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German Pages 108 [109] Year 1979
H A R T M U T EGGER
Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz i m Arbeitsverhältnis
Schriften z u m Sozial- u n d A r b e i t s r e c h t Band 41
Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsverhältnis
Von
Dr. Hartmut Egger
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1979 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1979 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04297 2
Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Universität Mannheim i m Herbst 1977 als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde i m M a i 1977 abgeschlossen. Herrn Prof. Dr. Günther Wiese b i n ich zu Dank für die Betreuung der Arbeit verpflichtet. Dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme i n seine Schriftenreihe, der Vereinigung der Arbeitgeberverbände i n Bayern für einen Zuschuß zu den Druckkosten. München, i m September 1978 Hartmut
Egger
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erstes
11
Kapitel
Die Grundlagen von Gleichbehandlungsgrundsatz und Gestaltungsrecht
13
§ 1. Gleichbehandlung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten als Problem der austeilenden Gerechtigkeit
13
§ 2. Die Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes u n d seine Anwendung auf Gestaltungsrechte
15
I. Zurückführung auf übergeordnete Rechtsgrundsätze
15
1. Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 G G
15
2. Das Sozialstaatsprinzip
16
I I . Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluß bereits dener Rechtsgrundsätze des Privatrechts
vorhan-
16
1. Das soziale Schutzprinzip
16
2. Die Fürsorgepflicht
17
3. Gleichbehandlung als Billigkeitskontrolle
18
I I I . Die Einordnung des Arbeitsverhältnisses i n den Betriebszusammenhang als Anknüpfungspunkt f ü r den Gleichbehandlungsgrundsatz 1. Die konkrete Ordnung des Betriebes
18 18
2. Gleichbehandlung als Normvollzug
19
3. Gleichbehandlung als Folge der Betriebsgemeinschaft
20
I V . Die Machtposition des Arbeitgebers als Begründung f ü r Gleichbehandlungsgrundsatz
den
21
V. Gesetzliche Anerkennung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . .
23
§ 3. Die Anwendungsvoraussetzungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes u n d die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber
24
8
Inhaltsverzeichnis I. Bestehendes Arbeitsverhältnis
24
I I . Handeln des Arbeitgebers i n der „ k o l l e k t i v e n Sphäre"
25
§ 4. Das Wesen des Gestaltungsrechts u n d seine Vereinbarkeit m i t der Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz I . Der Begriff Gestaltungsrecht
26 26
I I . Die Unterwerfung des Gestaltungsgegners
28
I I I . Unterwerfung u n d Gleichbehandlung 1. Gleichbehandlung u n d Unterwerfungsabrede 2. Unterworfensein und Gleichbehandlung
29 29 31
I V . Unterschiedliche F u n k t i o n der Gestaltungsrechte u n d Gleichbehandlung
32
§ 5. Privatautonomie u n d Gleichbehandlung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten
33
I. A n t i n o m i e von Gleichbehandlung u n d Vertragsfreiheit
33
I I . Der Vorrang der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz u n d seine Bedeutung f ü r das Arbeitsverhältnis
35
I I I . Gleichbehandlung als Kontrolle einseitiger Gestaltungsfreiheit
36
Zweites
Kapitel
Gestaltungsrechte des Arbeitgebers und ihre Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz
38
§ 6. Der traditionelle Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes i m Bereich der freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers
38
I. Gleichbehandlung bei der Zusage freiwilliger Leistungen
39
1. Die Zusage freiwilliger Leistungen als Vertrag
39
2. Theorie der einseitigen Verpflichtung
40
3. Die Zusage freiwilliger Leistungen als Gestaltungsrecht
41
I I . Gleichbehandlung bei Änderung u n d W i d e r r u f freiwilliger L e i stungen
43
1. Änderung u n d Widerruf ohne vertraglichen Vorbehalt
44
2. Änderung u n d W i d e r r u f m i t vertraglichem Vorbehalt
44
§ 7. Gleichbehandlung bei der Lohngestaltung durch den Arbeitgeber . . I. Gleichbehandlung i m Bereich der Vergütung
45 45
Inhaltsverzeichnis I I . Gestaltung des Lohnanspruchs durch den Arbeitgeber
47
I I I . Gleichbehandlung bei der Lohngestaltung
48
§ 8. Gleichbehandlung bei der Suspension des Arbeitsverhältnisses I. Das Suspensionsrecht als Gestaltungsrecht
50 50
I I . Suspendierung u n d Gleichbehandlung
52
§ 9. Gleichbehandlung i m Bereich des Direktionsrechts
53
I. Das Weisungsrecht als Gestaltungsrecht
53
1. Begriff u n d I n h a l t des Direktionsrechts
53
2. Rechtliche Begründung des Direktionsrechts
54
3. Dogmatische Einordnung des Direktionsrechts
56
4. Der Einfluß der Mitbestimmung auf das Direktionsrecht
59
I I . Gleichbehandlung bei der Ausübung des Direktionsrechts
60
1. Weisungen z u m Gefahrenschutz u n d zur Ordnung des Betriebes
61
2. Bestimmung v o n Lage u n d Dauer der Arbeitszeit
61
3. Bestimmung der zeitlichen Lage des Urlaubs
64
4. Versetzung (Zuweisung höherwertiger Tätigkeit)
66
§ 10. Die K ü n d i g u n g des Arbeitgebers u n d das Gleichbehandlungsgebot . .
71
I. Gleichbehandlung zwischen Arbeitsplatzschutz u n d unternehmerischer Dispositionsfreiheit
71
I I . Ausschluß der Gleichbehandlung durch gesetzliche Regelung der Kündigung?
„individualisierende" 72
I I I . Gleichbehandlung u n d betriebsbedingte K ü n d i g u n g
73
1. Gleichmäßige Verteilung des Arbeitsplatzrisikos bei der Feststellung dringender betrieblicher Erfordernisse
73
2. Gleichmäßige Handhabung der K r i t e r i e n f ü r die soziale Auswahl
74
I V . Verhaltensbedingte gung
ordentliche u n d außerordentliche
Kündi-
76
1. Gleichbehandlung u n d Kündigungsgrund a) Ordentliche K ü n d i g u n g bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG)? b) Berücksichtigung gleichartiger Vertragsverletzungen anderer Arbeitnehmer bei der Feststellung des wichtigen Grundes für die außerordentliche K ü n d i g u n g
79
2. Ausübung des Kündigungsrechts gebot
82
und
Gleichbehandlungs-
77 77
10
Inhaltsverzeichnis a) Das Recht des Arbeitgebers, den Kündigungsgrund zu verzeihen b) Keine Berufung des vertragswidrig handelnden A r b e i t nehmers auf den Gleichbehandlungsgrundsatz? c) Vertragsfreiheit u n d Gleichbehandlung bei der Ausübung des Kündigungsrechts V. Änderungskündigung und Gleichbehandlung
§11. Gleichbehandlung i m Arbeitskampf I. Aussperrung u n d Gleichbehandlung I I . Gleichbehandlung bei der K ü n d i g u n g des Arbeitgebers als Reaktion auf einen w i l d e n Streik
Ergebnis und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
82 83 84 87 89 90 92
99
100
Einleitung Die Situation des Arbeitnehmers in den für unsere entwickelte Industriegesellschaft charakteristischen Großbetrieben w i r d i n zweifacher Weise bestimmt: zum einen durch das individualrechtliche Band des Arbeitsvertrages zum Arbeitgeber, zum anderen durch seine Stellung i n einer Gruppe, einem Kollektiv von Arbeitnehmern 1 . Dementsprechend beurteilt der einzelne Arbeitnehmer seine Arbeitsbedingungen nicht allein i n der Austauschbeziehung zu seinem Vertragspartner auf seine Richtigkeit oder Gerechtigkeit hin, sondern er verlangt nach gerechter i m Sinne einer gleichmäßigen Behandlung auch i m Verhältnis zu seinen Mitarbeitnehmern. Auf der Ebene des Kollektivvertrages w i r d die gleichmäßige Behandlung durch die Bindung der Parteien einer Betriebsvereinbarung an § 75 Abs. 1 BetrVG und die Geltung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes für die Normen des Tarifvertrages 2 gewährleistet. Jenseits des Regelungsbereichs kollektiver Vereinbarungen w i r d der Inhalt des Arbeitsverhältnisses jedoch einzelvertraglich bestimmt 3 . Hier weist die Gleichbehandlungskontrolle im Arbeitsverhältnis noch eine Lücke auf. Dies gilt nicht für den Abschluß des Arbeitsvertrages selbst. Hier t r i t t der Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig hinter dem Prinzip der Vertragsfreiheit zurück 4 . Lediglich der Wille des Arbeitnehmers, der i n der Regel auf eine gleiche Behandlung m i t Arbeitnehmern i n vergleichbarer Lage gerichtet sein wird, bildet ein tatsächliches Hindernis für eine ungleiche Behandlung. Wo aber die Vertragsparität durch die einseitige Aufstellung von Arbeitsbedingungen, sog. arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen 5 , seitens des Arbeitgebers gestört ist und der auf Gleichbehandlung gerichtete Wille des Arbeitnehmers überspielt wird, kommt die Rechtsprechung über eine entsprechende Anwendung 1
So schon Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, T e i l I , S. 2. Nipperdey i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I , S. 373 ff. m. w . Nachw.; Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 350, entwickelt daneben i n Anlehnung an G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, den verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als immanente Schranke der Gestaltungsmacht einer Kollektivvertragspartei. 3 Vgl. dazu näher Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 30. 4 Vgl. dazu G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 251 f. s Vgl. ζ. B. Becker, N J W 1973, S. 1913 (1914). 2
12
Einleitung
des § 315 BGB nicht nur zu einer Billigkeitskontrolle, sondern auch zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 6 . Der einseitigen Aufstellung arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen i n ihrer Unabhängigkeit von der M i t w i r k u n g des Arbeitnehmers vergleichbar ist die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch die Ausübung von Gestaltungsrechten, die dem Arbeitgeber durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag eingeräumt sind 7 . Die Rechtsprechung hat es bisher aber abgelehnt, die Ausübung von Gestaltungsrechten auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes h i n zu kontrollieren 8 .
β B A G A P Nr. 1 u. 2 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle. Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 55, w i l l überhaupt keinen Unterschied anerkennen, indem er die nachfolgende U n t e r werfung unter eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung als einseitige L e i stungsbestimmung i m Sinne eines Gestaltungsrechts begreift. β ζ. B. B A G A P Nr. 1 zu § 1 A Z O ; B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf. 7
Erstes Kapitel
Die Grundlagen von Gleichbehandlungsgrundsatz und Gestaltungsrecht Eine Begründung für die These, daß die Ausübung von Gestaltungsrechten nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterworfen sei, findet sich i n der Rechtsprechung, wenn überhaupt, nur i n Ansätzen. I n der Mehrzahl der Fälle w i r d davon ausgegangen, daß sich Gleichbehandlung und Gestaltungsrecht schon begrifflich, dem Wesen nach 1 , ausschließen. Bevor die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für einzelne Fallgruppen des Gestaltungsrechts i m Arbeitsverhältnis untersucht werden kann, sind daher die Grundlagen von Gleichbehandlungsgrundsatz und Gestaltungsrecht i m Verhältnis zueinander zu klären. § 1. Gleichbehandlung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten als Problem der austeilenden Gerechtigkeit A u f der Suche nach einer gesicherten Rechtsgrundlage für den privatrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wurde seine Geltung unter anderem unmittelbar aus dem Gerechtigkeitsgedanken abgeleitet. Das Gleichbehandlungsgebot wurde als überpositiver, unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee zu entwickelnder Rechtssatz bezeichnet 2 . Zwar konnte diese These keine große Durchschlagskraft entwickeln, w e i l sie sich für die Gewinnung konkreter Rechtsfolgen als zu allgemein erwies 8 . Richtig ist daran aber, daß sich die Wirksamkeit des Gleichheitssatzes i m Recht auf seinen engen Zusammenhang m i t der Idee der Gerechtigkeit gründet. ι z.B. L A G Hamm, B B 1953, 59; L A G Hannover A P 52, Nr. 83; L A G Düsseldorf, B B 1955, S. 994; L A G Stuttgart, B B 1952, 232; L A G Saarbrücken A R S t X Nr. 32; B A G B B 1958, 558; aus der L i t . vgl. Palme, B I S t S o z A r b R 1958, 291; Röhsler, D B 1957, 992; Staudinger / Weber, A n m . A 377 zu § 242 B G B ; Waechter, B I S t S o z A r b R 1957, 362. 2 Raiser , Z H R Bd. 111, 75 (90). 3 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 107; siehe auch A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Auflage, S. 418; ähnlich Bötticher, Waffengleichheit u n d Gleichbehandlung der Arbeitnehmer
14
§ 1. Gleichbehandlung als austeilende Gerechtigkeit
Diesen Zusammenhang hat bereits Aristoteles i n seiner heute noch gültigen Unterscheidung von austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit hergestellt: Während die ausgleichende Gerechtigkeit die Verhältnisse des gegenseitigen Austausches i. S. der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung regelt, soll die austeilende Gerechtigkeit i m Zusammenleben der Menschen i n Gemeinschaften die gleichmäßige Verteilung von Gütern nach dem Verdienst bewirken 4 . Die Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis hat es m i t diesem zweiten Aspekt der Gerechtigkeit zu tun. Zwar bilden die Arbeitnehmer eines Betriebes oder eines Unternehmens keine Gemeinschaft i m Rechtssinne 5 . Sie stehen jedoch kraft ihrer Arbeitsverhältnisse untereinander und zum Arbeitgeber i n einer Beziehung, die die Erwartung rechtfertigt, daß der Arbeitgeber i n Fragen der Zuteilung bzw. Austeilung Gerechtigkeit übt und keine willkürlichen Differenzierungen unter ihnen vornimmt. I n dem Zusammenhang des Gleichbehandlungsgebotes m i t dem Prinzip der austeilenden Gerechtigkeit liegt zugleich der Grund dafür, daß sich die Frage der Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis immer wieder bei der Ausübung von Gestaltungsrechten stellt. Zunächst nur M i t t e l zur inhaltlichen Gestaltung bzw. Beendigung des einzelnen Arbeitsverhältnisses, erhält die Ausübung des Gestaltungsrechts eine verteilungspolitische Komponente, wenn eine Mehrzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen ist und der Arbeitgeber deshalb in der „kollektiven Sphäre" 6 handelt. Es stellt sich dann nicht nur die Frage nach der individuellen Austauschgerechtigkeit 7 , sondern auch nach der austeilenden Gerechtigkeit i m Sinne der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes. Beispiele für die verteilende Funktion des Gestaltungsrechts i m Arbeitsverhältnis finden sich, wie noch zu zeigen sein wird, i m traditionellen Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem Gebiet der sogenannten freiwilligen Sozialleistungen. Hier hat die Rechtsprechung den Gleichbehandlungsgrundsatz entwickelt, ohne daß sie zur Problematik Gleichbehandlung und Gestaltungsrecht Stellung genommen hat. Verteilungsfunktion übernimmt ferner das Direktionsrecht. M i t ihm regelt der Arbeitgeber ζ. B. Beförderungen, wo sich die Frage i m kollektiven Arbeitsrecht, S. 14; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Auflage, S. 499; auch die Rechtssatzqualität blieb nicht unbestritten, vgl. Buchner, R d A 1970, 225. 4 Vgl. del Vecchio, Gerechtigkeit, S. 46; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 215; Binder, Philosophie des Rechts, S. 368; Sauer, Die Gerechtigkeit, S. 8. 5 So aber G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 232 f.; kritisch zum Gemeinschaftsdenken i m Arbeitsverhältnis: Schwerdtner, Fürsorgetheorie u n d Entgelttheorie, S. 40 f.; vgl. auch Buchner, R d A 1970, 225; ausführlich unten § 2. I I I . 3. 6 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 239. 7 Vgl. § 315 BGB.
1. Kap.: Grundlagen
15
der Gleichbehandlung naturgemäß besonders kritisch stellt 8 . Auch die Kündigung gewinnt einen verteilungspolitischen Aspekt, wenn es bei der betriebsbedingten Kündigung darum geht, unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen. Gleiches gilt von der Kündigung, die aus mehreren vertragswidrig handelnden Arbeitnehmern einen oder einzelne herausgreift sowie von der Wiedereinstellung nach Beendigung des Arbeitskampfes. Wiedereinstellung und Kündigung w i r k e n sich als Zuteilung oder Nichtzuteilung einer sozialen und wirtschaftlichen Chance aus. Machen schon diese wenigen Beispiele deutlich, warum sich die Frage nach der Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis gerade i m Zusammenhang m i t Gestaltungsrechten stellt, so befriedigt die beinahe kategorische Ablehnung der Rechtsprechung, den Gleichbehandlungsgrundsatz auf Gestaltungsrechte anzuwenden 9 , um so weniger. § 2. Die Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seine Anwendung auf Gestaltungsrechte I . Zurückführung auf übergeordnete Rechtsgrunäsätze
1. Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG
Die inhaltliche Übereinstimmung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes m i t dem allgemeinen Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 GG i m Willkürverbot legt es nahe, ihn hieraus abzuleiten m i t dem Argument, daß der Ausübung wirtschaftlicher Macht durch den Arbeitgeber die gleichen Schranken gezogen sind wie der Ausübung hoheitlicher Gewalt 1 . Aus der Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Gestaltungsmacht des gestaltungsberechtigten Arbeitgebers 2 wäre dann vielleicht ein plausibler Ansatz für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Gestaltungsrechte zu gewinnen. Die Gleichstellung ökonomischsozial begründeter Macht m i t den hoheitlichen Funktionen des Staates impliziert aber die unmittelbare Wirkung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes i m Privatrecht 3 . Ohne auf diese umstrit8 B A G A P Nr. 23 zu § 611 B G B Direktionsrecht. 9 Vgl. die i n Fußnote 1 zitierte Rspr. ι Frey, A u R 1961, 234 (240); Reinhardt i n A n m . zu B A G A P Nr. 105 zu §242 B G B Ruhegehalt u. 3.; B A G A P Nr. 18 zu §611 B G B Ärzte Gehaltsansprüche Bl. 930 RS. 2 Vgl. Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht. 3 So Conrad, Freiheitsrechte u n d Arbeits Verfassung (1965), S. 162 f. Gegen eine Transformation des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes i n das Privatrecht über das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (vgl. Schwerdtner, Fürsorgetheorie u n d Entgelttheorie, S. 96 ff.) spricht, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht i n erster L i n i e als ein gegen jeden D r i t t e n
16
§2. Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes
tene Frage einzugehen, kann gesagt werden, daß die Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem Gleichheitssatz und privatrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz nahezu allgemeine Auffassung ist 4 . Der Gleichberechtigungsgrundsatz des A r t . 3 Abs. 2 GG und das Benachteiligungsverbot des A r t . 3 Abs. 3 GG prägen jedoch das Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes i n seinem Inhalt 5 . 2. Das Sozialstaatsprinzip I n die Bemühungen, den Gleichbehandlungsgrundsatz i n der Verfassung zu verankern, ordnet sich auch der Versuch ein, ihn auf das Sozialstaatsprinzip zurückzuführen 6 . Dieser Verfassungsgrundsatz wendet sich jedoch allein an die staatliche Gewalt, sei es als Staatszielsetzung an den Gesetzgeber, sei es als Auslegungsregel bei der Anwendung von Gesetzen an Rechtsprechung und Verwaltung 7 . Eine Pflicht zu sozialem Verhalten der Staatsbürger i m Verkehr untereinander, die auch die Pflicht des Arbeitgebers zu gleichmäßiger Behandlung seiner Arbeitnehmer einschließen würde, läßt sich aus ihm nicht unmittelbar ableiten. I I . Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluß bereits vorhandener Rechtsgrundsätze des Privatrechts
1. Das soziale Schutzprinzip Von der Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus dem Sozialstaatsprinzip führt eine direkte Linie zu jener Auffassung, die ihn auf das soziale Schutzprinzip stützt 8 . Dieses Prinzip hat den Schutz des Arbeitnehmers vor den Gefahren, die sich aus der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber für ihn ergeben können, zum Inhalt. Seinem Schutzzweck entsprechend ist das W i r kungsfeld des sozialen Schutzprinzips die Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. I m Sinne der Unterscheidung des Aristoteles ist es daher nicht der austeilenden, sondern der ausgleichengerichtetes Abwehrrecht konkreten Inhalt gewinnt (s. dazu Wiese, ZfA 1971, S. 273 f.). 4 Statt vieler Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 300; aus der Rspr. B A G A P Nr. 10, 13, 69 zu A r t . 3 G G ; a. A. allerdings Gamilschegg, A c P 164, 409. 5 B A G A P Nr. 39 zu § 242 B G B Gleichbehandlung m i t A n m . v o n B i r k , der v o n unmittelbarer D r i t t w i r k u n g des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebotes ausgeht. β Münstermann, Die Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes i m Arbeitsrecht, Diss. K ö l n 1967, S. 100 f.; ähnlich Frey, A u R 1961, S. 368 f. 7 G. Müller, D B 1956, 524 f.; ferner A. Hueck i n Festschrift f ü r A p e l t (1958), S. 57 f.; weiter bei Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit (1968), die Abhdlg. v o n Menger, Forsthoff u n d Bachof. 8 Dersch t R d A 1949, 329.
1. Kap.: Grundlagen
17
den Gerechtigkeit zuzuordnen 9 und damit als Rechtsgrundlage für den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht brauchbar. 2. Die Fürsorgepflicht Das Problem der Gleichbehandlung stellte sich für die Rechtsprechung zuerst bei den sogenannten freiwilligen Sozialleistungen, die der damals herrschenden Auffassung entsprechend als Fürsorgeleistungen qualifiziert wurden. Vielleicht liegt hierin zugleich der Grund dafür, daß anfänglich überwiegend die Fürsorgepflicht als Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes angesehen wurde 1 0 . Die Fürsorgepflicht soll der persönlichen Bindung entspringen, i n die sich der Arbeitnehmer m i t dem Eintritt i n das Arbeitsverhältnis begibt 1 1 . Sie ist damit nicht nur eng m i t der Auffassung vom Arbeitsverhältnis als einem personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis verknüpft, die zunehmender K r i t i k ausgesetzt ist 1 2 . Die Lösung recht unterschiedlicher Probleme m i t Hilfe des Fürsorgegedankens schwächt zudem seine Überzeugungskraft 13 . Entscheidend spricht gegen die Fürsorgepflicht als Grundlage der Gleichbehandlung jedoch, daß die Pflicht zur Gleichbehandlung über den nur individualrechtlichen Charakter der Fürsorgepflicht hinaus die weitergehende Verantwortung dessen widerspiegelt, der ein Gruppenleben ordnet 1 4 . Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers korrespondiert innerhalb der Austauschbeziehung des Arbeits9
So auch Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 21. 10 Vgl. Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz i m österr. Privatrecht, S. 51; Dietz, K o m m , zum B e t r V G 1952, 2. Aufl., A n m . 67 zu § 1; Denecke, D A R 1940, 141 f.; Gumpert, B B 1958, 197; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 77; Kunkel, D B 1953, 694; Maus, Das Recht des Arbeitsvertrages (1947), S. 347; Reuß / Siebert, Die konkrete Ordnung des Betriebes, 3. Aufl., S. 108; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 171, 172; R A G ARS 33, 172; 35, 145; 37, 276; 39, 49, 66; 42, 143; 45, 291. Charakteristisch für die Rspr. des R A G ist, daß die Fürsorgepflicht selten allein als Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheint. Aus der Rspr. des B A G vgl. B A G A P Nr. 10 zu A r t . 3 GG, Bl. 428; B A G A P Nr. 1 zu §33 SchwBeschG Ziff. I I Abschn.2; B A G A P Nr. 5 zu A r t . 9 GG unter I I I . Ziff. 5; B A G A P Nr. 9 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 3 zu § 242 B G B Gleichbehandlung Ziff. 1 Abschn. 2. 11 Vgl. statt aller A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 6. Aufl., S. 390. 12 Vgl. die oben i n § 1 Fußnote 5 Genannten. Reserve gegenüber dem Fürsorgegedanken k o m m t auch i n den jüngsten Auflagen der beiden führenden Lehrbücher des Arbeitsrechts zum Ausdruck: vgl. A. Hueck i n H u e c k / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 419; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., S. 503. 13 Richardi, Z f A 74, S. 21. Eine funktionale Sicht der Fürsorgepflicht, die zu konkreten Beurteilungsmaßstäben findet, entwickelt Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, Z f A 1971, S. 273 f. 14 Vgl. Bötticher R d A 1957, 318. 2 Egger
18
§ 2. Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Verhältnisses m i t dem sozialen Schutzprinzip und ist deshalb ebenso wie dieses der ausgleichenden Gerechtigkeit i m weiteren Sinne zuzuordnen. Richtiger ist es daher, das Gleichbehandlungsgebot selbständig neben die Fürsorgepflicht treten zu lassen 15 . 3. Gleichbehandlung
als Billigkeitskontrolle
Nach Söllner ist die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes eine Grundforderung des billigen Ermessens i m Sinne des § 315 BGB. Der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsprinzips decke sich m i t dem Anwendungsbereich des §315 BGB 1 6 . Auch der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts vertritt die Gleichsetzung von Gleichbehandlungsgrundsatz und Billigkeitsgebot 1 7 . Führt man Gleichbehandlungsgrundsatz und Billigkeitskontrolle auf ihre Wurzeln zurück, w i r d jedoch ein grundlegender Gegensatz deutlich: Die Gleichbehandlung ist Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit 18 . Die Billigkeitskontrolle stützt sich mittelbar oder unmittelbar auf § 315 BGB und dient damit der vertraglichen Austauschgerechtigkeit. Eine Gleichsetzung von Billigkeitsgebot und Gleichbehandlung erscheint daher schon vom theoretischen Ansatz her nicht möglich. Hinzu kommt, daß sich das Billigkeitsgebot primär i m einzelnen Vertragsverhältnis auswirkt, während die Gleichbehandlung kollektiven Charakter hat. Die Ausgestaltung eines vergleichbaren Rechtsverhältnisses ist für die Beachtung des Billigkeitsgebotes lediglich ein Indiz. Der Gleichbehandlungsgrundsatz folgert aus dem Vergleich das rechtliche Gebot gleicher Behandlung 1 9 . I I I . Die Einordnung des Arbeitsverhältnisses in den Betriebszusammenhang als Anknüpfungspunkt für den Gleichbehandlungsgrundsatz
1. Die konkrete Ordnung des Betriebes Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt rein tatsächlich voraus, daß ein Arbeitgeber mehrere Arbeitnehmer i n seinem Betrieb oder Unterneh15 So beiläufig R A G ARS 36, 16; B A G A P Nr. 9 zu § 242 B G B Ruhegehalt, letzter Satz. 16 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 136. Nach Söllner läßt sich n u r so begründen, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz i m Recht der K ü n digung keine Anwendung finden könne. 17 B A G A P Nr. 1 u. 2 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle. Eine klare A b grenzung von Gleichbehandlungs- u n d Billigkeitsgebot fehlt schon i n B A G A P Nr. 18, 54, 125, 127 zu § 242 B G B Ruhegehalt, ArbG Hamburg A P Nr. 36 zu § 242 B G B Ruhegehalt. is Siehe dazu oben § 1. 19 Vgl. zum Ganzen G. Hueck, Gleichbehandlung u n d Billigkeitskontrolle, i n Gedächtnisschrift f ü r Rolf Dietz 1973, S. 241 f.; kritisch auch schon Bötticher, A u R 1967, 321 ff. Lieb, i n A n m . zu B A G A P Nr. 2 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle Bl. 190 RS, bezeichnet es als f ü r eine klare Tatbestands-
1. Kap.: Grundlagen
19
men beschäftigt. Dies hat zu Versuchen geführt, die Einordnung des Arbeitsverhältnisses i n den Betriebszusammenhang als Anknüpfungspunkt für den Gleichbehandlungsgrundsatz fruchtbar zu machen. Das Reichsarbeitsgericht ließ aus der regelmäßigen Verteilung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer eines Betriebes eine „konkrete Ordnung" erwachsen, aus der sich für den einzelnen Arbeitnehmer das zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewordene Recht ergab, gleiche Behandlung wie die übrigen zu verlangen 20 . Die „konkrete Ordnung" ist aber nichts anderes als eine betriebliche Übung, die als Gleichbehandlung i n der Zeit von der Gleichbehandlung i n der Reihe zu unterscheiden ist. Allein diese kann bewirken, daß ein Arbeitnehmer auch bei einer einmaligen Maßnahme des Arbeitgebers gleiche Behandlung beanspruchen kann 2 1 . 2. Gleichbehandlung
als Normvollzug
Stattet man die „konkrete Ordnung" des Reichsarbeitsgerichts m i t normativer W i r k u n g aus 22 , ist es zur Auffassung Böttichers, der die Gleichbehandlung als Normvollzug begreift 2 3 , nur ein Schritt. I h r liegt die Erkenntnis zugrunde, daß der Arbeitgeber bei der Behandlung der Arbeitnehmer häufig nach normähnlichen Regeln verfährt. Die Gleichbehandlung sei daher nur die logische Konsequenz aus dem generellen Charakter dieser Normen. Die Theorie von der Gleichbehandlung als Normvollzug vermag indessen nicht zu erklären, warum der Arbeitgeber schon bei der Aufstellung der Normen einer Gleichheitskontrolle unterliegt 2 4 , und weshalb er an die von ihm selbst aufgestellten Normen gebunden bleibt. Auch ist die Erklärung der Gleichbehandlung aus dem u n d Systembildung nicht gerade förderlich, w e n n das B A G ohne Not den Grundsatz der Gleichbehandlung zur Ausprägung des ganz allgemeinen Gebots, nach B i l l i g k e i t zu verfahren, erklärt, obwohl Billigkeitskontrolle u n d Gleichbehandlung allenfalls die A b l e i t u n g aus Treu u n d Glauben gemeinsam hätten. so R A G ARS 33, 176 unten. 21 Bötticher, R d A 1953, 163 1. Sp. Das R A G sah sich durch die Feststellungen der Vorinstanz daran gehindert, den Anspruch des Arbeitnehmers auf Ruhegehalt aus einer betrieblichen Ü b u n g herzuleiten (vgl. R A G ARS 33, S. 174, 175). 22 Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 39 ff.; anders Reu β ! Siebert, Die konkrete Ordnung des Betriebes, S. 32. 23 Bötticher, R d A 1953, 161 ff.; ders. R d A 1957, 317 ff.; zust. L A G F r a n k f u r t B B 57, 331 u. D B 57, 139; Bühnenoberschiedsgericht F r a n k f u r t A P Nr. 2 zu § 242 B G B Gleichbehandlung; B A G A P Nr. 16 zu § 3 TO A Ziff. I I ; Nikisch, B B 1954, 810; ähnlich Schwarz, R d A 1968, 242 ff. f ü r das österreichische Recht; Mayer-Maly, i n A n m . zu A R - B l a t t e i Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis, Entsch. 39. 24 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 149, Fußn. 9; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 122 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., S.505; Frey, A u R 1961, 110; Bydlinski, Verhandlungen des 1. österr. Juristentages 1/1, S. 28 f. 2"
20
§2. Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Normvollzug umkehrbar, da die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einer Regelung Normqualität verleiht 2 5 . Die Begründung aus dem „Zwang zur zeitlichen Fortsetzung zuvor geübten Verhaltens" 2 6 rückt die Normvollzugstheorie Böttichers gleichermaßen i n die Nähe der Betriebsübung wie die „konkrete Ordnung" des Reichsarbeitsgerichts 27 . 3. Gleichbehandlung
als Folge der Betriebsgemeinschaft
Eine weitere Begründung für den Gleichbehandlungsgrundsatz i m Arbeitsrecht geht von der Beobachtung aus, daß für die Rechtsbeziehungen innerhalb der Personenvereinigungen des Privatrechts der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt. Dies sei aus dem Bestehen einer Gemeinschaftsbindung zu erklären 2 8 . Analog soll i m Arbeitsverhältnis die Einordnung des Arbeitnehmers in die Betriebsgemeinschaft konstit u t i v für die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes sein 29 . Für die Gesellschaft mag die gleichmäßige Berechtigung aller M i t glieder so sehr i m Sinn des Rechtsverhältnisses begründet sein, daß sie dem selbstverständlichen Willen der Gesellschafter entsprechen muß, weil jeder Gesellschafter das gemeinsame Unternehmen nur um der Leistung der anderen Mitglieder und um der gleichmäßigen Beteiligung am Ergebnis w i l l e n unterstützt 3 0 . I m Betrieb existiert eine ähnliche Beziehung zwischen der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer und ihren Entgelten ebenso wenig wie ein gemeinsamer Zweck. Das parallele Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an der Prosperität ihres Betriebes begründet keine Gemeinschaft i m Rechtssinne 31 . Die sogenannte Betriebsgemeinschaft ist ihrer rechtlichen Struktur nach ein Nebeneinander vertraglicher Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern, für die der Austauschcharakter dominierend ist 3 2 . Auch wenn man einen gewissen gemeinschaftsrechtlichen Einschlag des einzelnen Arbeitsverhältnisses nicht verkennt 3 5 , folgt daraus noch nicht das Bestehen einer Gemeinschaftsbindung zwi25 Mayer-Maly, A R - B l a t t e i , Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I , G I I I 1. 26 Bötticher, R d A 1953, 163 1. Sp. 27 Vgl. dazu Seiter, Die Betriebsübung (1967), S. 89 ff.; Richardi, R d A 1970, 209. 28 Vgl. G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 151 ff. 29 Oers., S. 136, 137; ebenso z.B. A. Hueck i n H u e c k / N i p p e r d e y , Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 420; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 500; L A G Bremen D B 1961, S. 507 u. A P 51 Nr. 102; Bühnenoberschiedsgericht F r a n k f u r t A P Nr. 2 zu § 242 B G B Gleichbehandlung; B A G E 1, 291 (315). 30 Α. Hueck, O H G (3. Aufl.), S. 80; Staudinger / Keßler BGB, 11. Aufl., Vorbem. vor §705; Cohn A c P 132, 165. s 1 Vgl. Wolf, i n A n m . zu B A G A P Nr. 1 zu § 305 Billigkeitskontrolle. 32 Buchner, R d A 1970, 226. 33 Vgl. dazu Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, insbes. S. 35, 36.
1. Kap.: Grundlagen
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sehen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern eines Betriebes* 4 . I m übrigen wendet die Rechtsprechung auch dann den Gleichbehandlungsgrundsatz an, wenn es sich nicht um Arbeitnehmer ein und desselben Betriebes handelt, wie ζ. B. bei den Leitern räumlich und organisatorisch getrennter Verkaufsfilialen 35 . Die Zugehörigkeit zu demselben Betrieb w i r d aber gerade von den Vertretern des Gemeinschaftsgedankens als Voraussetzung für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes genannt 36 . Der richtige Kern der Lehre von der Betriebsgemeinschaft liegt darin, daß das soziale Moment des Zusammenarbeitens, wenn es auch kein Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern entstehen läßt, die tatsächliche Grundlage für Gerechtigkeitserwägungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung schafft. I V . Die Machtposition des Arbeitgebers als Begründung für den Gleichbehandlungsgrundsatz
Der richtige Ausgangspunkt für die Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt i n der zuerst von Raiser getroffenen Feststellung, daß sich der Gleichbehandlungsgrundsatz immer dann gegen die Privatautonomie durchsetzt, wenn die Ubermacht dessen, der Rechte, Sachgüter oder Chancen an die von i h m abhängigen Mitglieder einer Gruppe verteilt, keine gerechten Ergebnisse verbürgt 3 7 . Raisers These zielte zwar i n erster Linie auf die Tatbestände des Monopolmißbrauchs, des Kartells und des marktbeherrschenden Unternehmens 38 . I m Arbeits34 So aber G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 137; zum Problem der betriebsverfassungsrechtlichen Belegschaft als Rechtsgemeinschaft vgl. statt aller Dietz / Richardi, B e t r V G 5. Aufl., A n m . 9, 12 zu § 1. 35 Vgl. B A G A P Nr. 1 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle. Eine Gleichbehandlungspflicht über den Betrieb hinaus w u r d e i n der Rspr. f ü r die Gewerkschaften u n d die öffentl. H a n d gefordert (vgl. B A G A P Nr. 15 zu § 242 B G B Gleichbehandlung, B A G A P Nr. 18 zu § 16 AOGÖ). F ü r eine Anwendung des Gleichbehandlungsprinzips i m Unternehmen: Hellner, Die Anwendung des arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatzes i m überbetrieblichen Bereich des Unternehmers, S. 52 ff. 36 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 422; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 506; siehe aber auch Müller, D B 1960, S. 322, 323 f. 37 Raiser, ZHR 11, 75 (86, 94); ders. J Z 1959, 421; ebenso Biedenkopf, Grenzen der T a r i f autonomie, S. 85 f.; Bodenheimer, A c P 158, 94; Gamilschegg AcP 164, 409; Leisner, Grundrechte i m Privatrecht (I960), S. 274; MeyerCording, Der Gleichheitssatz i m Privatrecht u n d das Wettbewerbsrecht i n Festschrift f ü r Nipperdey (1965) Bd. 1, S. 537 ff. (542 ff.); Säcker, Gruppenautonomie u n d Ubermachtkontrolle, S. 151 Fußn. 55; Söllner, Einseitige L e i stungsbestimmung, S. 135; ders. Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 221; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 97, 100, 104; kritisch Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz i m Österreich. P r i v a t recht, i n Verhdl. des 1. Österreich. Juristentages, S. 31 f. 38 Vgl. dazu G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 157 ff., der die Gleichbehandlungspflicht insoweit als A u s w i r k u n g staatlicher Schutz- u n d Lenkungsmaßnahmen ansieht.
22
§2.
echtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Verhältnis ist aber eine analoge Situation gegeben. Die Arbeitnehmer sind vom Arbeitgeber persönlich und wirtschaftlich abhängig. Auch der Arbeitgeber hat etwas zu verteilen. Auch er darf daher den Arbeitnehmer nicht von wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen, die vergleichbaren Arbeitnehmern üblicherweise zugänglich sind 3 9 . Der organisatorische Zusammenschluß der Arbeitsverhältnisse i m Betrieb unterstreicht diese Forderung lediglich, weil die Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände durch die unmittelbare Nähe und damit Vergleichbarkeit besonders ungerecht w i r k t . Konstitutiv für die Geltung des Gleichbehandlungsprinzips i m Arbeitsverhältnis ist jedoch die gleichmäßige Unterwerfung aller Betriebsangehörigen unter die Regelungsgewalt des Arbeitgebers 40 , m i t der er das Gruppenleben der Betriebsangehörigen ordnet 4 1 . Als Korrektiv gegenüber dieser Machtposition des Arbeitgebers 42 beschränkt sich die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes daher auch nicht auf die Verteilung von Geldleistungen, sondern kontrolliert alle Entscheidungen, die schwerwiegend i n die Rechtsstellung der machtunterworfenen Arbeitnehmer eingreifen 43 . Die Machtposition des Arbeitgebers, deren Mißbrauch der Gleichbehandlungsgrundsatz kontrollieren soll, ist zunächst sozialer und w i r t schaftlicher A r t . Rechtlichen Ausdruck findet sie i n den Gestaltungsrechten 44 , die dem Arbeitgeber durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeräumt sind und die ihn bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse von der M i t w i r k u n g der betroffenen Arbeitnehmer unabhängig machen 45 . Somit ist die maßgebliche Grundsituation für die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes, die einseitige Regelung einer Mehrzahl von gleichgerichteten Rechtsverhältnissen, gerade für die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber charakteristisch 46 .
39 Biedenkopf, S. 86; Wolf, Gleichbehandlungsgrundsatz u n d privatrechtliches Teilhaberecht, i n Festschrift f ü r L . Raiser, S. 597 f., rückt demgegenüber die Teilhabe a m gemeinsamen erarbeiteten Betriebsergebnis i n den Vordergrund. 40 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 500. 41 Bötticher, R d A 1957, 318. 42 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 135. 43 So f ü r den Gleichheitssatz i m Privatrecht allgemein Meyer -Cording, Der Gleichheitssatz i m Privatrecht u n d i m Wettbewerbsrecht, S. 544; vgl. auch Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 109, der davon spricht, daß der Arbeitgeber durch die Summierung der i n allen Einzelverträgen enthaltenen Direktionsklauseln eine extensive Regelungsmacht erhält. 44 Biedenkopf, i n Festschrift f ü r Franz B ö h m 1965, S. 115. 45 Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht u n d das Gestaltungsklagerecht, S. 45. 46 Kittner, B B 74, 1488, 1489; ebenso Seiter, Z f A 1970, S. 394.
1. Kap.: Grundlagen
23
V. Gesetzliche Anerkennung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat sich i n einer Reihe von gesetzlichen Regelungen niedergeschlagen. I n erster Linie sind hier § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und der i h m entsprechende § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG zu nennen, die eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität etc. untersagen. Als Rechtsgrundlage für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommen sie schon deshalb nicht i n Betracht, w e i l sie sich an Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Personalvertretung wenden und deshalb die Errichtung einer Betriebs- oder Personalvertretung voraussetzen 47 . Auch werden die Ruheständler durch die §§ 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG und 67 Abs. 1 S. 1 PersVG nicht angesprochen 48 . Andererseits gehen diese Bestimmungen über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinaus, weil sie auch bei der Einstellung zu beachten sind 4 9 . Schließlich ist streitig, ob die Arbeitnehmer aus ihnen Individualansprüche ableiten können 50 . Neben den genannten Bestimmungen hat der Gleichbehandlungsgrundsatz i m innerstaatlichen Recht i n § 5 Abs. 3 Vermögensbildungsgesetz 51 und i n mehreren Landesverfassungen gesetzlichen Ausdruck gefunden 52 . I m überstaatlichen Bereich ist A r t . 48 Abs. 2 des EWG-Vertrages 53 zu nennen. Er verbietet eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern der Mitgliedsländer hinsichtlich Beschäftigung, Entlohnung und sonstigen Arbeitsbedingungen, wobei fraglich ist, ob unter Beschäftigung auch die Einstellung zu verstehen ist 5 4 . Weitere Diskriminierungsverbote, aus denen sich aber i m Unterschied zu A r t . 48 Abs. 2 EWG-Vertrag keine unmittelbar durchsetzbaren Individualansprüche ergeben können 5 5 , weil sie sich nur an den Gesetzgeber der Unterzeichnerstaaten wenden, enthalten die Übereinkommen 100 5e und I I I 5 7 der Internationalen Arbeitsorganisation. 47
Mayer-Maly, A R - B l a t t e i , Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis, I, C I . 48 Frey, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung bei geldlichen A n sprüchen, S. 67 f. 40 Thiele, G K - B e t r V G , A n m . 25 zu § 75. 50 Bejahend Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., A n m . 38 zu §75; verneinend Söllner, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 220. 51 Nach dieser Bestimmung müssen vermögenswirksame Leistungen, die i n Betriebsvereinbarungen oder Verträgen m i t Arbeitnehmern vereinbart werden, grundsätzlich allen Arbeitnehmern eines Betriebes oder Betriebsteiles angeboten werden. 52 Vgl. z. B. A r t . 24 Abs. 2 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen. 5 3 I n Verbindung m i t der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates der EWG. 54 Vgl. Schnorr, A u R 1960, 161 (163). 55 Mayer-Maly, Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I, C I 3. 5β B G B l 1956 I I S.23; dazu Bück, R d A 52, S. 1. 57 B G B l 1961 S. 97; dazu Halbach, A u R 1961, S. 137.
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§ 3. Anwendungsvoraussetzungen des Gleichbehandlungsgebotes
§ 3. Die Anwendungsvoraussetzungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes und die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber I . Bestehendes Arbeitsverhältnis
Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes i m Arbeitsrecht setzt als „iuris vinculum" ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus 1 . Dies ist nicht etwa eine Bestätigung der Auffassung, daß der Arbeitnehmer m i t dem E i n t r i t t i n das Arbeitsverhältnis zur Betriebsgemeinschaft gehört und deshalb Anspruch auf Gleichbehandlung hat. Der Grund ist vielmehr, daß das Prinzip der Privatautonomie Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz beansprucht, solange noch kein A r beitsverhältnis besteht. Bei der Neueinstellung ist der Arbeitgeber noch nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden 2 , soweit nicht seine Abschlußfreiheit durch gleichbehandlungskonforme tarifliche Regelungen und eine auf §315 BGB ausgerichtete Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen beschränkt wird. Innerhalb des Arbeitsverhältnisses ist er jedoch i n seinen Gestaltungsmöglichkeiten nicht mehr völlig frei. Jetzt binden ihn die das Arbeitsverhältnis prägenden Rechtsprinzipien, zu denen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz gehört 3 . Denn erst m i t der Begründung des Arbeitsverhältnisses rückt der Arbeitgeber i n die Machtposition, die konstitutiv für die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes innerhalb des Arbeitsverhältnisses ist. Gestaltungsrechte des Arbeitgebers werden, auch soweit sie letztlich auf Gesetz oder Tarifvertrag beruhen, durch den Abschluß des Arbeitsvertrages oder spätere arbeitsvertragliche Vereinbarungen begründet 4 . Die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber ist daher ebenfalls nur innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses denkbar. Aus der gemeinsamen Voraussetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses für das Vorhandensein von Gestaltungsrechten und die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes läßt sich zwar nicht ableiten, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für Gestaltungs1 B A G A P Nr. 1 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; ausreichend ist auch ein Ruhestandsverhältnis, vgl. A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 423, der darüber hinaus die Auffassung v e r t r i t t , daß schon der E i n t r i t t i n Vertragsverhandlungen entsprechend den vorvertraglichen Schutzu n d Sorgfaltspflichten f ü r den Arbeitgeber die Pflicht zur Gleichbehandlung begründen soll (Fußn. 33 auf Seite 423). 2 A . Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 423/424. 3 Vgl. Canaris i n A n m . zu B A G A P Nr. 23 zu § 611 B G B Direktionsrecht. 4 Anders Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, S. 13 f., der ausgehend v o n dem Begriffspaar Verhaltensnorm u n d Ermächtigungsn o r m der normlogischen Theorie die Befugnis, einen Vertrag abzuschließen, i n den Begriff Gestaltungsrecht einbezieht.
1. Kap.: Grundlagen
25
rechte Geltung beansprucht. Klammert man aber die Ausübung von Gestaltungsrechten von vornherein aus, wäre angesichts der Bedeutung der Gestaltungsrechte für die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes doch so eingeschränkt, daß man nach seinem Sinn fragen müßte. Das kann allerdings nicht mehr als ein rechtstatsächliches Indiz dafür sein, daß die These von der Gleichbehandlungsfeindlichkeit der Gestaltungsrechte i n dieser Allgemeinheit nicht richtig sein kann. I I . Handeln des Arbeitgebers in der „kollektiven Sphäre"
Das Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes hindert den Arbeitgeber nicht daran, einzelne Arbeitnehmer zu bevorzugen 5 . A n den Gleichbehandlungsgrundsatz ist er erst dann gebunden, wenn er sich i m Wege eines generellen regelartigen Vorgehens an eine Gruppe von Arbeitnehmern oder an die ganze Belegschaft wendet 6 oder wenn eine Maßnahme des Arbeitgebers von sich aus kollektiven Charakter hat 7 . Diese Voraussetzung ist bei der Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber häufig erfüllt. Denn der Arbeitgeber zieht für die Regelung gleichliegender Sachverhalte, wo er rechtlich dazu i n der Lage ist, der individuellen Vereinbarung m i t jedem einzelnen Arbeitnehmer die einseitige generelle Gestaltung der betroffenen Arbeitsverhältnisse vor. Der Zusammenhang zwischen der Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber und „betriebsbezogenem", generellem Vorgehen des Arbeitgebers zeigt sich insbesondere i n der Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt bei der Zusage eines betrieblichen Ruhegeldes. I n ständiger Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, daß ein Widerrufsvorbehalt in einer Ruhegeldzusage nur generell gegenüber allen Arbeitnehmern ausgeübt werden kann und nicht dazu dienen darf, die Leistungsvoraussetzungen einem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber zu bestreiten 8 . M i t der Ruhegeldzusage hat der Arbeitgeber den Rahmen individueller Absprachen verlassen s Soweit nicht §75 Abs. 1 B e t r V G verletzt w i r d ; vgl. B A G A P Nr. 4, 5 zu §242 B G B Gleichbehandlung; L A G Stuttgart A P Nr. 1 zu §611 B G B Lohnanspruch; anders f ü r den verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 236 ff. 6 G. Hueck, S. 242, spricht v o m Handeln i n der „ k o l l e k t i v e n Sphäre" oder v o m „betriebsbezogenen" Handeln des Arbeitgebers i m Unterschied zur einzelvertraglichen Ebene; vgl. auch G. Müller, D B 1960, 323 Note 11; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 505; Schwarz, R d A 1968, S. 240 (247); Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 100; B A G A P Nr. 4, 15 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 16 zu § 3 TOA. 7 Vgl. dazu G. Hueck, Grundsatz, S. 245 f. β B A G A P Nr. 80, 118, 127 zu § 242 B G B Ruhegehalt.
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§ 4. Wesen des Gestaltungsrechts
und sich erkennbar an die Gesamtheit der Arbeitnehmer gewendet 9 . Damit handelt er auch bei der Ausübung des Widerrufsvorbehalts i n der „kollektiven Sphäre" und ist an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden 10 . Maßnahmen des Arbeitgebers m i t notwendig kollektivem Charakter kommen vor allem i m Bereich des Direktionsrechts vor 1 1 , das schon von Seckel 12 als Gestaltungsrecht bezeichnet wurde. M i t dem Direktionsrecht regelt der Arbeitgeber den Betriebsablauf durch Anordnungen, die wie zum Beispiel eine Torkontrolle vielfach schon ihrem Wesen nach eine Mehrheit von Arbeitsverhältnissen betreffen und daher die Voraussetzung für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes i n sich tragen. § 4. Das Wesen des Gestaltungsrechts und seine Vereinbarkeit mit der Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Gestaltungsrechte w i r d häufig m i t dem Hinweis auf das Wesen der Gestaltungsrechte abgelehnt 1 , ohne daß dieses Wesen näher erläutert wird. Die eigentliche Begründung der Argumentation m i t dem Wesen des Gestaltungsrechts dürfte die These Böttichers enthalten, daß Gestaltungsrechte von dem Berechtigten grundsätzlich nach freiem Belieben ausgeübt werden können und der Berechtigte daher auch nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist 2 . Eine Auseinandersetzung m i t ihr setzt voraus, daß Klarheit über die Grundlagen des Gestaltungsrechts besteht. I. Der Begriff Gestaltungsrecht
Der Begriff Gestaltungsrecht steht am Ende einer längeren Entwicklung der Lehre vom subjektiven Recht i m Privatrecht, die sich zunächst ® Heissmann, i n A n m . zu B A G A P Nr. 127 zu §242 B G B Ruhegehalt; vgl. auch Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 52. 10 Der von der Rspr. aufgestellte Grundsatz, daß der Widerrufsvorbehalt nicht einem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber, sondern n u r generell ausgeübt werden darf, ist Ausdruck der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. 11 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 247. 12 Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, i n Festgabe für Koch, S. 207, Fußnote 2. 1 Vgl. oben § 1 Fußnote 1; ferner L A G Saarbrücken ARSt X X V , Nr. 251; A r b G U l m A R S t X I X , Nr. 168; A r b G Bremen A R S t X I X , Nr. 451; A r b G Husum D B 1964, S. 1596; A r b G Wilhelmshaven W A 1956, S. 172; A r b G Heidelberg W A 1964, S. 114. 2 So Bötticher, R d A 1953, S. 168 r. Sp.
1. Kap.: Grundlagen
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m i t der Unterscheidung von absoluten oder Herrschaftsrechten und relativen oder obligatorischen Rechten begnügte 3 . Sehr bald zeigte sich, daß m i t diesem Begriffspaar allein die Fülle der Berechtigungen und Rechtspositionen i m Privatrecht nicht zu erfassen war 4 . Neben die absoluten und die relativen Rechte läßt zuerst Zitelmann 5 eine dritte Kategorie treten, die er „Rechte des rechtlichen Könnens" nennt. Kennzeichnend sei für sie die gerade für den Inhaber gegebene Möglichkeit, eine bestimmte Rechtswirkung herbeizuführen. I m Anschluß an Zitelmann sieht Hellwig 6 den Hauptwesenszug dieser Rechte i n der Macht, eine Rechtsänderung, sei es allein, sei es in Verbindung m i t einem konstitutiven Urteil, herbeizuführen. Den Begriff Gestaltungsrecht hat zuerst Seckel 7 für diese Rechtspositionen gebraucht. Er schrieb ihnen i m Unterschied zu anderen subjektiven Privatrechten, die eine präsente unmittelbare Herrschaft über ein Objekt zum Inhalt haben, die Macht zu, eines der Herrschaftsrechte oder eine sonstige Rechtsbeziehung einseitig zu begründen, aufzuheben oder zu ändern. Die Ausübung erfolge durch einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung, für deren W i r k samkeit bald ein Staatsakt, Gestaltungsurteil oder Gestaltungsbeschluß hinzukommen müsse, bald nicht 6 . Dieser Begriff des Gestaltungsrechts hat sich i n der Folge auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs allgemein durchgesetzt 9 , wenn 3 Vgl. ζ. B. Windscheid, Pandekten, 5. Aufl. 1879, Bd. I, S. 97 f., ferner Dernberg, Pandekten (1888), Bd. I, S. 48 f. 4 Vgl. die Untersuchung von Enneccerus über die Erwerbsberechtigung i n Rechtsgeschäft, Bedingung u n d Anfangstermin (1888), S. 600 f. δ Zitelmann, Recht des bürgerlichen Gesetzbuches (1900), Bd. I, Allg. Teil, S. 22, 23; als wenig fruchtbar, w e i l zu sehr an Anfechtung, K ü n d i g u n g u n d R ü c k t r i t t orientiert, erwies sich Bekkers Begriff der „negativen" Rechte (System des Heutigen Pandektenrechts, 1886, Bd. I, S. 89 f.); vgl. auch Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts (1900), Bd. I , S. 176 f.; Endemann, Bürgerliches Recht (1903), Bd. I, S. 511 f. β Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts (1903), Bd. I, S. 215, 232 f. 7 Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, Festgabe f ü r Koch (1903), S. 205; vgl. auch Dölle, Juristische Entdeckungen, i n Verhdl. des 42. Deutschen Juristentages, Bd. 2, B a f (B 10). s Seckel, S. 208, 211, 237 f. 9 Vgl. ζ. B. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl. (1906), Bd. 1, S. 165; v.Tuhr, Der A l l g . Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts (1910), Bd. 1, S. 161; Dernburg, Das Bürgerliche Recht (1906), Bd. 1, S. 54; Biermann, Bürgerliches Recht (1908), Bd. 1, S. 105 ff.; Sohm, Der Gegenstand (1905), S. 11, Fußnote 8; Fenkart, Wesen und Ausübung der Gestaltungsrechte i m schweizerischen Privatrecht (Diss. Bern 1925); Kress, Lehrbuch des allg. Schuldrechts (1929), S. 15 ff., ablehnend Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts (1906), Bd. 1, S. 151, Fußn. 2; Oertmann, A c P 123, S. 157, 159, betont ihren unselbständigen Charakter; aus der neueren L i t . vgl. Lange, B G B Allg. Teil, 10. Aufl. (1968), S. 88; Larenz, A l l g . T e i l des Deutschen Bürgerlichen Rechts (1967), S. 233; Lehmann / Hübner, Allg. Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 15. Aufl. (1966), S. 88; Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (1965)
28
§4. Wesen des Gestaltungsrechts
er auch i m Laufe der letzten Jahrzehnte manche Änderung erfahren hat. So wurde er definitionsmäßig eingegrenzt 10 . Z u m anderen schieden nach genauer Untersuchung immer mehr Rechtsinstitute aus dem anfänglich umfangreichen Kreis der Gestaltungsrechte aus 11 . Π . Die Unterwerfung des Gestaltungsgegners
Einer grundsätzlichen Neubetrachtung wurde das Gestaltungsrecht von Bötticher 12 unterzogen. Er verlegte den Akzent von der Wirkung des Gestaltungsrechts für das gestaltete Rechtsverhältnis auf seine Begründung und die vom Gestaltungsgegner unabhängige Ausübung durch den Gestaltungsberechtigten. Vergegenwärtigt man sich Böttichers Satz von der Ausübung des Gestaltungsrechts nach dem freien Belieben des Berechtigten, so könnte i n dieser Unabhängigkeit die A n t w o r t auf die Frage zu finden sein, ob der Gestaltungsberechtigte bei der Ausübung des Gestaltungsrechts Beschränkungen aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes unterliegt. Das Charakteristische am Gestaltungsrecht ist für Bötticher das Nichtangewiesensein auf die M i t w i r k u n g des Gestaltungsgegners. I n der Ausübung des Gestaltungsrechts durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung sieht er einen Einbruch i n das materielle Vertragsbzw. Mitwirkungsprinzip 1 3 . A m Beispiel des Aufhebungsvertrages, des Anspruchs auf Abschluß des Aufhebungsvertrages und der Aufhebung des Vertrages durch Ausübung eines Gestaltungsrechts zeigt er den Übergang vom „materiellen" über das nur noch „formelle" Vertragsprinzip zum sogenannten „Gestaltungsprinzip". Es ist dadurch gekennzeichnet, daß der Gestaltungsgegner der einseitigen Änderung konkreter Rechtsbeziehungen durch den Gestaltungsberechtigten unterworfen ist 1 4 . Bd. 2, Das Rechtsgeschäft, S. 144; Bruns, Festschrift f ü r Nipperdey 1965, Bd. 1, S. 3 ff., schlägt vor, die Gruppe der Gestaltungsrechte auseinanderzunehmen; anders aber ders. i n Z Z P 78, S. 264 ff. 10 Larenz, A l l g . Teil, S. 233 : „ U n t e r Gestaltungsrecht verstehen w i r das einer bestimmten Person zustehende Recht, durch einseitigen Gestaltungsakt, meist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, ein Rechtsverhältnis z w i schen i h r u n d einer anderen Person entweder zustande zu bringen oder inhaltlich näher zu bestimmen, es zu ändern oder aufzuheben." 11 So z.B. die Aneignungsrechte nach Larenz, A l l g . Teil, S. 234f.; die E i n reden nach Seckel, S. 209 u n d Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht u n d das Gestaltungsrecht i n Festschrift f ü r Dölle (1963), S. 41 f.; die bindende Offerte nach Bötticher, S. 52 f.; ferner die Vertretungsbefugnisse u n d die Verfügungsermächtigung nach Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung i m Privatrecht (1964), S. 11, 13 f. 12 Vgl. die i n Fußnote 11 genannten Abhandlungen Böttichers zum Gestaltungsrecht. 13 Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht u n d das Gestaltungsklagerecht, S. 45. 14 Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 7 ; i n ähnlichem
1. Kap.: Grundlagen
29
D i e U n t e r w e r f u n g als „ W i d e r l a g e r " des Gestaltungsrechts bezeichnet s o w o h l d e n U n t e r w e r f u n g s a k t der rechtsgeschäftlichen B e g r ü n d u n g des Gestaltungsrechts als auch das U n t e r w o r f e n s e i n i m S i n n e der A b h ä n g i g k e i t v o n der G e s t a l t u n g 1 5 . N i c h t zu v e r w e c h s e l n ist sie m i t der b l o ß e n I n h a l t s u n t e r w e r f u n g , m i t der eine V e r t r a g s p a r t e i v o n der a n d e r e n e i n s e i t i g aufgestellte V e r t r a g s b e d i n g u n g e n a k z e p t i e r t 1 6 . I I I . Unterwerfung und Gleichbehandlung Das W e s e n s a r g u m e n t w ä r e a u f eine rechtssystematische G r u n d l a g e gestellt, w e n n aus d e r U n t e r w e r f u n g des Gestaltungsgegners f o l g e n w ü r d e , daß er k e i n e G l e i c h b e h a n d l u n g v e r l a n g e n k a n n . 1. Gleichbehandlung
und
Unterwerfungsabrede
D i e R e i c h w e i t e des v o m G e s t a l t u n g s g e g n e r e i n g e r ä u m t e n G e s t a l tungsrechts soll nach B ö t t i c h e r d e m G r a d e der U n t e r w e r f u n g e n t s p r e chen, beide m ü ß t e n fugenlos a u f e i n a n d e r p a s s e n 1 7 . D i e A s s o z i i e r u n g v o n G e s t a l t u n g s r e c h t u n d u n g e h i n d e r t e r A u s ü b u n g s m ö g l i c h k e i t ohne B i n d u n g an den Gleichbehandlungsgrundsatz könnte daher auf dem Grade der U n t e r w e r f u n g beruhen. D i e f r e i w i l l i g e U n t e r w e r f u n g schließt nach Götz Hueck e i n e n V e r s t o ß gegen d e n G l e i c h b e h a n d l u n g s g r u n d s a t z a u s 1 8 . D e r B e g r i f f d e r U n t e r w e r f u n g ist h i e r aber anders als b e i B ö t t i c h e r i m S i n n e eines f r e i w i l Sinn w i r d der Begriff „Gestaltungsprinzip" schon von Sinzheimer, Arbeitsnormenvertrag, T e i l I, S. 15, gebraucht, allerdings n u r m i t Blick auf das Arbeitsverhältnis. 15 Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 33; zust. Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 101 ; ders., Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, S. 35, 36; Kaduk, JR 1965, 357 f.; Lorenz, RabelsZ Bd. 30, 521 f.; Mayer-Maly, R d A 1965, 361; Melzer, A u R 1966, 216 f.; Säcker, B B 1966, 1403; ders., Gruppenautonomie u n d Ubermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 147, 148; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 40 f.; Schlosser, JZ 1966, 286; Winkler, Ζ AS 1966, 155; Larenz, Allg. Teil, S. 233, Fußnote 3, lehnt den Ausdruck Unterwerfung als soziologische Kategorie wegen der Anklänge an ein soziales Abhängigkeitsverhältnis ab, anders ders. i n Schuldrecht, Bd. I, 10. Aufl., S. 63; abl. auch Birk, Die Arbeitsrechtliche Leistungsmacht, S. 64; Her schei, A u R 1965, S. 54; Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, Diss. Heidelberg 1971, S. 13 Fußnote 2, w e i l es Gestaltungsrechte gebe w i e das Recht zur Ausschlagung einer Erbschaft, bei denen sich niemand unterwerfe; differenzierend Bruns, ZZP Bd. 78, 266, 267, der f ü r Gestaltungsrechte m i t Zwangscharakter dem Begriff Unterwerfung zustimmt, für „ausfüllende" Gestaltungsrechte den Ausdruck „Gebundenheit" bevorzugt. 16 Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 8 Fußn. 10; Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, S. 36 Fußnote 70; anders Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 55, der die faktische Überlegenheit des Arbeitgebers bei der Regelung der Arbeitsbedingungen u n m i t t e l b a r als Recht zu einseitiger Gestaltung erfassen w i l l . 17 Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung i m Privatrecht, S. 9. 18 Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 261.
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§4. Wesen des Gestaltungsrechts
ligen Aufsichnehmens einer ungleichen Behandlung verwendet 1 9 , das m i t der Unterwerfung als rechtsgeschäftlichem Begründungsakt des Gestaltungsrechts als solcher nichts zu tun hat. Dennoch könnte sich aus dem Inhalt des rechtsgeschäftlichen Begründungsaktes der Unterwerfungsabrede ergeben, daß der Arbeitnehmer sich einer ungleichen Behandlung i m Sinne von Götz Hueck unterworfen hat. Es ist immerhin denkbar, daß sich ein Arbeitnehmer i n der Unterwerfungsabrede m i t einer ungleichen Behandlung einverstanden erklärt und dadurch den Gestaltungsberechtigten von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Ausübung des Gestaltungsrechts entbindet. Ein derartiger Inhalt der Unterwerfungsabrede kann aber nur i m Einzelfall festgestellt werden und ist daher nicht geeignet, die These zu tragen, daß der Arbeitgeber bei der Ausübung von Gestaltungsrechten allgemein nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Für einen generellen Verzicht auf gleiche Behandlung bei der Einräumung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitnehmer dürfte es kaum Beispiele geben. Es stellte sich auch die Frage nach seiner Wirksamkeit. Angesichts des diskriminierenden Charakters jeder Ungleichbehandlung spricht i m Gegenteil manches dafür, daß zumindest i m traditionellen Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei den zusätzlichen Geldleistungen des Arbeitgebers und beim Direktionsrecht vom gegenteiligen Inhalt der Unterwerfungserklärung des Arbeitnehmers auszugehen ist, d. h. daß der Arbeitnehmer von vornherein nur mit einer gleichmäßigen Behandlung einverstanden ist 2 0 . Auch wenn dem Arbeitgeber in der Unterwerfungsabrede ausdrücklich ein Gestaltungsrecht nach freiem Ermessen eingeräumt w i r d 2 1 , ist er nicht von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes befreit. Söllner w i l l zwar bei einem Gestaltungsrecht nach freiem Belieben die gerichtliche Nachprüfung darauf beschränken, ob die allgemeinen Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind. Andererseits soll aber freies Belieben nicht gleichbedeutend m i t W i l l k ü r sein 22 . Auch das Buni» S. 260. so Vgl. Buchner, R d A 1970, 225 (227), der aufgrund normativer Vertragsauslegung den Vertragsparteien des Arbeitsvertrages die Gleichbehandlung i n bestimmtem Umfang als Vertragsinhalt zurechnen w i l l . Der Arbeitgeber würde dann bei Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgebotes außerhalb seiner Gestaltungsmacht handeln. 21 F ü r Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 226, ist allerdings eine Klausel i n allg. Arbeitsbedingungen, die dem A r beitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht nach freiem Ermessen einräumt, i m Hinblick auf die Ordnungsvorstellungen des dispositiven Rechts i n § 315 B G B m i t dem Sinn der Vertragsfreiheit nicht vereinbar. 22 Einseitige Leistungsbestimmung, S. 119; vgl. f ü r die ähnliche Problem a t i k bei der Vereinsstrafe Flume , Die Vereinsstrafe, i n Festschrift für Bötticher, S. 121: ein Ausschlußrecht nach freiem Belieben des Vereins
1. Kap.: Grundlagen
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desarbeitsgericht steht auf dem Standpunkt, daß der Arbeitgeber, der nach freiem Belieben handeln darf, i n seiner Ermessensfreiheit neben dem Gebot der guten Sitten durch das Verbot von Rechtsmißbrauch und W i l l k ü r beschränkt ist 2 3 . 2. Unterworfensein
und Gleichbehandlung
Legt man m i t Bötticher beim Gestaltungsrecht den Akzent auf das Freisein von der M i t w i r k u n g des Gestaltungsgegners, liegt es nahe, auch den anderen Aspekt der Unterwerfung zu untersuchen, nämlich das Unterworfensein. Die Unterwerfung des Gestaltungsgegners bedeutet i n diesem Zusammenhang, daß er der Ausübung des Gestaltungsrechts durch den Berechtigten nicht widersprechen kann, sie also dulden muß. Das ist jedoch lediglich die formale Konsequenz dessen, daß das Gestaltungsrecht durch einseitiges Rechtsgeschäft ausgeübt wird. Aus i h r läßt sich nicht ableiten, daß der Gestaltungsberechtigte sein Recht nach seinem Belieben, das heißt willkürlich ausüben kann. Vielmehr gelten für Gestaltungsrechte dieselben Schranken wie für die Ausübung subjektiver Rechte allgemein 2 4 und das Problem besteht gerade darin, ob speziell i m Arbeitsverhältnis das Gleichbehandlungsgebot als weitere Schranke hinzutritt. Soweit sich hinter dem freien Belieben lediglich die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Gestaltungsberechtigten verbirgt, ist zu beachten, daß die Privatautonomie gerade i m Arbeitsverhältnis nicht uneingeschränkt gilt 2 5 . Ein Indiz dafür, daß die Unabhängigkeit von der M i t w i r k u n g des Gestaltungsgegners bei der Ausübung des Gestaltungsrechts nicht zugleich von der Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz befreit, bildet die Tatsache, daß es i m Recht der Personengesellschaften und Körperschaften eine große Zahl allgemein anerkannter und sogar gesetzlich geregelten Gleichbehandlungsfälle gibt, die Gestaltungsakte zum Gegenstand haben 26 .
gegenüber dem M i t g l i e d sei m i t dem i m Vereinsrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar. 23 B A G A P Nr. 18, 55, 84 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 1 zu § 20 ArbNErfG. 24 So auch Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung i m Privatrecht, S. 3; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 119; mißverständlich Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 70: „Der Träger eines subjektiven Rechts ist i n der Ausübung seines Rechts frei, d. h. er kann die i h m übertragene Normsetzungsbefugnis nach freiem Belieben u n d persönlicher W i l l k ü r wahrnehmen." 25 Flume , Rechtsgeschäft u n d Privatautonomie, i n Festschrift für den Deutschen Juristentag 1960, S. 135 (145); Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht (1972), S. 30, 31; vgl. dazu näher unten V. 26 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 251, Fußn. 1.
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§4. Wesen des Gestaltungsrechts I V . Unterschiedliche Funktion der Gestaltungsrechte und Gleichbehandlung
Die These von der Gleichbehandlungsfeindlichkeit der Gestaltungsrechte wurde entwickelt, um die Nichtanwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes i m Falle der Kündigung durch den Arbeitgeber zu begründen 27 . Nach Söllner soll sich der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgebotes i m Arbeitsverhältnis m i t dem Geltungsbereich des §315 BGB i m Arbeitsrecht decken 28 . Die unterschiedliche Funktion der Kündigung und des Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB führt zu der Fragestellung, ob nur bestimmte Gestaltungsrechte des Arbeitgebers der Gleichbehandlung unterworfen bzw. von ihr befreit sind 2 9 . Obwohl Seckel i n das System der Gestaltungsrechte nicht nur A u f hebungs- und Vernichtungsrechte, sondern auch Begründungs- und Änderungsrechte einbezogen hatte, standen zunächst die „negativen" Gestaltungsrechte i m Mittelpunkt der Betrachtung. Die Bedeutung leistungsbestimmender, konkretisierender und inhaltsändernder Gestaltungsrechte für die privatrechtliche Systematik entdeckt zu haben, ist das Verdienst Böttichers. Er stellte sie als „ausfüllende" Gestaltungsrechte den „einbrechenden" oder „rechtsvernichtenden" gegenüber 30 . Die Verschiedenheit i n der Funktion zwischen den rechtsvernichtenden Gestaltungsrechten, die ein Rechtsverhältnis beenden, aufheben oder umwandeln und den leistungsbestimmenden, konkretisierenden und inhaltsändernden Gestaltungsrechten ist nicht zu verkennen. Haben die einbrechenden Gestaltungsrechte die Funktion, ein Rechtsverhältnis abzuschütteln, so charakterisiert die ausfüllenden Gestaltungsrechte eine positiv regelnde Funktion 3 1 . Akzeptiert man den Selbsthilfe- 32 oder Rechtsbehelfscharakter 33 der „einbrechenden" Gestaltungsrechte, bereitet die Vorstellung von einer Bindung an den Gleichbehandlungsgrund27 Vgl. oben § 1 Fußn. 1 u n d § 4 Fußn. 1. 28 Einseitige Leistungsbestimmung, S. 135. 2» Söllner, S. 136, Fußnote 2, w i l l den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf die Kündigung, aber auf inhaltsbestimmende Gestaltungsrechte anwenden. 30 Besinnung auf das Gestaltungsrecht u n d das Gestaltungsklagerecht, S. 51; ders. i n Gestaltungsrecht und Unterwerfung i m Privatrecht, S. 2; diese Unterscheidung greift Bruns, ZZP, Bd. 78, 267 f., auf, der zwischen ausfüllender Gestaltung zur Schließung von „Planlücken" und Gestaltung m i t „Rechtszwangscharakter" als Folge einer Planverfehlung unterscheidet; ähnlich Messmann, Regelungsvorbehalt u n d Rechtsbehelf, Diss. M a r b u r g 1969, S. 74 ff., der die Gestaltungsrechte f u n k t i o n a l nach Regelungsvorbehalt u n d Rechtsbehelf gliedern w i l l . 31 Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 33. 32 Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung i m Privatrecht, S. 3; abl. Mayer-Maly, R d A 1965, 361. 33 Mayer-Maly, S. 361.
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satz wegen der Assoziation prozessualer Rechtsbehelfe ein gewisses Unbehagen, während die Ausübung des ausfüllenden Gestaltungsrechts von selbst kollektiven oder normativen Charakter gewinnt, wenn die Gestaltung i m Rahmen eines Betriebes eine Vielzahl von bestehenden oder erst entstehenden Rechtsverhältnissen ergreift 3 4 . Sie w i r d daher eher die Voraussetzung erfüllen, daß der Arbeitgeber erkennbar nach bestimmten allgemeinen Grundsätzen verfährt 3 5 . Dennoch folgt daraus nicht, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz nur für ausfüllende Gestaltungsrechte Geltung beansprucht. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers von sich aus einen kollektiven Bezug zu den Arbeitsverhältnissen des Betriebes haben können, ohne daß es dazu eines normativen Vorgehens seitens des Arbeitgebers bedarf 36 . Darüber hinaus ist die funktionale Trennung zwischen einbrechenden und ausfüllenden Gestaltungsrechten unbeschadet ihrer Bedeutung für die Systembildung i n der Rechtswirklichkeit nicht immer durchzuhalten. So kann der Arbeitgeber die Änderung von Arbeitsbedingungen durch Ausübung eines Widerrufsvorbehalts, sofern i h m ein solches Recht eingeräumt ist, oder durch Änderungskündigung herbeiführen. I n diesem Fall ist die Kündigung dem ausfüllenden Gestaltungsrecht 37 funktionell so stark angenähert 38 , daß es nicht ohne weiteres einleuchtet, weshalb der Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei der Ausübung des Widerrufsvorbehalts zu beachten sein soll 3 9 und nicht auch bei der Kündigung. § 5. Privatautonomie und Gleichbehandlung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten I . Antinomie von Gleichbehandlung und Vertragsfreiheit
Es hat sich gezeigt, daß die von Bötticher unterstellte Tendenz der Gestaltungsrechte, ihrem Inhaber eine nach freiem Belieben auszuübende Rechtsmacht zu gewähren 1 , die den Arbeitgeber von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes entbindet, aus dem Wesen des Gestaltungsrechts nicht zu begründen ist. Setzt man Böttichers These i n Beziehung zum Prinzip der Privatautonomie 2 , so w i r d offen34 Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 33. 35 Vgl. dazu oben § 3 I I . 36 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 241 f. 37 Z u m Widerrufsvorbehalt als Gestaltungsrecht siehe unten S. 45 f. ss Vgl. Bötticher i n A n m . zu B A G A P Nr. 5 zu § 611 BGB, Lohnzuschläge Bl. 380 RS; ferner Hiersemann, Arbeitsrecht der Gegenwart 1968, S. 67 f. (78); G. Hueck, R d A 1968, 201 f. (206). 39 Vgl. Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 370. ι Bötticher, R d A 1953, 168 r. Sp. 2 Vgl. oben § 4 I V 2. 3 Egger
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§ 5. Privatautonomie u n d Gleichbehandlung
bar, daß es sich bei der Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes auf Gestaltungsrechte nur u m das allgemeine Problem der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes i m Arbeitsverhältnis handelt: „Ob und warum die Privatautonomie i m Arbeitsverhältnis unter gewissen Voraussetzungen oder i n bestimmten Fällen gebändigt ist und der Arbeitgeber sein Verhalten an der der Gerechtigkeit innewohnenden Gleichheitsidee kontrollieren lassen muß, obwohl andere Privatpersonen diesen Maßstab grundsätzlich nicht befolgen müssen 3 ." Die grundsätzlich freie Wahl des gestaltungsberechtigten Arbeitgebers bei Vorliegen zum Beispiel eines Kündigungsgrundes oder eines A n fechtungsgrundes sein Gestaltungsrecht auszuüben oder darauf zu verzichten, und der Ermessensspielraum, der sich für i h n aus der Einräumung eines ausfüllenden Gestaltungsrechts durch rechtsgeschäftliche Unterwerfung ergeben, sind Ausdruck der Privatautonomie 4 . Durch den Gleichbehandlungsgrundsatz würde diese Freiheit des Arbeitgebers eingeschränkt 5 . Denn unbeschadet der Möglichkeit zu sachgerechter Differenzierung zwingt i h n das Gleichbehandlungsgebot, allen Arbeitnehmern eines Betriebes oder einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern zum Beispiel die gleichen zusätzlichen Leistungen zu gewähren 6 . Zwang und Privatautonomie sind jedoch unvereinbar 7 . Hierauf bezogen würde die Formel vom freien Belieben des Gestaltungsberechtigten die These beinhalten, daß i m Konflikt von Zwang zur Gleichbehandlung und privatautonomer, das heißt freier Rechtsausübung durch den Gestaltungsberechtigten das Prinzip der Privatautonomie das Gleichbehandlungsgebot stets zurückdrängt. 3 Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 93. 4 Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 139 unter 3. : „Die Privatautonomie erschöpft sich i n der Privatrechtssystematik nicht n u r i n der Vertragsfreiheit, sondern sie umschließt auch das Recht zu regelnder Gestaltung." F ü r Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, S. 21, umfaßt die Privatautonomie alle Ermächtigungen zu p r i v a t w i l l k ü r l i c h e r E i n w i r k u n g auf Rechtslagen u n d ist daher identisch m i t der Gesamtheit der bestehenden Gestaltungsrechte. 5 A u f die A n t i n o m i e zwischen Gleichheitssatz u n d Privatautonomie hat zuerst Raiser , Z H R 111, 92 ff. u n d J Z 1959, 422 hingewiesen, Vgl. auch Bobrowski-Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, 5. Aufl., S. 295; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 424 Fußnote 35 a; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S.499; B A G A P Nr. 31, 32 zu §242 B G B Gleichbehandlung m i t A n m . von G. Hueck; f ü r Buchner, R d A 1970, 227 r. Sp., ist die Privatautonomie allenfalls dadurch tangiert, daß als Folge der normativen Vertragsauslegung die Gleichbehandlung Vertragsinhalt w i r d , auch ohne daß dies von den Parteien i m einzelnen F a l l speziell als Rechtsfolge gewünscht zu sein braucht. β Eine Übersicht gibt Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung i m A r beitsrecht bei geldlichen Ansprüchen. 7 Vgl. Säcker, Gruppenautonomie u n d Ubermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 206; Bydlinski, Der Gleichbehandlungsgrundsatz i m österreichischen P r i vatrecht, Verhandlungen des Ersten österreichischen Juristentages, S. 19.
1. Kap.: Grundlagen
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I I . Der Vorrang der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz und seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis
Einen grundsätzlichen Vorrang der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat Götz Hueck für das Privatrecht allgemein zu begründen versucht und i h n darin bestätigt gefunden, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz immer dann hinter der Vertragsfreiheit zurücktrete, wenn die an einem Gemeinschaftsverhältnis beteiligten Personen sich untereinander vertraglich über eine Ungleichbehandlung geeinigt hätten 8 . Auch i m Arbeitsverhältnis gilt der Satz, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung kommt, wenn sich ein Arbeitnehmer mit einer Ungleichbehandlung einverstanden erklärt hat 9 . Dennoch darf seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis nicht überbewertet werden 1 0 . Schweigen ist wegen der besonderen Situation i m Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres als Zustimmung zu werten 1 1 . Ein genereller Verzicht auf Gleichbehandlung wäre unwirksam, w e i l der Arbeitnehmer dadurch der W i l l k ü r des Arbeitgebers ausgeliefert würde und daher eine entsprechende Vereinbarung als sittenwidrig anzusehen wäre 1 2 . Andererseits spielen individuell ausgehandelte Vereinbarungen i m durchschnittstypischen Normalfall des Arbeitsvertragsschlusses erfahrungsgemäß eine untergeordnete Rolle. Zur Begründung sei nur auf die weithin akzeptierten Formulierungen vom inhaltsleeren Arbeitsvertrag 1 3 und vom Individualvertrag als Legitimationsschablone einseitiger Gestaltungsmacht 14 verwiesen. Der inhaltsleere Arbeitsvertrag kennzeichnet den Tatbestand, daß der Abschluß des Arbeitsvertrages häufig gleichsam nur das auslösende Moment für das Inkrafttreten der auf kollektiver Ebene vereinbarten Arbeitsbedingungen ist. Der Individualvertrag als Legitimationsschablone einseitiger Gestaltungsmacht steht für die einseitige Aufstellung arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen oder allgemeiner Arbeitsbedin8 Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 250, 251. 9 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S.424; B A G A P Nr. 32 zu § 242 B G B Gleichbehandlung m i t A n m . von G. Hueck. 10 Hilger, R d A 75, 31 (33), w a r n t v o r einer Verallgemeinerung des G r u n d satzes „Vertragsfreiheit v o r Gleichbehandlung" u n d hält i h n n u r da f ü r berechtigt, w o die Benachteiligung eines Arbeitnehmers i n echter Vertragsparität u n d voller Freiheit beider Seiten vereinbart worden ist. Diese Voraussetzung könne i m Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres unterstellt werden. 11 G. Hueck, Grundsatz, S.261. ι2 Hellner, Die A n w e n d u n g des arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatzes i m überbetrieblichen Bereich des Unternehmens, S. 40; vgl. auch Staudinger I Weber, 11. Aufl. A 382 zu §242 BGB. 13 Zuerst Rehahn, A u R 1963, 238 f.; ähnlich Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 11 f.; Sinzheimer, Der kooperative Arbeitsnormenvertrag Bd. I , S. 9 f. 14 Richardi, Arbeitsrecht u n d Zivilrecht, Z f A 1974, S. 1, 24. 3*
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§ 5. Privatautonomie u n d Gleichbehandlung
gungen durch den Arbeitgeber, denen gegenüber der Arbeitnehmer i m Normalfall nur die Wahl zwischen Annahme oder Verzicht auf die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses hat 1 5 . Soweit die Kompetenz zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse auf die Parteien der Kollektivvereinbarung übergegangen ist 1 6 , sind diese an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden 17 . Manifestiert sich die Privatautonomie als einseitige Gestaltungsmacht des Arbeitgebers und als inhaltliche Unterwerfung des Arbeitnehmers 1 8 , tendiert die Rechtsprechung auch hier zu einer Einschränkung der Privatautonomie durch den Gleichbehandlungsgrundsatz 19 . Gleichwohl beruht die Wirksamkeit der allgemeinen Arbeitsbedingungen auf der vertraglichen Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 2 0 . Nach dem Grundsatz vom Vorrang der Vertragsfreiheit käme daher eine Gleichbehandlungskontrolle eigentlich nicht i n Betracht. I I I . Gleichbehandlung als Kontrolle einseitiger Gestaltungsfreiheit
Ihre Rechtfertigung findet die Gleichbehandlungskontrolle arbeitsvertraglicher Einheitsregelungen darin, daß infolge des intellektuellen und wirtschaftlichen Übergewichts des Arbeitgebers 2 1 die Vertragsparität gestört ist oder eine Vertragspartei aus anderen Gründen allein den Inhalt eines Vertragsverhältnisses gestalten kann und dadurch ein is Vgl. Becker, N J W 1973, 1913 (1914). F ü r Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 211, reduziert sich deshalb die V e r tragsfreiheit durch faktische Beseitigung der Inhaltsfreiheit auf die A b schlußfreiheit. 16 Vgl. Rüthers, D B 1973, 1649 (1651): „Die Tarifautonomie ist die F o r t setzung der Privatautonomie m i t kollektivrechtlichen M i t t e l n zur Herstellung vertretbarer Interessenkompromisse am Arbeitsmarkt." Ferner Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 164 f. 17 Vgl. Einleitung Fußn. 2; ferner Bickel, Über die Unmöglichkeit eines Grundsatzes der Gleichbehandlung i m Arbeitsrecht, S. 27. 18 Vgl. Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 62: „ D i e Privatautonomie ist i m Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben. Sie t r i t t n u r weitgehend nicht i n der Rechtsfigur des Vertrages, d. h. als Angebot u n d Annahme, sondern i n der F o r m von Unterwerfung u n d Rechtsgestaltung i n Erscheinung." Ferner Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 39; Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung u n d Wirtschaftsverfassung. Diss. F r a n k f u r t 1958, S. 106 f., 112. i» B A G A P Nr. 1 u. 2 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle; B A G A P Nr. 1 zu §242 B G B Ruhegehalt Unterstützungskassen unter 2 b ; B A G A P Nr. 144 zu §242 B G B Ruhegehalt unter I I 2 b ; vgl. auch Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, H I I 3 b, S. 162. 20 Vgl. Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 117; Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 134 m i t zahlreichen weiteren Nachweisen. 2 1 Vgl. Raiser, JZ 1948, S. 1, 7; ferner Säcker, S. 88 f.; Schmidt-Salzer NJW 1967, S. 373, 377; Enneccerus / Nipperdey, §167, S. 1012 Fußn. 37; Helm, JuS 1965, 121, 123.
1. Kap.: Grundlagen
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angemessener Vertragsinhalt nicht gewährleistet ist 2 2 . M i t dieser Begründung nähert sich die Rechtsprechung, ohne daß dies allerdings ausdrücklich gesagt wird, einerseits der hier i m Anschluß an Raiser vertretenen Auffassung, daß das Gleichbehandlungsgebot zur Geltung gelangt, wenn eine gerechte privatautonome Verteilung infolge der Übermacht des Verteilenden nicht gewährleistet ist 2 3 . Andererseits w i r d ganz allgemein die Tatsache der einseitigen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch eine Vertragspartei als entscheidender Gesichtspunkt für die Einschränkung der Privatautonomie durch eine Inhaltskontrolle genannt. Die Analogie zwischen der inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Aufstellung allgemeiner Arbeitsbedingungen und der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Ausübung eines Gestaltungsrechts liegt nahe und ist auch nicht zufällig. Denn dogmatischer Ausgangspunkt für die Inhaltskontrolle der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung ist § 315 BGB 2 4 , und i m Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers nach § 315 BGB sieht die herrschende Meinung ein Gestaltungsrecht 25 . Ist mit anderen Worten die Beschränkung der privatautonomen Vertragsfreiheit beim Abschluß des Arbeitsvertrages durch den Gleichbehandlungsgrundsatz eine Folge des Zurücktretens des Vertragsprinzips gegenüber dem Prinzip der einseitigen Gestaltung 2 6 , so muß das Gleichbehandlungsgebot grundsätzlich auch für die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Arbeitgeber gelten 27 . I h r Kennzeichen ist ja gerade der Einbruch i n das materielle Mitwirkungsoder Vertragsprinzip durch die einseitige vom Gestaltungsgegner unabhängige Gestaltung eines Rechtsverhältnisses 28 .
22 B A G A P Nr. 1 u. 2 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle. 23 Vgl. oben § 2 I V . u n d Wolf i n A n m . zu B A G A P Nr. 1 zu § 305 B G B Billigkeitskontrolle. 24 Vgl. Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle i m Arbeitsverhältnis, S. 224, m i t weiteren Nachweisen. 25 Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, i n Festgabe f ü r Koch, S. 26 Fußn. 4; Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m P r i v a t recht, S. 17; Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 107, 108; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 28; Larenz, Schuldrecht, Bd. I , 10. Aufl., §6 I I a . 26 Vgl. Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 41: „Die Gestaltungsmöglichkeit w i r d i n diesen Fällen (§§ 315, 317, 346, 349 BGB) durch die vertragliche Unterwerfung der Betroffenen begründet, u n d sie w i r d auch durch sie beschränkt. Die Gestaltungsfreiheit k a n n deshalb nie den weiten Umfang haben w i e die Vertragsfreiheit." 27 Söllner, Arbeitsrecht, S. 221 : „ W o der Arbeitgeber keine Gestaltungsmacht ausübt, wo er die Arbeitnehmer nicht »behandelt', sondern Regelungen m i t dem einzelnen w i r k l i c h vertraglich »aushandelt 4 , entfällt die Gleichbehandlungspflicht. " 28 Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 45.
Zweites
Kapitel
Gestaltungsrechte des Arbeitgebers und ihre Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz Die Untersuchung hat bisher ergeben, daß sich die These von der Gleichbehandlungsfeindlichkeit der Gestaltungsrechte weder aus der Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes noch aus dem dogmatischen Verständnis des Gestaltungsrechts und auch nicht aus einem prinzipiellen Vorrang der Vertragsfreiheit belegen läßt. Vielmehr kann umgekehrt aus der Machtstellung des Arbeitgebers als dem Grund für die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes und dem Zurücktreten des Vertragsprinzips gegenüber dem Prinzip der einseitigen Gestaltung i m Arbeitsverhältnis auf eine Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Ausübung von Gestaltungsrechten geschlossen werden. Daraus folgt jedoch nicht, daß der Arbeitgeber immer, wenn er ein Gestaltungsrecht ausübt, an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. I n welchem Umfang die Vertragsfreiheit bei der Ausübung von Gestaltungsrechten tatsächlich durch den Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt wird, läßt sich nur durch eine konkrete Wertung i m Einzelfall feststellen. § 6. Der traditionelle Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers Seine erste Anerkennung und schließlich seine weiteste Anwendung hat der Gleichbehandlungsgrundsatz auf dem Gebiet der freiwilligen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers gefunden 1 . Es bietet sich daher an, die Behauptung, daß die Ausübung von Gestaltungsrechten der Pflicht zur Gleichbehandlung entzogen sei, zuerst hier auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ihre Unrichtigkeit wäre erwiesen, wenn die 1 Vgl. die Nachweise bei Frey, Der Grundsatz l u n g bei geldlichen Ansprüchen, S. 16 ff. Die Gleichbehandlung ergangenen Urteile ist gerade Eine Beschränkung auf die höchstrichterliche unumgänglich.
der gleichmäßigen BehandFülle der zu Fragen der hier nahezu unübersehbar. Rechtsprechung ist daher
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
39
von der Rechtsprechung herausgebildeten typischen Gleichbehandlungsfälle auch solche der Ausübung von Gestaltungsrechten umfassen. I . Gleichbehandlung bei der Zusage freiwilliger Leistungen
Eine typische Fallgruppe, für die i n der Rechtsprechung die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bejaht wurde, bildet die Zusage freiwilliger Leistungen des Arbeitgebers gegenüber seiner Belegschaft 2 . Es geht dabei u m die Frage, ob ein bestimmter Arbeitnehmer zu Recht von einer Geldleistung des Arbeitgebers ausgeschlossen wurde, die anderen Arbeitnehmern i n vergleichbarer Lage oder Stellung gewährt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat den Gleichbehandlungsgrundsatz u. a. auf die Zusage von Teuerungszulagen 3 , Jubiläumsgaben 4 , Gratifikationen 5 , Ruhegeldern 6 , Prämien 7 und Ergebnisbeteiligungen 8 angewendet. Für die Rechtsprechung kam es vorwiegend auf das Ergebnis, Gleichbehandlung oder nicht, an. Aus diesem Grunde spielt das Problem der rechtlichen Bindung des Arbeitgebers bei der Gewährung freiwilliger Leistungen und ihrer dogmatisch richtigen Konstruktion als Gestaltungsrecht eine untergeordnete Rolle. U m so lebhafter wurde sie i n der Literatur diskutiert. I m wesentlichen lassen sich drei Auffassungen unterscheiden: 1. Die Zusage freiwilliger
Leistungen
als Vertrag
Eine mehr traditionelle Meinung versucht die bindende Wirkung der Arbeitgeberzusage m i t der Rechtsfigur des Vertrages zu erklären. Die Zusage w i r d durch stillschweigende Annahme entsprechend § 151 BGB seitens des einzelnen Arbeitnehmers zur vertraglichen Bindung 9 . Gegen diese Auffassung w i r d der Einwand erhoben, die Auflösung der einheit2 Aus der Rechtsprechung des R A G : R A G ARS 33, 172 u n d 216; 35, 144; 36, 12 u n d 54; 37, 273; 38, 252; 39, 49 u n d 65; 44, 64; 46, 105 u n d 388; 47, 109 u n d 112. s B A G A P Nr. 2 u n d 23 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 4 B A G A P Nr. 13 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. s B A G A P Nr. 20 u n d 21 zu § 242 B G B Gleichbehandlung, A P Nr. 1, 4, 7, 8, 16, 20, 34, 37, 52 zu § 611 Gratifikationen, A P Nr. 69 zu A r t . 3 GG. β B A G A P Nr. 10 zu § 242 B G B Ruhegehalt. ? B A G A P Nr. 33 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 8 B A G A P Nr. 1 zu § 6 ArbPlSchG. ο A. Hueck i n Festschrift f ü r Lehmann (1956) I I , S. 633, 636 f.; G. Hueck i n Arbeitsrecht-Blattei, Betriebsübung I , A l l ; Staudinger / Nipperdey / Mohnen, B G B 11. Aufl., Vorbem. v o r §611 A n m . 339 a; Gros i n Festschrift f ü r Sitzler, S. 227 f., 232; Heissmann, Die betriebliche Ruhegeldverpflichtung, S. 42; Richardi, R d A 1960, 401 (403, 405); aus der Rspr.: R A G ARS 23, 163; 28, 311; 40, 209; B A G A P Nr. 21, 34 zu §611 B G B Gratifikation; B A G A P Nr. 24, 64, 85, 110 zu § 242 B G B Ruhegehalt.
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§ 6. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers
liehen Erklärung an die Belegschaft und die Zerlegung der betrieblichen Übung i n eine Vielzahl von Einzelabreden zwischen dem Arbeitgeber und jedem einzelnen Arbeitnehmer sei mit dem kollektiv bestimmten Tatbestand dieser Regelungen nicht vereinbar. Die Konstruktion über den Einzelarbeitsvertrag sei daher wirklichkeitsfremd 1 0 . Die Annahmeerklärung durch den Arbeitnehmer werde lediglich fingiert 1 1 . Man kann dagegen vorbringen, daß sich die angeblich lebensfremde Konstruktion des Vertrages als sehr wertnah erweise, sobald man sich der Frage zuwende, wie es m i t der bindenden Wirkung einer einheitlichen Anordnung oder einer betrieblichen Übung stehe, die sich für die Arbeitnehmer belastend auswirkt 1 2 . Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, weil die Frage der bindenden Wirkung für Verbesserungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchaus verschieden zu beantworten sein kann 1 3 . 2. Theorie der einseitigen Verpflichtung Denecke vertritt die Auffassung, daß einheitlich für alle Arbeitnehmer geltende Regelungen nicht durch einzelvertragliche Vereinbarung, sondern durch normativ wirkende Rechtsgestaltung des A r beitgebers verbindlich werden 1 4 . Der wenigstens durch schlüssiges Verhalten zustande gekommene Vertrag w i r d durch die einseitige, vom Grundsatz der Treue- und Fürsorgepflicht beherrschte Bestimmung durch den Arbeitgeber ersetzt. Siebert ließ für generelle Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer, insbesondere für den Rechtsanspruch auf zusätzliche soziale Leistungen, bereits eine einseitige Verpflichtung des Arbeitgebers genügen, u m für ihn eine Bindungswirkung zu erzeugen 15 . Noch weitergehend als Siebert sieht Hilger i n einer Gesamtzusage durch den Arbeitgeber, die ausdrücklich erklärt werden kann, die aber als betriebliche Übung auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann, eine einheitliche kollektivrechtliche Willenserklärung 1 6 . Sie sei nicht das Vertragsangebot für eine kollektivrechtliche Vereinbarung, denn die Belegschaft sei als Kollektiv nicht rechtlich hand10 Denecke, D A R 1940, S. 141 (144); Siebert bei Reuß / Siebert, Die konkrete Ordnung des Betriebes, S. 112, 117; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 39; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 264; Bötticher, R d A 1953, S. 161 (163). 11 Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 65. 12 Richardi, K o l l e k t i v g e w a l t u n d I n d i v i d u a l w i l l e , S. 304. is Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 139 f. 14 Denecke, D A R 1940, 141 (143, 146). is Siebert i n Reuß / Siebert, Die konkrete Ordnung des Betriebs, S. 1161; ähnlich auch Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., S. 263 f., 264, soweit die einseitige E r k l ä r u n g des Arbeitgebers „eine bereits bestehende, n u r inhaltlich noch näher bestimmbare Verpflichtung, eben die Fürsorgepflicht, konkret gestaltet". 16 Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 65.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
41
lungsfähig und deshalb sei für die kollektive Gesamtzusage des Arbeitgebers kein kollektiver Vertragspartner vorhanden 17 . Die einseitige Erklärung des Arbeitgebers soll ausreichen, u m eine Anspruchsgrundlage anzuerkennen. Die Gesamtzusage bedürfe keiner normativen Wirkung, weil es sich lediglich u m die Verpflichtung des Arbeitgebers aus einer von ihm selbst abgegebenen Erklärung handle. Sie sei eine einseitige kollektivrechtliche Verpflichtungserklärung 18 . Zu Recht w u r de darin ein Einbruch i n das überkommene systematische Gefüge der individualrechtlichen und kollektiven Gestaltungsmittel gesehen 19 , der keineswegs gewohnheitsrechtlich anerkannt ist 2 0 . Eine einseitige kollektivrechtliche Gestaltung durch den Arbeitgeber widerspricht sowohl dem Betriebsverfassungsrecht 21 , als auch der privatrechtlichen Systematik, die m i t Ausnahme der Auslobung und der einseitigen Verfügung von Todes wegen keine einseitigen Verpflichtungserklärungen kennt 2 2 . 3. Die Zusage freiwilliger
Leistungen
als Gestaltungsrecht
Die Fiktion einer stillschweigenden Annahmeerklärung des Arbeitnehmers, der durch Zusage einer freiwilligen Leistung begünstigt wird, versuchte Nikisch durch die Annahme entbehrlich zu machen, daß es sich bei der Gewährung zusätzlicher sozialer Leistungen um eine Ausgestaltung der allgemeinen Treue- und Fürsorgepflicht handle. Indem der Arbeitgeber seinen Willen zum Ausdruck bringe, bestimmte Leistungen nicht nur gelegentlich, sondern auch i n Zukunft zu gewähren, konkretisiere er nur seine Fürsorgepflicht. Da auf diese Weise eine bereits bestehende, wenn auch i n ihrem Inhalt zunächst noch unbestimmte Pflicht nur den konkreten Inhalt empfängt, entfalle der Einwand, daß einseitige Bindungen einer Partei unserem Recht i m allgemeinen fremd seien 23 . 17 Hilger, S. 60. 18 Hilger, S. 68 f. Der D r i t t e Senat des B A G hat sich dieser Ansicht i n seinem U r t e i l v o m 12. 3.1963 — 2 A Z R 266/62 = A P Nr. 90 zu § 242 B G B Ruhegehalt f ü r das einseitige Ruhegeldversprechen angeschlossen; wieder auf die Vertragstheorie einschwenkend allerdings der gleiche Senat i n B A G A P Nr. 110 zu §242 B G B Ruhegehalt; vgl. auch Zeuner, B B 1957, S. 647 f.; Galperin / Siebert, BetrVG, 4. Aufl., § 1 A n m . 122 f.; Bötticher, R d A 1953, 161 (163 Fußn. 9). io Zöllner i n A n m . zu B A G A P Nr. 90 zu § 242 B G B Ruhegehalt. 20 So aber Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 70. 21 Siebert, B B 1955, 869 (870); G. Hueck, A R - B l a t t e i , Betriebsübung I, A I I 2 d; Richardi, R d A 1960, 401 (402); Gramm, A u R 1961, 353 (356). 22 Wie sich aus den §§ 305, 333, 516 B G B ergibt. Die Unmöglichkeit einer Analogie zur Auslobung begründet eingehend Säcker, Gruppenautonomie u n d Ubermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 142 f.; vgl. auch Adomeit, B B 1964, 599 (601). 23 Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 263, 264; ähnlich Sinzheimer, Der korperative Arbeitsnormenvertrag (1907), S. 15, 15; vgl. auch B A G A P Nr. 13 zu § 242 B G B Ruhegehalt Bl. 610 VS 1. Abschnitt.
42
§ 6. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers
Soweit damit die Fürsorgepflicht als unmittelbarer Verpflichtungsgrund i n Anspruch genommen wird, steht dem entgegen, daß Literatur und Judikatur es bisher übereinstimmend abgelehnt haben, aus der Fürsorgepflicht — entsprechend ihrer Natur als Generalklausel — konkrete Leistungsansprüche gegen den Arbeitgeber zu entwickeln 2 4 . I m übrigen ist aber die Annahme einer zunächst noch unbestimmten Verpflichtung, die vom Arbeitgeber konkretisiert w i r d 2 5 , geeignet, das Problem der rechtlichen Bindung einer Zusage freiwilliger Leistungen des Arbeitgebers i n Übereinstimmung mit der privatrechtlichen Systematik zu lösen. Hilger 26 deutet zuerst die Möglichkeit an, von einer vorweggenommenen rechtsgeschäftlichen Unterwerfung der einzelnen Arbeitnehmer auszugehen, die sich nicht nur auf die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung geltenden Arbeitsbedingungen beziehen sollte, sondern auch auf alle späteren Ergänzungen, die eine Verbesserung bedeuten. Dennoch glaubt Hilger damit die Bindung des Arbeitgebers an die einmal erteilte Zusage freiwilliger Leistungen nicht erklären zu können, w e i l sie die Unterwerfung lediglich als pauschale Akzeptierung einheitlicher A r beitsbedingungen und nicht als vertragliche Einräumung eines Gestaltungsrechts versteht. Diesen Weg beschreiten Adomeit und Söllner. Jener legte unter Berücksichtigung von Interessenlage und betrieblicher Verkehrssitte den Arbeitsvertrag dahin aus, daß der Arbeitgeber ermächtigt ist, das Ob und Wie einer Altersversorgung nach freiem Ermessen einseitig regeln zu können 2 7 . Dieser geht von einer i m A r beitsvertrag vereinbarten Blankettverpflichtung 2 8 aus, die der Arbeitgeber durch die Zusage von Prämien, Zulagen oder Gratifikationen konkretisiere 29 . Ob durch den Abschluß des Arbeitsvertrages bereits eine Verpflichtung oder nur eine Ermächtigung begründet w i r d 3 0 , ist 24 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., S. 393; Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 111; Bötticher, A u R 1967, 323, Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 56; B A G A P Nr. 15 zu §242 Ruhegehalt Ziff. I V m i t zust. A n m . von Dersch; L A G F r a n k f u r t A P Nr. 26 zu § 242 B G B Ruhegehalt Bl. 760 VS m i t zust. Anm. von G. Hueck; B G H A P Nr. 25 zu § 242 B G B Ruhegehalt Ziff. 2 a; B A G A P Nr. 90 zu § 242 Ruhegehalt Bl. 320 RS. 2 5 Bötticher, A u R 1967, 323: „Die Fürsorgepflicht als causa freiwilliger Zuwendungen darf nicht m i t einer schon bestehenden Verpflichtung v e r wechselt werden, die der Arbeitgeber n u r noch zu konkretisieren brauchte." 2 6 Das betriebliche Ruhegeld, S. 65, 66. 27 Adomeit, B B 1964, 599 (603); ders. i n Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 112. 28 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 34; Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, Erster Teil, 1907, S. 14, spricht v o n der Fürsorgepflicht als einem Blankettgesetz. 2» Söllner, S. 34. 30 Nach Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 111, beruht die eintretende Bindung des Arbeitgebers nicht auf einer zuvor bestehenden
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
43
eine Frage des Inhalts und der Auslegung des konkreten Vertrages. Angesichts des Strebens des Arbeitnehmers nach dauerhafter w i r t schaftlicher Sicherung kommt i n den Abschluß des Vertrages der Wille des Arbeitnehmers zum Ausdruck, nicht nur i n den Genuß der bestehenden betrieblichen Leistungen, sondern auch künftiger möglicher Leistungsverbesserungen zu kommen. Die Vereinbarung eines Vorbehalts der späteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber ist rechtlich zu verstehen als Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Rechtsgestaltungsmacht des Arbeitgebers i m Sinne Böttichers 31 , die dogmatisch dem inhaltsbestimmenden Gestaltungsrecht der §§ 315 ff. BGB nahesteht 32 . I I . Gleichbehandlung bei Änderung und Widerruf freiwilliger Leistungen
Besondere Bedeutung hat der Gleichbehandlungsgrundsatz i n der Rechtsprechung zur Änderung und zum Widerruf freiwilliger Leistungen erlangt. Die Gerichte haben bei der Anpassung von Gratifikationen und Ruhegeldern an veränderte Umstände 33 , der Anpassung von Ruhegeldverpflichtungen an die Erhöhung der Sozialrenten 34 und ihrer späteren Abänderung 3 5 die Pflicht zur Gleichbehandlung bejaht. Wenn das Bundesarbeitsgericht den Grundsatz aufstellt, daß ein i n einer Ruhegeldzusage enthaltener genereller Widerrufsvorbehalt nicht einem einzelnen, sondern nur generell allen begünstigten Arbeitnehmern gegenüber ausgeübt werden dürfe 3 6 , handelt es sich ebenfalls u m eine A n wendung des Gleichbehandlungsgedankens 37 . Zur Frage der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Gestaltungsrechte haben die Gerichte i n diesem Zusammenhang nicht Stellung genommen. Der Änderung oder dem Widerruf freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber liegt jedoch vielfach ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers zugrunde. Pflicht, die n u r eine inhaltsleere Scheinpflicht sei, sondern auf dessen eigener E r k l ä r u n g i n Verbindung m i t einer Ermächtigungsnorm. Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 9; Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle i m Arbeitsrecht, S. 146. 32 Adomeit, B B 1964, 599 (603); ders. i n Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 112; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 100f.; Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 146 f.; vgl. auch B A G A P Nr. 6 zu §611 B G B Lohnzuschläge m i t A n m . von Herschel; k r i t . Bötticher, A u R 1967, 321 (323, 324); Richardi, R d A 1970, 208 (209, 210). 33 B A G A P Nr. 16, 34, 51, 58 zu §611 B G B Gratifikation; B A G A P Nr. 3, 4, 10, 18 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 2 zu § 57 BetrVG. 34 A r b G H a m b u r g A P Nr. 36 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 47, 54 zu § 242 B G B Ruhegehalt; L A G Hannover, B B 1960, S. 1100. 35 B A G A P Nr. 28 zu A r t . 3 GG; B A G A P Nr. 80, 96, 118 zu §242 B G B Ruhegehalt. 36 B A G A P Nr. 80, 118, 127 zu § 242 B G B Ruhegehalt. 37 Heissmann i n A n m . zu B A G A P Nr. 118 zu § 242 B G B Ruhegehalt.
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§ 6. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers
1. Änderung
und Widerruf
ohne vertraglichen
Vorbehalt
Problematisch ist die Annahme eines Gestaltungsrechts allerdings dann, wenn sich der Arbeitgeber eine Änderung, Anpassung oder einen Widerruf der freiwilligen Leistung nicht ausdrücklich vorbehalten hat. Die Rechtsprechung billigt in Fällen schwerwiegender Treupflichtverletzungen des Arbeitnehmers 3 8 und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens 39 die Kürzung und Einstellung von Leistungen auch dann, wenn die Zusage des Arbeitgebers keine Widerrufsklausel enthält. Die rechtlichen Begründungen wechseln und bleiben teilweise auch unklar. Es w i r d unter anderem von einer Kündigung durch den Arbeitgeber gesprochen 40 , von einem Leistungsverweigerungsrecht 41 und von einem Anpassungsrecht des Arbeitgebers 42 . Wo dem Arbeitgeber das Recht zugebilligt wird, eine freiwillige Leistung, aus welchen Gründen auch immer, einseitig herabzusetzen, liegt es nahe, dieses Recht als Gestaltungsrecht des Arbeitgebers aufzufassen. Zwar fehlt es an einer Einräumung des Gestaltungsrechts durch eine entsprechende rechtsgeschäftliche Unterwerfung des Arbeitnehmers. A n den Parteiwillen können sich jedoch nach § 242 BGB gesetzliche Rechtsfolgen knüpfen, die i m Arbeitsverhältnis zu einer erweiterten Unterwerfung unter die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers, das heißt zu einem auf § 242 BGB gestützten Gestaltungsrecht des Arbeitgebers führen 4 3 . 2. Änderung
und Widerruf
mit vertraglichem
Vorbehalt
Hat der Arbeitgeber bei der Zusage einer freiwilligen Leistung deren Unverbindlichkeit herausgestellt, die Begründung eines Rechtsanspruchs ausgeschlossen oder den jederzeitigen Widerruf ausdrücklich vorbehalten, bereitet es keine Schwierigkeiten, darin ein ausfüllendes Gestalse R A G ARS 22, 5 (14); 37, 137 u n d 343; B A G A P Nr. 8, 141 zu §242 B G B Ruhegehalt. s» B A G A P Nr. 5, 26, 51 zu § 611 B G B Gratifikation; B A G A P Nr. 7 zu §322 ZPO; B A G A P Nr. 1 zu §57 BetrVG, B G H A P Nr. 1 zu §242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 2, 3, 4, 5 zu § 242 B G B Ruhegehalt. 40 L A G F r a n k f u r t a. M. ARS 10, 21 f.; B A G ν. 5.11.65 B B 1965, 1745; vgl. auch A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 492; Molitor, Die Kündigung, S. 159; Schnorr v. Carolsfeld, Arbeitsrecht 2. Aufl., S. 169. 41 R A G ARS 22, 5 (14); 37, 137 (141); 37, 343 (344); 45, 5 (9); B A G ν. 10.2.68 — 3 A Z R 4/67 = B B 1968, S. 710; B A G A P Nr. 31 zu §133 B G B Ziff. I I . 42 R A G ARS 18, 153; 36, 188 (189); RGZ 148, 81 (92); B G H A P Nr. 1 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 2, 3, 4, 45, 46, 55, 82, 83, 141 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 1 zu § 57 BetrVG. 43 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 46, 47; 102, 103; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 275 Fußn. 8, 313; Isele i n A n m . zu B A G A P Nr. 26 zu §611 B G B Gratifikation; Molitor i n A n m . zu B A G A P Nr. 3 zu § 242 B G B Ruhegehalt, B A G A P Nr. 46 zu § 242 B G B Ruhegehalt.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
45
tungsrecht entsprechend § 315 BGB zu sehen. Zwar kann dies streng genommen für den Ausschluß eines Rechtsanspruchs nicht gelten, w e i l er einen gestaltungsfähigen Anspruch an sich nicht entstehen läßt 4 4 . I n der Rechtsprechung zum Ruhegeld wurde der Ausschluß des Rechtsanspruchs allerdings einschränkend i m Sinne eines bloßen Widerrufsvorbehalts ausgelegt 45 . Die Rechtsprechung hat die Ausübung des Widerrufsvorbehalts ausdrücklich § 315 BGB unterstellt 4 6 und den Gleichbehandlungsgrundsatz auf ihn angewandt 47 . Lassen sich Zusage und Widerruf freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber als Gestaltungsrecht konstruieren, so hat die Rechtsprechung, freilich ohne sich darüber klar zu sein, den Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Ausübung von Gestaltungsrechten erstreckt. Der A n wendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf andere Gestaltungsrechte kann daher nicht m i t dem Hinweis widersprochen werden, bisher sei der Gleichbehandlungsgrundsatz nur auf dem Gebiet der freiwilligen Sozialleistungen zur Anwendung gekommen, nicht aber bei Gestaltungsrechten. § 7. Gleichbehandlung bei der Lohngestaltung durch den Arbeitgeber I. Gleichbehandlung im Bereich der Vergütung
Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist i m Bereich des Arbeitsentgelts noch nicht unumstritten 1 . Früher wurde die Auffassung vertreten, auf dem Gebiet des Arbeitsentgelts höre die Herrschaft des 44 Hilger, S. 127, 128 spricht von verpflichtungshinderndem Vorbehalt. 45 B A G A P Nr. 86 zu § 242 B G B Ruhegehalt, Bl. 253 VS m i t zust. A n m . von Heissmann; B A G A P Nr. 127 zu §242 B G B Ruhegehalt, Bl. 855 V S ; kritisch Canaris, Vertrauenshaftung i m Privatrecht, S. 396 ff., der von E r w i r k u n g als anspruchsbegründendem M e r k m a l bei Vertrauen auf eine freiw i l l i g e Leistungserbringung spricht u n d dementsprechend f ü r ein W i d e r rufsrecht keinen Raum sieht. 46 B A G A P Nr. 13, 18, 54 zu § 242 B G B Ruhegehalt; ebenso Bötticher Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 10; vgl. auch Raiser , Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 228; Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 136f.; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 103. 47 B A G A P Nr. 18, 36, 54, 125, 127 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G A P Nr. 12 zu § 315 B G B ; B A G A P Nr. 1 zu § 611 B G B Deputat. ι A b i . Bötticher, R d A 53, 164, 165, 167; Molitor, Arbeitsrecht-Blattei, Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I I A ; Görner, R d A 62, 218; Gumpert, B B 59, 707, 710; bejahend Hilger, R d A 75, 32 f.; Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 305 f.; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 508 f.; Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung i m A r beitsrecht bei geldlichen Ansprüchen, S. 91 f.; offen gelassen i n B A G A P Nr. 31, 34 zu §242 B G B Gleichbehandlung; B A G A P Nr. 8 zu §611 B G B Dienstordnungsangestellte.
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§ 7. Lohngestaltung durch den Arbeitgeber
Gleichbehandlungsgrundsatzes auf, weil es sich hier nur um die Verwirklichung der ausgleichenden, nicht der austeilenden Gerechtigkeit handeln könne 2 . Die ausschließliche Zuordnung des Arbeitslohnes zur Austauschgerechtigkeit ist aber schon deshalb fragwürdig geworden, weil sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, daß auch die sogenannten zusätzlichen sozialen Leistungen — das ureigenste Gebiet der austeilenden Gerechtigkeit — besondere Formen des Arbeitsentgelts sind 3 . Unentgeltliche Verträge spielen für das Arbeitsrecht keine irgendwie erhebliche Rolle 4 . Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann deshalb nicht für die Begründung des Lohnanspruchs überhaupt, sondern nur für seine Höhe Bedeutung haben 5 . Soweit sie durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung 6 oder Einzelarbeitsvertrag abschließend geregelt ist, bleibt für eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Vergütung kein Raum 7 . Die Diskrepanz zwischen Tarif- und Effektivlöhnen eröffnet dem Arbeitgeber jedoch vielfältige Möglichkeiten zur Lohngestaltung nach eigenem Ermessen, die nicht notwendig ausschließlich dem Bereich der Austauschgerechtigkeit zuzuordnen ist. Wenn Hilger den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes dahin abgrenzt, daß der außer- und übertarifliche Bereich der Vertragsgerechtigkeit oder Austauschgerechtigkeit vorbehalten sei, weil er sich weithin einer objektivierten Vergütungsregelung entziehe 8 , ist dies nur insofern richtig, als i n diesem Bereich ζ. B. m i t besonders qualifizierten M i t arbeitern günstigere Einzelvereinbarungen getroffen werden, auf die andere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einen Anspruch erheben können 9 . Dies folgt aus dem Vorrang der Vertragsfreiheit gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz beim Abschluß von Einzelvereinbarungen. Wendet der Arbeitgeber aber beim Fehlen einer tarifvertraglichen oder einer einzelvertraglichen Regelung i n seinem Betrieb für die Entlohnung ein allgemeines Schema an, so kann jeder Arbeitnehmer verlangen, daß dieses Schema auch auf sein Arbeitsentgelt angewendet w i r d 1 0 . Dementsprechend hat der Grundsatz der Gleich2 Bötticher, R d A 53, 161, 165; Görner, R d A 62, 218, 223. 3 Hilger, R d A 75, 32, 33. 4 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., S. 133 Fußn. 9. s Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung i m Arbeitsrecht bei geldlichen Ansprüchen, S. 93. β Vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 10 u. 11 BetrVG. 7 Frey, S.95; G. Hueck, Grundsatz, S. 354, 355; B A G A P Nr. 31 zu §242 B G B Gleichbehandlung, Leits. 2. β Hilger, R d A 75, 33. » Vgl. B A G A P Nr. 14 zu § 242 B G B Gleichbehandlung = B A G A P Nr. 1 zu §611 B G B Lohnanspruch Leits. 1; B A G A P Nr. 31 zu §242 B G B Gleichbehandlung Leits. 2; ferner auch B A G A P Nr. 32 zu §242 Gleichbehandlung Leits. 1. 10 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 355; B A G A P Nr. 5 zu §242 B G B Gleichbehandlung; Bötticher, Waffen-
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2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
behandlung i m Bereich des Arbeitsentgelts vor allem i n kennung gefunden, i n denen der Arbeitgeber i m Betrieb Löhne erhöht oder Zulagen gezahlt hat 1 1 . Dabei blieb der lungsgrundsatz nicht auf zusätzliche Lohnbestandteile sondern wurde auch beim Grundlohn angewendet 13 .
Fällen Anerallgemein die Gleichbehandbeschränkt 12 ,
I I . Gestaltung des Lohnanspruchs durch den Arbeitgeber
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ist der Höhe nach durch Einzelvertrag, Tarifvertrag und die Maßstäbe des § 612 Abs. 2 BGB bestimmt. Läßt sich die Höhe der Vergütung i m Einzelfall nicht nach § 612 Abs. 2 BGB feststellen, so steht nach § 316 BGB i m Zweifel dem Arbeitnehmer das Recht zu, die i h m zustehende Gegenleistung zu bestimmen 14 . Den realen Verhältnissen dürfte dagegen ein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitsgebers nach § 315 BGB vielfach eher entsprechen 15 . Das kann jedoch nicht bedeuten, daß dem Arbeitsvertrag generell eine Unterwerfung des Arbeitnehmers unter ein Lohngestaltungsrecht des Arbeitgebers zu entnehmen ist, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist 1 6 . Ebensowenig w i r d die einseitige Festsetzung einer betrieblichen Entgeltregelung durch die nachfolgende faktische Unterwerfung eines neu eintretenden Arbeitnehmers zur Ausübung eines Gestaltungsrechts 17 . Ein Gestaltungsrecht ist vielmehr nur dort anzunehmen, wo sich der Arbeitgeber beim Abschluß des Arbeitsvertrages die Befugnis vorbehalten hat, die Höhe der Vergütung erst nach dem A n t r i t t des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen 18 . Umstritten ist i n diegleichheit u n d Gleichbehandlung der Arbeitnehmer i m kollektiven Arbeitsrecht, S. 14. 11 B A G A P Nr. 3, 15, 32, 33, 34, 36, 38 und 39 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 12 Vgl. B A G A P Nr. 2, 33 zu § 242 B G B Gleichbehandlung; B A G A P Nr. 1 zu § 6 ArbPlSchG. 13 Vgl. B A G A P Nr. 3, 15, 32, 34, 36, 38 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 14 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §40111, S. 265; Palandt, 34. Aufl., A n m . 3 zu § 612 B G B ; vgl. auch B A G A P Nr. 68 zu § 1 T V G Auslegung unter Ziff. I V , 1. Abs. der Gründe. 15 Darauf weist Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 92 Fußn. 4, hin, der dem B A G Verkennung der Rechtstatsachen vorwirft. 16 So aber Söllner; k r i t . Bötticher, A u R 1967, S. 322. 17 So Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 55; anders Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 15; Mayer-Maly, RdA 1965, S. 362. is Vgl. R A G ARS 21, 22 Leits. 1: „ E i n Arbeitsvertrag k a n n gültig i n der Weise abgeschlossen werden, daß die anstellende Stelle die Befugnis erhält, die Vergütung erst beim Dienstantritt näher zu bestimmen." Ferner B A G A P Nr. 1 zu § 611 B G B Musiker: Bestimmung einer Sondervergütung für zusätzliche Leistungen der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber entsprechend einer Vorbehaltsklausel i m Tarifvertrag; R A G ARS 43, 18: A u s f ü l -
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§ 7. Lohngestaltung durch den Arbeitgeber
sem Zusammenhang die Frage, ob der Arbeitgeber m i t der setzung ein Gestaltungsrecht ausübt 19 . Ubereinstimmung gegen darin, daß die Eingruppierung in die tariflichen gruppen i n der Regel keine Rechtsgestaltung durch den darstellt 2 0 , w e i l ihr mangels eines Ermessensspielraums torische, keine konstitutive Bedeutung zukommt.
Akkordfestbesteht hinVergütungsArbeitgeber nur deklara-
I I I . Gleichbehandlung bei der Lohngestaltung
Für eine einseitige Lohngestaltung durch den Arbeitgeber bleibt, wenn man die faktische Unterwerfung des Arbeitnehmers unter eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung ausklammert 2 1 , i m wesentlichen jener Bereich übrig, i n dem der Arbeitgeber über den Tariflohn oder über einen vertraglich vereinbarten Grundlohn hinaus einseitig freiw i l l i g Lohnerhöhungen vornimmt. I n anderem Zusammenhang wurde schon darauf hingewiesen, daß für die einseitige Verbesserung von Arbeitsbedingungen die Annahme eines Gestaltungsrechts des Arbeitgebers aufgrund antizipierender Unterwerfung des Arbeitnehmers den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten vielfach am besten entspricht 22 . Dies gilt natürlich erst recht i m Bereich des Arbeitsentgelts, da hier Verbesserungen aufgrund von Produktivitätsfortschritten und Steigerungen des Preisniveaus an der Tagesordnung sind. Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber als Ausgleich für eine während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eingetretene allgemeine Teuerung die Löhne von sich aus erhöht, indem er eine Teuerungszulage gewährt 2 3 , aber auch bei sonstigen Erhöhungen des Arbeitsentgelts dürften daher gegen eine vorweggenommene Unterwerfung i m Arbeitsvertrag keine dogmatischen Bedenken bestehen. Aber auch wenn man nicht bereit ist, dem Arbeitsvertrag eine rechtsgeschäftliche Unterwerfung des Arbeitl u n g des Lohnrahmens i m Tarifvertrag durch Leistungsbewertung seitens des Arbeitgebers. 19 Bejahend Söllner, S. 95; Siebert / Hilger, Probleme des Akkordrechts (1957), S. 151. Ablehnend Richardi, R d A 1970, 210 Ziff. V. 20 Neumann-Duesberg i n Anm. zu B A G A P Nr. 1 zu § 3 T O A ; B A G A P Nr. 4 u n d 5 zu § 3 T O A ; nach Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 94, 93, lassen sich Fälle denken, i n denen die Eingruppierung i m Ermessen des Arbeitgebers steht. 21 Oben § 7 I I . 22 Vgl. oben § 6 I 3. 23 L A G Stuttgart A P Nr. 52, 227; B A G A P Nr. 15 zu §242 B G B Gleichbehandlung, Leits. 2; die v o m B A G festgestellte Verpflichtung des A r b e i t gebers, der f ü r eine größere Gruppe von Arbeitnehmern einen übertariflichen Lohnzuschlag einführen w i l l , allen Arbeitnehmern das gleiche Angebot zu unterbreiten, gerät i n die Nähe des Abschlußzwangs, die m i t dem i n der gleichen Entscheidung (Leits. 1) bestätigten Vorrang der V e r tragsfreiheit v o r dem Gleichbehandlungsgebot nicht ohne weiteres vereinbar ist.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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nehmers unter zukünftige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu entnehmen, finden sich i n der Rechtsprechung Beispiele dafür, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für die Gestaltung des Vergütungsanspruchs durch den Arbeitgeber Geltung beansprucht: Ist i n einem Tarifvertrag die Bestimmung enthalten, daß der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen der persönlichen Qualifikation angelernte Arbeiter wie Facharbeiter entlohnen kann, w i r d dadurch dem Arbeitgeber ein Gestaltungsrecht hinsichtlich der Eingruppierung i n die höhere Vergütungsgruppe eingeräumt, das er nach eigenem Ermessen ausüben kann 2 4 . Z u Recht hat das Arbeitsgericht Bremen verlangt, daß der Arbeitgeber hier vor allem den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten müsse 25 und damit den Grundsatz durchbrochen, daß die Ausübung von Gestaltungsrechten nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterliegt. Wie i m vorhergehenden Fall w i r d man auch dann ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers entsprechend § 315 BGB anzunehmen haben, wenn dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung das Recht vorbehalten ist, eine Montageprämie nach dem jeweiligen Montageergebnis zu gestalten 26 . Das Bundesarbeitsgericht ging von einer Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Verteilung der Montageprämie aus, sah jedoch i m Ausschluß eines Arbeitnehmers i n gekündigter Stellung eine erlaubte Differenzierung 27 . Die Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgrundsatz bei Lohn und Gehalt folgt damit den typischen Fallgestaltungen wie sie sich auf dem Gebiet der sogenannten freiwilligen Sozialleistungen herausgebildet haben. Dies ist auch weiter nicht erstaunlich, denn die angeführten Beispiele zeigen nicht nur wie schwer eine exakte Grenzziehung zwischen beiden Bereichen fällt. Sie beweisen auch, daß der Arbeitgeber bei der Vergütung keineswegs nur austauscht und verhandelt, für den Gedanken der austeilenden Gerechtigkeit also kein Raum ist 2 8 , sondern i n nicht unerheblichem Umfang die Höhe der Vergütung einseitig gestaltet. Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheint daher auch hier als notwendiges Korrektiv gegenüber der Macht desjenigen, der Rechte oder Güter an die von ihm abhängigen Mitglieder einer Gruppe verteilt 2 9 .
24 Arbeitsgericht Bremen A P Nr. 1 zu § 1 T V G Auslegung m i t A n m e r k u n g von Nikisch. 25 B l . 580 R S . 2β B A G A P Nr. 33 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 27 B A G , a.a.O., Bl. 27 VS. 28 Siehe die i n § 7 Fußn. 2 Genannten. 29 Raiser , Z H R 11, S. 75, 80.
4 Egger
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§ 8. Suspension des Arbeitsverhältnisses § 8 . Gleichbehandlung bei der Suspension des Arbeitsverhältnisses I . Das Suspensionsrecht als Gestaltungsrecht
Suspendierung ist die ohne Zustimmung des Arbeitnehmers einseitig durch den Arbeitgeber angeordnete vorübergehende Dienstenthebung unter Fortdauer des Arbeitsverhältnisses 1 . Die Suspendierung w i r k t rechtsgestaltend, w e i l sie die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung vorübergehend aufhebt 2 . Grundsätzlich ist die Aufhebung der Arbeitspflicht nur i m Einverständnis m i t dem betroffenen Arbeitnehmer möglich. Einen einseitigen Verzicht auf schuldrechtliche Ansprüche, hier den Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung, sieht unser Privatrechtssystem nicht vor. Ansprüche werden durch Erlaßvertrag aufgehoben 3 . I m Zusammenhang mit der Suspendierung von einem Verzicht auf die Dienstleistung 4 des suspendierten Arbeitnehmers zu sprechen, ist daher zumindest mißverständlich. Es würde auch mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Beschäftigung kollidieren 5 , der heute allgemein anerkannt ist 6 . Dennoch w i r d ein Recht des Arebitgebers zu einseitiger Suspendierung des Arbeitsverhältnisses i n Rechtsprechung und Lehre dann anerkannt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt 7 . Diese Voraussetzung ist ζ. B. dann gegeben, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund konkreter Tatsachen einer bestimmten Verfehlung verdächtigt und deshalb eine fristlose Entlassung i n Erwägung zieht 8 , vorher aber noch nähere Feststellungen treffen w i l l . Da die Suspension viel weniger weit geht als eine fristlose Entlassung, muß es sich nicht u m einen 1 Woltereck, Arbeitsrecht-Blattei, Arbeitsvertrag — Arbeitsverhältnis V I I , Suspendierung; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., §3811.1; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 385; Söllner, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 211. 2 Kaskel / Dersch, Arbeitsrecht, 5. Aufl., S. 202. 3 § 397 BGB. 4 R A G ARS 28, 328. s Vgl. Söllner, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 211. β Vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I , 3. Aufl., § 381.1 u n d 2, S. 514 m i t zahlreichen weiteren Nachweisen; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §461,111; Söllner, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 210, 211; Kaskel I Dersch, Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 32, S. 199; begründet w i r d die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers aus der Treuepflicht; das B A G zieht daneben die A r t . 1 u n d 2 G G heran; vgl. B A G A P Nr. 2 zu §611 B G B Beschäftigungspflicht m i t zust. A n m . v o n A. Hueck; ferner B G H N J W 64, 1918, 1920; B A G v o m 19. 8.1976 = N J W 77, S. 215. 7 Vgl. die i n Fußn. 6 Genannten. β L A G Düsseldorf D B 53, 616, 996; B G H N J W 64, 1918; Mohnen, R d A 57, 409 w i l l der Suspendierung grundsätzlichen Vorrang vor der Verdachtkündigung einräumen.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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wichtigen Grund handeln, der auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Als Suspendierungsgründe kommen ferner Zweifel an der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers oder das Vorhandensein einer ansteckenden Krankheit i n Betracht 9 . I n der Praxis w i r d zwar die Suspendierung häufig der endgültigen Lösung des Arbeitsverhältnisses vorausgehen. Die Tatsache allein aber, daß der Arbeitgeber aus irgendeinem Grunde gekündigt hat, befreit ihn noch nicht automatisch von der Pflicht, den Arbeitnehmer bis zum Auslaufen des Arbeitsverhältnisses weiter zu beschäftigen. Ein Recht zur Suspendierung w i r d man dem Arbeitgeber, der gekündigt hat, indessen dann zubilligen müssen, wenn i h m mit Rücksicht auf die baldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine weitere Beschäftigung aus Gründen des Betriebsfriedens, der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen oder aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist 1 0 . Über die Dienstleistungspflicht und den korrespondierenden Beschäftigungsanspruch hinaus hat die Suspendierung keine rechtsgestaltende Wirkung. Insbesondere läßt sie, vom Sonderfall der suspendierenden Aussperrung i m Arbeitskampf abgesehen, den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers unberührt. Zwar soll eine Ausnahme hiervon anzuerkennen sein, wenn der Arbeitnehmer durch sein eigenes Verschulden die Suspendierung notwendig gemacht hat, weil dann das Verlangen nach Lohnzahlung gegen Treu und Glauben verstoße 11 . Diese Auffassung benachteiligt jedoch den suspendierten Arbeitnehmer i n ungerechtfertigter Weise. Denn er muß sich während der Suspendierung zur Wiederaufnahme der Arbeit bereit halten. Eine anderweitige Arbeitsaufnahme ist i h m daher praktisch unmöglich. Sie würde i n vielen Fällen auch m i t der Treuepflicht kollidieren, die dem Arbeitnehmer verbietet, gleichzeitig für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein 12 . 9 Vgl. A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, S. 385, Fußn. 23. 10 Gumpert, B B 1961, S. 833. 11 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, 3. Aufl., §38113.; A . Hueck i n H u e c k / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §46 V I , S. 386; Mohnen, R d A 1957, S. 410, 1. Sp., verneint den Lohnanspruch generell, w e i l die Suspension i n die Sphäre des Arbeitnehmers f ä l l t ; vgl. auch L A G Düsseldorf D B 1953, S. 616 u. 996, wo der Lohnanspruch m i t der Begründung verneint w i r d , der suspendierte Arbeitnehmer dürfte nicht besser stehen als der gekündigte; Neumann-Duesberg, A n m . zu A P 50 Nr. 97, Ziff. 6 gibt dem Arbeitgeber den E i n w a n d der Arglist. 12 Isele, Das suspendierte Arbeitsverhältnis, Festschrift f ü r Molitor, S. 107 ff., S. 119; Gumpert, B B 1961, S. 834 r. Sp. unter I I I ; B G H N J W 1964, S. 1918 u. 1920 = A P Nr. 13 zu §626 B G B Verdacht strafbarer Handlung unter 2 u. 3 a; ebenso Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 66, 108, 109 m i t der Begründung, daß sich der Arbeitnehmer einer so weitgehenden Fremdbestimmung, die auch die Beseitigung der *
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§8. Suspension des Arbeitsverhältnisses I I . Suspendierung und Gleichbehandlung
Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung noch keinen Anlaß gehabt, sich m i t der Frage auseinanderzusetzen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz auch i m Bereich der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses seine W i r k u n g entfaltet. Dennoch sind auch hier Fallgestaltungen denkbar, die den Arbeitgeber vor die Frage stellen, ob die Suspendierung eines einzelnen m i t dem Gedanken der austeilenden Gerechtigkeit vereinbar ist. K o m m t die Suspendierung vor allem i n Fällen schwerwiegender Vertragsverletzungen durch den Arbeitnehmer i n Betracht, stellt sich die Frage nach der Gleichbehandlung, wenn sich eine Mehrheit von Arbeitnehmern in gleicher Weise vertragswidrig verhalten hat oder zumindest i n dem Verdacht steht. Das kann der Fall sein, wenn hinsichtlich einer strafbaren Handlung, zum Beispiel einer tätlichen Auseinandersetzung i m Betrieb oder der Unterschlagung eines Kassenfehlbetrages, mehrere Betriebsangehörige als gleich verdächtig angesehen werden müssen. Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß die Suspendierung eines einzelnen von mehreren Betroffenen i n derartigen Fällen persönlich diskriminierend wirken kann. Die Sachlage ist derjenigen bei der Kündigung aus wichtigem Grunde vergleichbar, wenn mehrere Arbeitnehmer den gleichen Kündigungsgrund verwirklicht haben 13 . Indessen können die Gründe, die dort aus dem Gesichtspunkt der Privatautonomie gegen eine Gleichbehandlung sprechen mögen, w e i l die Kündigung aus wichtigem Grunde ultima ratio zur Auflösung eines notleidend gewordenen Dauerschuldverhältnisses ist, hier keine Geltung beanspruchen. Denn die Suspendierung läßt das Arbeitsverhältnis bestehen. Darüber hinaus bedeutet die Anerkennung eines Suspensionsrechts eine Erweiterung der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers gegenüber dem i n § 305 BGB verankerten Vertragsprinzip, die von Rechtsprechung und Lehre ohnehin nur für eng zu begrenzende Ausnahmefälle entwickelt wurde. Der Einschränkung dieser privatautonomen Gestaltungsfreiheit durch das Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes stehen daher auch aus diesem Grund nicht gleichgewichtige Bedenken entgegen, wie das bei dem gesetzlich normierten Gestaltungsrecht der Kündigung der Fall sein mag. Die Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von den freiwilligen Sozialleistungen auf den Bereich des Arbeitsentgelts erfolgte gleichsam i m Wege der Analogie 1 4 , weil vom Standpunkt der austeilenden Gerechtigkeit zwischen Gratifikationen oder Ruhegeldern einerseits Lohnzahlungspflicht umfassen würde, bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht u n t e r w i r f t . 13 Dazu unten § 10 I I I . 14 Vgl. Hilger, R d A 75, 32, 33; Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 100.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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und Teuerungszulagen oder Ergebnisbeteiligungen andererseits kein relevanter Unterschied besteht. Abweichend von den dort von der Rechtsprechung entwickelten typischen Fallgestaltungen der Gleichbehandlung geht es bei der Ausübung des Suspensionsrechts nicht u m die gleichberechtigte Teilnahme an einem Verteilungsvorgang i m engeren Sinne. Trotzdem ist auch dies ein Problem der austeilenden Gerechtigkeit, ob der Arbeitgeber wegen des Fehlbestandes i n einer Kasse, für die mehrere Verkäufer verantwortlich sind, nur einem von ihnen die Weiterarbeit untersagt oder allen. Zwar kann man hier i n der Suspendierung eines einzelnen nicht ohne weiteres die Herausnahme aus einer allgemeinen Ordnung 1 5 sehen, wie beispielsweise beim Ausschluß von einer Gratifikationsregelung. Aber die tatsächliche gleichmäßige Betroffenheit schafft von sich aus die Vergleichstatbestände und bewirkt, daß die Maßnahme des Arbeitgebers nicht allein i m Verhältnis zu dem betroffenen Arbeitnehmer auf ihre Berechtigung zu überprüfen ist 1 6 . Schließlich befindet sich der Arbeitgeber auch bei der Ausübung des Suspensionsrechts i n jener Machtposition gegenüber den von i h m abhängigen Arbeitnehmern, die als eigentlicher Grund dafür erkannt wurde, daß die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers i m Arbeitsverhältnis durch den Gleichbehandlungsgrundsatz eingeschränkt ist 1 7 . Auch wenn die Suspendierung nicht unmittelbar m i t einem wirtschaftlichen Nachteil verbunden ist, w e i l der Vergütungsanspruch bestehen bleibt, enthält sie vor allem i m Hinblick auf den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ein starkes Element der persönlichen Diskriminierung 1 8 , die einen willkürlichen Gebrauch des Suspensionsrechts durch den Arbeitgeber verbietet. Nicht zuletzt hieße es auch die Einstellung der Arbeitnehmer zu ihrer Arbeit verkennen, wenn man unterstellte, daß sie ausschließlich i n finanzieller Hinsicht nach Gleichbehandlung strebten. § 9. Gleichbehandlung i m Bereich des Direktionsrechts I. Das Weisungsrecht als Gestaltungsrecht
1. Begriff
und Inhalt des Direktionsrechts
Unter dem Direktionsrecht des Arbeitgebers w i r d das Recht oder die Befugnis des Arbeitgebers verstanden, die i m Arbeitsverhältnis nur nach dem fachlichen Typus oder nach Gattungsmerkmalen allgemein 15
Wiedemann , S. 101. ιβ Vgl. oben § 3 I I . 17 Vgl. oben § 2 I V . 18 Ohne daß deshalb das Gleichbehandlungsgebot aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herzuleiten wäre. So aber Schwerdtner, Fürsorgetheorie u n d Entgelttheorie, S. 98 f.
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§9. Direktionsrecht
umschriebene Arbeitspflicht des Arbeitnehmers nach § 611 Abs. 1 BGB näher zu bestimmen 1 . Inhaltlich umgreift es insbesondere die Bestimmung der Arbeitsleistung nach Ort, Zeit und A r t und Weise 2 . Auch die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, die der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers vornimmt, w i r d als Handlung kraft Direktionsrecht angesehen3. Als Ausübung des Direktionsrechts gelten ferner die Weisungen, die der Arbeitgeber erteilt, um das Wohl von Leib und Leben seiner Arbeitnehmer zu gewährleisten, indem er sie vor den m i t der Arbeit verbundenen Gefahren, vor allem Gesundheitsschäden, schützt 4 . Maßnahmen innerhalb des Direktionsrechts sind auch Anweisungen des Arbeitgebers, die der Sicherheit und Ordnung des Betriebes dienen 5 . Von der herrschenden Auffassung w i r d darüber hinaus die einseitige Urlaubserteilung durch den Arbeitgeber dem Direktionsrecht zugeordnet 6 . 2. Rechtliche Begründung
des Direktionsrechts
Die rechtliche Begründung für das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist umstritten. Uberholt ist seine Herleitung aus dem Eigentum an den Produktionsmitteln 7 , zumal viele Unternehmer nur m i t gemieteten oder gepachteten Anlagen arbeiten und die Trennung von Eigentümer- und Unternehmerfunktion für die meisten Großunternehmen charakteristisch ist. Dabei w i r d nicht verkannt, daß auf dem Gebiet der Verhaltensregelungen für die betrieblichen Räume Überschneidungen von arbeitsrechtlicher Weisungsbefugnis und Hausrecht denkbar sind 8 . Einer verbreiteten Auffassung nach läßt sich die Begründung für das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus dem Wesen des Arbeitsverhältnisses selbst ableiten, dessen entscheidendes Merkmal das Über- und Unterordnungsverhältnis der Beteiligten darstelle 9 . Aus der selbstver1 Vgl. namentlich Bobrowski / Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, 5. Aufl., D U 4; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 111; Galperin, DB 52, S. 186; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §25 V I , S. 158, §33 I I I - V I , S . 2 0 0 1 ; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., §25 I V I u n d 2, S. 255, 256; Molitor, R d A 1959, S . 2 f f . 2 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., §25 V I , S. 158; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., § 25 I V , S. 225 f.; Galperin, D B 52, S. 186. 3 Hueck / Nipperdey, §33111, S.201; Nikisch, §25 I V 4, S. 258. 4 Hueck! Nipperdey, §48112, S. 395; Soergel / Wlotzke / Volze, 10. Aufl., Rdnr. 14 zu § 618 BGB. s A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., § 25 I V , S. 159; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., § 25, S. 256. β Hueck / Nipperdey, § 49 V I 1, S. 447 f.; Galperin / Siebert, Betriebsverfassungsgesetz, 4. Aufl., A n m . 110 zu § 1 ; Dersch / Neumann, K o m m , zum B U r l G , 4. Aufl., A n m . 7 zu § 17; B A G A P Nr. 84 zu § 611 B G B ; von der Laden, Die Bestimmung der Urlaubszeit nach dem Bundesurlaubsgesetz u n d dem Betriebsverfassungsgesetz, S. 15; a. M. Zöllner, D B 1957, S. 508 unter I. 7 Vgl. Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, 2. Aufl., S. 147. 8 Vgl. dazu Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 25 f.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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ständlichen Aufgabe des Betriebsinhabers, den Betrieb zu leiten und zu organisieren, ergebe sich das Hecht zu Weisungen als immanenter Inhalt der Rechtsstellung des Arbeitgebers i m Betrieb 1 0 . Soweit darin anklingt, daß sich das Direktionsrecht aus der Notwendigkeit der Organisation ergibt, hat Böttner zu Recht darauf hingewiesen, daß die Organisationsgewalt umgekehrt das Direktionsrecht des Arbeitgebers voraussetzt und ohne Direktionsrecht für den Arbeitgeber nur die Möglichkeit besteht, Handlungen eines Arbeitnehmers einzuplanen, nicht aber das Recht, sie entsprechend einzusetzen 11 . Der Schluß von der Notwendigkeit einer Leitung auf das Vorhandensein eines Direktionsrechts ist unzulässig 12 . Ebensowenig kann der Rückgriff auf die Wirtschaftsverfassung, deren arbeitsteilige Kooperation das Betriebsleitungsrecht des privaten Unternehmers voraussetze, eine positivrechtliche Begründung für das Weisungsrecht des Arbeitgebers bilden 1 3 . Formal lassen sich allenfalls bestimmte Prinzipien feststellen, die unsere Wirtschaftsverfassung charakterisieren, ohne daß aus ihnen konkrete Normen, wie das Weisungsrecht des Arbeitgebers, abzuleiten wären. Inhaltlich setzt das Verständnis der Wirtschaftsverfassung die Leitungsmacht des Arbeitgebers bereits voraus 14 . Ist m i t dem Wesen des Arbeitsverhältnisses das persönliche Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber gemeint, handelt es sich nur um den Austausch von Etiketten für ein und dieselbe Sache, denn die Abhängigkeit des Arbeitnehmers besteht gerade darin, daß er den Weisungen des Arbeitgebers i n bezug auf die Arbeit Folge zu leisten hat 1 5 . Das Direktionsrecht des Arbeitgebers hat i n verschiedenen Bestimmungen gesetzlichen Ausdruck gefunden 16 . Dennoch ist es verfehlt, ein Direktionsrecht kraft Gesetzes aufgrund dieser Bestimmungen anzunehmen, w e i l sich das i n ihnen normierte Weisungsrecht mangels inhaltlicher Bestimmtheit nur auf die bereits durch den Arbeitsvertrag her9 Söllner, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 214; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §25 V I , S. 158; Kaskel / Dersch, Arbeitsrecht, 5. Aufl., S. 26; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., § 25 I V , 1. S. 255; Β ob row ski / Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, 5. Aufl., D I I 4, S. 119. 10 Fabricius, Leistungsstörungen i m Arbeitsverhältnis, S. 12, 26; Galperin, D B 1952, 186; Molitor, R d A 1959, S . 2 f . ; RAG, ARS 8, 505 u. 14, 236; L A G Kiel, A P 50 Nr. 62. 11 Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 65. 12 Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 37. 13 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 22. 14 Birk, Leitungsmacht, S. 44. Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 68. Böker, Das W e i sungsrecht des Arbeitgebers, S. 21; vgl. auch Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 192. 16 § 121 Gewerbeordnung, § 29 Seemannsgesetz, § 23 Bundesschiffahrtsgesetz.
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§9. Direktionsrecht
gestellten Rechtswirkungen beziehen und deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung haben kann 1 7 . Wohl die überwiegende Meinung i n Literatur und Rechtsprechung leitet das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag ab 1 8 . Zwar pflegt i n den Arbeitsverträgen selten ausdrücklich ein Weisungsrecht des Arbeitgebers fixiert zu werden. Da es aber nicht nur zum juristischen Begriff des Arbeitsverhältnisses, sondern auch zum Arbeitsverhältnis als typischer Lebensbeziehung gehört, ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers als stillschweigend vom Vertragswillen umfaßt anzusehen 19 . Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, daß es Arbeitsverhältnisse ohne vertragliche Grundlage gibt 2 0 wie die sogenannten faktischen Arbeitsverhältnisse oder die gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnisse nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SchwbG und nach § 10 Arbeitssicherstellungsgesetz, denn es handelt sich um Ausnahmefälle. 3. Dogmatische Einordnung
des Direktionsrechts
Die Auffassungen vom Vertrag oder dem Gesetz als Grundlage des Direktionsrechts berühren sich dort, wo in § 315 BGB der dogmatische Ansatzpunkt für die Einordnung des Direktionsrechts ins Zivilrechtssystem gesehen w i r d 2 1 . Die Funktion des Direktionsrechts, die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers näher zu bestimmen, legt nahe, es als Recht zur Inhaltsbestimmung zu verstehen und unter § 315 BGB zu subsumieren. Das würde bedeuten, das Direktionsrecht des Arbeitgebers als Gestaltungsrecht zu begreifen und die Weisungen des Arbeitgebers als Ausübung dieses Gestaltungsrechts durch Rechtsgeschäft 22 . 17
Böttner, Direktionsrecht, S. 72; Böker, Weisungsrecht, S. 41; Bötticher, A u R 1967, 322; Maurer, A u R 1956, 139; Landmann ! Rohmer, K o m m , zur GewO, §121 Rdnr. 5; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 44 f., 47; a. M. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 54, 55. 18 Biedenkopf, Grenzen der Tarif autonomie, S. 7; Fauth, BIStSozArbR 1961, 297; Frey, D B 1964, 298; Galperin, Die Stellung des Arbeitgebers i n der Betriebsverfassung, S. 61 ; Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 23, 34, 143; Maurer, A u R 1956, 139; Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 32 A n m . 2; G. Schnorr, JuS 1963, 300; Schwarz, R d A 68, 248. 19 Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 101 ; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 46 oben; a. M. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 76, der die Grundlage i m ungeschriebenen Recht findet. 20 So aber Birk, S. 67. 21 Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, T e ü l , S. 9 ff., der allerdings zwischen dem Bestimmungsrecht, das dem Austauschverhältnis seinen konkreten I n h a l t gibt, u n d dem Direktionsrecht, das die Ausführung der A r b e i t u n d das Verhalten des Arbeitnehmers eventuell m i t Disziplinarm i t t e l n regelt, unterscheidet; Kress, Schuldrecht (1929), S. 205 ff.; Molitor, ZfA 1924, S. 328, 329; RAG ARS 14, 233 (236); aus neuerer Zeit: Adomeit, Rechtsquellenfragen i m Arbeitsrecht, S. 100, 101; Galperin, D B 1952, S. 186; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 41 f. 22 So schon Seckel, Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, i n Festgabe f ü r Koch, S. 207, Fußn. 2; ferner Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 6;
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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Diese Auffassung war schon in der Vergangenheit umstritten. Die extreme Gegenposition wurde durch die These markiert, daß die Ausübung des Direktionsrechts keine Rechtsgestaltung durch Rechtsgeschäft, sondern reine „Faktizität" sei 23 . Dem ist entgegenzuhalten, daß die A u f fassung des Direktionsrechts als Gestaltungsrecht nicht dazu zwingt, jedes noch so unbedeutende Kommando des Arbeitgebers, m i t dem er den Arbeitseinsatz lenkt, als Gestaltung einer inhaltlich noch unbestimmten Leistungspflicht zu begreifen. Jenseits einer nur i m Einzelfall zu bestimmenden Grenze liegt eben keine unbestimmte Leistung mehr vor, und die Ausführungsbefehle des Arbeitgebers stehen den M i t w i r kungshandlungen des Gläubigers näher als der Ausübung eines Gestaltungsrechts durch Rechtsgeschäft 24 . Sie lenken das faktische Arbeiten und fallen daher bereits i n das Stadium der Erfüllung der Arbeitspflicht. Der Einwand, daß ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers nur dann vorliege, wenn die von der Ausübung des Gestaltungsrechts ausgehende Rechtswirkung den Bestand des Arbeitsverhältnisses als Ganzes berühre 2 5 , gründet sich auf eine zu enge Definition des Gestaltungsrechts. Denn auch die Befugnis, den Inhalt eines Rechtsverhältnisses oder einer Rechtspflicht zu bestimmen oder zu ändern, ist ein Gestaltungsrecht 26 . Es spricht auch nicht gegen die Annahme eines Gestaltungsrechts, daß das Direktionsrecht wiederholte Weisungen des Arbeitgebers trägt und sich nicht durch einmalige Ausübung verbraucht 27 . Der Grundsatz, daß die Ausübung des Direktionsrechts unwiderruflich ist 2 8 , orientiert ders., A u R 1967, S. 325 f.; Boewer, D B 1970, S. 636 f.; Bydlinski, Z f A 1970, S. 281; Canaris i n A n m . zu B A G A P Nr. 23 zu §611 B G B Direktionsrecht; Mayer-Maly, R d A 1965, S. 361 f.; Molitor, R d A 1959, S.3; ders., D B 1960, 28; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 30 f.; Zöllner, R d A 1969, S. 67; B A G A P Nr. 8 zu § 611 B G B Direktionsrecht. 23 Frey, D B 1964, S. 298 i m Anschluß an Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht u n d das Gestaltungsklagerecht, S. 52; Frey, Der G r u n d satz der Gleichbehandlung i m Arbeitsrecht (1954), S. 41; ähnlich Wlotzke, R d A 1965, S. 187, f ü r den es sich u m ein „typisches Befehlsrecht" handelt. Er verneint die Subsumtion des Direktionsrechts unter § 315 B G B m i t der Begründung, daß auch f ü r inhaltsbestimmende „ausfüllende" Gestaltungsrechte das Konsumtionsprinzip gelte, folglich der Arbeitgeber eine einmal erteilte Weisung nicht widerrufen bzw. durch eine andere ersetzen könne; Schwarz, R d A 1968, S. 248, Fußn. 70. 24 Vgl. Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 25 f. 25 Frey, D B 1964, S. 298. 26 Seckel, Festgabe f ü r Koch, S.208; v.Tuhr, A l l g . Teil, §7111.2, S. 163; Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 2; Larenz, Allg. Teil, §191.7, S. 233; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 42 f.; Boewer, D B 1970, S. 636. 27 Wlotzke, R d A 1965, S. 187; ders., B A r b B l 1964, 447; ebenso Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 13. 28 Seckel, Festgabe f ü r Koch, S. 229, 236, Fußn. 1; Fenkart, Gestaltungsrechte, S. 99; Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 91;
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sich einseitig an den gesetzlichen Ausprägungen des Gestaltungsrechts 29 . Wie eine Rechtswirkung vertraglich m i t W i r k u n g ex nunc wieder aufgehoben werden kann, ist es auch möglich, einem Gestaltungsberechtigten eine entsprechende Befugnis einzuräumen 30 . Neuerdings wendet Birk gegen eine Subsumtion des Direktionsrechts unter §315 BGB ein, daß eine Bestimmbarkeit der Leistung beim Arbeitsvertrag als einem Dauerschuldverhältnis gar nicht gegeben sei. Arbeit schlechthin könne und wolle der Arbeitgeber nicht fordern. Die einzelnen Leistungspflichten, die ihrerseits eine etwaige allgemeine Leistungspflicht konkretisierten, seien i n weiten Bereichen des Arbeitsrechts ebenfalls nicht bestimmbar 3 1 . Dabei w i r d jedoch verkannt, daß der Arbeitsvertrag, wie sich aus §611 Abs. 1 BGB i n Verbindung m i t § 194 Abs. 1 BGB ergibt, bereits den Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung und damit bereits die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers schafft 32 . Zapf 3 w i l l unter Hinweis auf die Materialien zum BGB die Einordnung unter § 315 BGB deshalb nicht gelten lassen, w e i l nach § 315 BGB gemäß der objektiven Sachlage nur eine Entscheidung billigem Ermessen entspreche und eine eigenständige Gestaltung des Anspruchs durch den Arbeitgeber damit nicht gegeben wäre. Der Arbeitgeber könne aber vom Arbeitnehmer verschiedene Handlungen verlangen, über deren Sinn und Zweck er allein entscheide, und für die eine Kontrolle nach rein objektiven Kriterien nicht bestehe 34 . Das Bundesarbeitsgericht 3® und die herrschende Meinung i n der Literatur 3 6 teilen dieses Larenz, A l l g . Teil, §181., S. 214, ders. Schuldrecht B d . I , § 8 1 . a, S. 84; Molitor, R d A 1959, S. 7; ders. Festschrift f ü r Nipperdey, S. 89. 2» z. B. §§ 315, 316 B G B , §§ 325, 326 B G B , § 262 B G B , §§ 462, 634 Abs. 1 Satz 3 BGB. 30 Bötticher, Gestaltungsrecht u n d Unterwerfung i m Privatrecht, S. 6 f.; Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 59, 60; der v o n Bötticher geprägte Begriff „Muttergestaltungsrecht" für das Recht zu mehrfacher Gestaltung ist allerdings auf K r i t i k gestoßen; vgl. Herrschel, A u R 1965, S. 54; Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 89; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 29 f. 31 Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 89. 32 Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 15, 16, Fußn. 1, gegen Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, nach dessen A u f fassung der Inhaber des Anspruchs durch seine Anordnung erst die j e weiligen Verhaltenspflichten des Schuldners begründet. Diese Meinung k l i n g t auch bei Birk, S. 90, an, w e n n er davon spricht, daß unter dem Begriff der Leitungsmacht abbreviativ die verschiedenen Befugnisse des A r b e i t gebers zur Verhaltenslenkung der Arbeitnehmer zusammengefaßt seien. 33 Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers. 34 Zapf, S. 28 f. 35 B A G A P Nr. 83, 85, 94 zu § 611 B G B Urlaubsrecht. 36 Larenz, Schuldrecht B d . I , 11. Aufl., § 6 I I a , S. 65 u n d 66; Kress, L e h r buch des A l l g . Schuldrechts, §11111, S. 206; Enneccerus / Nipperdey, Allg. T e i l 1. Halbband, S. 309; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 126 ff.
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Verständnis von § 315 BGB nicht. Sie gehen davon aus, daß die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen i m Rahmen eines Ermessensspielraums die Wahl zwischen mehreren möglichen bis zur äußersten Grenze des billigen Ermessens gehenden Entscheidungen erlaubt und sehen sich deshalb nicht gehindert, das Direktionsrecht als Recht zur Inhaltsbestimmung i m Sinne des § 315 BGB zu begreifen. Aber auch wenn man m i t Zapf i n der Verpflichtung des Arbeitnehmers, die versprochenen Dienste zu leisten, eine Wahlschuld nach § 262 BGB sieht 3 7 , ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein Gestaltungsrecht. Denn nach herrschender Meinung ist das Recht des Gläubigers einer Wahlschuld, von mehreren geschuldeten Leistungen die eine oder die andere zu fordern, ein Gestaltungsrecht 38 . 4. Der Einfluß der Mitbestimmung
auf das Direktionsrecht
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zielt auf eine Einschränkung der einseitigen Betriebsgestaltung durch den Arbeitgeber 3 9 . Die betriebliche Mitbestimmung ist jedoch nach Gegenstand und Form recht unterschiedlich gestaltet 40 . Ebenso differenziert ist die Frage nach der Auswirkung der Mitbestimmung auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu beantworten. I m Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG, wo ein Weisungsrecht des Arbeitgebers vor allem bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer i m Betrieb (Nr. 1), bei der Lage der täglichen Arbeitszeit (Nr. 2) und bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs (Nr. 5) i n Betracht kommt, ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt. Zwar bleibt es formal gesehen unbeeinflußt. Denn die betriebliche Mitbestimmung stellt keine Beteiligung an der Ausübung des Direktionsrechts i m 37 Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 56: Aus der Vielzahl einzelner Leistungsgegenstände, nämlich der diversen Arbeitshandlungen, wähle der Arbeitgeber zunächst die, welche i h m für seine Zwecke erforderlich scheine, aus. Hierdurch werde der bis dahin nicht v ö l l i g bestimmte I n h a l t der Schuld konkretisiert u n d die Pflicht des Arbeitnehmers beschränke sich auf die gewählten u n d damit bestimmten Handlungen. Das Problem, daß sich die W a h l des Arbeitgebers nicht i n der einmaligen Anordnung erschöpft, w i l l Zapf dadurch lösen, daß der Arbeitgeber durch eine Ersetzungsbefugnis die einmal konkretisierte Leistungspflicht ex nunc durch eine andere ersetzt (S. 58 f.). 38 Enneccerus / Lehmann, Schuldrecht, 13. Aufl., §81., S. 34; Enneccerus / Nipperdey, Allg. T e i l 1. Halbbd., § 7 3 1 . 3 d ; Larenz, A l l g . Teil, 2. Aufl., §131.7, S. 234; Palandt, 35. Aufl., A n m . 1 zu §263 B G B ; a. A . Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 61 f. u n d Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 93 f., die — allerdings aus unterschiedlichen Gründen — von einer Befugnis sprechen. 30 Vgl. Dietz / Richardi, B e t r V G 5. Aufl., A n m . 64 zu § 87. 40 Vgl. einerseits § 87 BetrVG, andererseits §§ 99 f. BetrVG.
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§ 9. Direktionsrecht
Sinne eines Mitdirektionsrechts dar 4 1 . Inhaltlich w i r d jedoch der Regelungsbereich des Direktionsrechts, soweit § 87 BetrVG reicht, eingeschränkt, d. h. dem Direktionsrecht des Arbeitgebers w i r d die sachliche Grundlage entzogen, insofern die Beteiligung des Betriebsrates Voraussetzung für die Wirksamkeit einer getroffenen Regelung ist 4 2 . I n Betrieben, i n denen kein Betriebsrat besteht, ist der Arbeitgeber bei der Ausübung des Direktionsrechts durch § 87 BetrVG nicht beschränkt. I m Bereich der personellen Einzelmaßnahmen nach den §§ 99 ff. BetrVG kommen nur Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung als Gegenstand des Direktionsrechts in Frage 43 . Soweit der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrages diese Maßnahmen i m Rahmen seines Direktionsrechts einseitig treffen kann, bedeutet die Mitbestimmung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten eine sachliche Einschränkung des Weisungsrechts 44 . Sie sind jedoch bei fehlender Beteiligung des Betriebsrates nicht von vornherein unwirksam, sondern das Arbeitsgericht kann sie nachträglich für unwirksam erklären 4 5 . I I . Gleichbehandlung bei der Ausübung des Direktionsrechts
Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist i m Bereich des Direktionsrechts i m Prinzip unbestritten 4 6 . Da die Qualifizierung des Direktionsrechts als Gestaltungsrecht aber auf K r i t i k stößt, ist die Vereinbarkeit von Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz für das Direktionsrecht anhand seiner verschiedenen Ausprägungen zu untersuchen. Dietz, R d A 1952, S. 42; Dietz / Richardi, BetrVG, 5. Aufl., A n m . 8 zu §77; Erdmann / J Urging / Kamann, K o m m , zum BetrVG, A n m . 36 zu § 77; Fitting / Auffahrt / Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., A n m . 4 zu § 77; Fitting / Kraegeloh / Auffahrt, BetrVG, 9. Aufl., A n m . 4 zu § 52; Galperin / Siebert, BetrVG, 4. Aufl., A n m . 4 zu §52; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I I I , 2. Aufl., S. 294; Nipperdey / Säcker i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., S. 1319. 42 So die h. M . ; vgl. Brecht, BetrVG, A n m . 7 zu §87; Fitting ! Auffahrt ! Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., A n m . 3 u n d 6 zu §87; Galperin / Siebert, BetrVG, 4. Aufl., A n m . 53 f. vor §56; Wiese, G K - B e t r V G , A n m . 33 f. zu §87 B e t r V G ; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I I I , 2. Aufl., S. 364; Nipperdey / Säcker i n H u e c k / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., S. 1389 ff.; a. M. Dietz, BetrVG, 4. Aufl., A n m . 41 f. zu §56; Dietz I Richardi, BetrVG, 5. Aufl., A n m . 34 f. 43 Wobei Eingruppierung u n d Umgruppierung i m tariflichen Bereich oder bei einer betrieblichen Lohnordnung nicht als Gestaltung k r a f t Gestaltungsrecht begriffen werden können; vgl. dazu oben §71. 44 Vgl. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 115, 116. 45 § 100 Abs. 3 BetrVG. 4β Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., § 48 a V I , S. 430, sprechen von einem besonders wichtigen Anwendungsgebiet des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
2. Kap.: Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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1. Weisungen zum Gefahrenschutz und zur Ordnung des Betriebes Arbeitgeberweisungen zum Gefahrenschutz und zur Ordnung des Betriebes werden allgemein dem Direktionsrecht des Arbeitgebers zugerechnet 47 . Hier haben Rechtsprechung und Literatur die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf das Direktionsrecht bejaht, indem sie ζ. B. Rauchverbote und Torkontrollen dem Gleichbehandlungsgebot unterstellten 4 8 . Hinsichtlich der Torkontrolle ist für die Problematik Gleichbehandlung und Gestaltungsrecht daraus nichts zu gewinnen. Es ist zweifelhaft geworden, ob die Einführung von Eingangs- und Torkontrollen aufgrund des Direktionsrechts oder nur nach individualbzw. kollektivrechtlichen Vereinbarungen zulässig ist. Soweit man überhaupt eine einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber für zulässig hält, gründet sie sich wohl eher auf das Eigentums- und Hausrecht des Arbeitgebers 49 . Anders verhält es sich m i t dem Rauchverbot. Für die Weisungen zum Gefahrenschutz w i r d die Auffassung vertreten, daß der Arbeitgeber durch seine Weisung gleichzeitig seine eigene Fürsorgepflicht rechtsgestaltend konkret bestimmen würde 5 0 . Die Gegenmeinung geht davon aus, daß die dem Schutz des Arbeitnehmers dienende Weisung bereits Erfüllung der den Arbeitgeber treffenden Verpflichtung sei 51 . A u f eine Entscheidung dieser Frage i m einen oder anderen Sinn kommt es i m Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht an. Festzuhalten ist lediglich, daß dieser von Rechtsprechung und Literatur anerkannte Gleichbehandlungsfall sich als Ausübung eines Gestaltungsrechts verstehen läßt. 2. Bestimmung
von Lage und Dauer der Arbeitszeit
I n aller Regel w i r d i m Arbeitsvertrag bezüglich des Zeitpunkts, zu dem die Arbeit zu erbringen ist, anders als für den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme keine ausdrückliche Regelung getroffen. Dann ist die betriebsübliche Arbeitszeit konkludent vereinbart, falls nicht aufgrund § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch Betriebsvereinbarung m i t normativer 47 s. o. § 91.1. 48 L A G Mannheim A P Nr. 1 zu § 242 B G B Gleichbehandlung m i t zust. Anm. von A. Hueck; Görner, R d A 1962, S. 218, 219; Frey D B 1964, S. 298, 300; Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 99; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 71 u. 248. 49 Birk, Leitungsmacht, S. 115, 116. 50 Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, S. 14 f.; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung i m Arbeitsverhältnis, S. 100; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., § 48 I. 3, S. 393. 51 Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 131; allgemein gegen die Annahme eines Gestaltungsrechts für Arbeitgeberbefehle, die die A r beitsbedingungen nicht ändern, sondern die Arbeitsleistung i n Gang setzen, Bötticher, A u R 1967, S. 321, 325.
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§ 9. Direktionsrecht
Wirkung für das einzelne Arbeitsverhältnis eine generelle Regelung getroffen ist. Wo eine solche normative Regelung nicht besteht oder trotzdem i m Einzelfall eine abweichende Zeiteinteilung notwendig wird, bestimmt der Arbeitgeber — gegebenenfalls unter Beteiligung des Betriebsrates — die Lage der täglichen Arbeitszeit und der Ruhepausen 52 , von Mehrarbeit und Sonntagsarbeit 53 . Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Anordnungen des Arbeitgebers bezüglich der Lage der Arbeitszeit Folge zu leisten, läßt sich aus der vertraglichen Einräumung eines entsprechenden Gestaltungsrechts für den Arbeitgeber begreifen 54 , denn die insoweit noch unbestimmte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers w i r d durch rechtsgeschäftliche Erklärung des Arbeitgebers konkretisiert oder inhaltlich geändert. Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß für die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers § 271 Abs. 1 BGB gilt. Denn die Vorstellung, daß der Arbeitnehmer theoretisch zeitlich unbeschränkt zur Arbeitsleistung verpflichtet sein soll 5 5 , steht m i t der sozialen Wirklichkeit so wenig i n Einklang, daß die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung der tariflichen oder betriebsüblichen Arbeitszeit 5 6 nicht als bloße Fiktion bezeichnet werden kann 5 7 . Die Dauer der tariflichen oder einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeit unterliegt, allerdings i n engen Grenzen, einseitigen Veränderungen durch den Arbeitgeber, die als Ausübung eines inhaltsbestimmenden oder inhaltsändernden Gestaltungsrechts aufgefaßt werden müssen. So unterwirft sich der Arbeitnehmer nicht selten i m Arbeitsvertrag i n beschränktem Umfang der Anordnung von Uberstunden durch den Arbeitgeber, wobei beide Parteien davon ausgehen, daß eine gewisse Anzahl von Überstunden durch die vereinbarte übertarifliche Bezahlung 52 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 77 f.; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 288; Staudinger / Nipeprdey / Neumann, A n m . 124 zu §611 BGB, B A G A P Nr. 10 zu §615 BGB, Bl. 619 RS; andererseits scheidet eine Bestimmung durch den Arbeitgeber aus, w e n n durch Arbeitsvertrag die Arbeitstage u n d die Arbeitszeit an den einzelnen Arbeitstagen festgelegt ist; vgl. B A G A P Nr. 5 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG. 53 i m Rahmen der Arbeitszeitordnung. 54 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 77, 78. 55 So aber Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 79 f., der die zeitlich unbeschränkte Verpflichtung des Arbeitnehmers dadurch einschränkt, daß der Arbeitgeber aus § 242 B G B u n d den Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer zur Freistellung von der A r b e i t verpflichtet ist. I m Ergebnis ändert sich dadurch nicht viel. Während Zapf die Weisung des Arbeitgebers, zu einer bestimmten Zeit zu arbeiten, als eine tatsächliche Äußerung auffaßt, die n u r wiederholt, was bereits aus den §§ 611 Abs. 1, 271 Abs. 1 B G B folgt, begreift er umgekehrt die Freistellung als rechtsgeschäftliche Willenserklärung. 56 Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., §33 I V . 2, S. 208; Staudinger / Nipperdey / Neumann, BGB, A n m . 126 zu § 611. 57 So aber Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., § 27 I I I 1., S. 288.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
abgegolten ist. Eine Verlängerung der Arbeitszeit kraft Weisungsrecht des Arbeitgebers bewirkt auch die Anordnung von Vor- und Abschlußarbeiten (§ 5 Abs. 1 und 2 AZO) und von Notstandsarbeiten (§14 AZO) 5 8 . Ein generelles Recht des Arbeitgebers, die regelmäßige Arbeitszeit durch Anordnung von Uberstunden zu verlängern 5 9 , kann ebensowenig anerkannt werden wie eine Befugnis zu einseitiger Verkürzung der Arbeitszeit 6 0 . Die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit sowie ihre Verkürzung und Verlängerung ist dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen. Bei der Zuweisung von Uberstunden, Vor- und Abschlußarbeiten, von Nachtarbeit und Sonntagsarbeit etc. ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur gleichmäßigen Berücksichtigung von Arbeitnehmern i n gleicher Stellung verpflichtet 61 . Dabei spielt es keine Rolle, ob derartige Arbeit als Belastung empfunden w i r d oder wegen eines Mehrverdienstes besonders begehrt ist, die Benachteiligung also i n der Zuweisung oder i m Ausschluß von Mehrarbeit liegt. I n vielen Fällen w i r d die Einführung eines Turnus oder eines Schemas erforderlich und ausreichend sein, u m eine gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer zu gewährleisten 62 . Eine Auswahl oder Einteilung nach formalen Kriterien darf allerdings die unterschiedliche Bereitschaft, durch zusätzliche Arbeit mehr zu verdienen, nicht außer acht lassen 63 . Für die Einführung von Kurzarbeit, soweit der Arbeitgeber dazu befugt ist 6 4 , gilt das Gleichbehandlungsgebot ebenfalls 65 . Die Frage der gleichmäßigen Behandlung stellt sich dann, wenn der Arbeitgeber für einzelne Abteilungen oder Gruppen von Arbeitnehmern Kurzarbeit anordnet. Eine sachlich begründete und damit zulässige Ungleichbehandlung liegt i n der Anordnung von Kurzarbeit für eine Betriebsabteilung, falls sie dadurch bedingt ist, daß der Absatz gerade ihrer 58 Staudinger / Nipperdey / Neumann, BGB, A n m . 127 zu §611; Soergel! Wlotzke / Volze, A n m . 47 zu §611 BGB. 59 Vgl. dazu Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 82, 83; Stahlhacke, GewO, A n m . 4 zu § 121. eo Bobrowski / Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, 5. Aufl., D I U , Rdnr. 49; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 70 f.; Maurer, A u R 1956, S. 142. ei Denecke i n A n m . zu A P 51 Nr. 17 und 172; Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., §49 VI., S.430; Schwarz, R d A 1968, S.248; Mayer-Maly, ARBlattei, Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I, G I I I 2; Frey, D B 1964, S. 299 r. Sp. 62 Schwarz, R d A 1968, S. 248 r. Sp.; Mayer-Maly, s. Fußn. 61. 63 Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 311. 64 I m Hinblick auf die damit verbundene Schmälerung des Einkommens ist dies, abgesehen v o m Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, n u r bei einem auf Tarifvertrag beruhenden Gestaltungsrecht der Fall. Vgl. dazu die Beispiele von Birk, Die arbeitsrechtliche L e i tungsmacht, S. 312 Fußnote 25. es Mayer-Maly, A R - B l a t t e i , Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I, Übersicht G I I I 2; Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 312, 313.
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§ 9. Direktionsrecht
Produkte stagniert. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Einführung von Kurzarbeit überhaupt unzulässig ist, weil sie durch entsprechende organisatorische Maßnahmen vermieden werden könnte. Auch hier jedoch geht es letztlich u m eine gleiche Behandlung i m Sinne einer gleichmäßigen Lastenverteilung 6 6 . 3. Bestimmung
der zeitlichen Lage des Urlaubs
Die Struktur des Urlaubsanspruchs ist i n Rechtsprechung und L i teratur umstritten. Überwiegend w i r d die Auffassung vertreten, daß der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung hat und die Erfüllung durch eine entsprechende Willenserklärung des Arbeitgebers bewirkt wird, der Arbeitnehmer brauche für eine bestimmte Zeit nicht zu arbeiten 67 . Die Urlaubsgewährung ist die Vornahme der Leistungshandlung, die der Arbeitgeber gemäß § 1 B U r l G schuldet. Nach der Gegenmeinung entspricht dies dem heutigen Rechtszustand eines gewohnheitsrechtlich anerkannten 68 und gesetzlich fixierten Urlaubs nicht mehr. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung sei von vornherein u m die einzel-, tarifvertraglich oder gesetzlich festgelegte Urlaubsdauer beschränkt. Der Arbeitgeber schulde keine Gewährung des Urlaubs i m Sinne eines Tuns oder Unterlassens 69 . Diese unterschiedlichen Auffassungen führen auch zu unterschiedlichen Konsequenzen bei der rechtlichen Einordnung der Urlaubszeitbestimmung durch den Arbeitgeber. Wenn es einer Freistellung durch den Arbeitgeber i m Sinne einer Urlaubsgewährung nicht bedarf, liegt es nahe, die Bestimmung der Urlaubszeit durch den Arbeitgeber als Inhalt des Urlaubsanspruchs anzusehen und die Festlegung des Urlaubs als Konkretisierung dieses noch unbestimmten Anspruchs entsprechend § 315 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 B U r l G 7 0 . Dabei spricht der Umstand, daß der Arbeitgeber zugleich zur Festlegung des Urlaubs berechtigt und es Vgl. zur ähnlichen Problematik bei der betriebsbedingten K ü n d i g u n g unten § 10 I I . 1 a. 67 Hueck / Nipperdey, Lehrbuch B d . I , 7. Aufl., §49, S.448 Fußnote 90; Nikisch, Arbeitsrecht B d . I , 3. Aufl., §3911.1., S.527; Sieg, R d A 1963, S. 124; Bold / Röhsler, B U r l G , § 1 A n m . 85; Dersch / Neumann, B U r l G , A n m . 10 zu § 1 ; vgl. auch B A G A P Nr. 83, 84 zu §611 B G B Urlaubsrecht. es Grundlegend B A G A P Nr. 6 zu §611 B G B Urlaubsrecht; vgl. auch Dersch / Neumann, B U r l G , A n m . 12 zu § 1 m i t weit. Nachw. 69 von der Laden, Die Bestimmung der Urlaubszeit nach dem Bundesurlaubsgesetz u n d dem Betriebsverfassungsgesetz, S. 13; Kunze / Fahrtmann, B B 1962, S. 1163, die daraus folgern, daß I n h a l t des Urlaubsanspruchs nur die Zahlung des Urlaubsentgelts sei; ähnlich Gaul / Boewer, Probleme des Urlaubsrechts, S. 24; Molitor, Festschrift für Nipperdey (1955), S. 92. 70 von der Laden, Die Bestimmung der Urlaubszeit, S. 15; eine Inhaltsbestimmung entsprechend § 315 B G B durch die Urlaubsfestsetzung nehmen
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
65
verpflichtet ist 7 1 , aus rechtsdogmatischer Sicht weder gegen die A n nahme eines Gestaltungsrechts noch gegen eine Subsumtion dieses Gestaltungsrechts unter § 315 BGB 7 2 . Sieht man i n der Festsetzung der Urlaubszeit durch den Arbeitgeber zugleich die Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch Freistellung von der Arbeit, ist es konsequenter von einem Wahlrecht des Arbeitgebers als Schuldner des Urlaubsanspruchs entsprechend § 262 BGB auszugehen 73 , als von einer Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes gemäß § 315 Abs. 1 BGB 7 4 , weil der Arbeitgeber aus der Vielzahl der möglichen Anfangstermine für die Erfüllung des fälligen Urlaubsanspruchs einen auswählt. Auch dann liegt nach herrschender Meinung ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers vor 7 5 . Der Arbeitgeber ist i n der Ausübung dieses Gestaltungsrechts durch § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG beschränkt, soweit ein Betriebsrat besteht. Danach hat der Betriebsrat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer mitzubestimmen, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. Obwohl der Urlaubsplan bestimmen kann, wann jeder Arbeitnehmer seinen Urlaub zu bekommen hat (Einzelurlaubsplan), bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht hierauf. Denn der Arbeitgeber ist bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 B U r l G an die Urlaubswünsche des einzelnen Arbeitnehmers gebunden, und der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nur dann mitzubestimmen, wenn zwischen den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt w i r d 7 6 . Bei der Festsetzung des Urlaubs der einzelnen Belegschaftsmitglieder ist der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden 77 . auch jene an, die neben einem Anspruch auf Urlaubsgewährung eine V e r pflichtung des Arbeitgebers zur Festlegung des Urlaubs anerkennen; vgl. Boldt / Röhsler, B U r l G , A n m . 1 zu § 7 ; Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., § 49 V I . 1., S. 448; Klein, B B 1960, S.251; Molitor, Festschrift f ü r Nipperdey (1955), S. 88; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 103 unter I I . ; Stahlhacke, B U r l G , A n m . 105 zu § 1. 71 Vgl. die i n Fußnote 70 Genannten. 72 Vgl. dazu von der Laden, Die Bestimmung der Urlaubszeit, S. 16 f.; a. M. Kunze / Fahrtmann, B B 1962, S. 1165; Sieg, R d A 1963, S. 125; Stahlhacke, B U r l G , A n m . 1 zu § 7 ; teilweise w i r d aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Festlegung der Urlaubszeit umgekehrt gefolgert, daß es sich nicht u m die Ausübung des Direktionsrechts handeln könne; Zöllner, D B 57, S. 508, 1. Sp.; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., §3911.4, S. 534 Fußnote 76. ™ Zapf, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 180 f. 74 B A G A P Nr. 84, 89 zu §611 B G B Urlaubsrecht; ferner: Dersch ί Neumann, B U r l G , A n m . 12 f. zu § 7; Gaul, N J W 1963, S. 1237; Kunze / Fahrtmann, B B 1962, S. 1164. 7 5 Larenz, Schuldrecht B d . I , 11. Aufl., §1111, S. 132. ™ Dietz / Richardi, BetrVG, 5. Aufl., A n m . 194 zu §87; Wiese, G K - B e t r V G , Anm. 101 zu § 87. 5 Egger
66
§ 9. Direktionsrecht
Die gleichmäßige Berücksichtigung der Urlaubswünsche der betroffenen Arbeitnehmer w i r d dabei vor allem eine gleichmäßige Zuteilung bevorzugter Urlaubszeiten beinhalten müssen. Soweit besondere Umstände, ζ. B. schulpflichtige Kinder oder ein berufstätiger Ehegatte, den Urlaubswunsch beeinflussen, darf dies nicht zu Lasten eines einzelnen Arbeitnehmers übergangen werden. Eine Grenze für die Gleichbehandlung bilden die i n § 7 Abs. 1 B U r l G genannten dringenden betrieblichen Belange. Der Gleichbehandlung unterliegt auch die Anrechnung der arbeitsfreien Samstage auf den Urlaub. I n jedem Urlaub gleicher Länge müssen gleich viele Samstage bzw. arbeitsfreie Werktage enthalten sein. Ein Arbeitnehmer könnte sonst durch Verlegung der Urlaubszeiten bei Gewährung von Teilurlaub eine Verlängerung der Gesamturlaubszeit gegenüber anderen Arbeitnehmern dadurch erreichen, daß er weniger arbeitsfreie Samstage i n den Teilurlaub legt und so Befreiung von einer größeren Zahl von Arbeitstagen als andere Arbeitnehmer m i t der gleichen Anzahl von Urlaubstagen erreicht 78 . Freilich enthalten häufig schon die Tarifverträge eine entsprechende Regelung, so daß diese Frage der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber entzogen ist 7 9 . 4. Versetzung
(Zuweisung
höherwertiger
Tätigkeit)
Das Direktionsrecht beinhaltet nach herrschender Meinung das Recht, Arbeitnehmer zu versetzen 80 unter der Voraussetzung, daß damit keine Lohnminderung verbunden ist und die Tätigkeit am neuen Arbeitsplatz sich i m Rahmen dessen hält, was der Arbeitnehmer nach seiner bisherigen Stellung zu übernehmen verpflichtet ist 8 1 . Der Spielraum für eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers kann, je nachdem wie konkret die Tätigkeit i m Arbeitsvertrag umrissen wurde, sehr verschieden sein. Naturgemäß bereitet die Zuweisung von höherwertigen Tätigkeiten dabei weniger Schwierigkeiten, w e i l die Arbeitnehmer m i t ihr i n aller Regel einverstanden sind 8 2 . Auch wenn dem Arbeitgeber 77 B A G A P Nr. 84, 94 zu § 611 B G B Urlaubsrecht. 78 Dersch / Neumann, B U r l G , 4. Aufl., A n m . 32 zu § 3 ; Boldt / Röhsler, B U r l G , 2. Aufl., Rdnr. 28 zu § 3 m i t weit. Nachw. 79 Eine Schranke bildet auch der i n § 7 Abs. 2 B U r l G verankerte G r u n d satz der Unteilbarkeit des Urlaubs. 80 I m Sinne v o n Arbeitsplatzwechsel u n d Beschäftigungswechsel, die i n der Praxis häufig schwer zu trennen sind; vgl. Neumann, A R - B l a t t e i , V e r setzung des Arbeitnehmers I, A I ; §95 Abs.3 BetrVG. 8 * A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., S. 201, 202; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., §2511.4., S. 258; Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 143; B A G , A P Nr. 2, 4, 19, 22, 24 zu §611 B G B Direktionsrecht. 82 Vgl. auch Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 394.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
67
nicht ausdrücklich durch Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag ein Recht dazu eingeräumt ist, w i r d man je nach den Umständen von einem i m Arbeitsvertrag antizipierten Einverständnis des Arbeitnehmers sprechen können. Da die entsprechende Weisung des Arbeitgebers, die höherwertige Tätigkeit auszuüben, die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers inhaltlich ändert, handelt es sich u m die Ausübung eines Gestaltungsrechts durch Rechtsgeschäft 83 . Bei der Vornahme von Versetzungen w i r d eine Gleichbehandlungspflicht für den Arbeitgeber bisher verneint 8 4 . Konstruktiv ist es aber durchaus möglich, an Versetzungen gleichgestellter Arbeitnehmer anzuknüpfen und unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot die eigene Versetzung zu fordern. Frey 8 5 begründet seine ablehnende Haltung damit, daß dann i m Falle eines Rechtsstreits nicht nur u m die Gleichheitsfakten persönlicher A r t , sondern auch u m die Absicht und Realisierbarkeit weiterer Versetzungen durch den Arbeitgeber gestritten werden müßte. Er zieht daraus die Folgerung, daß damit Gleichbehandlungsansprüchen der Boden entzogen ist. Geht es nur um die Realisierbarkeit, so ist dies bereits eine Frage der sachgerechten Differenzierung, denn der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nichts Unmögliches. Soweit es sich u m die Absicht, d. h. u m den Willen des Arbeitgebers handelt, Arbeitnehmer i n gleicher Lage ebenfalls zu versetzen bzw. zu befördern, steht jedenfalls nicht von vornherein fest, daß der privatautonome Wille des Arbeitgebers den Vorrang verdient. Dies zeigt auch ein Sachverhalt, über den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte 8 6 . Ein Angestellter i n der Finanzverwaltung, bislang als Prüfer für Klein- und Mittelbetriebe in Vergütungsgruppe I V a B A T eingesetzt, wurde für befristete Zeit zur Erprobung als Prüfer für Großbetriebe an eine entsprechende Dienststelle abgeordnet. Bei einer endgültigen Verwendung als Großbetriebsprüfer hätte er später i m Wege des Bewährungsaufstiegs i n die Vergütungsgruppe I I I aufsteigen können. Der Leiter der Dienststelle sah ihn als ungeeignet für diese höherwertige Tätigkeit an, so daß seine Abordnung nach Ablauf der Probezeit wieder beendet wurde. Der Angestellte erhob Klage m i t dem Antrag, das beklagte Land zu verurteilen, i h n als Großbetriebsprüfer zu beschäftigen. Er behauptete, er sei falsch beurteilt worden. Das beklagte Land als Dienstherr habe den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil er nicht wie alle anderen Angestellten, die zur Erprobung 83 a . M. Zapf y Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 194 f., der insoweit v o n einer Ersetzungsbefugnis k r a f t ergänzender gesetzlicher Vorschrift i n Rechtsanalogie zu §§249 Satz 2, 340 Abs. 1, 843 Abs. 3 B G B spricht. 84 Frey, B B 1963, S. 1139 (1141). 85 s. Fußn. 84. 86 B A G , A P Nr. 23 zu § 611 B G B Direktionsrecht. 5·
68
§ 9. Direktionsrecht
an die Großbetriebsprüfungsstelle abgeordnet wurden und sich dort bewährten, von dieser Dienststelle übernommen worden sei. Das Bundesarbeitsgericht unterstellte die Eignung des klagenden Angestellten als Großbetriebsprüfer. Gleichwohl wies es die Klage m i t der Begründung ab, daß es i n diesem Fall i n erster Linie gar nicht u m Gleichbehandlung, sondern um die Ausübung des Direktionsrechts gegangen sei. Dem Arbeitgeber stehe grundsätzlich das Weisungsrecht zu, innerhalb der Tätigkeiten einer Vergütungsgruppe den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers zu bestimmen. Der Arbeitnehmer habe selbst nach erfolgreicher Probezeit keinen Anspruch darauf, innerhalb der Fallgruppen einer Vergütungsgruppe m i t Tätigkeiten betraut zu w e r den, die nach entsprechender Bewährung den späteren Aufstieg i n eine höhere Vergütungsgruppe ermöglichten. Die vom Kläger behauptete Bevorzugung der Beamten gegenüber den Angestellten bei der Besetzung der Großbetriebsprüfungsstelle sei keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Daraus könnte man folgern, daß das Bundesarbeitsgericht eine Gleichbehandlungspflicht bei der Ausübung des Direktionsrechts ausschließen wollte. Die Tatsache, daß es dennoch i n der Bevorzugung von Beamten eine zulässige Differenzierung sehen w i l l , spricht jedoch dagegen. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers hier bei der Ausübung des Direktionsrechts den Vorrang vor der Gleichbehandlung beansprucht, ist zunächst zwischen zwei Aspekten der Vertragsfreiheit zu unterscheiden, nämlich der Inhaltsfreiheit und der Abschluß- oder Vornahmefreiheit. Die Inhaltsfreiheit bedeutet die Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen. Die Abschluß- oder Vornahmefreiheit besteht i n der freien Entscheidung des einzelnen darüber, ob und m i t wem er einen Vertrag schließen w i l l 8 7 . M i t dem Grundgedanken der Vertragsfreiheit ist eine Einschränkung der A b schlußfreiheit schwerer zu vereinbaren, als eine Kontrolle der inhaltlichen Gestaltung. Die Problematik des vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Falles lag jedoch nicht darin, die Ausübung des Direktionsrechts hinsichtlich der Zurückversetzung des Klägers an den früheren Arbeitsplatz inhaltlich am Gleichbehandlungsgrundsatz zu prüfen, w e i l die Beschäftigung m i t der höherwertigen Tätigkeit von vornherein befristet war und deshalb m i t dem Ablauf der Frist mangels abweichender Vereinbarung ipso iure die ursprünglichen Arbeitsbedingungen galten. Der A n g r i f f des Klägers richtete sich vielmehr gegen eine Nichtausübung des Direktionsrechts i m Hinblick auf eine Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit für die Zukunft, und damit ging es u m die Frage, ob der Gleich87 Larenz,
Lehrbuch des Schuldrechts Bd. I , Allg. Teil, § 4, S. 35 f.
2. Kap.: Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
behandlungsgrundsatz oder die Vertragsfreiheit Vornahmefreiheit den Vorrang beanspruchte 88 .
69
als Abschluß- oder
Wie ein Vergleich m i t der Problematik nachträglicher Lohnerhöhungen zeigt 89 , bei welchen der Arbeitgeber willkürliche Differenzierungen nicht m i t der Berufung auf seine Abschlußfreiheit rechtfertigen kann, läßt sich eine Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung bei der Ausübung des Direktionsrechts i m Rahmen von Versetzungen bzw. Beförderungen n i c h t schon m i t dem Hinweis auf den Vorrang der Vertragsfreiheit verneinen 9 0 . Die Vertragsfreiheit gilt uneingeschränkt nur für den Abschluß des Arbeitsvertrages. Innerhalb eines Arbeitsverhältnisses ist der A r beitgeber in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht mehr völlig frei, sondern durch die das Arbeitsverhältnis prägenden Rechtsprinzipien eingeschränkt. Es ist daher durchaus denkbar, daß der Arbeitnehmer i n einem besonders gelagerten Fall auch einmal einen Anspruch auf Versetzung bzw. Beförderung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen kann. Dies erkennt im Prinzip auch das Bundesarbeitsgericht an, wenn es ausführt, daß ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Beförderung oder Schadenersatz dann gegeben ist, wenn er aus unsachlichen Gründen von einer gleichzeitigen allgemeinen betrieblichen Besserstellung ausgeschlossen wurde 9 1 . Denn die Beschränkung auf eine gleichzeitige allgemeine betriebliche Besserstellung erscheint inkonsequent. Für die Frage der Gleichbehandlung kann es keine Rolle spielen, ob die Vergleichstatbestände zeitlich hintereinander liegen oder sich gleichzeitig ereignen und ob sie den ganzen Betrieb betreffen oder nur eine Gruppe von Arbeitnehmern. Die Herausnahme aus einer allgemeinen betrieblichen Maßnahme läßt lediglich das Element der Diskriminierung deutlicher hervortreten, das i n der unterschiedlichen Behandlung liegt. Die tatsächlichen Möglichkeiten einer Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Ausübung des Direktionsrechts bei Versetzungen bzw. Beförderungen sind indessen nicht überzubewerten. I m Unterschied zu den freiwilligen Sozialleistungen, wo der Arbeitgeber den Rahmen dessen, was zur Verteilung kommt, selbst absteckt, sind bei Beförderungen, insbesondere dem öffentlichen Arbeitgeber, oft es Canaris , A n m . zu B A G A P Nr. 23 § 611 B G B Direktionsrecht; nicht zu verkennen ist allerdings, daß sich gerade bei der Ausübung v o n Gestaltungsrechten Abschlußfreiheit u n d Inhaltsfreiheit überschneiden. 89 Vgl. B A G A P Nr. 15, 36, 38 zu §242 B G B Gleichbehandlung; siehe aber auch B A G A P Nr. 52 zu § 242 B G B Ruhegehalt. 90 So aber B A G A P Nr. 3 zu § 611 B G B Schweigepflicht. 91 B A G A P Nr. 3 zu §611 B G B Schweigepflicht; davon zu unterscheiden ist der Ausschluß von einer allgemeinen Höhergruppierung ohne V e r änderung des Aufgabenbereichs; vgl. B A G A P Nr. 38 zu §242 B G B Gleichbehandlung.
70
§ 9. Direktionsrecht
schon durch die jeweiligen Haushaltsregelungen die Hände gebunden. Dennoch ist es wohl nicht ohne weiteres als hinreichender Grund für eine Ungleichbehandlung zu werten, wenn der Arbeitgeber glaubt, den Arbeitnehmer an seinem bisherigen Arbeitsplatz besser verwenden zu können 9 2 . Die Frage der Gleichbehandlung wäre damit ausschließlich von notwendig subjektiven Erwägungen des Arbeitgebers abhängig. Dagegen ist ein objektiv vorhandener Bedarf am alten Arbeitsplatz als Begründung für eine unterschiedliche Behandlung kaum angreifbar. Canaris spricht i n diesem Zusammenhang von einem Ermessen des Arbeitgebers analog zu Ermessensentscheidungen i m Verwaltungsrecht. Er w i l l einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Beförderung nur dann anerkennen, wenn entweder jede andere Entscheidung des Arbeitgebers m i t dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar ist, der Ermessensspielraum also auf N u l l reduziert ist oder wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, daß für das Verhalten des Arbeitgebers ein sachfremder Gesichtspunkt maßgeblich w a r 9 3 . Dies bedeutet i n der Sache keine Einschränkung der grundsätzlichen Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Ausübung des Direktionsrechts bei Beförderungen. Die Übertragung primär öffentlich-rechtlicher Kategorien der Ermessensausübung ins Privatrecht 9 4 verschleiert nur, daß die Grundfrage auch hier lautet, ob die Privatautonomie des Arbeitgebers vom Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgedrängt wird. Wenn sie wie hier i m Grundsatz bejaht wird, so darf gleichwohl nicht verkannt werden, daß ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Beförderung aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nur i m Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten gegeben sein kann 9 5 . Nirgends w i r d die Funktion des Gleichbehandlungsgrundsatzes als Übermachtkontrolle so deutlich wie beim Direktionsrecht. Es bedarf keiner zusätzlichen Kriterien wie der Ausnahme von einer betrieblichen Regel oder einer Arbeitgebermaßnahme m i t betrieblich kollektivem Charakter, u m die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu begründen 9®. Sie folgt ohne weitere Voraussetzungen daraus, daß der Arbeitgeber, der durch den Arbeitsvertrag eine starke Einwirkungs92 Canaris , A n m . zu B A G A P Nr. 23 zu § 611 B G B Direktionsrecht, Bl. 167 RS. 93 Canaris, siehe Fußnote 92. 94 Vgl. insoweit auch Buchner, R d A 1970, S. 225 (230 r. Sp.). 05 Vgl. Neumann-Duesberg i n A n m . zu A P Nr. 3 zu § 611 B G B unter 2, der, ohne den Gleichbehandlungsgrundsatz ausdrücklich zu nennen, aus Gründen der Gerechtigkeit zur Erhaltung der Arbeitsfreude u n d des guten Betriebsklimas wünschen möchte, daß ein redlich seine Pflicht erfüllender Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beförderung i m Rahmen betrieblicher Möglichkeiten habe u n d bei schuldhafter Nichterfüllung einen Schadenersatzanspruch erwerbe. 96 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 245 f.
2. Kap.: Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
71
möglichkeit auf die Pflichtenstellung des Arbeitnehmers erhält, zu dessen Schutz er Einschränkungen seiner Gestaltungsfreiheit hinnehmen muß 9 7 . Nachdem sich die Ausübung des Direktionsrechts als Ausübung eines Gestaltungsrechts durch Rechtsgeschäft verstehen läßt, an die i m Arbeitsverhältnis m i t mehr oder weniger Erfolg der Maßstab der Gleichbehandlung angelegt werden kann, erweist sich auch hier die Unhaltbarkeit der These, für die Ausübung von Gestaltungsrechten gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht 9 8 . § 10. Die Kündigung des Arbeitgebers und das Gleichbehandlungsgebot I . Gleichbehandlung zwischen Arbeitsplatzschutz und unternehmerischer Dispositionsfreiheit
Die Ursache dafür, daß die Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Kündigung nach wie vor umstritten ist, liegt darin, daß sich hier das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes, i n der Regel seiner Existenzgrundlage, einerseits und dasjenige des Arbeitgebers an der Wahrung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit auf dem Sektor Personalpolitik andererseits scharf widersprechen. Die Gefahr ist daher nicht von der Hand zu weisen, daß die Frage der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Kündigung aus rechtspolitischen Erwägungen einseitig unter dem Blickwinkel des einen oder anderen Interesses gesehen wird. Da die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Privatautonomie einschränkt, darf bei einer Abwägung zwischen Gleichbehandlung und Vertragsfreiheit bei der Kündigung nicht verkannt werden, daß die Befugnis zur einseitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses — übrigens nicht nur für den Arbeitgeber — ähnlich wie die Vertragsfreiheit beim Abschluß des Arbeitsvertrages zum „Kernbereich" der Privatautonomie zu rechnen ist. Eine Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes auf die Kündigung w i r d daher einer sorgfältigen Abwägung bedürfen. Dies ist der richtige K e r n der These, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz beim Gestaltungsrecht Kündigung keine Anwendung findet. Andererseits offenbart sich bei der Kündigung durch den Arbeitgeber besonders deutlich die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. 97 So Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 100; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., §48 a V I , S.430. 98 Vgl. Wiedemann , S. 103.
72
§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers I I . Ausschluß der Gleichbehandlung durch „individualisierende" gesetzliche Regelung der Kündigung?
Vielfach w i r d die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung m i t dem Hinweis auf den Vorrang der gesetzlichen Regelung 1 und die durch sie gebotene individualisierende Betrachtungsweise verneint 2 . Schon nach der gesetzlichen Regelung ist es jedoch nicht i n jedem Falle richtig, daß die Voraussetzungen einer Kündigung lediglich i m Verhältnis der Vertragspartner Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander festzustellen sind 3 . Bei der betriebsbedingten K ü n digung hat der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte ausreichend zu berücksichtigen 4 . Hier ist die Wirksamkeit der Kündigung gerade nicht allein in der Relation Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzustellen, sondern sie setzt einen Vergleich unter den zur Auswahl i n Betracht kommenden Arbeitnehmern voraus. M i t der Einführung der sozialen Auswahl verläßt das Gesetz den Bereich eines zweiseitig aufgefaßten Kündigungsschutzes und ordnet den Kündigungsvorgang in die Gesamtheit der Beziehungen der Belegschaftsmitglieder untereinander und zum Arbeitgeber ein. Die gesetzliche Regelung der Kündigung ist allerdings insoweit einzelfallbezogen als die Frage, ob die ordentliche Kündigung durch Gründe i n der Person, i m Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, oder ob bei der außerordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist, nur durch eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden kann®. Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes w i r d dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Denn dabei kann es sich, wenn es um die Kündigung mehrerer Arbeitnehmer geht, bereits um die Frage zulässiger oder unzu1 Bobrowski / Gaul, Das Arbeitsrecht i m Betrieb, 5. Auflage, S. 298. 2 Galperin, R d A 1953, S. 169, 172; A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I , 7. Aufl., S. 428; Kunkel, D B 1953, S. 693, 694; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I , 3. Aufl., S. 510; derselbe i n B B 1954, S. 809, 811; Röhsler, D B 1957, S. 992, 993; Trappe, K ü n d i g u n g u n d Kündigungsschutz (1964), S. 107; Waechter, BLStSoz A r b R 1957, S. 361, 362; Fauth, BIStSozArbR 1959, S. 10, 13. 3 So aber Röhsler, D B 1957, S. 993, der meint, daß es i m Gesetz einen Ausdruck gefunden hätte, w e n n eine mehr kollektive Lösung des K ü n d i gungsschutzes beabsichtigt gewesen wäre. Dabei w i r d verkannt, daß es bei der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die K ü n d i g u n g nicht u m eine k o l l e k t i v e Lösung, was i m m e r m a n darunter verstehen mag, geht, sondern u m die Schranken der Rechtsausübung gegenüber dem einzelnen. 4 § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. 5 Z u r ordentlichen K ü n d i g u n g : B A G i n ständiger Rechtsprechung, vgl. B A G A P Nr. 5, 14 zu § 1 KSchG. Z u r außerordentlichen K ü n d i g u n g : §626 Abs. 1 BGB,
2. Kap.: Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
73
lässiger Differenzierung handeln, deren Beantwortung die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes logisch voraussetzt 6 . I I I . GIcichbehandlung und betriebsbedingte Kündigung
1. Gleichmäßige Verteilung Feststellung dringender
des Arbeitsplatzrisikos bei der betrieblicher Erfordernisse
Gleichbehandlungsüberlegungen setzen bei der betriebsbedingten Kündigung schon bei der Prüfung der dringenden betrieblichen Erfordernisse ein. Machen ζ. B. Absatzschwierigkeiten i n einem Betrieb eine Einschränkung der Produktion erforderlich, so darf sie der Arbeitgeber nicht ohne weiteres durch die Kündigung einer entsprechenden Anzahl von Arbeitnehmern herbeiführen. Das Bundesarbeitsgericht verlangt i m Rahmen der durch § 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung die Prüfung, ob sich die Kündigungen nicht durch andere M i t t e l wie Arbeitsstreckung oder Verkürzung der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer vermeiden läßt 7 . Die Rechtsprechung bewirkt damit jedenfalls i m Ergebnis eine gleichmäßige Verteilung des Beschäftigungsrisikos unter den Arbeitnehmern i m Rahmen des für den Betrieb technisch, w i r t schaftlich und organisatorisch Möglichen. Man könnte insoweit von einer Gleichbehandlung i m Hinblick auf das Arbeitsplatzrisiko sprechen 8 , zumal sich eine Parallele zu jenen Fällen ziehen läßt, i n denen die Rechtsprechung die wirtschaftlich bedingten Kürzungen betrieblicher Ruhegeldleistungen am Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüft 9 . Von einer Gleichbehandlung i m Hinblick auf das Beschäftigungsrisiko bzw. den Beschäftigungsanspruch geht die Rechtsprechung auch i m Falle des Teilstreiks aus. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist es dem Arbeitgeber unbenommen, bei einem Teilstreik i n seinem Betrieb die Arbeitnehmer ohne Gehalt zu beurlauben, für die er keine Beschäftigungsmöglichkeiten hat, während er andere Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch den Teilstreik nicht betroffen sind, weiterbeschäftigt. Darin sieht das Bundesarbeitsgericht keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz 10 . Analog hierzu läßt sich eine Situation vorstellen, in welcher für Arbeitnehmer der gleichen Gruppe oder Abteilung die Arbeit weniger geworden ist, ohne daß die Beschäftigungsmöglichkeit für einen oder mehrere Arbeitnehmer ganz entfallen ist. Hier wäre entsprechend der ratio legis des K ü n 6 Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 93; Schwerdtner, Fürsorgetheorie u n d Entgelttheorie, S. 101; vgl. dagegen B A G A P Nr. 51 zu § 626 B G B Bl. 33 RS, Bl. 34. 7 B A G A P Nr. 4 zu § 242 B G B Ruhegehalt. » Buchner, R d A 1970, S. 228. ® B A G A P Nr. 14 zu § 242 B G B Ruhegehalt. i« B A G A P Nr. 4 zu § 615 B G B Betriebsrisiko.
74
§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
digungsschutzgesetzes die Auswahl eventuell zu beurlaubender Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten zu treffen. Vorher ist jedoch zu prüfen, ob nicht i m Rahmen des organisatorisch und wirtschaftlich Zumutbaren gemäß dem Gleichbehandlungsgebot die Arbeit für alle gleichmäßig gekürzt werden kann 1 1 . Die angeführten Beispiele zeigen, daß der Gedanke der austeilenden Gerechtigkeit auf die Auslegung der dringenden betrieblichen Erfordernisse des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG Einfluß nimmt und sich dabei Parallelen zu dem maßgeblichen Gedanken der gleichmäßigen Verteilung des Beschäftigungsrisikos auch in anderen Fällen ergeben. Dennoch bestehen Bedenken dagegen, hierin eine unmittelbare Auswirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Ausübung des Gestaltungsrechts Kündigung zu sehen 12 . Es entspricht nur dem Zweck des Kündigungsschutzgesetzes, das Arbeitsverhältnis i n seinem Bestand zu schützen 13 , wenn das Bundesarbeitsgericht eine Kündigung aus betrieblichen Gründen erst dann für sozial gerechtfertigt hält, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht berühren, unmöglich oder für den Betrieb nicht zumutbar sind. Die gleichmäßige Verteilung einer notwendigen Produktionseinschränkung ergibt sich daher primär als Folge der konsequenten Durchführung des Bestandsschutzgedankens bei der Auslegung des Begriffs „dringende betriebliche Erfordernisse" 14 . Auch wenn der Arbeitgeber beschäftigungslos gewordenen Arbeitnehmern eine Umschulung anbietet und er einen Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund hiervon ausnehmen w i l l , erfolgt die Korrektur bereits über die Auslegung des Begriffs „dringende betriebliche Erfordernisse" 15 . 2. Gleichmäßige
Handhabung
der Kriterien
für die soziale
Auswahl
Ist das dringende betriebliche Erfordernis für die Kündigung einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern festgestellt, hat der Arbeitgeber bei der Auswahl der Arbeitnehmer, denen schließlich gekündigt werden soll, soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen 16 . Dies geschieht durch einen Vergleich unter den zur Auswahl stehenden Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer sozialen Schutzwürdigkeit, ζ. B. des Familienstandes, mitverdienender Familienmitglieder, der Kinderzahl, des Lebensalters und der Dauer der Betriebszugehörigkeit 17 . Von zwei i m übrigen veru Vgl. die A n m e r k u n g von A. Hueck zu B A G A P Nr. 4 zu §615 B G B Betriebsrisiko. 12 So aber Buchner, R d A 1970, S. 228. is A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 628. 14 Gift, R d A 1969, S. 72, 73; Hueck, KSchG, 9. Aufl., A n m . 103 zu §1. is Anders offenbar Buchner R d A 1970, S. 229. ιβ § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. ι? Hueck, A n m . 117 zu § 1 KSchG.
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gleichbaren Arbeitnehmern soll die Kündigung den treffen, der sozial weniger schutzbedürftig ist 1 8 . Unbestreitbar ist hier der Zusammenhang m i t dem Gedanken der austeilenden Gerechtigkeit 19 , wenngleich das Kündigungsschutzgesetz sie weitergehend als der Gleichbehandlungsgrundsatz durch eine Einbeziehung der Lebensumstände und Chancen über rein betriebliche Gesichtspunkte hinaus zu verwirklichen sucht. Vergleichsrahmen für die soziale Auswahl ist grundsätzlich der Betrieb 2 0 . Einschränkungen ergeben sich jedoch daraus, daß nur Arbeitnehmer miteinander verglichen werden können, die i n ihrer betrieblichen Funktion gegeneinander ausgetauscht werden können 2 1 . Schon hier ist eine Diskriminierung durch den Arbeitgeber möglich. Sind Arbeitnehmer einer bestimmten Berufsgruppe entbehrlich geworden und entläßt der Arbeitgeber gleichzeitig einen nicht austauschbaren Arbeitnehmer einer anderen Gruppe, so liegt darin für den Betroffenen eine Ungleichbehandlung gegenüber den Angehörigen seiner Gruppe. I n aller Regel ist hier aber bereits das dringende betriebliche Erfordernis für die Kündigung zu verneinen. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist auch bei der sozialen Auswahl unter den vergleichbaren und austauschbaren Arbeitnehmern denkbar. U m hier sinnvoll Gleichbehandlungserwägungen anstellen zu können, ist es keineswegs erforderlich, daß bei mehreren Arbeitnehmern i n sozialer Hinsicht völlig gleiche Voraussetzungen vorliegen. Abgesehen davon, daß dies i n der Praxis kaum je der Fall sein dürfte, zwingt der Gleichbehandlungsgrundsatz den Arbeitgeber keineswegs zu einer schematischen Gleichbehandlung, sondern er macht i h m nur zur Pflicht, bei der sozialen Auswahl nach sachlichen Gesichtspunkten gleichmäßig vorzugehen. Wenn das betriebliche Erfordernis für die Entlassung einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern feststeht und der Personenkreis eingegrenzt ist, innerhalb dessen die soziale Auswahl vorzunehmen ist, kommt es auf die richtigen Auswahlkriterien an, anhand deren die betriebliche und soziale Situation der zur Auswahl stehenden Arbeitnehmer verglichen werden soll. Ein gleichmäßiges Vorgehen des Arbeitgebers ist dann gegeben, wenn er die von i h m gefundenen Kriterien bei allen zur Auswahl stehenden Arbeitnehmern berücksichtigt und gleichmäßig gewichtet, d. h. bei jedem Arbeitnehmer die gleiche Bedeutung beimißt 2 2 . is Hueck, A n m . 117 zu § 1 KSchG. ι» Hueck, A n m . 123, 124 zu § 1 KSchG. 20 Hueck, A n m . 117 zu § 1 KSchG; Gift R d A 1969, S. 76. 21 Auffarth/Müller, KSchG, Anm. 234 zu § 1 ; Hueck, A n m . 125 zu § 1; Müller D B 1956, S. 965. 22 Vgl. Hueck, KSchG, 9. Aufl., A n m . 117 zu § 1.
KSchG, 9. Aufl.,
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§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
Daraus kann sich ein festes System i m Sinne einer Regelbildung ergeben, an dessen gleichmäßige Handhabung der Arbeitgeber gebunden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber m i t Zustimmung des Betriebsrates oder auf Initiative des Betriebsrates 23 Auswahlrichtlinien aufstellt, um zur Versachlichung und Transparenz der Auswahl beizutragen 24 . Der maßgebliche rechtliche Gesichtspunkt für die Unwirksamkeit der Kündigung ist indessen auch hier § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG selbst zu entnehmen. Denn immer dann, wenn der Arbeitgeber ein K r i t e r i u m nicht gleichmäßig auf alle Auswahlpersonen anwendet, indem er beispielsweise die höhere Kinderzahl des gekündigten Arbeitnehmers gegenüber Vergleichspersonen nicht berücksichtigt 25 , liegt ein Fall der unrichtigen sozialen Auswahl vor, weil der Arbeitgeber nicht einen Arbeitnehmer ausgewählt hat, der auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes weniger angewiesen ist 2 6 . Ist der Arbeitgeber von einer Auswahlrichtlinie i m Sinne des § 95 BetrVG abgewichen und hat der Betriebsrat aus diesem Grunde innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG schriftlich der Kündigung widersprochen, so ergibt sich die U n w i r k samkeit der Kündigung unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz kommt also auch innerhalb der sozialen Auswahl keine selbständige Bedeutung zu. Die Grundsätze, nach denen sie vorzunehmen ist, schützen die auszuwählenden Arbeitnehmer ohneh i n vor jeder sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf gleichmäßige Behandlung ist durch den Anspruch auf die individuell richtige soziale Auswahl ersetzt 27 . I V . Verhaltensbedingte ordentliche und außerordentliche Kündigung
Typische Gleichbehandlungssituationen i m Bereich der Kündigung sind gleichartige Vertragsverletzungen oder Verstöße gegen die betriebliche Ordnung von mehreren Arbeitnehmern, auf die der Arbeitgeber je nach Schwere und Bedeutung für das Arbeitsverhältnis m i t der ordentlichen oder der außerordentlichen Kündigung reagieren kann, sofern er überhaupt zum M i t t e l der Kündigung greifen w i l l . Die Frage, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz die privatautonome Entscheidungsfreiheit des kündigungsberechtigten Arbeitgebers soweit 23 v g l . § 95 Abs. 1 u n d 2 BetrVG. 24 Die soziale A u s w a h l nach derartigen Auswahlrichtlinien f ü h r t i n der Praxis zur Aufstellung regelrechter Kündigungsschutzranglisten. 25 ζ. B. B A G A P Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 26 B A G , Fußn. 25; vgl. ferner B A G A P Nr. 7 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung. 27 Galperin, R d A 1952, S. 172; ähnlich Schwarz R d A 1968, S. 249 f ü r das österreichische Recht.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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einschränkt, daß er von seinem Kündigungsrecht nicht nach freiem Ermessen Gebrauch machen darf, stellt sich bei der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung aus Gründen i m Verhalten des Arbeitnehmers i n ähnlicher Form. 1. Gleichbehandlung
und
Kündigungsgrund
Soweit die Rechtsprechung nicht ohnehin die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung ablehnt 2 8 , sucht sie das Problem durch Gleichbehandlungserwägungen bei der Überprüfung des Kündigungsgrundes zu lösen, indem sie schon hier die Reaktion des Arbeitgebers auf ein vergleichbares Verhalten anderer Arbeitnehmer in die Beurteilung einfließen läßt. a) Ordentliche Kündigung bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG)? Mag bei der außerordentlichen Kündigung m i t dem unbestimmten Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ein gewisser Ansatzpunkt dafür gegeben sein 29 , so zeigt sich bei der ordentlichen Kündigung doch recht deutlich, daß die Feststellung des Kündigungsgrundes und die Frage der Gleichbehandlung bei der Ausübung des Kündigungsrechts voneinander zu trennen sind. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf 30 hat i n einem Fall m i t dem Arbeitsvertrag nicht zu vereinbarende Nebentätigkeit die Kündigung m i t folgender Begründung wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für sozial ungerechtfertigt erklärt 3 1 : „Wenn aber bei allen Arbeitnehmern der gleiche vertragsverletzende T a t bestand vorliegt, k a n n der Arbeitgeber nicht n u r einem Arbeitnehmer kündigen, den anderen hingegen nicht, ohne vorher soziale Erwägungen über die Härte der Entlassung angestellt zu haben. Daß hierbei die große Kinderzahl des Klägers Berücksichtigung verdient hätte, steht außer Zweifel. Soweit derartige Erwägungen aber nicht angestellt werden, sondern n u r ein Arbeitnehmer entlassen w i r d , erscheint die K ü n d i g u n g nicht »bedingt4 durch das Verhalten des Arbeitnehmers."
Das Gericht verbindet soziale Gesichtspunkte und Gleichbehandlungserwägungen in einer Weise, die i m Unklaren darüber läßt, 28 L A G Stuttgart D B 1952, S. 232; L A G Hannover A P 52 Nr. 83; L A G Saarbrücken, ARSt X X V Nr. 251; A r b G U l m ARSt X I X Nr. 168; A r b G Bremen A R S t X I X Nr. 451; A r b G H u s u m D B 1964, S. 1596; B A G A P Nr. 1 zu §14 A Z O ; B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; B A G A P Nr. 21 zu § 66 B e t r V G 1952. 29 Siehe dazu unten b). so U r t e i l v o m 12. 7.1961 — Sa 508/60, auszugsweise abgedruckt i n D B 1961, S.1459. a1 Siehe Fußnote 30.
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§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
welche Überlegungen für die Begründung der Entscheidung maßgebend sein soll. Wen es dem Arbeitgeber den Vorwurf macht, er habe die besondere soziale Härte für den betroffenen Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, stellt es Erwägungen an, die unabhängig von der Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz schon i m Rahmen der gebotenen Interessenabwägung geeignet wären, die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen zu lassen. Vom Standpunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte es genügt, darauf hinzuweisen, daß der Arbeitgeber den anderen Arbeitnehmern nicht gekündigt hatte und ein Grund, gerade dem Kläger als einzigem zu kündigen, nicht gegeben war. W i r d der die Entscheidung tragende Gesichtspunkt i m Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen, ist es auch nicht richtig, die Kündigung als sozial ungerechtfertigt und nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt" zu bezeichnen. Andernfalls w i r d das Problem der Gleichbehandlung unzulässig m i t der zunächst abstrakt, d. h. ohne Einbeziehung eines gleichartigen Verhaltens anderer Arbeitnehmer, zu beantwortenden Frage verknüpft, ob ein bestimmtes Verhalten einen Kündigungsgrund darstellt. Sie ist zumindest i n der Theorie allein aus dem Gesetz zu beantworten. Die Frage der Gleichbehandlung stellt sich erst danach. Noch deutlicher verknüpft das gleiche Gericht die Überprüfung des Kündigungsgrundes m i t dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn es i n einer anderen Entscheidung 32 aus § 1 Abs. 2 KSchG unmittelbar das Verbot ableitet, m i t zweierlei Maß zu messen: I n einem Betrieb hatten mehrere Arbeitnehmer kurzfristig die Arbeit niedergelegt, u m für eine besondere Arbeitserschwernis eine Lohnzulage zu erreichen. Die Geschäftsleitung hatte zunächst allen sechs Mitarbeitern die fristlose Entlassung angedroht, später aber von dieser Maßnahme abgesehen und nur einem der betroffenen Arbeitnehmer ordentlich gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf erklärte die Kündigung m i t folgender Begründung für unwirksam 3 ®: „Ob eine K ü n d i g u n g billigenswert u n d angemessen u n d damit durch den Arbeitnehmer bedingt ist, k a n n nicht nach absoluten, feststehenden Maßstäben entschieden werden, sondern w i r d durch die Reaktion des A r b e i t gebers gegenüber einem durch andere Arbeitnehmer an den Tag gelegten Verhalten gleicher A r t beeinflußt. Es handelt sich dabei nicht u m eine Frage der Gleichbehandlungspflicht i m engeren Sinn. Diese besteht anerkanntermaßen n u r hinsichtlich der E r f ü l l u n g von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, nicht aber bei der Ausübung von Gestaltungsrechten. Es handelt sich dabei vielmehr u m die gedanklich verwandte Erwägung, daß der Kündigungsentschluß des Arbeitgebers nicht mehr durch das Verhalten des Arbeitnehmers »bedingt4 sein kann, w e n n dieser s 2 L A G Düsseldorf v o m 22.4.1955 — 4 Sa 53/54, auszugsweise abgedruckt i n B B 1954, S. 994. 33 Siehe Fußnote 32.
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i n einer Anzahl gleichliegender Fälle einen Kündigungsentschluß nicht gefaßt hat. D a m i t w i r d das Recht des Arbeitgebers zur freien Entschließung, w e m u n d unter welchen Umständen er einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten verzeihen w i l l , an sich nicht Frage gestellt oder beeinträchtigt; es w i r d i h m lediglich ein seinen sozialen Verpflichtungen i m Rahmen des Betriebes entsprechendes Maß gesetzt. Der Arbeitgeber darf bei der K ü n d i g u n g nicht unsachlich handeln, er darf nicht m i t zweierlei Maß messen. Auch das besagt § 1 Abs. 2 KSchG, w e n n es darin heißt, daß die K ü n d i g u n g durch die i m einzelnen aufgezählten Gründe bedingt sein muß."
Wenn bei der Bewertung des Kündigungsgrundes der Umstand Bedeutung erlangt, wie sich der Arbeitgeber i n gleichgelagerten Fällen gegenüber anderen Arbeitnehmern verhalten hat, w i r d an die Kündigung nicht nur der Maßstab der Austauschgerechtigkeit, sondern auch der austeilenden Gerechtigkeit angelegt. Zwar hält das Gericht betont an der herrschenden Auffassung fest, daß die Gleichbehandlungspflicht nicht auf die Ausübung von Gestaltungsrechten ausgedehnt werden kann. Aber das Gebot, bei der Kündigung nicht m i t zweierlei Maß zu messen, läßt sich schwer vom Gleichbehandlungsgebot unterscheiden. Seine unmittelbare Ableitung aus § 1 Abs. 2 KSchG vermag nicht zu überzeugen 34 . Sie ließe auch die Frage offen, ob das Verbot des zweierlei Maßes auf den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes beschränkt ist. Soll also die Entschlußfreiheit des kündigungsberechtigten Arbeitgebers m i t der Begründung eingeschränkt werden, daß er i n gleichartigen Fällen nicht gekündigt hat, so kann dies nur unmittelbar unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geschehen. b) Berücksichtigung gleichartiger Vertragsverletzungen anderer Arbeitnehmer bei der Feststellung des wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer i h m unter Berücksitigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die subjektive Färbung des Begriffs der Zumutbarkeit mag es nahe legen, i n der Praxis bei der Uberprüfung des Kündigungsgrundes darauf abzustellen, wie sich der Arbeitgeber i n gleichgelagerten Fällen verhalten hat. Zumindest hat die Rechtsprechung diesen Weg beschritten: Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die Klägerin als Betriebsratsvorsitzende zusammen m i t sechs anderen 34 Ebenso Bötticher, Urteil.
B B 1954, S. 994 i n der A n m e r k u n g zu dem genannten
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§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
Arbeitnehmerinnen i m Anschluß an eine Verspätung des gemeinsamen Eisenbahnzuges der Arbeit grundlos ferngeblieben war und als einzige eine fristlose Kündigung erhalten hatte 3 5 . Die Vorinstanz 3 6 hatte die Unwirksamkeit der Kündigung damit begründet, daß die Klägerin keine besondere Rolle bei dem gemeinsamen Fernbleiben von der Arbeit gespielt und die Beklagte durch die Weiterbeschäftigung der anderen sechs Arbeitnehmerinnen gezeigt habe, daß sie die Weiterbeschäftigung für zumutbar ansehe. Das Bundesarbeitsgericht stellte sich auf den Standpunkt, dieser Schluß liege auf dem dem Revisionsgericht verschlossenen Gebiet der tatsächlichen Würdigung und habe m i t der Rechtsfrage, ob der Arbeitgeber das ihm aus dem gleichen Verhalten mehrerer Arbeitnehmer erwachsene Recht zur fristlosen Kündigung gegenüber dem einen Arbeitnehmer ausüben, gegenüber dem anderen aber durch Verzicht aufgeben darf, nichts zu tun 3 7 . I n einer anderen Entscheidung 38 , i n der es um die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen der Verweigerung von Uberstunden ging, führte das Bundesarbeitsgericht aus 39 : „Hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit w i r d v o m Landesarbeitsgericht, wie die Revision m i t Recht rügt, nicht berücksichtigt, daß nach den unter Beweis gestellten Behauptungen des Klägers aus der Tatsacheninstanz der Kläger anders behandelt worden ist als eine Anzahl seiner Arbeitskollegen, bei denen der Sachverhalt v ö l l i g gleich lag w i e beim Kläger. Dieser Gesichtspunkt ist zwar nicht deshalb von Bedeutung, w e i l etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Ausübung v o n Gestaltungsrechten wie beim Kündigungsrecht anwendbar wäre. Diese Ansicht ist vielmehr abzulehnen."
Hier w i r d besonders deutlich, daß das Gericht zwischen der Feststellung des Kündigungsgrundes und der Ausübung des Kündigungsrechts, für die sich allein die Frage der Gleichbehandlung bei der Ausübung eines Gestaltungsrechts stellen kann, nicht genau genug trennt 4 0 . I m Hinblick auf den Kündigungsgrund muß das Urteil bei mehreren betroffenen Arbeitnehmern keineswegs einheitlich ausfallen. Obgleich dem Begriff der Zumutbarkeit vom Wortsinn her ein subjektives Element innewohnt, ist er keineswegs so auszulegen, daß es für die Bejahung des wichtigen Grundes in erster Linie darauf ankommt, ob der Arbeitgeber das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers subjektiv als störend empfunden hat 4 1 . Es muß sich vielmehr 35 36 37 38 39
B A G A P Nr. 3 zu § 13 KSchG 1951. L A G Düsseldorf v o m 20.1.1954 — 4 Sa 160/53. B A G A P Nr. 3 zu § 13 KSchG 1951, Bl. 564 VS. B A G A P Nr. 1 zu § 1 AZO. B A G , Fußn. 38, unter V I I . der Gründe. 40 Vgl. Wiedemann i n A n m . zu B A G A P Nr. 27 zu § 66 B e t r V G 1952. 41 Vgl. Bötticher, B B 1955, S. 995.
2. Kap. : Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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auch bei Anlegung eines objektiven Maßstabes eine erhebliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben 42 . Dabei kann dasselbe vertragswidrige Verhalten mehrerer Arbeitnehmer i m Rahmen der durch § 626 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bei einem Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden, bei einem anderen dagegen nicht. Gerade deshalb ist der Schluß, den das Bundesarbeitsgericht ganz generell von der Weiterbeschäftigung der nicht gekündigten Arbeitnehmer auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auch für den gekündigten Arbeitnehmer zieht 4 3 , nicht nur nicht zwingend 4 4 , sondern auch unzulässig. Hat der Arbeitgeber bei gleichartiger Verfehlung eines anderen Arbeitnehmers diesem nicht gekündigt, kann dies allerdings ein Indiz dafür sein, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist 4 5 . Dennoch ist auch hier Zurückhaltung geboten. Denn der Arbeitgeber ist durchaus i n der Lage, freiwillig Lasten auf sich zu nehmen, die ihm von der gerecht abwägenden Rechtsordnung nicht zugemutet werden können. Entläßt er einen Arbeitnehmer nicht, obwohl dieser einen Entlassungsgrund gesetzt hat, so w i r d die Interessenwertung der Rechtsordnung, welche Unzumutbarkeit ergeben hat, nicht berührt 4 6 . Der Arbeitgeber findet sich lediglich m i t einer Lage ab, deren Aufrechterhaltung i h m die Rechtsordnung aus Gründen der Zumutbarkeit nicht gebietet. Ob ihn die Nichtausübung des Kündigungsrechts gegenüber einem oder mehreren anderen Arbeitnehmern i n gleicher Lage bindet, ist eine andere Frage. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß das Bundesarbeitsgericht zwar materiell den Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Kündigung anwendet 4 7 , indem es im Rahmen der Zumutbarkeit darauf abstellt, ob der 42 Ermann, BGB, 4. Aufl., A n m . 1 Buchst. 10 b Α , Β zu § 626 BGB. 43 Anders B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf unter 4. 44 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m Privatrecht, S. 62. 4 * Wiedemann , A n m . zu B A G A P Nr. 27 zu § 66 B e t r V G 1952, zieht eine Parallele zur V e r w i r k u n g von Kündigungsgründen. 46 Bydlinski, Der Gleichbehandlungsgrundsatz i m österreichischen P r i v a t recht, i n Verhandlungen des 1. österreichischen Juristentages (1961), S. 62. 47 Vgl. Mayer-Maly, A n m . zu B A G A P Nr. 27 zu § 66 B e t r V G 1952 i n SAE 1966, S. 39, der herausstellt, daß das B A G die These, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz auf Kündigungen nicht anwendbar sei, formell zwar betone, materiell aber durchbreche; vgl. auch die A n m e r k u n g v o n Lieb zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf i n SAE 1970, S. 332, der darin n u r eine andere Umschreibung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sieht; zutreffend ferner schon die K r i t i k von Bötticher, B B 1955, S. 995, der darauf hinweist, daß das B A G die Rechtsfrage, ob der Arbeitgeber das i h m aus dem gleichen Verhalten mehrerer Arbeitnehmer erwachsene Recht zur fristlosen K ü n d i g u n g gegenüber dem einen Arbeitnehmer ausüben, gegenüber den anderen aber durch Verzicht aufgeben darf, zu Unrecht i n dem u n 6 Egger
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§10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
Arbeitgeber i n gleichliegenden Fällen ebenfalls gekündigt hat 4 8 , formell indessen weiter auf der Auffassung beharrt, daß bei der Kündigung der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung kommt. 2. Ausübung des Kündigungsrechts
und Gleichbehandlungsgebot
Es wurde bereits nachgewiesen, daß sich aus der Zugehörigkeit der Kündigung zur Gruppe der Gestaltungsrechte kein Argument gegen eine Ausdehnung des Gleichbehandlungsgebotes auf die Kündigung gewinnen läßt 4 9 . Das Wesensargument hat sich als Scheinargument erwiesen 50 . a) Das Recht des Arbeitgebers, den Kündigungsgrund zu verzeihen Die herrschende Meinung knüpft jedoch noch unter einem anderen Gesichtspunkt an die Besonderheiten des Kündigungsrechts an, um zu begründen, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz hier keine Anwendung finde. Die Auffassung vom Arbeitsverhältnis als einem personenbedingten Gemeinschaftsverhältnis ließ die Kündigung des Arbeitgebers als Reaktion auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers i n die Nähe eines Disziplinarmittels geraten. Dies w i r d deutlich, wenn davon die Rede ist, dem Arbeitgeber müsse es möglich sein, ein Exempel zu statuieren 51 . I n diesem Verständnis vom Arbeitsverhältnis wurzelt auch die Auffassung, der Arbeitgeber sei schon deshalb nicht zur Gleichbehandlung bei der Kündigung verpflichtet, w e i l er die Vertragsverletzung, also den Kündigungsgrund, verzeihen könne und es seiner freien Entscheidung unterliege, wem er verzeihe und wem nicht 5 2 . Darbestimmten Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit aufgehen läßt u n d diese dann als Tatfrage behandelt; vgl. auch Buchner R d A 1970, S. 228; die Rechtsprechung des L A G Düsseldorf u n d des B A G billigen Adomeit, K ü n d i g u n g u n d Kündigungsschutz (1962), S. 70 u n d A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 429. 48 Vgl. B A G A P Nr. 3 zu §13 KSchG 1951; B A G A P Nr. 1 zu § 1 A Z O ; B A G A P Nr. 27 zu § 66 B e t r V G 1952. 4» Siehe dazu oben § 4. 50 Z u m Wesensargument als Scheinargument vgl. Rüthers, D B 1969, S. 967, 971; kritisch auch Buchner, R d A 1970, S. 225 f.; Mayer-Maly, ARBlattei, Gleichbehandlung i m Arbeitsverhältnis I, G V I ; Kittner, B B 1974, S. 1488; Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 102 f.; Frey, Arbeitsrecht der Gegenwart 1966, S. 56. si A. Hueck i n H u e c k / N i p p e r d e y , Lehrbuch B d . I , 7.Aufl., S.428; L A G Hamm, Saarl. Arbeitskammer 1968, S. 94; A r b G München A R S t X X V I , Nr. 72; A r b G Bremen A R S t X I X , Nr. 177. Interessanterweise ist es eine gewerkschaftliche Stimme, die der K ü n d i g u n g Sanktions- u n d Strafcharakter i m gesellschaftlichen Bereich zuspricht: vgl. Kittner, B B 1974, S. 1491, der es darüber als ausgesprochenen Formalismus bezeichnet, den Ausspruch der K ü n d i g u n g gegenüber dem Arbeitnehmer lediglich als ein bürgerlichrechtliches Gestaltungsrecht zu qualifizieren (S. 1490/1491). 52 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch B d . I , 7. Aufl., S. 429; Nikisch, Arbeitsrecht B d . I , 3. Aufl., S. 511; Bötticher B B 1955, S. 955; ders. i n Z f A
2. Kap.: Gestaltungsrechte des Arbeitgebers
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i n klingt jedoch nicht nur eine patriarchalische Auffassung vom A r beitsverhältnis nach, die heute überholt sein dürfte, sondern es ist auch einfach unrichtig, daß der Arbeitgeber den objektiv festzustellenden Kündigungsgrund durch Verzeihung wieder beseitigen kann. Es geht hier nicht um menschliche Regungen, an die nicht der Maßstab rechtlicher Normen angelegt werden kann, sondern darum, daß der Arbeitgeber gegenüber einzelnen Arbeitnehmern ein Gestaltungsrecht ausübt, obwohl er es i n allen gleichliegenden Fällen nicht t u t 5 3 . Dies gilt grundsätzlich auch bei Beleidigungen und Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber 5 4 . Andernfalls wäre eben doch wieder das subjektive Empfinden des Arbeitgebers ausschlaggebend. Denn es macht i m Ergebnis keinen Unterschied, ob man bei der Frage des Kündigungsgrundes das Merkmal der Zumutbarkeit rein subjektiv auslegt oder dem Arbeitgeber das „Recht" gibt, dem Arbeitnehmer zu verzeihen und dam i t die ungleiche Behandlung eines von mehreren vertragswidrig handelnden Arbeitnehmern i m Hinblick auf die Kündigung zu rechtfertigen. Soweit von einem Verzicht auf die Ausübung des Kündigungsrechts gesprochen w i r d 5 5 , kann dies deshalb nicht mehr bedeuten, als daß der Arbeitgeber prinzipiell i n der Ausübung des Kündigungsrechts frei ist. b) Keine Berufung des vertragswidrig handelnden Arbeitnehmers auf den Gleichbehandlungsgrundsatz? Gegen eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung w i r d auch eingewendet, daß sich vertragswidrig handelnde Arbeitnehmer nicht auf den Gleichbehandlungsgedanken berufen könnten 5 6 . Führt man das Gebot der Gleichbehandlung auf die Fürsorgepflicht zurück 57 , liegt diese Überlegung sogar nahe. Denn es ließe sich argumentieren, daß ein Arbeitnehmer gehindert ist, sich auf die Verletzung der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht zu berufen, wenn er sich selbst einer schweren Vertragsverletzung schuldig gemacht hat 5 8 . Weiter 1970, S. 57 Fußnote 153; Schwarz R d A 1968, S. 241, 249; Stahlhacke, Kündigung u n d Kündigungsschutz i m Arbeitsverhältnis (1970), S. 18 Rdnr. 40; Schwerdtner, Fürsorgetheorie u n d Entgelttheorie, S. 102; Trappe, K ü n d i g u n g u n d Kündigungsschutz (1964), S. 107; Waechter BIStSozArbR 1957, S. 361, 362; B A G A P Nr. 3 zu §13 KSchG 1951; L A G H a m m B B 1968, S.425; A r b G München A R S t X X V I Nr. 210. 53 Buchner, R d A 1970, S. 230. 54 a. M. offenbar G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 362. ss B A G A P Nr. 3 zu § 13 KSchG 1951. 56 B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf unter 4.b, c der Gründe; zum Sonderfall der außerordentlichen K ü n d i g u n g als Reaktion auf einen w i l d e n Streik siehe unten § 11 I I . 57 Staudinger / Nipperdey / Mohnen, BGB, 11. Aufl., Vorbem. 12 vor §617; Bydlinski, Der Gleichbehandlungsgrundsatz i m österreichischen Privatrecht, S. 50. 58 Vgl. B A G A P Nr. 13 zu § 123 B G B ; B A G A P Nr. 12 zu § 63 H G B . 6*
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§ 10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
oben wurde indessen schon dargelegt, daß die Fürsorgepflicht wegen ihrer Verankerung i n der Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Rechtsgrundlage für den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus verletzt der A r beitgeber bei einer diskriminierenden Kündigung keine Pflicht, sondern er verstößt gegen eine Schranke der Rechtsausübung 59 . c) Vertragsfreiheit und Gleichbehandlung bei der Ausübung des Kündigungsrechts Die Auseinandersetzung m i t den Argumenten, die gegen eine Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers geltend gemacht werden, kann indessen nicht die positive Begründung dafür ersetzen, weshalb der Arbeitgeber an das Gleichbehandlungsgebot gebunden sein soll. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz die gesamten Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfaßt 60 . Ein Rückgriff auf die hier vertretene Auffassung zur Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zeigt, daß sie auch bei der K ü n d i gung zum Tragen kommt. Das Recht zur einseitigen Lösung des A r beitsverhältnisses begründet die Machtposition des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer entscheidend mit. Daran ändert auch nichts, daß der Arbeitnehmer seinerseits zur Kündigung berechtigt ist, denn die regelmäßige wirtschaftliche Unterlegenheit des Arbeitnehmers, seine Abhängigkeit vom Arbeitsplatz als Quelle seines Lebensunterhalts, höhlt die formal vorhandene Rechtsgleichheit wieder aus. Die Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung ist zwar nicht i m Wege einer einfachen Analogiebildung zu den typischen Gleichbehandlungsfällen i m Bereich der freiwilligen Sozialleistungen möglich. Denn es geht hier nicht u m die Verteilung von Leistungen, deren Gesamtumfang der Arbeitgeber zunächst frei bestimmen kann. Dennoch ist eine grundsätzliche Parallele erkennbar. Gleichgültig, ob es sich u m eine ordentliche oder u m eine außerordentliche Kündigung handelt, w i r d die wirtschaftliche Position des Arbeitnehmers einschneidend berührt. Nicht nur bei der betriebsbedingten Kündigung, wo es durch die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach der sozialen, d. h. nach ihrer wirtschaftlichen Schutzbedürftigkeit besonders deutlich wird, w i r k t sich die Kündigung als Entzug einer wirtschaftlichen Chance aus. Damit soll das personale Element, das einer K ü n digung wegen vertragswidrigen Verhaltens i m Einzelfall innewohnen 5» Weitergehend Buchner, R d A 1970, S. 229, f ü r den der Arbeitgeber außerhalb der i h m zustehenden Gestaltungsmacht handelt. 60 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung i m P r i v a t recht, S. 353.
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kann, nicht geleugnet werden. Aber auch bei ihr liegt die eigentliche Sanktion für das vertragswidrige Verhalten nicht i n der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber als solcher, sondern i n dem Verlust des Arbeitsplatzes als Erwerbsquelle und der damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheit, die trotz des vorhandenen Netzes an sozialen Sicherungen immer noch fühlbar ist. Der Arbeitgeber, der als Eigentümer der Produktionsmittel auch über die Arbeitsplätze verfügt, ist deshalb auch und gerade bei der Kündigung zur austeilenden Gerechtigkeit verpflichtet. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers durch den Gleichbehandlungsgrundsatz aus dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit sind m. E. nicht berechtigt 61 . Zwar kann die Kündigung m i t Einschränkungen, die sich aus ihrer Rechtsnatur als einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung ergeben, als actus contrarius zum Abschluß des Arbeitsvertrages aufgefaßt werden, für den der prinzipielle Vorrang der Vertragsfreiheit bejaht wurde 6 2 . Ebenso wie für den Abschluß des Arbeitsvertrages aber der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht uneingeschränkt g i l t 6 3 , ist die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers bei der Kündigung schon von Gesetzes wegen durch die Bindung an Kündigungsgründe und Kündigungsfristen eingeschränkt 64 . Bei der notwendigen Abwägung zwischen der Einschränkung des Kündigungsrechts durch den Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Interesse des privatautonom handelnden Arbeitgebers an einer möglichst uneingeschränkten Kündigungsfreiheit ist auch zu berücksichtigen, daß das Benachteiligungsverbot des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in Betrieben, i n denen ein Betriebsrat besteht, auch bei der Kündigung zu beachten ist 6 5 und dadurch eine Differenzierung nach den dort aufgeführten Merkmalen bei der Ausübung des K ü n d i gungsrechts ohnehin ausgeschlossen ist 6 6 . Auch für die außerordentliche Kündigung als ultima ratio zur Auflösung eines notleidend gewordenen ei Kittner, B B 1974, S. 1490, spricht der Vertragsfreiheit überhaupt jede Relevanz f ü r die Frage der Gleichbehandlung ab, w e i l es gerade darum gehe, durch das Gleichbehandlungsgebot die privatautonome Macht des über die Arbeitsmittel verfügenden Arbeitgebers rechtlichen Schranken zu u n t e r werfen. Er übersieht m. E., daß der Interessenausgleich u n d die Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern u n d ihre gegenseitige Beschränkung geradezu ein Grundmuster unserer Rechtsordnung ist. 62 Siehe oben Einleitung. 63 Vgl. § 4 SchwbG, § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 64 Vgl. Hiersemann, Arbeitsrecht der Gegenwart 1968, S. 68, der allerdings zu weitgehend davon spricht, daß die K ü n d i g u n g der Privatautonomie schon entzogen sei. es Dietz / Richardi, BetrVG, 5. Aufl., A n m . 17 bis 19 zu §75; Fitting / Auf farth / Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., A n m . 18 zu §75; Thiele i n G K - B e t r V G Rdnr. 25 zu § 75. 66 Unter Hinweis auf § 51 Abs. 1 Satz 1 B e t r V G 1952 ( = § 75 Abs. 1 Satz 1 B e t r V G 1972) w i r d die Auffassung vertreten, daß „flagrante" Verstöße gegen
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Arbeitsverhältnisses kann nichts anderes gelten. Denn die wirtschaftlichen Folgen für den schutzbedürftigen Arbeitnehmer, der sofortige Verlust des Arbeitsplatzes, zeitweiser Entzug der Arbeitslosenunterstützung 67 , lassen gerade hier eine willkürliche Handhabung als m i t dem Gedanken der Gerechtigkeit unvereinbar erscheinen. Eine unzumutbare Einschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ist damit nicht verbunden. Denn einerseits sind die Fälle, i n denen gegen eine Kündigung m i t dem Gesichtspunkt notwendiger Gleichbehandlung operiert werden kann, i n der Praxis selten, wenngleich die Betriebspraxis auch für diese seltenen Fälle eine befriedigende Lösung verlangt. Andererseits geht die Pflicht zur Gleichbehandlung nur darauf, i m Rahmen des betrieblich Möglichen alle gleichmäßig zu behandeln 68 . Bei der Kündigung kann eine Gleichbehandlung viel eher an den betrieblichen Möglichkeiten scheitern, weil der Arbeitgeber anders als bei der Zuwendung freiwilliger Sozialleistungen nicht von sich aus den Rahmen bestimmt, innerhalb dessen Gleichbehandlung überhaupt möglich ist. Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der Ergebnisse oder ihrer Praktikabilität können bei einer behutsamen Abgrenzung der Tragweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber dem betrieblich Möglichen nicht bestehen. M i t dieser Einschränkung w i r d man einer Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung kaum widersprechen können. Eine genauere Uberprüfung der Rechtsprechung, die eine Gleichbehandlungskontrolle bisher ganz überwiegend ablehnt 6 9 , gibt schließlich auch ein differenziertes Bild. I n nicht wenigen Entscheidungen werden nämlich der grundsätzlich ablehnenden Stellungnahme als hilfsweise oder zusätzliche Begründung Erörterungen über die tatsächliche Ungleichheit der vorliegenden Sachverhalte beigefügt, die an sich überflüssig wären, wenn die Gerichte den Satz, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Ausübung von Gestaltungsrechten nicht zur Anwendung kommt, für ausreichend und die Entscheidung allein tragend hielten 7 0 . Wer aber die Ungleichheit der Tatbestände prüft, setzt das Gerechtigkeitsempfinden zur U n w i r k s a m k e i t der K ü n d i g u n g führen. Vgl. Wiedemann , Das Arbeitsverhältnis als Austausch- u n d Gemeinschaftsverhältnis, S. 103; Nikisch, B B 1954, S. 809, 811; derselbe i n Arbeitsrecht Bd. I, 3. Aufl., S. 511. 6 7 Vgl. § 119 Abs. 1 Ziff. 1 AFG. Buchner, R d A 1970, S. 229. 69 ζ. B. L A G Stuttgart D B 1952, S. 232; L A G Hannover A P 52 Nr. 83; L A G Hannover B B 1952, S.291; L A G Saarbrücken ARSt X X V Nr. 251; A r b G U l m A R S t X I X Nr. 168; A r b G Bremen A R S t X I X Nr. 451; A r b G Husum D B 1964, S. 1596; A r b G Wilhelshaven W A 1956, S. 172; A r b G Heidelberg W A 1964, S. 114. 70 Vgl. L A G H a m m B B 1968, S. 425; A r b G Wilhelmshaven W A 1964, S. 114; A r b G Herne A R S t 1968, S. 94; A r b G U l m ARSt X I X Nr. 58.
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unausgesprochen die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bereits voraus. V. Änderungskündigung und Gleichbehandlung
§ 2 Satz 1 KSchG definiert die Änderungskündigung als Kündigung i n Zusammenhang m i t dem Angebot einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen. I m Arbeitsleben am gebräuchlichsten dürften die unbedingte Kündigung verbunden m i t dem Angebot zum Abschluß eines Arbeitsvertrages zu geänderten Bedingungen und die Kündigung unter der Bedingung, daß der Kündigungsempfänger einer gleichzeitig angetragenen Vertragsänderung nicht zustimmt, sein. I n beiden Fällen kommt es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung der sozialen Rechtfertigung nach § 2 KSchG, annimmt. Die Annahme w i r d häufig davon abhängen, ob der Arbeitnehmer die Änderung seiner Arbeitsbedingungen i m Verhältnis zum Arbeitgeber und zu seinen Kollegen als gerecht empfindet. Dementsprechend stellt sich das Problem der Gleichbehandlung i n erster Linie für das m i t der Kündigung verbundene Änderungsangebot des Arbeitgebers. M i t der Berufung auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit kann sich der Arbeitgeber i n diesem Falle einer Überprüfung seiner Maßnahme am Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entziehen. Zwar kann sich der einzelne Arbeitnehmer m i t einer ungleichen Behandlung, die ihn allein benachteiligt, einverstanden erklären. Insoweit geht der Grundsatz der Vertragsfreiheit dem Gleichbehandlungsgebot vor. Anders als beim Abschluß des Arbeitsvertrages ist der Arbeitgeber aber innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses hinsichtlich des Änderungsangebotes in seiner Privatautonomie eingeschränkt. I m Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes muß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sein 71 . Dieser Maßstab bezieht sich i n erster Linie auf die Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Darüber hinaus sollte es dem Arbeitgeber aber auch verwehrt sein, durch das Druckmittel der Änderungskündigung die Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer individuell diskriminierenden Ungleichbehandlung gegenüber anderen Arbeitnehmern zu erzwingen 72 . Diese Auffassung w i r d gestützt durch einen Vergleich m i t allgemein anerkannten Gleichbehandlungsfällen. 71 Vgl. § 4 Satz 2 KSchG. 72 Ebenso Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 370. F ü r eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Änderungskündigung offenbar auch Büchner, R d A 1970, S. 229.
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§10. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers
Nach der Rechtsprechung ist der Arbeitgeber bei einer allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen verpflichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes allen Arbeitnehmern das gleiche A n gebot zu machen 73 . Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb es bei einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen etwa durch Herabsetzung der übertariflichen Löhne anders sein soll. Dabei w i r d nicht verkannt, daß der Arbeitgeber i m ersten Fall den Umfang der vorgesehenen Verbesserungen selbst bestimmt, während Änderungskündigungen zur Herabsetzung der Löhne, sofern sie nicht i m Einzelfall eine Reaktion des Arbeitgebers auf nachlassende Leistungen darstellen, durch betriebliche Erfordernisse bedingt sein werden. Unter dem Gesichtspunkt der austeilenden Gerechtigkeit rechtfertigt dies jedoch keine unterschiedliche A n t w o r t in der Frage der Gleichbehandlung. I n der Praxis ist der Arbeitgeber häufig gar nicht gezwungen, eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an verschlechterte wirtschaftliche Verhältnisse seines Betriebes i m Wege der Änderungskündigung durchzusetzen, weil er sich den Widerruf von übertariflichen Lohnbestandteilen, Leistungszulagen oder anderen zusätzlichen Leistungen vorbehalten hat. Das Bundesarbeitsgericht geht i n ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Ausübung eines derartigen Widerrufsvorbehalts unter der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht 7 4 . Wenn es indessen nur eine Frage der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ist, ob der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen durch Ausübung eines vertraglichen Gestaltungsrechts oder i m Wege der Änderungskündigung durchsetzt, Widerrufsvorbehalt und Änderungskündigung also die gleiche Funktion erfüllen, ist es nur konsequent, das Gleichbehandlungsgebot auch auf die Änderungskündigung anzuwenden. Handelt es sich um eine Massenänderungskündigung, stützen kollektive Gesichtspunkte zusätzlich diese Auffassung. Soweit die Änderungskündigung sich als kollektivrechtlicher Gestaltungsakt darstellt 7 5 , fällt sie unter das Gleichbehandlungsgebot des Arbeitskampfes. Qualifiziert man sie als individualrechtlichen Gestaltungsakt, so ergibt sich 73 Vgl. B A G A P Nr. 15 zu § 242 B G B Gleichbehandlung. 74 Siehe oben § 6 I I 2. 75 Die Massenänderungskündigung des Arbeitgebers zur Durchsetzung einzelvertraglicher Regelungsziele w i r d von der Rechtsprechung als zulässige individualrechtliche Maßnahme angesehen. Vgl. B A G A P Nr. 1 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; B A G A P Nr. 4 zu § 56 B e t r V G 1952: B A G A P Nr. 25 zu § 123 GewO; A r b G Rheine v o m 19. 6.1967, D B 1967, S. 1224. Kritisch gegenüber dem Einsatz der k o l l e k t i v e n Änderungskündigung als individualrechtliches Gestaltungsmittel aus Gründen der Kampfparität Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 3931; gegen i h n Seiter 3 Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 399 f., jeweils m i t weiteren Nachweisen.
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schon aus dem einheitlichen, quasinormativen Vorgehen des Arbeitgebers ein Ansatzpunkt für Gleichbehandlungsüberlegungen 76 . Beruht die Änderungskündigung auf betrieblichen Erfordernissen, werden sich die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes und Gleichbehandlungsgesichtspunkte wie bei der Einzelkündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen weitgehend decken 77 . Für die Massenänderungskündigung gilt dies allerdings nur, wenn man sie dem Kündigungsschutzgesetz unterstellt 7 8 . W i r d die Änderungskündigung vom Arbeitgeber dagegen auf Gründe in der Person des betroffenen Arbeitnehmers, etwa auf mangelnde Leistung gestützt, kommt es auf soziale Erwägungen nicht an und die Wirksamkeit der Kündigung ist allein am Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen 7 9 . § 11. Gleichbehandlung i m Arbeitskampf
Unter dem herrschenden kollektiven Arbeitskampfkonzept mag eine Verknüpfung von Gleichbehandlungsfragen bei der Ausübung von Gestaltungsrechten m i t solchen des Arbeitskampfes auf den ersten Blick wenig sinnvoll erscheinen. I m Arbeitskampf überschneiden sich jedoch kollektivrechtliche und individualrechtliche Gestaltungsmittel, und die Diskussion über ihre Abgrenzung ist keineswegs abgeschlossen. Umstritten sind nicht nur die Abgrenzung von Aussperrung und Massenänderungskündigung 1 sowie die kollektivrechtliche Legitimation des wilden Streiks 2 . Auch der kollektive Charakter der Aussperrung w i r d i n der Literatur zum Teil in Frage gestellt 3 . 76 Vgl. oben § 3 I I . 77 Vgl. oben § 10 I I I 2. 78 Eine Überforderung der Gerichte m i t der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung befürchten Säcker, G r u p penautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 394; Ramm, B B 1964, S. 1174, 1178; H err schei, B B 1970, S. 5, 8; i m Anschluß an Herrschel B A G A P Nr. 142 zu §242 B G B Ruhegehalt. 7» I n der Praxis gehen v o r allem größere Betriebe dazu über, periodische Leistungsbeurteilungen einzuführen, die i m Streitfall f ü r die Gerichte eine Hilfe bei der Rechtsfindung sein können. 1 Vgl. die Übersicht bei Zöllner, R d A 1969, S. 250, 251; ferner Säcker, Gruppenautonomie u n d Übermachtkontrolle, S. 385 f.; Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 399 f. 2 Die w o h l h. M. hält n u r den verbandsmäßig geführten Arbeitskampf für legitim: vgl. B A G E 15, S. 174 (191 f.); 15, S. 202 (205); B A G B B 1970, S. 126 f.; Dietz JuS 1968, S. 6; Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., § 49 I I , S. 1005 f.; Brox / Rüthers, Das Recht i m Arbeitskampf, S. 38 f.; Bertele, Rechtsnatur u n d Rechtsfolgen der Aussperrung, S. 59. Die entgegengesetzte Auffassung v e r t r i t t vor allem Ramm, Der Arbeitskampf u n d die Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes, S. 188 f. 3 Vgl. z.B. Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 337, 356; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 124 f.
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§11. Arbeitskampf I . Aussperrung und Gleichbehandlung
I m Arbeitskampf steht als Reaktion des Arbeitgebers auf einen Streik der Arbeitnehmer zunächst die Aussperrung als kollektives Kampfmittel i m Vordergrund. Die Wirkung der Aussperrung auf das Einzelarbeitsverhältnis besteht regelmäßig i n der Suspendierung der Hauptpflichten, nämlich der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und der Vergütungspflicht des Arbeitgebers 4 . Insoweit geht die Aussperrung über das sonst anerkannte Suspendierungsrecht des Arbeitgebers i n seiner rechtsgestaltenden W i r k u n g hinaus. Nach dem kollektiven Arbeitskampfkonzept 5 handelt es sich bei der Suspendierung der Arbeitsverhältnisse der streikenden Arbeitnehmer durch Aussperrung nicht um die Ausübung eines individualrechtlichen Gestaltungsrechts, sondern um ein einseitiges kollektivrechtliches rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft, einen kollektivrechtlichen Kampfakt, der als solcher nicht m i t individualrechtlichen Maßstäben gemessen werden darf 6 . Gegen den kollektiven Charakter der Aussperrung w i r d eingewendet, daß zumindest die Aussperrung durch einen einzelnen Arbeitgeber schon deshalb nur eine individualrechtliche Maßnahme sein könne, weil nach dem juristischen Handlungsbegriff als Zurechnungsobjekt für die Aussperrung nur das Individuum Arbeitgeber zur Verfügung stehe 7 und die Kollektivität sich auf die Arbeitnehmerseite beschränke 8 . Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dies ausreicht, den kollektiven Charakter der Aussperrung in Frage zu stellen. Denn sowohl als kollektiver Kampfakt wie als individualrechtliches Gestaltungsrecht, dem eine kollektive W i r k u n g nur hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der streikenden Arbeitnehmer eigen ist 9 , steht die Suspendierung der Arbeitsverhältnisse durch die Aussperrung als Arbeitskampfmaßnahme unter dem Gebot des „alle oder keinen" der Gleichbehandlung 10 . Dabei 4 B A G A P Nr. 43 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf Leitsatz 2; für eine regelmäßige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Aussperrung noch B A G A P Nr. 1 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf. s B A G A P Nr. 1 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf i m Anschluß an Bulla, Festschrift f ü r Nipperdey 1955, S. 163 f. 6 Nipperdey / Säcker i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., 7. Aufl., S. 902 m i t weiteren Nachweisen. 7 Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 124, 125 f. 8 Scholz, S. 222 Fußnote 25; vgl. auch Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, S. 18, 19; Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 49, 356, der die Aussperrung ebenso w i e das Streikrecht als Gestaltungsrecht ansieht; ferner Meissinger, A u R 1954, S. 353, 355; L A G Bayern, A m t s b l a t t 1954, C 153, 160. 9 Ramm, Der Arbeitskampf u n d die Gesellschaftsordnung des G r u n d gesetzes, S. 196. 10 Nipperdey / Säcker i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., 7. Aufl., S. 902, 903.
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käme es einem Zirkelschluß gleich, die Begründung für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wiederum aus dem kollektiven Charakter der Aussperrung abzuleiten. Die Kollektivität der Aussperrung entspringt zunächst einer soziologischen Betrachtungsweise 11 , wenn man das Arbeitskampfziel Kollektivvertrag einmal außer acht läßt. Rechtlich steht, nicht anders als bei der Ausübung eines individualrechtlichen Gestaltungsrechts gegenüber mehreren Arbeitnehmern, die Vielzahl gleicher Tatbestände i m Vordergrund, auf die der Arbeitgeber zu reagieren gezwungen ist. Der kollektive Charakter der Aussperrung ist somit die Kennzeichnung des Sachverhalts, daß ihre Ausübung m i t den Worten Götz Huecks per definitionem „betriebsbezogen" ist 1 2 . Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Aussperrung ist deshalb nicht lediglich eine formale Konsequenz aus ihrem kollektiven Charakter, sondern das Gleichbehandlungsgebot hat auch hier selbständige Rechtsqualität. Anerkennt man Streik und Aussperrung als M i t t e l privatautonomer Zweckverfolgung i m Rahmen der Tarifautonomie 1 3 , so ist die Verfolgung arbeitskampffremder individualrechtlicher Zwecke durch eine Beschränkung des kollektiven Kampfmittels Aussperrung auf einzelne oder Gruppen von Streikenden nicht nur funktionswidrig, sondern stellt auch den Mißbrauch einer Gestaltungsbefugnis dar, die dem Arbeitgeber i m Interesse einer privatautonomen Regelung der Arbeitsbedingungen eingeräumt ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher auch hier Korrektiv gegenüber dem willkürlichen Gebrauch dieser Rechtsmacht. Darin liegt, wenn man es bei dem kollektiven Charakter der Aussperrung belassen w i l l , eine Parallele zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Ausübung individualrechtlicher Gestaltungsrechte durch den Arbeitgeber 1 4 . Die spezifisch arbeitskampfrechtliche Ausgestaltung des W i l l k ü r v e r botes der Gleichbehandlung bei der Aussperrung wurzelt i n dem Gedanken der Kampfparität. Wäre es dem Arbeitgeber gestattet, einzelne streikende Arbeitnehmer auszusperren, wäre es ihm schon dadurch möglich, den Kampfwillen der Streikenden zu brechen. Die Verringerung der Gefahr einer diskriminierenden Behandlung wurde daher auch zu Recht als Vorzug der kollektiven Arbeitskampfkonzeption empfunden 1 5 . Sachliche Differenzierungen sind dem Arbeitgeber indessen 11 Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 125, Fußnote 25; Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 20. 12 Bötticher, Waffengleichheit u n d Gleichbehandlung i m kollektiven A r beitsrecht, S. 8, weist darauf hin, daß die K ü n d i g u n g wegen der Vertragsbrüche der Streikenden auch nach der individualrechtlichen Konzeption wie der kollektive Gesamtakt der Aussperrung „uno actu" erfolgt sei. 13 Vgl. oben § 5 I I . 14 Vgl. oben § 2 I V . Nipperdey i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I I 2. Halbbd., 6. Aufl., S. 620 Fußnote 59.
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§11. Arbeitskampf
auch bei der Aussperrung nicht verboten. So kann er unter Umständen die Aussperrung auf einzelne Betriebsteile beschränken. Die Beschränkung muß aber auf arbeitskampfrechtlichen Gründen beruhen. Die Grenze für eine zulässige beschränkte Aussperrung verläuft formal gesehen dort, wo sie sich nicht mehr als Kampfmaßnahme darstellt, sondern nur noch Vorwand für Rechtshandlungen i m individualrechtlichen Bereich ist 1 6 . I I . Gleichbehandlung bei der Kündigung des Arbeitgebers als Reaktion auf einen wilden Streik
Das Bundesarbeitsgericht gibt dem Arbeitgeber gegenüber einem rechtswidrigen Streik die Wahl zwischen Aussperrung und Kündigung und w i l l ihn bei der Kündigung, anders als bei dem kollektiven Kampfmittel der Aussperrung, nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz binden. Dies macht für den streikbetroffenen Arbeitgeber die Versuchung geradezu unwiderstehlich, den Streik dadurch zu brechen, daß er einzelne Arbeitnehmer zur Arbeit auffordert und die Kündigung ausspricht, wenn sie der Aufforderung nicht nachkommen 17 . Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Vorgehen der herausgreifenden Kündigung i n einer jüngeren Entscheidung gebilligt 1 8 . Es bestätigte seine Auffassung, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der K ü n digung keine Anwendung finde 19, und fügte hinzu, dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber bei Vorliegen besonderer Umstände sofort handeln müsse, um die Ordnung i m Betrieb aufrecht zu erhalten 2 0 . Der Arbeitnehmer, an den sich der Arbeitgeber einzeln m i t der Aufforderung wende, die Arbeit wieder aufzunehmen, befinde sich zudem i n einer anderen Lage als jene, an die lediglich allgemein die Aufforderung ergangen sei, weiter zu arbeiten. I m Hinblick auf frühere Entscheidungen hätte es nahe gelegen, das Gleichbehandlungsproblem über den Begriff der Unzumutbarkeit zu lösen 21 . Den entsprechenden ™ Nikisch, SAE 1956, S. 11; vgl. auch Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung i m k o l l e k t i v e n Arbeitsrecht, S. 10; Tomandl, Streik u n d Aussperrung als M i t t e l des Arbeitskampfes, S. 289; Esser, B B 1959, S. 1312 f.; ferner B A G A P Nr. 43 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf Bl. 312 VS. 17 Die Gesamtmetallrichtlinien enthalten sogar die Empfehlung, denjenigen Arbeitnehmern gezielt die fristlose K ü n d i g u n g anzudrohen, die als D r a h t zieher festgestellt werden. Vgl. Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 381 Fußnote 46. is B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter 3. u n d 4. der Gründe. i» So schon B A G A P Nr. 1 zu § 14 AZO. 20 Nach dem i n der A P mitgeteilten Sachverhalt hatte die Belegschaft die fristlose Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden m i t einem w i l d e n Streik beantwortet u n d die wiederholte Aufforderung, die A r b e i t aufzunehmen, nicht befolgt. Die an die spätere K l ä g e r i n gerichtete A u f forderung wurde von i h r m i t dem Hinweis beantwortet: „Wenn alle, ja." Daraufhin wurde i h r fristlos gekündigt.
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Hinweis der Revision wies das Bundesarbeitsgericht jedoch zurück: Der Arbeitgeber habe damit, daß er sich auf die fristlose Entlassung der Klägerin beschränkt habe, nicht zu erkennen gegeben, er halte die der Klägerin vorgeworfenen, von den übrigen streikenden Arbeitnehmerinnen gleichfalls begangenen Handlungen, nicht für schwerwiegend genug, um eine fristlose Kündigung auszusprechen. Er habe insbesondere nicht zu erkennen gegeben, daß er andere Streikteilnehmer selbst dann nicht entlassen hätte, wenn diese nach Entlassung der Klägerin die Arbeit nicht wieder aufgenommen hätten 2 2 . Hier zeigt sich, daß das Gleichbehandlungsproblem über den Begriff der Zumutbarkeit nicht zu lösen ist, weil — je nach dem angestrebten Ergebnis — das Verhalten des Arbeitgebers i n gleichgelagerten Fällen berücksichtigt werden kann oder nicht und damit i m Ergebnis die Zumutbarkeitsfrage weitgehend subjektiviert w i r d 2 3 . Soweit das Bundesarbeitsgericht hilfsweise argumentiert, die Lage der gekündigten Arbeitnehmerin sei durch die an sie gerichtete zusätzliche Aufforderung eine andere geworden, wurde dem zu Recht entgegengehalten, daß die zusätzliche Aufforderung in dem zu entscheidenden Fall überflüssig war, weil der Arbeitgeber alle Arbeitnehmer mehrmals abgemahnt hatte 2 4 . Die Gründe, die das Bundesarbeitsgericht, abgesehen von der Wiederholung seiner These von der Gleichbehandlungsfeindlichkeit der Gestaltungsrechte, gegen eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung gegenüber w i l d streikenden Arbeitnehmern anführt, überzeugen also nicht. Zusätzliche Argumente gegen die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und für eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben sich darüber hinaus aus der kollektiven Arbeitskampfkonzeption. Zwar w i r d die Teilnahme am wilden Streik ganz allgemein als 21 Vgl. B A G A P Nr. 1 zu § 14 A Z O unter V I I . u n d B A G A P Nr. 3 zu § 13 KSchG unter 3. 22 B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter 4. der Gründe. 23 Vgl. Rüthers i n der A n m e r k u n g zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG A r beitskampf unter V I . 1.: „ I m Grunde w a r die Fortsetzung aller Arbeitsverhältnisse für den Arbeitgeber unzumutbar; er k a n n aber gar nicht alle Arbeitnehmer kündigen, wenn er nicht seinen Betrieb aufgeben w i l l . " 24 Schmidt, B B 1973, S. 434, der darauf hinweist, daß die an einen w i l l kürlich ausgewählten einzelnen Arbeitnehmer gerichtete Aufforderung zur Arbeitsaufnahme die K ü n d i g u n g nicht rechtfertigen könne. Seine Begründung, die Aufforderung schaffe erst den Kündigungsgrund u n d transponiere den Arbeitnehmer aus dem gleichbehandlungspflichtigen Kollektivbereich i n die Individualsphäre, ist zwar geeignet, die starre H a l t u n g der Rechtsprechung, insbesondere des B A G , gegenüber der Gleichbehandlung bei der K ü n d i g u n g zu umgehen. Sie läßt aber die eigentliche Problematik, ob die Ausübung des Kündigungsrechts durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist, offen. Vgl. ferner Mayer-Maly i n A n m e r k u n g zu Arbeitsrechtsblattei, Arbeitskampf I I , Entscheidung 16, der dem B A G einen schlimmen Zirkelschluß v o r w i r f t .
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wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB angesehen 25 . Der kollektive Charakter des wilden Streiks w i r d jedoch, soweit ersichtlich, von den Vertretern der kollektiven Arbeitskampfkonzeption nicht bestritten 2 6 . Erst die Illegitimität des wilden Streiks i m kollektiven Bereich führt zur Rechtswidrigkeit auch i m individualrechtlichen Bereich und damit zur Zulässigkeit auch individualrechtlicher Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers. Wenn aber der Arbeitskampf als einheitliches Geschehen individualrechtlich nicht anders behandelt werden kann als kollektivrechtlich 2 7 , so muß dies auch zu einer Anpassung der streikbedingten Kündigung an die Schranken des Arbeitskampfrechts führen. Denn es ist nicht einzusehen, daß der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist, wenn er die Aussperrung wählt, m i t der Kündigung aber einen beliebigen einzelnen Arbeitnehmer herausgreifen kann, um auf das kollektive Verhalten der anderen Druck auszuüben. Damit überschreitet die Kündigung den Funktionsbereich individualrechtlicher Kündigungen und w i r d zu einer Maßnahme des Arbeitskampfes i m individualrechtlichen Gewand 2 8 . I h r Einsatz w i r d auch nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, ein ,.Exempel" zu statuieren 2 ^. Zwar ist eine gewisse 25 A. Hueck i n Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. I, 7. Aufl., S. 604 Fußnote 6; Landmann / Rohmer, GewO, A n m . 35 zu §123; Auff arth / Müller, KSchG (1960), A n m . 175 zu § 1 ; Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, § 9 I V d ; Knevels, Arbeitgeber 1970, S. 729; Siebrecht, Das Recht i m Arbeitskampf, 3. Aufl., S. 75; B A G A P Nr. 5 zu §123 GewO; B A G A P Nr. 24 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; zuletzt B A G A P Nr. 43 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; nach Schmidt, B B 1973, S. 433 muß zur Teilnahme am Streik hinzukommen, daß sich der Arbeitnehmer der an i h n gerichteten Aufforderung zur Arbeitsaufnahme ausdrücklich widersetzt; ähnlich Rüthers i n A n m e r k u n g zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf unter I V . 2 c; a. M. Ramm, A u R 1971, S. 65 f., 74 u n d 97 f., 105, der über den Sozialstaatsgedanken u n d den auch i n der Bundesrepublik u n m i t t e l b a r geltenden A r t . 6 der Europäischen Sozialcharta zu einer grundsätzlichen Gleichstellung des gewerkschaftlichen Streiks m i t dem nicht gewerkschaftlichen Streik kommt, den er als nicht rechtsw i d r i g ansieht u n d deshalb das Vorliegen eines wichtigen Grundes verneint. 26 Anders Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I I (1959), S. 165, 166, der das v o m B A G i m Anschluß an B u l l a entwickelte System des Arbeitskampfrechts ablehnt. 27 B A G A P Nr. 1 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf, Leitsatz 1 u n d unter I. 4 der Gründe. 28 Vgl. Rüthers i n A n m e r k u n g zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter V I . 3 a; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I I , 3. Aufl., S. 165, 166, der die K ü n d i g u n g aus Anlaß eines Streiks ausnahmsweise dem Gleichbehandlungsgebot unterstellt, w e i l ein Streik seinem Wesen nach n u r gemeinsam geführt werden könne; Nüss, N J W 1962, S. 1957, w i l l dem Arbeitgeber deshalb n u r das K a m p f m i t t e l der Aussperrung geben bis auf jene Fälle, i n denen das Verhalten der Streikteilnehmer über die einfache Streikbeteiligung hinausgeht; anders der Große Senat des B A G i n A P Nr. 43 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter I I I D 2 b der Gründe, der diese K ü n d i g u n g ausschließlich individualrechtlich behandelt wissen w i l l . 29 L A G Hamm, Saarl. A r b K 1968, S.371; A r b G München, A R S t X X V I , S. 72; kritisch auch Buchner, R d A 1970, S. 230.
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Präventivwirkung auch i n anderen Fällen m i t der Kündigung verbunden. Nicht selten sieht sich der Arbeitgeber gerade dadurch zur K ü n digung veranlaßt, weil er verhindern w i l l , daß ein entsprechendes Fehlverhalten Schule macht. W i r d die Kündigung aber ausschließlich kollektivbezogen eingesetzt, um den Willen einer Personenmehrheit durch Vorgehen gegen w i l l k ü r l i c h herausgegriffene einzelne zu brechen, verstößt sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage nach einer zulässigen Verknüpfung von M i t t e l und Zweck 3 0 . Der betroffene Arbeitnehmer muß es nicht nur als Härte empfinden, wenn er wie i n dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall zunächst als einziger seiner Gruppe aufgefordert wird, die verweigerte Arbeit aufzunehmen und i m Falle der Weigerung gekündigt wird, sondern auch als Diskriminierung. Daran ändert es auch nichts, wenn der Arbeitgeber grundsätzlich gewillt ist, gegen alle vorzugehen und jeder beliebige andere Arbeitnehmer bei entsprechendem Verhalten von der gleichen Maßnahme bedroht ist 3 1 . Dieser Wille entzieht sich der Wahrnehmung und somit auch einer gerichtlichen Nachprüfung. I m übrigen verfolgt der Arbeitgeber m i t der Kündigung gegenüber einem einzelnen i n der Regel ja gerade den Zweck, eine Aussperrung oder Kündigung der ganzen Belegschaft zu vermeiden. Schließlich w i r d dem Arbeitnehmer die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht deshalb genommen, w e i l seine Teilnahme an dem illegitimen Streik rechtswidrig ist. Richtig ist, daß das Verhalten des w i l d streikenden Arbeitnehmers auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn er sich allein aus Gründen der Solidarität dem Streik angeschlossen hat. Die Berufung auf das unrechtmäßige Handeln der anderen Streikteilnehmer macht sein Verhalten individualrechtlich gesehen nicht weniger rechtswidrig 3 2 . Dagegen erweckt die Formulierung, der Gleichbehandlungsgrundsatz dürfe es einem rechtswidrig handelnden einzelnen nicht ermöglichen, sich durch Solidarisierung einer Inanspruchnahme zu entziehen, Bedenken 33 . Sie gerät zumindest i n die Nähe der Argumentation, daß sich der als einzelner von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer gerade wegen der Rechtswidrigkeit seines Handelns nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen könne. so Vgl. Lieb, SAE 1970, S. 232 f., i n der A n m e r k u n g zur Entscheidung B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf; Kittner, B B 1974, S. 1488 (1489), macht gegen die K ü n d i g u n g einzelner an einem w i l d e n Streik Beteiligter Bedenken aus A r t . 1 G G geltend, w e n n sie n u r dazu eingesetzt w i r d , den W i l l e n der übrigen Streikteilnehmer zu beeinflussen. 31 So aber offenbar Buchner, R d A 1970, S. 230. 32 B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter 2. der Gründe. 33 Buchner, R d A 1970, S. 230.
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Dafür läßt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ein dogmatischer Ansatzpunkt finden. Die Erörterung des Grundsatzes der Solidarität i m Zusammenhang m i t der Rechtswidrigkeit der Teilnahme am Streik zeigt, daß auch das Bundesarbeitsgericht eine Bewertung unter kollektiven Gesichtspunkten zumindest erwägt. Gegen eine Einschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers gegenüber einzelnen w i l d streikenden Arbeitnehmern durch Übertragung kollektiver Wertungen 3 4 bestehen m. E. auch keine methodischen Bedenken 35 . Zwar w i r d dagegen eingewendet, die Beschränkung des Kündigungsrechts durch kollektive Wertungsgesichtspunkte laufe darauf hinaus, den wilden Streik ausschließlich kollektivrechtlich zu bewerten und damit das Arbeitskampfsystem des Bundesarbeitsgerichts wesentlich zu verändern. Unter der vom Bundesarbeitsgericht geforderten einheitlichen Betrachtungsweise ist die Berücksichtigung der Tatsache, daß ein Streik nur von mehreren Arbeitnehmern gemeinschaftlich durchgeführt werden kann, auch i m individualrechtlichen Bereich nur konsequent. Sie wird, allerdings i n umgekehrter Richtung, von der Rechtsprechung auch praktiziert. § 25 KSchG, der von Maßnahmen i n wirtschaftlichen Kämpfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern spricht, w i r d auch auf wilde Streiks angewendet 36 und dadurch den Arbeitnehmern der individualrechtliche Kündigungsschutz genommen 37 . Ferner sollen auch beim wilden Streik die nicht streikenden Arbeitnehmer ausgesperrt werden können 3 8 , während individualrechtlich ein rechtswidriges Verhalten und somit ein Kündigungsgrund bei ihnen nicht gegeben ist. Auch i m Rahmen der Betriebsrisikolehre w i r d der kollektive Charakter des wilden Streiks auf der Arbeitnehmerseite berücksichtigt. Anders als es die Bewertung der Teilnahme an einem wilden Streik als individualrechtlich vertragswidriges Handeln des einzelnen Beteiligten nahelegt, w i r d ein Band solidarischer Verbundenheit zwischen der gesamten Belegschaft zur Begründung einer gemeinsamen Haftung für Lohnausfälle angenommen 39 . Auch 34 Wenn m a n die A n w e n d u n g des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die K ü n d i g u n g gegenüber w i l d Streikenden so bezeichnen w i l l . 35 So aber Rüthers i n der A n m e r k u n g zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf unter V I . 3 c. 36 Vgl. Maus, KSchG (1973), A n m . 8 zu §25; ferner Auffarth / Müller, KSchG (1960), Anm. 1 zu §23; Hueck, KSchG, 9. Aufl., Anm. 2 f. zu §25 m i t der Einschränkung, daß n u r Kündigungen m i t k o l l e k t i v e m Charakter unter § 25 KSchG fallen. 37 Hueck, KSchG, 7. Aufl., A n m . 5 zu § 25, w i l l § 25 KSchG n u r dann eingreifen lassen, wenn die K ü n d i g u n g des Arbeitgebers kollektiven Charakter trägt. Denn von wirtschaftlichen Kampfmaßnahmen könne m a n n u r sprechen, wenn sie von einer größeren Z a h l von Arbeitnehmern ausgehe oder gegen sie gerichtet sei. 38 Vgl. B A G A P Nr. 6 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf, Leitsatz 3. 3ö B A G A P Nr. 3 zu § 615 Betriebsrisiko.
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hinsichtlich der Haftung des einzelnen Streikbeteiligten für den Schaden des Arbeitgebers w i r d den Streikenden die Gemeinsamkeit ihres Handelns zugerechnet und eine gesamtschuldnerische Haftung für den Gesamtschaden angenommen 40 . Wenn demgegenüber das Bundesarbeitsgericht für die Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem w i l d streikenden Arbeitnehmer feststellt, daß er sich zur Rechtfertigung seines Verhaltens nicht auf den Grundsatz der Solidarität berufen kann 4 1 , liegt darin ein Wertungswiderspruch. Einerseits w i r d zu Lasten der Arbeitnehmer, zum Teil der Nichtbeteiligten, die Kollektivität ihres Handelns betont und i h r rechtliche Bedeutung beigelegt. Andererseits soll die Gemeinsamkeit des Handelns bei der Ausübung des K ü n d i gungsrechts durch den Arbeitgeber auch nicht i m Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Beachtung finden 42. Das Problem der Kündigung gegenüber w i l d streikenden Arbeitnehmern läßt sich ohne Einbeziehung arbeitskampfrechtlicher Wertungen nicht sachgerecht lösen. Dies zeigt auch der Versuch Mayer-Malys, die herausgreifende Kündigung aus dem Prinzip der ultima ratio zu rechtfertigen: Wenn der Arbeitgeber, um willkürliche Ungleichbehandlung zu vermeiden, allen w i l d Streikenden kündigen müsse, werde er gezwungen, die Auseinandersetzung zu eskalieren und sich selbst einen empfindlicheren Schaden zuzufügen als der Gegenseite. Die Kündigung eines einzelnen sei daher als das mildere M i t t e l zur Erreichung des Kampfzieles gerechtfertigt 43 . Bedenken gegen die Aufopferung eines einzelnen w i l l er dadurch begegnen, daß der Arbeitgeber zunächst nur Streikenden kündigen darf, die einen größeren Anteil an der Arbeitsniederlegung haben, ohne Rücksicht auf den Grad ihrer Beteiligung herausgegriffene Streikteilnehmer aber, wie nach einer Aussperrung, wieder einstellen muß 4 4 . Schon i m Hinblick auf die Wiedereinstellung, 40 B A G A P Nr. 32 zu A r t . 9 G G Arbeitskampfrecht. 41 B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampfrecht unter 2. 42 Aus diesen Gründen erwägt Rüthers, A n m e r k u n g zu B A G A P Nr. 41 zu A r t . 9 GG Arbeitskampf, f ü r die K ü n d i g u n g gegenüber w i l d Streikenden eine Synthese zwischen k o l l e k t i v e m Recht u n d Individualarbeitsrecht, die zur U n w i r k s a m k e i t der K ü n d i g u n g führt, w e i l sie die durch das Arbeitskampfrecht gezogenen Grenzen überschreite. I h m folgend Kittner, B B 1974, S. 1488 (1489), nach dessen Ansicht bei einer K ü n d i g u n g gegenüber einzelnen w i l l k ü r l i c h herausgegriffenen Streikbeteiligten der Boden der i n d i v i d u a l rechtlichen Kündigungsdogmatik verlassen w i r d . 43 Mayer-Maly, A n m e r k u n g zu A R - B l a t t e i Arbeitskampf I I , Entscheidung 16. Auch unter diesem Aspekt w i l l Mayer-Maly die Entscheidung des B A G aber n u r begrenzt verteidigen. Vgl. auch Richardi, R d A 1970, S. 71, 72 Fußnote 93, der den Arbeitgeber bei der Wiedereinstellung an den Gleichbehandlungsgrundsatz bindet, w e i l bereits für die Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht kündigungsrechtliche, sondern arbeitskampfrechtliche Gesichtspunkte gälten. Offen gelassen von Lieb, SAE 1970, S. 232, 233. 44 Mayer-Maly, s. Fußn. 43; ähnlich Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 381, 382, der den Arbeitgeber allerdings von vornherein darauf 7 Egger
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die der Arbeitgeber ja unter Beachtung des billigen Ermessens und des Willkürverbotes vorzunehmen hat 4 5 , stellt sich die Frage, ob es nicht konsequenter ist, die Kündigung unter das Gleichbehandlungsgebot zu stellen 46 . Soweit die Kündigung auf Streikende beschränkt werden soll, die einen größeren Anteil an der Arbeitsniederlegung haben, handelt es sich ohnehin um eine Auswirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Denn sachliche Differenzierungen nach dem Grad der Beteiligung am wilden Streik und damit der Schwere des rechtswidrigen Verhaltens sind auch unter dem Gleichbehandlungsgrundsatz zulässig 47 . I n der Praxis werden Fälle, i n denen der Arbeitgeber w i r k l i c h vor der für ihn unbefriedigenden Alternative steht, allen Streikteilnehmern zu kündigen oder keinem, nicht allzu häufig sein. Kann er während des Streiks Arbeitnehmer m i t erhöhter Verantwortlichkeit nicht ermitteln, so muß von ihm verlangt werden, entweder niemand oder allen zu kündigen 4 8 . Sieht er sich außerstande, alle Arbeitnehmer, die die Wiederaufnahme der Arbeit verweigern, zu entlassen und w i l l er auch nicht ein erfahrungsgemäß schnell eintretendes Nachlassen des Streikwillens abwarten, ist es ihm zuzumuten, die Unzulässigkeit der Einzelkündigung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung hinzunehmen. Bei einer Bewertung dieses Ergebnisses darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß letzten Endes nicht Rechtsgründe, sondern wirtschaftliche Interessen den Arbeitgeber dazu bestimmen, vor einer Entlassung bzw. Aussperrung aller Streikenden durch die Kündigung eines einzelnen auf die übrigen Druck auszuüben 49 .
beschränken w i l l , jenen Arbeitnehmern zu kündigen, denen er auch bei Streikende die Wiedereinstellung versagen könnte. « B A G A P Nr. 1, 43 zu A r t . 9 G G Arbeitskampf. 4β Auch Mayer-Maly, s. Fußn. 43, weist darauf hin, daß es sich u m eine wertungsmäßig verwandte Problematik handle. 47 Kritisch allerdings Kittner, der von Ausnahmefällen, wie Sachbeschädigung oder Beleidigung abgesehen, die exponierte Stellung eines Streikbeteiligten, ζ. B. als Sprecher, nicht als Differenzierungsgrund anerkennen will. 48 Seiter, Streikrecht u n d Aussperrungsrecht, S. 382; ähnlich schon Nikisch, Arbeitsrecht Bd. I I , 3. Aufl., S. 165 f.; widersprüchlich Schmidt, B B 1973, S. 434, für den zwar die Aufforderung an einen einzelnen Streikenden gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt u n d dementsprechend keinen wichtigen G r u n d f ü r eine fristlose K ü n d i g u n g schafft, der Arbeitgeber aber nach einer Aufforderung an alle Streikenden zur Wiederaufnahme der A r b e i t bei der Ausübung des Kündigungsrechts nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. F ü r eine Gleichbehandlung auch L A G Hannover B B 1952, S. 173; L A G Düsseldorf D B 1961, S. 1459 u n d w o h l auch L A G Bayern, A B L B a y A r b M i n 1953, C 145. 49 So Lieb, SAE 1970, S. 233.
Ergebnis und Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, daß die These von der Nichtanwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Ausübung von Gestaltungsrechten weder aus den dogmatischen Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes noch des Gestaltungsrechts zu begründen ist. Vielmehr wird, wie die Rechtsprechung zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen durch den Arbeitgeber erkennen läßt, der Gleichbehandlungsgrundsatz gerade zur Kontrolle überlegener Gestaltungsmacht des Arbeitgebers eingesetzt. Diese Gestaltungsmacht läßt sich sowohl bei den freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers wie i m Bereich des Direktionsrechts dogmatisch vielfach als Gestaltungsrecht verstehen. Hiervon ausgehend lassen sich gegen die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber kaum durchschlagende Argumente finden. Bei der verhaltensbedingten Kündigung zeigte sich, daß m i t der These, das Gleichbehandlungsgebot gelte nicht für die Ausübung von Gestaltungsrechten, n u r ein i n der Tat schwer lösbarer Konflikt zwischen dem Arbeitnehmer inter esse am Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses und dem Arbeitgeberinteresse an einer möglichst weitgehenden Vertragsfreiheit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verdeckt wird. Wenn einzelne Instanzgerichte diesen Konflikt durch Gleichbehandlungsüb er legungen innerhalb der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung oder der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der außerordentlichen Kündigung zu lösen suchten, so hat sich dieser Weg als ungangbar erwiesen. Da sich dogmatische Gesichtspunkte gegen eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf das Gestaltungsrecht Kündigung nicht ergaben, bleibt sie in erster Linie eine Wertungsfrage, die nach der hier vertretenen Auffassung i m Sinne der das Arbeitsverhältnis auch sonst beherrschenden austeilenden Gerechtigkeit beantwortet werden muß. Für die betriebsbedingte Kündigung stellt bereits die Verpflichtung zur sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sicher, daß der Arbeitgeber keine willkürlichen Unterschiede i m Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes macht. I m Arbeitskampfrecht, das vom Grundsatz des „alle oder keinen" beherrscht wird, spricht das Nebeneinander von individualrechtlichem Gestaltungsrecht K ü n d i gung und kollektivrechtlichem Gestaltungsakt Aussperrung zusätzlich für eine Gleichbehandlungspflicht bei der Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber. 7*
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