getreidepreise im 16. Jahrhundert weckte vor allem die Begehrlichkeit jener Grundherrn, die über die Ostseehäfen am Getreideexport nach Westeuropa teilnehmen konnten oder die wachsenden Städte mit Brotkorn versorgten. An den steigenden Getreidepreisen partizipierten die Gutsbesitzer im zunehmenden Maße, wenn es ihnen gelang, das Ackerland und damit auch die Verkaufsquote an Getreide zu vergrößern. Wie die höheren Überschüsse zustande kamen, läßt sich anhand des Materials zeigen, das bei der kurhannoverschen Enquete von 1766 zusammengetragen wurde. Auf den großen Vollerwerbsbetrieben lebten im Schnitt 9,1 Menschen, auf den kleinen waren es nur 6,5. Das „nur" verkehrt sich aber in das glatte Gegenteil, wenn man die Zahl der Hofbewohner auf die bewirtschaftete Ackerfläche bezieht. Da erst vier kleine Höfe die gleiche Fläche wie ein großer beackerten, es waren rund 100 Morgen oder 26 ha, entfallen darauf nunmehr 26 Personen bei den kleinen Höfen, während es bei dem großen bei 9,1 verblieb. Diese Relation verweist nachdrücklich auf den Zusammenhang zwischen der Betriebsgrößenstruktur einer Landschaft und ihrer Besiedlungsdichte. Da auf den vier kleinen Höfen 16,9 Personen mehr zu ernähren waren als auf einem großen, konnten sie zusammen nur für 59 T. Getreide verkaufen, während der große dafür 93 T. auf dem Markt einnahm. Im Prinzip bestanden diese Unterschiede schon im 16. Jahrhundert. Als zu dieser Zeit die Agrarpreise erst zögernd, dann rascher stiegen, wuchs naturgemäß das Interesse der Gutsbesitzer, durch eine Vergrößerung ihrer Anbaufläche über die Preissteigerung hinaus von der günstigen Agrarkonjunktur zu profitieren. Dieses Vorhaben war am raschesten zu verwirklichen, wenn es gelang, die Bauern zu legen, also ihnen das Land zu nehmen und zum Gute zu schlagen. Leider ist dieser Prozeß bis heute nur für die Güter der Mittelmark mit Zahlen zu belegen. S. Korth ging vom Landbesitz der Güter um 1800 aus und ermittelte rückschreitend, welchen Prozentsatz sie davon zu bestimmten Zeiten besaßen. Nach der Wüstungsperiode hatte sich ihr Landbesitz durch anfallendes wüstgewordenes
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Bauernland verdoppelt und erreichte 53,9 v. H. des Bezugswertes. Durch das Bauernlegen im 16. Jahrhundert verschafften sich die Güter Land im Umfange von 18,7 Prozentpunkten dieses Wertes
[101: Entstehung, 43]. Betrachtet man den Geschichtsverlauf aus einigem Abstand, so werden zwei Wellenbewegungen sichtbar, die sich außerordentlich ähneln. Einer erheblichen Bevölkerungsvermehrung im 12. und 13. Jahrhundert setzte der Pesteinbruch 1348 abrupt ein Ende. Erst nach 1430 begann eine langanhaltende Erholungsphase. Im 16. Jahrhundert setzte sich der Bevölkerungsanstieg weiter fort, und es kam zur sogenannten Preisrevolution, weil nicht mehr wie im 15. Jahrhundert auf brachliegende Felder zurückgegriffen werden „Frühe Neuzeit" konnte und sich jetzt der Nahrungsspielraum spürbar verengte. Von keine Penodisie- i^jg an verursachte wiederum ein exogenes Ereignis, der Dreißigjährige Krieg, ähnlich hohe Verluste der Bevölkerung wie nach 1348, und danach dauerte es wieder viele Jahrzehnte, bis die Bevölkerung ihren vorherigen Stand erreicht hatte. Im 18. Jahrhundert wurde er nicht unerheblich überschritten. Bei diesem Verlauf der Bevölkerungsentwicklung und der damit in Verbindung stehenden Siedlungsstruktur kann der Epochenbegriff „Frühe Neuzeit" nicht als Periodisierungshilfe benutzt werden. Als der große Krieg endlich vorüber war, lagen viele Äcker wüst. Menschen fehlten, Zug- und Nutzvieh waren das bevorzugte Beuteobjekt der kriegführenden Parteien gewesen. Viele Häuser waren abgebrannt. Die Bauern besaßen kein Kapital, um sie wieder aufzubauen. Die Agrarpreise waren weit unter den Vorkriegsstand gesunken, während der Menschenmangel zu hohen Löhnen geführt hatte, und dementsprechend waren auch die Baumaterialien teuer. Deshalb erfolgte der Wiederaufbau nur langsam und bereitete besonders bei den großen Höfen Schwierigkeiten. In einer Hinsicht unterschied sich die Wiederaufbauphase des späten 17. und frühen 18. Jahrhundert deutlich von jener nach 1430. Im Dreißigjährigen Krieg waren so gut wie keine Dorf- und Flurwüstungen entstanden, Verhältnisse nach die Siedlungsstruktur war vielmehr in ihren Grundzügen erhalten dem Dreißiggeblieben. In sie ordnete sich der Bevölkerungszuwachs ein, bis jejähngen Krieg ner Rahmen wieder ausgefüllt wurde, den sie um oder kurz nach 1600 gesetzt hatte. Für diesen Erneuerungsprozeß wurde in den einzelnen deutschen Landschaften verschieden viel Zeit benötigt. Ganz grob gesehen mag dieser Prozeß um 1700 beendet gewesen sein, doch lassen sich Kriegsfolgen in etlichen Fällen auch noch danach nachweisen. ,
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Sieht man von der Rheinpfalz ab, die im 17. Jahrhundert noch einmal unter den Reunionskriegen Ludwigs XIV. ganz erheblich litt, so muß erneut auf die andersartige Entwicklung in den ostdeutsehen Agrarregionen hingewiesen werden. Brandenburg, Mecklenbürg und Pommern gehörten zu den Gebieten, die neben Thüringen, der Pfalz und Württemberg die höchsten Bevölkerungsverluste hinzunehmen hatten. Infolgedessen war im Nordosten an wüstem Bauernland kein Mangel. Was lag für die Gutsherrn näher, als erneut jenes Verfahren zu praktizieren, das sich schon im 16. Jahrhundert bewährt hatte. Sie ließen die unbebauten Felder zuerst beweiden und verwandelten sie später in Ackerland, als sie wieder über genügend Arbeitskräfte verfügten. Der Landgewinn der mittelmärkischen Gutsbetriebe erreichte nach Korth (s.o. S. 56) durch diese Folgewirkung des Dreißigjährigen Krieges 18,7 Prozent des Bestandes von 1800, also praktisch ebensoviel wie durch das Bauernlegen im 16. Jahrhundert. Die Vertreibung der Bauern von ihren Höfen setzten die Gutsherren außerdem im 17. und 18. Jahrhundert fort, doch blieb der Erfolg mit 5,5 Prozent, gemessen am früher erzielten Zugewinn in Höhe von 18,7 v. H., bescheiden. Offensichtlich blieb der Bauernschutzpolitik der preußischen Könige, anders als jener der mecklenburgischen Herzöge, der Erfolg nicht ganz versagt. Neben diesen Zahlen muß der Zuwachs an Land durch Meliorationen mit 2,1 Prozent als recht bescheiden bezeichnet werden. Selbst die Neulandgewinnung an den Küsten, ebenso wie die Kultivierung des Warthe-Netze-Bruches, die Friedrich II. energisch vorantrieb, konnten die Nachfrage nach Land nicht decken. Das Bevölkerungswachstum eilte unverkennbar dem Zugewinn an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen voraus. H.-H. Müller hat für die Kurmark Zahlenmaterial zusammengetragen, das diese Aussage bestätigt [129: Märkische Landwirtschaft, 79 f.]. Von 1770 bis 1800 stieg die Zahl der Knechte ( + 29,3 v. H.), Mägde (+15,6 v. H.) und Dienstjungen ( + 21,6 v.H.) ganz erheblich an. Am stärksten wuchs die Zahl der Einlieger ( + 43,8 v. H.), doch wurden sogar die Büdnerstellen von 1780 bis 1800 noch um 23,0 v. H. vermehrt. Müller folgert aus dieser Entwicklung, um 1800 habe der Anteil der zuvor bezeichneten Gruppen an der ländlichen Bevölkerung jenen der Bauern um das Dreifache übertroffen. Diese Schätzung ist mit Sicherheit übertrieben, da es sich mit Ausnahme der Büdner für die Einlieger ist keine sichere Aussage möglich um Einzelpersonen handelt, deren Zahl jener der Bauernhöfe gegenübergestellt wird, auf denen wesentlich mehr Menschen leb,
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Abweichende
Entw|ck|ungln Ostdeutschland
Bauernlegen und Gutsvergroßerung
Zusiediung in der Kurmark
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Dennoch ergibt sich aus dem Material eine nicht zu unterschätzende Bedeutung der ländlichen Unterschicht, die beim Landerwerb scheiterte und deshalb ausschließlich auf Lohnarbeit angewieten.
sen war.
Förmlich als Lehrstück kann die Entwicklung in zwei kurhannoverschen Fürstentümern bezeichnet werden, die anhand der Kopfsteuerbeschreibung von 1689 [51: G. Franz, Struktur, 234 f.] und einer Zählung von 1796 [10: W. Achilles, Lage, 19] verfolgt werden kann. Die Zahlen lauten: Landmangel im Calenberg 1689 2696 Meier, 4282 Köter, 2503 Kleinstellen, Altsiedelgebiet 1796 2687 Meier, 5026 Köter, 2923 Kleinstellen, Göttingen 1689 823 Meier, 3339 Köter, 1187 Kleinstellen, 1796 621 Meier, 4722 Köter, 1310 Kleinstellen. Die calenbergischen Lagerbücher aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen keine Zusiedlung mehr erkennen. Offensichtlich machte sich der Landmangel in diesem Altsiedelgebiet eher bemerkbar als in dem Kolonisationsgebiet, das Müller beschrieb. Das Anlegen von Kleinstellen hing dem kurhannoverschen Material zufolge in nicht unerheblichem Maße von der Bodengüte Bodengüte und ab. Zählt man einige Kothöfe zu den Meierhöfen, weil sie eine volle Zusiedlung landwirtschaftliche Existenz gewährten, so verhalten sich in Calenberg, dem fruchtbarsten hannoverschen Fürstentum, die Meierhöfe zu denen mit Zu- oder Nebenerwerb etwa wie 1:2. Führt man dagegen die gleiche Rechnung für die im Norden gelegenen ehemals selbständigen Territorien des Kurstaates durch, so verengt sich das Verhältnis auf 1:1. Vergleicht man die Kopfsteuerbeschreibung von 1689 mit der Zählung von 1796, lassen sich zwei weitere SchlußfolKonstanz der Zahl gerungen ziehen. Die Konstanz der Zahl der Meierhöfe ist erstaunder großen Höfe lich. Sie könnte auch für das Kurfürstentum Sachsen und für das benachbarte Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel belegt werden, wo sich bei den Kleinstellen die geschilderte Entwicklung ebenfalls wiederholte. Dagegen liegt im Fürstentum Göttingen offenbar ein anderer Entwicklungsgang vor. Schon vor dem erfaßten Zeitraum Einfluß der Real- war in Göttingen die Zahl der Vollhöfe durch die Realteilung erhebteilung lich vermindert worden. Hier dominierten die Kothöfe, die in größerem Umfang als sonst in Hannover als Vollerwerbsstellen bezeichnet werden können. Bei dieser Betriebsgrößenstruktur ist es verständlich, daß die Zahl der Kleinstellen nur unerheblich zunahm. In die hier vorgestellte Spannweite des Verhältnisses der Vollhöfe zu den Zu- und Nebenerwerbsstellen lassen sich zwanglos zwei
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Siedlungsstruktur
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bayerische Erhebungen einordnen [162: E. Schremmer, Agrarverfassung, 42-51]. Aus der ersten im Jahre 1691 folgt, daß 51,5 v. H. aller eingehöfteten Anwesen den Besitzern kein ausreichendes Einkommen aus der Landwirtschaft gewährten. Die Grenze zieht Schremmer zwischen den Höfen zum '/4-Hoffuß und 3/i6-Hoffuß. Letztere und noch geringer eingestufte Stellen wurden als Seiden bezeichnet. Die zu einem !/32-Hoffuß trugen auch die Bezeichnung Bloß-Häusl, weil sie ihren Inhabern lediglich eine Wohnung boten. Sie machten
immerhin 19,4 v. H. aller Stellen aus und konzentrierten sich in den Hofmarksbezirken. Die geschilderten Verhältnisse scheinen sich bis 1756/60 nicht grundsätzlich geändert zu haben, denn in 21 oberund niederbayerischen Gerichten hatten 54,4 v. H. aller Anwesen Seidner inne, die nach einem Zu- oder Nebenerwerb Ausschau halten mußten. Die bisherige mehr punktuelle Betrachtung kann durch Material ergänzt werden, das Abel für Ostpreußen, Mittel- und Hinterpommern, die Mark Brandenburg und das Hochstift Paderborn veröffentlichte [4: Geschichte, 225]. Durch die Einbeziehung dieses Materials wird das bisherige Bild regional ein wenig differenziert, doch gibt es keine wesentlichen Abweichungen. Dasselbe trifft für D. Saalfelds Schätzung zu, dessen Materialbasis das gesamte Königreich Preußen und das Kurfürstentum Sachsen einschließt [155: Ständische Gliederung, 457-483]. Den Umfang der einzelnen Schichten oder Hofklassen weist er entsprechend der Zielsetzung seiner Arbeit stets als prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. Daraus folgt gegenüber der bisherigen Darstellungsweise ein nicht unbeträchtlicher Unterschied. So müßte trotz der nahezu gleichbleibenden Zahlen für die calenbergischen Meierhöfe von 1689 bis 1796 ihr Prozentanteil deutlich abnehmen, weil sich in dieser Zeit die Zahl aller Anwesen auf dem Lande nicht unbeträchtlich erhöhte. Das von Saalfeld gewählte Verfahren ist jedoch in anderer Hinsicht recht aufschlußreich. So entfielen um 1800 bei einem Anteil der ländlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung von 70-75 v. H. jeweils in Prozentpunkten 18-22 auf die Bauern, 26-33 auf Köter, Kleinbesitzer und Landhandwerker und 20-25 auf die landlose Unterschicht. In der gleichen Untersuchung wird an anderer Stelle der Anteil der landarmen und besitzlosen Familien auf 40 v. H. an der Gesamtbevölkerung beziffert und ergänzt, um 1500 habe er nur 20 v. H. betragen. Der Prozentsatz hätte sich demnach während der Frühen Neuzeit verdoppelt. Gleiches wird von der Bevölkerung gesagt, die von 12 auf 24 Millionen Menschen gestiegen
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sein soll. Die Zahl derer, die sich nicht ausschließlich von der Landwirtschaft ernähren konnten, wuchs demnach von 2,4 auf 9,6 Millionen, anders ausgedrückt, sie vervierfachte sich. Die Frage wird drängend, wovon diese Menschen lebten. Antworten wurden bereits gegeben, und sie seien zuerst ganz einfach aufgezählt. Die erste, die fast immer geradezu als selbstverErwerbschancen ständlich angesehen wird, lautet: die Angehörigen der unterbäuerlider unterbäuer- chen Schicht hätten in der Landwirtschaft einen Nebenverdienst gelichen Schicht funden. Fast nie wird hinzugesetzt, bei wem und wie lange. Wie wenig in bäuerlich bestimmten Landschaften an Tagelohnarbeiten tatsächlich angeboten wurde, zeigt die hannoversche Enquete (vgl. oben 47), und daß diese Aussage für die westfälische Landwirtschaft und die extensive im Nordwesten Hannovers verallgemeinert werden darf, beweist die Hollandgängerei, die bis zum Ende der Frühen Neuzeit praktisch unverändert anhielt. Wie wenig Tagelohnarbeiten in kleinbäuerlich strukturierten Regionen zu erwarten waren, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Der Verweis auf eine Tätigkeit als Landhandwerker steht meistens an zweiter Stelle. Aber auch er gewinnt erst in dem Maße an Tätigkeit als Land- Überzeugungskraft, wie es gelingt, das Arbeitsmaß einigermaßen sihandwerker cher zu bestimmen. Weitere Beschäftigungen auf dem Lande als Wirt, Müller oder Hirt waren nur wenigen zugänglich. Lokal begrenzt waren Sondertätigkeiten wie die Flößerei und auch die Arbeit in einer Manufaktur. Bei diesen wird wohl außerdem die Zahl der Arbeiter meistens überschätzt. Nicht wenige Kleinstelleninhaber übten höchstwahrscheinlich im Verlaufe eines Jahres mehrere Tätigkeiten nacheinander aus. Die Landhandwerker waren zu solch einem Wechsel gezwungen, wollten sie den landwirtschaftlichen Arbeiten termingerecht nachkommen, deren Zeitpunkt der Vegetationsrhythmus bestimmt. Die überdurchschnittliche Zusiedlung in Gutsdörfern, die von Nord- bis Ostdeutschland, aber auch für Bayern gut belegt ist, ließe sich damit erklären, die Gutsbetriebe hätten im Zuge einer IntensiLeinanbau und vierung der Landwirtschaft mehr Tagelöhner benötigt. Für das östliGarnspinnen che Westfalen, südliche Niedersachsen, Obersachsen und Schlesien läßt sich ein weiterer Grund anführen, der hier von größerer Bedeutung war. Die Tagelöhner erwarben gegen Arbeitsleistungen die Berechtigung, auf Kleinstparzellen des Gutslandes in eigener Regie Lein anzubauen. Das Erntegut verarbeiteten sie auf jeden Fall bis zum Flachsgarn. In einigen Gebieten spielte bereits der Garnhandel eine nicht zu unterschätzende Rolle; in anderen zog man es vor, das
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Garn auch noch zu verweben, um bei dieser Arbeit einen zusätzlichen Verdienst zu finden. 25 a genügten unter südniedersächsischen Verhältnissen, einen Kleinststellenbesitzer oder Einlieger das Jahr Einkommens-und über auszulasten, falls er den Lein selbst kultivierte und nach seiner Lebensverhäitnisse Weiterverarbeitung das Leinengarn verkaufte. Der Lohn lag deutlich unter dem, der üblicherweise einer männlichen Arbeitskraft in der Landwirtschaft gezahlt wurde. Selbst der Frauenlohn wurde nur um 1800 erreicht, als das Flachsgarnspinnen wohl am einträglichsten war [9: W. Achilles; Bedeutung, 118f.]. Schon wenige Hinweise können die Beschaffenheit einer solchen Existenz erhellen. Ein braunschweigischer Pastor berichtete, die Kartoffeln seien das Hauptnahrungsmittel dieser Menschen. Vor allem die Frauen spönnen bei der Hausarbeit mit Ausnahme der Erntezeit. Sie täten das alle Tage, besonders im Winter; des Morgens von 3, 4, 5 Uhr an, des Nachts bis 10, 11, 12 Uhr [ebd., 122]. v. Engel, dem es darum ging, Bedenken zu zerstreuen, wie sie Malthus gegen das Bevölkerungswachstum hegte, errechnete in einem angenommenen Beispiel für die drei Kinder einer Familie einen Tagesverdienst von 7 Groschen, falls das jüngste im Alter von 5 bis 6 Jahren 1 Strain Garn zu 3840 Ellen spann, das mittlere im Kinderarbeit Alter von 7 bis 9 2 Strain und das älteste über 10 Jahre 3 Strain [43: Briefe, 115]. Beim ältesten Kind setzte er bereits die Tagesleistung eines Erwachsenen an. Sie bemaß er wohl auch diesmal wieder recht optimistisch; denn obwohl er die Schulzeit der Kinder berücksichtigte, liegt sie doch um 50 v. H. höher als bei einer erwachsenen Spinnerin im südlichen Niedersachsen. J. Mooser bestätigte die Kinderarbeit für Minden-Ravensberg. Nach damaliger Auffassung würden diejenigen die geschicktesten Spinner, die diese Tätigkeit mit 4 bis 7 Jahren erlernten [128: Klassengesellschaft, 75 f.].
II.
Grundprobleme
der
Forschung
A. Die
Agrarkrisen- und Agrarkonjunkturtheorie 1. Der
Forschungsstand
Rezeption der Theorie Agrargeschichte als Teildisziplin der Wirtschaftsgeschichte wird in der Bundesrepublik nur von wenigen getrieben. Das mag zum Teil am Selbstverständnis der Landbauwissenschaften liegen, die bislang auf eine Institutionalisierung des Faches verzichtet haben. Mangel 1.1 Die
Interesse könnte auch auf der Fachfremdheit der Historiker bevon der Landwirt- Stellung und schaft seien keine entscheidenden Anstöße auf den Verlauf der Ge- Bedeutung der Asrsrscsciiicht schichte ausgegangen. Gegen diesen Mangel an Interesse lassen sich für die Epoche der Frühen Neuzeit gleich mehrere Gründe anführen. Die Erwerbstätigen in der Landwirtschaft waren mit Abstand die größte Gruppe, und gleichzeitig war der Landbau der bedeutendste Wirtschaftszweig. Seine Produktivität beeinflußte über das Marktgeschehen Umfang und Richtung der Warenströme ganz erheblich, so daß die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des städtischen Bereichs, nicht zuletzt des Handwerks, der zweitstärksten Gruppe, ohne Berücksichtigung des Wandels im Agrarsektor nicht zureichend gedeutet werden kann. Unabhängig davon, ob die Bauern aktiv in das Geschehen eingriffen oder es nur erduldeten, war jeder Landesfürst gezwungen, den wichtigsten Wirtschaftszweig in seine Planungen einzubeziehen, wenn er politische Ziele verwirklichen wollte. Diese Argumentation mündet nicht in die Forderung, fortan den agrarhistorischen Bereich bei der Analyse des Geschichtsverlaufs in besonders hervorgehobener Weise zu berücksichtigen. Diean
ruhen, die zusätzlich argumentieren könnten, •
64
IL
Grundprobleme der Forschung
Postulat wäre schon deshalb überzogen, weil sich die konstitutiven Elemente im Agrarsektor samt ihren Bezügen untereinander nur langsam wandelten. Soll ein Vergleich gewagt werden, so ist es eher zutreffend, vom Fluß der Entwicklung zu sprechen, obschon Bedeutung agrar- die Fließgeschwindigkeit während der Frühen Neuzeit durchaus historischer nicht immer gleichblieb; doch hat die Agrargeschichte weder scharfErkenntnisse Brüche noch Revolutionen, die sie bedingten, oder sonstige kantige spektakuläre Ereignisse anzubieten. Auch der Bauernkrieg eignet sich nicht als Gegenargument geBauernkrieg als gen diese Aussage. Wenn auch die Diskussion über dieses herausraBeispiel gende Phänomen noch nicht als abgeschlossen zu betrachten ist, so kann sie dennoch schon heute in hohem Maße zu einer Überprüfung dienen, in welcher Weise die Agrarkrisentheorie in die Beweisführung einzelner Forscher eingebaut wurde. Das geschah vor allem dann, wenn nach den Ursachen gefragt wurde, die den Ausbruch Wirtschaftliche des Krieges bedingten. In dieser Hinsicht übt H.-U. Wehler offenLage als Kriegs- sichtlich größte Zurückhaltung [189: Bauernkrieg], während für R. ursache Wohlfeil die wirtschaftliche Seite integrierender Bestandteil der Betrachtung ist [192: Bauernkrieg, 25-35]. Er sieht innerhalb einer noch zu findenden theoretischen Gesamtkonzeption für die Wirtschaftsgeschichte die Aufgabe darin, zur inhaltlichen Füllung einer integrierenden Theorie auf einer anderen Ebene historische Theorien mit begrenzter Reichweite und Erklärungskraft aufzunehmen oder erst noch aufzustellen. Das wird folgendermaßen konkretisiert: „Als theoretische Ansätze lassen sich allenfalls die Arbeiten von Wilhelm Abel ansprechen, jedoch sind sie zu sehr von Wirtschaftstheorien geprägt" [ebd., 47 Anm. 128]. Diese Feststellung läßt sich nur schwer mit Wohlfeils zuvor gemachten Aussagen vereinZiel- und Metho- baren, wonach ein Faktorenpluralismus einen Methodenpluralisdenkongruenz mus bedinge. Außerdem, so muß hinzugefügt werden, ist ein bestimmtes Phänomen nur mit einer sachadäquaten Methode erfolgreich anzugehen. Wirtschaftliches Geschehen läßt sich mit den Kategorien verschiedener Auffassungen von Geschichtstheorie oder Soziologie nur höchst unzureichend erfassen; genauso wäre es umgekehrt hoffnungslos, ein historisches Ereignis ausschließlich mit Methoden der Wirtschaftsgeschichte erklären zu wollen. Erst wenn diese Disziplin leidlich gesicherte Arbeitsergebnisse erzielt hat, können sie in eine Gesamtschau übernommen werden. Sollten ihr hingegen aus den Zielsetzungen einer integralen Theorie Vorgaben gemacht werden, bleibt der Wirtschafts- und Agrargeschichte immer noch die Aufgabe, zu prüfen, ob die Forderungen sachgerecht sind ses
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A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
65
und das wird häufig übersehen ob sie anhand des Quellenmaterials ausreichend bearbeitet werden können. Wie rasch eine spröde Quellenlage einer theoretisch begründeten Forderung nachhaltigen Widerstand entgegensetzen kann, läßt sich an einer Bemerkung aufzeigen, die F. Kopitzsch gemacht hat. Untersuchungsziel Er bedauert, daß die Geschichte der Preise und Löhne gegenüber und Quellenlage anderen Ländern in beiden Teilen Deutschlands lange im Rückstand gewesen sei [99: Sozialgeschichte, 181]. Die Wahl der Vergangenheitsform und der zweimalige Verweis auf Abel führen zu dem Schluß, er habe diesem Mangel abgeholfen. Was Abel indessen für das 16. Jahrhundert zusammengetragen hat und er war mit Sicherheit der beste Kenner des Quellenmaterials -, bezeichnet er selbst als dürftig, und außerdem sind die wenigen Zahlenangaben in sich widersprüchlich [3: Agrarkrisen, 61-67]. Weiterhin überwiegen die Lohnreihen der Bauarbeiter. Diese Dominanz hat schon Abel bedauert, doch läßt die bisher bekannte Überlieferung die wünschenswerte Verbreiterung nicht zu. Wenn Kopitzsch die Geschichte der Preise und Löhne für unentbehrlich für die Unterschichtenforschung hält, so stellt doch Abel das benötigte Material keineswegs zur Verfügung. Immer noch mangelt es an der nötigen Repräsentanz und spezifischen Eignung, die bei den Löhnen für Bauarbeiter, einer herausgehobenen Gruppe, für die Lage der sozialen Unterschicht nicht gegeben ist. Im vorstehenden Beispiel wurde die Leistung Abels in recht einfach zu klärender Weise verkannt. Es bedarf umfangreicherer Ausführungen, wenn Kopitzsch zuerst Franz' These zitiert, wonach sich über die wirtschaftliche Lage der Bauern vor 1524 nie klare und unwiderlegliche Feststellungen haben treffen lassen, und dem entgegenhält, dieser aus der „Vor-Abel-Phase" stammende Passus dürfte inzwischen überholt sein. Da Kopitzsch nachfolgend das Lebenswerk Abels positiv würdigt, ist seine bedauernde Feststellung verständlich, Abel habe den Bauernkrieg leider nicht behandelt [99: Sozialgeschichte, 186]. Das lag auch lange Zeit hindurch gar nicht in dessen Absicht. Untersuchungsziel war vielmehr, Agrarkrisentheorie Krisentheorien zu bestätigen, die trotz aller Knappheit der Defini- und kurzfristige Ereignisse tion eindeutig als langfristige Erscheinungen aufzufassen sind (vgl. -
-
-
oben 2). Deshalb arbeitete er die säkularen Trends heraus, indem er die Preise oder Löhne eines Vierteljahrhunderts zu einem Durchschnitt zusammenfaßte oder den Kurven der Preise und Löhne dreigliedrig gleitende Zehnjahresdurchschnitte zugrunde legte. Abels Zielsetzung bedingt seine Methode, und mit ihr ist ein so außeror-
66
Jahresschwankun-
^"iCrie^^rsLhe
IL Grundprobleme der Forschung
dentlich kurzfristiges Geschehen wie der Bauernkrieg gar nicht zu erfassen. Das Wort sei erlaubt: Säkulare Trends gehen einfach darüber hinweg. Außerdem wird eine notwendige Differenzierung vermißt. Sollten die säkularen Bewegungen der Preise und Löhne tatsächlich einen Einfluß auf den Ausbruch des Bauernkrieges gehabt haben, so müßten sie sich in den Aufstandsgebieten deutlich von denen in den übrigen Regionen unterscheiden. Seine Zurückhaltung gegenüber diesem mehr politischen Geschehen hat Abel erst spät und dann auch nur in beiläufiger Form aui8e8erjen- Als er s^cn m^ dem Tiefstand der Preise zu Beginn des 16. Jahrhunderts beschäftigte, überlegte er, ob die Erlöspreise landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht doch einige Bedeutung für die viel diskutierte Frage nach den Ursachen des Bauernkrieges haben könnten [2: Massenarmut, 45]. Auf Grund des Preismaterials für das Jahr 1524 kommt er jedoch lediglich zu der Schlußfolgerung, die eingebrachte Ernte habe wohl knapp unter dem Durchschnitt gelegen. Wenn Abel anschließend selbst ergänzt, die Notlage sei 1516 viel größer gewesen, so lassen sich schon aus diesem Grunde die Preise für 1524 nicht als Ursache für den Ausbruch des Krieges heranziehen. Hinzu kommt noch etwas anderes. Schwankungen des Getreidepreises von Jahr zu Jahr wurden bereits als Charakteristikum für die Frühe Neuzeit herausgestellt (vgl. oben 22). Will man sie wirklich als auslösendes Moment für einen Krieg oder Aufruhr ansehen, so hätte es fortwährend dazu kommen müssen. Der Preisverfall oder -anstieg von einem Jahr zum andern kann durchaus einmal Anlaß zum Aufbegehren gewesen sein, als Ursache scheidet diese Erscheinung dagegen aus. Die zitierten Bemerkungen Abels können nur als ein Seitenblick auf jenen Fragenkomplex gewertet werden, welche Faktoren die Bauern zum offenen Aufruhr trieben, und da er dabei offensichtlich die von ihm bei der Agrarkrisenforschung verwandte Methode aufgibt, bleibt noch zu fragen, was sie grundsätzlich für die Suche nach der entscheidenden Ursache des Krieges von 1525 zu leisten vermag. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist zuerst jenes Preisgeschehen vorzustellen, das damals ins Bewußtsein der Bauern
Nimmt man vorsichtshalber noch an, es könne auch noch durch die Erzählungen der Väter geformt worden sein, so mag man bis auf den Zehnjahresdurchschnitt von 1481/90 zurückgreifen. Der Preis für 1 dt Roggen betrug in diesem Jahrzehnt und den vier folDas langfristige genden bis 1521/30 21,3 g Ag, 23,6 g Ag, 20,6 g Ag, 17,8 g Ag und Preisgeschehen 19 5 g ^g im Vergleich zu anderen Zeiträumen ist das eine recht
einging.
A. Die
Agrarkrisen-
und
67
Agrarkonjunkturtheorie
unauffällige Preisbewegung [3: W. Abel, Agrarkrisen, 309]. Außerdem wurde die geringfügige Abschwächung der Getreidepreise für die Bauern auch noch durch ein schwaches Sinken der Löhne gemil[ebd., 58, 60]. So bleibt nur die Feststellung, mit dem Instrumentarium der Agrarkrisenforschung sei eine Ursache für den Ausbruch des Bauernkrieges nicht nachzuweisen. Gegen diese Verzichtserklärung könnte das bis zum Überdruß zitierte Werk von D. W. Sabean angeführt werden, dessen Konzeption stark an der Arbeitsweise Abels ausgerichtet ist, um über die wirtschaftliche Lage der Bauern des Klosters Weingarten Verbindliches aussagen zu können [158: Landbesitz]. Sabeans Darstellung ist jedoch nicht immer konsequent. So wird eine Preissteigerung für Kern (Dinkelprodukt), Leinen und Roggen zwar behauptet, aber keineswegs durch die Preisreihen und die darauf basierenden Graphiken belegt [ebd., 66]. Letztere verweisen lediglich auf jene Stagnation, die sich bereits Augsburg und München eingeschlossen aus den von Abel publizierten Durchschnittspreisen ergab. Falls es den behaupteten Preisanstieg tatsächlich gegeben hätte aber das erfährt man erst in der Zusammenfassung -, hätten nur jene 40 v. H. der Weingartner Höfe davon profitiert, die eine Netto-Marktleistung erzielten [ebd., 115]. Dieser Teil der Landbevölkerung hätte also ebensowenig wie bei stagnierenden Preisen einen Grund zum Aufstand gehabt. Er wäre eher bei jenen 60 v. H. zu suchen gewesen, die unter den angeblich steigenden Preisen litten. Aber anders als bei Abels Zahlenmaterial wies Sabean für sein Untersuchungsgebiet ein Gleichbleiben der Löhne nach [ebd., 66, 75], so daß ein Kaufkraftschwund ausblieb, der zur Unzufriedenheit hätte führen können. Somit vermag auch die empirische Studie Sabeans die Agrarkrisentheorie als Erklärungshilfe für den Ausbruch des Bauernkrieges nicht aufzuwerten. Aufschlußreich ist es, die hier vorgetragenen Überlegungen und das daraus folgende Ergebnis mit der Sicht Blickles zu vergleichen. In einer Übersicht über die Ursachen des Krieges zitiert er zuerst H. Wopfner, der von Franz meinte, dieser habe sich der Verpflichtung entzogen, den ökonomischen Sektor zu untersuchen. Andert
Das
Beispiel Wein-
garten
-
-
-
Abweichende Meinungen über die wirtschaftliche
räumt Blickle ein, habe Franz die Geringschätzung Lage wirtschaftlicher Faktoren nicht aus der Luft gegriffen, denn in den Chroniken der Zeit wird der Bauer als wohlhabend geschildert, und anscheinend führten die reichen Bauern die Empörung an. Waas, Lütge und Lutz haben dem bäuerlichen Wohlstand geradezu eine ursächliche Funktion zugeschrieben und im Bauernkrieg den Ver-
dererseits,
IL Grundprobleme der
68
Forschung
such sehen wollen, wirtschaftliche und soziale Stellung zur Deckung bringen [28: Revolution, 4-6]. Zu prüfen wäre, ob dieser Erklärungsansatz, der aus Untersuchungen städtischer Unruhen stammt, angesichts der viel weiteren sozialen Spannweite der Stadtbevölkerung und der größeren Macht des Rates auf dörfliche Verhältnisse übertragen werden darf. Unabhängig von diesem Einwand geht es Blickle um die wirtschaftliche Lage des „armen Mannes" schlechthin, und zwar als Ursache für die Erhebung. Der Streit über eine gute oder schlechte Lage mußte unfruchtbar bleiben, weil er mit unzureichenden Mitteln geführt wurde. Aus dieser Sackgasse konnte nur eine Wirtschaftsgeschichte herausfühNutzen ökonomi- ren, „die ökonomische Theorien auf ihre Verträglichkeit mit den hischer Theorien für storischen Daten befragte, so aber einen neuen Zugang zu den Queldie Ursachenforschung len fand. In Deutschland hat diese Arbeit (...) Wilhelm Abel mit seiner Schule geleistet, wenngleich deren Ergebnisse nicht unmittelbar den Aufstandsgebieten von 1525 zugute gekommen sind. Einen solchen Ansatz hat David S. Sabean für den Bauernkrieg nutzbar zu
gemacht ..." [28: Revolution, 5f.]. So positiv das auch immer für Abel und seine Schule klingen mag, der Rückbezug ist ein Mißverständnis. Entzug von Nutzungsrechten, Leibeigenschaftsabgaben, Reis-(Kriegs-)steuern fehlen im AßELschen Konjunktur-Modell, aber gerade sie sieht Sabean als konfliktauslösende Ursachen an. Zusätzlich wird eine „beängstigende Bevölkerungsvermehrung" genannt, aber sie bewirkt in der hier überprüften Zeit (vgl. oben 66) keine Preissteigerung, das Modell zielt auf säkulare Bewegungen, und dann stimmt es auch für die
Zeit von 1451-1550. Bildet man die vier 25-Jahres-Durchschnitte dieser hundert Jahre, so lauten die Werte für 1 dt Roggen: 16,5, und 23,7 g Ag, und sie deuten auf eine BevölkerungsbeBevölkerungsgang 20,0, 19,3 wegung hin. Für kürzere Spannen, besonders für die Zeit um 1500, verliert die Zahlenreihe aber offensichtlich ihre Aussagekraft. Wenn Sabean den innerdörflichen Konflikt herausarbeitet, es aber trotzdem zu einer geschlossenen Erhebung der Landbevölkerung kommt, so ist das ein Widerspruch, der gelöst werden muß. Abels Konjunktur- und Krisen-Theorie vermag dazu keinen Beitrag Agrarkrisenmodell zu liefern. Die verschiedensten Preis- und Lohnreihen betreffen imund innerdörfliche mer die Landwirtschaft, und sie lassen keine weitere DifferenzieKonflikte rung zu. Eine solche hat erst Freiburg vorgenommen, indem er beschrieb, wie sich die Dorfbewohner bei einem Preisauf- oder -abKurzfristige Preisbewegungen und
schwung Ist
es
in Nutznießer und Leidtragende spalteten (vgl. oben 44). auch unzutreffend, wie Freiburg den Zwang zum außerland-
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
69
wirtschaftlichen Zuerwerb mit der Notwendigkeit zum Nahrungsmittelzukauf einfach gleichzusetzen, so verschiebt sich bei einer notwendigen Korrektur lediglich der Umfang der Gruppen. An der grundsätzlichen Trennung in Nutznießer einer Agrarkonjunktur und Benachteiligte kann nicht länger gezweifelt werden. Eine Agrarkonjunktur oder -krise veränderte nicht schlechthin die wirtschaftliche Lage des „gemeinen Mannes", vielmehr weckte sie bei einem Teil der Angehörigen dieser Schicht optimistische Erwartungen, während sie den anderen mit düsteren Befürchtungen erfüllte. Es erschien ausreichend, die Rezeption der Agrarkonjunkturund -krisentheorie anhand der Literatur zum Deutschen Bauernkrieg zu untersuchen; denn trotz dieser Beschränkung konnten alle als wesentlich erscheinenden Aspekte in den Blick genommen werden. 1.2 Die Kritik
an
der Theorie
Seit 1935 ist die Agrarkrisentheorie nicht nur rezipiert, sondern auch kritisiert worden. Die Darstellung der vorgetragenen Argumente ist daher unerläßlich. Sie ist indessen nicht ganz einfach, da mit weitem Vorrang die Tragfähigkeit der AßELschen Theorie am Beispiel der spätmittelalterlichen Agrarkrise erörtert wurde, und sie ist nicht Gegenstand dieses Bandes. Diese Krise ist deshalb auszuklammern, doch kann des besseren Verständnisses wegen auf einige konkrete Bezüge nicht verzichtet werden. Als erster äußerte F. Lütge fundamentale Zweifel, als er 1950 meinte, man müsse „sich ja immer vergegenwärtigen, daß rein die Entwicklung der Getreidepreise und überhaupt die Entwicklung der Preise für Agrarprodukte kein schlechthin ausschlaggebender Gradmesser für die Beurteilung der Lage der Bauern ist. Denn die Bauern benötigten ja nicht allzuviel Geld, weitgehend deckten sie den Bedarf an notwendigen Gebrauchsgütern noch selbst" [119: Lütge, 321 f.]. Zusätzlich verwies er auf die Chancen, das durch Preissenkungen und Lohnerhöhungen verminderte Einkommen der Bauern wieder zu erhöhen. Durch die Pest waren viele Höfe entvölkert und etliches Land wüst geworden. Deshalb konnte man auf bessere Böden abwandern oder bei einer bisherigen Unterbeschäftigung die bewirtschaftete Fläche vergrößern. In beiden Fällen erreichte man eine Einkommenserhöhung. Einkommensverbesserungen waren aber auch durch eine Senkung der Abgaben zu erzielen. Meinte auch Lütge, die Einkommen der Bauern seien zuerst unter Druck
Kritik
Lütges
70
II.
Abwägen aller den Bauern gegeKompensationsmöglichkeiten offen, ob während der gesam-
geraten, benen
Grundprobleme der Forschung
so
läßt
er
doch nach dem
spätmittelalterlichen Agrarkrise mit einer Einkommensmindegerechnet werden muß. Auf jeden Fall entsteht der Eindruck, die Einbußen könnten nicht die Entvölkerung ganzer Landstriche
ten
rung
Kritik Mandrous
bewirkt haben [119: F. Lütge, 14./15. Jahrhundert, 299-335]. 1958 rückte Lütge ganz von der Verwendung der Preis-Kosten-Schere ab und forderte statt dessen die Verwendung des Realeinkommens [118: Wirtschaftliche Lage, 43]. R. Mandrou distanzierte sich nicht so grundsätzlich wie Lütge vom Instrumentarium Abels, meinte aber auch, Preis-Kosten-Scheren könnten nur relative Einkommensverschiebungen anzeigen; und auch das gelänge nur dann in überzeugender Weise, wenn sich die Produktionsstruktur der Betriebe nicht wesentlich ändere [122: Wirtschaftsgeschichte, 43]. Auf solche Veränderungen der Produktionsstruktur hat Abel selbst verschiedentlich hingewiesen. Es genügt in diesem Zusammenhang, auf die sogenannte Vergetreidung in den Anrainerregionen der Ostsee zu Beginn der Frühen Neuzeit zu verweisen. Ob Lütge seine Forderung sonderlich ernst genommen hat, statt der Preis-Kosten-Schere nunmehr das Realeinkommen zu verwenden, ist nicht ganz sicher. 1962 erschien nämlich erstmalig Abels Geschichte der deutschen Landwirtschaft [4], in der Lütges 1950 und 1958 geäußerte Bedenken übergangen werden. Dieses Übergehen seiner Einwände veranlaßte jedoch Lütge zu keiner Reaktion; denn 1963 erschien an anderem Ort unverändert sein Aufsatz von 1950, allerdings mit der bereits zitierten Kritik [119: 14./15.
Jahrhundert].
Als F.-W. Henning 1969 sein Buch über die Abgaben und Dienste der Bauern im 18. Jahrhundert erscheinen ließ [79], nahm er Das andersartige auf die zuvor von Lütge und Mandrou an Abel geäußerte Kritik Vorgehen keinen Bezug. Das könnte an dem von ihm gewählten AusgangsHennings punkt gelegen haben. Henning störte die Unzulänglichkeit des bislang häufig verwendeten Maßstabes, die Schwere der feudalen Belastung der Bauern am Getreiderohertrag zu messen (vgl. unten 82). Außerdem wollte er die Dienste inbegriffen wissen, weil sie in Ostpreußen, einem seiner Untersuchungsgebiete, eine besondere Rolle spielten. Ohne sie wären nach damaliger Auffassung die zahlreichen Bedeutung der Güter des Landesherrn und des Adels nicht zu bewirtschaften geweDienste für das sen. Die Dienste schmälerten aber nicht nur das Einkommen der Einkommen der Bauern Bauern. Läßt man die dafür notwendigen Aufwendungen aus, kön-
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
71
die feudalen Belastungen jener Bauern nicht verglichen werden, die in Regionen mit hoher und niedriger Dienstleistung lebten. Solche Ausgaben für die Frondienste sind deshalb integrierender Bestandteil der Feudalquote (vgl. oben 32). Sie kann erst dann gewichtet werden, wenn sie vom Roheinkommen (vgl. Abb. 3, S. 78) abgezogen wird, wobei schließlich als Residualgröße dem Bauern der Einkommensteil verbleibt, über den er nach freiem Ermessen verfügen konnte [ebd., 40 für Ostpreußen, 79 für Paderborn]. Henning trug außerdem vergleichbare Ergebnisse aus anderen Teilen Deutschlands zusammen und glich sie dem praktizierten Verfahren so weit wie möglich an. Da Abels „Geschichte der deutschen Landwirtschaft" immer noch als Standardwerk bezeichnet werden muß, ist zu prüfen, welchen Niederschlag die methodisch korrekt erarbeiteten Erkennt- Rezeption der nisse Hennings in diesem Buch gefunden haben. Das Ergebnis ist Vorgehensweise enttäuschend. Das methodische Anliegen Hennings geht verbal völ- ennmgs lig unter, höchstens könnte es einen Reflex in einer Übersicht über die Einkommen der Bauern in verschiedenen Regionen Deutschlands im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gefunden haben; doch fehlen hier nicht nur seine Ergebnisse, die Art der Aufbereitung hält zudem einer betriebswirtschaftlichen Analyse nicht stand [4: W. Abel, Geschichte, 363-368]. Auch am zweiten Fundort kann die Art der Darbietung nicht befriedigen. Geboten wird nur noch die Residualgröße, das verfügbare Einkommen, so daß nicht mehr ersichtlich ist, um welchen Betrag die Feudalquote das Roheinkommen schmälerte, mit anderen Worten, es ist nicht mehr abzuschätzen, in welchem Umfang Staat und feudale Klasse den Bauern bedrückten [ebd., 343]. Das zu zeigen, war jedoch das vorrangige Anliegen Hennings. Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Methodik des Agrarkrisenmodells hat 1976 G. Bois geleistet. Abels Vorbild folgend, ent- Bois'Analyse der wickelte er für die Normandie jene Preis- und Lohnkurven, die als Produktivität Indikatoren einer Agrarkonjunktur oder -krise anzusehen sind. Bois geht es um die spätmittelalterliche Agrarkrise, die er wie Abel als eine Einkommenskrise definiert. Diese Krise sieht er jedoch als allein mit der Methodik Abels nicht erweisbar an, denn Bois berücksichtigt die Kritik Mandrous, wonach Lohn- und Preisreihen nur relative Einkommensverschiebungen anzeigen können, und das auch nur dann, wenn sich die Produktionsstruktur der Betriebe nicht ändert. Das war aber nach allgemeiner Auffassung während der spätmittelalterlichen Agrarkrise der Fall. Deshalb geht Bois von nen
72
Enormer Anstieg der Arbeitsproduktivität
Verteilungskampf um das Agrarprodukt
Grundrente als Maßstab?
II.
Grundprobleme
der
Forschung
der makroökonomischen Analyse zur mikroökonomischen über und stellt Kalkulationen an, die einer Ertrags-Aufwands-Rechnung außerordentlich nahekommen. Aufschlußreich ist folgender Vergleich: Von 1397 bis 1467 sank die Landbevölkerung auf 40 v. H. ab, die Agrarproduktion jedoch nur auf 70 v. H. [32: Crise, 313]. Die Produktivität einer Vollarbeitskraft ist also in dieser Spanne auf den l,7fachen Wert gestiegen. Wie in einer Überschlagsrechnung gezeigt werden konnte, hätte bei dieser Voraussetzung selbst eine Erhöhung der Feudalquote auf das Zweieinhalbfache das Einkommen der Bauern noch nicht verringert [11: W. Achilles, Überlegungen, 12]. Eine Steigerung der Produktivität auf das l,7fache mag erstaunlich erscheinen, sie war aber bei den damaligen Verhältnissen durchaus realisierbar. In diesem Wert findet der Prozeß seinen zahlenmäßigen Ausdruck, den Lütge als die Optimierung der Produktionsfaktoren bezeichnete. Noch ein zweiter Punkt tritt beim Vorgehen Bois' zutage: Einen Verteilungskampf um das Agrarprodukt, bei dem die wirtschaftliche Existenz des Grundherrn oder des Bauern, vielleicht sogar beider bedroht wird, kann man nur analysieren, wenn dieses Agrarprodukt quantitativ bestimmt wird. Davon sind die verschiedensten Aufwendungen abzusetzen, bis das Roheinkommen verbleibt (vgl. oben 48). Sieht man vom Ausnahmefall des freien Bauern ab, stritten sich in der Frühen Neuzeit um dieses Einkommen nicht gerade wenige: der Staat, der Zehntherr, Grund-, Leib- und Gerichtsherr, und schließlich versuchte auch der Bauer, bestimmte Ansprüche durchzusetzen. Die Vielfalt der Beteiligten und ihr jeweiliges Durchsetzungsvermögen führten in der Frühen Neuzeit zu einer so vielgestaltigen Ausformung der Agrarverfassung, daß oft genug die gemeinsamen Züge zu verschwimmen drohen. Es ist durchaus der Frage würdig, ob die von Abel häufig allein verwendete Grundrente die Mannigfaltigkeit früherer Herrschaftsverhältnisse zu spiegeln vermag. Neben den tatsächlichen Auswirkungen verbirgt sich in dieser Frage auch noch ein grundsätzliches methodisches Anliegen. Geht man vom Betriebseinkommen oder der Wertschöpfung aus (vgl. oben 47), so sind daraus die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital zu entlohnen. Da in der vorindustriellen Landwirtschaft der Faktor Kapital mit Abstand die geringste Rolle spielte, darf er bei einer vereinfachenden Betrachtung vernachlässigt werden. Es bleibt nach dieser Voraussetzung nur noch zu überlegen, nach welchen objektiven Maßstäben das Betriebseinkommen auf die Faktoren Boden und Arbeit aufgeschlüs-
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
73
seit werden soll. Diese Aufgliederung ist bis heute in der Theorie nicht befriedigend gelöst; sie war und ist vielmehr ein Streitpunkt des politischen Tageskampfes. Selbst konventionelle Werte spielten sich nicht ein. So ist es für die Zeit einer Agrarkonjunktur denkbar und auch nachweisbar, daß sich die Bauern über ihren Lohnanspruch hinaus einen Teil der Grundrente aneigneten. Es trat aber auch der umgekehrte Fall ein, daß die Herren über die Verzinsung des Bodens hinaus dem Bauern einen Teil des Lohnanspruchs abzwangen. Wie bei diesen wechselnden Relationen Abels Auffassung gestützt werden kann, wonach die Geschichte der Preise und Löhne den Zugang zur Höhe der Grundrente erschließt [3: Agrarkrisen, 21], ist nicht ersichtlich. Das zugrundeliegende Methodenproblem, das bereits Henning hinreichend abklärte, fand bislang keinen Eingang in die Literatur. Abel antwortete Bois mit abstrakten Überlegungen zur Grundrente, die den Kern nicht treffen, und beschränkte sich auf die Frage, ob der Feudalismus als Ursache der Agrarkrise des späten Mittelalters angenommen werden kann [5: Strukturen, 11 f.]. Auch P. Kriedte übersieht in seinem instruktiven Artikel [106: Agrarkrise, 42-68] das Problem. Ihm geht es um die Verifizierung einer allgemeinen tragfähigen Theorie. Von der von Bois herausgearbeiteten feudalen Ausbeutung der Bauern in der Normandie meint er, sie dürfe aus verschiedenen Gründen nicht verallgemeinert werden. Seine Theorie von der Krise des Feudalismus als Ursache der Agrarkrise sei deshalb abzulehnen. Kriedte resümiert, als einzige Alternative zur Theorie Bois' verbliebe die Theorie Abels, weil sie weniger Angriffsflächen böte. Welche Aussagekraft ihr Kriedte einräumt, wird nicht so recht ersichtlich. Natürlich ist zuzustimmen, wenn auf das von Abel demonstrierte Wirken des Preismechanismus verwiesen wird, der die Wirtschaftsführung auf Bauernhöfen beeinflußte und die Extensivierungs- und Intensivierungsmaßnahmen verursachte [ebd., 59]. Es berührt aber merkwürdig, wenn gegen das Vorgehen Freiburgs eingewandt wird, es erschiene nicht sinnvoll, die ökonomisch scharf umrissenen langen Wellen sozialgeschichtlich umzuinterpretieren, da sie bei diesem Vorgehen von der jeweiligen Sozialstruktur abhängig würden und ihre Bestimmtheit verlören [ebd., 60]. Das heißt doch, die Abweichungen in der Realität zugunsten einer einfacher handhabbaren Theorie zu verwischen. Kriedtes Interpretation kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil sie an Abels eigentlichem Anliegen vorbeigeht. Seine Definition einer Agrarkrise zielt unmißverständlich auf das Ein-
Grundrente als
Marktphänomen
Agrarkrisenmodell als generelle Theorie
Agrarkrisenmodell und Realität
Agrarkrise eine
Einkommenskrise
74
II.
Grundprobleme
der
Forschung
kommen der Bauern (vgl. oben 41). Darin liegt auch der Grund, weshalb marxistische Historiker Abels Modell ablehnen, denn es sagt über die Produktionsverhältnisse, über die sozio-ökonomische Lage der Bauern zu wenig aus. Abhilfe schufen jedoch nicht sie, das blieb vielmehr Henning vorbehalten; und Bois spürte gleichermaßen den dieser Methode anhaftenden Mangel, sonst hätte er nicht die Mikroanalyse durchgeführt. Im Hinblick auf das Einkommen der Bauern, den wichtigsten Faktor ihrer sozialen Lage, kennt die Agrargeschichte kein Theoriedefizit, wohl aber beklagt sie ein nicht unerhebliches Defizit an Quellen und Material. Abschließend muß noch einmal ein Punkt hervorgehoben werSelbstversorgung den, auf den schon Lütge verwies und den auch Bois betonte. Es ist als Knsenpuffer von Marktpreisen unabhängige Selbstversorgung der Bauern, die sie wie ein Puffer vor den Auswirkungen der Agrarkrisen schützte. Kriedte stimmte dieser Ansicht im Grundsatz zu, meinte aber, in der Ostnormandie seien die Verhältnisse wegen der hier ungewöhnlich hohen Feudalquote (surprevelement) mit anderen Regionen nicht zu vergleichen, da sich in ihnen die Markt- und Preisverhältnisse stärker auf die Wirtschaftsführung ausgewirkt hätten. Eine solche Behauptung kann man ohne Zahlenvergleiche aufstellen. Bei dem Mangel an Material kann man sie zumindest zur Zeit auch nicht widerlegen. Die Frage ist allerdings, welche Beweiskraft Behauptungen dieser Art zukommt. Die vorstehend beschriebenen Verhältnisse kann man auch genau umgekehrt sehen. Mit steigender Betriebsgröße wachsen die Überschüsse, die nach Abzug einer ausreichenden Selbstversorgung Betriebsgröße und auf dem Markt abgesetzt werden müssen. Dieser Sachverhalt bliebe Knsenabhangigkeit belanglos, wenn der Absatz nicht zu wechselnden Preisen geschähe; anders ausgedrückt: mit steigender Betriebsgröße wächst die Abhängigkeit von Agrarkonjunkturen und -krisen. Obwohl dieser Zusammenhang allgemein bekannt ist, gebührt doch Freiburg das Verdienst, auf ihn und die damit verbundenen Auswirkungen als erster mit Nachdruck hingewiesen zu haben. Um den Einfluß der Agrarkonjunktur gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf das Einkommen aller landwirtschaftlichen Stelleninhaber in Bayern zutreffend erfassen zu können, konstruierte Freiburg drei Betriebstypen [55: Agrarkonjunktur, 289-327], die in ihrer Abstraktheit nicht überzeugen konnten [106: P. Kriedte, Agrarkrise, 60; 10: W. Achilles, Lage, 135f.]. Auf diese Einteilung kommt es indessen gar nicht an; denn Freiburg geht es im Grunde genommen nur um den Nachweis, eine Agrarkonjunktur könne bestimmte Landbewohner auch
A. Die
Agrarkrisen-
Das ist tatsächlich bei
benachteiligen.
75
Agrarkonjunkturtheorie
und
jenen Stelleninhabern
der
Fall, die bei nicht ausreichender Selbstversorgung auf dem Markt
mehr Lebensmittel zukaufen müssen, als sie dort anbieten können. Steigen die Agrarpreise, so wachsen ihre Ausgaben schneller als die Einnahmen, und sie erfahren einen Einkommensverlust. In Bayern sollen immerhin 51,5 v. H. aller Stelleninhaber in dieser Lage gewesen sein [55: H. Freiburg, Agrarkonjunktur, 322]. Bei Freiburg sind das jene Betriebe, die Lebensmittel zukauften. Daß sie auch Agrarprodukte verkaufen konnten, zieht er gar nicht erst in Betracht. Deshalb ist es erforderlich, sich die Lage der schon mehrfach erwähnten 13 hannoverschen Zuerwerbsbetriebe um 1765 zu vergegenwärtigen. Zwei davon waren Selbstversorger, zwei kauften Getreide und Vieh, fünf weitere ergänzten ihre Getreideerzeugung, vier verbesserten ihre Fleischversorgung. Von diesen vier Betrieben können zwei unbedenklich zu den Selbstversorgern gerechnet werden, da sie ebensoviel Vieh anboten wie zurückerwarben. Ein anderer verkaufte mehr Vieh, als er an Getreide zurückkaufte. Von den 13 Stelleninhabern profitierten also noch fünf von der Agrarkonjunktur wenn auch in geringem Maße -, bei fünf blieben die Zukäufe ziemlich bedeutungslos, und nur drei benötigten derartige Getreidemengen, daß eine Getreidepreissteigerung sie hart treffen mußte [10: W. Achilles, Lage, Tab. H/2]. Noch ein zweiter Grund spricht gegen das Vorgehen Freiburgs. Die Grenze zwischen Vollerwerbs- und Zuerwerbsbetrieben läßt sich nicht wie in Bayern nach Hoffüßen oder anderswo nach Bauernklassen ziehen. Hoffuß oder Bauernklasse waren viel zu unscharf definiert, als daß sie diesem Zweck genügen konnten. So konnte ein Kothof in Niedersachsen oder eine %-Hoffußstelle in Bayern rein landwirtschaftlich bewirtschaftet werden; es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Inhaber sein aus der Landwirtschaft nicht ausreichendes Einkommen durch einen Zuerwerb ergänzte. Somit ist Freiburg aus zwei Gründen bei der Quantifizierung jener gescheitert, die von einer Agrarkonjunktur profitierten oder unter ihr litten. Seine Aussage bleibt jedoch im Grundsatz richtig, und sie ist es auch tendenziell. So stieg bei den kurhannoverschen Betrieben mit über 60 Morgen oder rund 16 ha Ackerland von 1765 bis 1800 das verfügbare Einkommen allein durch die Preissteigerungen um 31,5 v. H., während sich die Betriebe mit weniger als 30 Morgen bereits mit 16,4 v. H. zufriedengeben mußten, und bei den Gemischtbetrieben nahm es sogar um 0,6 v. H. ab. ,
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Betriebsgröße und Nanrungsmittelzukauf
Nichtlandwirtscnaftiicher Zuerwerb und Nah-
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Abgrenzung der Vollerwerbsbetnebe
76
IL Grundprobleme der
2. Die
Forschung
Aussagekraft für das
Einkommen
der Bauern
Falls genügend strittige Größe.
Daten vorhanden sind, ist das Einkommen eine unDie Aufgabe der Buchführung ist es, seine Höhe zu ermitteln. Hierzu würde ein Buch genügen, doch erleichtert es die Übersicht, wenn entsprechend den Produktionszweigen eines Betriebes mehrere Register geführt werden, deren summarische Ergebnisse in das Hauptbuch eingehen. Sehr weit geht die Forderung Thaers nach einer doppelten Buchführung, doch spielte sie in der Frühen Neuzeit praktisch noch keine Rolle und braucht daher nicht berücksichtigt zu werden. Aber auch ein Hausvater wie Germershausen stellte auf diesem Gebiet nicht unerhebliche Anforderungen und hielt immerhin 11 verschiedene Register für notwendig [61: C. F. Germershausen, Hausvater, I 25-31]. In der Praxis sind sicher so viele nicht geführt worden, doch sind bei den Gütern Acker-, Vieh-, eventuell Molkereiregister neben Garten-, Dienst- und Tagelöhnerregistern durchaus üblich gewesen. Im Bedarfsfall kamen noch Register für Brauereien und Brennereien hinzu. Eine Buchführung setzten aber auch die Wirtschaftstheoretiker Buchführung als grundsätzlich voraus. Die Kameralisten mußten darauf dringen, um Erfolgskontrolle m ^jg Staatseinnahmen und -ausgaben überschaubar zu machen. Gutsbetneben Selbstverständlich forderten sie solche Buchfuhrungsergebnisse nicht nur den Verwaltern der Domänen ab, sondern auch von jenen, die den Forsten, Bergwerken, Hütten und anderen gewerblichen Unternehmungen des Staates vorstanden. Im allgemeinen entsprach die kameralistische Buchführung schon den heutigen Anforderungen. Nur die Abschreibungen als eine Position des Sachaufwandes bereiteten damals deutliche Schwierigkeiten. Auch Quesnay setzte einen Abschluß voraus, da andernfalls der produit net der grande culture, also der landwirtschaftlichen Großbetriebe, nicht zu ermitteln war. Wollte man ihn steigern, um auf diesem einzig möglichen Wege den Nationalreichtum zu heben, so war eine Buchführung zur Erfolgskontrolle unerläßlich. Eine Buchführung ist auch für Smith unumgänglich. Bereits die Definition des natürlichen Preises setzt sie voraus, und ohne Ermittlung des Gewinns könnte das Kapital nicht dorthin wandern, wo es seine höchste Rendite findet. ,
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Herrschte somit große Einigkeit über das Erfordernis, Bücher Buchführung für zu führen, so muß diese Feststellung doch vorerst auf die GutsbeBauern unnötig triebe beschränkt werden. „In kleinen Wirtschaften", meinte Ger-
A. Die
Agrarkrisen- und Agrarkonjunkturtheorie
77
„gehe es wohl noch so hin, daß es der Hausvater auf seinen Fleiß, Stätigkeit in seinen Principien und gutes Gedächtnis alles allein ankommen läßt." Nur wenige und sich gleichbleibende Merxhausen,
er zu überschauen. Es genügten zwei Grundsätze: Die ererbten Barschaften niemals anzugreifen, und der hauptsächliche, in einem schlechten Wirtschaftsjahr weniger als in einem guten auszugeben [ebd., I 33]. Offenbar sah Germershausen die Wirtschaft eines Bauern ausgesprochen statisch. Hierzu paßt nicht sein Lob moderner Anbauverfahren nebst ihren positiven Rückwirkungen auf die Viehhaltung. Die Bauern waren nicht ganz so schreibunlustig, wie allgemein angenommen wird. Nachdem von volkskundlicher Seite die sogenannten Anschreibebücher der Bauern entdeckt worden sind und systematisch gesammelt werden, sind durchaus Ergebnisse zu erwarten, die einer ökonomisch ausgerichteten Agrargeschichtsschreibung großen Nutzen stiften können. Wie eine Ertrags-Aufwandsrechnung durchzuführen ist, wurde bereits dargestellt (vgl. oben 46-49). Die nachstehende Form erscheint jedoch dienlicher, wenn der Zusammenhang veranschaulicht werden soll, der zwischen dieser Rechnung und den von Abel verwendeten Preis-Preis- und Preis-Lohn-Scheren besteht. Die größten Betriebe wurden ausgewählt, da sie nach Abel am stärksten von Agrarkrisen oder -konjunkturen betroffen wurden. Sie erwirtschafteten den höchsten Rohertrag je Betrieb und konnten die höchste Marktquote zum Verkauf bringen. Deshalb eignen sich Großbetriebe am ehesten für den Zweck, den Einfluß des Marktgeschehens auf das Einkommen der Bauern zu untersuchen. Zwei kurze Bemerkungen genügen, um den Abstand zu zeigen, der zwischen den Produktions- und Einkommensverhältnissen der 15 größten kurhannoverschen Bauernhöfe und den als durchschnittlich anzusehenden bestand: 1. Die Höfe bewirtschafteten im Schnitt 26,5 Preisentwicklung ha Ackerland. Höfe dieser Größe machten in den deutschen Land- und Betriebsgröße Schäften immer nur einen geringen Anteil an der Zahl aller Vollerwerbsbetriebe aus. 2. Die Bodenfruchtbarkeit lag gleichfalls über dem Durchschnitt. Sie konnte den Rohertrag noch stärker beeinflussen als die Betriebsgröße. Dieser Zusammenhang war den Zeitgenossen durchaus geläufig und kommt sehr schön in der Definition des bayerischen Hoffußes zum Ausdruck, der den Bauernfamilien ein annähernd gleich hohes Einkommen sichern sollte. War es im Preisentwicklung Amt Moosburg auf einigen Betrieben bereits auf 100 Tagewerken zu und Bodenfmchterzielen, so wurden in weniger fruchtbaren Gebieten 300 dafür benötigt [162: J. Fried, zitiert nach Schremmer, Agrarstruktur, 50].
Wirtschaftsobjekte hatte
IL Grundprobleme der Forschung
78
Sonstiges (u.a. Fuhren,
\
Lohnarbeiten)
s
Rohertrag
Ausgaben
-
-
504 T.
504 T.
r
Baranteil 59 T.
=
Boden-
produktion
-
Naturaler
123 T.
Anteil =
126 T.
Viehproduktion
=
41 T.
Naturalentnahmen
für die Feudalquote =
Feudalquote
77 T.
-
Naturallohn 100 T.
Barlohn
=
Naturalent-
141 T.
IAK,_nxL,
nahmen
=
44T.
Naturallohn 100 T.
-
Privatentnahme - 126 T.
Sachaufwand 34 T. =
Abbildung 3: Ertrags-Aufwands-Rechnung für die 15 größten erhobenen kurhannoverschen Betriebe mit über 16 ha Ackerland um 1765 M Menge, P Preis, L Lohn, AK Arbeitskraft =
=
=
=
Als herausragende Position erweisen sich in Abb. 3 auf den erBlick die Verkäufe aus der Bodenproduktion. Sie betreffen jedoch nur zu rund 75 v. H. das Getreide, eine Relation, die auch für die übrigen Betriebsgrößen gilt. Getreidepreiserhöhungen dürfen infolgedessen nur auf den Anteil des Getreides bezogen werden. Er macht von den 123 T. nur 93 T. aus. Dabei ist es gleichgültig, in welcnem Umfang die einzelnen Getreidearten an der Verkaufsquote beteihgt waren. Die Preisinterdependenz zwischen ihnen ist so hoch (r 0,9), daß unbedenklich der von Abel verwendete Roggenpreis auf die Gesamtquote bezogen werden darf. Stiegen beispielsweise die Preise um 10 v. H., so nahmen die Großbauern 9,3 T. mehr ein, und ihr Einkommen stieg von 185 T. auf 194,3 T. oder um 5,0 v. H. Dieses Ergebnis ist nicht gerade beeindruckend, wobei daran erinnert werden muß, daß es Großbauernhöfe betrifft, bei denen sich sten
Einfluß der Getreidepreise auf das Einkommen
_
=
.
,
....
...
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
79
das Marktgeschehen in größtmöglicher Weise auswirkte. Wie mag es dann erst bei den Kleinbauern ausgesehen haben? Auf diese Frage gibt die Ertrags-Aufwands-Rechnung für die 17 kleinsten kurhannoverschen Vollerwerbsbetriebe Auskunft, die im Schnitt nur 6,3 ha Ackerland bewirtschafteten. Sie verkauften nur für knapp 15 T. Getreide, so daß bei einer gleich hohen Preissteigerung ihr verfügbares Einkommen in Höhe von 139 T. nur noch um 1,5 T. oder 1,1 v. H. anwuchs. Nimmt man den Grundgedanken Freiburgs auf, so wäre zu überlegen, ob man in Hinblick auf Agrarkrisen und -konjunkturen nicht eine Dreiteilung des Bauernstandes vornehmen sollte, nämlich in solche Bewirtschafter, die von einer Konjunktur profitierten, in solche und deren Zahl dürfte ganz beträchtlich gewesen sein -, die praktisch die Auswirkungen nicht verspürten, und schließlich in jene, deren Einkommen bei Agrarpreiserhöhungen sank. Das Datum der kurhannoverschen Enquete, das Jahr 1766, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vor allem im südlichen Zunehmender EinTeil des Kurstaates wurde bereits einer recht intensiven Wirtschafts- fluß der Preisentwährend weise mit weitgehender Besömmerung des Brachschlages der Vor- wicklung der Frühen Neuzeit zug gegeben. Diese Verhältnisse dürften jedoch für ganz Deutschland erst um 1800 als repräsentativ zu bezeichnen sein. Die Epoche der Frühen Neuzeit begann indessen dreihundert Jahre früher. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wurden um 1500 deutlich geringere Roherträge erzielt, und da der Eigenbedarf als weitgehend konstant anzusehen ist, müßte die Verkaufsquote überproportional niedriger gelegen haben. Die Zahl derer, die von der Agrarkonjunktur des 16. Jahrhunderts praktisch unberührt blieben, müßte demnach erheblich größer ausgefallen sein als im späten 18. Jahrhundert. Wegen der deutlich geringeren Höhe konnten die Verkäufe aus der Tierproduktion weit weniger das Einkommen der Bauern beein- Einfluß der Viehflussen als die des Getreides. Hinzu kommt ein weiterer Grund. preise auf das Einkommen Während die Nachfrage nach Getreide oder Brot weitestgehend unelastisch ist, gilt das für Fleisch nur im abgeschwächten Umfang. So sind während des 16. Jahrhunderts die Roggenpreise auf das Vierfache geklettert, während die Preise für Vieh und tierische Produkte nur das Zweieinhalbfache erreicht haben [4: W. Abel, Geschichte, 192 f.]. Bei einer zehnprozentigen Getreidepreiserhöhung wären also die tierischen Erzeugnisse nur um 6 v. H. teurer geworden. Der Einkommenszuwachs hätte sich bei den Beispielsbetrieben auf 2,5 T. oder 1,3 v. H. belaufen. Demnach waren die Viehpreise für die Großbauern nur von geringem Interesse. -
-
-
80
II.
Grundprobleme der Forschung
Anders sieht es jedoch bei den Kleinbetrieben aus. Bei ihnen spielte und spielt die Viehhaltung eine relativ größere Rolle. Das äußert sich bereits in den Verkäufen, die mit 35 T. nur wenig hinter denen der Großbetriebe mit 41 T. zurückblieben. Unterstellt man wiederum eine sechsprozentige Preiserhöhung, so wuchs das verfügbare Einkommen in Höhe von 139 T. um 2,1 T. oder 1,5 v. H. Ist dieser Einkommenszuwachs auch alles andere als beeindruckend, so übertrifft er doch den durch eine zehnprozentige Getreidepreiserhöhung mit 1,4 v. H. spürbar. Für die Kleinbetriebe, also die Mehrzahl aller Bauernbetriebe, waren in erster Linie die Viehpreise von Bedeutung, während die Bedeutung der Getreidepreise deutlich dahinter zurückblieb. Diese Umkehrung der Rangfolge hat vor allem für jene Geringe Bedeutung Regionen Gewicht, in denen, wie im Allgäu, ein hoher natürlicher des Agrarkrisen- Grünlandanteil gegeben war. Für solche Gebiete dürfte das Abelmodells für viehstarke Betriebe sche Agrarkrisenmodell nur geringe Aussagekraft besitzen. Nachdem der Einfluß der Preiskurven auf das Einkommen der Bauern untersucht worden ist, muß noch die Bedeutung steigender oder fallender Löhne (Fremdlöhne) abgewogen werden, die sich dem AßELschen Modell zufolge ebenfalls darauf auswirken. Auf der Ausgabenseite ist die Position der Löhne die gewichtigste, und tatsächlich konnte am Material der kurhannoverschen Enquete beobachtet werden, daß der Umfang der Gesindehaltung das Einkommen der Großbauern stark verändern konnte. Da jedoch die Lohnerhöhungen nur den Geld-(Bar-)lohn betreffen, der auf ungefähr ein Drittel des Gesamtaufwandes für Löhne zu beziffern ist, nimmt Einfluß der Fremd- die Bedeutung dieses Rechnungspostens wieder erheblich ab. Stielöhne auf das die Löhne um 10 v. H., so verlor der Großbauer Einkommen gen beispielsweise und das waren 4,4 T., 2,4 v. H. seines verfügbaren Einkommens. Dieses Ergebnis ist jedoch recht theoretischer Natur. Auch der Großbauer verkaufte seine Arbeitskraft, indem er Fuhren übernahm und die Felder gespannloser Wirte bestellte. Forderten Gesinde und Tagelöhner höhere Löhne, wird er ganz sicher auch seine Ansprüche im gleichen Umfang höher geschraubt haben. Für die Fuhren und Löhne nahm er seinerzeit fast ebensoviel ein wie die Position „Sonstiges" mit 37 T. ausweist -, wie er an Barlöhnen ausgab. Infolgedessen ist mit einer weitgehenden Kompensation steigender Ausgaben und vermehrter Einahmen zu rechnen, so daß den Löhnen längst nicht jener Einfluß auf das Einkommen der Bauern zukam, Geringe Bedeutung wie Abel meinte. Es wäre auch noch nachzufragen, ob die Lohnbeder Löhne für im städtischen Bereich, auf die Abel weitgehend zurückGroßbauern wegung in den Gesindelöhnen ihre Entsprechung fand. griff, Vorrangige Bedeu-
tung der Viehpreise für Kleinbauern
-
A. Die
Agrarkrisen- und Agrarkonjunkturtheorie
Da Kleinbauern
nur
81
wenig Fremdarbeitskräfte beschäftigen,
nicht, wenn um 1765 die kleinsten Vollerwerbsbetriebe nur 11 T. dafür ausgaben. Eine Lohnerhöhung um 10 v. H. kostete sie also 1,1 T. oder 0,8 v. H. ihres verfügbaren Einkommens. Das ist nicht nur eine marginale Größe. Da diese kurhannoverschen Kleinbauern durch Lohnarbeiten 18,3 T. zuverdienten, gewann sie 1,8 T. Geringe Bedeutung Löhne für zurück, so daß die Mehrausgabe überkompensiert wurde. Lohnstei- der Kleinbauern verschafften ihnen also der die dem Vorteile, Gefüge gerungen erstaunt
es
Preis- und Lohnkurven nicht zu entnehmen sind. In anderer Hinsicht waren Löhne allerdings für die Bauern wichtig: Die Position „Sachaufwand" enthält in nicht geringem Umfang Handwerkerlöhne, die für Reparaturen der Gebäude und des toten Inventars ausgegeben werden mußten, weil der Bauer diese Arbeiten nicht mehr selber ausführen konnte. Am härtesten trafen ihn die Ausgaben für den Schmied, doch steckten darin nicht unerhebliche Anteile für das verarbeitete Eisen und die Kohlen, so daß vor allem die Eisenpreise von nicht zu unterschätzender Bedeu-
tung
Löhne und Sachaufwand
waren.
Schwierig, wenn nicht unmöglich ist es, über die Bedeutung der Löhne zu Beginn der Frühen Neuzeit etwas Konkretes auszusagen. Mit Sicherheit wurde noch nicht mit jener Intensität gewirtschaftet,
wie sie bei den kurhannoverschen Betrieben um 1765 anzutreffen Bedeutung der war. Darauf verweisen bereits die aus anderen deutschen Land- Löhne während der schaften berichteten Anbauverhältnisse. Dennoch ist nicht sicher, ob man tatsächlich mit weniger Arbeitskräften ausgekommen ist. Zum einen bereitete bei kleinen Betrieben die Anpassung des Arbeitskräftebesatzes an den Bedarf Schwierigkeiten, weil bei der geringen Personenzahl bereits eine Kraft den Besatz unverhältnismäßig stark vergrößerte oder verminderte. Zum andern hielt man auf bestimmten Betriebsgrößen gewohnheitsmäßig eine bestimmte Anzahl an Knechten und Mägden, und solche herkömmlichen Relationen änderten sich nicht so rasch. Nur eins dürfte einigermaßen sicher sein, nämlich der geringere Bargeldanteil an den Löhnen zu Beginn der Frühen Neuzeit. Der Lohnkurve ist deshalb während dieser Zeitspanne nur geringe Bedeutung zuzumessen. Die Diskussion der Frage, welche Aufschlüsse Preis-Preis- und Preis-Lohn-Kurven über die wirtschaftliche Lage der Bauern geben, kann nicht abgeschlossen werden, da noch der wichtigsten Position Einfluß der FeudalAufmerksamkeit gebührt: der Feudalquote. Der Vorwurf von mar- iuote auf das .
r.
xistischer Seite, Abel habe die Produktionsverhältnisse nicht gebührend berücksichtigt, ist vordergründig. Er selbst hat den „Mittelbau•
o
•
,•
..,
Einkommen
82
Bisherige Maßstäbe für die Belastung
Bedeutung der Preis- und Lohnkurven für die Wirtschaftsgeschichte
ii.
Grundprobleme
der
Forschung
ern" als repräsentativ für die deutsche Landwirtschaft angesehen und unzweideutig hinzugesetzt, dessen Hof befriedige noch die wesentlichsten Bedürfnisse und betont: „Die entscheidenden Größen seiner Wirtschaftsrechnung waren die Dienste und Abgaben, die er an Grund-, Leib-, Gerichts- und Landesherrn zu leisten hatte" (vgl. oben 81). Diese Aussage kann keineswegs als bloße Absichtserklärung gewertet werden. Schon ein flüchtiger Blick in Abels „Geschichte der deutschen Landwirtschaft" [4] genügt, um die entsprechenden Angaben zu finden. Die Darstellungsweise ist dort allerdings nicht einheitlich. Die Angabe der Belastung in Prozent des Getreiderohertrages oder des gesamten Rohertrages ist methodisch am schwächsten und praktisch ohne Aussagekraft (vgl. oben 49; unten 82 f.). Selbst seine Darstellung der Ertrags-Aufwands-Rechnungen befriedigt nicht, weil immer nur die Prozentanteile des verfügbaren Einkommens am Rohertrag angegeben werden [ebd., 267]. So wird für drei Petzer Meierhöfe ein Einkommensanteil von 15 v. H., für das gesamte Dorf Evessen von 30 v. H. angegeben. Diese Werte können aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine unterschiedliche Belastung ausweisen; die erforderlichen Vorbedingungen dürften höchstens in Ausnahmefällen zu erfüllen gewesen sein (vgl. unten 99 f.). Dementsprechend ist bei einer Veränderung der Prozentwerte das Gewicht zusätzlicher Belastungen nicht sicher abzuschätzen. Aber gerade dieses Mehr ist es, das Revolten auslöst. Mit langanhaltenden Verhältnissen hatten sich die Bauern zumeist abgefunden. Ganz offensichtlich arbeitet Abel also mit zwei Methoden zugleich: den Preis- und Lohnkurven sowie mit Ertrags-AufwandsRechnungen. Beide lassen sich nicht miteinander vereinen. Steigen beispielsweise in einer Region Getreidepreise und Löhne gleichmäßig an, so wirkt sich das bei Betrieben unterschiedlicher Art und Größe in der Ertrags-Aufwands-Rechnung auch unterschiedlich aus. Es ist dabei ohne Belang, ob man die Steigerung in Relativzahlen oder absoluten Werten ausdrückt. Es ist in jedem Falle unmöglich vorherzusehen, in welchem Umfang sich das Einkommen verändert. In krassen Fällen ist noch nicht einmal vorherzusagen, ob es sinkt oder steigt (vgl. oben 69). Mit diesen Feststellungen werden Preis- und Lohnkurven, besonders die erstgenannten, keineswegs als wertlos für die Wirtschafts- und Agrargeschichte deklariert. Sie stellen vielmehr ganz wesentliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft dar. Preiserhöhungen stimulierten Innovationen, die sicherlich zuerst von
A. Die
Agrarkrisen-
und
83
Agrarkonjunkturtheorie
den Gütern, später in nicht unerheblichem Umfang auch von den Bauern übernommen wurden. Steigende Preise regten zur Forschung nach den Ursachen an, als deren wesentlichste Abel die Bevölkerungsvermehrung herausfand. Das sich in Preiserhöhungen spiegelnde Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei einer wachsenden Einwohnerschaft hatte schon Malthus zu seinen Theorien angeregt, und wenn er auch für die Gegenwart nicht recht behalten hat, so sollte man doch den Pauperismus im frühen 19. Jahrhundert nicht übersehen. In diesen Jahrzehnten wurden seine Be'fürchtungen für viele bittere Wirklichkeit. Stagnierende oder gar fallende Löhne sind dann nur noch ein Spiegelbild derselben Erscheinung. Sie sind gleichzeitig eine Bestätigung für die aus den Preisreihen gezogenen Schlüsse. Steigende Preise können aber auch die Grundherren anregen, die Abgaben zu steigern oder gar Bauern zu legen und das Land steigende Preise und Feuda,quote zum eigenen Betrieb zu schlagen. Infolgedessen ist es nötig, anhand der kurhannoverschen Beispielsbetriebe (Abb. 3, S. 78) noch einige grundsätzliche Feststellungen zur Bedeutung der Feudalquote zu treffen. Es wäre zu schlicht, wie zuvor einfach eine Steigerung dieser Quote um 10 v. H. zu unterstellen und auszurechnen, die Großbauern verlören dadurch 14 T. am Einkommen, und das wären immerhin 7,4 v. H., womit alle zuvor ermittelten Veränderungsraten deutlich übertroffen würden. Eine Erhöhung der gesamten Feudalquote ließ sich nämlich nicht durchsetzen. Grundsätzlich ist der Zehnte als feststehende Naturalquote auszuklammern, da er definitionsgemäß den 10. Teil des Naturalertrages auf dem Felde betrifft. Seine Höhe schwankte also ausschließlich mit der Höhe der Ernte, war aber als Relation unveränderlich. Danach sinkt die Feudalquote bereits von 141 T. auf 106 T. Behielte Lütge recht mit seiner These, wonach Dienste und Abgaben im 17. und 18. Jahrhundert in Gestalt fester Geldrenten fixiert worden seien [120: Agrarverfassung, 178-181], so müßten auch hierfür die entsprechenden Beträge herausgenommen werden, und es verblieben nur noch 48 T. für die Steuern. Für die beiden weifischen Staaten, Hannover und Braunschweig, traf die Fixierung auch tatsächlich zu, aber Verallgemeinerungen sind sicherlich unzulässig (vgl. oben 51). Mit Nachdruck muß noch auf einen weiteren Tatbestand hingewiesen werden. Befanden sich alle feudalen Berechtigungen der Zehnte ist auch in diesem Falle bedeutungslos in einer Hand, so konnte die restliche Feudalquote leicht erhöht werden, Ballung der weil kein weiterer Angehöriger der Feudalklasse oder der Staat da- Herrenrechte -
-
84
II.
Grundprobleme der Forschung
gegen Einspruch erhob, aus Furcht, er könne seine Abgaben jetzt nicht mehr eintreiben. Auch ohne den Zehnten behielt die Feudalquote einen Umfang, dessen Veränderung vor allen anderen Positionen der Ertrags-Aufwands-Rechnung über die wirtschaftliche Lage des Bauern entschied. Eine solche Ballung der Herrschaftsmacht ist für Oldenburg und Anhalt zu konstatieren und genauso für die südwestdeutschen Kleinstterritorien, denen Blickle seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Zumindest die Feudalquote ohne den Zehnten müßte sich in vielen Fällen exakt ermitteln lassen, da hierfür die QuellenFeudalquote und lage mit einigem Vorsprung die beste ist. Für die AgrargeschichtsQuellenlage schreibung liegt die Schwierigkeit darin, daß jeder deutsche Territorialstaat während der Frühen Neuzeit eine autonome Agrar- und Steuerpolitik trieb, und die wenigen Mosaiksteinchen, die bislang vorliegen, wollen sich noch nicht zu einem Bilde fügen.
Auf der Einnahme-Seite
waren
-
Einfluß höherer Getreideernten auf das Einkommen
Steigende Viehpreise und Einkommenserhöhung
die verzehrten und verkauften
Mengen von großem Gewicht: Veränderten sie sich, so beeinflußten sie das Einkommen des Bauern viel stärker, als das Preisschwankungen vermochten. Diese Aussage läßt sich durch eine Rechnung erhärten. Bei den großen kurhannoverschen Betrieben entfielen einschließlich der Naturalentnahmen 63,4% des Rohertrages oder rund 320 T. auf die Bodenproduktion, woran das Getreide mit ungefähr 245 T. beteiligt war [10: W. Achilles, Lage, 64 u. 154]. Gelang es den Bauern gegen Ende der Frühen Neuzeit, ihre Erträge um 10 ceteris paribus ihre Verkaufsv. H. zu steigern, so erhöhten sich erlöse nach Abzug des Zehnten um 22 T., während die zehnprozentige Preiserhöhung nur 9 T. ausgemacht hatte (s.o.S. 78). Die gleiche Rechnung ergibt für die kleinen Vollerwerbsbetriebe naturgemäß niedrigere Werte, aber eine noch günstigere Relation. Der Wert ihrer Getreideproduktion lag bei 62 T., so daß nach Abzug des Zehnten das Einkommen um 5,6 T. stieg. Eine prozentual gleich hohe Preissteigerung hatte ihnen dagegen nur 1,5 T. beschert. Die Verkäufe aus der Tierproduktion stellen wie bei der Bodenproduktion formal ebenfalls die Summe aller Produkte aus der Stückzahl und den zugehörigen Preisen dar. Im Vergleich zur Bodenproduktion treten jedoch einige bedeutende Unterschiede auf. Die Relation zwischen erzeugter und verkaufter Menge ist erheblich enger. So belief sich bei den großen kurhannoverschen Betrieben der Wert der Tierproduktion einschließlich der Naturalentnahmen -
auf 148 T., wovon 41 T. oder 28 v. H. auf den Verkauf entfielen. Die Kleinbauern erwirtschafteten zwar immer noch einen Wert in Höhe
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
85
103 T., doch gaben sie Vieh im Werte von 35 T. oder 34 v. H. ab, das nötige Bargeld zu erhalten. Da die Einnahmen aus Verkäufen tierischer Produkte weit hinter denen der Bodenproduktion zurückblieben, konnten Preissteigerungen das Einkommen der Bauern nur unerheblich verbessern. Hinzu kommt die schwächere Elastizität der Nachfrage, so daß bei einer zehnprozentigen Erhöhung des Getreidepreises nur mit einer Preissteigerung von 6 v. H. gerechnet werden kann (vgl. oben 79, aber auch 50). Bei den unterstellten Verhältnissen würden die Großbauern 2,5 T., die Kleinbauern 2,1 T. mehr einnehmen. Die verfügbaren Einkommen beider Gruppen stiegen um 1,3 v. H. und 1,5 v. H. Solche Einkommensverbesserungen kann man unbedenklich als belanglos abtun. Das sieht aber ganz anders aus, wenn man analog zu den Ernten die Viehhaltung um 10 v. H. ausdehnt. Jetzt betragen die Mehrerlöse immerhin 14,8 T. und 10,3 T., wodurch die jeweiligen Einkommen um 8,0 v. H. und 7,4 v. H. angehoben werden könnten. Die vorgestellten Überschlagsrechnungen führen zu zwei Schlüssen: 1. Es ist nicht sonderlich ergiebig, in der Epoche der Frühen Neuzeit danach Ausschau zu halten, wann die Viehpreise stiegen oder fielen, da sie das Einkommen kaum beeinflußten. 2. Es ist jedoch zu überlegen, wann sich der Umfang der Viehhaltung verändert haben könnte. Sie dürfte im 16. Jahrhundert durch die Ausdehnung des Ackerbaues eher eingeschränkt worden sein. Dagegen bestand nach dem Dreißigjährigen Kriege, falls ein aufstockbarer Bestand die Wirren überdauert hatte, eine ganz beträchtliche Chance, wüste Äcker zu beweiden, also mehr Vieh zu halten, mehr zu verkaufen und auf diese Weise Einkommensverluste auszugleichen, die durch die niedrigen Getreidepreise hervorgerufen wurden. Am Boom in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war aber auch die Viehhaltung ursächlich beteiligt, falls man den Ackerfutterbau forcierte. Besser gefütterte Kühe lieferten nicht nur mehr Mist, wodurch sich die Ernten erhöhten, sie brachten auch mehr Milch, wodurch ebenfalls die Einnahmen gesteigert wurden. Welch kumulativer Effekt in dieser Zeitspanne die Einkommen der Bauern förmlich hochschnellen ließ, wurde bereits an den Mitgiften weichender Erben in zwei braunschweigischen Ämtern gezeigt (vgl. oben 50). von um
Intensivierung der Viehhaltung und Einkommens-
erhöhung
Wechselnder Um-
fang der Viehhaltung
IL
86
Die
Grundprobleme
der
Forschung
Aussagekraft für das Einkommen der Gutsbesitzer
Spekulationsobjekt
Güter als
Starker Einfluß der
Preisbewegung
Hausse-Spekulation?
Güter sichere
Kapitalanlage
Die gegenüber den Bauernhöfen weit stärkere Konjunkturabhängigkeit der Güter ist bereits dargestellt und begründet worden (vgl. oben 48). Hierin liegt der entscheidende Grund, daß in Zeiten einer Hochkonjunktur, also in der jeweils zweiten Hälfte des 16. und 18. Jahrhunderts, Güter zu einem gesuchten Anlageobjekt wurden, deren Erwerb ständig steigende Renditen versprach. Diese optimistische Ertragserwartung stützte sich auf die in den zurückliegenden Jahrzehnten laufend gestiegenen Getreidepreise und die Annahme, diese Preisentwicklung würde sich auch zukünftig fortsetzen. Bekanntlich standen dem Besitzwechsel trotz des Lehnsnexus keine rechtlichen Hindernisse im Wege, so daß Kauf und Verkauf eines Gutes praktisch ungehindert vonstatten gehen konnten. Aus dem außerordentlich ähnlichen Verlauf der Preis- und Lohnkurven im 16. und 18. Jahrhundert schloß Abel in beiden Fällen auf ein erhebliches Ansteigen der Grundrente, deren Erhöhung er für die Wertsteigerung der Güter verantwortlich machte [4: Geschichte, 204, 287]. Die Gleichsetzung von Grundrente und Einkommen soll der Vereinfachung halber vorerst undiskutiert bleiben. Somit läßt sich folgende Feststellung treffen: Während bei den Bauern die Einkommenserhöhung deutlich hinter der Rate der Preissteigerung zurückblieb, kann der Einkommenszuwachs der Güter ihr entsprochen haben. Stiegen also jeweils in der zweiten Hälfte des 16. und 18. Jahrhunderts die Getreidepreise um rund 100 v. H., so kann auch annähernd eine Verdoppelung der Verzinsung des Bodens und Besatzkapitals angenommen werden, die ungefähr mit dem Einkommen des Gutsbesitzers gleichgesetzt werden kann. Anders ausgedrückt, auch der im Gut steckende Kapitalwert hatte sich verdoppelt. Hält man sich an die von Abel berichteten Verkaufswerte, so geht ihre Steigerung weit darüber hinaus [3: Agrarkrisen, 133-135, 214]. Was veranlaßte die Käufer, ihre Konkurrenten zu überbieten und einen ökonomisch nicht vertretbaren Preis zu bezahlen? Zwei Antworten seien hierauf versuchsweise gegeben. I. Landbesitz galt als ausgesprochen sichere Kapitalanlage, bei der man sich mit einer geringeren Verzinsung zufriedengab. Außerdem verschaffte der Besitz eines Gutes Prestige und politischen Einfluß, zumal wenn man damit auch die Landtagsfähigkeit erwarb. Besonders im 16. Jahrhundert gelang manchem städtischen Kaufmann der Aufstieg in den Adelsstand, nachdem er sich zuvor auf dem Lande
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
87
hatte. 2. Es genügt nicht, nur das Steigen der Grundrente beobachten, das sich aus der Verengung des Nahrungsspielraums ergibt, die den Landwirten ohne eigene Leistung steigende Agrarpreise verschaffte (vgl. oben 42). Zuwächse an Einkommen sind darüber hinaus auch durch eigene Anstrengungen zu erzielen, und sie beschreibt recht anschaulich v. Engel. Er machte sich schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts Gedanken darüber, weshalb in Sachsen die Güterpreise nicht mehr stiegen, jedoch die Pachtsummen für Güter immer mehr in die Höhe getrieben wurden. Von den Ursachen, die solche zum Teil phänomenalen Erhöhungen des Pachtgeldes zuließen, stellte Engel zwei heraus, nämlich den verstärkten Anbau von Lein und von Rübsen. Mit dem Anbau dieser beiden Früchte, so urteilte er, sei erstaunlich viel Geld zu verdienen [43: Briefe, 67]. Die fortschrittlichen Landwirte begnügten sich demnach keineswegs mit jener Einkommensverbesserung, die ihnen durch die Preissteigerung ohne eigene Anstrengung zuwuchs. Vielmehr intensivierten sie den Ackerbau, um darüber hinaus ein noch höheres Einkommen zu erwirtschaften. Dieser Teil der Einkommenserhöhung läßt sich jedoch nicht aus Preis- und Lohnkurven herauslesen. Beschränkt man sich auf ihre Interpretation allein, so verengt sich der Blick auf unzulässige Weise. Die Handlungsweise von Gutskäufern oder -pächtern gleicht dann scheinbar unökonomischem Tun oder wird als reine Hausse-Spekulation gedeutet, während sie durchaus auf nüchterner Kalkulation der fortschrittlichsten Landwirte beruhen kann. Die feudale Institution der Frondienste war bekanntlich im 18. Jahrhundert heftig umstritten. Die Diskussion erreichte jedoch in der Regel nur geringen Tiefgang, und die Berechtigten beschränkten sich fast immer darauf, stereotyp die Behauptung zu wiederholen, ohne solche Dienste seien ihre Güter nicht rentabel zu bewirtschaften. In dieser Form ist die Aussage sicher falsch, war es doch den Bauern möglich, im Unterschied zu den weitestgehend exemten Gutsbesitzern die Feudalquote zu entbehren und Steuern zu bezahlen. Die Behauptung gewinnt erst wieder einen Sinn, wenn man sie umformuliert. Gemeint war nämlich, ohne Frondienste hätten die Güter nur ein Einkommen abgeworfen, das ihren Besitzern nicht länger erlaubt hätte, jenen Lebensstil fortzusetzen, den sie für standesgemäß hielten. Tatsächlich wurde die Boden- und Kapitalverzinsung eines Gutes nicht unbeträchtlich durch die Frondienste beeinflußt. Zwar wäre auch das verfügbare Einkommen der kurhannover-
angekauft
zu
Einkommenssteigerung übertrifft Grundrenten-
erhöhung
Verbesserung der Produktionsteehnik
Bedeutung der Dienste für die Güter
88
Privatentnahmen für das Einkommen unbedeutend
II.
Grundprobleme
der
Forschung
sehen Großbauern, die am stärksten unter der Dienstlast litten, bei einem Fortfall der Dienste um 11 v. H. gestiegen, doch hätten in diesem Falle die Gutsbesitzer einen weitaus höheren Teil ihres Einkommens verloren. Das beweist eine Überschlagsrechnung, die in Anlehnung an eine von D. Saalfeld bearbeitete und von Abel veröffentlichte Tabelle [4: Geschichte, 215] durchgeführt wird. Legt man für ein Gut eine Durchschnittsgröße von 400 ha zugrunde und rechnet man den Wert der Pflanzen- und Tierproduktion der kurhannoverschen Großbauernbetriebe auf diese Größe hoch, so erhält man rund 7040 T. Hiervon war der Sachaufwand in Höhe von rund 500 T. abzuzweigen. Außerdem galt es, 20 ständige Fremdarbeitskräfte zu entlohnen, denn die Tätigkeit eines Verwalters und seiner Helfer, des Melkers oder der Hirten konnte nicht von frondienstpflichtigen Bauern übernommen werden. Da um 1765 eine Arbeitskraft 50 T. kostete, um 1800 waren es sogar 70 T. (vgl. oben 24), mußten schon um 1765 1000 T. dafür angesetzt werden. Dem Gutsbesitzer verblieben jetzt noch 5540 T. Saalfeld rechnete die zusätzlich benötigten Frondienste in Vollarbeitskräfte um, indem er 300 Dienst-Tage der Leistung einer Vollarbeitskraft gleichsetzte. Im Schnitt waren dann noch 40 Vollarbeitskräfte erforderlich, für die bei einem Ausfall der Dienstberechtigung 2000 T. aufzubringen gewesen wären. Von den 5540 T. hätte der Gutsbesitzer demnach 2000 T oder 36 v. H. verloren. Auch wenn man Frondienstpflichtige in ihrer Arbeitsleistung nicht Lohnarbeitskräften gleichsetzen darf, so blieb der Verlust für den Gutsbesitzer doch beträchtlich. Die stärkere Konjunkturabhängigkeit der Gutsbesitzer ergibt sich noch aus einem weiteren Grund. Bei den Bauern (vgl. Abb. 3, S. 78) bestanden zwei Drittel des Einkommens aus Erzeugnissen des eigenen Hofes, die von den Preisschwankungen nicht berührt wurden. Wird eine gleich hohe Privatentnahme wie bei den Bauern unterstellt, so machen 126 T. gegenüber einem Einkommen von über 5000 T. einen nicht erwähnenswerten Bruchteil aus. Standesgemäß leben hieß für Gutsbesitzer also nicht, wie das für Bauern galt, sich im wesentlichen satt zu essen und zu kleiden, sondern Geld für Güter des gehobenen Bedarfs auszugeben. Da auf der Ausgabenseite der Ertrags-Aufwands-Rechnung die Naturalentnahmen fast schon bedeutungslos waren und auf der Ausgabenseite auch der Sachaufwand nur eine geringe Summe erforderte, ist bei dem hohen Anteil der von den Gütern getätigten Getreideverkäufe an ihren Einnahmen [149: D. Saalfeld, Bauern Wirtschaft, 84] anzunehmen, die Erlöse für verkauftes Getreide hätten annähernd der Höhe des Ein-
A. Die
Agrarkrisen-
und
Agrarkonjunkturtheorie
89
kommens entsprochen. Eine zehnprozentige Preiserhöhung mußte sich dann in einem zehnprozentigen Einkommenszuwachs niederschlagen. An dieser Relation würde sich nichts Grundsätzliches ändern, wenn man noch die unbedeutenden Naturallöhne berücksich-
tigte. Im Hinblick auf den Arbeitskräftebesatz bestand zwischen den Gütern und Großbauernbetrieben kein grundsätzlicher Unter- Kein Rationalisieschied. Sieht man von den ostpreußischen Domänen ab, so ermit- rungsvorteii telte Saalfeld für die übrigen Großbetriebe Werte zwischen 13,5 und 19 Vollarbeitskräfte auf 100 ha. In diese Spanne ordnen sich die kurhannoverschen Großbauernhöfe mit 17,5 Vollarbeitskräften zwanglos ein. Bei den damaligen Produktionsverfahren waren also durch eine Betriebsvergrößerung keine Rationalisierungseffekte zu erzielen.
Die
Aussagekraft für das
Einkommen der Stadtbewohner
Der in der Literatur häufig gebrauchte Begriff „Ackerbürgerstadt" erweckt den Eindruck, als habe sich die Stadtbevölkerung zu einem nicht unerheblichen Teil selbst ernährt. Setzt man jedoch den landwirtschaftlich nutzbaren Teil städtischer Gemarkungen zur Einwoh- Städtische Nahnerzahl in Beziehung, so sieht das anders aus. 1777, als die Reichs- rungsmittelproduktion unbedeutend stadt Goslar etwa 5500 Einwohner zählte, entfiel immerhin auf 16 Einwohner eine Kuh. Je Kopf waren das rund 50 1 Milch [65: A. Grundner-Culemann, Goslarer Hut und Weide, 54]. Mag das auch andernorts günstiger gewesen sein, so waren die Stadtbewohner in der Hauptsache doch auf das Angebot von Nahrungsmitteln angewiesen, das aus den Überschüssen der landwirtschaftlichen Betriebe des Umlandes bestand. Stieg, wie im 16. und 18. Jahrhundert, die Bevölkerung rascher als die landwirtschaftliche Erzeugung, so waren die Bürger wegen der unelastischen Nachfrage nach Nahrungs- Starke Abhängigmitteln die schwächeren Partner am Markt. Während die Bauern keit vom Preisgeschehen von den steigenden Agrarpreisen profitierten, litt die Stadtbevölkerung darunter, da die Nominallöhne mit dem Tempo der Preissteigerungen nicht Schritt hielten. Um das Sinken der Reallöhne zu gewichten und auch um interregionale Vergleiche anstellen zu können, rechnete Abel für die verschiedenen Zeitpunkte und Orte aus, wieviel kg Roggen man für einen Tagelohn kaufen konnte. Dieses Verfahren begründete er mit
90
IL
Grundprobleme
der
Forschung
dem Hinweis, diese sogenannten Kornlöhne hätten schon die Klassiker der Volkswirtschaftslehre verwendet [3: Agrarkrisen, 61; so Begründung der auch 94: K. H. Kaufhold, Handwerk, 108]. Er fügte hinzu: würde sogenannten Korn- statt dessen die Warenkorb-Methode bevorzugt, könnten die im löhne Laufe der Zeit auftretenden Verbrauchsumschichtungen in keine Rechnung eingefangen werden [4: Geschichte, 345]. Solche Umschichtungen des Verbrauchs sind bei Arbeitern schwer vorstellbar, wenn sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts 40 bis 50 v. H. ihres Lohns allein für Brot ausgeben mußten [150: D. Saalfeld, Bedeutung des Getreides, 35]. Der entscheidende Einwand gegen die Kornlöhne liegt in ihrer Eigenart, das tatsächliche Geschehen über Gebühr zu dramatisieren. Wenn sich jeweils in der zweiten Hälfte des 16. und 18. Jahrhunderts die Getreidepreise verdoppelten, so folgte daraus bei gleichbleibenden Nominallöhnen eine Halbierung der Kornlöhne. Setzt man der Einfachheit halber die übrigen Preise als gleichbleibend an, so sank der Reallohn bei einem Ausgabeanteil für Getreide in Höhe von 50 v. H. jedoch nur auf zwei Drittel ab. Es entder Aussagekraft Kornlöhne steht also ein „schiefes Bild", das schon Lütge monierte [119: Das 14./15. Jahrhundert, 315]. Die Verzerrung nimmt erheblich zu, wenn der Anteil für Brot geringer anzusetzen ist. Betrug er beispielsweise nur ein Drittel, so fiel der Reallohn auf 75 v. H. des ursprünglichen Wertes ab. Niedrigere Ausgabeanteile für Brot sind von vornherein für alle besser verdienenden Stadtbewohner anzunehmen, und in der von Saalfeld berichteten Höhe traten sie auch nur dann auf, wenn die Getreidepreise exzeptionell hoch standen. Zu prüfen ist aber auch die Unterstellung Saalfelds, der ArbeiAnteil der Aus- ter sei Alleinverdiener in der fünfköpfigen Familie gewesen. Inzwigaben für Getreide schen hat die Forschung eine nicht unwesentliche außerhauswirtam Budget schaftliche Tätigkeit der Bürgersfrauen nachgewiesen [126: M. Mitterauer, Familie, 1-36], und es wäre erstaunlich, wenn sich die Arbeiterfrauen auf eine rein hauswirtschaftliche Tätigkeit beschränkt hätten. Ferner ist an die Mitarbeit von Kindern zu denken, die für diejenigen der unterbäuerlichen Schicht hinreichend und schon im frühen Alter bezeugt ist (vgl. oben 61). War die Mithilfe
der Frauen und Kinder auf dem Lande eine Selbstverständlichkeit, so ist zu begründen, weshalb es bei den Niedrigverdienern in der Stadt anders gewesen sein soll. Da die Wahrscheinlichkeit eher für das Gegenteil spricht, ist bezogen auf die Familieneinkommen mit einem niedrigeren Anteil der Ausgaben für Brot zu rechnen, und die ohnehin nicht hohe Aussagekraft der Kornlöhne wird noch geringer.
B. 1.
Abgaben und
Steuern der Landwirtschaft
Leistungen
an
die feudale Klasse
Ist es auch schwierig, die Feudalquote in Leistungen an den Staat und die Angehörigen der feudalen Klasse aufzuschlüsseln, so gibt es doch genügend Gründe, an einer Trennung festzuhalten (vgl. oben 37). Ursprünglich hatte der Lehnsherr seinen Lehnsmann belehnt, Sinn des Lehnsdamit er in einer eng umrissenen Region Herrschaft ausübe, wozu wesens er bei den damaligen geringen Kommunikationsmöglichkeiten und der mangelhaften Infrastruktur selbst nicht in der Lage war. Umgekehrt rechnete der Lehnsherr damit, daß es die Lehnsausstattung seinem Lehnsmann erlaube, ihm auf Kriegszügen zu folgen. O. Hintze hat die besondere Eignung des Lehnswesens herausgearbeitet, rasch eroberte ausgedehnte Gebiete in dieser Weise effektiv zu beherrschen [85: Feudalismus, 12-47]. Die Zeitgebundenheit des Systems liegt auf der Hand, und man geht nicht fehl, den Ausbau des Territorialstaates gleichzeitig als Aushöhlung des Feudalsystems zu betrachten (vgl. oben 40). Dieser Prozeß verlief in den einzelnen deutschen Territorien mit recht unterschiedlicher Geschwindigkeit Unterschiede beim und endete deshalb am Vorabend der Agrarreformen mit recht un- En'privdegierungsprozeß terschiedlichem Ergebnis. Von Mecklenburg abgesehen wird der Ausdruck Feudalismus in der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit zu einem Begriff, der sich in seinem Aussagegehalt einer Leerformel annähern kann. Was bleibt von einem Feudalherrn noch übrig, der die Gerichtsherrschaft abgeben mußte, keine Leibherrschaft mehr ausübte und dem seine Bauern streng fixierte Abgaben entrichteten? Natürlich ist das ein Extremfall, dem als anderer Grenzfall jene Gutsherren im Kolonisationsgebiet entgegenstanden, die mit Ausnahme des Bauernlegens praktisch noch alle Herrenrechte ungeschmälert praktizierten. Die Vielgestaltigkeit der angedeuteten Verhältnisse war sicherlich für die Bauern in sozialer Hinsicht von erheblicher Bedeutung.
92 Feudale Hemmnisse der Produktion
Wenn jedoch
IL
Grundprobleme der Forschung
häufig von den Hemmnissen die Rede ist, die das Feu-
dalsystem einer zeitgemäßen
Produktionsweise bereitete, müßte auch der ökonomische Bereich betroffen gewesen sein. Trifft diese Aussage zu, wird die Frage drängend, welche konstitutiven Elemente der Feudalismus in seiner Spätphase noch bewahrte. Damit ist ein Grundproblem der Forschung definiert. Eignet sich der Feudalismus-Begriff nur in ständig geringer werdenden Weise dazu, die Verhältnisse in der Frühen Neuzeit zu kennzeichnen, so behält er doch in einer agrargeschichtlichen Betrachtung einen höheren Stellenwert. Immer noch sind es geburtsständische Qualitäten, die über den sozialen Status von Bauern und Rittern entscheiden. Die Vorrechte der letzteren gingen im ökonomischen Bereich nach wie vor zu Lasten des Landmanns. Was die Exemten dem Staat an Beiträgen vorenthielten, mußten die Bauern mit übernehmen. An diesem Mißverhältnis konnte sich so lange nichts ändern, wie der Adel die Landstandschaft bewahrte. Neuen Enge Beziehung Steuern stimmte er nur zu, wenn ihm der Staat erneut seine Exemzwischen Feudal- tion bestätigte. Diese Verfahrensweise traf den Bauernstand am härsystem und Bauern testen. Bei allen Auf- und Abweichungen des Systems blieb er ihm am stärksten verhaftet. Mit diesem Problemkreis haben sich vor allem marxistische Historiker beschäftigt, und zwar besonders dann, wenn sie den Formationswechsel vom Feudalismus zum Kapitalismus untersuchten. Dieser Wechsel ist mit den Agrarreformen gegeben. Demnach ist die vorher betriebene bäuerliche Landwirtschaft feudalistisch geprägt gewesen. Die Frage nach ihren Wesenszügen ist jedoch leichter gestellt als beantwortet. In seinen Überlegungen dazu betonte H. Harnisch zuerst den Grundsatz, wonach „die Produktionsverhältnisse einer Gesellschaftsordnung bekanntlich von der Stellung zu den Produktionsmitteln und der Aneignung des Mehrprodukts durch die herrschende Klasse bestimmt" würden, und ergänzt: Marxistische Defi- „Das Wesen des Feudalismus wird durch das Feudaleigentum an nition des Feuda- Grund und Boden und die Ausbeutung in Form der Feudalrente lismus charakterisiert." Schließlich sind noch außerökonomische Zwangsmittel wesentlich „bei der Realisierung des Mehrprodukts, also der Feudalrente, und im Zusammenhang damit die persönliche Rechtsstellung der unmittelbaren Produzenten" [68: Produktivkräfte, 136]. Für sein Untersuchungsgebiet, die Magdeburger Börde, Keine eindeutigen schränkt Harnisch ein, die Produktionsverhältnisse könnten nicht Verhältnisse mehr mehr eindeutig als feudal bezeichnet werden, denn persönlich seien die Bauern frei gewesen und hätten statt der Naturaldienste bereits
B.
Abgaben und
93
Steuern
Dienstgelder gezahlt [ebd., 169]. Damit wird die Frage aktuell: Genügt das Abliefern der Feudalrente als ausreichend konstitutives Element des Feudalismus? Sollte es so sein, enttäuscht Harnischs Darstellung; denn über diese Rente erfährt man direkt nichts, und den ersatzweise gebrachten Angaben fehlt der Bezug zum Problem [ebd., 139].
Theoretisch lehnt sich G. Moll enger an die Maximen des Historischen Materialismus an, wenn er aus dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den spätfeudalen Produktionsverhältnissen ihre Überwindung darstellen will, die sich wegen des grundlegenden Bewegungsgesetzes der menschlichen Gesellschaft zwangsläufig ergeben muß [127: „Preußischer Weg", 11 f.]. Allein, was ist feudalistische Landwirtschaft? Moll weicht der konkreten Antwort immer wieder aus, und dann begegnet ein so merkwürdiger Satz wie dieser: „Aber sowenig die Beseitigung der Leibeigenschaft Leibeigenschaftals schon identisch ist mit der Überwindung der feudalen Ausbeutung, Kennzeichen des Feudalismus sowenig ist diese möglich ohne jene" [ebd., 35]. Also ist die Leibeigenschaft integrierender Bestandteil des Feudalismus. Welche Landwirtschaft beschrieb nun Harnisch, wenn er sie in der Magdeburger Börde nicht mehr vorfand? Wie ist die Landwirtschaft in Sachsen, Thüringen, Franken und den weifischen Landen um im Sprachgebrauch zu bleiben einzuschätzen, wo es eine wie auch immer geartete Leibeigenschaft nicht mehr gab? Wenn die marxistischen Historiker die Feudalrente als Maß für die Ausbeutung der Bauern benutzen, übersehen sie ebenso wie die „bürgerlichen" etwas Entscheidendes: Diese Quote schließt Leistungen an den frühmodernen Staat mit ein, der in zunehmendem Maße Gemeinschaftsaufgaben übernahm. Schon A. Wagner formu- Gemeinschaftsauflierte auf Grund zunehmender Staatstätigkeit sein Gesetz von den gaben sind stets zu finanzieren wachsenden Staatsausgaben. Solche Ausgaben für Gemeinschaftsaufgaben können nicht einfach fortfallen, und die dafür benötigten Einnahmen verschaffte sich der Staat auch nach den Agrarreformen, wenn auch fortan in abgewandelter Form. Deshalb ist es unabdingbar, die Gesamtbelastung der Bauernhöfe in Leistungen an den Staat und solche an die feudale Klasse aufzuteilen. In der marxistischen Literatur wird die Ausbeutung der Bauern nicht schon deshalb als erwiesen angesehen, weil sie die Feudalrente ablieferten. Vielmehr werden zusätzlich die Hemmnisse betont, die einer Vergrößerung des Rohertrages entegenstanden und damit gleichzeitig verhinderten, den Anteil der Feudalrente am Ertrag zu senken. Bei dieser Aussage stößt man jedoch auf einen nicht uner-
-
94
IL
Grundprobleme
der
Forschung
heblichen Zwiespalt. Schon 1964 setzte sich H.-H. Müller mit Nachdruck dafür ein, den Produktivitätsfortschritt in der zweiten schritt trotz feuda- Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht nur bei den Gütern zu suchen, da ler Hemmnisse auch die Bauern fortschrittliche Verfahren einführten [133: Der agrarische Fortschritt, 186-212]. 1987 konnte man bei ihm lesen, der bauernfreundliche Schubart, der Propagandist des Kleebaus, „hatte jedoch vor allem begriffen, daß zuerst die reaktionären gesellschaftlichen Verhältnisse zu beseitigen sind, ehe die neuesten Erkenntnisse in der Landwirtschaft berücksichtigt und die Produktion entwickelt und gesteigert werden können" [134: Schubart, 20]. Das ist nun ein Dilemma. Tatsächlich gab es auch bei den Bauern fortschrittliche Verfahren, aber die Hemmnisse müssen dennoch fortlaufend betont werden, weil sonst der Feudalismus nicht zur überholten Formation wird, den man klassenkämpferisch befehden muß. Löst man sich von der Gesetzmäßigkeit des Historischen MateGrundsätzliche Be- rialismus, ist zwar das Problem ideologisch entschärft, aber sachlich deutung der Pro- nicht unwichtig geworden. Auch für den ideologisch ungebundenen duktionshemmnisse Historiker bleibt es ein wesentliches Anliegen zu untersuchen, welche Innovationen der Verwirklichung harrten und wie sie sich mit der bestehenden Gesellschaftsordnung vereinbaren ließen. Überblickt man das Angebot an Neuerungs-Vorschlägen, so ist es alles andere als reichhaltig. 1. Wurde der verstärkte Anbau von Futterpflanzen gefordert, der über die Folgewirkungen: mehr Vieh, mehr Mist, höhere Ernten und höhere Leistungen des Viehstapels die Ertragslage verbessern sollte und auch tatsächlich verbesserte. 2. Sollten die Änger, Hutungen und Triften, die gemeinschaftlich beweidet wurden und nur wenig Futter lieferten, aufgeteilt und statt dessen individuell genutzt und damit ertragreicher werden. Zwischen beiden Maßnahmen bestand ein enger Zusammenhang. Auf wieviel Schwierigkeiten die Verwirklichung stoßen konnte, schildert Harnisch recht anschaulich [68: Produktivkräfte, 72-80]. Gegen die Aufhebung des Weideservituts der Domänen und Weideservitute als Güter wandten sich deren Bewirtschafter, weil die großen SchafherIntensivierungs- den auf die brachliegenden Felder der Bauern als Futterfläche angehindernis wiesen waren. Dieses Gegenargument hatte Gewicht, da die preußische Regierung die Wollproduktion im eigenen Lande steigern wollte; dennoch erwies es sich als nicht durchschlagend. Domänenpächter und Gutsbesitzer fürchteten auch, bei einer Aufhebung des Weideservituts würden die Bauern gar keine Brache mehr halten Produktivitätsfort-
...
und die Bodenfruchtbarkeit
mangels Dünger nachhaltig schädigen.
B.
Abgaben
und Steuern
95
Diese Befürchtung war keineswegs abwegig. So weigerten sich bei der braunschweigischen Generallandesvermessung Grundherren und Amtmänner, Bauernland im Tausch anzunehmen, da es ausgemergelt war [104: H. Kraatz, Generallandesvermessung, 99 f.]. Das wenig befriedigende Ergebnis der Gemeinheitsteilungen in der Börde führt Harnisch in erster Linie auf die Weigerung der Berechtigten zurück, auf die Beweidung der Bauernäcker zu verzichten, wodurch der Anbau von Futterpflanzen verhindert wurde. Wenn er auch eine Ausnahme berichtet, so ist im Weideservitut im allgemeinen doch eine Beeinträchtigung des ackerbaulichen Fortschritts zu sehen, die in der Feudalordnung wurzelt. Diese Betrachtung bliebe unvollständig, wenn die Bauern selbst übergangen würden. Auch sie sträubten sich in einem Falle gegen den Anbau von Futterpflanzen auf dem Brachfeld, weil sie Genossenschaftum das gemeinsam ausgeübte Weiderecht fürchteten, ähnlich, wie liche Weidenutzung als Intensivierungses aus dem kurhannoverschen Amt Ärzen berichtet wurde [10: W. hindernis Achilles, Lage, 33]. Es waren also nicht nur die Feudalherren, die auf ihr Recht pochten und dadurch eine ertragreichere Landbewirtschaftung verhinderten; ein fortschrittswilliger Bauer konnte genauso an seinen Standesgenossen scheitern, weil sie auf das genossenschaftlich ausgeübte Weiderecht nicht verzichten wollten. Die Separationen, die ab 1750 zaghaft begannen, zeigen immer wieder die Gemengelage von Guts- und Bauernfeldern an, die auf einen genossenschaftlichen Ursprung des Flurzwanges schließen läßt. Allerdings vermehrte der Gutsbesitzer durch Vergrößerung seines Eigenbetriebes die proportional zum Ackerland gewährten Weiderechte. Eventuell dehnte er sie auch mit Hilfe seiner Herrenrechte aus. Behielt er sich rücksichtslos das Weideservitut vor, konnten auf dem Brachfeld tatsächlich keine Futterpflanzen angebaut werden. Insoweit hat Müller nicht ganz unrecht, wenn er meint, der Kleebau habe erst eingeführt werden können, nachdem die reaktionären gesellschaftlichen Verhältnisse beseitigt worden seien. Diese Feststellung gewinnt jedoch in einer „Deutschen Agrargeschichte" [70] Verbreitung der einen Gültigkeitsumfang, der ihr nicht zukommt. Selbst in der ehe- Weideservitute maligen DDR, die weitgehend ehemaliges Kolonisationsgebiet abdeckte, gab es früher keineswegs in jedem Dorf ein Gut [120: F. Lütge, Agrarverfassung, 121]. Die Behauptung verliert noch einmal erheblich an Gewicht, wenn man die übrigen Territorien des Alten Reiches betrachtet. Hier gab es weit weniger Gutsbetriebe [4: W. Abel: Geschichte, 210-217], und in den Landschaften mit versteinerter Grundherrschaft fehlten sie praktisch ganz (vgl. oben 30).
96
II.
Grundprobleme
der
Forschung
Falls man den Ackerfutterbau nur zögernd einführte, muß deshalb mit dem Blick auf das gesamte Reich gefragt werden, ob hieran nicht auch die konservative Haltung der Bauern schuld war, die von den Zeitgenossen unzählige Male gerügt wurde. In den weitaus meisten Dörfern lag es im Ermessen der Bauern, ob sie zu einer fortschrittlichen Landnutzung übergingen. In welchem Umfange das der Fall war, muß noch durch Regionalstudien geklärt werden, ehe ein abgewogenes Urteil gefällt werden kann. Mit Sicherheit zählte der Zehnte zu den feudalen Lasten. Weit stärker als die übrigen wurde er schon früh ver- und gekauft, wie später Wertpapiere an der Börse. Dem ursprünglichen Zweck war er fast immer entfremdet, deshalb sah der Bauer seine Berechtigung nicht ein, und sogenannte Unterschleife waren an der Tagesordnung. Gar nicht selten ließ der Berechtigte die Hoffnung fahren, den zehnten Teil der Getreideernte vollständig zu erhalten und verpachtete ihn deshalb meistbietend an Bauern. Der Ersteigerer konnte unmöglich den vollen Wert bieten, da jetzt er die Mühen des Höhe der Zehnten Einsammelns auf sich nehmen mußte und zusätzlich den Betrügeund Umfang der reien der anderen Pflichtigen ausgesetzt war. Es ist daher abzulehErzeugung nen, aus der Höhe des Zehnten ohne Korrekturfaktor auf die Höhe der Getreideernte zu schließen, wie das etwa französische Forscher tun. Auch der Fleischzehnte wurde früh zu Geld gesetzt, weil bei der damaligen Haltungsweise die Tiere im Spätherbst schlachtreif wurden und beim Mangel geeigneter Konservierungsmethoden der Zehntherr gezwungen gewesen wäre, viele Tiere in kurzer Zeit zu verzehren. Es lohnt auch in diesem Falle zu fragen, ob die abgeführten Geldbeträge dem Marktwert der Tiere entsprachen. Abschließend sei noch auf jene Probleme verwiesen, die mit Art der Frondienste der Bewertung der Naturaldienste verbunden sind. Zuvor ist jedoch zu überlegen, ob sie überhaupt oder wenigstens überwiegend als Leistung an die feudale Klasse anzusehen sind. Für den Hauptteil der Fronen dürfte das zutreffen, da zumindest ursprünglich die Dienstverpflichtung gegenüber dem Landesherrn auf wenige Tage im Jahr beschränkt blieb. Jedoch sind jene Dienste gesondert zu betrachten, die der Gerichtsherr forderte. Zog sie der Landesherr an sich, weil er eine nahezu flächendeckende Amtsverfassung einführte, so wird das Bestreben erkennbar, den Gerichtsherren ihre Berechtigung zu entwinden und die hinzugewonnenen Leistungen der Bauern für die Bewirtschaftung der Amtsdomänen zu nutzen oder mit den statt dessen gezahlten Dienstgeldern dem Staatshaushalt aufzuhelfen. Konservative Haltung der Bauern
B.
Abgaben
und Steuern
97
Über die Umrechnung der Naturaldienste in Geld ist bereits zweimal berichtet worden [79: F.-W. Henning, Dienste, 153-156; 10: W. Achilles, Lage, 115-123 u. 152f.]. Die rein rechnerisch ermittelten Werte geben jedoch nur bedingt über die tatsächliche Last Auskunft, die der Pflichtige zu tragen hatte. Dafür sind zwei Gründe verantwortlich: 1. Selbst auf großen Höfen gelang die Anpassung der Arbeitskräfte an den Bedarf nur bedingt. Da immer nur „ganze" Personen eingestellt werden konnten, war oft ein Überhang bei den ständigen Arbeitskräften nicht zu vermeiden. Reichte er aus, auch noch der Dienstpflicht zu genügen, bereitete sie keine zusätzlichen Kosten. 2. Stets ist zu überlegen, wie man die für die Dienste verbrauchte Zeit anderweitig hätte verwenden können. Das ist vor allem bei den Kleinbetrieben mit ihrer latenten Unterbeschäftigung wichtig. Sahen diese Stelleninhaber keine Gelegenheit, anderswo während der Dienstzeit Geld zu verdienen, so war es für sie ökonomisch sinnvoll, der Dienstpflicht zu genügen, da andernfalls das Dienstgeld voll zu Buche geschlagen wäre, gegen das kein Zuverdienst aufgerechnet werden konnte. Gerade bei den Diensten ist es erforderlich, den rein ökonomischen Bereich zu überschreiten und soziale Implikationen in die Beurteilung einzubeziehen. Keine Feudallast war in gleicher Weise wie der Herrendienst dazu angetan, die Abhängigkeit des Bauern, seine zumindest temporäre Fremdbestimmung in aller Öffentlichkeit herauszustellen. Es verwundert daher nicht, wenn sich hannoversche Bauern nicht mit dem materiellen Aufschwung am Ende der Frühen Neuzeit begnügten, sondern das Dreifache des Dienstgeldes boten, falls sie dieser lästigen, in ihren Augen auch entwürdigenden Pflicht enthoben würden, obwohl sie durch die Dienstleistung keinerlei Nebenerwerb versäumten [10: W. Achilles, Lage, 123]. Diese Entwürdigung sahen auch die Bürger, und sie kommt unmißverständlich in einer Antwort des Hildesheimer Bürgermeisters zum Ausdruck, als ihn 1655 eine adlige Witwe bat, er möge einen säumigen Handwerker zur Arbeit anhalten. Wider Erwarten erhielt sie den Bescheid: ob sie vermeine, man könne in der Stadt mit den Leuten verfahren, „wie man uf dem lande mit den bawren procedirte" [7: W. Achilles,
Adelshof, 49].
Reale Last der Frondienste
Soziale tlonen
impiika-
98
IL
2.
Grundprobleme
der
Forschung
Leistungen an den Staat und Gesamtbelastung
Das bisher veröffentlichte Material über den Anteil des Staates an der Gesamtbelastung der Bauern (vgl. oben 40) kann noch nicht als repräsentativ angesehen werden und erlaubt nur den vorläufigen Schluß, während der Frühen Neuzeit habe der Staat die übrigen BeVordringen des rechtigten zurückdrängen und den größeren Teil der Leistungen an Staates sich ziehen können. Über den Steueranteil hinaus ließe sich nur mit einem ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand ermitteln, in welchem Umfang der Landesfürst auch Grundzinsen, Zehnte und Dienste von den Bauern empfing. Darauf verwies schon Abel mit einigem Bedauern [4: Geschichte, 264]. Dieser Mangel wiegt indessen gar nicht so schwer. Es genügt, die Feudallasten: Grundzins und Dienste, zu den Steuern in Beziehung zu setzen, um zu erkennen, in welchem Maße der Staat sich gegenüber den Ansprüchen der feudalen der Gewichtung Ansprüche des Klasse durchsetzen konnte. Bei diesem Abwägen muß der Zehnte Staates als unveränderbare Naturalquote außer Betracht bleiben. Mit der Veränderung der bezeichneten Relation ist bereits eine wichtige Erkenntnis für die Wirtschafts- und Finanzpolitik gewonnen. Gleichfalls läßt sich annähernd abschätzen, wieweit der Entfeudalisierungsprozeß vorangetrieben worden war. Sollte die Gesamtbelastung der Bauern gestiegen sein, wird auch der sozio-ökonomische Bereich berührt. Da man früher die Herrenrechte am eheGunst der Quellen- sten für aufzeichnungswürdig hielt, dürften Forschungen auf dielage sem Felde nicht an den Quellen scheitern. Ihre Ergebnisse würden die noch wenig belastbare Brücke stützen, die an dieser Stelle bereits zwischen der Agrargeschichte und der allgemeinen Geschichte geschlagen worden ist. Da nach dem bisherigen Kenntnisstand der Staat den größeren Teil der bäuerlichen Leistungen für sich beanspruchte, ist es statthaft, in diesem Abschnitt das Problem zu diskutieren, wie die Geder Gewichtung samtbelastung eines Bauernhofes zu gewichten ist. Das mag erstaunGesamtbelastung lich erscheinen, da die Ertrags-Aufwands-Rechnung als einzige exakte Methode bereits vorgestellt worden ist (vgl. oben 49). Diese Methode erfordert jedoch einen nicht geringen Arbeitsaufwand, und außerdem sind den Quellen nicht immer jene Zahlenangaben zu entnehmen, die benötigt werden, wenn die Rechnung durchgeführt werden soll. Es ist deshalb zu überprüfen, welche Aussagekraft den von der Literatur ersatzweise herangezogenen Maßstäben zukommt.
B.
Abgaben
99
und Steuern
Als erster ist der Anteil der Belastung am Getreiderohertrag zu nennen. Für sich genommen bleibt der Prozentsatz ohne Aussage. Sie ergibt sich erst bei Vergleichen, wenn die unterschiedliche Höhe bei verschiedenen Betrieben eine ungleiche Belastung widerspiegeln soll. Dieser Schluß ist jedoch nur erlaubt, wenn streng definierte Bedingungen erfüllt werden. Als wichtigste ist die Bodenfruchtbarkeit zu nennen. Sie spiegelt sich in den unterschiedlich hohen Erträgen, die man in der Frühen Neuzeit bevorzugt als Relation der Einsaat zum Ertrag definierte. So erntete man damals auf armen Sandböden nur das Dreifache der Einsaat oder das 3. Korn, auf ausgesprochen guten Böden konnte man dagegen am Ende der Epoche bereits auf das 8. Korn hoffen. Aber selbst dann, wenn man statt des 3. Korns ceteris paribus hinter einur das 4. einbrachte, verbergen sich nem gleich hohen Abgabesatz von 20 v. H. ganz verschiedene Belastungen. Der Heide- oder Gebirgsbauer mußte zwar nur das 0,6. Korn abführen, während man von dem bessergestellten das 0,8. verlangte. Der Bewirtschafter armer Böden konnte jedoch nach Abzug der Saat nur über 2 Körner verfügen, wogegen dem andern 3 verblieben. Hatten beide ihre Verpflichtungen erfüllt, standen dem Armen nur noch 1,4 Körner zur Disposition, während der Bewirtschafter eines gar nicht so viel besseren Bodens über 2,2 Körner verfügte und in welcher Form auch immer rund 55 v. H. mehr konsumieren konnte. Angedeutet sei noch der Anteil der Fremdlöhne, der besonders bei einem Vergleich von Klein- und Großbetrieben bei gleich hohem Abgabesatz zu recht unterschiedlichen Einkommensverhältnissen führt. Man kommt der Wirklichkeit näher, wenn die Belastung statt auf den Getreiderohertrag auf den des Betriebes bezogen wird. In diesem Falle sind auch die sonstigen Einnahmen und die Erlöse der Viehhaltung mit eingeschlossen. Gleichwohl läßt sich auch hier nur dann ein einigermaßen abgesichertes Urteil abgeben, wenn neben der Bodengüte auch die Betriebsgröße bekannt ist. Letzteres könnte wiederum an einer Modellrechnung gezeigt werden, doch ist es anschaulicher, konkretes Zahlenmaterial zu verwenden. Deshalb sei auf die kurhannoversche Enquete von 1766 zurückgegriffen. Ihr zufolge mußten die großen Vollerwerbsbetriebe 28 v. H. des Rohertrages abführen, während man von den kleinen nur 15 v. H. verlangte. Es wäre aber falsch, auf Grund des weit höheren Abgabesatzes bei den Großbetrieben auf schlechte Einkommensverhältnisse zu schließen. Sie verloren zwar 141 T., während die kleinen nur 32 T. abführten, doch verfügten die Großbauern danach noch über 185 T., die -
-
Anteil der Gesamt-
belastung am Getreiderohertrag
-
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Anteil der Gesamtbelastung am Rohertrag
100
Unbrauchbarkeit der Maßstäbe
II.
Grundprobleme
der
Forschung
kleinen über 139 T. Genau wie heute wurden auch in der Frühen Neuzeit von dem Empfängern höherer Einkommen mehr Abgaben verlangt als von den Niedrigverdienern. Aufschlußreich ist es, die Prozentsätze der Abgaben vom Rohertrag, also 28 und 15 v. H., mit denen zu vergleichen, die sich ergeben, wenn die Höhe der Abgaben auf den Getreiderohertrag bezogen wird. Die Werte lauten für die beiden Betriebsgrößenklassen 58 und 48 v. H. Die Unvergleichbarkeit der beiden Zahlenpaare beweist die Unbrauchbarkeit der beiden hilfweise herangezogenen Maßstäbe: Rohertrag und Getreide-
rohertrag. Auf das Aufstellen einer Ertrags-Aufwands-Rechnung kann also nicht verzichtet werden. Der Einwand, die Quellen ließen das häufig nicht zu, ist in den Fällen nicht überzeugend, in denen bereits der Rohertrag ermittelt wurde. Die wesentlichste Ausgabe, die Feudalquote, ist ohnehin bekannt. Auch der Naturallohn läßt sich durch Proportionierung der Gesamtpersonenzahl ermitteln, da früher Bauernfamilie und Gesinde gemeinsam aßen. Beim Barlohn und Sachaufwand ist der denkbare Fehler schon wegen der KleinErtrags-Aufwands- heit dieser Posten gering. Vergegenwärtigt man sich die NotwendigRechnung unerläß- keit einer Ertrags-Aufwands-Rechnung, wird man sich ihr öfter als lich bisher geschehen zumindest annähern müssen. Mögen auch die Fehler dabei nicht unerheblich sein, so ist doch das Ergebnis als Spiegelbild der materiellen und damit auch sozialen Lage ungleich höher einzuschätzen als der Bezug auf den Roh- oder Getreiderohertrag, der mehr verdunkelt als erhellt.
C.
Produktionssteigerungen der Landwirtschaft
1.
Leistungen
der
Pflanzenproduktion
Der Ackerbau war der wichtigste Betriebszweig der Gutsbetriebe, der großen und der mittleren Bauernhöfe. Selbst bei den kleinen Höfen trat er immerhin gleichberechtigt neben die Viehhaltung. Er fand deshalb schon früh das Interesse der Kameralisten. So brachte der bereits zitierte v. Engel das Steigen der Getreidepreise und der Pachtsummen für Güter mit dem Bevölkerungswachstum in Verbindung. Zwar wich er von Malthus' Gedankengang ab, aber er Grenzen des Nahdachte doch den Prozeß insoweit konsequent zu Ende, als er über- rungssp|e|raums legte, wie viele Menschen im Höchstfall auf einer Quadratmeile ernährt werden könnten. Ob seine optimistische Berechnung mehr politischem oder theoretischem Interesse entsprang, mag dahingestellt bleiben. Wie schwierig sie auch noch am Ende der Frühen Neuzeit durchzuführen war, sei an einem anderen Beispiel erläutert. 1808 griff H. W. Crome in den schon lange geführten Disput ein, ob man den Getreidehandel freigeben könne oder ob man Kornsperren, grundsätzlich oder nur in Notjahren, verhängen müsse [37: Über Ackerbau]. Diese Frage war nur zu beantworten, wenn für das Untersuchungsgebiet, das Fürstentum Hildesheim, geklärt wurde, ob der Bedarf der einheimischen Bevölkerung gesichert Beispielsrechung fur Hlldesheim war und welche Mengen für die Ausfuhr bereitstanden. Die gesamte Ackerfläche des Landes war seit der Vermessung von 1769 bekannt, aber schon der Anteil des bestellten Ackers mußte geschätzt werden. Crome rechnete mit % oder 83 v. H. der Fläche. Im Vergleich zum südlichen Teil des Kurfürstentums Hannover ist das durchaus überzeugend. Der Autor irrt jedoch, wenn er die bestellte Fläche mit der Getreidefläche gleichsetzt; denn für die Brachfrüchte müßte ein nicht unerheblicher Abschlag gemacht werden. Ihn hätte man noch in den Griff bekommen können, aber anschließend ergibt sich ein damals kaum zu lösendes Problem. Crome überlegte, ob die Angabe
102
II.
Grundprobleme der Forschung
Thaers zutreffen könne, wonach man in Niedersachsen durchschnittlich das 8. Korn ernte. Da man Hildesheim zu den kornreichsten Provinzen zählte, hätte man hier eigentlich das 9. Korn einbringen müssen. Dagegen sprachen aber die Erkundigungen bei den einheimischen Landwirten. Deshalb zog Crome die Bonitur aller exemten Grundstücke und Zehnten heran und erhielt im gewogenen Mittel das 62/3. Korn. Weitere Überlegungen, die von seiner Sachkunde zeugen, veranlaßten ihn, auf das 7. Korn aufzurunden. Im Vergleich zur ersten Annahme, dem 9. Korn, ist das ein ganz be-
trächtlicher Unterschied [ebd., 92-97]. Anderswo sah es nicht besser aus. Preußen kann man in dieser Hinsicht wohl nicht als fortschrittlichen Staat bezeichnen, stellte doch der Leiter des Statistischen Büros, J. G. Hoffmann, 1818 bedauernd fest, erst wenige Provinzen seien vermessen. Wenn dann gar die mit Getreide besäte Fläche in der unzulänglichen Art ermittelt wurde, die Aussaatmengen mit den üblicherweise damit bestellten Arealen zu multiplizieren, bleibt nur zu hoffen, die Fehler möchten sich wenigestens zum Teil gegenseitig aufheben und nicht akkumulieren [22: E. Bittermann, Produktion, 13 f.]. Bei dieser Sachlage sind Hochrechnungen offensichtlich ein Fehlergrenzen der Hochrechnungen waghalsiges Unternehmen, und das um so mehr, je größer das beerheblich treffende Territorium war und je weniger man dort die statistische Erfassung vorangetrieben hatte. Naturgemäß ist der Umfang statistischer Erhebungen nicht mehr zu vermehren und ihre Zuverlässigkeit nicht mehr zu erhöhen. Deshalb stößt jeder Versuch, die Stellung der Landwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft zu bestimmen, auf Fehlergrenzen, die höchstens noch geringfügig eingeengt werden können. Dieser Mangel wird in zusammenfassenden Darstellungen zuweilen überspielt. Hinreichende und glaubhafte Angaben vermißt jedoch nicht erst heute der Historiker. Ihr Fehlen beklagten schon die zeitgenössischen Verwaltungsbeamten, wenn sie beispielsweise die Steuererhebung straffen wollten. Der absolute Staat ließ sich in mancherlei Hinsicht nicht so absolut regieren, wie das die Namensgebung vermuten läßt. Selbst in dem kleinen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, wo man schon 1746 eine GeneSchwächen der preußischen Statistik
rallandesvermessung in Angriff genommen und anschließend zügig durchgeführt hatte, war man dreißig Jahre später überrascht, wieviel verschwiegenes Land bei der rektifizierten Vermessung entdeckt wurde. Die Leistungen der Pflanzenproduktion, vor allem die Höhe der Getreideerträge, sind aber nicht nur für die Versorgung der Ge-
C.
Produktionssteigerungen
103
von Bedeutung; sie spielen auch für das Einkomeines Bauern oder Gutsbesitzers eine ganz entscheidende Rolle. Ihre genaue Kenntnis ist daher unerläßlich, jedoch kann der bisherige Wissensstand nicht befriedigen. Eher eine Vorfrage ist es, mit welchen Hektolitergewichten man die in der Frühen Neuzeit für Ernte- und Saatgutmengen ausschließlich verwandten Hohlmaße in Umrechnung der auf Gewichtseinheiten umrechnet. Zieht man dazu die einschlägigen Angaben in alten Kaufmannsbüchern heran, liegen die Faktoren Abels [3: Agrarkrisen, 293] um rund 10 v. H. zu hoch. Diese Differenz wirkt sich bei einer Ertrags-Aufwands-Rechnung bereits spürbar aus. Vor allem aber fehlen gesicherte Ernteergebnisse. Das wird deutlich, wenn man die letzte zusammenfassende Arbeit auf diesem Gebiet, Abels Geschichte der Landwirtschaft in 3. Auflage [4], auf diesen Punkt hin durchmustert. Abhilfe ließe sich durchaus schaffen, wenn man die Gutsarchive intensiver auswertete, und für die Bauernbetriebe bleibt zu hoffen, die neuerdings gesammelten Anschreibebücher könnten die gewünschten Daten enthalten. Welche Bedeutung diesen Angaben zukommt, sei abschließend Ertragssteigemnan den mittelgroßen kurhannoverschen Vollerwerbsbetrieben gezeigt. Von 1765 bis 1800 verhalf ihnen allein die Steigerung der Agrarpreise zu einem Anstieg des verfügbaren Einkommens auf 127 v. H. Wird eine zehnprozentige Ertragssteigerung unterstellt, die in dieser Zeit und in diesem Umfang hochwahrscheinlich ist, so wuchs das Einkommen noch einmal um 20 Prozentpunkte auf 147 v. H. an
samtbevölkerung men
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n^"n"h1ghginkom
[10: Achilles, Lage, S. 133].
2.
Leistungen
der
Tierproduktion
Hatte sich die individuelle Bewirtschaftung des Ackers schon vor der Epoche der Frühen Neuzeit erkennbar Bahn gebrochen, so blieb die Viehhaltung von verschwindend wenigen Ausnahmen abgesehen einer überwiegend genossenschaftlichen Haltungsweise Viehhaltung überverhaftet. Sie wurde durch die gemeinsame Hut der Rinder-, Schaf-, Schweine- und Gänseherden bedingt. Gestaltungsmöglichkeiten boten sich deshalb nur bei der winterlichen Stallfütterung an, doch besaßen die Bauern dabei nur einen geringen Handlungsspielraum. Bei den damaligen Verhältnissen war die Frühjahrskalbung zweckmäßig, um den maximalen natürlichen Futterwuchs im Mai/Juni bestmöglich ausnutzen zu können, und deshalb fiel bereits im Herbst die Milchleistung der Kühe stark ab. Das wurde erst anders, -
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^lf"^enossen'
104
IL Grundprobleme der
Forschung
als gegen Ende der Frühen Neuzeit die fortschrittlichsten Landwirte zur
ganzjährigen Stallfütterung übergingen.
In der agrargeschichtlichen Literatur gilt das Hauptaugenmerk jedoch nicht der Ernährung, sondern der Zucht der Tiere. Das läßt sich sehr schön anhand der Ausführungen Abels zeigen [4: GeZüchterische Bemü- schichte, 244 f.]. Zuerst referiert er etliche Fälle, bei denen Bullen hungen 0(jer Kuhe „um der Art willen" gekauft wurden. Man betrieb also schon im 16. Jahrhundert modern ausgedrückt Verdrängungskreuzung, wobei der Ankauf von Bullen wegen der höheren Nachkommenzahl weit wirkungsvoller als der von Kühen ist. Anschließend zitiert Abel die kritischen Äußerungen damaliger Landwirte, alles komme indessen auf das Futter und die Pflege an, die ange-
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kauften Kühe würden sonst der einheimischen Rasse nur zu rasch ähneln, sie fielen also wie man das ausdrückte wieder zurück. Umgekehrt war es bei entsprechender Fütterung möglich, den Milchertrag geringer Geestkühe um das Drei- bis Vierfache zu steigern. Abel zog daraus den Schluß, „daß auch die schon deutlich abgehobenen ,Landschläge' noch nicht sonderlich in ihrem Erbgut konsolidiert waren" [ebd., 245]. Ob das zutrifft, ist durchaus fraglich. In der Botanik und Zoologie gibt es den feststehenden Begriff Entstehung der der geographischen Rassen, die durch Klima, Morphologie und Landschlage Nährstoffgehalt des Bodens ausgebildet werden. Bei den Pflanzen geschieht das direkt, bei den Tieren indirekt über das aufgenommene Futter. Der gleiche Prozeß spielte sich bei der Herausbildung der Landschläge landwirtschaftlich genutzter Arten ab. Eine Marschkuh war demnach durch jene Faktoren typbestimmt, die langfristig auf sie einwirkten. Hinzu kam eine gewisse Inzucht, denn kein Marschbauer wäre auf die Idee gekommen, seine Kuh von einem Geestbullen decken zu lassen. Beides bewirkte eine Befestigung des schlagbestimmenden Genmaterials. Da bis in die Gegenwart hinein vor allem das Rindvieh mit sogenanntem wirtschaftseigenen Futter ernährt wurde, galt noch um 1950 die Forderung, eine Kuh müsse „bodenständig" sein. Dieser Begriff war schon am Ende der Frühen Neuzeit den fortschrittlichen Landwirten zwar nicht dem standortgemäßheit Namen, wohl aber der Sache nach geläufig. Um die Reihe der Zeitder Landschlage zeUgen zu verlängern, möge F. K. G. Gericke zu Wort kommen, der ihn 1808 folgendermaßen umschrieb: „Bei einer guten und zweckmäßigen Viehzucht kommt es im Allgemeinen darauf an, daß man 1) sich die beste, den Lokal- und sonstigen Umständen anpassende Art von jeder besonderen Art des Viehes anschaffe ..." [60: Anlei-
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C.
Produktionssteigerungen
105
tung, I 153]. Indem Gericke die Standortfaktoren
an die erste Stelle ihnen offensichtlich die größte Bedeutung zu, denn rückte, wies sie entschieden ganz wesentlich über die verfügbare Futtergrunder
lage. Die wissenschaftlich arbeitenden Tierzüchter der Gegenwart würden auf Grund ihrer Versuche Abels Schluß in folgender Weise Ausreichende geneLeistungsmodifizieren: Auch wenn das genetische Potential der Landschläge tische reserven bereits weitgehend verfestigt war, reichte es doch aus, bei entsprechender Fütterung das Mehrfache der bisherigen Milchleistung zu erbringen. Noch 1950 stand im Hinblick auf den ökonomischen Erfolg nicht die Zucht der Tiere, sondern deren Fütterung im Vordergrund der Bemühungen. Im Grunde genommen ergibt sich diese Rangfolge bereits aus den von Abel gebrachten Zitaten, wenn man sie unter diesem Gesichtspunkt deutet. Offenbar haben die früheren Landwirte über den Zusammenhang von Fütterung und Leistung nicht nur meditiert, sondern auch praxisreife Schlußfolgerungen daraus gezogen. So berichtet Harnisch, in der Magdeburger Börde habe man gegen Ende der Frühen Neuzeit zur bestmöglichen Ausnutzung der sich langsam einbürgernden Stallhaltung friesische und schweizerische Kühe und Kälber gekauft. Um der „ständigen Unterernährung" des Viehs zu begegnen, habe man den Anbau des Rotklees aufgenommen sowie Ansätze zur ausreiden Anbau von Winter- und Sommerrüben erheblich forciert, um chenden Fütterung mehr Ölkuchen für die Verfütterung zu gewinnen [68: Produktivkräfte, 83]. Zu einer geglückten Innovation auf dem Gebiet der Tierhaltung gehörte demnach weit mehr als das bloße Einkreuzen von Tieren, die unter heimatlichen Verhältnissen höhere Leistungen als die einheimischen brachten. Kam die erforderliche Fütterung nicht hinzu, erwiesen sich die Ankäufe rasch als Fehlinvestition. Die Forschung kann daher nur dann zu überzeugenden Antworten finden, Fütterung wichtiger wenn neben der Tierzucht der gleichzeitig erforderlichen besseren als Zucht Fütterung die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. In Harnischs Beispiel steckt noch ein Punkt, der größere Beachtung als bisher verdient. Wenn 1766 der Landrat des Holzkreises (westlich von Magdeburg) schrieb, „das Rindvieh werde gar nicht ausgetrieben, sondern ständig im Stall gehalten", so liegt darin eine Übertreibung, die für den I. und IL Distrikt des Kreises einen Fortschritt vortäuscht, den es noch nicht gab. Selbst 1795/96 bis 1797/98 standen in beiden Bezirken erst 34 v. H. aller Rinder im Stall [ebd., 75 f.]. Neben der immer notwendigen Quellenkritik genügt es also offenbar nicht, das Datum der ersten Nennung einer
106
II.
Grundprobleme der Forschung
Bedeutung der Innovation zu ermitteln. Zusätzlich ist es von ganz erheblicher BeDiffusionsdieser Neuerung zu kendeutung, die geschwindigkeit nen. Diesem Diffusionsgeschwindigkeit ließen sich für den von Innovationen Modernisierungsprozeß in Beispiel der Landwirtschaft viele gleichgelagerte zur Seite stellen. Sie zeigen, wie auch im vorliegenden Falle, ein eher gemäßigtes, oft sogar verhaltenes Tempo. Dieses ist zumindest für die Frühe Neuzeit kennzeichnend, auch wenn es sich im 18. Jahrhundert, besonders in dessen zweiter Hälfte, spürbar beschleunigt hat.
D. Die unterbäuerliche Schicht 1. Die
zahlenmäßige Entwicklung
An dieser Stelle genügt es, vereinfachend festzuhalten, eine Schicht, die zwar in der Landwirtschaft ganz oder zum Teil tätig war, deren eigener Betrieb aber mangels hinreichender Größe kein auskömmliches Einkommen abwarf, habe es schon vor Beginn der Frühen Neuzeit gegeben. Schon im hohen Mittelalter trat sie mit aller Deutlichkeit hervor. Greift man beispielsweise auf die detaillierte Beschreibung des Landbesitzes zurück, den das Domstift zu Goslar bis um 1180/90 erworben hatte, so begegnen sogleich die Besitzer von Kleinstellen oder areae, wie man sie damals nannte. Sie bewirtschafteten bis zu neun Morgen oder gut 2 ha und dienten entsprechend dem Herkommen. Aber dann heißt es auch präziser, sie hätten täglich zu dienen [184: O. Teute, Ostfalenland, 223, 230]. Vergleicht man die Zahl der Kleinstellenbesitzer mit jener der Hufen- Linterbäuerliche ursprungbauern, so überwiegen diese noch bei weitem. Nicht das Auftreten Schictu lieh unbedeutend der unterbauerhehen Schicht ist demnach fur die Frühe Neuzeit kennzeichnend, sondern ihre fortwährende Vermehrung. Die Forschungsprobleme, die sich mit diesem Abschnitt verknüpfen, sind durch drei Gegebenheiten bestimmt. Die Gesamtbevölkerung wuchs, Neuland gleichgültig auf welche Art war nur noch in beschränktem Umfang zu gewinnen, und die schon bestehenden Bauernhöfe und Kleinstellen behaupteten ihren Landbesitz (vgl. oben 58). Der hinzukommende Teil der Bevölkerung mußte sich daher mit einer bescheidenen Landausstattung begnügen oder sogar ganz darauf verzichten. Ein ausreichendes Einkommen war Bevölkerungsauf diesen Stellen nicht mehr zu erzielen, und das aufklaffende De- yerm,eh_rung,und Landmangel fizit mußte durch einen außerlandwirtschaftlichen Zu- oder Nebenerwerb geschlossen werden. Dieser Sachverhalt schloß keineswegs ein, die Stelleninhaber hätten Nahrungsmittel zukaufen müssen, auch wenn das sicherlich in einer Vielzahl von Fällen erforderlich war (vgl. oben 75). Unabhängig von dieser Spezialfrage bleibt festzuhalten, daß 9
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108
II.
Grundprobleme der Forschung
ein Wachstum der Landbevölkerung zu einer Vermehrung der unterbäuerlichen Schicht führte. Die Land-Stadt-Wanderung milderte mit Sicherheit den Bevölkerungsdruck, doch reichte sie nicht aus, um das Anlegen neuer Stellen auf dem Lande überflüssig zu machen. Abel bietet immer noch das vollständigste Zahlenmaterial über die BevölkerungsbeweBevölkerungsbewegung. Für das 16. Jahrhundert stützt er sich gung während der zweimal auf eine Untersuchung von F. Körner, in der die BevölkeFrühen Neuzeit rungsbewegung in 676 Städten und 14193 Dörfern erfaßt worden ist. Die von Körner beanspruchte Repräsentanz für ganz Deutschland übernimmt Abel kommentarlos [4: Geschichte, 158; 3: Agrarkrisen, 105]. Danach hätten die jährlichen Zuwachsraten im Durchschnitt der Jahre 1520/30 bei etwa 0,71 v. H., in der Mitte des Jahrhunderts bei rund 0,62 v. H. und gegen Ende bei etwa 0,33 v. H. gelegen. Die nachfolgende Entwicklung belegt Abel mit absoluten Werten, die er mit gewissen Bedenken nennt. Um 1620 sollen in Deutschland 16 Millionen Menschen, um 1650 nur 10 Millionen und um 1740 wieder 18 Millionen gewohnt haben [4: Geschichte, 285], 1816 rund 24 Millionen Einwohner [155: D. Saalfeld, Ständische Gliederung, 465]. Die vorstehenden Angaben verweisen unzweideutig auf einen aufwärtsgerichteten Trend, doch wird er durch den Dreißigjährigen Krieg einschneidend und langfristig unterbrochen. Es ist deshalb angezeigt, das 16. und 18. Jahrhundert getrennt zu behandeln. Für das 16. Jahrhundert setzt die Belegreihe erst mit dem zweiten Jahrzehnt ein, und das hat vor allem jene Historiker unbefriedigt gelassen, die im vorhergehenden Bevölkerungswachstum eine wesentliche Ursache für den Ausbruch des Bauernkrieges sehen. Dieses Wachstum spiegelt sich ihrer Auffassung nach besonders in der Zunahme der Kleinstellen. Für das Allgäu und Oberschwaben hat Blickle inzwischen die nicht sehr zahlreichen Nachrichten zusammengestellt [28: Revolution, 64]. Endres bestätigt diesen SachBevölkerungs- verhalt für Franken [41: Franken, 136], vermag für Thüringen jewachstum und doch nur eine weitgehende Differenzierung der Sozialstruktur anzuZunahme der Kleinstellen geben [42: Thüringen, 156], die nicht als stringenter Beweis für eine
Bevölkerungsvermehrung angesehen
werden kann. Natürlich blieb man nicht bei der bloßen Feststellung einer Zunahme der Vermehrung der Kleinstellen stehen, die durch das BevölkerungsKleinstellen und wachstum bewirkt worden war. Vielmehr zog man daraus Schlüsse, Verschlechterung der wirtschaftlichen die auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hinauslauLage fen, unter der besonders die Inhaber der Kleinstellen zu leiden hat-
D. Die unterbäuerliche Schicht
109
So schließt Blickle aus einer Vermehrung der Sölden auf eine verminderte Allmendberechtigung je Hof, die zu einer Verringerung des Viehbesatzes führte [28: Revolution, 64]. Da bei den ärmeren Landbewohnern das Getreide das Hauptnahrungsmittel darstellte, wäre es zweckmäßiger, statt dessen dem Ackerbau bevorzugte Aufmerksamkeit zu widmen. Die Verknappung des Produktionsfaktors Boden wird aber höchstens in der Art gestreift, daß auf das Steigen der Preise für agrarische Erzeugnisse verwiesen wird (vgl. jedoch oben 67) [ebd., 79]. War der Zukauf solcher Produkte erforderlich, müßte die Preissteigerung gerade die Kleinstelleninhaber zu Mehrausgaben gezwungen haben, doch wird nicht ersichtlich, woher sie die dafür benötigten Geldmengen genommen haben könnten. Die Frage spitzt sich demnach darauf zu, ob das Bevölkerungswachstum zu einem Ansteigen der Agrarpreise führte oder ob umgekehrt aus diesem Anstieg eine Bevölkerungsvermehrung erschlossen werden kann. Diese Frage wurde zwar in dieser expliziten Form von Blickle nicht gestellt, doch ist sie bei ihm durch den Rückgriff auf Sabean impliziert. Der Zusammenhang zwischen der Bewegung der Bevölkerung und der Agrarpreise konnte für längere, säkulare Abläufe bereits bejaht werden, doch fand er für kürzere Zeiträume, selbst für einige Jahrzehnte, keine Bestätigung (vgl. oben 66). Aber selbst bei einer säkularen Betrachtung bleibt der Einfluß der Bevölkerungsbewegung auf die Agrarpreise nicht so eindeutig, wie es bei der hohen Plausibilität dieser Annahme den Anschein hat. So wirft Abels Aussage, „daß in Deutschland um das Jahr 1560 die Bevölkerungsdichte der Zeit vor dem Schwarzen Tod, also der Jahre um 1340, wieder erreicht wurde", durchaus einige Fragen auf [3: Agrarkrisen, 107]. Die Roggenpreise erreichten nämlich 1551/60 einen Höchststand, der für kein vorhergehendes Jahrzehnt belegt ist [ebd., 308 f.]. Läßt man die Geldseite außer acht, bieten sich auf jener der Produktion zwei denkbare Erklärungen an: l. Es könnten zu viele Wüstungen unter Wald liegengeblieben sein, so daß sich auch aus diesem Grunde der Nahrungsspielraum verengte. 2. Die Ansprüche der Bevölkerung an die Ernährung könnten gestiegen sein, und die zusätzlich benötigte Kaufkraft hätte bereitgestanden. Bei aller Knappheit beweisen diese Überlegungen doch folgendes: Neben der Bevölkerungsbewegung wurde der Wechsel der Agrarpreise durch weitere Faktoren beeinflußt, so daß der Zusammenhang zwischen den Schwankungen der Bevölkerung und denen der Agrarten.
preise, vor allem der Getreidepreise, auch bei einer ger Zeiträume nicht absolut gesetzt werden darf.
Betrachtung lan-
Bevölkerungsbewegung und Preisgeschehen
Kein absoluter
Zusammenhang
Ursachen der
Lockerung
110
Kingsche Regel als weitere Ursache
IL
Grundprobleme
der
Forschung
Wie schwer, ja wie unmöglich es ist, selbst bei einem grundsätzlich unterstellten Kausalzusammenhang zwischen Bevölkerungsbewegung und Agrarpreisen eine direkte Beziehung im einzelnen abzuleiten, zeigt das Abnehmen der Zuwachsraten der Bevölkerung, die Körner ermittelte, und das immer raschere Ansteigen der Getreidepreise während des 16. Jahrhunderts. In dem gegenläufigen Trendverlauf steckt jedoch kein Widerspruch. Erinnert sei an die KiNGsche Regel, wonach ein in Prozent ausgedrückter Mangel an Getreide einen überprozentualen Preisanstieg hervorruft. Da auch ein langsamer werdendes Bevölkerungswachstum den Fehlbedarf weiter erhöht, ist der immer rascher kletternde Getreidepreis nicht erstaunlich. Auch diese Erscheinung lockert die Wechselbeziehung zwischen der Bewegung der Bevölkerung und derjenigen der Agrar-
preise.
Nachdem der Einfluß der Bevölkerungsschwankungen auf die Preise in den wesentlichen Punkten erörtert worden ist, bleibt noch zu prüfen, wie und in welchem Umfang sie die Sozialstruktur auf Bevölkerungs- dem Lande veränderten. Franz stellt für die Frühe Neuzeit lapidar wachstum und fest: „Die Zahl der Bauernstellen blieb gleich" [50: Geschichte, Sozialstruktur 219]. Diese im Prinzip richtige Aussage muß jedoch auf die Anerbengebiete eingeschränkt werden und zusätzlich auf jene, in denen das Bauernlegen keine größere Rolle spielte. Kurz danach ergänzt Franz: „Das starke Anwachsen der Bevölkerung seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert führte zu einem starken Anstieg der Gärtnerstellen und machte sie zum Leitbild der ländlichen Siedlung." Wenn hier auch offenbar ostdeutsche Verhältnisse einfach generalisiert werden, so steckt darin doch eine gültige Kernaussage über eine Veränderung der ländlichen Sozialstruktur. Welche Verschiebungen dabei immerhin denkbar sind, sei mit Überproportionales einer Überschlagsrechnung nachgewiesen. Als Ausgangslage sei unWachstum der in einer Region hätten 80 v. H. der Landbevölkerung auf unterbäuerlichen terstellt, 20 v. H. auf Kleinstellen gelebt. Wuchs jetzt Vollerwerbsbetrieben, Schicht die Einwohnerschaft um 20 v. H. und blieb die Zahl der Vollerwerbsbetriebe nebst ihrer Bewohner konstant, so verdoppelte sich die unterbäuerliche Schicht. Standen sich die beiden Gruppen der Landbewohner ursprünglich im Verhältnis 4:1 gegenüber, so engte sich das Verhältnis nach dem zwanzigprozentigen Wachstum auf 2:1 ein. Man sollte meinen, es müsse ein grundsätzliches Desiderat der Sozialhistoriker sein, diesen bedeutsamen Wandel in Zahlen einzufangen, bei dem die Zahl der Arbeitssuchenden auf den Kleinstellen eventuell bedrohlich wächst und die Gefahr des Pauperismus
D. Die unterbäuerliche Schicht
aufscheint. Den dazu erforderlichen quantitativen Erhebungen wird aber auch noch in der neueren Literatur zuweilen mit Skepsis be-
gegnet. Das Zahlenbeispiel ist keinesfalls als repräsentativ anzusehen, denn regionale Abweichungen traten aus den verschiedensten Gründen auf und erreichten gar nicht selten ein erhebliches Aus- Starke regionale maß. So führten bereits die geschlossene Hofübergabe oder die Abweichungen Realteilung zu einer sehr unterschiedlichen Sozialstruktur. Auch konnte der Entwicklungsgang zwischen einzelnen Herrschaften deutlich voneinander abweichen, und aus unveröffentlichtem niedersächsischem Archivmaterial ließe sich eine kraß unterschiedliche Struktur sogar für Nachbardörfer belegen. Das bislang nur in groben Strichen skizzierte Bild bedarf nicht nur der Ergänzung; bei dem sich schon jetzt abzeichnenden Detailreichtum ist zu vermuten, daß es mit dem Herausschälen eines allgemeinen Entwicklungsganges nicht getan ist. Wahrscheinlich wird es Verallgemeinerunbesser sein, größere Gebiete mit leidlich übereinstimmenden Zügen gen unzweckmäßig herauszuarbeiten, ähnlich wie es Lütge bei den verschiedenen Formen der Grundherrschaft getan hat. Kaufhold bietet eine Parallele für die regionale Gliederung des Handwerks in Preußen um 1800 [95: Gewerbe, 88]. Das Kartenbild, das für die abweichenden Sozialstrukturen der Landwirtschaft im 16. Jahrhundert in der angedeuteten Weise zu zeichnen wäre, könnte mit Sicherheit nicht mehr für das 18. Jahrhundert verwendet werden. Es ist vielmehr neu zu entwerfen. Von einer vereinheitlichenden Tendenz ist aber auch im 18. Jahrhundert noch nichts zu spüren. Betrachtet man für dieses Säkulum zuerst die Entwicklung der Getreidepreise, so kletterten sie anfangs genauso zögerlich wie im 16. Jahrhundert, stiegen anschließend ebenfalls zügig an, schnellten aber gegen Ende des Jahrhunderts förmlich nach oben. Man geht wohl nicht fehl, in dieser Preisentwicklung drei Stadien zu erblik- Erneute Verengung Nahrungsspielken, in denen sich der Nahrungsspielraum zunehmend verengte. Da des raums die bestehenden Höfe ebenso wie im 16. Jahrhundert ihren Landbesitz zäh bewahrten, Neuland aber nach den nicht unerheblichen Rodungen vor dem Dreißigjährigen Kriege kaum noch zu beschaffen war, kam es zur sogenannten Bodensperre, die es den nur noch in geringer Zahl hinzukommenden Kleinstellenbesitzern verwehrte, Ackerland in nennenswertem Umfang zu erwerben (vgl. oben 58 f.). Bevölkerungsvermehrung und Bodensperre bewirkten gleichzeitig ein kräftiges Anwachsen der Zahl der land- und stellenlosen Dorf- Starke Zunahme bewohner, der Einlieger oder Inquilinen. Diese Ärmsten der Armen der Einlieger
112
IL
Grundprobleme der Forschung
keineswegs eine Erscheinung des 18. Jahrhunderts, aber diese Gruppe erreichte erst jetzt einen beträchtlichen Umfang. sind
Da sie aus verschiedenen Gründen nicht in den Steuerlisten erSchwierige Erfas- schien, lassen sich nach Franz keine zahlenmäßigen Angaben über sung der Einlieger ihre Stärke machen [50: Geschichte, 219]. Diese generelle Aussage ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Waren die Angehörigen dieFranz führt es als einzigen Beleg ser Gruppe auch in Hannover im 17. Jahrhundert nicht kopfsteuerpflichtig, so änderte sich an das im 18. gründlich. Außerdem führt Franz eine Untersuchung Blaschkes für Kursachsen an, der sich die entsprechenden Werte entnehmen lassen [ebd., 222]. Blaschkes Eckwerte liegen leider weit nach dem Ende der Frühen Neuzeit (1843), so daß auf eine andere Untersuchung zurückgegriffen werden muß, bei der sich der Zeitraum besser mit der Epochengrenze deckt. In ihr wurde die Zahl der Einlieger als Residualgröße ermittelt. Die erste braunschweigische Zählung datiert aus dem Jahre 1774. Der Anteil der Stadtbewohner betrug rund 30 v. H. Da auf Grund anderer Nachrichten die Zahl der Hof- und Kleinstellenbewohner einigermaßen sicher geschätzt werden konnte, verblieben als Rest in diesem Berichtsjahr 5100 Einlieger. 1803 hatte sich der Anteil der Stadtbewohner nicht verändert, und in Braunschweig kann von einer gleich hohen Zahl an Höfen und Kleinstellen ausgegangen werden, bei denen sich die Zahl der Bewohner höchstens unwesentlich verändert haben könnte. Wird sie deshalb konstant gehalten, so beläuft sich der Bevölkerungsrest diesmal auf 40700 Menschen [8: W. Achilles, Belastung, 28, 34]. Gegen das Ergebnis, eine Verachtfachung der Einlieger in 29 Jahren, könnte man die Abwanderung in die Städte ins Feld führen, die unberücksichtigt blieb; außerdem sind die Fehlergrenzen der Kalkulation zu bedenken. Beide Gründe reichen jedoch nicht aus, das Ergebnis grundsätzlich in Frage zu stellen. Es bleibt bei einer Ursachen des über- Vervielfachung dieser Schicht, die aus zwei Gründen zugleich proportionalen wuchs. I. mußte sie den Bevölkerungsüberschuß aufnehmen, der Wachstums von den Höfen und Kleinstellen stammte, und 2. waren etliche Einlieger verheiratet, so daß zusätzlich eine sicherlich nicht unbedeutende gruppeneigene Reproduktion einzubeziehen ist. Gerade dieser Sachverhalt führt zu der Frage, ob es ausreicht, die Bevölkerungsexplosion im 18. Jahrhundert einfach auf eine Veränderung der Natalität und Mortalität, die sogenannte demographische Transition, zurückzuführen, wie es die Historische Demographie vorschlägt [89: A. E. Imhof, Einführung, 60 f.]. War den Nachgeborenen in den Anerbengebieten die Eheschließung früher fast immer -
-
113
D. Die unterbäuerliche Schicht
so konnten sie neuerdings als Häuslinge dazu schreiten. Mit der Zunahme stehender Ehen mußte der schon vorher vorhandene Bevölkerungsüberschuß sprunghaft ansteigen. Die Zunahme der unterbäuerlichen Schicht, vor allem der Häuslinge, gewinnt in sozialgeschichtlicher Hinsicht sofort einen herausragenden Stellenwert, wenn sie gleichzeitig als Indikator für die Nachfrage nach auskömmlichen Beschäftigungsmöglichkeiten angesehen wird. Indes- Überproportionales sen gibt sich das Forschungsproblem erst dann in seinem ganzen Wachstumund Erwerbschancen umlang zu erkennen, wenn zusätzlich abgewogen wird, ob das An-. gebot an Arbeiten der verschiedensten Art der ständig steigenden
versagt,
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Nachfrage entsprach.
2. Der Erwerb Schon seit langem ist die unterbäuerliche Schicht Forschungsgegenstand der Nationalökonomen und neuerdings der Sozialhistoriker geworden. Sie war gleichsam Ansatzpunkt einer zuweilen umfassenden Theoriebildung, bei der jedoch über den Erwerb dieser Schicht immer nur schlagwortartige Hinweise gegeben wurden. Wenn er hier in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt wird, ergibt sich eine andere Ausgangslage und damit auch eine andere Problemstellung: Gelang es der sich rasch vermehrenden unterbäuerlichen Schicht, genügend Arbeit zu finden gleich welcher Art? Abweichend vom Zugehörige auf der sonst üblichen Sprachgebrauch werden dazu auch jene Landwirte Nachfrageseite gerechnet, die nach heutiger Definition als Zuerwerbslandwirte mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus der Landwirtschaft bezogen; erst recht gehörten die heute so genannten Nebenerwerbslandwirte dazu, bei denen dieser Anteil unter die Hälfte absinkt. Die unkonventionelle Hereinnahme dieser Landwirte, vor allem der Zuerwerbslandwirte, wird mit dem auch für sie bestehenden Zwang begründet, gleich den Kleinstellenbesitzern nach einem Erwerb außerhalb der Landwirtschaft Ausschau halten zu müssen. Sie konnten demnach jederzeit zu einem Konkurrenten für die übrigen Angehörigen der Unterschicht um die gleiche außerlandwirtschaftliche Tätigkeit werden. Deshalb sind sie, wenn auch nicht voll, der Seite der Nachfrager hinzuzurechnen, wenn abgewogen werden soll, ob das realisierbare Arbeitsangebot für alle ausreichend war. Bei der gewählten Abgrenzung ist zuerst die Scheidelinie zu ziehen, oberhalb derer ein volles Einkommen aus der Landwirtschaft erwirtschaftet werden konnte. Die Zahlen für das zu diesem Zweck -
IL Grundprobleme der Forschung
114
benötigte Abgrenzung
der sammen
Vollerwerbs-
Ackerland trug für
einige Regionen
[79: Dienste, 166-168],
zu
ergänzen
bereits Henning
wäre die
zu-
später publi-
zierte kurhannoversche Enquete [10: W. Achilles, Lage, 20 u. Tab. betriebe 11/2]. Dieses Zahlenmaterial reicht jedoch noch nicht für eine Gesamtbetrachtung aus. Die Hektarzahl für das Ackerland, das mindestens für einen Vollerwerb erforderlich ist, schwankte vor allem entsprechend der abweichenden Bodenqualitäten ganz erheblich, und in der Frühen Neuzeit sorgte die Ungleichheit der Belastung für weitere Varianten. Aber selbst wenn die Grenze zwischen Vollerwerbs- und sonstigen Betrieben zuverlässig bestimmt werden könnte und damit der Umfang der beiden Gruppen zweifelsfrei festläge, bliebe noch eine Unsicherheit. Es müßten nämlich jene Zuerwerbsbetriebe wieder den Vollerwerbsbetrieben zugerechnet werden, die ihr nur geringes Einkommensdefizit durch Gespannarbeiten ausglichen. Bei solchen Arbeiten entfällt nämlich das Kriterium der Konkurrenz außerhalb der Landwirtschaft. Bei der Frage, ob die Nachfrage nach außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungen mit dem Angebot im Einklang stand, kann die eben genannte geringfügige Unsicherheit auf der Nachfrageseite Nachfrage-Ange- getrost vernachlässigt werden. Die Relation ist nämlich nicht einmal bots-Relation nicht andeutungsweise zu ermitteln, da auf der Angebotsseite quantitative zu ermitteln Untersuchungen praktisch fehlen. Über Andeutungen oder Pauschalierungen kommt selbst die umfangreiche Arbeit über die „Industrialisierung vor der Industrialisierung" von P. Kriedte, H. Medick und J. Schlumbohm nicht hinaus [107], und die spärlichen Hinweise bei Franz [50: Geschichte, 218-233] können ohne Übertreibung als unzureichend bezeichnet werden. Den auch anderswo genannten Stichwörtern fügt er kein weiteres an, obwohl er sich ausdrücklich fragt, „von was diese Leute überhaupt leben konnten"
[ebd., 225].
Subsistenztheorie
Die Historische Demographie schien mit der SubsistenzkrisenTheorie eine Pauschalantwort bereitzuhalten. Sie beruht auf der Annahme einer generellen Unterbeschäftigung, die ein unzureichendes Einkommen und damit eine mangelhafte Ernährung zur Folge hatte. Die geschwächte Konstitution führte sodann bei Seuchenzügen zu einer besonders hohen Mortalität der unterbäuerlichen Schicht. Diese Theorie wurde jedoch inzwischen mit disziplineigenen Methoden wieder in Frage gestellt [89: A. E. Imhof, Einfüh-
widerlegt rung, 46-56]. So bleibt nichts weiter übrig, als die von Franz gebrachte Stichwortliste kritisch durchzumustern, da auch andere Forscher
D. Die unterbäuerliche Schicht
115
bislang weder einen Einzelpunkt konkretisierten noch die Liste um ein weiteres Stichwort verlängerten. Als Beschäftigungsmöglichkeit für Angehörige der unterbäuerlichen Schicht führt Franz zuerst den Tagelohn an, der vor allem in Stadtnähe, Industriedörfern und größeren Bauerndörfern
verdienen gewesen sein soll [50: Geund solche in Stadtnähe dürften jeIndustriedörfer schichte, 220]. doch an der Zahl aller Dörfer nur einen verschwindend kleinen Bruchteil gestellt haben. Die Aussicht, in größeren Bauerndörfern einen Tagelohn zu erwerben, verwarf schon Henning für die unterbäuerliche Schicht im Fürstentum Paderborn, wo auch die Städte keine Arbeit boten [79: Dienste, 169]. Auch die kurhannoversche Enquete erwies für das Kurfürstentum die Bedeutungslosigkeit der Vollerwerbslandwirtschaft für Arbeit suchende Tagelöhner (vgl. oben 47). In Westfalen und dem nordwestlichen Niedersachsen wurden Tagelohnarbeiten viel zu selten angeboten, so daß viele Tagelöhner das Sommerhalbjahr in Holland mit Wiesenmähen, Heubereiten und Torfstechen verbrachten. Decken die Berichtsgebiete auch keineswegs ganz Deutschland ab, so sind es doch solche, in denen noch am ehesten mittel- und großbäuerliche Höfe anzutreffen waren, die in der Erntezeit wenigstens kurzfristig Tagelöhner beschäftigten. Dem in der Literatur immer wieder begegnenden Hinweis auf die bäuerliche Landwirtschaft als Arbeitgeber muß bei diezu
.
Bäuerliche LandWlrtscnaft als Arbeitgeber unbej Tjwerden. In diesem Zu- deutend
Sachlage mit größter Skepsis begegnet sammenhang sei auf die Sonderstellung jener Arbeiter verwiesen, die auf den Gütern ganzjährig beschäftigt waren und dort ein gesichertes, wenn auch recht geringes Einkommen erwarben. Sodann ergänzt Franz, die Landbewohner hätten das nicht _
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Angebot an Arbei Tagelohn
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ausreichende Einkommen aus der Landwirtschaft mit Einkünften aus einem Handwerksbetrieb auf die erforderliche Höhe aufge- Tätigkeit als Landstockt. Um einen Anhalt darüber zu gewinnen, wie viele von diesem handwerker Zu- oder Nebenerwerb Gebrauch machen konnten, wurde für Preußen und Braunschweig die Handwerkerdichte in Stadt und Land gegen Ende der Frühen Neuzeit ausgewiesen [95: K. H. Kaufhold, Gewerbe, 44-51; 8: W. Achilles, Belastung, 31]. Schremmer sah sogar eine Verlagerung des Handwerks in die Zentralorte einer Hofmark und faßte diese Erscheinung in dem Schlagwort von der Territorialisierung des Gewerbes. Die von ihm formulierten Untersuchungskriterien sind sicherlich geeignet, das komplexe Geschehen in seinem ganzen Umfang zu erfassen [163: Überlegungen, 2-6]. Zu prüfen ist allerdings, ob die Quellen auf alle Fragen eine Antwort geben. Die Erprobung am Fall Bayerns bestätigt diesen Zweifel. Als
116
IL
Grundprobleme der Forschung
Beweis für die Zunahme des Gewerbes auf dem Lande werden ledie Zunahme der Kleinstellen in den Hofmarken angeführt und die auch anderswo zu hörenden Klagen städtischer Handwerksmeister über die Konkurrenz auf dem Lande [162: Agrarverfassung,
diglich
42-65].
Selbst wenn man Schremmers Schlüssen folgt, muß doch das Fehlen des wichtigsten von ihm definierten Aspekts bedauert werden, nämlich die Aufschlüsselung des Gesamteinkommens auf die Einkünfte als einzelnen Erwerbszweige. Nur wenn der Anteil für das LandhandHandwerker blei- werk erfaßt und dessen Vergrößerung nachgewiesen werden kann, ben unbekannt ist die reale Bedeutung der Territorialisierung zu beweisen. Wie wichtig es ist, diesen Anteil zu kennen, sei an zwei Beispielen aufgezeigt. Im Flecken Ärzen (bei Hameln/Weser) wurde zwar der Besitzer eines Halbkothofes als Schuster geführt, doch übte er das Handwerk nicht aus, weil ihm der so der berichtende Amtmann „Geld-Vorschuß" fehle, um das nötige Leder einzukaufen; aber selbst wenn das gelänge, so wird ergänzt, hülfe auch das nicht, da in Ärzen noch weiter 19 Schuster ansässig seien. Selbst bei einem Schmied im Amt Ehrenburg (bei Diepholz) betrug das Einkommen nur 32 T. [10: W. Achilles, Lage, 89-92, bes. 90]. Weiß man um solche konkreten Fälle, wird man recht skeptisch, wenn die Aussagekraft der Handwerkerdichte auf dem Lande oder eine bloße Stellenvermehrung diskutiert werden soll. Geographisch zu eng gefaßt ist Franz' Hinweis auf die LeinenGarnspinnerei und weberei und Garnspinnerei in Minden-Ravensburg und Tecklenderen Verbreitung burg-Lingen [50: Geschichte, 225]. Allein für Preußen wären Halberstadt, Ostfriesland, die Kurmark und die Grafschaft Mark zu ergänzen [95: K. H. Kaufhold, Gewerbe, 109], und selbstverständlich ist noch Schlesien zu nennen, wenn die wichtigsten preußischen Leinenerzeugungsgebiete vorgestellt werden sollen. Sachsen darf aber ebensowenig vergessen werden wie die weifischen Fürstentümer Calenberg und Wolfenbüttel mit dem dazwischen gelegenen Hochstift Hildesheim. Recht schwierig ist es bereits, die Zahl der Webstühle auf dem Lande zu erfassen, und geradezu unmöglich, die weit größere Zahl jener zu bestimmen, die Leinengarn spannen. Hilft Franz' Zitat weiter, Ende des 18. Jahrhunderts hätten im Das Beispiel damaligen Dorf Gütersloh 40 v. H. der Bevölkerung vom GarnhanGütersloh del und der Spinnerei gelebt [50: Geschichte, 225]? Nachzufragen wäre gerade bei diesem Ort, ob der genannte Prozentsatz nicht auch Leinwandweber einschließt. Außerdem dürfte Gütersloh als ein Mittelpunkt der Textilerzeugung eine Ausnahmeerscheinung gewe-
-
D. Die unterbäuerliche Schicht
117
sein, die nicht als repräsentativ angesehen werden kann. Weiterhin ist der von Schremmer formulierte dritte Aspekt zu bedenken: Lebten diese Menschen ausschließlich von den beiden genannten Tätigkeiten, oder betrieben sie nebenher noch Landwirtschaft? Schließlich wäre es wichtig zu wissen, welchen Lebensstandard die erwähnten Tätigkeiten allein oder zusammen den Einwohnern verschafften. Als es Kaufhold darum ging, Umfang und Bedeutung der Spinnerei in Preußen zu erfassen, erwies sie sich als spröde, kaum abzuschätzende Materie [95: Gewerbe, 96 f.]. Etwas günstiger sieht es aus, wenn sie als Erwerbsquelle für einen einzelnen Landhaushalt Das Beispiel gewichtet werden soll. Um den Arbeitsanfall zu bestimmen, müssen Braunschweig folgende Daten bekannt sein: 1. der Umfang der Flachsernte einer Region, 2. der Anteil der Bauern und 3. der unterbäuerlichen Schicht sowie 4. die überregional gültigen Tagesleistungen bei der Weiterverarbeitung des Leins zum Flachs und schließlich für das Garnspinnen. Kann 5. auf die Garnpreise zurückgegriffen werden und werden 6. die Kosten abgezogen, kann das Jahreseinkommen oder auch das Einkommen eines Arbeitstages aus diesem Erwerbszweig errechnet werden. Für das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel ergab sich aus den genannten Rechnungsposten folgendes Resultat: Bei unterdurchschnittlichen Tagesverdiensten (vgl. oben 61) war die Vollbeschäftigung nur für jeden Dritten der unterbäuerlichen Schicht gegeben. Anders ausgedrückt: Im Schnitt waren die benötigten Subsistenzmittel aus der Garnweberei nur zu einem Drittel zu erlangen. Demnach ist das Beschäftigungsproblem der unterbäuerlichen Schicht mit dem bloßen Verweis auf diesen Erwerb noch nicht gelöst. Franz' Frage, „von was diese Menschen über- Garnspinnerei sichert keine haupt leben konnten", sollte für Agrar- und Sozialhistoriker nicht allein Vollbeschäftigung länger rein rhetorisch bleiben, sondern von bohrender Schärfe werden. sen
3.
Betriebsgrößen- und Sozialstruktur des
Dorfes
Das Dorf als Sozialverband kann in diesem Band weder gründlich untersucht noch beschrieben werden. Nur ein Aspekt soll herausgestellt werden, der in der bisherigen Diskussion übergangen wurde, nämlich der Zusammenhang zwischen der Betriebsgrößen- und Sozialstruktur. Für ganze Landschaften oder kleinere Territorien ist er eher von wirtschafts- und agrarpolitischer Bedeutung; wird dieser
118 Dorf als Sozialverband
IL Grundprobleme der Forschung
Zusammenhang jedoch auf ein Dorf eingeengt, so wurde er für die jüngste Zeit zum Untersuchungsfeld der Agrarsoziologen. Da sie nur geringe historische Neigungen entwickelten, nahmen sich später die Sozialhistoriker der Erforschung der Sozialstruktur des Dorfes an.
Gemeinsamkeiten
Trennende Merkmale
Sonderstellung des Bauern
Fremdbild der Bauern von Nichtlandwirten
Die genossenschaftlichen Züge, die jedem Personenverband auf dem Dorfe anhaften, wurden von 1933 bis 1945 zu einer Gemeinschaft hochstilisiert, die als Dorfgemeinschaft Teil der Volksgemeinschaft sein sollte. Betonte 1962 P. v. Blanckenburg noch die Gemeinsamkeiten, so warnte er doch schon davor, das vorindustrielle Dorf als eine stets innig verbundene Gemeinschaft anzusehen. Das besitzständische Moment, die Betriebsgröße und andere Statusmerkmale hätten vielmehr zu einer beträchtlichen Differenzierung geführt [23: Einführung, 17]. 1966 entlarvte H. Kötter die Dorfgemeinschaft „als einen historischen Irrtum" [103: Gemeinde, 13], und 1971 bestätigte U. Planck noch einmal diese Aussage [140: Planck, Landgemeinde, 7]. Seitdem scheinen die Agrarsoziologen der Landgemeinde kein Interesse mehr abzugewinnen. Mehr als knapp hat sich auch Franz mit dem Dorf und seinen Bewohnern während der Frühen Neuzeit befaßt [50: Geschichte, 214-233]. Gleiches kann nicht für den Überblick über „Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland" von H. Wunder gelten [193]. Wenn sie aber, von den „peasant studies" herkommend, nach den vertikalen und horizontalen Solidaritäten im Alltagsleben und in innerdörflichen Konflikten fragt, so läßt der konkrete Ertrag doch noch Ergänzungen geboten erscheinen. Konnte man in jüngster Zeit zuweilen lesen, die Sonderstellung der Bauern als Ernährer des Volkes sei ihnen von den Nationalsozialisten eingeimpft worden, so ist diese Feststellung als unhistorisch abzulehnen. Diese Sonderstellung bestätigte den Bauern schon zu Beginn der Frühen Neuzeit der Kartäusermönch R. Rolevinck (vgl. oben 15), und ohne auf frühere oder spätere Zeugnisse weiter einzugehen, genügt es, für den hier verfolgten Zweck C. Garve zu Wort kommen zu lassen. Den schlesischen Bauern, deren Mentalität er allem Anschein nach gründlich studiert hatte, bescheinigte er folgende Einstellung: „Den großen Haufen der Vornehmen sieht der Bauer für eine Art von leichtsinnigen Thoren an, die nur mit Kleinigkeiten oder ihrem Vergnügen beschäftigt sind, und die von dem Soliden und Nothwendigem, dergleichen der Ackerbau ist, keine Begriffe haben" [57: Charakter, 12]. Der Ackerbau und die Hofarbeiten, so ergänzte er, führen sie oft zusammen, so daß sich bei
D. Die unterbäuerliche Schicht
119
ihnen ein „esprit de corps" entwickelt [ebd., 16 f.]. Für den Zusammenhalt im Dorf sorgten auch die verwandtschaftlichen Bindungen. Bei der Auswertung von 762 Eheverträgen aus zwei braunschweigischen Ämtern konnte das hier praktizierte Vorgehen bei der Partnerwahl beobachtet werden. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle suchte und fand man die Frau im eigenen Dorf. Der weit kleinere Teil wagte sich bis ins Nachbardorf vor, und die Frau gar aus dem übernächsten zu holen, blieb ein Ausnahmefall für besonders Wagemutige [6: W. Achilles, Vermögensverhältnisse, 53 als Quel-
Verwandtschaftliche Bmdungen
lennachweis]. Die landwirtschaftliche Tätigkeit kann aber keinesfalls nur als gemeinschaftsbildendes Merkmal angesehen werden; in vielen Dörfern war sie auch ein differenzierendes. Seit Beginn der Frühen Neuzeit konnten sich nämlich nicht mehr alle Dorfbewohner mit etwas so Solidem und Notwendigem wie dem Ackerbau beschäftigen. Waren sie als Schmiede, Wagner oder Sattler direkt für die Landwirtschaft tätig, so sah der Bauer ihre Daseinsberechtigung sicherlich noch ein. Ob er sie aber auch als ebenbürtig anerkannte, bleibt nach den Erfahrungen, die man noch im 20. Jahrhundert machen konnte, eher zweifelhaft. Noch schlechter war es um das Ansehen jener Dorfbewohner bestellt, die als Woll- oder Flachsgarnspinner oder auch als Weber an der Leinwand- und Tuchherstellung beteiligt waren. Die schlesischen Erzeugnisse wurden nach Osteuropa, die aus dem südlichen Niedersachsen und Westfalen über die Niederlande nach Ostindien ausgeführt. Der Produktion solcher Güter, die in unbekannte Fernen exportiert wurden, hat der Bauer mit Sicherheit keinen großen Wert beigemessen, und diese Einstellung schlug auf die Erzeuger zurück. Das ist bereits der glatte Ausbruch aus dem Dorf „as an Economic Unit", wie sie T. Shanin für die
Landwirtschaft als differenzierendes
„Peasant Economy" postuliert [174: Nature, 172f.].
Bis in die Gegenwart hinein wird den Bauern das sogenannte Hofdenken bescheinigt, wobei die Sorge um den Bestand des Hofes das manchmal beängstigend ausschließliche Ziel allen bäuerlichen Handels werden kann. Man denkt in Generationen und möchte den Hof, jedenfalls ist es in Anerbengebieten so gute Bauernart, möglichst ungeschmälert dem Erben übergeben. Das Besitzdenken der Bauern ist geradezu sprichwörtlich, und darauf spielte v. Blankenburg an, als er die Betriebsgröße als Differenzierungsmerkmal nannte. Der Bauer ist stolz auf seinen Landbesitz oder die Zahl der Pferde. Häufig heiratete man auch standesgemäß. So konnten besonders im Amt Jerxheim (Herzogtum Braunschweig) jene Fälle be-
Hof- und Besitzdentcen der Bauern
120
II.
Grundprobleme
der
Forschung
obachtet werden, bei denen der Anerbe im Ehekontrakt seinen Geschwistern eine gleich hohe Mitgift versprach, wie er selbst von seiner Braut erhielt. U. Begemann sah bei den Erben großer Höfe in ausgewählten calenbergischen Dörfern ebenfalls eine Bevorzugung von Ehepartnern aus derselben Bauernklasse [13a: Lebensbedingungen, 124-131]. Bildeten auch die verwandtschaftlichen Bande im Dorf ein Gegengewicht, so kann im Grundsatz an der Betriebsgröße als sozial differenzierendem Merkmal nicht gezweifelt werden. Wertschätzung der landwirtschaftlichen Tätigkeit und bäuerliches Besitzdenken erweisen sich damit als überwiegend differenzierende Kräfte für die Einwohnerschaft eines Dorfes. Sie besaßen jedoch in der Frühen Neuzeit eine regional recht unterschiedliche Sozialstruktur in Ausprägung. In den Realteilungsgebieten trat eine solche Stufung Realteilungs- des Besitzes wie in den Anerbengebieten nicht auf, und hier gingen gebieten zudem mehr Dorfbewohner einem nichtlandwirtschaftlichen Erwerb nach. In diesen Landschaften bestand wohl noch am ehesten so etwas wie Gleichheit und Gleichberechtigung zwischen und unter den Dorfbewohnern, doch sei an die innerdörflichen Konflikte erinnert, die hier Sabean beobachtete und auf den unterschiedlichen Sozialstruktur in Landbesitz zurückführte (vgl. oben 68). Weit trennender war die Anerbengebieten Schichtung in den Gebieten mit geschlossener Hofübergabe ausgeformt, und das galt vor allem für jene Dörfer, in denen Großbauernhöfe anzutreffen waren. Das differenzierende Besitzdenken spiegelte sich hier auch in der Mobilität. An großen oder mittleren Höfen hielten die Familien entschieden fest, während kleine oder Nebenerwerbsstellen weit eher aufgegeben wurden, wenn der Besitzer hoffte, anderswo leichter sein Brot zu finden. Eine deutlich abgesetzte Schicht bildeten die Einlieger, die besonders bei den Kleinbauern unterkamen und rasch von Ort zu Ort zogen, nicht zuletzt deshalb, um auf diese Weise der Steuer- oder Militärdienstpflicht zu entgehen. Als krassester Fall sozialer Differenzierung sind die GutsSozialstruktur der dörfer anzusehen, wo die Interaktionen zwischen den Herren und Gutsdörfer Arbeitern auf jene beschränkt blieben, die das Arbeitsverhältnis erforderte. Oft genug entfielen auch noch sie, weil Verwalter oder Inspektoren an die Stelle der Gutsbesitzer traten. Sicherlich ist die vorstehend skizzierte Dreiteilung nicht mehr als ein grober Anhaltspunkt, der dringend weiterer Konkretisierung bedarf. Sie ist aber dennoch ein Ausgangspunkt, um die soziale DifDifferenzierung als ferenzierung der Dorfbewohner im alltäglichen Leben besser als bisErkenntnishilfe her in den Blick zu bekommen.
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Register Abel, W. 2, 3, 25, 41 f., 46, 48, 50, 53, 59, 64-73, 77 f., 80-83, 86, 89, 95, 98, 103-105, 108 f. Absolutismus 36 f. Achilles, W. (Siehe Kftm. Hannover und zugehörige Einzelnachweise ohne 93, 101, 112) 13, 50, 58,61,72, 74, 97, 112, 115 f., 119
Agrarindividualismus 12,94,103 Agrarkrise od. -konjunktur (Definition) 41,46,65,71,73 Agrarreformen 4, 32, 37, 41 Agrarverfassung (Siehe Grundherrschaft) Allgäu 45, 53, 80, 108
Altmark 30 Amerika 42
109
Beutler, C. 5 Bittermann, E. 23-27, 102 Blankenburg, P. v. 118 f. Blaschke, K. 112 Blickle, P. 31, 36, 67 f., 84, 108 f. Bodenfruchtbarkeit 8, 12,95,99
Bodensperre
111
Bölts, j. 25 Bois, G. 71-74
Brandenburg, Kftm. 30, 39, 57 Braunschweig 37 f. Braunschweig-Wolfenbüttel, Hztm. 12f., 50f., 58, 61,83, 85,93, 95, 102, 112, 116f., 119 Brunner, O. 37
Buchführung
Amtsverfassung Anhalt,
Beulenpest 52, 54, 56,
96 Hztm. 29 f., 84
76
Calenberg, (kurhann.) Ftm.
58 f.,
Anschreibebücher 77, 103 Arme (gemeine) Mann 68 f. Ärzen (Amtssitz im Kftm. Hannover) 95, 116 Aufklärung 16 Augsburg 67
116 Christentum 15 f. Crome, H. W. 101 f.
Baden, Mgf. Carl Friedrich v.
108, 111 Düngung (Siehe auch Mineralisation) 8, 20, 45, 94
Bauernaufklärung
14
16
Bauernklassen 39, 54, 59, 75
Bauernkrieg 3, 64-69, 75, 77,
108 Bauernstand 74, 79, 92 Bayern, Kftm. 4, 40, 45, 48, 59f., 74 f., 77, 115 Beckmann, J. 8
Bedarfsdeckungswirtschaft 51,69 Begemann, U. 120 Benekendorf, C. F. 26
v.
(anonym)
Bergen, j. C. 9, 18 Besteuerung 11-13,34-36,38-40, 50, 68, 83 f., 87, 98, 120
Dienste (Fron-) 30-32, 70f., 83, 87 f., 92, 96-98 Dreifelderwirtschaft 7, 9, 19, 42 Dreißigjähriger Krieg 38, 56 f., 85,
Eckhardt, H. W. 31 Eckhart, j. G. v. 8, 18, Ehrenburg, (kurhann.) Amtssitz 116 Elsaß 31 Einkommenselastizität der Nachfrage (Siehe auch Kingsche Re-
gel) 18,27,43,50,79,85 Endres, R. 108 Engel, L. H. H. v. 26 f., 45, 61, 87, 100
Evessen, (brschwg.) Dorf 82
136
Register
Feudalismus 1,7,17,19,48,73, 91-93 Feudalklasse (ohne I. B. 3. 1-3 u. II. B. 1.) 47-50, 71,83, 98 Feudalquote (ohne I. B. 3. 1-3 u. II. B. 1.) 49 f., 70-72, 74, 81, 83 f., 87, 98, 100
Fischer, C. 9 Florinus, F. P. 10
Haase, C. 34 Halberstadt, Hochstift 116 Hannover, Kftm. 19, 22, 33-35, 3840, 48, 50f., 55, 58, 60, 74, 79-81, 83 f., 87, 89,93,97,99, 101, 103, 112, 114f. Harnisch, H. 92-95, 105 Haufendörfer 52, 54 Hauptmeyer, C.-H. 34
21 Franken 4, 93, 108 Franz, G. 34, 58, 65, 67, 110, 112, 114-118 Französische Revolution 34, 51 Freiburg, H. 44, 68, 73-75, 79 Friedrich IL, Kg. v. Preußen 57 Fruchtfolge 19 Fünffelderwirtschaft 7, 19 Fürstenwohlstandslehre 11 f.
Hausse-Spekulation 87 Hausväterliteratur (Siehe auch Germershausen, Fischer u. Florinus)
Garve, C. 118f. Gerhard, H. J. 49 Gericke, F. K. G. 24, 104 f. Germershausen, C. F. (anonym) 10, 18 f., 76f. Gerichtsherrschaft 28-31,35,37, 40, 48, 72, 82,91,96 Gesenius, C. 38 f. Getreiderohertrag (als Maßstab der Belastung) 33, 82, 99f. Goltz, T. v. d. 9 Goslar, Stadt 89 Goslar, Domstift 107
Hinze, O. 91 Hoffmann, J. G. 102 Hoffmann, W. G. 10 Holstein, Hztm. 35
Flurzwang
9
Hauswirtschaft, geschlossene 51 Henning, F.-W. 32 f., 35, 40, 49, 70 f., 73 f., 97, 114 f. Herr, M. 5 Hessen 51
Hildesheim, Stadt 49, 97 Hildesheim, Hochstift 32-34, 102, 116
Göttingen, (kurhann.) Ftm. Göttingen, Stadt 49
58
Grosser, M. 6f., 16 Grundherrschaft, allgemein 28-33, 37-41,48, 54 f., 72, 82f.,91,95 Mitteldeutsche 30 -, Nordwestdeutsche 30, 37 -, Südostdeutsche 31 -, Südwestdeutsche 31 -, Westdeutsche 30 Grundner-Culemann, A. 89 Grundrente 43^16, 48-50, 73, 86f. Grundrententheorie 42 f. Gütersloh 116 Gutsherrschaft 29-31,55,57,83, -,
88,91,95
Humanisten 5
(als Agrarschriftsteller)
Imhof, A. E. 112,114 Intensivierung (incl. Besömmerung der Brache) 21, 42-47, 51, 73, 79, 85-87, 94-96,105
Jerxheim, (brschwg.) Amt 50f., 85, 119
Justi, J. G.
H.
v.
8, 13, 18
Kameralismus 10-14,33,101
Kapitalismus (Gesellschaftsformation) 51,92 Kaufhold, K. H. 49, 90, 111, 115117
Kinderarbeit 61,90
Kingsche Regel 43,
110
Knapp, G. F. 30 Königslutter, (brschwg.) Amt 50, 85 Kornlöhne 90 Körner, F. 108, 110 Korth, S. 55, 57
137
Register Niederlande 115, 119 Niedersachsen 102, 111, 115 Norddeutschland 60 Normandie 71, 73 f.
Kopitzsch, F. 65
Koppelwirtschaft 9, 21 KÖTTER, H. 118 Kraatz, H. 95 Kriedte, R 73 f., 114 Kurmark 57, 116 Landhandwerk 47,60,81,111, 115 f., 119 Land-Stadt-Wanderung 108 Landwirtschaft (als Arbeitgeber) 47, 60, 115 Leib, J. G. 13 Leibherrschaft 28-32, 68, 72, 82, 91, 93 Lein (auch Flachsgarn und Leinwand) 60 f., 116 f., 119 Leopoldt, J. G. 8 Lütge, F. 29-32, 36 f., 48, 67, 6972, 74, 83, 90, 95, 111 Luther, M. 16 Lutz, H. 67
Magdeburger Börde 92,93,
105
Malthus, R. 14, 83, 100 Mandrou, R. 70 f. Mark, (preuß.) Gt. 116
Marschhufendörfer 52 Marxistische Auffassungen 74,81, 92-94 Mecklenburg, Hztmm. 22,51,57, 91
Merkantilismus 10 f. Mineralisation 20-22
Minden-Ravensberg, (preuß.) Hoch-
stift/Gt. 61, 116 Mittelmark 55, 57 Mitterauer, M. 90 Moll, G. 93
Moosburg, (bayer.) Amt
Paderborn, Hochstift 40, 59, 71, 115 Pauperismus 14,83,110 Pest (Siehe Beulenpest) Petze (Siehe Hochstift Hildesheim) Peuplierungspolitik 13,40 Pfeiffer, J. F. v. 8 Planck, U. 118 Plinius (röm. Agrarschriftsteller) 5 Pommern 30, 57, 59
Preisinterdependenz
78
Preis-Lohn-Schere 65, 77, 80-82, 86 f. Preismechanismus 15,73 Preis-Preis/Kosten-Schere 70, 77,
Quesnay,
F.
Rheinpfalz
10, 14 f., 17, 76 57
103-105 77
München 67
Nahrungsspielraum 23, 43, 52, 56f., 87, 111
Naturrecht 16 Nebenerwerbslandwirte (Defini112
Ostsee 54
Ricardo, D. 42^15 Rindviehhaltung 24-26, 50, 89,
Mooser, J. 61 Müller, H.-H. 57 f., 94 f.
tion)
Ostpreußen 32,49,59
81 Preisrevolution 2 f., 42, 53, 56
H. 114
Medick,
Oberschwaben 29, 108 Oldenburg, Hztm. 29, 84 Optimierung der Produktionsfaktoren 72 Organismustheorie des Betriebes 10 Ostdeutschland 29,60, 110 Osteuropa 119 Ostfriesland, Ftm. 116 Ostindien 119
Rohertrag des Betriebes (als Maßstab der Belastung) 33, 77, 79, 82, 99 f.
Rolevinck, W. 15 f., 118
Rundlinge
52
Saalfeld, D. 26, 59, 88-90, 108 Sabean, D. W. 67 f., 109, 120 Schafhaltung 26 f., 94, 103
Schaumburg-Lippe, Gt.
34
138 Schlesien
Register 32,34,60, 116, 118 f.
Hztmm. 22 schlumbohm, J. 114 Schreiner, K. 37 Schremmer, E. 40, 59, 77, 115-117 Schubart, J. C. 8, 17, 34, 36, 47, 94 Schumacher (anonym), mecklenb. Amtmann 9 Schweinehaltung 27, 103 Selbstversorgung der Landwirtschaft mit Lebensmitteln 44, 69, 75, 88, 109
Schleswig-Holstein,
Sering, M.
41
31
Ständestaat 16, 31, 34-37 Steinborn, H.-C. 34 Süddeutschland 51 Südniedersachsen 60f., 119 Südwestdeutschland 84
Tecklenburg-Lingen, Gtt.
116
Teute, O. 107 Thaer, A. D. 9, 76, 102 Thumbshirn, A. v. 6, 8 Thüringen (sächs. Hztmm.) 4, 30, 40, 57,93, 108 Trossbach, W. 31 Tull, J. 21
Unkrautbekämpfung Veredlungsverlust
18
20f.
53 Verhältnis des Ackerlandes zur Viehhaltung 8 f., 17 f., 44
Vermessung (Kataster) 12,95,102
Vierfelderwirtschaft 7, 19, 21 Virgil (hier als röm. Agrarschriftstel-
ler) 5 Vollerwerbslandwirtschaft, Abgrenzung der
59, 114
Vorleistung anderer Wirtschaftszweige 46 Waas, A. 67 Wagner, A. 93
Shanin, T. 119 Smith, A. 10, 14 f., 17, 76
Staatsbürgerschaft, direkte
Vereinödung
Waldhufendörfer 52 Wehler, H.-U. 64 Weiderecht (Weideservitut) 22, 94 f.
Weingarten (Kloster)
67
Weifische Territorien 4
Westeuropa
55
Westfalen 53,60, 119 Wirtschaftsbuch 7
Wohlfeil, R. 64 Wopfner, H. 67 Wunder, H. 118
Württemberg, Hztm. 36, 40, 57 Wüstungsprozeß 53, 56, 109 Zehntherr 72,96
Zuckert, H. 31 Zuerwerbslandwirte (Definition) 112 Zugtierhaltung 23 Zweifelderwirtschaft 21
Enzyklopädie deutscher Geschichte Themen und Autoren Mittelalter
Demographie des Mittelalters / Neithard Bulst Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter /
Gesellschaft
Werner Rösener
Adel, Rittertum und Ministerialität im Mittelalter / Thomas Zotz Die Stadt im Mittelalter / Franz Irsigler Armut im Mittelalter / Otto Gerhard Oexle Geschichte des Judentums im Mittelalter / Michael Toch
Wirtschaftlicher Wandel und Wirtschaftspolitik im Mittelalter / Ulf Dirlmeier Die geistige Kultur bis zur Gründung der Universitäten in Deutschland / Johannes Fried Die geistige Kultur im Mittelalter / Jürgen Miethke Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters / Werner Paravicini Die materielle Kultur des Mittelalters / Hartmut Boockmann Die mittelalterliche Kirche / Michael Borgolte Religiöse Bewegungen im Mittelalter / Matthias Werner Formen der Frömmigkeit im Mittelalter / Arnold Angenendt Die Germanen / Hans Hubert Anton Die Slawen in der deutschen Geschichte des Mittelalters / N.N. Das römische Erbe und das Merowingerreich / Reinhold Kaiser Das Karolingerreich / Peter Johanek Die Entstehung des deutschen Reiches / Joachim Ehlers Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert / Egon Boshof Der Investiturstreit / Wilfried Hartmann König und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat / Bernhard Schimmelpfennig Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500 / Dieter Berg Die kirchliche Krise des Spätmittelalters / Heribert Müller König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter / Karl-Friedrich Krieger Landesherrschaft, Territorien und Frühformen des modernen Staates / Ernst Schubert
Wirtschaft
Kultur, Alltag, Mentalitäten
Religion und Kirche
Politik, Staat,
Verfassung
Frühe Neuzeit
Demographie
1500-1800 / Christian Pfister Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg / Peter Bierbrauer Bauern zwischen Dreißigjährigem Krieg und Bauernbefreiung / Werner Troßbach Adel in der Frühen Neuzeit / Rudolf Endres
Gesellschaft
140
Themen und Autoren
Der frühneuzeitliche Hof / Rainer A. Müller Die Stadt in der Frühen Neuzeit / Heinz Schilling Unterständische Schichten in der Frühen Neuzeit / Wolfgang von Hippel Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 / Peter Blickle Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft / Lothar Gall Geschichte des Judentums vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts / Stefi Jersch-Wenzel Wirtschaft Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert / Franz Mathis Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620-1800 / Rainer Gömmel Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit / Walter Achilles Gewerbe in der Frühen Neuzeit / Wilfried Reininghaus Handel und Verkehr, Banken und Versicherungen in der Frühen Neuzeit / N.N.
Kultur, Alltag, Medien in der Frühen Neuzeit / Erdmann Weyrauch Mentalitäten Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650-1800 / Anton Schindling Die Aufklärung / Wolfgang Hardtwig Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der Frühen Neuzeit / Bernd Roeck Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten in der Frühen Neuzeit / Günther Lottes und Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung / Bob Scribner Religion Kirche Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert / Heinrich Richard Schmidt Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert / Hartmut Lehmann Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit / Hans-Jürgen Goertz Politik, Staat, Das Reich in der Frühen Neuzeit / Helmut Neuhaus Verfassung Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit / Winfried Schulze Die Entwicklung der landständischen Verfassung / Franz Quarthai Vom absolutistischen zum bürokratischen Reformstaat / Walter Demel Staatensystem, Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648 / internationale Alfred Kohler Beziehungen Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 / Heinz Duchhardt
Gesellschaft
19. und 20. Jahrhundert Demographie des 19. und 20. Jahrhunderts /
A. Gräfin zu Castell Rüdenhausen Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert / N.N. Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert / Klaus Tenfelde Schichtung, Mobilität und Protest in der modernen Gesellschaft / Josef Mooser Adel im 19. und 20. Jahrhundert / H. Reif Das Bürgertum im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Hein Die Angestellten im 19. und 20. Jahrhundert / Günther Schulz Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert / N.N.
Themen und Autoren
141
Geschichte des Judentums in Deutschland vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1914 / Shulamit Volkov Geschichte des deutschen Judentums 1914-1945 / Mosche Zimmermann
Vorgeschichte, Verlauf und Charakter der deutschen industriellen
Revolution / Hans-Werner Hahn Die Entwicklung der Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Wilfried Feldenkirchen Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland im 19. Jahrhundert / Hartmut Harnisch Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert / N.N. Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert / (Toni Pierenkemper) Handel und Verkehr im 19. Jahrhundert / Karl Heinrich Kaufhold Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert / Horst A. Wessel Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert / Eckhard Wandel Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914) / Rudolf Boch Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert / Gerold Ambrosius Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert / Rüdiger vom Bruch Kultur, Bildung und Wissenschaft im 20. Jahrhundert / Horst Möller Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert / Dieter Langewiesche Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert / Wolfgang Kaschuba Formen der Frömmigkeit in einer säkularisierten Gesellschaft / Werner K. Blessing Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert / Gerhard Besier
Wirtschaft
Kultur, Alltag,
Mentalitäten
Religion
und
Kirche
Der Deutsche Bund und das politische System der Restauration 1815-1866 / Politik, Staat, Wolfram Siemann Verfassung Das Vordringen des Konstitutionalismus und das Ringen um den deutschen Nationalstaat / Elisabeth Fehrenbach Die innere Entwicklung des Kaiserreichs / Hans-Peter Ullmann Die innere Entwicklung der Weimarer Republik / Peter Steinbach Das nationalsozialistische Herrschaftssystem / Ulrich v. Hehl Die Bundesrepublik Deutschland. Verfassung, Parlament und Parteien / Adolf M. Birke Die Innenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik / Günther Heydemann Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871 / Anselm Doering-Manteuffel Deutsche Außenpolitik 1871-1918 / Klaus Hildebrand Die Außenpolitik der Weimarer Republik / Franz Knipping Die Außenpolitik des Dritten Reiches / Marie-Luise Recker Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland / Gregor Schöllgen Die Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik / Alexander Fischer
(Stand: Sommer 1991)
Staatensystem, internationale
Beziehungen