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German Pages 278 [279] Year 2006
TANJA KOEHLER
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Aktienemissionen
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 191
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Aktienemissionen
Von Tanja Koehler
sp/M / Vtmcü) I Veritas f aJ Τρ&γ
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11768-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 Θ Internet: http://www.duncker-humblot.de
There is no equity in the equities markets. " l
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Die bis zum Sommer 2005 veröffentlichten legislativen Entwicklungen und erschienene Literatur konnten noch berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann danke ich ganz herzlich für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für die seinerseits gewährte Unterstützung und nicht zuletzt dafür, dass er die Veröffentlichung in der vorliegenden Schriftenreihe ermöglicht hat. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Sandberger für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich herzlichst bei Herrn Rechtsanwalt Wolf Michael Mayer, der die Arbeit korrekturgelesen hat und Herrn Rechtsanwalt Dr. Gregor P. Ordon für vielfältigen Beistand. Ferner danke ich meinen Kollegen der Sozietät Clifford Chance, die mir den notwendigen Einblick in die Praxis der Aktienemission ermöglichten. Im Besonderen bedanke ich mich bei meiner Mutter und meiner Schwester für ihre unablässige und großzügige moralische und finanzielle Unterstützung, ohne die diese Arbeit nicht hätte gelingen können. Meiner Mutter ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Juli 2005
Tanja Koehler
1 Michael G. Oxley (Chairman of the U.S. House Committee on Financial Services), Oktober 2002.
Inhaltsübersicht 1. Teil
Einleitung 1. Kapitel: Problemstellung und Zielsetzung I. Problemstellung
21 25 26
II. Konzeption und Zielsetzung
28
2. Kapitel: Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts
30
I. Bedeutung
30
II. Entwicklung
31
2. Teil
Die Aktienemission
36
3. Kapitel: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
36
I. Wesentliche vorbereitende Elemente der Aktienemission
36
II. Wesentliche Elemente der Platzierung 4. Kapitel: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien I. Die verschiedenen Rechtsverhältnisse und daraus resultierende Rechte des Anlegers II. Sonstige rechtliche Rahmenbedingungen
48 88 89 152
3. Teil
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Zuteilung von Aktien 5. Kapitel: Die Wirkung von Grundrechten im Privatrecht im Allgemeinen I. Die Bindung des Privatrechtsgesetzgebers II. Die Wirkung der Grundrechte im Vertragsrecht
162 162 164 165
8
Inhaltsübersicht
6. Kapitel: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen I. Geltungsbereich und Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Π. Inhalt und Wirkung der Gleichbehandlung 7. Kapitel: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien I. Stand der Diskussion
167 167 172
174 175
II. Anwendbarkeit und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien 180 ΙΠ. Inhalt des Gleichbehandlungsanspruchs
200
IV. Beurteilung der praktizierten Zuteilungsverfahren
206
V. Ergebnis
212
8. Kapitel: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
213
I. Vertragliche Ansprüche
213
II. Gesetzliche Ansprüche
225 4. Teil
Weiterführende Lösungsansätze 9. Kapitel: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA I. Bestehende Regulierung der Zuteilung Π. Vorschläge zur Regulierung von Zuteilungen ΙΠ. Fazit
231 231 232 235 239
10. Kapitel: Mitteüungs- und Veröffentlichungspflichten - Vorschlag für ein transparentes Zuteüungsverfahren in Deutschland 241 I. Zeitpunkt der Veröffentlichung
242
Π. Mögliche Regelungsorte von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
244
5. Teil
Fazit und Ausblick
246
Glossar
251
Literaturverzeichnis
253
Entscheidungsverzeichnis
270
Sachwortverzeichnis
276
Inhaltsverzeichnis 1. Teil
Einleitung 1. Kapitel: Problemstellung und Zielsetzung I. Problemstellung
21 25 26
II. Konzeption und Zielsetzung
28
1. Gang der Untersuchung
28
2. Inhaltliche Eingrenzung
29
2. Kapitel: Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts
30
I. Bedeutung
30
II. Entwicklung
31
1. Das Aktienemissionsgeschäft in Deutschland
31
2. Aufstieg und Fall der Neuen Märkte
32
2. Teil
Die Aktienemission
36
3. Kapitel: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
36
I. Wesentliche vorbereitende Elemente der Aktienemission
36
1. Begriffsbestimmung
36
2. Eigenemission - Fremdemission
38
3. Öffentliches Angebot oder private Platzierung
39
4. Einfluss der verschiedenen Börsenplätze und Marktsegmente
40
5. Vorbereitung einer Aktienemission
43
a) Kapitalmarktrechtliche Maßnahmen
43
b) Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungskompetenz
43
nsverzeichnis
10
6. Die Praxis der Übernahme von Aktien
46
a) Best Efforts Underwriting
47
b) Bought Deal
47
c) Firm (Commitment) Underwriting
47
7. Markteinführungspublizität Π. Wesentliche Elemente der Platzierung
47 48
1. Platzierungsverfahren
48
a) Festpreisverfahren
49
b) Kurstenderverfahren (Auktionsverfahren)
50
aa) Amerikanische Auktion
51
bb) Holländische Auktion
51
cc) Modifiziertes Auktionsverfahren
51
dd) Bedeutung des Tenderverfahrens c) Bookbuilding
52 53
aa) Emissionskonzept und Platzierungsverfahren
53
bb) Zuteilung nach Qualität der Investoren
56
2. Die Praxis der Zuteilung
58
a) Begriff und Bedeutung der Zuteilung
58
b) Interessengegensätze
59
aa) Interesse des Emittenten und des Managements
60
bb) Interesse der Altaktionäre
61
cc) Interesse der Emissionsbanken
62
dd) Interesse der Investoren
62
c) Gründe für die starke Überzeichnung beim Going Public d) Abhilfe bei Überzeichnung aa) Das „Greenshoe"-Verfahren
62 63 63
(1) Ziele und Funktionsweise
63
(2) Rechtliche Ausgestaltung und Grenzen
65
bb) Festsetzung des Emissionspreises cc) Änderung des Verkaufsangebots e) Die Praxis der Zuteilung beim Bookbuilding aa) Zuteilungsbefugnis
69 70 70 70
(1) Friends & Family-Programm
71
(2) Directed Allocation
73
(3) Free Retention
74
(4) Zuteilung innerhalb des Konsortiums
74
nsverzeichnis bb) Verschiedene Zuteilungsverfahren beim Bookbuilding
75
(1) Losverfahren
76
(2) First Come First Serve-Verfahren
77
(3) Mindestzuteilung
78
(4) Prozentuale Zuteilung
78
(5) Zuteilung nach Ordergröße
78
(6) Einheitszuteilung
79
(7) Zuteilung nach Affinity Groups
79
(8) Zuteilung nach anderen sachgerechten Kriterien
80
(9) Beteiligungsprogramme für Neuemissionen
81
cc) Zuteilung beim Festpreisverfahren
82
dd) Zuteilung beim Tender- oder Auktionsverfahren
82
f) Fragwürdige Praktiken
83
aa) Zuteilung an Verwandte, Bekannte und Freunde
83
bb) Flipping
84
cc) Stagging
85
dd) Spinning
85
ee) Laddering ff) Solicitation und Aftermarket
86 „Tie-in" Agreements
gg) Kick-backs 4. Kapitel: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
86 87 88
I. Die verschiedenen Rechtsverhältnisse und daraus resultierende Rechte des Anlegers
89
1. Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Konsortialführer bzw. Konsortialbanken - Der Übernahmevertrag
90
a) Rechtliche Grundlagen
90
aa) Der „Bought Deal"
92
bb) Das „Best Efforts Underwriting"
92
cc) Die Festübernahme (1) Zeichnung neuer Aktien
94 95
(2) Kauf alter Aktien
96
(3) Risikoverteilung
97
(4) Aufschiebende Bedingungen und Rücktrittsklauseln
97
b) Drittschützende Wirkung des Übernahmevertrags aa) Vertrag zugunsten Dritter
99 100
(1) Vorgabe konkreter Investoren durch den Emittenten
101
(2) Vorgabe von Zuteilungsrichtlinien durch den Emittenten
102
nsverzeichnis
12
bb) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
104
(1) Leistungsnähe
105
(2) Gläubigernähe
107
(3) Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises
108
2. Rechtsverhältnis zwischen den Konsortialbanken
109
3. Rechtsverhältnis zwischen Altaktionär und Emittent
111
a) Bezugsrecht gemäß § 186 AktG
113
b) Bezugsrechtsverzicht und Bezugsrechtsausschluss
114
c) Rechte der Altaktionäre der Mutter beim Börsengang einer Tochter aa) Bezugsrecht gemäß § 1861, Π und V AktG analog
115 117
bb) Vorerwerbsrechte aus Mitgliedschaftsrechten und Treuepflichten ...
117
cc) Fazit
118
d) Gleichbehandlung gemäß § 53a AktG 4. Rechtsverhältnis zwischen Altaktionär und den Konsortialbanken
120 120
5. Rechtsverhältnis zwischen Konsortialbanken und Anlegern
121
a) Rechtsverhältnis zwischen Konsortium und Anleger
121
aa) Kartellrechtliche Aspekte
122
(1) Kartellverbot gemäß § 1 GWB
122
(2) Missbrauchsverbot gemäß § 19 GWB
123
(3) Diskriminierungsverbot gemäß § 20 GWB
129
(4) Zwischenergebnis
129
b) Rechtsverhältnis zwischen Anleger und seiner Bank
129
aa) Angebot
130
bb) Teilweise Annahme
130
cc) Vertragstypus
131
dd) Zuteilungszusage
133
ee) Vorvertragliches Schuldverhältnis
135
ff) Sonstige vertragliche Nebenpflichten gg) Wohlverhaltenspflichten gemäß §§ 31, 32 WpHG (1) Informationspflichten
137 138 138
(2) Gebotene Wahrung des Kundeninteresses bei unvermeidbaren Interessenskonflikten 139 (3) Rückgriff auf vorvertragliche und vertragliche Grundsätze 6. Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Anleger
141 144
a) Vorvertragliches Schuldverhältnis
144
b) Zuteilungszusage
149
c) Wettbewerbsrechtliche Aspekte
150
nsverzeichnis d) Aktienrechtliche Gleichbehandlung gemäß § 53 a AktG (analog)
150
e) Börsenrechtliche Gleichbehandlungspflicht gemäß § 39 I Nr. 1 BörsG (analog) 151 f) Prospektprüfung der Börse gemäß § 30 ΠΙ Nr. 3 BörsG Π. Sonstige rechtliche Rahmenbedingungen 1. Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger
152 152 152
a) Informationspflichten vor Beginn der Zeichnungsfrist
155
b) Informationspflichten nach Abschluss der Zuteilung
155
2. Going Public-Grundsätze
156
3. IPO-Norm
157
4. CESR (vormals FESCO)-Standards
158
a) Zuteilungsgrundsätze und -mechanismen
159
b) Informationspflichten
160
c) Fazit
161
3. Teil
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Zuteilung von Aktien 5. Kapitel: Die Wirkung von Grundrechten im Privatrecht im Allgemeinen I. Die Bindung des Privatrechtsgesetzgebers
162 162 164
1. Grundrechte als Abwehrrechte
164
2. Grundrechte als Schutzgebote
165
Π. Die Wirkung der Grundrechte im Vertragsrecht
165
1. Grundrechte als Abwehrrechte
165
2. Das Schutzgebot der Grundrechte
166
6. Kapitel: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen I. Geltungsbereich und Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
167 167
1. Besonderes Rechtsverhältnis - Interessengemeinschaft
168
2. Beschaffenheit des zu verteilenden Wirtschaftsgutes
170
3. Anerkannte und umstrittene Anwendungsbereiche
171
4. Das Bankrecht als abgelehnter Anwendungsbereich
171
14
nsverzeichnis Π. Inhalt und Wirkung der Gleichbehandlung
172
1. Verhältnismäßige Gleichheit
172
2. Abschlusszwang auf Grund einer Machtposition
172
7. Kapitel: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien I. Stand der Diskussion
174 175
Π. Anwendbarkeit und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien 180 1. Das vorvertragliche Schuldverhältnis als Einfallstor
180
2. Inhalt des vorvertraglichen Schuldverhältnisses
180
3. Inanspruchnahme von konkretem Vertrauen in eine Zuteilungszusage
183
4. Inanspruchnahme von Vertrauen auf Grund der Zeichnungsaufforderung
183
5. Inanspruchnahme von Vertrauen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (abstraktes Grundvertrauen) 184 a) Grundsatz der Privatautonomie
184
b) Einschränkung der Privatautonomie auf Grund eines abstrakten Vertrauenstatbestands
186
aa) Vorliegen eines anerkannten Abschlusszwangs
187
bb) Die Interessengemeinschaft als Ausgangspunkt des Gleichbehandlungsgebots 189 cc) Zusätzliche die Privatautonomie einschränkende Kriterien - Interessenabwägung
190
(1) Anwendung der Kriterien zum Gleichbehandlungsgebot im Kaufrecht 191 (2) Beschaffenheit des zu verteilenden Wirtschaftsguts - Die Aktie als börsenzugelassenes Wertpapier 192 (a) Abhängigkeit von der Aktie als Wirtschaftsgut 192 (b) Vertrauen in die „geregelten" Märkte 193 (3) Machtposition 197 6. Fazit ΙΠ. Inhalt des Gleichbehandlungsanspruchs
200 200
1. Verhältnismäßige Gleichheit
200
2. Sachliche und sachfremde Differenzierungsgründe
201
IV. Beurteilung der praktizierten Zuteilungsverfahren
206
1. Auktionsverfahren
206
2. Losverfahren
207
nsverzeichnis 3. Prozentuale Zuteilung, Zuteilung nach Ordergröße und Windhundverfahren
207
4. Zuteilung nach Qualitativen Merkmalen (Affinity Groups) und Beteiligungsprogramme 207 5. Friends & Family-Programm und Directed Allocation
208
6. Free Retention
209
V. Ergebnis
212
8. Kapitel: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz? I. Vertragliche Ansprüche
213 213
1. Ansprüche auf Grund einer konkreten Zuteilungszusage a) Vertraglicher Primäranspruch auf Zuteilung
213 213
b) Anspruch auf Schadensersatz wegen Unmöglichkeit gemäß §§ 283, 280 I BGB
..·.
..
214
aa) Unmöglichkeit
214
bb) Schaden
215
cc) Ergebnis
216
c) Anspruch auf Schadensersatz aus §§311 II, ΠΙ, 2801 BGB
217
aa) Pflichtverletzung
217
bb) Schaden
217
2. Ansprüche auf Grund Vertrauens auf die Zeichnungsaufforderung a) Vertraglicher Primäranspruch auf Zuteilung
218 219
b) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 Π, III, 280 I BGB wegen Verletzung des Vertrauens auf Grund der Zeichnungsaufforderung 219 aa) Pflichtverletzung
220
bb) Schaden
220
3. Ansprüche auf Grund der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes (abstraktes Grundvertrauen) 223 a) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 II, III, 280 I BGB wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 223 II. Gesetzliche Ansprüche
225
1. Anspruch aus Prospekthaftung
225
2. Anspruch aus § 823 Π BGB i.V. m. §§ 31 f. WpHG
226
a) Anspruch wegen Verletzung der Wohlverhaltenspflichten b) Anspruch wegen Verletzung von Informationspflichten
226 227
3. Anspruch aus § 823 I I BGB i.V. m. §§ 33, 34 WpHG
227
4. Anspruch aus § 826 BGB
228
5. Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung des § 30 ΠΙ Nr. 3 BörsG
229
16
nsverzeichnis 4. Teil
Weiterführende Lösungsansätze 9. Kapitel: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA I. Bestehende Regulierung der Zuteilung
231 231 232
1. Statutes, Rules and Regulation
232
2. Caselaw
233
3. Vergleichsvereinbarung vom 28. April 2003
234
Π. Vorschläge zur Regulierung von Zuteilungen ΙΠ. Fazit
235 239
10. Kapitel: Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten - Vorschlag für ein transparentes Zuteilungsverfahren in Deutschland 241 I. Zeitpunkt der Veröffentlichung
242
Π. Mögliche Regelungsorte von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
244
1. Festschreibung in Zuteilungsgrundsätzen
244
2. Festschreibung in einzelnen Börsenordnungen
244
5. Teil
Fazit und Ausblick
246
Glossar
251
Literaturverzeichnis
253
Entscheidungsverzeichnis
270
Sachwortverzeichnis
276
Abkürzungsverzeichnis 4.FFG
Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. 06. 2002, BGBl. 12002, 2010
a.A.
anderer Ansicht
a.F.
alte Fassung
AG
Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht
AnSVG
Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. 10. 2004, BGBl. 12004, 2630
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BaFin
Bundesanstalt für Finanzindienstleistungsaufsicht
BAKred
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen
BAWe
Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BBA
British Bankers' Association
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
B GHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BSG
Bundessozialgericht
BT-Drucks.
Bundestag-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
CEO
Chief Executive Officer
CESR
The Committee of European Securities Regulators
CSFB
Credit Suisse First Boston
d. h.
das heißt
f.
folgende
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FB
FINANZ BETRIEB
2 Koehler
Abkürzungsverzeichnis
18 FESCO
Forum of European Securities Commissions
ff.
fortfolgende
FFG
Finanzmarktförderungsgesetz
FR
Frankfurter Rundschau
FSA
Financial Services Authority
FTD
Financial Times Deutschland
FWB
Frankfurter Wertpapierbörse
GrZS
Großer Senat in Zivilsachen
HB
Handelsblatt
IOSCO
International Organization of Securities Commissions
ΕΡΜΑ
International Primary Markets Association
IPO
Initial Public Offering, Öffentliches Angebot
ISMA
International Securities Market Association
J.I.B.L.R.
Journal of International Banking Law and Regulation
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
KG
Kammergericht
KuMaKV
Verordnung zur Konkretisierung der Kurs- und Marktpreismanipulation
MaKonV
Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung
mwN
mit weiteren Nachweisen
NASAA
North American Securities Administrators Association
NASD
National Association of Securities Dealers
Nat'l L. J.
The National Law Journal
n.F.
neue Fassung
N.Y.L.J.
New York Law Journal
NYSE
New York Stock Exchange
NYT
New York Times
NZG
Neue Zeitschrift für gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
o.V.
ohne Verfasser
rkr
rechtskräftig
Rspr.
Rechtsprechung
RWNM
Regelwerk Neuer Markt
S.
Seite
SA
Securities Act
SdK
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger - die Aktionärsvereinigung (vor dem 2. April 2004: Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre)
SEA
Securities Exchange Act
SEC
Securities and Exchange Commission
Abkürzungsverzeichnis SIA
Securities Industry Association
SMAX
Small Cap Exchange
sog.
so genannte/r
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
SZ
Süddeutsche Zeitung
u. a.
unter anderem
VerkProspG
Verkaufsprospektgesetz
WiWo
Wirtschaftswoche
WM
Wertpapiermitteilungen
WpPG
Wertpapierprospektgesetz
WSJ
Wall Street Journal
z.B.
zum Beispiel
ZBB
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
zit.
zitiert
1. Teil
Einleitung Als mit der Emission der ersten Tranche der Telekom-Aktie im November 1996 auch der durchschnittliche Bürger die Aktie als Geldanlage entdeckte bzw. der Privatanleger von den Emittenten entdeckt wurde, folgten im Anschluss in regelmäßigen Abständen teilweise immense Überzeichnungen von Neuemissionen durch Privatanleger. Bereits die Emission der ersten Tranche der „T-Aktie" war fünffach überzeichnet und machte rund zwei Millionen Privatanleger zu Aktionären 2. Mit dem in den ersten Jahren günstig verlaufenden Aktienkurs der T-Aktie stieg auch das Interesse der privaten Investoren3. Aber nicht nur die zum ersten Mal in diesem Umfang geschaltete Werbekampagne für die T-Aktie trug dazu bei, deutsche Privatanleger für Aktien zu begeistern. Auch das politische und wirtschaftliche Umfeld, hierbei insbesondere die anhaltende Diskussion um die Altersversorgung, veranlasste Privatanleger, sich nach alternativen Anlagemöglichkeiten für die Altersvorsorge umzuschauen4. Das Drei-Säulen-Modell - bestehend aus eigener Immobilie, Rente als Grundversorgung und Sparbuch oder Lebensversicherung - drohte auf der zweiten Säule zu wanken5. Damit ging wohl der stärkste Impuls für die seit 1996 zu beobachtende enorme Aktiennachfrage von Initiativen zur Stärkung der privaten Altersversorgung aus6. Darüber hinaus gab es politische Vorgaben, insbesondere auch wegen des großen Platzierungsvolumens, möglichst viele Privatanleger für die T-Aktie zu aktivieren 7. Bisher wurden nämlich die Aktienmärkte nicht nur von den deutschen Privatanlegern gemieden, vielmehr wurden private Investoren von Emittenten2 Busch/Jünemann/Baumarm/Ziesemer, S. 212.
T-Aktie/Zeit zum Genuß, WiWo, 21. 11. 1996,
3 Wittkowski, „Die Telekom hat mir natürlich Mut gemacht". Telefonaktion zeigt wachsendes Interesse an Aktien/Experten raten von Flucht vor Euro ab., FR, 26. 05. 1997, S. 12; Kutzer, Die Telekom ist ein Katalysator für die Wertpapierkultur in Deutschland. Mit der T-Aktie zur D-Aktie., HB, 26. 06. 1997, S. 2. 4 Baums/Hutter, Die Information des Kapitalmarkts beim Börsengang (IPO), Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 779; Schmiffmacher, „Ein anderes Rentensystem würde die Aktienkultur fördern", Going Public 2004,46,47. 5 Birkenmaier, Aktien, Stuttgarter Zeitung, 29. 04. 2000, S. 47. 6 Kutzer, Deutsche Aktien auch nach Rekordjahr attraktiv. Wenn es gut geht., HB, 02. 01. 1997. 7 o.V., Emissionen/Geschäft heute international. Unterschätzte Privatanleger., HB, 06. 03. 1997, S. 44.
1 .Teil: Einleitung
22
bzw. Bankenseite überhaupt nicht angesprochen8. Das Bestreben, Aktien möglichst dauerhaft zu platzieren, sahen die Banken und Finanzdienstleister9 bislang bei den Privatinvestoren oft für nicht gewährleistet 10. Mit Eröffnung des Neuen Marktes der Frankfurter Wertpapierbörse am 10. März 1997 nach dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse für Wachstumsunternehmen (Nasdaq) zogen die ersten Zeichnungs- und Kursgewinne eine immer größere Zahl von Unternehmen und Investoren an. 1999 gingen mehr Unternehmen an die Börse als In den acht Jahren davor 1 7 7 zusammen J ANZAHL UND EMISSIONSVOLUMEN NEUEMISSIONEN in Mio DM8*
a)
Im Amtlichen Handel, Geregelten Markt, SMAX ab 1997 inkl. Neuer Markt.
Quelle: Blättchen & Partner Datenbank.
Abbildung 1 : Anstieg von Anzahl und Emissionsvolumen der Neuemissionen bis 1999
Bereits die Emission der ProSieben AG im Juli 1997 brachte mit den ersten verbuchten Zeichnungsgewinnen von 32% Kritik am Zuteilungsverfahren ein 11 . Mit 8
o.V, Emissionen /Geschäft heute international. Unterschätzte Privatanleger., HB, 06. 03. 1997, S. 44. 9 Im Folgenden soll bei Bezugnahme auf den Begriff der „Emissionsbank" oder Emissionsbegleiter" regelmäßig auch Finanzdienstleistungsinstitute als Emissionsbegleiter erfasst werden, es sei denn es handelt sich um die Übernahme der Aktien für eigenes Risiko zur Platzierung und damit um Ausführung des „Emissionsgeschäfts" i. S. d. § 112 Nr. 10 KWG, das eine Banklizenz nach § 32 KWG erfordert. 10
o.V, Emissionen/Geschäft heute international. Unterschätzte Privatanleger., HB, 06.03. 1997; o.V, Auf die Privatanleger setzen, Börsen-Zeitung, 06. 07. 2000, S. 44; Schürmann/ Körfgen, Familienunternehmen auf dem Weg zur Börse, S. 233 f. h Groos/Stepp, Das Kartell der Absahner, WiWo, 26. 11. 1998, S. 160.
.Teil: Einleitung
dem rasant gestiegenen Interesse der Privatinvestoren am Kapitalmarkt, insbesondere an Neuemissionen von Aktien, häuften sich nun regelmäßig hohe Überzeichnungen sowie die damit einhergehende Forderung nach Gleichbehandlung der Anleger beim Zuteilungsverfahren 12. Dabei richtete sich der Unwille nicht allein gegen das häufig angewandte Los verfahren 13, sondern auch gegen die aus Sicht des Privatanlegers willkürliche Verteilung der Aktien an (Geschäfts-)Freunde, Bekannte und Verwandte. Schlagzeilen wie: „Das Kartell der Absahner" 14, „Manchmal sind die Würfel schief' 15 , „Mauscheleien am Neuen Markt" begleiteten fast jede überzeichnete Neuemission während des Börsenbooms Ende der Neunziger Jahre. Der vorläufige Höhepunkt der Diskussion um die Zuteilungspraxis bei überzeichneten Aktienemissionen war im Frühjahr 2000 durch eine Flut von Neuemissionen mit enormen Überzeichnungen 16 und damit verbundenen Zeichnungsgewinnen17 erreicht, die unzählige Privatanleger an die Börse lockten 18 . Viel Kritik erhielt insbesondere das Zuteilungsverfahren der Infineon-Aktie 19 , die im März 2000 mit 30-facher Überzeichnung Gegenstand des öffentlichen Interesses war 20 . Selbst Leser der Bildzeitung wurden über den „Skandal" informiert: „Aus der Rausch-Aktie Infineon wurde eine Mauschel-Aktie. Deutschlands Kleinaktionäre sind stocksauer. Und fragen: Wer macht sich hier die Taschen voll?" 2 1 12 Assmann, „Anleger tappen im dunkeln", WiWo, 26. 01. 1998, S. 1; Groos/Stepp, Das Kartell der Absahner, WiWo, 26. 11. 1998, S. 160; o.V, Kritik am bisherigen Emissionsverfahren von Aktien häuft sich, FAZ 11. 03. 2000, S. 21; o.V, Bonanza bei Aktienemissionen ist Großinvestoren vorbehalten, FAZ, 11. 03. 2000, S. 23; o.V., Kritik am Zuteilungsverfahren, WiWo, 13. 03. 2000. 13 Kauffmann, Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre / Kritik an Telekom. ProSiebenWürfel mit „schiefen Seiten"?, HB, 05. 08. 1997, S. 33; o.V., „Das Losverfahren hat den Ruch der Mauschelei", FAZ, 18. 03. 2000, S. 25. 14 Groos/Stepp, Das Kartell der Absahner, WiWo, 26.11. 1998, S. 160. 15 Jungbluth, „Manchmal sind die Würfel schief, Stern, 07. 01. 1999, S. 106. 16
Die im Verhältnis zum Angebotsvolumen größte Nachfrage meldete ebenfalls im März 2000 On vista mit 80-facher Überzeichnung. Vgl. Reim, „Wer Aktien zugeteilt bekam, liegt fast immer im Plus", SZ, 01. 03. 2000, S. 33. 17 Als Zeichnungsgewinn soll hier entsprechend dem üblichen Gebrauch die Differenz zwischen Platzierungspreis und Erstnotiz bezeichnet werden. ι» o.V, Wer wie viel erhält und warum, WiWo, 12. 03. 2000; o.V., Am Neuen Markt locken weiter Zeichnungsgewinne, FAZ 25. 02. 2000; Reim, Was beim Zeichnen wichtig ist, SZ, 19. 02. 2000, S. 31; Reim, Wer Aktien zugeteilt bekam, lag fast immer im Plus, SZ, 01. 03.
2000.
19 o.V, „Das Losverfahren hat den Ruch der Mauschelei", FAZ, 18. 03. 2000, S. 25; o.V, Wer wie viel erhält und warum, WiWo, 12. 03. 2000; o.V., Kritik am Zuteilungs verfahren, WiWo, 13. 03. 2000; Boehringer, Die Zocker reiben sich die Hände, SZ, 14. 03. 2000; Palan, Friends and Family, Manager-Magazin, 7 / 2000. 20 o.V., Infineon-Aktien 30fach überzeichnet, SZ, 11. 03. 2000, S. 25; FDP-Fraktion, Aktien bei Neuemissionen transparent verteilen (Kleine Anfrage), 12. 04. 2000, BT-Drucks. 14/ 3124. 21 Becker, Mauschelaktie Infineon, Bild, 13. 03. 2000.
24
.Teil: Einleitung
Auch im weiteren Verlauf waren noch regelmäßig Meldungen über eine bevorzugte Behandlung bestimmter Personengruppen zu verzeichnen, darunter insbesondere institutionelle Investoren sowie „eine Handvoll privilegierter Insider" 22 . So sollen sich u. a. Makler mit Geschenken an Firmenvorstände, wie die bevorzugte Behandlung bei Aktienemissionen, den Auftrag für die Aktien-Skontroführung 23 erkauft haben24. Zahlreiche weitere fragwürdige Praktiken sorgten für Schlagzeilen. So wurden auch Anschuldigungen laut, Großanleger müssten sich des Öfteren verpflichten, Aktien im Sekundärmarkt zu überhöhten Kursen nachzukaufen, um überhaupt eine Zuteilung zu erhalten 25. Der so unterstützte Kursanstieg nach Handelsaufnahme förderte gleichzeitig die enormen Zeichnungsgewinne. Von der Gerechtigkeit und Transparenz des Zuteilungsverfahrens enttäuscht, entwickelten in der Zwischenzeit private Investoren zahlreiche Strategien, um ihre Zuteilungsquote zu erhöhen. Zum einen eröffneten Privatanleger gleich bei mehreren konsortialführenden Banken Depots und zum andern orderten sie vielfach überhöhte Stückzahlen, teilweise auch über weitere Familienmitglieder 26. Aber auch den Erwerb der begehrten Aktien im vorbörslichen Handel ζ. B. bei Schnigge oder Lang & Schwarz (dem sog. Handel per Erscheinen) zogen immer mehr Privatanleger in Betracht 27. Die Taktik des „Konzertzeichnens" verbunden mit überhöhten Ordervolumina führte jedoch nur zu einer weiteren Zunahme der Überzeichnungsquoten und weiter sinkenden Zuteilungschancen28. Die Suche nach Lösungsmöglichkeiten muss vor allem am Zuteilungsverfahren ansetzen. Alternative Platzierungs- und Zuteilungsverfahren bieten bisher nur bedingt oder nur punktuell konkrete Lösungsmöglichkeiten. So hat das in diesem Zusammenhang häufig genannte Auktionsverfahren in seinen verschiedenen Ausprägungen auch deutliche Nachteile, wie ζ. B. den Verlust der Kursfantasie durch einen zu hohen Emissionskurs. 22 Fleischhauer/Herbermann/Pauly/Reuter/Schäfer, Aufpumpen und abstoßen, Der Spiegel 2001, 86, 96; Palan, Friends and Family: Die Absahner bei Neu-Emissionen, Manager-Magazin, 7/2000; Groos/Stepp, Das Kartell der Absahner, WiWo 26. 11. 1998, S. 160; PDS-Fraktion, Über Kontrollen bei Zuteilung von neuen Aktien informieren (Kleine Anfrage), 05. 01. 1999, BT-Drucks. 14/230. 23
Unter Skontroführer ist entsprechend den „Spezialisten" an der NYSE der für die Stellung von Kursen für ein bestimmtes Wertpapier beauftragte und verantwortliche Finanzdienstleister. 24 Keidel, Mauscheleien am Neuen Markt, HB, 10. 08. 2000. 25 Fleischhauer/Herbermann/Pauly/Reuter/Schäfer, Aufpumpen und abstoßen, Der Spiegel 2001, 86, 96. 26 Wiermann, Früh zeichnen, SZ, 28.06.2000, S. V3/2; Brandes /Müller/Stern/Weilhammer, Die Jagd nach dem Glück, Börse Online, 18. 05. 2000, S. 70. 27 Kröner, Aktien kaufen, bevor sie auf dem Markt sind, Börsen-Zeitung, 10. 06. 2000; zum Ganzen PfUller/Koehler, Handel per Erscheinen, W M 2002, 781 ff. mwN. 28 o.V, Der Weg zur Aktie Gelb/Zuteilungschancen verbessern, WiWo, 19. 10.2000, S. 298; Brandes/Müller/Stern/Weilhammer, Die Jagd nach dem Glück, Börse Online, 18. 05. 2000, S. 70.
1. Kap.: Problemstellung und Zielsetzung
25
Auch auf Seiten der Banken wurden immer häufiger Bedenken im Hinblick auf die bisherige Zuteilungspraxis geäußert. So sah ein Emissionsbegleiter einer Großbank in den Zeichnungsgewinnen vor allem ein Verteilungsproblem 29. Selbst wenn Emissionsbegleiter teilweise keinerlei Missfallen am bisherigen Zuteilungsprocedere hegen, so kann der Unmut der Retail-Investoren kaum ungehört verhallen, da sie mittlerweile ein zu großes Nachfragepotential bieten 30 . Um Aktienemissionen bestmöglich platzieren zu können, sind auch die Emissionsbegleiter häufig auf „zeichnende"31 Privatanleger angewiesen. Demnach sollte auch bei den emissionsbegleitenden Konsortialbanken kein Interesse daran bestehen, dass Privatanleger sich vom Kapitalmarkt abwenden, wie es bereits ab Mitte des Jahres 2000 zu beobachten war. Zufrieden stellende Lösungen sind insbesondere bedingt durch die gesunkene Investorennachfrage in den vergangenen Jahren in die Ferne gerückt. Mangels überzeichneter bzw. auf Grund gänzlich fehlender Aktienemissionen ist die Lösung der Zuteilungsproblematik derzeit weniger drängend. Bei erneut ansteigender Nachfrage muss sich jedoch jeder Marktteilnehmer fragen lassen, ob er aus der Vergangenheit adäquate Schlussfolgerungen gezogen und entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, um die Fehler der vergangenen spekulativen Phase zu vermeiden. Wie bereits von Galbraith 32 festgestellt, werden die Phasen spekulativer Euphorie nach langer Tradition auch in Zukunft wiederkehren. „The final question that remains is what, if anything, should be done? Recurrent descent into insanity is not a wholly attractive feature of capitalism." 33
1. Kapitel
Problemstellung und Zielsetzung „Das Hauptproblem der Zuteilung bei überzeichneten Aktienemissionen34 besteht darin, dass trotz Zuteilung nach bankintern festgelegten Zuteilungsgrundsätzen das Vorgehen der Bank auf Willkür beruht" 35 . Unter willkürlicher Zuteilung 29 Dazu folgte die Äußerung: „Mit den momentanen Verfahren fühle ich mich nicht, so wohl."; o.V, Zeichnungsgewinne wird es weiterhin geben, FAZ, 06. 02. 1999, S. 26. 30
2000.
Ruhkamp, Private spielen Schlüsselrolle bei Großemissionen, Börsen-Zeitung, 06. 07.
31 Die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „zeichnen" meint regelmäßig die Abgabe einer Kauforder durch interessierte Anleger. Diese ist zu unterscheiden von der aktienrechtlichen Zeichnung nach § 185 AktG, die üblicherweise durch die Emissionsbanken ( Underwriter ) erfolgt. 3 2 Galbraith, A Short History of Financial Euphoria, 1993, S. 110. 33
Zitat aus Galbraith, A Short History of Financial Euphoria, 1993, S. 108. Im angloamerikanischen Raum auch als sog. „Hot Issue" oder „Hot IPO" bezeichnet. 35 Schlick, Going Public, 1997, S. 118. 34
26
1 .Teil: Einleitung
wird hier die Zuteilung von Aktien verstanden, die nach sachfremden Kriterien vorgenommen wird und nicht durch sachgerechte Differenzierungsgründe gerechtfertigt ist.
I. Problemstellung Die Relevanz der Zuteilungspraxis wird insbesondere in Anbetracht der vielfältigen Interessen der Beteiligten einer Emission deutlich. Dabei sind nicht nur die Interessen der unmittelbaren Beteiligten, wie Emittent, Altaktionäre, Emissionsbanken und „zeichnende" Investoren zu berücksichtigen. Ebenso müssen die Belange und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes im Allgemeinen, insbesondere dessen Grundsätze von Fairness und Transparenz in eine Lösungsmöglichkeit miteinbezogen werden. Die verschiedenen Interessen gilt es, im Rahmen des Zuteilungsverfahrens in Einklang zu bringen. Das grundlegende Ziel des Emittenten bzw. auch der später börsennotierten Aktiengesellschaft ist eine positive und geringen Schwankungen unterworfene Entwicklung des Aktienkurses 36. Die angestrebte Kursstabilität und -höhe wird durch die Haltedauer der Investoren maßgeblich beeinflusst 37. Ein börsennotiertes Unternehmen ist also dementsprechend an einer langen Haltedauer der Anleger interessiert. Die Verbundenheit des Investors mit dem Unternehmen ist oftmals eng mit der Bereitschaft zur dauerhaften Anlage verknüpft. Die Treue und damit die Haltedauer der Aktionäre kann auf verschiedene Weise beeinflusst werden. Zu nennen ist hierbei zunächst die Aktionärsbindung, die vor allem durch Maßnahmen der Investor Relations erreicht werden soll 38 . Der wichtigste Faktor zur Beeinflussung des Aktienkurses und damit zur Schaffung von Kursstabilität ist die Gestaltung der Aktionärsstruktur, also die Zusammensetzung der Aktionäre einer Gesellschaft 39. Auch grundsätzlich langfristige Investoren neigen bei zu großen Kursschwankungen zum Abstoßen der Aktien 40 . Der frühest mögliche Zeitpunkt zur maßgeblichen Beeinflussung der Aktionärsstruktur ist für den Emittenten das Zuteilungsverfahren im Rahmen einer Neuemission oder einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss. Eine Gesellschaft strebt also im Rahmen einer Neuemission oder Kapitalerhöhung die Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur an und versucht sie so zu steuern, dass ausreichend viele Investoren zu längerem Halten neigen, wodurch ein positiver Einfluss auf die Kursstabilität zu erwarten 36 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 37 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 38 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272. 39 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272. 40 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265.
1. Kap.: Problemstellung und Zielsetzung
27
ist 41 . Insgesamt hat der Emittent zusammen mit den Emissionsbegleitern, ein auf den konkreten Fall zugeschnittenen Investorenmix aus den einzelnen Anlegergruppen, wie institutionelle Investoren, Retail-Investoren und Mitarbeiter respektive das Management des Emittenten auszuwählen. Die heute wohl überwiegende Ansicht erkennt auch Privatanleger als langfristig orientierte Aktionäre, die für Stabilität im Anlegerkreis sorgen und oft weniger volatil auf Marktbewegungen reagieren als institutionelle Anleger 42 . Demzufolge wird die Ansprache von Privatanlegern - ohne die bereits auch große Privatisierungsvolumina nicht hätten platziert werden können - in Zukunft den Kapitalmarkt stärken. Außerdem hat der Emittent im Rahmen der Zuteilung einer Neuemission noch weitere Aspekte und Interessen angemessen zu berücksichtigen. Hierbei sind insbesondere die Motivation der Arbeitnehmer durch Belegschaftsaktien und Gunstbezeigungen an Geschäftsfreunde, Bekannte und Verwandte durch Friends & Family-Programme von Bedeutung. Ferner darf auch die maßvolle Zuteilung an kurzfristig interessierte Anleger zur Sicherung einer ausreichenden Liquidität der Aktie am Markt nicht unterschätzt werden. Im Frühjahr 1997 wurden in der Richtlinie des BAWe 43 zur Konkretisierung der §§ 31, 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute vom 26. Mai 1997 44 erstmals Regelungen für die Zuteilung getroffen. Der entsprechende Absatz lautet: ,3ietet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Privatkunden den Erwerb von Wertpapieren durch Zeichnung an, so hat es diese über das Zuteilungsverfahren bei Kunden, insbesondere über die Zuteilung bei Überzeichnung, zu informieren." Im Entwurf vom 5. August 1996 zu dieser Bestimmung wurde darüber hinaus vom BAWe bereits gefordert, dass bei Repartierungen „die Kriterien für die Zuteilung an Privatkunden nachvollziehbar zu dokumentieren und diesen auf Nachfrage offen zu legen" sind. Außerdem sei auf eine „faire Zuteilung an Privatkunden zu achten" 45 . Dieser erste Vorschlag wurde jedoch auf Grund zahlreicher Kritik so nicht umgesetzt. Zusätzlich machte das BAWe wegen der Bedeutung der Neuemissionen für Privatanleger dieses Thema 41
Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 42 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 267, 580; Keitel, Unsere Aktienkultur braucht faire und transparente Zuteilungen, Bankmagazin 22. 03. 1999, S. 50. 43 Zum 1. Mai 2002 ist gemäß § 1 I FinDAG das BAWe mit den damaligen Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen (BAKred) und das Versicherungswesen (BAV) in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zusammengelegt worden. Sämtliche Aufgaben des BAWe, des BAKred und des BAV sind damit auf die BaFin übergegangen (§21 FinDAG). Richtlinien, (Rund-)Schreiben, Bekanntmachungen und Verlautbarungen des BAWe, BAKred bzw. BAV vor dem 1. Mai 2002 wurden hierin aus Klarstellungsgründen weiterhin als solche bezeichnet, stellen rechtlich aber nunmehr solche der BaFin dar. 44 Bundesanzeiger Nr. 98 vom 3. Juni 1997. 45 Keitel, Unsere Aktienkultur braucht faire und transparente Zuteilungen, Bankmagazin, 22. 03. 1999, S. 50; Assmann, »Anleger tappen im dunkeln", WiWo, 26. 11. 1998, S. 171.
28
1 .Teil: Einleitung
zu einem Schwerpunkt der Prüfung des Geschäftsjahres 1998, um weiteren Handlungsbedarf festzustellen 46. Um das Interesse und insbesondere das Vertrauen der Anleger auf chancengleichen Zugang zum Kapitalmarkt zu sichern, erscheint ein faires und transparentes Zuteilungsverfahren unabdingbar 47. Dem Ruf nach gleicher Behandlung und dem Ausschluss von Willkür in einem Umfeld unzureichend klarer gesetzlicher Regelungen folgt unweigerlich die Diskussion um die Anwendbarkeit grundlegender Rechtsprinzipien des deutschen Rechts: Der Gleichbehandlungsgrundsatz. Demnach soll hier der Frage nach Anwendbarkeit, Inhalt und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien nachgegangen werden.
II. Konzeption und Zielsetzung 1. Gang der Untersuchung Basis zur Feststellung möglicher Anwendungsbereiche bzw. Einfallstore des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist die derzeitige Praxis der vertraglichen Ausgestaltungen, also die rechtlichen Rahmenbedingungen von Aktienemissionen. Nach grundsätzlichen Überlegungen zu Herkunft, Inhalt und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Privatrecht wird anhand einer typischerweise durchgeführten Aktienemission Anwendbarkeit, Inhalt und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsätzen bei der Zuteilung von Aktien aufgezeigt. Die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen und Ansprüche, insbesondere der potentiellen, d. h. kaufwilligen Investoren, gegen die jeweiligen Beteiligten einer Aktienemission werden sonach untersucht. Letztendlich soll also die Frage beantwortet werden, ob es im Rahmen der Aktienemission einen Anspruch auf Zuteilung gibt oder zumindest einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Mit zunehmender Angleichung der Aktienmärkte auf europäischer Ebene zum einen und auf internationaler Ebene zum anderen werden sich dortige Regulierungsansätze, insbesondere solche des weltweit maßgebenden Kapitalmarktes der USA, zunehmend auch auf dem deutschen Markt widerspiegeln 48. Infolgedessen sollen die bisher unternommenen Regulierungsansätze zur Aktienzuteilung des international maßgeblichen amerikanischen Kapitalmarktes kurz dargestellt werden, um mögliche Auswirkungen oder weitergehende Lösungsansätze beurteilen zu können. Insbesondere sollen auch die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Übernahme und Einführung entsprechender Regulierungsansätze auf dem deutschen 46 BAWe, Jahresbericht 1998, S. 12. 47 Assmann, »Anleger tappen im dunkeln", WiWo, 26. 11. 1998, S. 171. 48 Im Bereich des Aktienrechts wurde bereits das Thema der Rechtstransplantate (Legal Transplants) breiter aufgearbeitet, s. Fleischer, Legal Transplants im deutschen Aktienrecht, NZG2004,1129.
1. Kap.: Problemstellung und Zielsetzung
29
Kapitalmarkt adressiert werden. Das Ergebnis der gesamten Untersuchung soll gleichzeitig als Anlass für Vorschläge zur Verbesserung und Stärkung des deutschen Kapitalmarktes durch weiterführende Lösungs- und Regulierungsmöglichkeiten bei der Zuteilung von Aktien genommen werden.
2. Inhaltliche Eingrenzung Diese Untersuchung soll die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Zuteilungsverfahren speziell im Hinblick auf Aktienemissionen erschließen. Der primäre Augenmerk richtet sich dabei auf den Börsengang („Going Public")* 9. Bei einer Sekundärmarktplatzierung, d. h. einer nachfolgenden Kapitalerhöhung, kann bei entsprechender Strukturierung, wie ζ. B. Ausschluss der Bezugsrechte, eine Überzeichnung und damit eine vergleichbare Zuteilungsproblematik entstehen, wenn auch praktisch regelmäßig in wesentlich geringerem Umfang. Der hier verwendete Begriff der Aktienemission schließt daher sowohl den Börsengang als auch eine Sekundärplatzierung mit ein. Dagegen soll eine spezifische Stellungnahme zur Begebung von Inhaberschuldverschreibungen, Wandel- und Optionsanleihen unterbleiben. Auf Grund der Verschiedenheit hybrider- und Fremdfinanzierungsinstrumente und der damit einhergehenden differierenden Übernahme- und Transaktionsstruktur sowie anderer Elemente und Mittel der Platzierung muss eine gleichzeitige Untersuchung derartiger Finanzierungsinstrumente ausscheiden. Nachdem in den USA Zuteilungspraktiken bekannt wurden, wonach Emissionsbanken dem Management anderer Gesellschaften Aktien aus Hot IPOs als Gegenleistung zum Erhalt von Investment Banking-Geschäft zuteilten (sog. „Spinning", siehe unten 2. Teil: 3. Kapitel: ü.2.f)dd) unten), wurde in der amerikanischen Rechtswissenschaft die Frage einer möglichen Treuepflichtverletzung (breach of fiduciary duty) des Managementmitglieds gegenüber der Gesellschaft und des einzelnen Aktionärs diskutiert 50 . Als Geschädigte solcher fragwürdigen Zuteilungspraktiken kommen also nicht allein die übergangenen Investoren, sondern vielmehr auch der Emittent selbst und seine Aktionäre in Betracht. Wenn das Management allein auf Grund des Erhalts von Hot IPOs durch eine Bank und damit fast risikoloser Zeichnungsgewinne gerade diese Bank für das Investment BankingGeschäft seiner Gesellschaft auswählt, ist eine mögliche Pflichtverletzung und ein Schaden für die Gesellschaft kaum von der Hand zu weisen. Die Erörterung der Haftungsproblematik der Organe gegenüber der Gesellschaft würde jedoch in diesem Zusammenhang den Rahmen sprengen und muss daher einer anderen wissenschaftlichen Untersuchung vorbehalten bleiben. 49
Synonym sollen hier auch die Begriffe „Initial Public Offering" oder auch kurz „IPO" verwendet werden. so Coffee, »Spinning4 For Dollars, N.Y.L.J., March 26, 1998; ders., The SEC's IPO Probe, Nat'l L. J, July 9, 2001.
30
1 .Teil: Einleitung
Des Weiteren muss eine Eingrenzung auch dahingehend erfolgen, dass nur das öffentliche Angebot von Aktien erfasst werden soll, die gleichzeitig an einer inländischen Börse, bzw. einem „geregelten" Markt" i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der EURichtlinie 93/22/EWG (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie) zugelassen werden. Die mögliche Einbeziehung von Aktien zum Handel in den Freiverkehr soll nicht Gegenstand dieser Abhandlung werden. Für den Freiverkehr als privatrechtlich organisiertes Marktsegment gelten regelmäßig erleichterte - sofern überhaupt Einbeziehungs- und Folgepflichten. Ebenso unterliegen reine Privatplatzierungen ohne Börsenzulassung nur geringer öffentlich-rechtlicher bzw. kapitalmarktrechtlicher Regulierung und sollen überwiegend der Privatautonomie der Vertragspartner vorbehalten bleiben. Vorliegend soll sich der Untersuchungsgegenstand daher auf den stets diskutierten und in die Kritik geratenen Fall des öffentlichen Angebots von Aktien mit Börsenzulassung konzentrieren.
2. Kapitel
Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts I. Bedeutung Das Emissionsgeschäft wird allgemein als erste Ausgabe und Platzierung einer bestimmten Anzahl von Kapitalmarktpapieren (Effekten) definiert 51 . Im Gegensatz zur Übernahme und Platzierung von Fremdkapital (Schuldverschreibungen) und Mischformen oder hybriden Fremdkapitalinstrumenten mit Eigenkapitalkomponenten (beispielsweise Options- und Wandelanleihen) ist die Aktienemission eine Maßnahme der Eigenkapitalbeschaffung. Bis Ende 1982 war die deutsche Wirtschaft vor allem von der Selbst- und Fremdfinanzierung der Unternehmen sowie einer kaum nennenswerten Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarktes geprägt 52. Gerade für die im internationalen Vergleich mit Eigenkapital schlecht ausgestatteten deutschen Gesellschaften 53 bieten Aktienemissionen unter Inanspruchnahme des organisierten si won Rosen in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 2 Rn. 136; Schönle, Bank- und Börsenrecht, 1976, § 19 Π 1; Canaris , Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2237; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 258a; Fischer in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 945. 52 Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 1 Rn. 9; GroßkommAktG/Assmann, Einl Rn. 291 ff., 295. 53 So ist die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen sogar in den letzten Jahrzehnten fast stetig gesunken und liegt mittlerweile im Durchschnitt unter 20%. Siehe DAI, DAI-Factbook, Stand November 2003; GroßkommAktG/Assmann, Einl Rn. 303 mwN; Lichtblau/ Utzig, Finanzierungs- und Kostenstrukturen, Die Bank 2002, 326.
2. Kap.: Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts
31
Kapitalmarktes ein enormes Wachstumspotential. Während der Innenfinanzierung natürliche Grenzen gesetzt sind, hängt der Zugang zu Krediten wesentlich von der Risikobereitschaft der Banken ab. Eine sinkende Risikobereitschaft und die damit verbundene restriktivere Kreditvergabe der Banken können auf vielen Faktoren beruhen. Eine große Rolle spielt dabei insbesondere eine zu geringe Eigenkapitalquote der Unternehmen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Eigenkapitalquote zu erhöhen. Den nachhaltigsten Erfolg verspricht die Aufnahme von Beteiligungskapital, sei es durch Aufnahme von privaten Finanzinvestoren (Private Equity), strategischen Investoren oder eben durch einen Börsengang 54. Das Ausbaupotential für den deutschen Finanzstandort wird zudem durch einen Vergleich des gesamten Finanzvermögens zur Wirtschaftskraft sowie zur Nutzung von Kapitalmarktprodukten international deutlich. Dabei liegt Deutschland gemessen an der Marktkapitalisierung der Aktienmärkte, dem Volumen umlaufender Unternehmensanleihen, der Bedeutung verbriefter Forderung sowie anderen Formen der Beteiligungsfinanzierung hinter den großen Wettbewerbern in Europa und deutlich hinter den angelsächsischen Ländern zurück 55 . Jedoch birgt das wachsende Interesse der privaten Haushalte an der Aktie ein enormes Wachstumspotential. Insbesondere sind sie im internationalen Vergleich immer noch deutlich weniger an der Unternehmensfinanzierung beteiligt 56 . Zusätzlich baut der Staat durch die Einführung der Riester-Rente als kapitalgedeckte Altersvorsorge auf eine verstärkte private Vermögensbildung durch einen funktionierenden Kapitalmarkt 57.
II. Entwicklung 1. Das Aktienemissionsgeschäft in Deutschland Die Anzahl der Aktiengesellschaften lag vor dem Ersten als auch dem Zweiten Weltkrieg bei jeweils rund 5500 und verringerte sich kontinuierlich bis 1983, als 54
Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 561 f.; Zacharias, Börseneinführung mittelständischer Unternehmen, 2000, S. 49 f.; Walter, Der Gang an die Börse, Die Bank 1984, 400. 55 Welteke, Aktueller Stand der Initiative Finanzstandort Deutschland, Going Public (Sonderausgabe) 2004, S. 12, 13; o.V, Zahl der Aktionäre - Noch Nachholbedarf, Die Bank 2004, 6. 56 So liegt der Anteil der direkten Aktionäre in Deutschland im Jahre 2003 unter 8%. Ein kurzzeitiger Anstieg war im Jahr 2000 auf über 9% zu verzeichnen. Demgegenüber lag der Aktienbesitz der Bevölkerung 1990 in den USA und in Großbritannien bereits bei über 20%; vgl. DAI, DAI-Factbook, Stand November 2003; Reicheneder, Investment banking, 1992, S. 243; GroßkommAktG/Assmann, Einl Rn. 313 mwN. 57 Welteke, Aktueller Stand der Initiative Finanzstandort Deutschland, Going Public (Sonderausgabe) 2004, S. 12, 13; Bundesministerium der Justiz, Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität, Pressemitteilung Nr. 10/03, 25. 02. 2003, abrufbar unter www.bmj.de.
32
1 .Teil: Einleitung
der niedrigste Stand mit nur noch 2122 Aktiengesellschaften erreicht war 58 . Die Trendwende setzte 1990 ein als von Ende 1990 bis Ende 1999 die Anzahl der Aktiengesellschaften um 248% auf 7375 anstieg59. Zusätzlich erhöhte sich der Aktienumlauf inländischer Emittenten von Ende 1980 bis Ende 1999 um 187% 60 . Trotz der seit dem zweiten Halbjahr 2002 zu beobachtenden Stabilisierung der Aktionärszahlen in Deutschland, ist in den letzten sechs Jahren fast eine Verdoppelung der Zahl der Aktienbesitzer zu verzeichnen 61. Die Trendwende basiert neben politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen veränderten Rahmenbedingungen vor allem auf der fortschreitenden Globalisierung und Internationalisierung des Aktienmarktes, der Beteiligung von Mitarbeitern an den Unternehmen, der Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen und des erheblichen Bedeutungsgewinns des organisierten Kapitalmarktes 62. Die Börsen gewannen - trotz zahlreicher Vertrauen erschütternder, skandalöser Vorgänge - erheblich an Bedeutung63. Durch die Privatisierungswelle, insbesondere des Börsengangs der Deutschen Telekom AG verbunden mit der Vermarktung der T-Aktie als Volksaktie im November 1996 wurde in breiten Kreisen das Interesse an einer Aktienanlage geweckt. 2. Aufstieg und Fall der Neuen Märkte Geprägt vom starken Wachstum der neuen Medien wie Internet und Mobilfunk suggerierte auch der im Jahr 1997 geschaffene Neue Markt der Frankfurter Wertpapierbörse als Börsenplatz für Wachstumswerte ein zunächst unermessliches Wachstumspotential. Gleichzeitig rückten die neuen Medien als Platzierungs- und Vertriebskanal für Aktienemissionen ins Visier der Kapitalmarktakteure. Emittenten versprachen sich von der Platzierung von Neuemissionen via Internet mehr Transparenz für die Preisentscheidung wie auch hinsichtlich des Emissionsvolumens und der Zusammensetzung der Zeichner 64. Außerdem bietet das Internet die Möglichkeit, die Informationskluft zwischen institutionellen und prise Hansen, Die Renaissance der Aktie, AG 2000, R 123. 59 Hansen, Die Renaissance der Aktie, AG 2000, R 123; Zu berücksichtigen gilt, dass ab Januar 1994 ostdeutsche Gesellschaften miteinbezogen wurden und der Bestand sich dadurch um 307 Gesellschaften erhöhte. 60 Hansen, Die Renaissance der Aktie, AG 2000, R 124. 61 Leven, Stabilisierung der Aktionärszahlen setzt sich fort, DAI-Kurzstudie 1/2004; ders., Vertrauensschaffung bedarf eines langen Atems, DAI-Kurzstudie 2/2004; ders., Zahl der direkten Aktienanleger gestiegen, DAI-Kurzstudie 1 / 2005. 62 Hansen, Die Renaissance der Aktie, AG 2000, R 124.
63 Hansen, Die Renaissance der Aktie, AG 2000, R 124. 64 Wittmann, Internet gewinnt für Emissionen an Bedeutung in Sonderbeilage Börsen-Zeitung v. 10. 06. 2000.
2. Kap.: Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts
33
vaten Anlegern zu verringern. So werden regelmäßig auf der Homepage des Emittenten Prospekte und andere kapitalmarktrechtlichen Informationen bereitgestellt. Der Privatinvestor kann sich einfacher und umfassender über eine geplante Emission informieren 65. So war es während der Boomzeiten regelmäßig möglich, über das Internet Neuemissionen zu „zeichnen". Üblicherweise wurde jedoch das Internet nur als Teilvertriebsweg einer Fremdemission genutzt66. In Zeiten scheinbar unerschöpflicher Nachfrage nach Neuemissionen wurde zudem die Möglichkeit eines Direct Public Offering („DPO"), d. h. einer Eigenemission ohne Zwischenschaltung eines Emissionskonsortiums und ohne Börsenzulassung, über das Internet zunehmend thematisiert 67. Zugleich wurden bereits während der Boomzeiten weitere Zukunftsperspektiven im Hinblick auf mobile Märkte (sog. M-Commerce) entwickelt. Gebeutelt von zahlreichen Skandalen, Insolvenzen und dem daraus resultierenden Vertrauensverlust der Anleger kämpften die Neuen Märkte in ganz Europa ums Überleben 68. Waren es im Jahr 2001 immerhin noch 26 Unternehmen, die in Deutschland den Gang an die Börse wagten, lag deren Zahl im Jahr 2002 bei 8, um im Jahr 2003 völlig zum Erliegen zu kommen. Neben 1968 war dies das einzige Jahr ohne Börsengang. Zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Stärkung des Anlegervertrauens wurde auf Seiten des Gesetzgebers, der Aufsichtsbehörden und der Börsen eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. So wurden u. a. mit Erlass des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes zur Erhöhung der Transparenz des Kapitalmarktes und zur Stärkung des Anlegers die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert. Aber auch der Erlass des Deutschen Corporate Governance Kodex, seine Verankerung im Aktiengesetz und der Erlass der Going Public-Grundsätze sowie der Zuteilungsgrundsätze sollten zur Rückgewinnung des Anlegervertrauens beitragen. Die Deutsche Börse AG beschloss außerdem eine Umgestaltung der Aktienmärkte, begleitet von einer stringenteren Regulierung, die durch die Verabschiedung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes ermöglicht wurde. Zur Stärkung des Investorenvertrauens und zur Steigerung der Attraktivität der Kapitalmärkte hat die Frankfurter Wertpapierbörse mit Wirkung zum 1. Januar 2003 durch Änderung der Börsenordnung zwei neue Marktsegmente geschaffen: den Prime Stan65 o.V, Per Mausklick zu neuen Aktien, HB, 10. 07. 2000. 66 Assmann, Neuemissionen über Internet, Seminar „Neue Entwicklungen im Bereich der Emissionstechniken", 04. 03. 1999, S. 2; Tawakkoli, Aktienplazierung via Internet, DStR 1999, 1330. 67 Assmann, Neuemissionen über Internet, Seminar „Neue Entwicklungen im Bereich der Emissionstechniken", 04. 03. 1999, S. 2; Vaupel, Internet als Alternative? FAZ, 06. 03. 2000, S. B4; Pföller/Westerwelle, Das Internet als Kapitalmarkt, MMR 1998,171, 172. 68 o.V, Ungewisse Zukunft der Neuen Märkte Europas, AG 2002, R 394; o.V, Zahl der Börsengänge sinkt auf historische Tiefstände, Börsen-Zeitung, 10.04. 2003. 3 Koehler
34
l.Teil: Einleitung
Entwicklung der Zahl der Börsengänge in Deutschland seit 1965 180
174
150
142
120
90 75
60
I
1968 war das letzte Jahr ohne Borsengang j 36 29
30
28
26 19
4 3
Ε Β •
1965
1 0 Π3
J 4 H 3
%
1 1 2
Ì1 Β Π Π Β • •
1970
Η 24 η
ο 1 η Η
1975
1980
i l l
ill 1985
:?ο
15
11 1990
1995
111 2000
±J Quelle: Deutsches Aktieninstitut.
Abbildung 2: Börsengänge seit 1965 bis 2003
dard und den General Standard 69. Dies bedeutete die Beendigung des 1997 zunächst mit großem Erfolg eingeführten Neue Marktes sowie auch des Small Cap Exchange (SMAX). Mit der Neusegmentierung wurde der nunmehr durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz eröffnete Spielraum genutzt. Durch die Einbettung der Zulassungsfolgepflichten, v. a. der Publizitätspflichten in die öffentlich-rechtliche Börsenordnung können diese nun im öffentlich-rechtlichen Rechtskreis unter erleichterten Bedingungen durchgesetzt werden. Nach dem seit 2002 brach liegenden Markt für Neuemissionen wagten erstmals im Jahr 2004 wieder einige Börsenkandidaten den Sprung auf das Parkett 70. Mit bösen Erinnerungen an den Neuen Markt des Börsenbooms wurde jedoch bereits der erste zu erwartende Börsengang der X-Fab AG zum 19. März 2004 auf Grund mangelnder Anleger69
Rundschreiben der Deutschen Börse, v. 25. 11. 2002, Neue Aktiensegmentierung stärkt Investorenvertrauen. 70 Das Jahr 2004 verzeichnete insgesamt 7 Neuemissionen. Siehe DAI , Factbook 03.7, Stand: Januar 2005.
2. Kap.: Bedeutung und Entwicklung des Aktienemissionsgeschäfts
35
nachfrage abgesagt71. Wenn zwar die Kapitalmarktakteure ihre Lehren aus der Vergangenheit nicht gezogen zu haben scheinen, so doch die Anleger. Mit Einhaltung der Grundsätze von Fairness und Transparenz an den Kapitalmärkten wird auch das Vertrauen der Privatanleger wieder gestärkt und das Interesse am Kapitalmarkt Wiederaufleben. Zugleich wird dann mit zunehmend fortschreitender Technologie wohl auch die Diskussion um deren Nutzbarmachung im Dienste des Kapitalmarktes nur ein vorläufiges Ende gefunden haben.
Gebhardt, Fehlstart von X-Fab lässt Banker kalt, HB, 18. 03. 2004, S. 33. 3*
2. Teil
Die Aktienemission 3. Kapitel
Phasen und Kernelemente einer Aktienemission Die Durchführung einer Aktienemission mit Börsenzulassung umfasst das Börsenzulassungsverfahren, das Marketing, das öffentliche Angebot der Aktien, die Platzierung, den Abschluss des Aktienübernahmevertrags, die Zuteilung der Aktien sowie schließlich die Notierungsaufnahme. In Deutschland sind die Voraussetzungen für einen Börsengang im Börsengesetz, dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, in der Börsenzulassungs-Verordnung bzw. ab Juli 2005 nach Umsetzung der Prospektrichtlinie im Wertpapierprospektgesetz sowie in den Börsenordnungen der verschiedenen deutschen Börsen geregelt. Eine umfassende Darstellung aller Gesichtspunkte, die bei einer Aktienemission zum Tragen kommen, würde über den Umfang und Zweck dieser Arbeit hinausgehen. Unerlässlich ist es jedoch, die für den vorliegenden Fall wesentlichen Elemente eines öffentlichen Angebots von Aktien mit Börsenzulassung vorzustellen.
I. Wesentliche vorbereitende Elemente der Aktienemission 1. Begriffsbestimmung Der zunächst wichtigste Schritt auf dem Weg zur Aktienemission ist die Erstellung eines schlüssigen Emissionskonzepts. Unter einem Emissionskonzept wird hier der alle wesentlichen Einzelmaßnahmen umfassende Ablauf- und Maßnahmeplan verstanden, der die einzelnen Schritte bis zur Börseneinführung der Aktien gegebenenfalls inhaltlich und zeitlich festlegt. Zu seinen Mindestbestandteilen gehören, ungeachtet unterschiedlicher Schwerpunkte im Einzelfall 72 : - die Herstellung der inneren Börsenreife durch Schaffung klarer, übersichtlicher und transparenter Unternehmensstrukturen und Beseitigung von Defiziten in 72
Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 36 ff.; Dr. Wieselhuber & Partner, Börseneinführung mit Erfolg, 1996, S. 201 ff.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
37
den Bereichen Controlling, Planung, Führungsstruktur, Management und Kommunikation 73 ; - die Herstellung der äußeren Börsenreife durch Umwandlung in eine börsenfähige Rechtsform 74 und Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen für das gewählte Marktsegment 75; - die Auswahl der Emissionspartner und Abschluss eines Übernahmevertrags; - die Koordination der emissionsbegleitenden kommunikativen Maßnahmen76; - die Festlegung von Volumen und Art der geplanten Kapitalmaßnahme; - die Bestimmung der Aktiengattung; - die Wahl eines Platzierungsverfahrens mit entsprechendem Verfahren der Emissionspreisfindung (Pricing). Teilweise wird unter den zuletzt genannten Begriff des „Platzierungsverfahrens" auch die Herkunft der Aktien, die Bestimmung der Aktiengattung sowie die Platzungsart, d. h. öffentliches Angebot oder Privatplatzierung, sowie das Platzierungsvolumen gefasst 77. Von maßgeblicher Bedeutung im Rahmen einer Aktienemission ist die Wahl des richtigen Platzierungsverfahrens, wodurch dieser Begriff häufig auch synonym für Emissionskonzept verwendet wird. Als Platzierung wird die zentrale Aufgabe des Konsortiums im Primärgeschäft verstanden, neu ausgestellte Wertpapiere möglichst dauerhaft bei Anlegern unterzubringen 78. Die Wahl des konkreten Zuteilungsverfahrens wird häufig erst sehr viel später getroffen, wenn abzusehen ist, wie groß die Nachfrage nach der Aktie ist und ob überhaupt eine Überzeichnung vorliegt, die ein Verfahren der Zuteilung erfordert. Unter Zuteilung wird hier entsprechend der Definition der Börsensachverständigenkommission79 die vollständige oder teilweise Annahme und Erfüllung von Kaufangeboten der Anleger verstanden.
73 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 27; Jäger, Thema Börse (3): Prüfung der Börsenreife, NZG 1998, 932. 74 Jäger, Thema Börse (4): Wahl derrichtigenRechtsform, NZG 1999, 101; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 40. 75
Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814. Dieser Thematik widmet sich Jäger, Thema Börse (8): Investor Relations und Publizität, NZG 2000,186. 77 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 1 ff., der den Gesamtvorgang als „Platzierungsprozess" bezeichnet; Pöhler, Das internationale Konsortialgeschäft der Banken, 1988, S. 229; Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 109 ff. 78 Kumpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 050, Rn. 127; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 1 ; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 486; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 205 ff. 79 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmungen, S. 10. 76
38
2. Teil: Die Aktienemission
2. Eigenemission - Fremdemission Für eine Platzierung von Aktien bestehen grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann der Emittent die Platzierung selbst vornehmen, so genannte Eigenemission oder Direktplatzierung (Direct Public Offering). Am häufigsten jedoch erfolgt die Platzierung durch Fremdemission unter Einschaltung von Banken oder anderen Emissionsbegleitern 80. Der Einschaltung von Banken bedarf zunächst es zum einen für die Stellung des Antrags auf Zulassung zum Börsenhandel in allen Marktsegmenten, ausgenommen des Freiverkehrs. Des Weiteren kann bei einer Fremdemission die Platzierungskraft (Fähigkeit, Emissionen bei qualifizierten Anlegern unterzubringen) der Banken und Wertpapierhandelshäuser sowie deren Wissen um Strukturierung, Preisfestsetzung und Timing einer Emission genutzt werden. Die Einschaltung von Banken oder Wertpapierhandelshäusern ist für den Platzierungsprozess außerdem zur Nutzung deren Netzwerks von besonderer Bedeutung. Die Distribution über solche Intermediäre ist die in Deutschland gebräuchliche Form. Demgegenüber wurden in Deutschland Eigenemissionen von Aktien nur in einigen wenigen Ausnahmefällen und auch nur bei sehr kleinen Emissionsvolumina durchgeführt 81. Durch das fortwährende Anwachsen der globalen Vernetzung verbunden mit der Möglichkeit durch eine Eigenemission erheblich die Emissionskosten zu senken, war zu Zeiten des Emissionsbooms verstärkt mit Eigenemissionen via Internet zu rechnen 82. Allerdings darf insbesondere in schwierigen Börsenzeiten gerade die Platzierungskraft der Finanzintermediäre, von der ein wesentlicher Teil einer erfolgreichen Emission abhängt, nicht unterschätzt werden. So werden gerade bei schlechten Marktverhältnissen platzierungskräftige Partner gesucht. Infolgedessen ist es um das Thema der Eigenemissionen übers Internet mit Ende der Börseneuphorie still geworden. Infolgedessen ist das Verhältnis des Emittenten zum Emissionskonsortium, geregelt im Übernahmevertrag, von entscheidender Bedeutung. Demgegenüber legt der Konsortialvertrag die Bedingungen für das Verhältnis der Konsortialmitglieder untereinander fest. Unter Konsortium wird eine vom Emittenten und dem Konsortialführer festgelegte Gruppe von Wertpapierdienstleistungsunternehmen bezeichnet, die mit der Platzierung der Aktien beauftragt ist. 80 Soweit im Folgenden von Bank oder Emissionsbank die Rede ist, kann dies im konkreten Fall rechtlich ein Kreditinstitut oder ein Finanzdienstleistungsinstitut i. S. d. KWG oder ggf. auch ein Wertpapierdienstleistungsinstitut i. S. d. WpHG darstellen, soweit für die in Frage stehende Dienstleistung, wie beispielsweise das Emissionsgeschäft gemäß § 1 I 2 Nr. 10 KWG, keine Bankerlaubnis erforderlich ist. 81 Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 205 mwN. 82 So war die Springstreet Brewery, Inc. das wohl erste Unternehmen überhaupt das seine Aktien im März 1996 über das Internet anbot. Auch in Europa bot die Internet 2000 AG als erstes europäische Unternehmen seine Aktien selbst über das Internet an. Vgl. Vaupel, Internet als Alternative? FAZ, 06. 03. 2000, S. B4; Hoffmann, „Direct Public Offering", FAZ, 06. 03. 2000, S. B4; Pßller/Westerwelle, Das Internet als Kapitalmarkt, MMR 1998,171.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
39
Der Konsortialfiihrer (Lead Manager) ist dabei im Rahmen einer Fremdemission wichtigster Emissionspartner des Emittenten. Der Konsortialfiihrer ist ein Kreditinstitut oder ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das den Emittenten bei der Börseneinführung berät und von dem Emittenten mit der Leitung eines Konsortiums und der Platzierung der Aktien beauftragt ist. Der Emittent kann auch mehrere Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit der Konsortialführung beauftragen (sog. Co-Lead Manager).
3. Öffentliches Angebot oder private Platzierung Nach der Methode der Platzierung lässt sich ein öffentliches Angebot (Public Offering) von einer privaten Platzierung (Private Placement) unterscheiden (Platzierungsart). Das öffentliche Angebot erfolgt beim breiten Anlagepublikum, also bei einem individuell nicht mehr bestimmbaren Personenkreis 83. Die klassische Form einer öffentlichen Platzierung enthält u a. auf Grund der erleichterten Handelbarkeit die Begebung von börsenzugelassenen Wertpapieren. In Zeiten weit verbreiteter Kommunikationsmittel wie beispielsweise dem Internet sind jedoch auch öffentliche Platzierungen über Kommunikationsplattformen ohne Einschaltung einer Börse oder Finanzintermediäre (Direct Public Offering) denkbar und auch bereits praktiziert worden 84 . Die private Platzierung richtet sich dagegen nicht an das allgemeine Anlagepublikum, sondern direkt an einen eng begrenzten, individuell (namentlich) bestimmten Personenkreis 85. Die Definition des Begriffs der Privatplatzierung erfolgt regelmäßig als Negativabgrenzung zum öffentlichen Angebot und erfasst demnach alle Platzierungen, die nicht als öffentlich qualifiziert werden können. Bei der Abgrenzung ist daher weniger auf die Börsennotierung der Aktien abzustellen als vielmehr auf die Form der Ansprache potentieller Investoren 86. Die Abgrenzung zum öffentlichen Angebot besteht für die Praxis im Wesentlichen zur Feststellung der Prospektpflichtigkeit nach dem VerkProspG bzw. seit dem 1. Juli 2005 nach dem WpPG 87 . Weitere Voraussetzungen und Verpflichtungen der Beteiligten bei Privatplatzierungen resultieren weniger aus der rechtsdogmatischen Qualifizierung als Privatplatzierung und deren kapitalmarktrechtlicher 83 BAWe, Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte v. 06. 09. 1999. 84 s. oben Fn. 82. Bankrecht, § 15 Rn. 16; Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 85 Schwintowski/Schäfer, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/82, 10/87. 86 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 12; Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/87. 87 Waldeck/Süßmann, Die Anwendung des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes, W M 1993, 361; Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/82, 10/87.
40
2. Teil: Die Aktienemission
Regulierung, sondern primär aus den zwischen den Konsortialbanken und dem Emittenten privatrechtlich ausgehandelten und übernommenen Aufgaben 88. Die maßgeblichen Regelungen sind die allgemeinen Vorschriften des Privatrechts und die durch sie entwickelten Grundsätze, wie beispielsweise die allgemein-zivilrechtliche (bürgerlichrechtliche) Prospekthaftung 89. Für Privatplatzierungen gelten daher im Gegensatz zum öffentlichen Angebot weniger weitreichende kapitalmarktrechtliche Schutzvorschriften für potentielle Investoren. Privatplatzierungen nehmen in Deutschland im Zusammenhang mit der erstmaligen Börseneinführung von Aktien nur eine untergeordnete Rolle ein 90 . Im Wesentlichen beschränken sie sich auf Übernahmen von Gesellschaftsanteilen mehr oder weniger lange vor der Beantragung der Börsenzulassung oder nachfolgenden Kapitalerhöhungen mit einem Angebot an Altaktionäre und institutionelle Investoren. Die überwiegende Anzahl der Neuemissionen von Aktien wird einem breiten und unbestimmten Kreis potentieller Investoren angeboten. Die folgenden Ausführungen orientieren sich daher in erster Linie, insbesondere wenn zusätzliche Anforderungen zu erfüllen sind, am Leitbild einer öffentlichen Platzierung.
4. Einfluss der verschiedenen Börsenplätze und Marktsegmente Selbst ein öffentliches Angebot umfasst nicht notwendigerweise die Zulassung der Aktien an der Börse. Maßgeblich für die gesamte Struktur und den Platzierungserfolg einer Emission ist die Entscheidung, ob die auszugebenden Aktien gleichzeitig an einer Börse zugelassen werden sollen. In Frage kommt in Deutschland die Zulassung zum Handel an einem inländisch „geregelten" Markt i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der EU-Richtlinie 93/22/EWG (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie)91 oder deren Einbeziehung in den Frei verkehr. In Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wird ein „geregelter Markt" definiert und strengen Kontrollen für die zum Handel zugelassenen Wertpapiere zur Unterstützung eines effizienten Handels unterworfen, die der Zielsetzung von Anlegerschutz und der Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapiermärkte dienen. Auch in der neuen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wird die Definition organisatorischer Anforderungen für den „geregelten Markt" zwecks Gewährleistung seiner fairen, ordnungsgemäßen und transparenten Funktionsweise beibehalten92. Als „geregelter Markt" i. S. d. Wertpapierdienstleis88 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 12, Fn. 15. 89 Vgl. zum Ganzen nur Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 1 ff., 94 ff. 90 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 14. 91 ABl. L 141 vom 11. 06. 1993. 92 s. Vorschlag für eine Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen und Geregelte Märkte, KOM(2002) 625, 2002/0269 (COD), ν. 19. 11.2002, S. 18, dem das Europäische Parlament
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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tungsrichtlinie wurde in Deutschland insbesondere der amtliche und der geregelte Markt der Frankfurter Wertpapierbörse ausgestaltet, aber auch die entsprechenden Märkte der lokalen Börsen 93. Bei einer Emission mit Börsenzulassung sind vom Emittenten zahlreiche zusätzliche Verpflichtungen einzuhalten. Für die Zulassung erforderlich ist zum einen, dass der Emittent gewisse Qualitätsmerkmale zu erfüllen hat. Zum anderen gilt auch zu bedenken, dass eine Börseneinführung weitere Anlegerkreise erschließt und die Vermarktung der Aktien erleichtert. Die Zulassung zum amtlichen oder geregelten Markt gewährleistet damit dem Investor die Einhaltung der vorgeschriebenen Standards und dient folglich als ein besonderes Qualitätsmerkmal. Neben den Börsensegmenten des amtlichen und geregelten Marktes gibt es den so genannten Freiverkehr, der allerdings nicht über ein den regulierten Märkten vergleichbares Standing verfügt. Hier werden vor allem Wertpapiere ausländischer Emittenten und Regionalwerte gehandelt. Der Freiverkehr sieht weder strenge Zulassungsvoraussetzungen noch Folgepflichten vor und die Aufnahme in dieses Segment erfolgt nicht auf Antrag des Emittenten, sondern auf Grund eines seitens der Freimakler vermuteten Handelsbedarfs. Rechtliche Grundlagen sind jeweils die Freiverkehrsrichtlinien der einzelnen Börsen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 sind durch eine Änderung der Börsenordnung der FWB zwei neue Marksegmente geschaffen worden: Der Prime Standard und der General Standard. Die neue Aktienmarktsegmentierung soll das Investorenvertrauen stärken und die Attraktivität des Kapitalmarktes wieder erhöhen 94. Gleichzeitig wurde der zunächst als „Erfolgsstory" 95 bezeichnete Neue Markt beendet. In den privatrechtlichen Regelwerken des Neuen Marktes in Ziff. 3.14 sowie in Ziff. 2.9 der SMAX-Teilnahmebedingungen war erstmals die Anerkennung der Zuteilungsgrundsätze für Aktienemissionen der Börsensachverständigenkommission verbindlich festgeschrieben worden. Zusammen mit der Beendigung des Neuen Marktes und des SMAX verlor die verbindliche Anerkennung der Zuteilungsgrundsätze ihre Wirkung zum 1. Januar 2003 96 . Allerdings wurden mit der Änderung der §§ 42, 54 S. 2 BörsG durch das 4. FFG 97 die Börsen ermächtigt, im Rahmen ihrer Börsenordnungen zusätzliche am 30. 03. 2004 zugestimmt hat und die am 21. 04. 2005 endgültig angenommen wurde (Richtlinie 2004/39/EG); Dokumente abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_ market / de / finances / mobil / isd / index.htm. 93 s. ABl. C 72/3, v. 23. 03. 2004, S. C 72/5; die jeweils aktuelle Fassung des Verzeichnisses der „geregelten" Märkte ist abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market / en / finances / mobil / isd. 94 Rundschreiben der Deutschen Börse vom 22. 11. 2002; Deutsche Börse, Kapitalmarkt Deutschland - White Paper, S. 82 ff. 95 Jäger, Thema Börse (5): Wahl desrichtigenBörsensegments, NZG 1999, 381, 384. 96. Vgl. unten 2. Teil: 4. Kapitel: H.2. 97 Das 4. FFG ist zum Ol. 07. 2002 in Kraft getreten (BGBl. 12002, S. 2009 ff.).
42
2. Teil: Die Aktienemission
Pflichten für besondere Handelssegmente als Teilsegmente des amtlichen und geregelten Marktes vorzuschreiben. Voraussetzung für die Schaffung zusätzlicher Teilsegmente ist jedoch laut Gesetzesbegründung, dass es immer einen Teilbereich des amtlichen bzw. geregelten Marktes geben muss, in dem nur die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Folgepflichten gelten 98 . Folglich bietet diese Regelung die Möglichkeit, in den Börsenordnungen, und somit nicht wie bisher allein im privatrechtlichen, sondern im öffentlich-rechtlichen Bereich der Börsen, zusätzliche Pflichten vorzuschreiben und mit den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Sanktionsmaßnahmen durchzusetzen. Von der Möglichkeit zusätzliche Anforderungen eigenständig zu regeln, hat die Frankfurter Wertpapierbörse Gebrauch gemacht und zum 1. Januar 2003 eine Neusegmentierung des Aktienmarktes sowie ein darauf basierendes neues Indexsystem eingeführt. Mit der Einstellung der bisherigen Marktsegmente Neuer Markt und SMAX Ende 2003 werden auch die auf diesen Segmenten basierenden Indizes Ende 2004 auslaufen. Die Basis der Neusegmentierung bildet der sog. „General Standard". Er ist ein Teilbereich sowohl des amtlichen Marktes als auch des geregelten Marktes und umfasst im Wesentlichen die für diese Börsensegmente gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen. Durch die Angleichung der Zulassungsvoraussetzungen für den amtlichen und den geregelten Markt ist der General Standard damit unabhängig vom Börsensegment weitgehend einheitlich ausgestaltet. Daneben wurde als weiterer Teilbereich des amtlichen und des geregelten Marktes der sog. „Prime Standard" geschaffen. Im Vergleich zum General Standard zeichnet sich der Prime Standard durch weitreichendere Zulassungsfolgepflichten aus. Insbesondere haben die zugelassenen Unternehmen umfassende Publizitätserfordernisse zu erfüllen. Dabei orientiert sich die Neuregelung im Wesentlichen an marktüblichen internationalen Standards. Von der nunmehr bestehen Möglichkeit verbindliche Regelungen zur Zuteilung bzw. zum Zuteilungsverfahren im Allgemeinen festzuschreiben, wurde bisher jedoch weder in der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse noch in anderen Börsenordnungen der übrigen bundesdeutschen Börsen Gebrauch gemacht. Auch in den neuen Vorschriften der einzelnen Marktsegmente ist eine Anerkennung im Hinblick auf die Anwendung bestimmter, insbesondere der durch die Börsensachverständigenkommission erlassenen Zuteilungsgrundsätze - wie zuvor beim Neuen Markt - nicht mehr vorgesehen.
98 Vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 80 f.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
43
5. Vorbereitung einer Aktienemission a) Kapitalmarktrechtliche
Maßnahmen
Bis zur eigentlichen Notierung, also der ersten Handelsaufnahme einer Aktie gilt es, zahlreiche und vielfältige Aufgaben zu bewältigen. Dabei empfiehlt es sich einen Mindestzeitraum von drei bis sechs Monaten zur Vorbereitung aller rechtlichen und organisatorischen Schritte einzuplanen. Die Vorbereitung einer Aktienemission umfasst die Durchführung einer Due Diligence, die Strukturierung der Gesamttransaktion sowie die Herbeiführung einer positiven Entscheidung der zuständigen Gesellschaftsorgane und -gremien. Zum engsten Kreis des ,3örseneinführungsteams" gehören neben einem auf Seiten der Gesellschaft mit der Börseneinführung betrauten Teams auch Berater, wie konsortialführende Bank, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Aber auch Marketing- und Public Relationsagenturen sind bereits in diesem Stadium miteinzubeziehen". Zu den Eckpunkten eines in Vorbereitung der Aktienemission zu erstellenden Emissionskonzeptes gehören neben der Wahl des Börsenplatzes und Marktsegmentes insbesondere die Entscheidung, ob die zu emittierenden Aktien über eine Kapitalerhöhung geschaffen werden sollen oder aus Beständen der Altaktionäre kommen sollen. Ferner bedarf es auch einer Festlegung der Aktiengattung, des Emissionsvolumens sowie der damit verbundenen Absicherung des Einflusses der Altaktionäre. Gegebenfalls sind auch Mitarbeiterbeteiligungen im Rahmen des Emissionskonzeptes zu berücksichtigen.
b) Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungskompetenz Eine gesetzliche Entscheidungsbefugnis über einen Börsengang existiert nicht. Der Vorstand leitet gemäß § 76 I AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung. Die Entscheidung über einen Börsengang fällt daher grundsätzlich in seinen Kompetenzbereich. Seine Vertretungsbefugnis nach außen kann gemäß § 82 AktG nicht beschränkt werden 100 . Grenzen sind allerdings seiner im Innenverhältnis maßgebenden Geschäftsführungsbefugnis durch die Einhaltung der Gesetze gezogen, und damit v.a. durch die ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen an die anderen Organe der Aktiengesellschaft, Aufsichtsrat und Hauptversammlung (§§ 111, 119 AktG). Als ausdrückliche Kompetenzzuweisung wäre § 119 I Nr. 6 AktG, der die Kompetenz für Kapitalmaßnahmen der Hauptversammlung zuweist, zu erwägen, im Ergebnis aber abzulehnen. Zwar wird der Gesellschaft durch Verkauf 99 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 8 ff.; Harrer/Heideman, 1999, 254, 256. 100 Zu Grenzen und Ausnahmen vgl. Hüffer,
AktG, § 82 Rn. 4.
Going Public, DStR
44
2. Teil: Die Aktienemission
Ablaufphasen eines typischen IPO Umwandlungsphase
Verhandlungs- / Börsenkonzeptphase (DueDiligencePhase)
Businessplan
BridgeFinancing
Financial Due Diligence
Auswahl der Konsortialteilnehmer/ CoManager
Definition der Unternehmensziele
Satzung
Legal Due Diligence
Expansionsstrategie
Kapitalerhöhung
Finanzbedarf
Analysephase
Syndizierungsphase
PreMarketingPhase
Zeichnungsphase
Zuteilungs- Sekundärphase marktphase
Veröffentlichung des Verkaufsangebotes
Endgültige Preisfeststellung der Aktien
Notierungsaufnahme der Aktien
Erstellung IPOdes PresseEmissions- konferenz prospektes
Zeichnungsfrist für Privatanleger
Zuteilung an die Konsortialbanken
Abwicklung erster Sekundärmarktaufträge
Börsen segment
Hauptver- Analystensammlung konferenz wegen IPO
Auswertung der Zeichnungsaufträge
Zuteilung an die Investoren
Abrechnung der Aktien für Investoren
Geschäftsordnung
Börsenplatz
Stellung des Zulassungsantrags der Aktien
Abschluss Übernahme- und Platzierungsvertrag
Feinabstimmung der erteilten Aufträge
Zeithorizont
WPBerichte
Benennung des Konsortialführers / LeadManager
Kapitalerhöhungsmaßnahmen
Investor Relations
Gesellschafterinteressen
AGGründung
Friends & FamilyProgram m
ev. Festlegung der BookbuildingPreisspanne
Stabilisierungsmaßnahmen
Handelsregistereintragung
Aktienoptionsplan
Roadshows
Abbildung 3: Ablaufphasen eines typischen IPO
Übertrag Platzierungsgegenwert an den Emittenten
45
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
von Aktien über die Börse effektiv Kapital zugeführt, dennoch sind unter Kapitalmaßnahmen gemäß § 119 I Nr. 6 AktG allein die in den §§ 182 ff., 222 ff. AktG geregelten zu verstehen 101. Des Weiteren bedarf die Entscheidung über einen Börsengang generell keiner Satzungsänderung, so dass auch §§ 119 I Nr. 5, 179 I 1 AktG als ausdrückliche Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung ausscheiden102. Ausnahmen bilden hier Klauseln in der Satzung, die explizit den Beschluss der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit vorschreiben (sog. nicht „börsenfeste" Satzung) 103 . Anders ist die Entscheidung über die Platzierung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung zu beurteilen. Im Gegensatz zum Verkauf bereits bestehender Aktien, steht hier der Hauptversammlung - zunächst einmal - ausschließlich wegen der Kapitalerhöhung eine gesetzliche Zuständigkeitskompetenz gemäß §§ 119 I Nr. 5 und 6,179,182 AktG zu. Mangels ausdrücklicher Beschränkungen liegen Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Vorstands, sofern sie sich als normale Maßnahmen der Geschäftsführung im Rahmen des satzungsmäßigen Zwecks halten. Grundlagenentscheidungen, d. h. Entscheidungen, von denen der Vorstand nicht annehmen kann, dass er sie auf Grund ihres Gewichts selbst treffen kann, fallen demgegenüber nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung 104 auch bei fehlender ausdrücklicher Normierung in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung. Da die Entscheidung über den Börsengang der Hauptversammlung keine ausdrückliche Kompetenz zuweist, bleibt nur die Möglichkeit eines ungeschriebenen Zustimmungserfordernisses auf Grund einer Grundlagenentscheidung. Durch eine Börseneinführung öffnet sich die Gesellschaft einem großen Kreis potentieller Anleger, was infolge höherer Liquidität und der leichten Übertragbarkeit der Anteile mit einem erheblichen faktischen Strukturwandel verbunden ist. So besteht die Gefahr des Einstiegs unliebsamer Gesellschafter, die bis zur Konzernabhängigkeit führen kann 105 . Das Unternehmen wird gemäß § 267 III HGB unabhängig von seiner tatsächlichen Größe, bilanz-, prüfungs- und publizitätspflichtig. Hinzu kommen zahlreiche Informations- und Veröffentlichungspflichten nach dem BörsG i.V.m. BörsZulV (§§ 30 III Nr. 2, 32 BörsG i.V.m. §§ 13 ff. BörsZulV, § 51 I Nr. 2 BörsG, § 7 Π, ΠΙ VerkProspG i.V. m. §§ 2 ff. VerkProspV), die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG sowie Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach § 15a und § 21 ff. WpHG. Wegen des strukturändernden Charakters einer Börseneinführung und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren ιοί Hüffer, AktG, § 119 Rn. 6; GroßkommAktG/Mülbert, 102 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 47. 103 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 47.
§ 119 Rn. 14.
104 BGH Urteil v. 25. 02. 1982 in BGHZ 83,122, 131 (Holzmüller). 105 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 48; Vollmer/Grupp, näre beim Börseneintritt und Börsenaustritt, ZGR 1995,459,461 ff.
Der Schutz der Aktio-
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2. Teil: Die Aktienemission
Vermögensinteressen spricht sich ein gewichtiger Teil der Literatur für ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung über einen Börsengang der Gesellschaft aus, wobei eine einfache Mehrheit ausreichen soll 1 0 6 . Ein förmlicher Hauptversammlungsbeschluss soll dann nicht zwingend erforderlich sein, wenn - wie wohl bei kleinen bzw. personalistischen Aktiengesellschaften üblich, innerhalb der Gesellschafter Einverständnis über den Börsengang besteht oder dieser sogar vertraglich vereinbart wurde 107 . Die Verhandlungen und der Abschluss von Vereinbarungen der Gesellschaft mit der Emissionsbank, insbesondere der Übernahmevertrag, und der Antrag auf Zulassung zur Börse fallen demgegenüber als Geschäftsführungsmaßnahme in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands (§§ 761, 78 AktG) 1 0 8 .
6. Die Praxis der Übernahme von Aktien Wesentliche vertragliche Grundlage einer Aktienemission ist der Abschluss des Übernahmevertrags zwischen dem Konsortialführer - regelmäßig in Vertretung der einzelnen Konsortialmitglieder - und dem Emittenten. In diesem Vertrag werden alle wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Emission geregelt. Wichtigster Inhalt des Übernahmevertrags ist die Aktienübernahme durch das Emissionskonsortium und die damit verbundene Verteilung des Platzierungsrisikos. Zu unterscheiden sind in Anbetracht der unterschiedlichen Verlagerung des Platzierungsrisikos das Best Efforts Underwriting, der Bought Deal und das Firm ( Commitment) Underwriting. Da der Übernahmevertrag die rechtlichen Verhältnisse der einzelnen Parteien untereinander regelt und damit auch auf mögliche Ansprüche untereinander, insbesondere solche auf Zuteilung Einfluss nimmt, sollen die einzelnen rechtlichen Beziehungen im 2. Teil: 4. Kapitel: 1.1. im Rahmen der ausführlichen Darstellung der jeweiligen Rechtsverhältnisse dargelegt werden. Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 48, 51; Lutter /Drygala, Rechtsfragen beim Gang an die Börse, Festschrift für Raisch, 1995, S. 239, 240 f.; Lutter/Leinekugel, Der Ermächtigungsbeschluß der Hauptversammlung, ZIP 1998, 805, 806; GroßkommAktG/ Mülbert, § 119 Rn. 30 mwN; Vollmer/Grupp, Der Schutz der Aktionäre beim Börseneintritt und Börsenaustritt, ZGR 1995, 459, 466; Schlüter, Wertpapierhandelsrecht, 2000, S. 291 f., Rn. 11; Picot /Land, Going Public, DB 1999, 570, 571, die jedoch empfehlen, einen Hauptversammlungsbeschluss mit mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals einzuholen. 107 Lutter /Drygala, Rechtsfragen beim Gang an die Börse, Festschrift für Raisch, 1995, S. 239, 241; Trapp/Schick, Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft, AG 2001, 381,382. 108 Lutter /Drygala, Rechtsfragen beim Gang an die Börse, Festschrift für Raisch, 1995, S. 239, 240; Picot /Land, Going Public, DB 1999, 570, 571; Trapp/Schick, Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft, AG 2001, 381, 382.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
a) Best Efforts
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Underwriting
Beim Best Efforts Underwriting übernimmt das Emissionskonsortium lediglich kommissionsweise die zu platzierenden Wertpapiere 109. Ferner verpflichten sich die Emissionsbanken, das vereinbarte Platzierungsvolumen nur nach besten Kräften im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei den Investoren unterzubringen. Diese Form der Übernahme wird bei Aktienemissionen im Gegensatz zur Übernahme von Schuldverschreibungen nur selten praktiziert 110 .
b) Bought Deal Beim Bought Deal verpflichtet sich das Emissionskonsortium sehr früh, regelmäßig schon bei Unterzeichnung des Vertrags über die Erteilung des Börseneinführungsmandats (Letter of Engagement), die zu platzierenden Aktien verbindlich zu festen Konditionen zu übernehmen 111.
c) Firm (Commitment) Underwriting Beim Firm (Commitment) Underwriting, der in Deutschland üblichsten Form der Aktienübernahme, verpflichtet sich das Emissionskonsortium gegenüber dem Emittenten zur festen Übernahme und Bezahlung der zu platzierenden Aktien. Im Gegensatz zum Bought Deal wird beim Firm Underwriting der Übernahmevertrag häufig sehr spät - oft erst kurz vor Notierungsaufnahme - unterzeichnet 112. Sofern Aktien der Altaktionäre (sog. alte Aktien) platziert werden sollen, werden auch diese regelmäßig von den Emissionsbanken auf eigene Rechnung erworben 113 . Das Emissionskonsortium verpflichtet sich zur vollständigen und erfolgreichen Unterbringung der Emission am Markt.
7. Markteinführungspublizität Voraussetzung für die Zulassung von Aktien sowohl zum amtlichen Markt (§§ 30 III Nr. 2, 32 BörsG i.V. m. 13 ff. BörsZulV) als auch zum geregelten Markt (§§511 Nr. 2, 50 BörsG, § 69 I BörsO der FWB i.V. m. §§ 13 ff. BörsZulV) ist die io9 Pßller /Flatten,
Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 390.
uo Pßller /Flatten,
Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 390.
111 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 31; Pßller /Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 390. 112 So beim Bookbuildingverfahren als einer Form der Festübernahme. Vgl. Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 33; Pßller /Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 391. 113 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/288 ff.
2. Teil: Die Aktienemission
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Veröffentlichung eines Prospekts 114. Üblicherweise wird vor dem öffentlichen Angebot ein unvollständiger Verkaufsprospekt und vor der Börsenzulassung ein Börsenzulassungsprospekt bzw. Unternehmensbericht veröffentlicht. Die Zulassung zum geregelten Markt verlangt gemäß §§511 Nr. 2, 50 BörsG i.V. m. § 69 I BörsO der FWB ein Unternehmensbericht, dessen Inhalt der VerkProspVO zu entsprechen hat. Für eine Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr verlangt die Börse lediglich die Einreichung und Veröffentlichung eines Exposés, der dem Inhalt der VerkProspVO allerdings in verkürzter Darstellung entspricht. Eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts ergibt sich jedoch bei einem öffentlichen Angebot bereits aus § 1 VerkProspG, bzw. § 1 WpPG, sofern sich aus den Ausnahmevorschriften nichts anderes ergibt. Zweck der Markteinführungspublizität ist neben der Stärkung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte durch Transparenz vor allem die Verbesserung des Schutzes der Anleger, denen vor einem Investment die optimale Basis für eine Entscheidung geboten werden soll. Die rechtliche Bedeutung des Prospekts liegt insbesondere in der Prospekthaftung, die an die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit des Prospekts anknüpft. Zudem kann der Prospekt ggf. Bestandteil des Vertrags zwischen Emittent und Käufer beziehungsweise zwischen Emissionsbank und Käufer sein, wenn bei der Zeichnung auf den Prospekt Bezug genommen wird 1 1 5 .
II. Wesentliche Elemente der Platzierung 1. Platzierungsverfahren Unter Platzierung ist der Verkauf der Aktien sowie - falls vorgesehen - deren Börseneinführung zu verstehen 116. Wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen Platzierung sind die Festsetzung des richtigen Emissionspreises und die nachfolgende Zuteilung der zu platzierenden Aktien. Grundsätzlich besteht beim Emissionsgeschäft bezüglich des Emissionspreises ein natürlicher Gegensatz zwischen Emittent und Investor: Der Emittent ist an einem möglichst hohen, der Anleger an einem möglichst niedrigen Emissionspreis interessiert. 1,4 Sog. „Kernstück des Zulassungsantrags", von Rosen in Assmann /Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 2 Rn. 145; Schwark/Heidelbach, KMRK, § 30 Rn. 20; Harrer in Beck'sches Handbuch der AG, 2004, § 23 Rn. 122. Mit in Kraft treten des Wertpapierprospektgesetzes zum 1. Juli 2005 ergeben sich einige Änderungen an die inhaltlichen Anforderungen eines Prospekts. us Schanz, Börseneinführung, 2002, § 13 Rn. 3; Schwark, BörsG, 2. Aufl., § 38 Rn. 8.
116 s. oben Fn. 78.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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Aufgabe des Konsortialführers ist es nun, mit Hilfe eines geeigneten Platzierungsverfahrens diese grundsätzlich gegensätzlichen Interessen sowie eine gerechte Verteilung des Emissionsrisikos aller Emissionsbeteiligten zu einem Ausgleich zu bringen 117 . a) Festpreisverfahren Das Festpreisverfahren war noch vor wenigen Jahren das in Deutschland übliche Platzierungsverfahren. Es stellt ein mengenorientiertes Tenderverfahren 118 dar, d. h. der Investor kann die Menge der zu ordernden Wertpapiere frei wählen, nicht aber den Platzierungspreis. Der Emittent beauftragt das Emissionskonsortium beziehungsweise einen einzelnen Emissionsbegleiter, die von diesem übernommenen Aktien dem breiten Publikum zu einem teilweise bereits lange Zeit vor der Veröffentlichung des Verkaufsangebots festgelegten Preis anzubieten und zu plat119
zieren . Teilweise erhält der Emittent auch eine Platzierungsgarantie durch die Emissionsbegleiter, so dass er über eine sichere Kalkulationsgrundlage hinsichtlich des am Ende generierten Kapitals verfügt 120 . Üblicherweise trägt jedes einzelne Konsortialmitglied das Platzierungsrisiko hinsichtlich der von ihm übernommenen Garantiequote 121. Von den Konsortialbanken nicht platzierte Aktien können daher den darauf folgenden Sekundärmarkt belasten. Dies läuft damit dem Interesse des Emittenten an einer möglichst stabilen Entwicklung seines Aktienkurses entgegen. Ohne Platzierungsgarantie trägt der Emittent aber das Risiko einer Fehleinschätzung der Marktlage. Als nachteilig empfunden wird bei dieser Platzierungsmethode der mangelnde Einfluss der potentiellen Investoren auf die Emissionspreisfestsetzung {Pricing). Das Pricing erfolgt letztlich durch Verhandlungen zwischen dem Emittenten und dem Lead Manager 122 . Die tatsächlich vorhandene Nachfrage kann meist allenfalls erst zeitverzögert während der Verkaufsfrist ermittelt werden. Festgelegt wird der Emissionspreis deshalb basierend auf einer fundamentalen Unternehmensanalyse und -bewertung unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Börsenbewertung vergleichbarer Unternehmen sowie der allgemeinen Marktsituation 123 . 117 118 119
Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339. Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,45. Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814,
815. 120
Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814,
815. 121
Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339. Kaserer/Kempf, Bookbuilding: Das Undeipricing-Phänomen, Die Bank 1996, 184; Schürmann/Körfgen, Familienunternehmen auf dem Weg zur Börse, 1997, S. 23 f.; Pöhler, Das internationale Konsortialgeschäft der Banken, 1988, S. 180 f. 123 Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339. 122
4 Koehler
2. Teil: Die Aktienemission
50
Das früher vorherrschende Festpreisverfahren wurde fast vollständig durch das Bookbuildingverfahren [siehe dazu unten c)] ersetzt. Derzeit werden nur noch vereinzelt, regelmäßig kleinere Emissionen im Wege des Festpreisverfahrens emittiert, bei denen die Nachfrage gut abgeschätzt oder voraussichtlich schon durch regelmäßige Zeichner abgedeckt werden kann 124 . Anwendung fand das Festpreisverfahren teilweise noch zwingend vor bei reinen Bezugsrechtsemissionen125, auf Grund der - nunmehr geänderten - aktienrechtlichen Erfordernisse sowohl bei unmittelbarem als auch mittelbarem Bezugsrecht gemäß § 186 I I und V 2 AktG, den Ausgabebetrag zu einem vorab genau bezifferten Preis anzugeben126. Für die Festlegung einer Preisspanne im Kapitalerhöhungsbeschluss blieb bei reinen Bezugsrechtsemissionen damit kein Raum. Ob die durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. 07. 2002 1 2 7 eingeführten Erleichterungen den Markt für Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsangebot beleben, bleibt abzuwarten 128.
b) Kurstenderverfahren
(Auktionsverfahren)
Das Kurstendersystem 129, auch als „Subskription zu beweglichen Kursen" bezeichnet 130 , ist eine Variante des Verfahrens der öffentlichen Zeichnung 131 . Es hat die Besonderheit, dass kein fester Kurs vorgegeben wird, sondern der Zeichner einen Angebotskurs, eventuell unter Berücksichtigung eines Mindestkurses, angeben muss 132 . Es wird jedoch keine Preisspanne vorgegeben 133. Die interessierten Investoren reichen beim Lead Manager oder den Konsortialbanken Kaufangebote 124
Baumeister /Werkmeister, Auktions verfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44, 45 f. mwN; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 52. 125 Schlitt/Seiler, Aktuelle Rechtsfragen bei Bezugsrechtsemissionen, W M 2003, 2175, 2180; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/259aff., 10/270d ff., 10/312; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 73. 126 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/260; Kölner Kommentar AktG/Lutter, § 186 Rn. 46; GroßkommAktG/ Wiedemann, § 186 Rn. 99. '27 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19. 07. 2002, BGBl. 12002, S. 2681. 128 Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen vgl. unten 2. Teil: 4. Kapitel: 1.3. 129
Auch als Preistender-, Bieter- oder Auktionsverfahren bezeichnet. Vgl. Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10. 06. 2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15; Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,47. 130
Pöhler, Das internationale Konsortialgeschäft der Banken, 1988, S. 242. Das Festpreisverfahren stellt demgegenüber ein mengenorientiertes Auktionsverfahren dar. Vgl. Baumeister /Werkmeister, Auktions verfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,45. 132 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 135; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 308 131
1 33 Willamowski,
Bookbuilding, 2000, Rn. 271.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
51
unter Angabe des Kaufkurses und der zu diesem Kurs zu beziehenden Aktienmenge innerhalb einer vorgegebenen Frist ein 1 3 4 . Die Aktien werden dann an diejenigen zugeteilt, die einen im Nachhinein bestimmten Kurs geboten oder überboten haben. Der Kurs wird entweder einheitlich bestimmt oder es wird zu dem jeweiligen gebotenen Kurs zugeteilt 135 .
aa) Amerikanische Auktion Im Falle der amerikanischen Auktion 1 3 6 wird zu den individuell gebotenen Kursen in der Reihenfolge der Höhe, beginnend mit dem höchsten Gebot, zugeteilt und abgerechnet bis die Emission vollständig platziert ist 1 3 7 . Dadurch entsteht eine Preisdiskriminierung. Zwar wird durch ein höheres Gebot die Zuteilungswahrscheinlichkeit erhöht, zugleich erwächst daraus aber auch ein geringerer finanzieller Vorteil 138 . bb) Holländische Auktion Bei internationalen Aktienemissionen wurde häufig das holländische Auktionsverfahren angewendet. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass Zuteilung und Abrechnung einheitlich zu dem höchst möglichen Kurs erfolgt, der die Platzierung des gesamten zu emittierenden Aktienvolumens gerade noch ermöglicht 139 .
cc) Modifiziertes Auktionsverfahren Beim modifizierten Auktionsverfahren 140 wird zunächst ein Mindestpreis bekannt gegeben, der sich an einer fundamentalen Unternehmensbewertung orientiert. Danach werden alle Anleger - institutionelle sowie auch Retail-Anleger aufgefordert, limitierte Orders abzugeben, unter Nennung der gewünschten Aktien134 135
Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 135.
Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/85; Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44, 45. 136 Die verschiedenen Auktionsvarianten finden sich teilweise unter den unterschiedlichsten Länderbezeichnungen wieder. Vgl. Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 309, Fn. 560, der unter fälschlicher Bezugnahme auf Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 135, die amerikanische Auktion mit der holländischen gleichsetzt und wohl die ansonsten als holländisch bezeichnete Variante als „modifiziert holländisch" bezeichnet. 137 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 135. 138 Baumeister /Werkmeister, Auktions verfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,45. 139 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 135; Generell auch als Einheitspreisverfahren bezeichnet, vgl. Baumeister /Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,45. 140 Vereinzelt auch als diskretionäres Tenderverfahren bezeichnete Methode der Preisfindung und Zuteilung. Siehe Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 136. 4*
52
2. Teil: Die Aktienemission
menge und des Preises, den sie zu zahlen bereit sind 1 4 1 . Nach Abschluss der Zeichnungsfrist erstellt der Bookrunner 142 eine Preis-/Mengenfunktion für jeden gebotenen Preis, auf deren Grundlage dann ein so genannter Gleichgewichtspreis ermittelt wird. Der so ermittelte Preis gleicht allerdings Angebot und Nachfrage nicht notwendigerweise vollständig aus, sondern die Nachfrage übersteigt regelmäßig das Angebot 143 . Als Gleichgewichtspreis gilt derjenige Preis, bei dem die Nachfrage das Angebot mindestens dreifach überschreitet und eine Mindestzahl von erstklassigen institutionellen Investoren enthält 144 . Durch Abschlag von je nach Marktlage 10% bis 20% wird der endgültige Emissionspreis ermittelt 145 . Dadurch soll eine Kursfantasie im Sekundärmarkt erhalten bleiben und zugleich ein Anreiz zu Nachkäufen geschaffen werden. Auf Grund des nicht vollständigen Ausgleichs von Angebot und Nachfrage zum ermittelten Emissionspreis können sodann weitere Zuteilungskriterien ermittelt. Diese können sich beispielsweise an quantitativen oder qualitativen wie ζ. B. regionalen Kriterien orientieren. Es kann aber ebenso ein bestimmtes Aktienvolumen für die Retail-Nachfrage reserviert werden. dd) Bedeutung des Tenderverfahrens Nach den vor allem im Neuen Markt teilweisen massiven Zeichnungsgewinnen einerseits und niedrigen Erfolgschancen der Zeichner andererseits wurden Stimmen gegen das fast durchweg angewandte Bookbuildingverfahren als Preisfindungs- und Zuteilungsverfahren laut. Zur Diskussion stand die Einführung von Auktionsverfahren, die zur Gewinnmaximierung für den Emittenten und zu einer größeren Transparenz bei der Zuteilung führen sollten 146 . Ferner sollte damit verhindert werden, dass Anleger oftmals ein Vielfaches des erwünschten Aktienvolumens zeichneten, um die Chancen der Zuteilung zu erhöhen 147 . Im Auktionsverfahren muss der Anleger damit rechnen, die georderte Aktienanzahl zu dem von ihm gebotenen Preis abnehmen zu müssen. 141 Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06.2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 142 Das Konsortialmitglied, dem die Führung des Orderbuchs übertragen wurde. 14 3 PfUller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670, 673; Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10. 06. 2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 144
Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06.2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. ,4 5 Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06. 2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 146 Schäfer, Die Streitfrage: Sollen bei Neuemissionen Aktien künftig im Auktionsverfahren zugeteilt werden? WiWo, 01.04. 1999, S. 140; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 60 ff.; Wenger, Going Public - Fair Play bei der Zuteilung? Die Bank 2000, 295. 147 Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44, 46; Bauer, Auktion stellt Trius-Preis bei 36,50 Euro fest, FTD, 06. 03. 2000, S. 19.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
53
Vereinzelt wurde auch zur Lösung der Probleme die Anwendung eines modifizierten Auktionsverfahrens vorgeschlagen, wonach eine Preisuntergrenze - eventuell auch eine Preisobergrenze als Orientierungshilfe 148 - bekannt gegeben wird 1 4 9 . Interessierte Anleger sind danach aufgefordert, die gewünschte Menge an Aktien sowie den Preis innerhalb der vorgegebenen Preisspanne zu benennen, den sie bereit sind zu bezahlen. Erstmals wurde die Anwendung eines Auktionsverfahrens zur Optimierung des Emissionserlöses bei der Neuemission der Trius AG im März 1999 angekündigt150. Als erste im Auktionsverfahren durchgeführte Emission wurde die Trius AG jedoch erst im März 2000 platziert 151 . Das Auktionsverfahren - auch in modifizierter Form - konnte sich bisher jedoch noch nicht durchsetzen 152. Fraglich bleibt auch, ob der von Google durchgefühlte Börsengang per Online-Auktion weitere Impulse für dieses Verfahren bringen konnte 1 5 3 . Die mit einer Auktion verbundenen Nachteile wie Ausschluss von Kursfantasien und Festlegung des Preises nur anhand von Preisindikationen gut informierter Institutioneller, sondern auf Grund von Angeboten sämtlicher Investoren, sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Die Festlegung einer Preisspanne anhand von Preisindikationen gut informierter institutioneller Anleger spiegelt regelmäßig einen angemesseneren Emissionspreis wieder. Zwar mag dem Unternehmen durch die Ausreizung des Marktes ein höherer Emissionserlös zufließen. Allerdings besteht durch einen zu hohen Emissionskurs eine größere Gefahr des Kursverfalls. Ein nicht stetig ansteigender Börsenkurs erschwert jedoch die Möglichkeit zur Aufnahme weiteren Eigenkapitals durch eine Sekundärmarktplatzierung. So kann sich der zunächst positive Effekt eines höheren Emissionserlöses bei weiterem Kapitalbedarf gerade als Nachteil herausstellen. c) Bookbuilding aa) Emissionskonzept und Platzierungsverfahren Erstmals im Jahre 1994 wurde das im angelsächsischen Raum bereits etablierte Bookbuildingverfahren bei einer Kapitalerhöhung der Daimler Benz AG und der Lufthansa AG eingesetzt, die bei Letzterer mit einer Privatisierung verbunden war 1 5 4 . 148 Brandt, Neuemissionen - Mit wirklichen Auktionen zumrichtigenKurs, Bankmagazin 1999,44; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 60. 149 o.V, Änderungen des Emissionsverfahrens vorgeschlagen, Börsen-Zeitung 12.03.1999, S. 25. 150 0.V., Trius betritt Emissionsneuland, HB, 15. 03. 1999, S. 24.
151 Bauer, Auktion stellt Trius-Preis bei 36,50 Euro fest, FTD, 06. 03. 2000, S. 19; Dofel, Auktion bei Trius-Aktie erfolgreich, FTD, 10.03.2000, S. 21; Baumeister,/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,47. 152 o.V, Neuemissionen auktionieren, Börsen-Zeitung, 05. 03. 1999. 153 o.V, Google will per Online-Auktion an die Börse, HB, 24. 10. 2003; o.V, Google mit niedrigerer Preisspanne, AG Report, 2004, R417.
54
2. Teil: Die Aktienemission
Generell unterscheidet sich das Bookbuilding vom bisher gängigen Festpreisverfahren vor allem dadurch, dass die Nachfrageseite verstärkt in das Emissionsprocedere, d. h. insbesondere in die Preisfestlegung und die Zuteilung der Aktien miteinbezogen wird 1 5 5 . Im Gegensatz zum Auktions verfahren werden allerdings nur die institutionellen Anleger direkt vor Bekanntgabe der Preisspanne in die Preisfindung miteinbezogen156. Das Bookbuildingverfahren ist das derzeit überwiegend angewandte Platzierungsverfahren. So erfolgten im Jahre 2000 und 2001 alle Aktienemissionen am amtlichen oder geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse inklusive des Neuen Marktes jeweils mit einer Ausnahme nach dem Bookbuildingverfahren 157. Beim Bookbuilding legt der Emittent zusammen mit seinen Emissionspartnern nach ersten Preisindikationen der institutionellen Investoren eine Preisspanne fest, in der die Investoren innerhalb einer bestimmten Zeichnungsfrist ihre Preis- und Mengenvorstellungen offenbaren. Ein Emissionsbegleiter führt dabei die Angebote der Anleger in einem Orderbuch. Zusätzlich zum bestehenden Preisrahmen kann sich der Emittent beziehungsweise das Emissionskonsortium die Möglichkeit einer nachträglichen Anhebung des Preisniveaus vorbehalten (sog. Step-up-Option) 15*. Die eigentliche Preisfeststellung erfolgt erst am Ende der Bookbuildingphase nach Auswertung der beim Bookrunner erfassten Zeichnungswünsche159. Begrifflich zu beachten gilt allerdings, dass sich das Bookbuildingverfahren nach seiner heutigen Ausprägung nicht nur als Platzierungsmethode oder Preisfindungsverfahren darstellt 160 . Vielmehr ist es als abstraktes Emissionskonzept 154
Landgraf, Neue Methoden im Emissionsgeschäft bei Aktien. Schönheit siegt. HB, 13.06. 1994, S. 25; Landgraf, Emissionsgeschäft/Neues Verfahren. Die Nageprobe steht noch bevor. HB, 17.08. 1994, S. 31; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 270; Eine weitere Auflistung findet sich bei Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1 Fn. 1. 155
Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339 f.; Grundmann, Bookbuilding - ein neues Emissionsverfahren setzt sich durch, Kreditwesen 1995, 916. 156 Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/86; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 276, 270; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 166 ff. 157 Im Jahr 2001 setzte die Trius AG das Auktionsverfahren und im Jahr 2002 die Deutsche EuroShop AG das Festpreisverfahren ein. Daten abrufbar unter http://deutsche-boerse.com; s. auch Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 52 Fn. 71. 158 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 218 f. mwN; Betz/Hable, Enge Zeichnungsspanne ist wünschenswert, Börsen-Zeitung, 10. 06. 2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 1. 159 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 222 ff. mwN; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 273; Grundmann, Bookbuilding - ein neues Emissionsverfahren setzt sich durch, Kreditwesen 1995, 916. 160 Als Platzierungsverfahren versteht das Bookbuilding: Hidding, 1996 ein Going-PublicRekordjahr, in: Hoppenstedt Börsen-Jahrbuch 1996, S. V68 ff., V69; als Preisfindungsverfahren versteht das Bookbuilding: Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmungen, S. 8.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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zu verstehen, das größtenteils durch betriebswirtschaftliche Elemente bestimmt wird 1 6 1 . Das Bookbuilding - als umfassendes Emissionskonzept verstanden 162 lässt sich generell in vier Phasen gliedern: Pre-Marketing-Phase, Marketing-Phase, Order-Taking-Phase und Stabilisierungsphase 163. Der eigentlichen Platzierung vorangestellt wird die so genannte Pre-MarketingPhase mit ihren Roadshows, während derer die potentiellen Großinvestoren mit der Equity Story der Börsenkandidaten vertraut gemacht werden. In der Marketing-Phase wird der Rahmen für den Emissionspreis öffentlich bekannt gegeben. Während dieser Phase werden für institutionelle Investoren und Anlageberater Unternehmenspräsentationen (Roadshow) veranstaltet und Einzelgespräche (One-on-Ones) geführt. Private Anleger werden regelmäßig von den Anlageberatern der Banken über die bevorstehende Emission informiert. Kurz nach Beginn der Marketing-Phase beginnt das so genannte Order-Taking. Die dabei eingehenden Zeichnungswünsche werden zentral beim Bookrunner im Orderbuch geführt. Am Ende des letzten Tages der Order-Taking-Phase analysiert der Bookrunner auf der Basis der gemeldeten Zeichnungswünsche die Preiselastizität der Nachfrage in Abhängigkeit von einzelnen Qualitätskategorien. Das Verfahren zur Preisfestlegung auf Grund einer an Orderbüchern orientierten Preisbildung wird als „Bookbuilding im engeren Sinne" 164 , vereinzelt auch als „eigentliches Bookbuilding" 165 bezeichnet. In der nachfolgenden Stabilisierungsphase wird nach der Notierungsaufnahme Kurspflege für die neu in den Handel aufgenommenen Aktien betrieben. Neben der Anwendung des Bookbuildingverfahrens als Platzierungskonzept dienen die nach Ablauf der Zeichnungsfrist vorliegenden Aufträge als Orientierungsgrundlage zur Festlegung des Emissionspreises sowie der konkreten Zuteilung 166 . Dem Emittenten eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, Einfluss auf die künftige Gesellschafterstruktur zu nehmen. 161 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 30,47 ff. mwN. 162 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 135; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 271. 163 Abweichende Verfahrensstrukturen des hier beschriebenen standardisierten Bookbuildingverfahrens lassen derzeit das Accelerated Bookbuilding erkennen, wonach innerhalb weniger Stunden oder Tage durch Straffung und Zusammenfassung der üblichen Bookbuildingphasen ein (bereits börsennotiertes) Unternehmen an institutionelle Investoren veräußert wird. Diese Strukturen dienen - zumindest bisher noch - der Platzierung bei Institutionellen teilweise auch verbunden mit der Finanzierung eines Unternehmenskaufs. Vgl. Groß in Hellner/ Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/263a mwN. 164 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 136; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572. 165 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1. 166 Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 340; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 273.
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2. Teil: Die Aktienemission
Neben dem Vorteil der marktgerechteren Platzierung bietet das Bookbuildingverfahren auch für den Kleinanleger Vorteile. Mit der Einholung erster Preisindikationen und Kaufaufträge im Kreise gut informierter institutioneller Investoren ist grundsätzlich der Vorteil einer marktnäheren Preisfeststellung möglich. Die Schwankungsbreite möglichen Underpricing oder Overpricing ist damit dem Grunde nach reduziert - außen vor bleiben müssen hier Phasen ungewöhnlicher Marktstimmungen, wie ζ. B. die letzte Börseneuphorie Ende der Neunziger Jahre. Auf Grund der Veröffentlichung von ersten Preisindikationen in Form einer Preisspanne werden auch dem Kleinanleger Informationen offenbart, die dieser ansonsten in der Regel nicht besitzt und deren Beschaffung für ihn unökonomisch wäre. Da sich dadurch auch die Kursrisiken bei der Zeichnung von Neuemissionen reduzieren, führt die Anwendung des Bookbuildingverfahrens zu einer größeren Attraktivität des Neuemissionsmarktes für das breite Anlegerpublikum 167 . Allerdings werden auf Grund der Erfahrungen während der Börseneuphorie und der Erkenntnis verschiedenster Eigeninteressen und Manipulierungsmöglichkeiten immer mehr Stimmen laut, die Emissionspreisfindung nicht allein durch die Emissionsbanken festlegen zu lassen, sondern unabhängige Sachverständige, wie ζ. B. Wirtschaftsprüfer, einzusetzen168.
bb) Zuteilung nach Qualität der Investoren Dem Wesen des Bookbuilding immanent ist die selektive Allokation an qualitativ hochwertige Investoren. Mit der Anwendung des Bookbuildingverfahrens und der damit einhergehenden Transparenz gelang es erstmals durch Auswahl der Investoren zu einer Stabilisierung der Aktionärsstruktur beizutragen. Dies erlaubt dem Emittenten, gezielt bestimmten Anlegern oder bestimmten Anlegergruppen, ζ. B. langfristig Orientierten, Aktien zuzuteilen. Somit erweiterten sich die Zuteilungskriterien, die sich meist anfangs auf quantitative Kriterien beschränkten, um den Gesichtspunkt der „Qualität" der Investoren. Praktisch melden die Konsortialbanken dem Bookrunner fortlaufend die vorliegende Nachfrage anhand eines Orderformulars 169. Diese gesammelten Meldungen stellt der Bookrunner zunächst in ein EDV-Orderbuch ein. Ab einer bestimmten Größenordnung sind bei Orders institutioneller Anleger Angaben über die Identität (Name und Nationalität), den Typ (Asset Management/Vermögensverwaltung, Versicherung, Pensionskasse, Investmentfonds etc.), die Preisvorstellung und die 167
Kaserer/Kempf, Bookbuilding: Das Underpricing-Phänomen, Die Bank 1996,184,185. In Deutschland: Serfling/Pape/Kressin, Emissionspreisfindung und Underpricing, AG 1999, 289, 296 mwN; in den USA: NASD, NtM 03-72, November 2003, Proposed Rule Governing Allocations and Distributions of shares in IPOs, p. 769, 770, a. A. SIA, Response to Notice to Members 03-72, 23. 01. 2004, p. 11. 169 Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 341; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572 ff. 168
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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„Qualität" der Investoren zu machen. Unter „Qualität" ist dabei die kurz- oder langfristige Anlageorientierung zu verstehen. Um eine Zuteilung an qualitative Investoren zu ermöglichen, legen die Konsortialbanken bei der Order des Kaufinteressenten Wert darauf, nicht nur Informationen über Namen, Zeichnungsvolumen und Preisvorstellung zu erhalten, sondern insbesondere Hinweise zur Anlagestrategie und Tätigkeit des Investors 170 . Durch Auswertung der gesammelten Angaben im Orderbuch erhält der Konsortialführer einen Marktüberblick und kann - zusammen mit dem Emittenten - die Zuteilung der Aktien nach seinen Wünschen, namentlich im Hinblick auf die Aktionärsstruktur, steuern. Teilweise wurde selbst Privatanlegern bei einigen Emissionen über das Internet ermöglicht, weiter gehende Angaben über eine Eingabemaske zu machen, bzw. einen Fragebogen ausfüllen, um ihre Berücksichtigung bei der Zuteilung zu erhöhen. Demnach können, wie während des Technologie- und Börsenbooms häufig durchgeführt, mit Hilfe von Online-Fragebögen erleichtert Werkzeuge für den Emittenten bereit gestellt werden, die zu einer größeren Transparenz und Analyse der potentiellen Investoren für die Zuteilung im Rahmen des Bookbuildingverfahrens führen 171 . Als besonders hochwertige Qualitätsmerkmale gelten angesichts des Bestrebens einer stabilen Kursentwicklung u. a. die Langfristigkeit des Investments und die Bereitschaft im Sekundärmarkt nachzukaufen. Aber auch die Reputation der erwerbswilligen institutionellen Investoren gilt als besonders zu berücksichtigendes Qualitätskriterium. Ausschlaggebend für die Zuteilung sind damit die Herstellung einer optimalen Aktionärsstruktur, die eine stabile Kursentwicklung gewährleistet. Diese Qualitätsmerkmale werden von bestimmten Anlegergruppen auf Grund ihrer Interessen repräsentiert. So werden ζ. B. das Management des Emittenten, Venture Capital-Gesellschaften, andere Unternehmen und Banken regelmäßig bei der Zuteilung zur Herstellung einer optimalen Aktionärsstruktur bevorzugt berücksichtigt 172. Auf Grund des heute überwiegend durchgeführten Bookbuildingverfahrens soll im Folgenden die Darstellung schwerpunktmäßig anhand des Bookbuilding Verfahrens erfolgen. Bei wesentlichen Abweichungen zu anderen Platzierungsverfahren wird, soweit erforderlich, im Einzelnen ausdrücklich auf Unterschiede eingegangen. Darüber hinaus beanspruchen die hier zu untersuchenden allgemeinen Grundsätze des Privatrechts Allgemeingültigkeit und sind grundsätzlich unabhängig von 170
Schürmann/Körfgen, Familienunternehmen auf dem Weg zur Börse, 1997, S. 232. 171 s. auch Fischer, Das Internet revolutioniert die Kapitalmärkte, FAZ, 08. 05. 2000, S. 40.
172
Bessler/Kurth/Thies, Grundsätzliche Überlegungen zur Kapital- und Aktionärsstruktur, FB 2003, 651, 656 ff.; Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001,272 ff.
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2. Teil: Die Aktienemission
der Wahl des Emissions- oder Platzierungsverfahrens anwendbar. Die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Transaktionsstrukturen und Rechtsverhältnisse erfordert jedoch eine detaillierte und umfassende Darstellung anhand des heute fast durchgängig angewandten Bookbuildingverfahrens. Zu beachten gilt, dass es kein typisches Bookbuilding gibt 1 7 3 , wie auch kein typisches IPO oder ein typisches Global Equity Offering vorzufinden ist. Dagegen sind die vorgestellten Konzeptionen als Anhaltspunkte zur Anpassung auf die spezifische Emission und deren konkrete Erfordernisse zu verstehen.
2. Die Praxis der Zuteilung Für die Zuteilung haben sich v.a. angesichts der in den Boomjahren regelmäßig immensen Überzeichnung von Aktienemissionen im Rahmen des fast ausschließlich angewandten Bookbuildingverfahrens verschiedene Zuteilungsmechanismen entwickelt, die teilweise stark kritisiert wurden. Zugleich gilt es festzustellen, dass eine entsprechende Kritik auch bei Anwendung des Festpreisverfahrens angebracht gewesen wäre, da sich auch bei diesem Platzierungsverfahren die Zuteilung nicht allein am Kriterium der angebotenen Preishöhe der Order ausrichtete. Die nachfolgende Darstellung basiert demnach primär auf der in den letzten Jahren angewandte Zuteilungspraxis im Rahmen des Bookbuildingverfahrens. Besonderheiten der Zuteilung beim Festpreis- und Tenderverfahren werden unter e)cc) und e)dd) erläutert.
a) Begriff und Bedeutung der Zuteilung Zuteilung ist die vollständige oder teilweise Annahme und Erfüllung von Kaufangeboten der Anleger 174 . Der Zeitraum für die Zuteilung liegt zwischen dem letzten Tag der Zeichnungsfrist und dem Tag der Handelsaufnahme. Beim Bookbuildingverfahren nimmt der Konsortialführer in Absprache mit dem Emittenten nach Ende des Bookbuildings das Pricing in der zu schließenden Preisfestsetzungsvereinbarung {Pricing Agreement) vor. Erst nach Abschluss des Pricing nimmt die Bank die eingereichten Kaufangebote der einzelnen Investoren durch Zuteilung entsprechend des vereinbarten Zuteilungsschlüssels an 1 7 5 . Abgesehen von gesetzlichen oder vertraglichen Bezugsrechten gemäß §§ 186, 187 AktG und der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 53a AktG 173 Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 340. 174
Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmungen, S. 10; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 68. 175 Pßller/ Flatten, Aktienübernahmeverträge, FB 2001, 388, 390 f.; Wülamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 229.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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gegenüber den vorhandenen Aktionären liegt die Zuteilung und die Bestimmung von Anlegergruppen grundsätzlich im Ermessen des Emittenten 176 . Der Inhalt des Ermessens, bzw. ob und welchen Beschränkungen das Ermessen unterliegt, soll im Folgenden untersucht werden. Gemäß § 42 II BörsG ist die Börseneinführung von zur öffentlichen Zeichnung aufgelegten Wertpapieren erst nach Beendigung der Zuteilung möglich. Der Zuteilungsprozess muss also vor Aufnahme der Erstnotiz an der Börse abgeschlossen sein. Dabei muss den Investoren, die in den Genuss einer Zuteilung gelangen, noch vor der Aufnahme des Handels mitgeteilt werden, ob ihr Zeichnungswunsch berücksichtigt worden ist. Die Zuteilung beeinflusst in entscheidendem Maße die weitere Entwicklung der Aktie an der Börse 177 . Für eine ausgewogene Zuteilung, die Grundlage einer stabilen Platzierung ist, ist es unerlässlich, dass der Konsortialführer über detaillierte Kenntnisse bezüglich den spezifischen Märkten und Investoren verfügt. Bei der Zuteilung muss also das Angebot an Wertpapieren die Nachfrage befriedigen. In den seltensten Fällen besteht jedoch unabhängig vom jeweiligen Platzierungsverfahren eine Kongruenz von Angebot und Nachfrage. In den meisten Fällen überwiegt entweder das eine oder andere. Bei übersteigendem Angebot an Wertpapieren können alle Zeichnungswünsche erfüllt werden. Problematisch stellt sich dieser Fall für den Emittenten nur in wirtschaftlicher Sicht dar, wenn die Emission nicht zum erwarteten Geldmittelzufluss führt, sei es auf Grund des Zwangs zu einem niedrigeren Emissionspreis oder gar vollständiger Absage oder Verschiebung des Börsengangs. Juristisch zu lösen gilt es jedoch das Problem der das Angebot an Wertpapieren übersteigenden Nachfrage der Anleger, die Überzeichnung. b) Interessensgegensätze Die Wahl des richtigen Zuteilungsverfahrens hat die unterschiedlichen Interessen der Transaktionsbeteiligten in geeigneter Weise zu einem Ausgleich zu bringen. Generell besteht im Emissionsgeschäft ein Konflikt zwischen Emittent und Investor im Hinblick auf die Höhe des Emissionspreises. Der Emittent ist an einem möglichst hohen, der Investor an einem möglichst günstigen Emissionspreis des Wertpapiers interessiert. Unmittelbar verbunden mit der Höhe des Emissionspreises ist auch die Nachfrage. Mit sinkendem Emissionspreis erhöht sich die Nachfrage und damit die Möglichkeit einer Überzeichnung der Emission. Im Ge176
Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Präambel, S. 4; Hüffen AktG, § 185 Rn. 25 mwN; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 657. 1 77 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff., 572 ff.; Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Grundmann, Bookbuilding - ein neues Emissionsverfahren setzt sich durch, Kreditwesen 1995,916, 917.
60
2. Teil: Die Aktienemission
genzug sinkt bei steigendem Emissionspreis die Nachfrage, was die Gefahr der Nichtplatzierbarkeit in sich birgt. Hinzu kommen die Eigeninteressen der Emissionsbanken, die zwar in weiten Teilen in Gleichklang mit denen des Emittenten stehen, aber teilweise eben von abweichenden Gesichtspunkten geleitet werden, wie ζ. B. eigenes Standing und Minimierung des eigenen Platzierungsrisikos.
aa) Interesse des Emittenten und des Managements Das Zuteilungsverfahren dient aus Sicht des Emittenten dazu, die Aktien so gezielt bei Investoren unterzubringen, dass eine positive und stabile Kursentwicklung möglich ist 1 7 8 . Die angestrebte Kursstabilität und -höhe wird maßgeblich durch die Haltedauer der Investoren beeinflusst. Werden Aktien vorzugsweise an lang- und mittelfristig orientierte Investoren zugeteilt, die die Aktien nicht sofort wieder auf den Markt werfen, hat dies eine stabilere Kursentwicklung zur Folge 179 . Gerade bei neu börseneingeführten Gesellschaften kann eine kurze Haltedauer negative Auswirkungen auf den Aktienkurs haben 180 . Eine stabile Kursentwicklung ist nicht nur für den Werterhalt der bei den Altaktionären verbliebenen Aktien von Bedeutung, sondern auch für den Erfolg bzw. den Preis bei der Platzierung künftiger Aktien aus einer Kapitalerhöhung im Rahmen einer Sekundärplatzierung 181. Ferner wirkt eine stabile Kursentwicklung einer Unterbewertung entgegen und kann somit die Gefahr einer feindlichen Übernahme verringern. Teilweise wurde konstatiert, dass speziell die Zuteilung an institutionelle Anleger, die Aktien in „feste Hände" gelangen lässt, da diese tendenziell länger halten als Privatanleger 182. Neuere Studien zeigen jedoch, dass die großen institutionellen Investoren tendenziell die Aktien gleich wieder abstoßen183, die Aktien also „flippen", und meist die Privatanleger ihre Aktien länger im Portfolio halten und so zu einer stabileren Aktionärsstruktur beitragen 184 . 178 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 253; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 179 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 2; Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 180 Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur, FB 2001, 272.
181 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 2. 182 Dr. Wieselhuber & Partner, Börseneinführung mit Erfolg, 1996, S. 295 f.; Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000,503, 509 Fn. 60. 183 Reimer, Die besten Neuemissionsbanken, WiWo, 14. 01. 1999, S. 102. 184 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 580; Willamowski, 2000, Rn. 68 mwN.
Bookbuilding,
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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Bei internationalen Emissionen kann darüber hinaus durch eine weit gehende, wenn nicht ausschließliche Platzierung der jungen Aktien bei langfristig orientierten Anlegern die Flow back-Problematik reduziert werden 185 . Flow back bezeichnet dabei den Rückfluss international emittierter Aktien an den Heimatmarkt des Emittenten im Anschluss an die Aktienemission 186 . Zusätzlich intendiert der Emittent eine möglichst breite Streuung der Aktien mit dem Ziel, Paketbildungen und somit die Möglichkeit zur Einflussnahme seitens eines einzelnen Aktionärs zu vermeiden. Zugleich besteht auch ein Interesse, Aktien gezielt an Mitarbeiter und Geschäftspartner zuzuteilen, um so eine Stärkung der Geschäftsbeziehung zu erreichen. Generell sollte also durch die Zuteilung eine möglichst weit gehende Diversifikation des Anlegerkreises angestrebt werden, da dies zu heterogeneren Reaktionen von Kapitalanlegern auf Kurs- und Marktentwicklungen in zeitlicher Hinsicht und der Art ihrer Transaktionen führt und zur Liquidität der Aktie beiträgt 187 . Im Ergebnis soll also ein an optimales Spektrum von geeigneten Investoren zugeteilt werden. Von maßgeblichem Interesse ist auch die Maximierung des Emissionserlöses, die durch einen möglichst hohen Emissionspreis erzielt werden kann. Dies wirkt einerseits einer Überzeichnung entgegen. Andererseits ist aber auch regelmäßig davor zu warnen, den Emissionspreis in vollem Umfang aus- oder gar zu überreizen, um den Investoren nach erstmaliger Börsennotierung noch genügend Kursfantasie zu erhalten und nachfolgende Platzierungen nicht zu gefährden 188.
bb) Interesse der Altaktionäre Auch im primären Interesse der Altaktionäre liegt die möglichst hohe Festsetzung des Emissionspreises, da diesen durch die Veräußerung ihrer Anteile über die Börse ein höherer Emissionserlös zufließt 189 . Soweit sie jedoch nach Börsengang weiter maßgeblich am Unternehmen beteiligt sind, sollte es jedoch auch im Interesse der Altaktionäre sein, den Emissionskurs nicht allzu hoch anzusetzen190. Neben der Gewinnmaximierung profitieren auch die Altaktionäre von einer stabilen Kursentwicklung, soweit auch nach Börsengang eine Beteiligung gehalten wird.
185
Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 253. Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 245 ff. 187 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 253; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 188 Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814, 816; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 196 ff. 18 9 Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 133; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 7 Rn. 3. 190 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 7 Rn. 3 Fn. 4. 186
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2. Teil: Die Aktienemission
cc) Interesse der Emissionsbanken Grundsätzlich profitieren auch die Emissionsbanken von einem möglichst hohen Emissionspreis, v.a. während des Bietens um das Emissionsmandat. Die Banken sind hingegen auch daran interessiert, dass Anleger die von ihnen angebotenen Aktien zeichnen, um die Aktien, abhängig von der jeweiligen Vereinbarung im Übernahmevertrag, nicht selbst in ihrem Bestand halten zu müssen 191 . Zudem wird versucht, durch gewisses Underpricing noch weitere Kurssteigerungen zu ermöglichen, und so das Standing der Emissionsbank am Markt zu verbessern 192. Im Hinblick auf die Zuteilung besteht das Eigeninteresse der Emissionsbanken, zumindest einige Aktien an ihre besten Kunden zuzuteilen, um die Geschäftsbeziehungen zu stärken oder zu erhalten.
dd) Interesse der Investoren Investoren sind im Gegensatz zu Emittent und Emissionsbanken primär an einem möglichst niedrigen Emissionspreis interessiert, um zunächst die Möglichkeit von Zeichnungsgewinnen nutzen zu können, aber insbesondere auch um an einer lang anhaltenden stabilen Kurs- und Renditeentwicklung teilzuhaben.
c) Gründe für die starke Überzeichnung beim Going Public Infolge des psychologischen Phänomens der Technologieblase und der damit einhergehenden Neuemissionseuphorie Ende der Neunziger Jahre waren mit Neuemissionen immense Zeichnungsgewinne zu realisieren. Zunehmend mehr Privatanleger errichteten Depots und versuchten Aktien von Neuemissionen zu ergattern, um an den „sicheren" Zeichnungsgewinnen teilzuhaben. Außerdem wurden Anschuldigungen gegen Investmentbanken laut, die Kurse am ersten Handelstag künstlich in die Höhe getrieben zu haben. Kunden der Investmentbanken, so die Behauptungen, wurden die ersehnten Akten der Neuemissionen nur zugeteilt, wenn sie sich verpflichtet, Aktien in nicht unerheblicher Anzahl nach Handelsaufnahme zu einem oft stark überhöhten Preis nachzukaufen 1 9 3 . Dieser rasante Kursanstieg nach Handelsaufnahme, teilweise bis zu 300%, 191 Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 133; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 7 Rn. 2; Harrer/Heideman, Going Public, DStR 1999, 254, 257 f. 192 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 570 ff.; Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 218; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 7 Rn. 2; Serfling/Pape/Kressin, Emissionspreisfindung und Underpricing, AG 1999, 289, 294; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 196 ff. 193 Fleischhauer/Herbermann/Pauly/Reuter/Schäfer, Spiegel 2001, 86, 96.
Aufpumpen und abstoßen, Der
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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machte für viele Privatanleger die Zeichnung erst interessant und die Aktien von Neuemissionen zum begehrten - meist unerreichbaren - Handelsobjekt. Zur Erhöhung ihrer jeweiligen Zuteilungschance zeichneten Anleger oft ein Vielfaches der eigentlich erwünschten Aktienmenge (sog. „Konzertzeichnung e n " ) 1 9 4 . Anleger entwickelten zudem weitere Strategien, um Chancen auf eine Zuteilung zu erhöhen. So wurden die verschiedenen Depots bevorzugt bei Konsortialbanken und auf die Namen sämtlicher Familienmitglieder eröffnet 1 9 5 . Diese Strategien führen jedoch durchweg wiederum zu höheren Überzeichnungen und in der Folge zu immer weiter sinkenden Zuteilungschancen.
d) Abhilfe bei Überzeichnung aa) Das „Greenshoe"-Verfahren 196 (1) Ziele und Funktionsweise Eine Möglichkeit einer starken Überzeichnung zu begegnen, bietet das sog. „Greenshoe"-Verfahren 197 . Dieser Bestandteil der Nachbetreuung durch die Konsortialbanken ermöglicht die Zuteilung einer größeren Anzahl an Aktien zum Emissionspreis als i m Verkaufsangebot genannt (Mehrzuteilung 1 9 8 ). Die Platzie194 Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 212 ff. mwN; Bauer, Auktion stellt Trius-Preis bei 36,50 Euro fest, FTD, 06. 03. 2000, S. 19. 195 Wiermann, Früh zeichnen, SZ, 28.06.2000, S. V3/2; Keitel, Unsere Aktienkultur braucht faire und transparente Zuteilungen, Bankmagazin, 22. 03. 1999, S. 50. 196 Benannt nach der erstmaligen Einsetzung dieses Instruments bei der Emission der Greenshoe Manufacturing Co., Boston im Jahre 1924. Vgl. Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, BKR 2002, 439; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 6; Oltmanns, Schaffung zusätzlicher Aktien beim Börsengang in den USA: Das Greenshoe-Verfahren, DB 1996, 2319. 197 Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 271 ff.; Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002, 160; Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, BKR 2002, 439, 442; Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002,1106,1007; Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 167, 223 f.; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1; Hoffman-Becking, Neue Formen der Aktienemission, Festschrift für Lieberknecht, 1997, S. 25, 39 ff.; Technau, Rechtsfragen bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen, AG 1998,445; Trapp, Erleichterter Bezugsrechtsausschluß und Greenshoe, AG 1997,115,121 ff. 198 Definitionen nach der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen zur Konkretisierung der Kurs- und Marktpreismanipulation vom 18.11.2003 sowie der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates - Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (ABl. EU Nr. L336 S. 33). Die deutsche Fassung dieser Verordnung spricht von „Überzeichnung". Die zutreffende Übersetzung des in der englischen Fassung verwendeten Begriff „over-allotment" wäre jedoch „Mehrzuteilung". Entsprechendes ergibt sich auch aus der Definition des Begriffes in Art. 2 Nr. 13 dieser Verordnung.
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2. Teil: Die Aktienemission
rung einer größeren Zahl von Aktien erreicht damit zunächst eine Abschöpfung der vorhandenen Nachfrage 199 . Neben dem eigentlichen Platzierungsvolumen treten somit zusätzliche ausstattungsgleiche Aktien, die anderweitig zur Verfügung gestellt werden. Zudem ermöglicht die Mehrzuteilung den Banken ein besseres Ausschöpfen des Marktpotentials bei der Preisfindung, da sie in der Nachbetreuung des Emittenten nach Handelsaufnahme steuernd auf den Börsenkurs Einfluss nehmen und stabilisieren können 200 . Die dadurch gewonnene Sicherheit der Preisentwicklung wird durch die Marktteilnehmer mit einem höheren Emissionspreis honoriert. Damit kann durch das Greenshoe-Verfahren der Emissionserlös gesteigert werden und dient damit nicht nur den Interessen der Anleger, sondern auch der Gesellschaft und den Altaktionären 201 . Im Rahmen des Greenshoe-Verfahrens wird also den Konsortialbanken das Recht eingeräumt, insbesondere bei starker Überzeichnung, eine Mehrzuteilung von regelmäßig 10-15% über das offizielle Platzierungsvolumen hinaus zu denselben Emissionsbedingungen am Markt zu platzieren (Mehrzuteilungsoption) 202. In den Grenzen des rechtlich Zulässigen kann die Mehrzuteilung zur Kursstabilisierung eingesetzt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einer zulässigen Kursstabilisierung setzte zunächst die am 18.11. 2003 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen zur Konkretisierung der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV). Mit Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 203 durch das am 30. 10. 2004 in Kraft getretene Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) 2 0 4 und die damit verbundene Neufassung des WpHG werden nunmehr gemäß § 20a III WpHG einzelne Maßnahmen vom Verbot ausgenommen. Dabei stellen Stabilisierungsmaßnahmen keinen Verstoß gegen § 20a WpHG dar, soweit sie nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. 12. 2003 zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates - Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungs199 Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002,1106. 200
Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation, W M 2002, 317; vgl. Literatur in Fn. 197 oben. 201 Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002,160, 161. 202 Teilweise wurde die Vermutung geäußert, die Konsortialbanken hielten die zusätzlichen Aktien bei der Platzierung zunächst zurück, um sie später zu erhöhtem Niveau zu veräußern. Vgl. Ochner, Theorie und Praxis der Greenshoe-Option, Börsen-Zeitung, 07. 10. 2000, S. 17. Eine solche Praxis wurde von den Banken zurückgewiesen. Zudem sehen die Bestimmungen des Übernahmevertrags bzw. des Wertpapierleihvertrags regelmäßig ausdrücklich vor, dass die Aktien der Wertpapierleihe ausschließlich für die Mehrzuteilung im Rahmen der Börseneinführung zu verwenden sind. Vgl. o.V, Banken weisen Ochners Kritik an Greenshoe-Praxis zurück, Börsen-Zeitung, 10. 10. 2000; Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230, 231 Fn. 7. 2 03 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. 01. 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L96 S. 16. 2 04 BGBl. 12004, 2630.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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maßnahmen (AusnahmeVO) 205 - erfolgen 206 . Gemäß § 20a V S. 1 WpHG n.F. (§ 20a I I S. 1 WpHG a.F.) wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt durch Verordnung das Verbot der Marktmanipulation zu konkretisieren. Der daraufhin im September 2004 veröffentlichte Entwurf der Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung (MaKonV), in Kraft getreten am 1. März 2005, verweist in § 5 im Hinblick auf zulässige Kursstabilisierungsmaßnahmen ebenfalls auf die AusnahmeVO. Mit Verkündung und In-Kraft-Treten der MaKonV ist gleichzeitig die KuMaKVaußer Kraft getreten (§ 11 MaKonV). Demnach können die Konsortialbanken bei Kursrückgang unter den Emissionspreis, Aktien am Markt zurückerwerben und so einen weiteren Kursrückgang abfedern. Sinkt der Börsenkurs nicht unter den Emissionspreis und erfolgen keine Rückkäufe der Konsortialbanken bzw. Rückkäufe aus der Mehrzuteilungstranche am Markt, greift das zweite Element des Greenshoe-Verfahrens. Den Emissionsbanken wird vom Emittenten oder von abgebenden Aktionären die Möglichkeit eingeräumt, weitere ausstattungsgleiche Aktien bis zur Höhe der Mehrzuteilung zu erwerben (Greenshoe-Vereinbarung). Mit dem Greenshoe-Verfahren und einer flexiblen, d. h. preislich veränderbaren Bookbuildingspanne kann das Bookbuildingverfahren demnach Merkmale einer zweiseitigen Auktion aufweisen 207 . Die Order der Investoren können sowohl nach Menge (Greenshoe) als auch nach Preis (Bookbuilding) differenziert und bei der Mengen- und Preiszuteilung berücksichtigt werden. (2) Rechtliche Ausgestaltung und Grenzen Die zusätzlichen Aktien der Mehrzuteilungstranche stammen regelmäßig aus einer genehmigten Kapitalerhöhung und/oder aus größeren Beständen Dritter, wie Altaktionäre, Emittent oder aber Eigenbeständen der Emissionsbanken. Gegebenenfalls kann auch mit einem oder mehreren Großanlegern eine spätere Belieferung der diesen im Rahmen der Platzierung zugeteilten Aktien schuldrechtlich vereinbart werden {Deferred Settlement) 20*. Mehrzuteilung und Greenshoe-Vereinbarung dürfen seit Erlass der KuMaKV am 18. 11. 2003 gemäß deren § 12 I aber auch nach Art. 11 lit. d) der Ausnahme VO nicht mehr als 15% des ursprünglichen Angebots überschreiten. Werden die zusätzlichen Aktien den Emissionsbanken durch Dritte zur Verfügung gestellt, so wird regelmäßig eine Wertpapierleihe 209 vereinbart, d. h. die Emissions205 ABl. EU Nr. L 336 S. 33. 206 Ausführlich zur Neuregelung s. Meyer, Neue Entwicklungen bei der Kursstabilisierung, AG 2004, 289. 207 Baumeister/Werkmeister, Auktions verfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,47. 2 °8 Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 235 Fn. 51; Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002,
160,161.
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2. Teil: Die Aktienemission
banken veräußern mehr Aktien am Markt, als sie selbst im Besitz haben. Dabei überwiegt in der Praxis keiner der genannten Vertragspartner 210. Ob die Aktien der Wertpapierleihe bzw. der Greenshoe-Vereinbarung von Altaktionären oder aus einer Kapitalerhöhung stammen, bedarf jeweils einer Entscheidung im konkreten Einzelfall. Von der Gesellschaft stammt der Greenshoe insbesondere dann, wenn Altaktionäre keine weiteren Aktien mehr abgeben wollen oder dies rechtlich unzulässig ist 2 1 1 . Mit der Greenshoe-Vereinbarung gewähren der Emittent bzw. die Altaktionäre den Emissionsbanken das Recht bei Rückgang des Börsenkurses unter den Emissionspreis, innerhalb einer Frist von rund 30 Tagen zusätzliche Aktien zu den ursprünglichen Emissionsbedingungen zu erwerben (Kaufoption) und damit den Wertpapierleihvertrag zurückzuführen. Regelmäßig wird diese Kaufoption mit dem Wertpapierleihvertrag verbunden 212. Ist also ein Rückkauf der Aktien zur Kursstabilisierung nicht erforderlich, üben die Emissionsbanken das Recht zum Bezug der Aktien zum vereinbarten Preis, d. h. zum ursprünglichen Emissionspreis aus. Die Emissionsbanken können also die Aktien außerhalb der Börse von den Altaktionären oder der Gesellschaft ohne kurstreibende Wirkung beziehen 213 . Wird den Konsortialbanken eine Mehrzuteilungsoption eingeräumt, stellte dies gemäß § 12 I KuMaKV dann keinen Verstoß gegen das Kurs- und Marktpreismanipulationsverbot i. S. d. § 20a I 1 WpHG dar, wenn die Mehrzuteilung durch eine Greenshoe-Vereinbarung abgesichert ist, wonach die Emissionsbank vom Emittenten oder vom abgebenden Aktionär weitere ausstattungsgleiche Aktien während oder nach dem Stabilisierungszeitraum erwerben kann. Mit Erlass der KuMaKV wurde durch das Bundesfinanzministerium gleichzeitig mit der Einführung einer ausdrücklichen Freistellungsbestimmung (sog. Safe Harbour-Regélung) eine Mehrzuteilung durch Leerverkäufe ohne korrespondierende Erwerbsoption (sog. Naked Short) untersagt. Eine derartige Restriktion findet sich demgegenüber in der MaKonV bzw. der AusnahmeVO nicht mehr. Zudem wird gemäß Art. 11 lit. b) der Ausnahme VO das sog. Naked Short explizit als zulässige ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahme erachtet, wenn sie 5% des ursprünglichen Angebots nicht überschreitet. 209
Zur rechtlichen Einordnung der Wertpapierleihe vgl. Rümpel, Die Grundstruktur der Wertpapierleihe und ihre rechtlichen Aspekte, W M 1990, 909. 2 10 Das KG postuliert demgegenüber in seiner Entscheidung v. 22. 08. 2001 in AG 2002, 243, 244 mit Hinweis auf eine unvollständige Darstellung des Greenshoe-Verfahrens auf einer Website der KSK Tübingen, dass die zusätzlichen Aktien in der Regel von Altaktionären zur Verfügung gestellt werden. Wie hier auch Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230 Fn. 3; Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002, 160, 161; Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, Β KR 2002,439,443. 211
Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230,232, Fn. 9. 212 Vgl. Ziffer IV des Musters eines Übernahmevertrags in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/324. m Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 224.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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Zur juristischen Auseinandersetzung mit der Praxis des Greenshoe-Verfahrens führte eine Entscheidung des Kammergerichts 214, das anders als das in erster Instanz zuständige LG Berlin erstmalig zur Feststellung gelangte, ein das Greenshoe-Verfahren ermöglichendes genehmigtes Kapital mit Bezugsrechtsausschluss sei nach § 255 I I AktG anfechtbar. Da eine Greenshoe-Vereinbarung nur genutzt werde, wenn der Börsenkurs deutlich über dem Emissionskurs liege, hat nach Ansicht des Kammergerichts der hier angefochtene Hauptversammlungsbeschluss seinem erklärten Inhalt nach den einzigen Zweck, dem Vorstand eine gesetzwidrige Ausgabe von Aktien zu unangemessen niedrigen Preisen zu ermöglichen. Demnach wäre bei Aufrechterhaltung des Urteils das Greenshoe-Verfahren bei entsprechendem Sachverhalt nur noch möglich, wenn die zum späteren Ausgleich der Mehrzuteilung erforderlichen Aktien nicht über eine (weitere) Kapitalerhöhung der Gesellschaft geschaffen, sondern von Dritten bereit gestellt würde. Dies für die Praxis überraschende Urteil erfuhr in der Literatur starken Widerspruch 215 . Mit inhaltlich weit reichenden Argumentationsansätzen wird die „extensive analoge" Anwendung des § 255 I I AktG stark kritisiert. Dem Urteil des Kammergerichts ist bereits entgegenzuhalten, dass es augenscheinlich von einem nicht zutreffenden tatsächlichen Verständnis des GreenshoeVerfahrens ausgeht, indem es zur Darstellung des Verfahrens auf eine verkürzte und unvollständige Beschreibung der KSK Tübingen verweist anstatt auf die bereits hierzu vielfältig veröffentlichte Literatur 216 . Aber auch in rechtlicher, insbesondere gesellschaftsrechtlicher Hinsicht vermag das Urteil nicht zu überzeugen. Der Vorwurf des zu niedrigen Ausgabepreises für die Aktien aus einer Kapitalerhöhung und damit der Anfechtbarkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses gemäß § 255 Π AktG ist nicht haltbar. Die Banken haben durch die Mehrzuteilung selbst nur den Platzierungspreis vereinnahmt. Für die Funktion des Greenshoe-Verfahrens ist es daher essentiell, dass die Rückführung des Wertpapierdarlehens mit Aktien aus der Kapitalerhöhung ebenfalls zum Platzierungspreis und nicht höher erfolgt 217 . Zusätzlich kann auch vereinbart werden, dass die Banken im Falle des Rückerwerbs am Markt zur Stabilisierung unter dem Platzierungspreis zur Abführung des bereits vereinnahmten Mehrerlöses an die Darlehensgeber verpflichtet sind 218 . 214 KG Urteil v. 22. 08. 2001, AG 2002, 243 (nicht rechtskräftig). 215 Vgl. Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230; Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002, 160; Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, BKR 2002, 439; Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002, 1106, 1115; Sinewe, Einräumung einer Mehrzuteilungsoption an Konsortialbank im Rahmen des Börsengangs („Greenshoe"), DB 2002, 314. 216 Vgl. Fn. 197 oben. 217 Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230, 232; Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002, 1106,1114. 218 Entsprechende Vereinbarungen zur Abführung von Kursdifferenzen sind soweit ersichtlich i. d. R. jedoch nicht in Übernahmeverträgen bzw. Wertpapierleihverträge enthalten. *
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2. Teil: Die Aktienemission
Nach bisher h.A. 2 1 9 war § 255 I I AktG nur analog auf einen Hauptversammlungsbeschluss zur Schaffung eines genehmigten Kapitals anwendbar, wenn der Hauptversammlungsbeschluss selbst unmittelbar den Ausgabebetrag oder Mindestbetrag der jungen Aktien festlegte. Eine analoge Anwendung ist auch dann abzulehnen, wenn - wie im entschiedenen Sonderfall des Kammergerichts - der Vorstand die Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital zur Bedienung der Greenshoe-Vereinbarung erst mehrere Tage nach erfolgter Platzierung beschließt 220 . Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt der Wert 2 2 1 der Aktie bereits deutlich über den Platzierungspreis gestiegen ist, liegt kein Verstoß gegen § 255 I I AktG vor, da doch gerade die Durchführung der Kapitalerhöhung in das Ermessen des Vorstands gestellt wurde. Nicht nachvollziehbar ist u. a. weiterhin, weshalb das Kammergericht bei der Beurteilung der Angemessenheit des Ausgabebetrags auf den Börsenpreis bei Ausübung des Optionsrechts durch den Vorstand und nicht auf den Preis der Aktie beim Eingehen der Verpflichtung abstellt 222 . Fraglich bleibt auch, wie die für eine analoge Anwendung erforderliche Regelungslücke begründet wird. Neben dem unmittelbaren Rechtsbehelf der Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss besteht für die Aktionäre die Möglichkeit, den Vorstand bei fehlerhafter Festsetzung des Ausgabetags gemäß § 93 I I AktG auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen 223 . Eine Regelungslücke auf Grund mangelnden Rechtsschutzes der Aktionäre besteht demnach nicht. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH das ihm vorliegende Revisionsverfahren 224 gegen das Urteil des Kammergerichts entscheidet. Eine mögliche Aufrechterhaltung des Urteils, aber auch bereits die bloße Rechtsunsicherheit könnte faktisch dazu führen, dass sich Emissionsbanken nur noch auf den Bezug von Aktien aus Altaktionärsbesitz zur Bedienung der Greenshoe-Vereinbarung einlassen. Damit wäre der Gesellschaft die zusätzliche Einnahmequelle aus einer erfolgreichen 219
Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230, 232; Groß, Das Ende des so genannten „Greenshoe", ZIP 2002, 160, 164; Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, BKR 2002, 439,444. 220 Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002, 1106,1114 f. 221 Dabei ist nach bisheriger Rechtsprechung nicht auf den Börsenwert, sondern um den inneren bzw. wahren Wert der Aktien abzustellen. Vgl. nur Hiiffer, AktG, § 255 Rn. 5 mwN. Dieses Problem wurde vom Kammergericht nicht angesprochen, obwohl im Zeitpunkt der Entscheidung eine mögliche Überbewertung der Aktie in Boomjahren nahe lag. Vgl. ausführlich Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002, 1106, 1114; Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230, 242 Fn. 14. 222 Vgl. Fn. 219 oben. 223 Die kürzliche Diskussion um den Schutz der Altaktionäre im Rahmen des Börsengangs von Tochterunternehmen soll nach h.A. in der Literatur u. a. ebenfalls über die Vorstandshaftung gelöst werden. Vgl. 2. Teil: 4. Kapitel: I.3.c). 224 Die Revision ist beim BGH unter dem Az. II ZR 322/01 anhängig. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 20. 01. 2003 bis zum Abschluss des Verfahrens in der Sache M. GmbH gegen S. AG (Landgericht Berlin - Az. 90 Ο 129/02) ausgesetzt.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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Mehrzuteilung abgeschnitten225 und ein zusätzliches Kassemachen der Altaktionäre gefördert. bb) Festsetzung des Emissionspreises Generell erfolgt die Festsetzung des Emissionspreises bzw. der Bookbuildingspanne nach Maßgabe des Gesellschaftswertes. Dieser wird von den Emissionspartnern selbst oder in deren Auftrag von spezialisierten Wirtschaftsprüfern anhand einer umfassenden Due Diligence nach den unterschiedlichsten Unternehmensbewertungsmethoden 226 festgestellt. Auch durch eine der Nachfrage und dem Unternehmenswert entsprechenden Festsetzung des Emissionspreises können Überzeichnungen reduziert werden. Allerdings ist die Festsetzung des Emissionspreises, v.a. auch bei fehlenden Vergleichsdaten wie anfangs am Neuen Markt, regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Allerdings zeigt die Praxis, v.a. die massiven Überzeichnungen während des Börsenbooms, dass allein durch eine entsprechende Preisfestsetzung die teilweise bis zu hundertfachen euphorischen Überzeichnungen allenfalls, wenn überhaupt, vermindert werden können. So sind Zeichnungsgewinne zum einen v.a. ein Problem geringer Liquidität, die weniger bei großvolumigen Emissionen auftritt, aber zum andern auch ein psychologisches Phänomen227. Im Rahmen des Bookbuildingverfahrens besteht zudem die Möglichkeit der preislichen Flexibilisierung, wenn eine Änderung der Bookbuildingspanne während der Bookbuildingphase vorbehalten bleibt 228 . Bei geringerer Nachfrage als erwartet kann dadurch der Emissionspreis herab und bei starker Überzeichnung herauf gesetzt werden. Zu beachten sind bei einer Veränderung des Verkaufsangebots, bestehend aus Angebotsfrist, Preisrahmen, Anzahl der angebotenen Aktien sowie deren Ausstattung, die schuldrechtlichen und prospektrechtlichen Auswirkungen und Voraussetzungen. Schuldrechtlich ist ζ. B. bei fehlendem Vorbehalt der Preisänderung auf entsprechende Information der Anleger und Anpassungs- oder Stornierungsmöglichkeit der ursprünglichen Zeichnungsaufträge zu achten 229 . Angesichts der Anforderungen an die Richtigkeit des Prospekts und der daraus folgenden Prospekt225 Meyer, Der „Greenshoe" und das Urteil des Kammergerichts, W M 2002, 1106, 1109, 1114; Schanz, Zur Zulässigkeit des „Greenshoe"-Verfahrens, Β KR 2002,439,440,443. 226 Vgl. nur Serfling/Pape/Kressin, Emissionspreisfindung und Underpricing, AG 1999, 289 ff.; Zacharias, Börseneinführung mittelständischer Unternehmen, 2000, S. 242 ff.; Killat in Volk, Going Public, 2000, S. 215; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 7. 227 So der Emissionsberater Olaf Schuh gegenüber der FAZ: ο. V., Zeichnungsgewinne wird es weiterhin geben, FAZ, 06. 02. 1999, S. 26. 228 Ausführliche Besprechung bei Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 325 ff. 229 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 328; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 86 ff.
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2. Teil: Die Aktienemission
haftung ist zum anderen die Pflicht zur Veröffentlichung eines entsprechenden Nachtrags gemäß § 11 VerkProspG, bzw. seit 1. Juli 2005 § 16 WpPG, zu beach.230
ten
cc) Änderung des Verkaufsangebots Eine weitere Möglichkeit Überzeichnungen zumindest zu verringern, besteht darin, die Zeichnungsfrist zu verkürzen oder das Orderbuch vorzeitig zu schließen231. Zusätzlich kann auch eine Veränderung des Angebotsvolumens eine Annäherung von Angebot und Nachfrage bewirken. Eine Veränderung des Verkaufsangebots kann jedoch dazu führen, dass die im Angebot des Anlegers genannten Bedingungen nicht mehr annahmefähig sind. Dabei ist im Hinblick auf die jeweilige Änderung des Verkaufsangebots zu prüfen, ob das Angebot des Anlegers noch annahmefähig ist oder ein automatischer Wegfall der Angebote anzunehmen ist 2 3 2 . V.a. bei einer Veränderung der Preisspanne kann dies dazu führen, dass das Angebot des Anlegers nicht mehr angenommen werden kann. Zu beachten ist allerdings, dass bereits im Verkaufsangebot, d. h. auch im Prospekt auf eine Veränderung des Verkaufsangebots hingewiesen werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Angebote der Anleger bereits in diesem Lichte auszulegen sind und das ursprüngliche Verkaufsangebot bereits Bestandteil der Angebote der Anleger geworden ist, es sei denn der Anleger konkretisiert sein Angebot ausdrücklich 233 . Auch bei vorzeitiger Beendigung der Zeichnungsfrist als Bestandteil des gesamten Verkaufsangebots sind die unter bb) genannten rechtlichen Problemkreise, insbesondere schuldrechtliche und kapitalmarktrechtliche Informationspflichten, zu beachten.
e) Die Praxis der Zuteilung beim Bookbuilding aa) Zuteilungsbefugnis Über die Zuteilung entscheidet je nach Vereinbarung der Emittent, der Konsortialführer, sämtliche Konsortialmitglieder oder aber auch der einzelne Konsorte. Das im Rahmen der Vereinbarung bestehende Verhandlungspotential orientiert sich dabei primär an der jeweiligen Risikotragung der Emissionsbeteiligten. So trägt beispielsweise im Falle der Ausgestaltung des Übernahmevertrags als Bought Deal, d. h. Festübernahme der zu platzierenden Aktien zu einem frühen Zeitpunkt, 230 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 328 f.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 89 ff.; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1, 5. 231 Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44,45. 232 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 331; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 86 ff. 233 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 331; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 86; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 5.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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das Konsortium das alleinige Risiko der Platzierung. Damit verbleibt dem Konsortium beim Bought Deal regelmäßig auch die alleinige Diskretion bei der Zuteilung. Praktische Bedeutung entfalten die verschiedenen Zuteilungsmethoden beim heute üblichen Bookbuildingverfahren. Mit der späten Unterzeichnung des Übernahmevertrags verbunden ist die Verteilung des Platzierungsrisikos zwischen Emittent und Emissionskonsortium. Dementsprechend erfolgt hier die Zuteilung durch das Emissionskonsortium in Absprache mit dem Emittenten 234 . Grundsätzlich gilt beim Zuteilungsverfahren auch zu unterscheiden, ob ein einheitliches Verfahren für alle Konsortialmitglieder gewählt wird oder ob der einzelne Konsorte eine verfahrensmäßig abweichende Zuteilung vornehmen kann. Die Zuteilungsbefugnis innerhalb des Emittenten steht mangels expliziter Hauptversammlungskompetenz dem Vorstand zu 2 3 5 . Die Zustimmungspflichtigkeit durch die Hauptversammlung kann auch nicht durch die Grundsätze der Holzmüller-Doktrin 236 einschließlich deren Konkretisierung durch die Gelatine-Entscheidung („Holzmüller I I " ) 2 3 7 hervorgerufen werden, da die Zuteilung an den einzelnen Investor die Aktionärsstruktur, nicht aber die Struktur der Aktiengesellschaft beeinflusst. Allerdings steht es der Hauptversammlung grundsätzlich frei, entsprechende Zuteilungsvorgaben festzusetzen 238. Soweit also neue Aktien im Wege der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts geschaffen werden und keine Vorgaben von der Hauptversammlung für die Zuteilung der Aktien festgelegt wurden, entscheidet der Vorstand der Gesellschaft über die Allokation der Aktien. Der Vorstand entscheidet ebenfalls über die Zuteilung der zu emittierenden Aktien von Altaktionären, soweit die Altaktionäre im Rahmen des ÜbernahmeVertrags bzw. Kaufvertrags mit den Banken keine besonderen Vereinbarungen zur Zuteilung der alten Aktien getroffen haben.
(1) Friends & Family-Programm Neben der Vorgabe objektiver Zuteilungsmerkmale des Emittenten, wie Größe und Zeitpunkt der Order, als Richtlinienvorgabe für die Konsortialbanken soll dem 234 Jakob, Initial Public Offerings, 1998, S. 210; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572 f. 235 Hüffen AktG, § 186 Rn. 40 mwN; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 137; Kölner KommentarAktG/Lutter, § 186 Rn. 89. 236 BGH Urteil v. 25. 02. 1982 in BGHZ 83, 122 (Holzmüller). 237 BGH Urteil v. 26. 04. 1994 - Az. II ZR 155/02 - in NZG 2004, 571 (Gelatine); das unter Az. II ZR 154/02 am selben Tag verkündete Urteil betrifft ebenfalls die DGF-Stoess AG und enthält mit dem erstgenannten Urteil inhalts- und teilweise wortgleiche Entscheidungsgründe. 238 Hüffer, AktG, § 186 Rn. 40 mwN; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 137 ; Kölner KommentarAktG/Lutter, § 186 Rn. 89.
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2. Teil: Die Aktienemission
Emittenten auch die Auswahl der Investoren nach subjektiven Kriterien zugebilligt werden. Der Auswahlspielraum anhand subjektiver Kriterien soll durch die so genannte Friends & Family-Tranche verwirklicht werden. Entsprechend der Definition der Börsensachverständigenkommission wird mit diesen Programmen ein bestimmter Teil der Emission für Zuteilungen an zuvor vom Emittenten festgelegte Personen, ζ. B. Mitarbeiter und Geschäftspartner des Emittenten, reserviert 239. Dieser Teil steht also, sofern er vom Emittenten in Anspruch genommen wird, nicht mehr für die Zuteilung an das Publikum zur Verfügung. Entsprechend der Begriffsbestimmung der Börsensachverständigenkommission bestimmt der Emittent den Umfang solcher Programme. Welche konkreten Zuteilungen aber letztendlich von dieser Tranche umfasst werden, bleibt unklar. Zwar soll das Friends & Family-Programm nicht dazu dienen, der Oma einen netten Gewinn für den Lebensabend zuzuschustern 240. Allerdings soll diese Tranche dem Namen nach Freunden und Familienmitgliedern vorbehalten bleiben. Andererseits fällt nach der Definition der Börsensachverständigenkommission unter diese Programme auch der Vorbehalt des Emittenten, einen bestimmten Teil der Emission an zuvor von ihm festgelegte Personen oder Personenkreise, beispielsweise Mitarbeiter und Geschäftspartner, aber auch Organmitglieder und deren Angehörige, zuzuteilen 241 . Diese Mitarbeiterprogramme knüpfen aber gerade nicht allein an Freundschaft, sondern an dem objektiven Kriterium des Anstellungsvertrages an. Selbst wichtige Geschäftspartner, respektive Geschäftsfreunde, sind nicht allein Freunde in diesem Sinne, sondern sind gerade nach dem objektiven Kriterium der Geschäftsbeziehung bestimmbar. Mit Zuteilungen an wichtige Geschäftskunden sind durch die dadurch zu erzielende Bindung dieser Geschäftspartner wichtige Unternehmensinteressen verbunden 242 . Auch die Zuteilung an Mitarbeiter des Emittenten basiert auf der angestrebten Motivation der Mitarbeiter, sich als Aktionäre verstärkt mit dem Unternehmen und dessen Interessen zu identifizieren. Demnach findet die Auswahl der „Freunde und Verwandte" zu einem großen Anteil gerade nicht allein nach subjektiven Kriterien statt. Die Friends & FamilyTranche wird ihrem Namen also nur in den Fällen gerecht, in denen der Zuteilung tatsächlich nur das Kriterium der Freundschaft oder der Familienzugehörigkeit zu Grunde liegt. Ob aber Familienangehörigen des Vorstandsvorsitzenden ohne Förderung des Gesellschaftsinteresses rechtlich eine Zuteilung ermöglicht werden soll 239 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmung, S. 8; ähnlich: Jakob, Initial Public Offerings, 1998, S. 208. 240 Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 170. 241
Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmung, S. 8. 242 PfUller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670, 672; Willamowski, Die strategische Allokation, W M 2001,653, 662.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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und darf, ist äußerst fraglich 243 . Nach Willamowski 244 bietet sich eine Lösung des Problems dadurch an, die Größe der Friends & Family-Tranche entsprechend der Free Retention-Tranche der Emissionsbanken (siehe dazu (3) unten) auf eine bestimmte Größenordnung, beispielsweise zusammen maximal 10%, zu beschränken. Eine Begrenzung ist auch zur Verhinderung von Mehrheitsbeteiligungen und damit einer Gefährdung der Platzierung geboten. Teilweise wurden Börsengänge durchgeführt, bei denen die Friends & Family-Tranche bis zu 35% des Emissionsvolumens ausmachte245. Eine zu große Friends & Family-Tranche wirft jedoch ein schlechtes Bild auf die Emission und gibt den Anschein des in die eigene Tasche wirtschaftens. (2) Directed Allocation Bei der Directed Allocation kann der Konsortialführer, gegebenenfalls in Absprache mit dem Emittenten, den Konsortialmitgliedern vorgeben, wie viele Aktien an die einzelnen namentlich offen gelegten institutionellen Investoren zuzuteilen sind, um einen möglichst optimalen Investorenmix zu erhalten 246 . Dabei entscheidet der Konsortialführer anhand des Orderbuchs auf individueller Basis sowie nach den Vorgaben des Emittenten, welche Investoren welches Volumen erhalten sollen. Darüber hinaus kann der Konsortialführer in Absprache mit dem Emittenten verbindliche allgemeine Richtlinien für eine Zuteilung vorschreiben, zu deren Einhaltung die einzelnen Konsortialbanken regelmäßig verpflichtet sind 247 . Bei internationalen Emissionen wird ζ. B. meist durch den Emittenten vorgegeben, aber auch in Absprache mit den Banken ermittelt, welche regionale Aufteilung der Aktien erwünscht ist. Auch diese Kanalisierung der Zuteilung dient dazu, die vom Emittenten angestrebte Investorenstreuung zu erreichen und die langfristig orientierten Anleger besonders zu berücksichtigen 248. 243
Pßller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670, 672, zumindest dann, wenn die Aktien nicht aus Altaktionärsbestand, sondern aus einer Kapitalerhöhung stammen; Willamowski, Die strategische Allokation, W M 2001, 653, 662. 244 Willamowski, Die strategische Allokation, W M 2001, 653, 662. 245 Vgl. Unvollständiger Verkaufsprospekt der Beate Uhse AG v. 10. 05. 1999, S. 10; Bei dem stark in die Kritik geratenen Friends & Family-Programm beim Börsengang der Infineon AG wurden dafür 9% des Emissionsvolumens reserviert, s. o.V, Infineon-Aktien werden an die Anleger per Los verteilt, HB, 02. 03. 2000. 246 Korts/Korts, Der Weg zur börsennotierten Aktiengesellschaft, 2001, S. 205 f.; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572 ff.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 28. 247 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572; Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 341; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 57; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 23; ders., Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 657; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/263a; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 273. 248 Vgl. nur Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 229 ff.
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2. Teil: Die Aktienemission
(3) Free Retention Die Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Konsortialmitglieder durch eine Directed Allocation findet regelmäßig seinen Ausgleich in der Zurverfügungstellung einer gewissen Anzahl von Aktien, die die Konsortialbanken nach eigenem Ermessen an nicht von der Konsortialführung benannte private oder institutionelle Investoren zuteilen können (sog. Free Retention) 249 . Regelmäßig beträgt die Free Retention zwischen 2% und 5% des Emissionsvolumens250. Gemäß der Begriffsbestimmung der Börsensachverständigenkommission kann der Konsortialführer zudem die Free Retention gegenüber den anderen Instituten dahingehend einschränken, dass er Vorgaben zur Verteilung der Free Retention macht, wie beispielsweise die Vorgabe, diese Tranche nur an Institutionelle zuzuteilen 251 . Mit der Free Retention soll den Konsortialbanken die Möglichkeit eröffnet werden, eine Zuteilung nach eigenen subjektiven Präferenzen vorzunehmen. Als Kriterien werden meist die Intensität, der Ertrag sowie das Ertragspotential und Depotvolumen bestehender Kundenbeziehungen, aber auch zweifelhafte Kriterien wie zukünftige Geschäftsbeziehungen herangezogen (siehe unten f)dd) „Spinning"). Gemäß Artikel 15 der Grundsätze der Börsensachverständigenkommission soll eine Free Retention allein der Zuteilung an institutionelle Investoren vorbehalten bleiben. Demgegenüber sind sämtliche Zuteilungen an private Investoren nach einem einheitlichen Zuteilungsverfahren vorzunehmen. Die den Privatanlegern über die Free Retention hinausgehenden zuzuteilenden Aktien werden den Konsortialbanken üblicherweise „en bloc", d. h. pauschal ohne Namensnennung, zur Verfügung gestellt 252 . Damit sind die Konsortialbanken nur an die durch den Konsortialführer in Absprache mit dem Emittenten vorgegebenen allgemeinen Zuteilungsrichtlinien gebunden. Eine namentliche Zuteilungsvorgabe an einzelne Retail-Investoren findet jedoch regelmäßig nicht statt. (4) Zuteilung innerhalb des Konsortiums Bei älteren Privatisierungen mit internationalen Konsortien (Global Syndicate) wurden fixe Tranchen zu Beginn der Syndizierung an die jeweiligen regional ver249
Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 572 f.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 57; Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 341; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 2000; Weiler, Bookbuilding, in Volk, Going Public, 2000, S. 267, 273. 250 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmungen, S. 8; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.43; Schuster/ Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 18. 251 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Begriffsbestimmungen, S. 8. 252 Voigt, Bookbuilding - der andere Weg zum Emissionskurs, Die Bank 1995, 339, 341; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 234.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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antwortlichen Konsorten verteilt. Diese festgelegte ex-ante-Zuteilung bestimmter regionaler Tranchen (ring-fencing approach 253) ermöglichte es jedoch nicht, eine schwankende Nachfrage einzelner Regionen auszugleichen. Dies wurde dann durch eine Zuteilung ex-post oder durch die NichtZuteilung der festgelegten Tranchen erreicht. Dementsprechend wurden Klauseln im Übernahmevertrag vereinbart, die es dem Konsortium ermöglichten, die Zuteilung der Aktien nach regionalen Tranchen zu ändern und der tatsächlichen Marktnachfrage anzupassen (sog. Clawback-Klmsel) 254. Üblicherweise werden Quoten nicht fest vereinbart. Zugeteilt wird vielmehr nach Leistung. Je mehr Nachfrage ein Konsortialmitglied vorweisen kann, desto größer ist die Zuteilung durch den Bookrunner 255 . Im Übrigen erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Tranchen innerhalb des Konsortiums nach Maßgabe der Erfordernisse der jeweiligen Transaktion 256. Eine Aufteilung kommt danach zunächst in eine regionale, nationale und internationale Tranche in Betracht. Dabei ist auch eine Tranche mit einem besonderen regionalen Schwergewicht denkbar 257 . Speziell beim Bookbuildingverfahren teilt nach Vereinbarung des Platzierungspreises der Konsortialführer, den einzelnen Konsortialbanken entsprechend der von diesen vermittelten Nachfrage, die Aktien zu. Die Anzahl dieser den Konsortialbanken zugeteilten Aktien kann dabei von der Zahl der Aktien abweichen, zu deren Übernahme sich die jeweilige Konsortialbank im Aktienübernahmevertrag verpflichtet hat 2 5 8 .
bb) Verschiedene Zuteilungsverfahren beim Bookbuilding Ist eine ausreichende Stückzahl Aktien verfügbar, werden alle Kaufangebote der Investoren in der Höhe ihrer Zeichnung zugeteilt. Zuteilungsverfahren sind allein dann von Bedeutung, wenn die Emission überzeichnet ist. Eine Darstellung der Zuteilungsmechanismen kann zwangsläufig nur einzelne praktizierte Verfahrensmöglichkeiten beispielhaft aufzeigen. Letztlich ist das Ver253 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 91 mwN; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 23 Fn. 41. 254 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 92 mwN. 255 o.V, Ärger um Zuteilung bei Biodata, Börsen-Zeitung 25.02.2000, S. 14; s. auch Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 22 mwN. 256 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 268 f.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 22 ff. 257 Vgl. Regionalvorteü bei der Emission der Fraport-Aktie. Dabei wurden Privatanleger bevorzugt berücksichtigt, deren Postzustelladressen innerhalb einer dem Flughafen Frankfurt Main benachbarten Regionen lag. Vgl. S. 15 ff. des Verkaufsprospekts/Börsenzulassungsprospekts. 258 Bosch/Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/263a.
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2. Teil: Die Aktienemission
fahren immer anhand der konkreten Markt- und Unternehmenssituation auszuwählen. Eine Übersicht muss notwendigerweise unvollständig bleiben, da unzählige Variationen und Neuerungen, angepasst auf den jeweiligen Einzelfall, denkbar und sinnvoll sind. Regelmäßig werden die zu platzierenden Aktien in zwei Tranchen aufgeteilt: eine institutionelle Tranche und eine Retailtranche. Dabei lässt sich empirisch nachweisen, dass die Zuteilungsverfahren bei Neuemissionen weltweit regelmäßig institutionelle Investoren bevorzugen 259. Genauso wenig wie es ein typisches Bookbuilding [siehe l.c)] oder generell ein typisches IPO gibt, genauso wenig kann auf eine typische Zuteilungspraxis Bezug genommen werden. Vielmehr sind sämtliche dem konkreten Einzelfall angepassten Variationen denkbar.
(1) Losverfahren Das Losverfahren ist eines der am meist kontrovers behandeisten und wahrscheinlich am häufigsten angewandte Zuteilungsverfahren. Dabei halten die einen dies auf Grund der allgemeinen Chancengleichheit für ein gerechtes Verfahren 260. Andere Stimmen kritisieren dieses Verfahren, da ihm immer der Ruch der Mauschelei anhafte 261 . Grund für die Kritik mag daher oft weit weniger die Tatsache der Verlosung selbst sein, als vielmehr, dass dieses Verfahren vielfache Gelegenheit zur Manipulation 262 und damit zur willkürlichen Zuteilung bietet. Deshalb wurde ζ. B. gefordert, die Verlosungen sollten grundsätzlich unter notarieller Aufsicht stattfinden 263. Beim Losverfahren werden aus den Investoren, deren Angebot eingegangen ist, per Los einzelne Anleger ausgewählt. Dabei bestehen zahlreiche Möglichkeiten, die Lose den einzelnen potentiellen Investoren zuzuordnen. So kann beispielsweise pro Anleger ein Los zugeteilt werden, unabhängig davon wie viele Kauforder er bei verschiedenen Banken abgegeben hat. Demgegenüber kann aber auch jeder Kauforder oder jeder Mindestorder ein Los zugeteilt werden 264 . Naturgemäß ist 259 Ljungqvist/Wilhelm, IPO Allocations: Discriminatory or Discretionary?, Working Paper, August 2001, S. 1, abrufbar unter www.stern.nyu.edu/fm/; vgl. auch Fn. 10. 260 von Rosen, „Die Auslosung ist ein vorzeigbares Zuteilungsverfahren", FAZ, 17. 01. 1999, S. 34; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 212; Steffen, Das Zuteilungsprocedere bei Aktienemissionen, Going Public „Praxis" 1999, 61. 261 o.V, „Das Losverfahren hat den Ruch der Mauschelei", FAZ, 18. 03. 2000, S. 25. 262 Jungbluth, „Manchmal sind die Würfel schief 4, Der Stern, 07. 01. 1999, S. 106. 263 Kauffmann, SdK/Kritik an Telekom. ProSieben-Würfel mit „schiefen Seiten"?, HB, 05. 08. 1997, S. 33; Jungbluth, „Manchmal sind die Würfel schief 4, Der Stern, 07. 01. 1999, S. 106. 264 Vgl. zu verschiedenen Varianten des Losverfahrens: Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 69 ff.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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auch hier entsprechend der Vielgestalt der Transaktionen keine abschließende Darstellung jeglicher Verfahren möglich und erforderlich. Um eine ausreichende Streuung der Aktien zu gewährleisten, wird häufig eine Höchstzahl zuzuteilender Aktien pro Los festgelegt. Damit erfolgt die Zuteilung nicht nach einem für alle Kaufwilligen einheitlichen Losschema, sondern es erfolgt eine Differenzierung nach verschiedenen Losgrößen 265. Umgekehrt wird regelmäßig auch eine Mindestgröße festgelegt, um Kleinstzuteilungen zu vermeiden. Unter Anwendung des Losentscheidverfahrens hat die DG-Bank im Januar 1999, nach Beschwerden über Mauscheleien der Zuteilungspraxis bei der Mobilcom-Emission 1997, eine „Gläserne Emission" angekündigt, um die Emission neuer Aktien transparenter zu gestalten266. Der Zuteilungsschlüssel sollte dabei im Detail veröffentlicht werden. Jeder Privatanleger sollte die gleiche Chance erhalten, Aktien von Börsenneulingen zu zeichnen. Dies sollte bei einer Überzeichnung durch die Anwendung des Losverfahrens erreicht werden, das für alle Anleger nachvollziehbar gestaltet werden sollte 267 . Dem Vorbild der DG-Bank sind allerdings keine weiteren Emissionsbegleiter gefolgt. (2) First Come First Serve-Verfahren Beim First Come First Serve-Verfahren 268 werden die Anleger in der Reihenfolge des Eingangs ihrer Angebote berücksichtigt. Im Zuge der Möglichkeit der Zeichnung von Aktien via Internet, wurde das First Come First Serve-Verfahren zunächst gerechter als das Losverfahren angesehen. Es sollte der aktive Anleger zur Zeichnung über das Internet angesprochen werden. Schnell stießen die Webserver jedoch auf Grund tausender paralleler Zugriffe an ihre Kapazitätsgrenzen. So war die VEM Virtuelles Emissionshaus AG bei der Emission der Endemann Internet AG am 3. März 1999 mit 15.000 parallelen Zugriffen konfrontiert, wobei sich die Anzahl an Klicks am Zeichnungstag wohl im zweistelligen Millionen-Bereich bewegt haben dürfte 269 . Als Folge der Überlastung zahlreicher Server wurde im Folgenden die Zeichnung übers Internet in verschiedenen Tranchen, d. h. mit aufeinander folgenden Zeitfenstern angeboten. Dabei begann für jedes Zeitfenster das First Come First Serve-Verfahren neu zu laufen. 265 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Zuteilungsverfahren: Artikel 12, S. 20. 266 ο. V., „Gläserne Emission", FAZ, 16. 01. 1999, S. 25; Steffen, Das Zuteilungsprocedere bei Aktienemissionen, Going Public „Praxis" 1999, 61. 267 o.V, „Gläserne Emission", FAZ, 16. 01. 1999, S. 25. 268 Auch bekannt als Windhundverfahren. Vgl. Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Zuteilungsverfahren: Artikel 12, S. 20; Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44, 45; Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 214. 269 Potthoff,
„Wir zählten bis zu 15.000 Zugriffe in der Sekunde", Going Public 1999, 108.
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2. Teil: Die Aktienemission
Auch bei Anwendung einer strikten chronologischen Zuteilung kann dieses Verfahren mit weiteren Komponenten versehen werden, um auch eine qualitative Investorenauswahl zu gewährleisten. So können vor Zeichnung beispielsweise per Fragebogen Interessenten ausgewählt werden, die dann erst ihre Order abgeben dürfen. Dadurch kann trotz Zuteilung nach Ordereingang in gewissem Rahmen auf die Qualität der Investoren Einfluss genommen werden. (3) Mindestzuteilung Vereinzelt wurde von Aktionärsschützern bei Großemissionen eine garantierte Mindestzuteilung in Abhängigkeit vom Ordervolumen gefordert 270 . Auf Grund des Bestrebens zur Verhinderung von Kleinstzuteilungen und die für den Emittenten damit verbundenen Nachteile sind derartige Forderungen in der Praxis kaum durchsetzbar. Solche Kleinstzuteilungen fördern den sofortigen Verkauf nach Handelsaufnahme und wirken damit einer stabilen Kursentwicklung entgegen. (4) Prozentuale Zuteilung Im Rahmen der Zuteilung per Quote erhalten die Investoren Aktien in einem bestimmten Verhältnis zu den eingereichten Bestellmengen. Je größer die einzelne Order, desto höher die Zuteilung. Um die Verwaltung überschaubar zu halten, wird häufig eine Mindestzuteilungsgrenze festgelegt. Anwendung fand dieses Verfahren ζ. B. bei der zweiten Emission der Telekom AG im Juni 1999. Die Mindestzuteilung lag bei 50 Aktien, bei größeren Aufträgen erhielt der Anleger 45% der darüber hinaus georderten T-Aktien 271 . (5) Zuteilung nach Ordergröße Gemäß der Börsensachverständigenkommission sollen bei der Zuteilung nach Ordergröße die Kaufangebote innerhalb einer Ordergrößenklasse die gleiche prozentuale oder pauschale Zuteilung erhalten, wobei verschiedene Ordergrößenklassen unterschiedliche Zuteilungen erhalten können 272 . Dieses Verfahren kann sinnvollerweise, wie bereits bei der zweiten Emission der Deutschen Telekom dargestellt, mit einer prozentualen Zuteilung oder aber wie bei der Zuteilung der Infineon-Aktien im März 2000 273 mit dem Losverfahren verbunden werden.
27 0
o.V, DSW fordert garantierte Mindestzuteilung bei Emission neuer Aktien, HB, 20. 03. 2000, S. 28. 271 Deutsche Telekom AG, Pressemitteilung, FAZ, 28. 06. 1999, S. 21. 27 2
Börsensachverständigenkommission, lungsverfahren: Artikel 12, S. 20.
Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Zutei-
27 3 Infineon Technologies, Pressemitteilung v. 12./13. März 2000; o.V., Zuteilung der Infineon-Aktien - Nur jeder Sechste kommt zum Zuge, SZ, 13.03. 2000, S. 25.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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(6) Einheitszuteilung Bei der Einheitszuteilung erhalten sämtliche Zeichner eine einheitliche Zuteilung - maximal jedoch die jeweils georderte Anzahl 274 . Vorteilhaft erscheint hierbei die explizite und offensichtliche Gleichbehandlung und Berücksichtigung zumindest aller Privatanleger. Dagegen spricht jedoch die Gefahr einer zu großen Stückelung der Aktien und Kleinstzuteilungen, die einer dauerhaften Platzierung eher hindernd entgegenstehenden. (7) Zuteilung nach Affinity
Groups
Bei der Zuteilung nach so genannten Affinity-Groups legt bereits der Emittent Investorengruppen fest, bei denen er die Gesellschaftsinteressen am ehesten gewahrt sieht. Diese Richtlinienvorgaben haben dann die Konsortialmitglieder im Rahmen der Zuteilung der Aktien einheitlich zu berücksichtigen. Unter Anwendung dieses Verfahrens findet primär die Qualität der Investoren Berücksichtigung. Zugeteilt wird denjenigen Kaufwilligen, die den vorgegebenen Qualitätskriterien entsprechen. Als qualitatives Unterscheidungsmerkmal kann beispielsweise vor Zuteilung das Ausfüllen eines Fragebogens verlangt werden. Darin können ζ. B. Kenntnisse über das Unternehmen abgefragt und ausgewertet werden 2 7 5 . Zu solchen Affinity-Groups zählen häufig auch Mitarbeiter und Kunden des Emittenten. Weiteres wichtiges Kriterium ist auch die Bereitschaft eines Investors, im Sekundärmarkt Aktien nachzukaufen 276. Anwendung findet regelmäßig auch die separate Bedienung von langfristig orientierten Privatanlegern, deren Haltedauer mit einer Bonus- oder „Treueaktie" honoriert wird 2 7 7 . Auf andere Weise wurden wiederum Investoren bei Emission der dritten Tranche der Telekom AG bevorzugt berücksichtigt. So erhielten Investoren, die bei der zweiten Tranche keine Zuteilung erhalten hatten, eine bevorzugte Berücksichtigung bei der Zuteilung der dritten Tranche 278 . Ferner kann eine bevorzugte Behandlung bei der Zuteilung denjenigen Investoren eingeräumt werden, die in irgendeiner Form einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten oder in anderer Weise unmittelbarer als andere Investoren von der Emission tangiert werden. Denkbar sind dabei Frühzeichnerrabatte, die 27 4 Carls, Das Going-public-Geschäft deutscher Banken, 1996, S. 213; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 78 ff. 275 o.V, Per Mausklick zu neuen Aktien, HB, 10. 07. 2000, S. 5. 276 Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06.2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 277 Enzweiler /Bauer, Deutsche Post bietet Anlegern Treueaktien an, FTD, 06. 10. 2000, S. 19. 278 KfW Der Vorstand - Deutsche Telekom AG, Mitteilung über die Angebotspreise sowie die Zuteilungsregeln, FAZ, 19. 06. 2000, S. 19; Zimmermann/Bauer, Telekom gibt Privatanlegern rund 70 Prozent der Aktien, FTD, 19. 06. 2000, S. 1.
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2. Teil: Die Aktienemission
zusätzlich mit weiteren Vorteilen bei der Zuteilung verbunden werden können 279 . Anleger, die früh ihre Kaufaufträge abgeben, gelten als gut über das Unternehmen informiert und daher dem Unternehmen langfristig verbunden. Praktiziert werden auch so genannte Regionalprogramme, wonach sichergestellt wird, dass Investoren einer bestimmten Region bevorrechtigt Aktien zugeteilt werden 280 . Beim Börsengang der T-Online AG wurde Privatanlegern, die als Kunden von T-Online an einer Befragung bis zu einem Stichtag teilgenommen hatten, Vorteile bei der Zuteilung der T-Online Aktien eingeräumt 281. Als wettbewerbsrechtlich problematisch sind jedoch solche bevorrechtigten Zuteilungsmechanismen anzusehen, die Nichtkunden dazu bewegen, auf Grund versprochener bevorrechtigter Zuteilung an eigene Kunden, erst Kunde des emittierenden Unternehmens zu werden 282 . (8) Zuteilung nach anderen sachgerechten Kriterien Entsprechend den Grundsätzen der Börsensachverständigenkommission 283 müssen die Kaufwilligen zur Gewährleistung der Fairness des Verfahrens nach sachgerechten Kriterien ausgesucht werden. Beispielhaft wird die Zuteilung nach regionalen Kriterien und nach bestehender langfristiger Kundenbindung zum Emittenten genannt. Die Zuteilung nach Affinity-Groups ist bei gleichzeitiger Berücksichtigung sachgerechter Kriterien kein separates Zuteilungsverfahren. Die Auswahl der Affinity-Groups setzt aber per definitionem keine sachgerechten Kriterien voraus. Häufig wurden die zu berücksichtigenden Affinity Groups gerade nicht nach sachgerechten Kriterien ausgewählt. So wurden beispielsweise regelmäßig nahe Verwandte, insbesondere Ehefrauen und andere nahe Familienmitglieder mit einer im Verhältnis hohen Zuteilung bedacht.
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Die Siemens-Halbleitertochter Infineon gewährte beispielsweise allen Anlegern, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geordert hatten einen Preisnachlass von 1 € und eine bevorzugte Berücksichtigung bei der Zuteilung. Vgl. o.V., Zuteilung der Infineon-Aktien Nur jeder Sechste kommt zum Zuge, SZ, 13. 03. 2000, S. 25. 280 So geschehen bei der Emission der Fraport AG, bei der im Falle der Überzeichnung Privatanleger, die im Rhein-Main-Gebiet wohnen, eine bevorrechtigte Zuteilung erhielten. Vgl. Trost, Fraport präzisiert Frühzeichnerrabatt, FTD, 22. 05. 2001, S. 21. 28 > T-Online AG, Veröffentlichung zum Zuteilungsverfahren, FAZ, 07. 04. 2000, S. 19. 282 o.V., DSW fordert garantierte Mindestzuteilung bei Emission neuer Aktien - Wettbewerbszentrale bremst T-Online aus, HB, 20. 03. 2000, S. 28; o.V., AOL erwirkt Verfügung gegen T-Online-Befragung, HB, 22.03.2000, S. 27; o.V, Der Weg zur Aktie Gelb/Zuteilungschancen verbessern, WiWo, 19. 10. 2000, S. 298. 283 Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Zuteilungsverfahren: Artikel 12, S. 20.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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(9) Beteiligungsprogramme ßr Neuemissionen Unter Aktionärsbeteiligungsprogrammen sind Programme zu verstehen, mit denen Emissionshäuser284 ihren Aktionären in Abhängigkeit von der Höhe ihres jeweiligen Aktienbesitzes, Neuemissionen von anderen Gesellschaften bevorzugt zuteilen 285 . Die Vorteile eines solchen Programms liegen nicht nur bei den Aktionären des Emissionshauses, die mit einer bevorzugten, sicheren Zuteilung von Neuemissionen rechnen können. Vielmehr profitiert das Emissionshaus selbst, indem es zum einen auf einen relativ sicheren Kreis an Investoren zurückgreifen kann. Zum andern kann es die Neuemission einer anderen Gesellschaft dazu nutzen, seine eigene Popularität und damit den eigenen Aktienkurs zu steigern. Das erste Programm dieser Art in Deutschland wurde im März 1998 vom Finanzdienstleister Gold-Zack aufgelegt 286 . Dieser entwickelte das „Aktie plus Neuemission (APN)"-Programm, bei dem Investoren, die Aktien des Finanzdienstleisters an einem bestimmten Stichtag in ihrem Depot halten, Anteile einer von Gold-Zack begleiteten Neuemission nach einem festgelegten Zuteilungsschlüssel beziehen können. So hatten ζ. B. die Gold-Zack Aktionäre beim Börsengang der Value Management & Research AG im Herbst 1998 die Möglichkeit, für jeweils 10 gehaltene Gold-Zack Aktien eine Aktie der VMR zu dem im Bookbuildingverfahren zu ermittelnden Emissionspreis zu zeichnen 287 . Das zunächst mit großem Erfolg verlaufende Programm wurde schnell von anderen Emissionshäusern kopiert und variiert. Die Kling Jelko Dr. Dehmel Wertpapierdienstleistungs AG lockte mit einem entsprechend aufgelegten KJD-plus Programm. Eine weitere Variante wurde von der Berliner Freiverkehr AG mit dem sog. BZV-Schein vorgestellt. Dieser Schein wurde bei Zeichnung der eigenen Aktie gratis als Zugabe ausgegeben, berechtigte zum Bezug von Aktien bei den nächsten drei Emissionen und war unabhängig von der Aktie der Berliner Freiverkehr AG handelbar 288. Damit erfuhr das Recht auf Zuteilung zum ersten Mal eine eigenständige Marktbewertung. 284 Dies waren zumeist während des Börsenbooms in Deutschland gegründete oder in eine AG umgewandelte Finanzdienstleistungsinstitute, die die Beratung von börsenfähigen Unternehmen anboten und den Emissionsprozess begleiteten. Vgl. Volk, Going Public von Konzerngesellschaften, FB 1999, 379, 380. 2 5 8 Vgl. Hirte, „Aktie plus Neuemission", Festschrift für Peltzer, 2001, S. 195 ff.; o.V:, Riskantes Spiel - Beteiligungsprogramme für Neuemissionen verlocken zu Spekulationen, Going Public 1999, 78; Volk, Going Public von Konzerngesellschaften, FB 1999, 379, 380. 286 o.V, Riskantes Spiel - Beteiligungsprogramme für Neuemissionen verlocken zu Spekulationen, Going Public 1999, 78; Hirte, „Aktie plus Neuemission", Festschrift für Peltzer, 2001, S. 195,196. 287 o.V, Gold-Zack AG/APN-Programm für die neuen VMR-Aktien, HB, 14. 10. 1998, S. 15; zu den rechtlichen Fragestellungen s. Hirte, ,Aktie plus Neuemission", Festschrift für Peltzer, 2001, S. 195 ff. 288 ο. V, Riskantes Spiel - Beteiligungsprogramme für Neuemissionen verlocken zu Spekulationen, Going Public 1999, 78 f.
6 Koehler
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2. Teil: Die Aktienemission
Im Ergebnis bieten derartige Programme dem Emissionshaus den großen Vorteil, gleichzeitig mit den Börsengängen anderer Unternehmen den eigenen Aktienwert zu steigern. Gleichzeitig kauften viele Anleger die Aktie des Emissionshauses nur, um an die begehrten Neuemissionen zu gelangen. Dies führte häufig zu einem Widerabstoßen der Aktie des Emissionshauses nach erfolgtem Börsengang, was zu einer hohen Volatilität der eigenen Aktie des Emissionshauses und häufig zu Kursverlusten führte 289 . Ist der Anleger jedoch an einer längerfristigen Investition in die Aktie des Emissionshauses interessiert, bieten derartige Programme eine interessante Zugabe. cc) Zuteilung beim Festpreisverfahren Im Rahmen der früher üblichen Festpreisemissionen verkürzten die Konsortialbanken oft bei starker Nachfrage die Zeichnungsfrist und teilten die verfügbaren Aktien ihren Kunden nach gewissen Kriterien zu 2 9 0 . Dabei konnten die Kriterien der Zuteilung innerhalb der Konsortialbanken voneinander abweichen 291 . Bei Überzeichnungen sind auch beim Festpreisverfahren auf Grund des einheitlichen vorab festgesetzten Emissionspreises weiter gehende Zuteilungskriterien erforderlich. Damit können auch auf Basis einer Festpreisemission sämtliche oben unter bb) dargestellten Zuteilungsverfahren des Bookbuilding - eventuell in Variationen - durch die Banken Anwendung finden. Eine vorherige Absprache mit dem Emittenten ist auch hier möglich, wobei jeweils fraglich ist, inwieweit dessen Zuteilungswünsche durchsetzbar sind, da in diesem Fall die Banken regelmäßig das Platzierungsrisiko tragen. Nachteilig für den Emittenten beim Festpreisverfahren ist daher die regelmäßig mangelnde Möglichkeit der Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur. Mit der Übernahme des Platzierungsrisikos durch das Konsortium zu einem bereits frühen Stadium, vermag der Emittent kaum mehr die Zuteilung der neuen Aktien zu beeinflussen. Die Allokation folgt vielmehr nach dem Ermessen der Konsortialmitglieder.
dd) Zuteilung beim Tender- oder Auktionsverfahren Befürworter des Auktionsverfahrens versprechen eine größere Zuteilungsgerechtigkeit und -transparenz. Beispielsweise kommt es nicht mehr darauf an, bei welcher Bank der Anleger sein Depot führt und die Order abgibt 292 . Zuteilungskriterium ist allein der höhere gebotene Emissionspreis. Es bedarf prinzipiell im 289
ο. V., Riskantes Spiel - Beteiligungsprogramme für Neuemissionen verlocken zu Spekulationen, Going Public 1999, 78, 79. 290 Schürmann/Körfgen, Familienunternehmen auf dem Weg zur Börse, 1997, S. 231. 291 Schürmann/Körf gen, Familienunternehmen auf dem Weg zur Börse, 1997, S. 231. 292 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 61; Baumeister /Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
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Gegensatz zum Festpreis- oder Bookbuildingverfahren keiner zusätzlichen Zuteilungsregeln 293. Allerdings können auch auf Grundlage des Tenderverfahrens die Zuteilungen der Aktien nach qualitativen Aspekten vorgenommen werden. Diese auch als modifiziertes Auktionsverfahren 294 oder diskretionäres Tenderverfahren 295 bezeichnete Methode der Zuteilung kann sich - entsprechend der Zuteilungsverfahren beim Bookbuilding 296 - beispielsweise an regionalen Kriterien orientieren. Ebenso sind weitere qualitative Kriterien denkbar. Überdies kann ein bestimmtes Aktienvolumen für die Retail-Nachfrage reserviert werden.
f) Fragwürdige
Praktiken
Im Zusammenhang mit der Zuteilung von Aktien gibt es ein fast unerschöpfliches Arsenal an Praktiken, um an sicheren Zeichnungsgewinnen teilzuhaben, die entweder einem Verbotstatbestand unterfallen oder sich am Rande der Legalität bewegen. Vor allem in den USA werden seit längerem immer wieder Techniken aufgedeckt und untersucht bzw. teilweise sanktioniert 297 , die dem Investor zu einem risikolosen Profit verhelfen sollen 298 . Gemein ist sämtlichen Praktiken, Aktien überzeichneter Neuemissionen - oft erfolgt schon eine Zuteilungszusage im Vorfeld - zu erhalten, um an dem nach Erstnotierung statistisch sicher zu erwartenden Kursgewinn zu partizipieren. Die einzelnen folgenden Begriffsbestimmungen und Definitionen sind dabei nicht als abschließend oder statisch zu betrachten. Vielmehr überschneiden sie sich vielfach oder werden vereinzelt auch in missverständlichem Kontext gebraucht. Überdies bleiben Begriffsbestimmungen zwangsweise mangels tatsächlicher Aufklärungsmöglichkeit hinter den jeweils konkret im Einzelnen praktizierten Methoden zurück.
aa) Zuteilung an Verwandte, Bekannte und Freunde In Deutschland wurde an den Zuteilungspraktiken erstmals Kritik laut, als öffentlich bekannt wurde, dass Aktien aus überzeichneten Angeboten unter der 293
Baumeister /Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44. Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06.2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 295 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 136. 296 Niezold, Modifiziertes Auktionsverfahren schließt Lücke, Börsen-Zeitung, 10.06.2000, Sonderbeilage „Going Public", S. Β 15. 291 s. ζ. Β. NASD, Free-Riding and Withholding, NASD Manual (CCH), Para. 2151. 294
298 Vgl. ausführlich Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3[2]; Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 298 et.seq.
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2. Teil: Die Aktienemission
Hand an Verwandte, Bekannte und Freunde verteilt wurden 299 . Obschon solche Praktiken auf den ersten Blick keinem expliziten Verbot unterliegen, mag es schon verwundern, wenn plötzlich Ehefrauen und Kinder von unmittelbar an der Aktienemission Beteiligten oder Honoratioren Millionen an Zeichnungsgewinnen aus vielfach überzeichneten Aktienplatzierungen verzeichnen können, wohingegen viele Privatanleger oft gar keine Aktienzuteilung erhalten 300 . Kritiker empörten sich insbesondere auch über bevorzugte Zuteilungen im Rahmen der InfineonNeuemission im Frühjahr 2000. Ein Grund der Empörung war eine garantierte Zuteilung von 250.000 Aktien 3 0 1 zum Ausgabepreis an die Vorstandsmitglieder der Infineon A G 3 0 2 . Andererseits besteht ein Interesse des Emittenten und der Emissionsbanken, ihre Geschäftsbeziehungen durch entsprechend bevorzugte Zuteilungen zu stärken. Diese in Form von Friends & Family-Programmen allgemein anerkannte bevorzugte Zuteilung sollte sich jedoch in angemessenem Rahmen halten. Historisch gesehen nahmen diese Programme 3% des Angebots ein, stiegen jedoch in den Boomzeiten nicht nur in Deutschland auf bis zu über 10% an 3 0 3 . Angesichts dessen schlug das NYSE /NASD IPO Advisory Committee in den USA vor, derartige Programme verbindlich auf maximal 5% zu beschränken 304, was insbesondere im Rahmen von internationalen Emissionen von Bedeutung sein wird. bb) Flipping Als Flipping wird der Verkauf großer Bestände zugeteilter Aktien - meist gut informierter institutioneller Investoren - unmittelbar nach Erstnotierung zur Erzielung eines risikolosen Zeichnungsgewinns verstanden 305. Unter Umständen vereinbart der Konsortialführer mit anderen Konsortialmitglieder Strafzahlungen im Falle des Verkaufs unmittelbar nach Erstnotierung. Teilweise wurden in den USA jedoch nicht nur Konsortialmitglieder sondern auch Retail-Broker mit Vertragsstrafen gedroht, u. a. beispielsweise in Form von gekürzten Kommissionen 306 . Grundsätzlich soll dies dem Erhalt eines stabilen 299 Groos/Stepp, Das Kartell der Absahner, WiWo 26. 11. 1998, S. 160, 161. 300
So bekam bei der Neuemission der Infineon AG nur jeder sechste Privatanleger Aktien zugeteilt, vgl. o.V, Zuteilung der Infineon-Aktien - Nur jeder Sechste kommt zum Zuge, SZ, 13. 03. 2000, S. 25. 301 Insgesamt wurden ca. 174 Millionen Aktien platziert. Vgl. o.V, Kritik am Zuteilungsverfahren, WiWo, 13. 03. 2000. 302 Palan, Friends and Family: Die Absahner bei Neu-Emissionen, MaMa 2000. 303 NYSE/NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003, p. 13; s. auch Fn. 245.
304 NYSE /NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003, p. 13. 305 Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3 [2], FN 55, Büschgen, Börsen-Lexikon, Stichwort dolphin (mit Verweis von flipper). 306 NYSE /NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003, p. 7.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
85
Sekundärmarktes dienen. Ob diese Form von Vertragsstrafen auch in Deutschland tatsächlich praktiziert wurde, mag dahinstehen.
cc) Stagging Stagging bezeichnet das Verhalten privater Investoren meist ohne nähere Marktkenntnis, Wertpapiere aus sämtlichen Neuemissionen zu zeichnen und bei einer Zuteilung direkt am ersten Handelstag wieder zu verkaufen 307 . Die Gruppe dieser Privatanleger ist demzufolge nicht an einer langfristigen Kapitalanlage in Aktien des betreffenden Emittenten interessiert, sondern wird vielmehr von dem Interesse geleitet, an den Kurssprüngen und Zeichnungsgewinnen nach Handelsaufnahme zu partizipieren. Einfluss auf das Zuteilungsverfahren kann also das Stagging wie auch das Flipping nur nehmen, wenn ein solches Verhalten als Ausschlusskriterium für eine Zuteilung verwendet wird.
dd) Spinning Unter Spinning ist die Praxis zu verstehen, das Management eines Unternehmens im Gegenzug für Investment Banking-Geschäft mit Hot IPOs zu belohnen 308 . Auch das Spinning ist in den USA seit längerem Grund zahlreicher Abhandlungen und auch Untersuchungen seitens der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörden 309. Am 28. April 2003 wurde der Abschluss eines historischen Vergleichs zwischen zehn der größten amerikanischen Investmentbanken, der SEC, dem Generalstaatsanwalt von New York, NASD, NASAA, NYSE und den staatlichen Regulierungsbehörden verkündet, der die Interessenskonflikte innerhalb der Finanzdienstleister und die beanstandeten Zuteilungspraktiken lösen soll 3 1 0 . Darin verpflichteten sich die teilnehmenden Finanzdienstleister neben der Zahlung von zusammen 1,4 Mrd. US$, zu einer freiwilligen Beschränkung der Zuteilung von Aktien aus Hot IPOs an das Management eines in den USA gelisteten Unternehmens. Zusätzlich verpflichteten sie sich, keine Aktien im Gegenzug zum Erhalt von Investment Banking-Geschäft zuzuteilen 311 . 307 Schlick, Going Public, 1997, S. 117. 308 NASD, Proposed Rule Governing Allocations, 15. 09. 2003, p. 2 f., 7 f.; Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3 [2]; Jennings /Marsh / Coffee /Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 300. 309 Coffee, »Spinning4 For Dollars, N.Y.L.J., March 26,1998; Siconolfi, SEC, NASD Begin Probes of IPO Spin Accounts, WSJ, 13. 11. 1997, p. A-3; Smith, SEC's Inquiry of »Laddering4 Marks Goldman, J. P. Morgan, WSJ, 06. 11. 2002. 310 SEC, NY Attorney General, NASD, NASAA, NYSE and State Regulators Announce Ten of Nation's Top Investment Firms Settle Enforcement Actions, 28. 04. 2003, www.sec.gov/ news / press / 2003 - 54.htm. 311 SEC, Voluntary Initiative Regarding Allocations of Securities, 28. 04. 2003, www.sec. gov / news / press / globalvolinit.htm.
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2. Teil: Die Aktienemission
Bei der Aufdeckung der Zuteilung von Hot IPOs an Vorstände bzw. CEOs (Chief Executive Officer ) im Gegenzug zum Erhalt von Investment Banking-Geschäft in den USA wurde in der amerikanischen Literatur 312 die Frage einer möglichen Treuepflichtverletzung (breach of fiduciary duty) gegenüber der Gesellschaft und des einzelnen Aktionärs aufgeworfen. Als Geschädigte dieser fragwürdigen Zuteilungspraktiken kommen also nicht allein die übergangenen Investoren, sondern vielmehr auch der Emittent selbst und seine Aktionäre in Betracht. Wenn das Management als Gegenleistung für den Erhalt von Hot IPOs ohne Rücksicht auf das Marktumfeld und bessere Angebote gerade diese Konsortialbank für ihr Investment Banking-Geschäft wählt, ist eine mögliche Pflichtverletzung und ein Schaden für die Gesellschaft kaum von der Hand zu weisen. Die Erörterung dieser Problematik würde jedoch diesen Rahmen überschreiten und muss daher einer gesonderten wissenschaftlichen Untersuchung vorbehalten bleiben.
ee) Laddering Unter Laddering ist die Praxis der Emissionshäuser zu verstehen, Aktien von stark überzeichneten Emissionen Investoren zuzuteilen, die bereits im Vorfeld signalisieren, zusätzliche weitere Aktien zu höheren Preisen im Sekundärmarkt nachzukaufen 313. Durch die überhöhten Kaufangebote kann die Preisentwicklung nach Notierungsaufnahme künstlich in die Höhe getrieben werden. Zum einen täuscht dies eine erfolgreiche Platzierung am Markt vor und zum anderen ermöglicht es den Investoren, die Aktien durch Flipping gewinnbringend zu veräußern. Auch in Deutschland bestätigten Investmentbanker die Praxis, dass sich Großinvestoren öfters verpflichten, zu höheren Kursen nachzukaufen. Nur wer entsprechende Kaufaufträge erteile, könne sich für eine größere Zuteilung beim Börsengang qualifizieren 314 . Rechtliche Konsequenzen angesichts dieser seit langem fragwürdigen Praxis hat erstmals die Vollzugsabteilung der SEC im November 2002 gegenüber der Goldman Sachs Group und J. P. Morgan Chase & Co. angekündigt, indem sie die Einreichung zivilrechtlicher Anlagebetrugs- und Marktmanipulationsklagen befürworte 315 . ff) Solicitation und Aftermarket
„Tie-in" Agreements
Etwas weiter gehender als Laddering sind Solicitation und „Tie-in" Agreements. Danach ersuchen und verpflichten die Emissionsbegleiter ihre Kunden vor Abschluss der Distribution im Sekundärmarkt, zusätzliche Aktien dieser Emission 312 Coffee , ,Spinning' For Dollars, N.Y.L.J., March 26,1998. 313 Smith, SEC's Inquiry of »Laddering4 Marks Goldman, J. P. Morgan, WSJ, 06. 11. 2002. 314 Fleischhauer/Herbermann/ Pauly /Reuter/Schäfer, Aufpumpen und abstoßen, Der Spiegel 2001, 86, 96. 315 Smith, SEC's Inquiry of »Laddering' Marks Goldman, J. P. Morgan, WSJ, 06. 11. 2002.
3. Kap.: Phasen und Kernelemente einer Aktienemission
87
nachzukaufen, teilweise zu überhöhten Preisen 316 . Insbesondere können solche Nachkaufvereinbarungen Einfluss auf die Emissionspreisfestsetzung nehmen. Durch die erhöhte Nachfrage im Sekundärmarkt vermag sich ein überhöhter Emissionspreis durchaus als gerechtfertigt darstellen 317. In einem Legal Bulletin vom 25. August 2000 hat die SEC die Marktteilnehmer erneut 318 auf das Verbot solcher Praktiken nach den Rules 101 und 102 der Regulation M und anderer Vorschriften der US-amerikanischen Federal Securities Laws hingewiesen319. gg) Kick-backs Des Weiteren gibt es zahlreiche Praktiken Aktien durch verdeckte Provisionszahlungen (sog. Kick-backs) zu erhalten, wobei die verschiedensten Formen an Bestechung denkbar sind 320 . So wurde beispielsweise aufgedeckt, dass Makler sich mit Geschenken an Firmenvorstände den Auftrag für die Aktien-Skontroführung erkauften. Als Geschenk für die Beauftragung mit der Skontroführung sollen Vorstandsmitglieder von Börsen-Kandidaten Autos, Reisen oder eben auch die bevorzugte Behandlung bei der Aktienemission erhalten haben 321 . Des Weiteren wurde hauptsächlich Credit Suisse First Boston (CSFB) in den USA beschuldigt, von ihren Kunden eine teilweise Rückzahlung ihres Gewinns aus dem Handel mit neuen Aktien in Form von überhöhten Provisionen bei anderen Trades (Handelsabschlüssen) verlangt zu haben. Diese Anschuldigungen wurden jedoch nie eingestanden, sondern am 22. Januar 2002 mit einem Vergleich beigelegt, wobei CSFB sich zu einer Strafzahlung von US$ 100 Millionen verpflichtete 322 . Gleichfalls haben sich die Investmentbanken J.P. Morgan Chase im Oktober 2003 und Goldman Sachs und Morgan Stanley im Januar 2005 wegen unlauterer Praktiken bei der Zuteilung von Aktien mit der SEC auf einen außergerichtlichen Vergleich zu Strafzahlungen verpflichtet 323 . Damit wurden die Er316
Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3[2]; Fleischhauer/Herbermann /Pauly/Reuter/Schäfer, Aufpumpen und abstoßen, Der Spiegel 2001, 86, 96. 317 SEC Division of Market Regulation, Prohibited Solicitations and „Tie-in" Agreements for Aftermarket Purchases, Publication of Division of Market Regulation Staff Legal Bulletin No. 10, 25. 08. 2000. 318 Bereits 1961 hat die SEC in einer Erklärung die Praxis der „Τι e-in u Agreements angeprangert. SEC, Release No. 6536, 24. 04. 1961. 319 SEC Division of Market Regulation, Prohibited Solicitations and „Tie-in" Agreements for Aftermarket Purchases, Publication of Division of Market Regulation Staff Legal Bulletin No. 10, 25. 08. 2000. 320 Vgl. ζ. Β. Chafftn/Wells, J. P. Morganfined over IPO kickbacks, FT 20. 02. 2003. 321 Keidel, Mauscheleien am Neuen Markt, HB, 10. 08. 2000. 322 Smith/Pulliam, CSFB Settles ,Pervasive' IPO-Profit Scheme, WSJ, 23.01.2002; Labate, CSFB expected to take $100m hit from inquiry into IPOs, FT, 22. 01. 2002. 3 3 2 o.V, Millionenstrafe für Investmentbanken, FAZ, 27. 01. 2005, S. 21; SEC, SEC Sues Morgan Stanley and Goldman Sachs for Unlawful IPO Allocation Practices, Release No. 2005-10, www.sec.gob / news / press / 2005-10.htm.
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2. Teil: Die Aktienemission
mittlungen der SEC wegen illegaler Praktiken bei Börsengängen beendet. Wie üblich bei solchen Strafzahlungen im Rahmen eines Vergleichs wurden von den Banken weder ein Fehlverhalten eingestanden noch abgestritten.
4. Kapitel
Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien Gesetzliche Vorgaben suchen Investoren im Hinblick auf verbindliche Zuteilungskriterien schon länger vergeblich. Mancher Autor zieht daraus den Schluss, ohne ausdrückliche Regelung sei das Zuteilungsverfahren bei der Erstplatzierung nach wie vor im Grunde in das Belieben von Emittent und Emissionskonsortium gestellt 324 . Dieses Belieben kann einerseits als willkürliche Zuteilung andererseits aber auch als Zuteilung nach pflichtgemäßen oder freiem Ermessen interpretiert werden, was keinesfalls gleichgesetzt werden sollte. Tatsächlich weckte die Zuteilungspraxis v.a. während der Boomzeiten Ende der Neunziger Jahre bei vielen, nicht zum Zuge gekommenen Anlegern den Anschein, dass Aktien von Neuemissionen willkürlich verteilt wurden. Richtig ist, dass für die Zuteilung - namentlich bei Überzeichnung - keine expliziten verbindlichen rechtlichen Regelungen bestehen325. Von der Börsensachverständigenkommission erlassen wurden allein Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger als unverbindliche Verhaltensempfehlungen 326. Zusätzlich verabschiedete auch CESR auf europäischer Ebene ein Papier zur Stabilisierung und Zuteilung als Grundlage künftiger Diskussion 327 . Ob der mangelnde ausdrückliche Rechtsrahmen in der Praxis bedeutet, dass neu zu emittierende Aktien willkürlich, d. h. ohne jegliche einschränkenden Maßgaben zugeteilt werden dürfen, bleibt hier zu beantworten. Unabhängig von der Diskussion um die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes, welcher im 3. Teil wieder aufgegriffen werden soll, bestehen zwar keine zahlreichen, doch zumindest einige die Willkür verkürzende Vorgaben.
324
Jäger, Thema Börse (6): Emissionspartner und Anleger, NZG 1999,643, 646. 325 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 15, Fn. 21. 326 327
s. dazu unten Π.Ι. s. dazu unten 2. Teil: 4. Kapitel: Π.4.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
89
I. Die verschiedenen Rechtsverhältnisse und daraus resultierende Rechte des Anlegers Um die Rechte potentieller Anleger bestimmen zu können, ist eine differenzierte Darstellung anhand der verschiedenen Rechtsverhältnisse zwischen den an einer Aktienemission beteiligten Akteuren erforderlich. Fraglich ist hiernach in Anbetracht der einzelnen Beziehungen und deren rechtlicher Einordnung, welche Primäransprüche ein Investor hieraus ableiten kann. Detailliert folgt im 7. Kapitel die Darstellung der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf die einzelnen Rechtsverhältnisse einer Aktienemission. Die Untersuchung von Primär- und Sekundäransprüchen, die auf Grund der Verletzung von Pflichten innerhalb der verschiedenen Verhältnisse bestehen, werden im 8. Kapitel erörtert. Altaktionäre
1
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Konsortialführer
Auftrag annehmendes Institut
§ 164 BGB (Konsortialführer als Vertreter der Konsorten) §433 BGB
oder §705 BGB
Konsortium
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Konsortialmitglied 1, Konsortialmitglied 2, Konsortialmitglied 3,
J Abbildung 4: Rechtliche Struktur einer Aktienemission
Investor
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2. Teil: Die Aktienemission
1. Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Konsortialführer bzw. Konsortialbanken - Der Übernahmevertrag a) Rechtliche Grundlagen Die dem Konsortialführer bzw. den anderen Konsortialbanken übertragenen Aufgaben und daraus resultierenden Pflichten sind vielfältiger Natur. Der Konsortialführer, eventuell in Zusammenarbeit mit anderen Konsortiumsmitgliedern, strukturiert u. a. den Emissionsprozess, entwickelt die Equity Story, koordiniert die Tätigkeit aller Beteiligten beim Platzierungsprozess, berät bei der Emissionspreisfindung und Zuteilungspolitik und ist nach Börseneinführung für Kursstabilisierungsmaßnahmen verantwortlich 328 . In Deutschland wird üblicherweise ein Einheitskonsortium 329 als kombiniertes Übernahme- und Begebungskonsortium gewählt, bei dem das Konsortium sowohl das Übernahmerisiko übernimmt als auch durch Begebung an die einzelnen Konsorten für den Absatz sorgt. Zur Feinverteilung des Platzierungsrisikos werden im Übernahmevertrag weitgehend standardisierte Vertragsklauseln verwendet. Maßgebliche Pflichten sind die Übernahme und Platzierung der zu emittierenden Aktien, die im so genannten Übernahme- und/oder Zeichnungs vertrag (Underwriting Agreement, im Folgenden der „Übernahmevertrag" 330) im Einzelnen vertraglich ausgestaltet werden. Daneben sind u. a. Regelungen über Preisfindungsmechanismen und die Erstellung des Wertpapierverkaufs- bzw. Börsenzulassungsprospektes zu treffen. Üblicherweise schließen die Konsortialmitglieder, vertreten durch den Konsortialführer, den Übernahmevertrag mit dem Emittenten. In Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Übernahmevertrags tätigen die jeweiligen Emissionsbanken gemäß § 1 KWG erlaubnispflichtige Bankgeschäfte. Bei der zurzeit üblichen Vereinbarung eines Firm Underwriting zu einem Festpreis betreibt das Übernahmekonsortium regelmäßig ein Emissionsgeschäft im bankaufsichtsrechtlichen Sinn gemäß § 1 I 2 Nr. 10 K W G 3 3 1 . Bei Platzierung der Aktien als Begebungskonsortium 332 bzw. im seltenen Fall des Geschäftsbesorgungskonsortiums, d. h. Platzierung im Namen und für Rechnung des Emittenten, kommt 328 Vgl. nur Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 251 ff. 329 Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/80; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 24; Singhof, Die Außenhaftung, 1998, S. 50; Scholze, Das Konsortialgeschäft, 1. Halbband, 1973, S. 291. 330 Nach dem hier verwendeten Begriff des Übernahmevertrags sollen hiervon auch Regelungen umfasst werden, die nicht nur die Übernahme, sondern die sämtliche Vereinbarungen zur Platzierung der Aktien mit einschließen, wie beispielsweise Auswahl des Zuteilungsverfahrens und Stabilisierungsmaßnahmen. Diese können ggf. auch in einem separaten Emissionsvertrag oder Side Letter (Nebenvereinbarung) geregelt werden. 331 du Buisson, Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz, W M 2003, 1401. 332 s. bb) unten.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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auch eine Erlaubnispflicht gemäß § 1 KWG als Finanzkommissionsgeschäft bzw. Abschlussvermittlung in Betracht 333 . Zugleich soll das Emissionskonsortium meist gleichzeitig die Zulassung an einer Börse betreiben. Gemäß §§ 49 Π, 30 I I BörsG ist die Zulassung zum amtlichen oder geregelten Markt vom Emittenten zusammen mit dem Konsortium zu beantragen. Damit ist eine Vereinbarung zwischen Emittent und dem Emissionskonsortium sowohl bei der Platzierung von neuen Aktien als auch von Aktien aus dem Bestand von Altaktionären erforderlich. Bei der Umplatzierung von bereits bestehenden Aktien werden regelmäßig auch die abgebenden Altaktionäre Vertragspartner des Übernahmevertrags. Da das Konsortium den erfolgreichen Abschluss des Zulassungsverfahrens nicht garantieren kann, wird ein Dienstverhältnis gemäß § 611 BGB begründet. Zudem sind die zu leistenden Dienste, d. h. das Betreiben des Zulassungsverfahrens, als selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zu qualifizieren, so dass ein Dienstverhältnis vorliegt, das eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§ 675 BGB) 3 3 4 . Den Aktionären einer Aktiengesellschaft steht gemäß § 186 I AktG ein Anspruch auf Bezug junger Aktien zu. Bei der Platzierung von Aktien deutscher Emittenten aus einer Kapitalerhöhung und deren Börseneinführung wurde im Zusammenhang mit der Anwendung des Bookbuildingverfahrens regelmäßig das Bezugsrecht ausgeschlossen335 (siehe dazu unten 3.). Im Falle der Durchführung einer Bezugsrechtsemission tritt jedoch das Konsortium durch die Zeichnung der jungen Aktien zwischen Emittent und Aktionär und das unmittelbare Bezugsrecht wird vereitelt. Demnach sieht der Übernahmevertrag in diesem Fall regelmäßig vor, dass sich das Konsortium verpflichtet, die jungen Aktien den Altaktionären zum Bezug anzubieten336. Damit wird im Rahmen von Bezugsrechtsemissionen ein Geschäftsbesorgungsvertrag als fremdnütziger Treuhandvertrag abgeschlossen 337 . Diesbezüglich handelt es sich also beim Übernahmevertrag um einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der Altaktionäre, gemäß § 328 I
333 Ausführlich dazu s. du Buisson , Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz, W M 2003, 1401 ff. 33 < BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in Β GHZ 118, 83, 97; Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37; De Meo, Bankenkonsortien, 1994, 2. Teil Rn. 104; Hammen, Rechte der Emittenten bei der „Fusion" von Wertpapierbörsen, ZBB 2001, 84, 85. 33 5 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 49 ff. 336 Münch. Hdb. GesR IV/Krieger § 56 Rn. 91 mwN; Schwintow ski /Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 69; Muster bei Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/325. 33 ? BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 97; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 483; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuilding, WM 1996, 1, 5 f. 338 BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 96; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 69; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 51; Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37.
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2. Teil: Die Aktienemission
aa) Der „Bought Deal" Bei den deutschen Aktienemissionen der letzten Jahre bildete der so genannte „Bought Deal" - eine Variante der Festübernahme (reines Übernahmekonsortium oder Firm Commitment Underwriting) - die Ausnahme 339 . Dabei übernimmt der Konsortialführer frühzeitig, d. h. regelmäßig schon bei der Unterzeichnung des Vertrags über die Erteilung des Börseneinführungsmandats (Letter of Engagement) die Aktien rechtsverbindlich zu festen Konditionen 340 . Im Gegensatz zur Festübernahme werden die Konditionen bereits mit Abgabe der Emissionsgeschäftsofferte fixiert. Das Konsortium nimmt somit dem Emittenten das Risiko einer ungünstigen Entwicklung der Wertpapierkurse von vornherein ab. Die rechtliche Qualifikation der Beziehungen entspricht denen der Festübernahme, der heute üblichen Form der Aktienübernahme (siehe cc) unten). Die Emissionsbank kann eine weitere Steigerung des Platzierungsrisikos dadurch vermeiden, dass die entscheidende, verbindliche Offerte an den Emittenten erst in dem Augenblick abgegeben wird, in dem der Konsortialführer auch an den Markt gehen kann 341 . Zudem vermag sich die Bank abzusichern, indem sie bereits im Vorfeld Platzierungsvereinbarungen mit anderen institutionellen Investoren trifft 3 4 2 . Vorteilhaft für den Emittenten und die abgebenden Altaktionäre sind die teilweise Vorwegnahme der Platzierung, eine Verringerung des Marketingaufwands und die erhöhte Planungssicherheit. Emittent und die abgebenden Aktionäre können bereits zu einem frühen Zeitpunkt mit einem festen Emissionserlös rechnen 343 . Zum Ausgleich der höheren Risikotragung der Bank verfügt die Bank über ein höheres Ertragspotential, da zum einen eine entsprechend höhere Vergütung verlangt werden kann und zum anderen die Bank den Mehrerlös üblicherweise einbehält 344 . bb) Das „Best Efforts Underwriting" Bei der kommissionsweisen Übernahme (Begebungskonsortium oder Best Efforts Underwriting) werden die zu emittierenden Wertpapiere durch das Emissionskonsortium kommissionsweise übernommen. Zugesagt werden hierbei nur nachhaltige Unterbringungsbemühungen ohne Absatzgarantie 345. Damit verpflichtet 339 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 493 f.; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 24. 340 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 493 f.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 31. 341 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 26. 342 Schulte, Internationaler Aktienemissionsmarkt, 1992, S. 107. 343 Vgl. nur Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 31. 344 Pßller/ Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 391. 345 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 484; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 24; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band ΠΙ,§ 112 Rn. 6.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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sich die Konsortialführung in einem Kommissionsvertrag gemäß §§ 383 ff. HGB lediglich, das vereinbarte Aktienvolumen nach besten Kräften bei potentiellen Investoren zu platzieren oder bei anderen Banken zu syndizieren 346. Bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung ist auch der Abschluss einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB möglich 347 . Wegen des verschärften Wettbewerbs der Banken am Markt sind solche Vereinbarungen bei Aktienemissionen - im Gegensatz zu Schuldverschreibungen 348 - durch die Banken kaum mehr durchzusetzen. Praktisch erfolgt diese Form des Underwriting in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt bemüht sich die Bank Abnehmer für die Emission zu finden, wobei dann erst, nachdem der Kreis der Käufer feststeht, das Konsortium die Aktien in dem Umfang der bereits eingeholten Abnahmeverpflichtungen übernimmt. Die Anwendung des Best Efforts Underwriting bietet sich v.a. in Perioden hoher Volatilität und insbesondere dann an, wenn sich die Beteiligten nicht über ein adäquates Emissionsverfahren einigen können 349 . Denkbar wäre auch die Möglichkeit, dass sich das Konsortium allein auf die Rolle eines Vermittlers beschränkt und versucht, Aktien der abgabewilligen Altaktionäre für deren Rechnung, gegen Vermittlungsprovision im Markt zu platzieren. In diesem Fall wäre der Abschluss eines Maklervertrages gemäß §§ 652 ff. BGB denkbar, wobei jedoch bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung auch eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB vereinbart sein kann 3 5 0 . Angesichts des Anscheins des Kassemachens der Altaktionäre ist eine Emission regelmäßig einfacher platzierbar, wenn zumindest ein Teil der Aktien aus einer Kapitalerhöhung stammen. Dementsprechend sind Aktienemissionen durch bloße Umplatzierung von alten Aktien durch die Emissionsbanken als Vermittler praktisch nicht relevant 351 . Auch das Vermittlungskonsortium, bei dem die Emissionsbank als Vertreterin des Emittenten in dessen Namen auftritt, spielt in der Praxis kaum eine Rolle 3 5 2 .
346 Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 45 ff.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.13, 9.23; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, Band III, § 112 Rn. 69; a.A. Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 32, der regelmäßig vom Abschluss eines Maklervertrags gemäß §§ 652 ff. BGB ausgeht. Dem ist zuzustimmen, wenn vereinbart wurde, dass die Banken im fremden Namen die Aktien platzieren. 347 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/289. 348 pßller /Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 390. 349 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 32. 350 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/289.
351 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/289; Zacharias, Börseneinführung mittelständischer Unternehmen, 2000, S. 247 f. 352 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, S. 13 Fn. 43.
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2. Teil: Die Aktienemission
cc) Die Festübernahme Die Festübernahme (Firm (Commitment) Underwriting, Firm Underwriting oder „Hard" Underwriting) im Rahmen des Bookbuildingverfahrens ist in Deutschland die heute üblichste Form des Underwriting 353 . Das Bankenkonsortium verpflichtet sich zur festen Übernahme der zu platzierenden Aktien und zur sofortigen oder zumindest zeitnahen Zahlung des Gegenwertes. Allerdings wird im Gegensatz zum Bought Deal zur Minimierung des durch die Übernahme verbundenen Platzierungsrisikos der Übernahmevertrag häufig erst in einem sehr späten Stadium des Börseneinführungsprozesses unterzeichnet, meist erst kurz vor Ende der Bookbuildingphase. Zum Leistungsumfang der Festübernahme gehört üblicherweise neben der Übernahme der Aktien auch der Platzierungserfolg, d. h. die vollständige und erfolgreiche Unterbringung der Emission am Markt (Einheitskonsortium). Das Platzierungsrisiko wird dabei durch weitgehend standardisierte Vertragsklauseln im Übernahmevertrag zwischen Emittent und Konsortium verteilt. So verringern beispielsweise Krisen- oder Kündigungsklauseln (siehe dazu (4) unten) das Risiko der Emissionsbanken, wohingegen Marktrückkaufsklauseln und Kurspflegepflichten das Risiko vergrößern, allerdings minimiert durch die Einräumung einer Mehrzuteilungsoption und Anwendung des Greenshoe-Verfahrens 354. Die Platzierung der Aktien und die regelmäßig mitübernommene Verpflichtung der Börseneinführung ist auch hier rechtlich als Dienstvertrag mit Elementen der Geschäftsbesorgung gemäß §§ 675, 611 BGB zu qualifizieren 355 . In rechtlicher Hinsicht ist bei der Übernahme der zu platzierenden Aktien zwischen der Zeichnung neuer Aktien und dem Kauf alter Aktien von Altaktionären zu unterscheiden. Allerdings hat der Emittent zu beachten, dass der Erlös beim Verkauf alter Aktien nicht der Gesellschaft, sondern den Alteigentümern zufließt, wodurch der negative Eindruck des „Kasse machens" der Altaktionäre entsteht 356 . Dieser Eindruck kann von vornherein vermieden werden, wenn mindestens 50% oder zumindest ein Großteil des Platzierungsvolumens aus einer unter Ausschluss des Bezugsrechts durchgeführten Kapitalerhöhung stammen 357 . 353 Pßller/ Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 389; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 52 ff.; Groß in Hellner /Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/312 f. inklusive Musterverträge; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 295 f. 354 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.d)aa). 355 BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in Β GHZ 118, 83, 97 mwN; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 68; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37; De Meo, Bankenkonsortien, 1994, 2. Teil, Rn. 104. 356 Wie erneut beispielhaft beim abgesagten Börsengang der X-Fab AG im März 2004 geschehen; Gebhardt, Fehlstart von X-Fab lässt Banker kalt, HB, 18. 03. 2004, S. 33. 357 Jäger, Thema Börse (7): Emissionskonzept und Plazierungsstrategie, NZG 1999, 814, 815; Groß in Hellner /Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 288; Zachanas, Börseneinführung mittelständischer Unternehmen, 2000, S. 247 f., der sogar zu einem fast
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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So wurde ζ. B. für die erstmalige Zulassung von Aktien zum Neuen Markt in Ziffer 3.8 des Regelwerks Neuer Markt vorgeschrieben, dass mindestens 50% des zu platzierenden Emissionsvolumens aus einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlage stammen soll. (1) Zeichnung neuer Aktien Die zu platzierenden Aktien stammen regelmäßig zu großen Teilen aus einer Kapitalerhöhung, entweder aus einer gewöhnlichen Kapitalerhöhung gemäß § 182 AktG oder einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gemäß § 202 AktG. Die Emissionsbank verpflichtet sich dabei üblicherweise zur Zeichnung zum geringsten Ausgabebetrag gemäß § 91 AktG (Nennwert) 358 , der zumeist bei 1 € liegt. Zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in Höhe der gezeichneten neuen Aktien in das Handelsregister übergibt die Bank dem Emittenten den von ihr unterzeichneten, befristeten Zeichnungsschein über die gezeichneten neuen Aktien in doppelter Ausfertigung gemäß § 185 Akt und schreibt als erste Einzahlung 25% des geringsten Ausgabebetrags der insgesamt gezeichneten neuen Aktien auf einem bei der Bank zu eröffnenden zins- und provisionsfreien „Sonderkonto Kapitalerhöhung" 359 gut (§ 36a AktG). Gemäß §§ 203 I, 188 I I i.V.m. §§ 36 II, 36 I und 37 I AktG gibt die Bank die erforderliche Bankbestätigung gegenüber dem Emittenten ab. Eingezahlt bzw. an den Emittenten abgeführt werden die restlichen 75% des Nennbetrags der gezeichneten neuen Aktien spätestens bis zum Tag der Zulassung der Aktien durch die Börse Zug um Zug gegen Übergabe der Aktienglobalurkunde 360. Die Bank hinterlegt diese Globalurkunde dann bei der Clearingstelle. Bei einer Festübernahme der Aktien verpflichtet sich das Konsortium gegenüber dem Emittenten zum Abschluss eines Zeichnungsvertrages. Der Zeichnungsvertrag hat eine Doppelnatur. Zum einen enthält er einen Beitrittsvertrag nach § 185 I AktG, d. h. einen korporationsrechtlichen Vertrag auf Einräumung einer neuen Mitgliedschaft in der Gesellschaft 361. Und zum anderen enthält er ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft 362. Die eigentliche Übernahme erfolgt erst mit Abschluss des Zeichnungsvertrags selbst 363 . Damit ist zwischen der Eingehung der Verpflich100%igen Emissionsvolumen aus einer Kapitalerhöhung rät; für 25 % bis 49 % des Grundkapitals: Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2000, S. 36. 358 Die h.M. hält die Zeichnung der Aktien zum Nennwert bzw. rechnerischen Nominalwert für zulässig: Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 53 ff.; Technau, Rechtsfragen bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen, AG 1998,445,448 ff. mwN. 3 59 Münch. Hdb. GesR IVI Krieger § 56 Rn. 108. 360 Eine Einzelverbriefung der Aktienfindet heute praktisch nicht mehr statt. 361
Kölner KommentarAktG/Lutter, § 185 Rn. 5 mwN; Schwintow ski /Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 68; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37; Canaris, Bankvertragsrecht, 1988, Rn. 2244 mwN. 3 62 Hüffer, AktG, § 185 Rn. 4.
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2. Teil: Die Aktienemission
tung zum Abschluss des Zeichnungsvertrags und dem Abschluss des Zeichnungsvertrags selbst zu unterscheiden. Die Eingehung der Verpflichtung im Rahmen des Übernahmevertrages ist dabei als Vertrag sui generis mit Elementen eines Geschäftsbesorgungsvertrags gemäß §§ 675, 611 BGB insbesondere hinsichtlich der Börseneinführung zu qualifizieren 364 . Im Falle einer Bezugsrechtsemission, die jedoch im Rahmen des Bookbuildingverfahrens regelmäßig ausgeschlossen wird (siehe dazu 3. unten), ist beim mittelbaren Bezugsrecht unter Einschaltung eines Konsortiums gemäß § 186 V AktG nur das Kreditinstitut Zeichner i. S. d. § 185 AktG. Die späteren Aktionäre erwerben die Aktien auf Grund eines Kaufvertrags, auf den § 185 AktG keine Anwendung findet (siehe 5. unten) 365 . (2) Kauf alter Aktien Sofern Aktien auch aus den Beständen von Altaktionären am Markt platziert werden sollen, sind auch die Altaktionäre Parteien des Übernahmevertrags. Hierin werden die entsprechenden kaufvertraglichen Regelungen zwischen den Altaktionären und dem Emissionskonsortium festgelegt. Häufig werden bei der Verhandlung des Übernahmevertrags die Altaktionäre von der Gesellschaft vertreten 366 . Die Banken verpflichten sich dabei, die Aktien aus dem Bestand der Altaktionäre zusammen mit den neuen Aktien zu übernehmen und interessierten Anlegern anzubieten. Von reinen Umplatzierungen im Wege einer Kommission unterscheidet sich die Übernahme bereits bestehender alter Aktien dadurch, dass diese erworben und durch Weiterveräußerung im eigenen Namen im Markt platziert werden. Die Übernahme alter Aktien aus den Beständen der Altaktionären ist primär ein Rechtskauf gemäß §§ 433, 453 BGB verbunden mit Elementen eines Geschäftsbesorgungsvertrages insbesondere bezüglich der Börseneinführung 367. Durch die Neureglung des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes sind die Rechtsfolgen bei Sach- und Rechtsmängeln nunmehr gleichgesetzt, so dass die Einstufung als Sachoder Rechtskauf keine Relevanz mehr im Hinblick auf die Rechtsfolgen entfal363 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/296 (Muster eines Zeichnungsschein vgl. Rn. 10/328 f.); Schwintow ski/ Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 68; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37. 364 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 68; BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in Β GHZ 118, 83, 97 mwN; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 37; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2244 mwN; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 35. 365 Hüjfer, AktG, § 185 Rn. 2. 366 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/306c. 367 Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rn. 1, 10; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/290; Pßller/ Flatten, Übernahmeverträge, FB 2001, 388, 391; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 35; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.245.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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tet 3 6 8 . Danach haften die verkaufenden Altaktionäre für den Bestand, den Inhalt und Umfang des Rechts, nicht aber für den Kurs der Aktien, ihre Börsenfähigkeit, künftige Dividende und auch nicht für eine Überschuldung der Gesellschaft 369. (3) Risikoverteilung Mit Übernahme der neuen Aktien bzw. Kauf der alten Aktien wird die Emissionsbank Eigentümer der Aktien und trägt somit das Risiko, diesen Bestand ganz oder teilweise nicht an Investoren weiterveräußern zu können (Platzierungsrisiko). Dieses Risiko wird versucht, durch weit gehende Vereinbarungen von Bedingungen und Rücktrittsklauseln im Übernahmevertrag zu Gunsten der Bank zu begrenzen. Auch die möglichst späte Unterzeichnung des Übernahmevertrags erst kurz vor Ende der Bookbuildingphase bzw. Schließung des Orderbuchs verringert das Platzierungsrisiko der Bank gegebenenfalls auf wenige Tage. Entsprechend einem Rundschreiben des BAKred 3 7 0 kann das Platzierungsrisiko ohne Auswirkungen auf die Auslastung der Großkreditrelationen weitergereicht werden, „wenn das Institut noch vor dem nächsten Geschäftstag für die Aktien einen festen Abnehmer findet". Die Belastung der Handelsbuch-Gesamtposition kann demnach dadurch reduziert werden, wenn spätesten am Tag der Unterzeichnung des Übernahmevertrags schuldrechtliche Verträge mit Investoren oder anderen Mitglieder des Konsortiums zur Weitergabe der Aktien abgeschlossen werden. Feste Abnahmeverträge werden zumeist schon während der Roadshow mit Institutionellen abgeschlossen. Mit Privatinvestoren dürfte demgegenüber eine Entlastung der Großkreditrelationen erst mit Zuteilung der Aktien bzw. mit Schließung des Orderbuchs, also u.U. einige Tage vor Zuteilung der Aktien erfolgen 371 . Bis zur Schließung des Orderbuchs kann der Investor seine Kauforder jederzeit widerrufen 372 , so dass vor diesem Zeitpunkt keine Entlastung möglich ist. Ab der Schließung des Orderbuchs bis zur endgültigen Zuteilung der Aktien darf dagegen die Bank fest auf die Übernahme der Aktien durch den Anleger vertrauen und der Anleger ist ab diesem Zeitpunkt an seine Kauforder gebunden. (4) Aufschiebende Bedingungen und Rücktrittsklauseln Typischerweise unterzeichnen die Konsortialbanken den Übernahmevertrag nur unter der Bedingung, dass die darin vom Emittenten abgegebenen Gärantieerklä368 Palandt/Putzo, BGB, § 437 Rn. 1 ff., § 453 Rn. 1; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/290. 369 Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rn. 24; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/290. 370 Rundschreiben 13/99 des BAKred. 371 Pßller /Flatten, Aktienübernahmeverträge, FB 2001, 388, 392. 372 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1 ff.; Willamowski, ing, Rn. 468 ff.; Pßller /Flatten, Aktienübernahmeverträge, FB 2001, 388, 392. 7 Koehler
Bookbuild-
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2. Teil: Die Aktienemission
rungen richtig, vollständig und nicht irreführend sind und die Zulassung des gesamten Grundkapitals des Emittenten zum Börsenhandel beantragt ist. Des Weiteren sind Gutachten der Rechtsberater 373 des Emittenten und regelmäßig auch Gutachten der Rechtsberater der Konsortialbanken sowie der Wirtschaftsprüfer 374 beizubringen. Hinzu kommt regelmäßig die Vereinbarung einer Rücktrittsklausel, wonach die Banken zum Rücktritt von der Pflicht zur Aktienübernahme berechtigt sind, wenn nach Auffassung des Konsortialführers eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Emittenten eingetreten ist oder ein Ereignis vorliegt, das erhebliche negative Auswirkungen auf den Kapitalmarkt hat (sog. „ForceMajeure-Klausel") 375 . Mit der Vereinbarung von Rücktrittsklauseln versuchen die Emissionsbanken das Platzierungsrisiko nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich zu reduzieren. Der Zeitpunkt der Übernahme des Platzierungsrisikos durch die Emissionsbanken ist zudem von entscheidender Bedeutung für die Bewertung der Handelsbuchpositionen eines Kreditinstituts oder Finanzdienstleistungsunternehmens, die in ausreichender Weise mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Das von einer emissionsbegleitenden Bank gemäß § 38 III GroMiKV übernommene Platzierungsrisiko kann in bestimmten Konstellationen dazu führen, das das betroffene Institut mangels hinreichender Eigenkapitalausstattung keine weiteren Kredit- oder Wertpapiergeschäfte ohne Zustimmung der BaFin mehr tätigen darf. Die Aufnahme von aufschiebenden Bedingungen und Rücktrittsrechten im Übernahmevertrag genügt allerdings im Allgemeinen nicht, die Großkreditrelationen der betroffenen Banken zu entlasten. Nach dem Rundschreiben 13/99 des BAKred übernimmt das Kreditinstitut nur dann noch kein Platzierungsrisiko, wenn es sich aus dem Aktienübernahmevertrag ohne „wenn" und „aber" lösen kann. Gerade aber auch Force-Majeure-Klauseln stellen auf Ereignisse ab, die nicht allein im Einflussbereich der Betroffenen liegen. So umfassen derartige Ereignisse u. a. den Eintritt einer wesentlichen nachteiligen Änderung in der wirtschaftlichen Situation des Emittenten, den Ausbruch von Krisen, Feindseligkeiten oder Kriegen, aber auch wesentliche nachteilige Änderungen in den nationalen und internationalen finanziellen, politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Damit fehlt es der Bank an der Möglichkeit sich „ohne wenn und aber" von ihren Verpflichtungen zu lösen und die übernommenen Verpflichtungen sind in entsprechend den Vorgaben der BaFin in die Handelsbücher einzustellen 376 . Ein durchgeführter Rücktritt der Emissionsbanken von ihren Verpflichtungen aus dem Übernahme vertrag kann sich ggf. auch auf bereits zugeteilte Aktien auswirken, 373
Disclosure Opinion , Legal Opinion, ggf. 10b5-Letter bei Platzierung in den USA. 374 Comfort Letter. 375 im Einzelnen: Busch, Aktien- und börsenrechtliche Aspekte von Force Majeure-Klauseln in Aktienübernahmeverträgen, W M 2001, 1277. 376 Pßller/ Flatten, Aktienübernahmeverträge, FB 2001, 388, 392.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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soweit der Übernahmevertrag in diesem späten Zeitpunkt noch einen Rücktritt ermöglicht. Erforderlich für die Ausübung eines Rücktrittsrechts der Emissionsbanken ist aber in diesem Fall, dass der Prospekt einen entsprechenden Vorbehalt vorsieht und Vertragsinhalt zwischen Bank und Anleger wird 3 7 7 .
b) Drittschützende
Wirkung des Übernahmevertrags
Zwischen dem Emittenten und den Anlegern bestehen vor der Platzierung regelmäßig keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen. Erst mit Erwerb der Aktie durch den einzelnen Anleger entstehen korporations- und vertragsrechtliche Beziehungen zum Emittenten. Ebenso bestehen zwischen den Emissionsbanken und dem Anleger nicht ohne weiteres vertragliche Beziehungen. Der Anleger erwirbt die georderte Aktie unmittelbar von seiner Bank, die Emissionskonsorte sein kann aber nicht muss. Rechtsbeziehungen des Anlegers zu den anderen Emissionsbanken bzw. zum Emissionskonsortium selbst können durch den Erwerb des Wertpapiers dann entstehen, wenn die Emissions- oder Wertpapierbedingungen dies explizit vorsehen. Die Emissionsbedingungen können im Einzelfall Verpflichtungen der Emissionsbanken oder des Emittenten unmittelbar zugunsten bestimmter Anleger enthalten. Praktische Relevanz entfaltet der unmittelbare Anspruch des Anlegers gegenüber den anderen Emissionsbanken oder dem Konsortium selbst regelmäßig bei der Emission von Anleihen, wenn beispielsweise der Konsortialführer für die Anleihegläubiger Grundpfandrechte und andere Sicherheiten hält, Treuhandfunktionen übernimmt oder besondere Garantien zugunsten der Anleihegläubiger abgibt 3 7 8 . Den Emissionsbedingungen lässt sich in diesem Fall ohne weiteres ein unmittelbarer Anspruch des Investors auf Erfüllung gegenüber dem Emissionskonsortium bzw. dem Konsortialführer entnehmen. Wenn jedoch ein solcher Erfüllungsanspruch des Anlegers gegenüber dem Konsortium im Zweifel nicht gewollt ist, kann auch die Bekanntgabe bestimmter Zusicherungen an die Anleger und der entsprechende Abdruck im Prospekt nicht schon zu einem solchen Drittschutz bzw. einem rechtlich relevanten Vertrauenstatbestand führen 379 . In Fällen, in denen kein Drittschutz gewollt ist, sei es in Form eines echten oder unechten Vertrags zugunsten Dritter, sollten aus Klarstellungszwecken, um keine Anhaltspunkte für eine auf Ansprüche Dritter gehende Vertragsauslegung zu bieten und um einem entsprechenden Vertrauenstatbestand die Grundlage zu entziehen, entsprechende klare Regelungen in den Emissionsbedingungen bzw. den Übernahmevertrag aufgenommen werden. 377 Busch, Aktien- und börsenrechtliche Aspekte von Force Majeure-Klauseln in AktienÜbernahmeverträgen, W M 2001, 1277, mit einem Beispiel für einen entsprechenden Vorbehalt in Fn. 46. 378 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 44; Delorme/Hoessrich, tial- und Emissionsgeschäft, 1971, S. 63. 37 9 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 47.
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Konsor-
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2. Teil: Die Aktienemission
Problematischer stellt sich indessen die drittschützende Wirkung des im Rahmen eines Börsengangs abgeschlossenen Übernahme- und /oder Zeichnungsvertrags zwischen dem Konsortialführer und dem Emittenten zugunsten des Anlegers dar. Möglich wäre dies bei Vorliegen eines echten oder unechten Vertrags zugunsten Dritter. aa) Vertrag zugunsten Dritter Die Beschränkung, dass der Übernahmevertrag lediglich Rechte und Pflichten zwischen seinen Parteien, d. h. Emittent und Konsortium, begründet, kann durch die Ausnahme der §§ 328 ff. BGB durchbrochen werden. Danach können die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Schuldner (Versprechende) die Leistung an einen vom Gläubiger (Versprechensempfanger) verschiedenen Dritten zu erbringen hat. Der Dritte erwirbt demnach beim echten (berechtigenden) Vertrag zugunsten Dritter einen eigenen Anspruch gegen den Schuldner 380 . Damit kann der zwischen dem Emittenten und dem Konsortium abgeschlossene Übernahmevertrag als echter Vertrag zugunsten Dritter bei entsprechendem Parteiwillen explizit oder implizit Rechte der Anleger als Dritte begründen. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter wird jedoch nur in wenigen Fällen wie ζ. B. bei der Gewährung von mittelbaren Bezugsrechten gemäß § 186 V AktG im Rahmen einer Bezugsrechtsemission gewollt sein 381 (siehe auch a) oben). Berechtigt sind dann die bezugsberechtigten Altaktionäre. In Ausführung des mittelbaren Bezugsrechts sind die Konsortialbanken verpflichtet, den bezugsberechtigten Altaktionären die entsprechende Anzahl an neuen Aktien anzubieten, und sie an diese zu veräußern (zum Bezugsrecht siehe 3.a) unten). Generell begründet der Übernahmevertrag zwischen dem Konsortium und dem Emittenten als solcher, abgesehen vom Ausnahmefall einer Bezugsrechtsemission, keine darüber hinausgehenden Pflichten der Konsortialbanken gegenüber den Investoren 382 . So sehen beispielsweise Übernahmeverträge für Forderungsrechte typischerweise explizit vor, dass sie keine Rechte von nicht unmittelbar am Vertragsschluss beteiligten Personen begründen wollen 3 8 3 . Die Begründung eines echten Vertrags zugunsten eines potentiellen Anlegers bedarf daher weiterer Voraussetzungen. 380 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 328 Rn. 1, § 328 Rn. 1 ff. 381 BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 96; BGH Urteil v. 22. 04. 1991 in Β GHZ 114, 203, 208; Kölner Kommentar AktG/Lutter, § 186 Rn. 111; GroßkommAktG / Wiedemann, § 186 Rn. 208; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 171; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2270; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 45; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/311. 382 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/319; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 107, 113. 383 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 114.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Angesichts der unterschiedlichen Vereinbarungen im Übernahme- bzw. Emissionsvertrag können durch ihn sowohl Rechte als auch Pflichten der einzelnen Vertragsparteien begründet werden. Zur Feststellung, ob ein berechtigender Vertrag zugunsten der Anleger gewollt ist, muss zwischen den einzelnen hier relevanten Pflichten unterschieden werden. (1) Vorgabe konkreter Investoren durch den Emittenten Zunächst ist denkbar, dass im Übernahmevertrag konkrete Vereinbarungen über die Platzierung bzw. Zuteilung getroffen werden 384 . Dabei kommt zum einen ein detailliertes Orderbuch bezüglich der Zuteilung an einzeln benannte Institutionelle oder verbindliche Zusagen des Emittenten an einzelne Begünstigte in Betracht. Hierbei ist der Emittent selbst als Schuldner (Versprechender) verpflichtet und das Konsortium ist Gläubiger (Versprechensempfänger) der Leistung. Bei der verbindlichen Vorgabe konkreter Zuteilungen an einzeln zu bestimmende Investoren im Rahmen des Übernahmevertrags - sei es durch Vorgabe der Hauptversammlung oder des Vorstands - ist das Vorliegen eines echten Vertrags zugunsten der begünstigten Investoren nahe liegend. Bereits im Hauptversammlungsbeschluss über die Kapitalerhöhung kann die Hauptversammlung Vorgaben hinsichtlich der Zuteilung der zu schaffenden Aktien festlegen 385. Die konkreten Vorgaben durch die Hauptversammlung und den Vorstand zur Zuteilung an bestimmte Investoren können entweder im Underwriting Agreement oder aber auch in einem Side Letter niedergelegt werden. Verbindliche Zuteilungen werden vom Emittenten in der Pre-Marketing-Phase und auch anlässlich von Einzelgesprächen mit institutionellen Investoren in der Marketing-Phase (One-on-One Meetings oder One-on-Ones) zugesagt. Private Investoren können demgegenüber verbindliche Zuteilungszusagen vom Emittenten regelmäßig mangels Roadshows für Privatanleger meist nur im Rahmen eines Friends & Family-Programms erhalten. Typischerweise wird im Übernahmevertrag das Recht des Emittenten vereinbart, dem Konsortium, bzw. dem Konsortialführer, eine entsprechende Liste mit Namen der bevorrechtigten Friends & FamilyTranche zu überreichen. Im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist jedoch, selbst bei Vorliegen einer konkreten verbindlichen Zuteilungszusage, ob dem begünstigten Investor ein Zuteilungsanspruch und damit ein primärer Erfüllungsanspruch zustehen soll. Regelmäßig ergibt nämlich die Auslegung der Zuteilungszusage des Emittenten, dass das Konsortium nach wie vor berechtigt sein soll, den endgültigen Vertragsschluss mit dem Anleger bei Vorliegen eines „triftigen Grundes" zu verweigern. Ein sol384
Pfüller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 671; Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Artikel 3. 3 «5 Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549, 553.
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eher triftiger Grund wäre beispielsweise, abgesehen von expliziten Vereinbarungen im Übernahmevertrag, die Nichtdurchführung der Emission oder eine unvorhergesehene Umschichtung des Emissionsvolumens386. Gegen einen verbindlichen Vertragsschluss zu diesem Zeitpunkt spricht überdies, dass bei internationalen Emissionen, insbesondere unter Einschluss der USA, zum fraglichen Zeitpunkt der Abgabe der Zusage eine vertragliche Bindung der Investoren i. d. R. unzulässig ist 3 8 7 . So ist ein öffentliches Angebot in den U.S.A. gemäß section 5 des Securities Act 1933 (SA) prospektpflichtig. Vor Einreichung eines Antrags auf Zulassung bei der SEC sind gemäß section 5(c) SA jegliche Verkaufsmaßnahmen verboten (sog. Gun-Jumping 3**). Daneben gilt selbst für Emittenten außerhalb den USA gemäß Regulation S 3 8 9 , das Verbot der Directed Selling Efforts 390 in den USA. Infolgedessen lässt sich nach Auslegung des Übernahmevertrags regelmäßig kein Wille der Vertragsparteien entnehmen, verbindliche Zusagen und damit primäre Erfüllungsansprüche der Investoren zu begründen. (2) Vorgabe von Zuteilungsrichtlinien
durch den Emittenten
Abzugrenzen ist die konkrete Vorgabe einzelner Investoren von der Vorgabe allgemeiner Zuteilungsrichtlinien oder -kriterien wie z. B. die Vorgabe des Emittenten von bevorzugt bei der Zuteilung zu berücksichtigenden Anlegergruppen (Affinity Groups). Vorgaben des Emittenten hinsichtlich des anzuwendenden Zuteilungsverfahrens beziehen sich hauptsächlich, aber nicht ausschließlich oder notwendigerweise, auf die Retailtranche. Diese Tranche wird regelmäßig dem Konsortium „en bloc" zugeteilt, das dann die weitere Verteilung vornimmt. Das für die Retailtranche zu wählende Zuteilungsverfahren kann zum einen in das Ermessen des Konsortiums selbst gestellt werden. In Betracht kommen aber auch verbindliche Vorgaben und Zuteilungsrichtlinien durch den Emittenten. Hiernach verpflichtet sich das Konsortium (Versprechender) gegenüber dem Emittenten (Versprechensempfänger) die Zuteilung anhand der vorgegebenen Zuteilungskriterien und Richtlinien des Emittenten vorzunehmen. Durch die Vorgabe eines Zuteilungsverfahrens wie beispielsweise Zuteilung nach Quoten, Affinity Groups oder Anwendung des Losverfahrens wird der ein-
386 Willamowski, Die strategische Allokation, W M 2001, 653, 656. 387 Willamowski, Die strategische Allokation, WM 2001, 653, 656 Fn. 36; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 456 ff. 388 Hazen, Law of Securities Regulation, 2001, § 2.2[2]; Jennings /Marsh /Coffee /Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 119 ff. 389 Reg. S, 17 C.F.R. § 230.901 ff., insbesondere Rules 902(b), 903(a)(2), 904. 390 Definition gemäß Rule 902 (c)(1): „,Directed selling efforts' means any activity undertaken for the purpose of, or that could reasonably be expected to have the effect of, cond ing the market in the United States for any of the securities being offered in reliance o Regulation S. Such activity includes placing an advertisement in a publication with a gene circulation in the United States that refers to the offering of securities being made in re upon this Regulation S. "
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zelne Investor jedoch nicht konkret bestimmt. Dem Konsortium bleibt innerhalb einer zu präferierenden Gruppe ein gewisser Entscheidungsspielraum. Der einzelne Investor ist dadurch noch nicht hinreichend konkretisiert. Das anzuwendende Zuteilungsverfahren entfaltet erst dann Relevanz, wenn durch Überzeichnung nicht genügend Aktien vorhanden sind, die gesamte Nachfrage zu befriedigen. Stünde einzelnen Anlegern dann ein Anspruch aus § 328 I BGB auf vollständige Befriedigung der von ihm georderten Anzahl an Aktien direkt gegenüber dem Konsortium bzw. dem Konsortialführer zu, so könnte sich das Konsortium bei Überzeichnung auf Grund subjektiver Unmöglichkeit gemäß §§ 2801, 283 S. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen. Die Nachfragesituation stellt jedoch ein für den Emittenten und das Konsortium unkalkulierbares Risiko dar. Demnach ist das Konsortium regelmäßig nicht bereit, dieses Risiko durch bindende Vereinbarungen mit dem Emittenten zu übernehmen. Regelungen in Übernahmeverträgen sind zudem vor dem Hintergrund der Risikobegrenzung der Banken zu betrachten und dienen damit primär deren Interessen und nicht denen der Anleger . Die notwendige Auslegung des Ubernahmevertrags gemäß § 328 Π BGB kann demnach nicht zu der Annahme führen, der einzelne Anleger habe eine unmittelbare Berechtigung gegenüber dem Konsortium auf vollständige Befriedigung seiner Order 393 . Die sofortige BindungsWirkung im Übernahmevertrag und Begründung eines Zuteilungsanspruchs des Anlegers in Höhe seiner Kauforder ist weder rechtlich erwünscht noch faktisch entsprechend durchführbar 394. Der Anleger könnte aber einen Anspruch auf Anwendung eines im Übernahmevertrag spezifizierten Zuteilungsverfahrens und damit auf Berücksichtigung bestimmter Zuteilungskriterien haben. Dieser Anspruch könnte sich mangels expliziter Drittbegünstigungsabrede aus dem verfolgten Zweck des Übernahmevertrags als auch aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben 395. Gemäß § 328 II BGB ist bei der Auslegung insbesondere dem Zwecke des Vertrags zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Das Konsortium dürfte allerdings bereits der expliziten oder impliziten 391 Neben dem Gesichtspunkt der Risikobegrenzung sollen im Übernahme vertrag auch gesellschaftsrechtliche Probleme, wie Übernahme der Aktien, usw. geregelt werden. 392 BGH Urteil v. 15. 01. 1986 in W M 1986, 528, 529 f. 393 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 45; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 113 ff.; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 311, 319; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 20. 394 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655. 395 Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 14 mwN; BGH Urteil v. 16. 10. 1990 in NJW 1991, 2209; BGH Urteil v. 10. 02. 1971 in BGHZ 55, 307, 309.
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2. Teil: Die Aktienemission
Festschreibung eines bestimmten unabänderlichen Zuteilungsverfahrens im Übernahmevertrag ablehnend gegenüberstehen. Das Konsortium würde mit einer verbindlichen Zuteilungsvorgabe in der Möglichkeit beschränkt, Zuteilungen entsprechend den Marktgegebenheiten und ihrer geschäftspolitischen Erwägungen vorzunehmen. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch des Anlegers auf ein bestimmtes Zuteilungsverfahren sind insbesondere die Interessen des Emittenten als Gläubiger und Versprechensempfänger des Konsortiums maßgeblich. Demzufolge wären Anhaltspunkte erforderlich, aus denen ersichtlich wäre, dass der Investor aus den Abreden im Übernahmevertrag unmittelbar berechtigt werden soll. Der Emittent hat zwar ein Interesse auf Einhaltung eines fairen Zuteilungsverfahrens, um seinen Ruf am Markt zu erhalten und mögliche weitere Kapitalaufnahmen nicht zu gefährden. Allerdings besteht auch seitens des Emittenten ein vitales Interesse, auf Marktveränderungen reagieren zu können und folglich gegebenenfalls das Recht der „zeichnenden" Investoren ohne deren Zustimmung aufheben oder ändern zu können. Dieses Interesse besteht selbst dann, wenn der Übernamevertrag erst unmittelbar vor Zuteilung unterzeichnet wird und das Risiko eines veränderten Marktumfeldes sich auf wenige Tage, typischerweise ein Wochenende beschränkt. Das Zuteilungsverfahren soll gerade ohne Zustimmung des Anlegers bei Bedarf verändert werden können, gegebenenfalls bei entsprechend schlechten Marktbedingungen die Emission sogar ganz abgesagt werden können. Im Ergebnis ist daher ein echter Vertrag zugunsten Dritter und somit ein Anspruch des einzelnen Anlegers auf Grund einer Vereinbarung im Übernahme- oder Emissionsvertrag zur Anwendung eines bestimmten Zuteilungsverfahrens oder auf Grund der Festlegung von Affinity Groups abzulehnen396.
bb) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Selbst durch eine ausdrückliche Klarstellung im Übernahmevertrag, dass Rechte Dritter nicht begründet werden sollen, kann die drittschützende Wirkung von Übernahmeverträgen nicht ausgeschlossen werden 397 . Anders als der Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB gewährt der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 398 keinen eigenen Leistungsanspruch des Dritten. Das Recht, die Leistung an den Dritten zu verlangen, steht allein dem Gläubiger zu 3 9 9 . Der Schuldner ist jedoch ermächtigt, mit befreiender Wirkung an 396 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655, der jedoch eine Bindungswirkung im Hinblick auf die Berücksichtigung bestimmter Zuteilungskriterien nicht ausschließt; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.51; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 105. 397 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 114; BGH Urteil v. 28. 02. 1977 in Β GHZ 69, 82, 86 (Lastschrifturteil); Bayer, Vertraglicher Drittschutz, JUS 1996, 473, 476. 398 Auch als unechter oder ermächtigender Vertrag zugunsten Dritter bezeichnet.
399 Palandt/Heinrichs,
BGB, Einf ν § 328 Rn. 1 \ MüKo/Gottwald,
BGB, § 328 Rn. 108.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
105
den Dritten zu leisten 400 . Der Dritte wird in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, so dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann 401 . Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dient demnach vornehmlich der Überwindung von Schwächen der deliktischen Haftung 402 . Die entscheidende Frage beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises. Unstreitig ist er eng zu ziehen. Für den Regelfall, in dem die Parteien nichts erklärt haben, sind nach h.A. 4 0 3 die folgenden Voraussetzungen für die Einbeziehung in den vertraglichen Schutzkreis erforderlich: (1) Vertragsnähe (Leistungsnähe), (2) Interesse am Schutz des Dritten (Gläubigernähe), (3) Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises. Darüber hinaus muss der Dritte grundsätzlich überhaupt schutzbedürftig sein. Ein Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter muss also in den Fällen ausscheiden, in denen dem Anleger ein inhaltsgleicher Anspruch gegen eine andere Person zusteht.
(1) Leistungsnähe Voraussetzung für eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrags ist zunächst die Leistungsnähe. Danach muss der Dritte bestimmungsgemäß in gleicher Weise wie der Gläubiger mit der Hauptleistung in Berührung kommen 404 . Dritte die sich nur zufallig in Leistungsnähe befinden, sind damit vom Schutz ausgeschlossen. Bei einer öffentlichen Platzierung am Markt ist der Anleger die eigentliche Zielperson der Platzierungsbemühungen bzw. Erfüllungshandlung. Die Übernahme der Aktien durch das Konsortium ist bloßes Durchgangsstadium. Der Anleger kommt damit bestimmungsgemäß mit der Hauptleistungspflicht, der Platzierung der zu emittierenden Aktien, in Berührung. Die notwendige Leistungsnähe erfordert, dass der potentielle Anleger den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger. In diesem Falle ist Gläubiger je nach der im Übernahmevertrag zu betrachtenden Verpflichtung entweder das Konsortium oder der Emittent. Schutzpflichten beinhalten bei der Erfüllung der vertraglich festgelegten Pflicht die Verpflichtung, Rechtsgüter des Gläubigers oder eben des in den Schutzbereich einbezogenen Dritten, 400 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 328 Rn. 1, § 328 Rn. 13 ff. 401 BGH Urteil v. 22. 01. 1968 in BGHZ 49, 350, 353; BGH Urteil v. 15. 05. 1959 in NJW 1959, 1676; Larenz, SRAT, 1987, § 17 Π, S. 224 ff. 402 Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 13; Müko/Gottwald, BGB, § 328 Rn. 96; Soergel/Hadding, BGB, Anhang § 328 Rn. 1. 403 Vgl. nur MüKo/Gottwald, BGB, § 328 Rn. 110 mwN. 404 BGH Urteil v. 22. 01. 1968 in BGHZ 49, 350, 354; BGH Urteil v. 19. 09. 1973 in BGHZ 61, 227, 234; BGH Urteil v. 15. 02. 1978 in BGHZ 70, 327, 329; Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 16; MüKo/Gottwald, BGB, § 328 Rn. 110.
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2. Teil: Die Aktienemission
d. h. die Person, das Eigentum und die sonstigen Rechtsgüter, vor Beeinträchtigungen zu schützen 405 . Die Schutzwirkung und der damit verbundene eigene vertragliche Schadensersatzanspruch des Dritten erstreckt sich dabei sowohl auf Sach- als auch auf Vermögensschäden406. Fraglich ist allerdings vorliegend, ob der potentielle Investor bei NichtZuteilung von Aktien überhaupt einen ersatzfähigen Vermögensschaden erleidet. Als möglicher Schaden kommt hier allein die mit einer Zuteilung verbundene Gewinnchance durch eine Kurssteigerung der erworbenen Aktien in Betracht. Im Grundsatz ist anerkannt, dass entgangene Gewinne aus Aktienspekulationen bei entsprechendem Nachweis bzw. unter Anwendung der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB als Schaden ersatzfähig sind 407 . Der „zeichnende" Anleger ist jedoch noch nicht Inhaber der Aktien. Der Verlust einer Gewinnchance ist nach h.A. kein selbstständiger Vermögensschaden408. Erst wenn ein Anspruch oder eine rechtlich geschützte Anwartschaft 409 entstanden ist, begründet deren Entwertung einen Vermögensschaden410. Eine rechtlich geschützte Anwartschaft und ein ersatzfähiger Vermögensschaden bestünde demnach dann, wenn der übergangene Anleger zusätzlich zum Nachweis eines entgangenen Gewinns auch den Beweis - gegebenenfalls unter der Beweiserleichterungen des § 252 S. 2 BGB 4 1 1 - führen könnte, dass sein Vertrauen auf eine Zuteilung im konkreten Fall enttäuscht wurde und ihm Aktien hätten zugeteilt werden müssen [zum gesamten Problem des Schadensersatzes für verlorene Chance siehe unten 3. Teil: 8. Kapitel: I.2.b)bb)]. Demzufolge lässt sich ein ersatzfahiger Vermögensschaden des potentiellen Anlegers durch eine Pflichtverletzung, d. h. Verstoß gegen Regelungen des Übernahmevertrags bei entsprechendem Nachweis begründen 412. Die erforderliche Leistungsnähe des potentiellen Investors kann demnach im Einzelfall bejaht werden.
405 Palandt/Heinrichs, BGB, § 280 Rn. 28, § 242 Rn. 35 mwN; Soergel/Weidemann, BGB, § 275 Rn. 484. 406 BGH Urteil v. 22. 01.1968 in BGHZ 49, 350, 355; BGH Urteil v. 28. 02. 1977 in BGHZ 69, 82 (Lastschrifturteil); BGH Urteil v. 11.01. 1977 in NJW 1977, 2073, 2074; Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 19. 407 Palandt /Heinrichs, BGB, § 252 Rn. 5 mwN; Assmann, Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs, Festschrift für Lange, 1992, S. 345, 361. 408 Miiko/Oetker, BGB, § 249 Rn. 29 mwN; Soergel/Mertens, BGB, § 252 Rn. 15; Große richter, Hypothetischer Geschehens verlauf und Schadensfeststellung, 2001, S. 227 ff.; a.A. Fleischen Schadensersatz für verlorenen Chancen, JZ 1999, 766, 770 f. 409 Entsprechend beim enttäuschten Vertrauen auf Vergabe eines Auftrags im Rahmen einer Ausschreibung: BGH Urteil v. 25. 11. 1992 in NJW 1993, 520, 522; BGH Urteil v. 08. 09. 1998 in BGHZ 139, 259, 263 f. 410 OLG Frankfurt am Main Urteil v. 20. 02. 1997 in NVwZ 1998,437. 411 BGH Urteil v. 29. 11. 1982 in NJW 1983, 758. 412
Gänzlich verneinend Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 109, der die mit der Zuteilung verbundene Gewinnchance durch eine Kurssteigerung nicht als geschützte oder schützenswerte Rechtsposition ansieht.
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(2) Gläubigernähe Zusätzlich muss der Gläubiger ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben. Die Rechtsprechung ließ zunächst dem Umstand Indizwirkung zukommen, ob den Vertragsgläubigern eine Pflicht zu Schutz und Fürsorge gegenüber dem Dritten treffe, er also für dessen „Wohl und Wehe" verantwortlich sei 4 1 3 . Nach ausdrücklicher Klarstellung des BGH 4 1 4 , ist es jedoch ausreichend, dass der Gläubiger mit dem Dritten in einer rechtsgeschäftlichen Beziehung steht, die dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags ein besonderes Interesse hat 4 1 5 . Eine drittschützende Wirkung kommt demnach insbesondere dann in Betracht, wenn sich der Emittent gegenüber dem Konsortium, vertreten durch den Konsortialführer, zu bestimmten Verhaltensweisen verpflichtet. Hierdurch kann sich für den Konsortialführer eine Verpflichtung zur Durchsetzung der Einhaltung der vom Emittenten abgegebenen Zusicherungen und Versprechungen ergeben. Die Verpflichtung des Konsortialführers besteht besonders dann, wenn der Emittent dieselben Versprechungen nicht explizit gegenüber den Anlegern in den meist im Prospekt veröffentlichten Wertpapierbedingungen übernommen hat, und den Anlegern deshalb kein eigener Erfüllungsanspruch auf Durchsetzung der Zusicherungen und Versprechungen gegenüber dem Emittenten selbst aus den Wertpapierbedingungen zusteht 416 . Das zunächst im konkreten Fall maßgebliche Versprechen des Emittenten betrifft die Zusage, Aktien an einzelne namentlich ausgewählte Investoren zuzuteilen. Diese Verpflichtung begründet jedoch bereits einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter und damit einen Erfüllungsanspruch des betroffenen Anlegers. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter analog § 328 BGB ist jedoch mangels Schutzbedürftigkeit des Investors dann abzulehnen, wenn dem Anleger ein inhaltsgleicher Anspruch gegen das Konsortium zusteht 417 . Zudem ist eine Drittschutzwirkung zugunsten der Anleger auch von Pflichten des Konsortiums gegenüber dem Emittenten aus dem Übernahmevertrag regelmäßig zu verneinen. Die Konsortialbanken können sich im Übernahmevertrag gegenüber dem Emittenten zu einer Leistung verpflichten, die im Rahmen des Zuwendungsverhältnisses zwischen Konsortialbanken und Anlegern erfüllt wird. 413 BGH Urteil v. 26. 11. 1968 in BGHZ 51, 91, 96; BGH Urteil v. 28. 01. 1976 in BGHZ 66, 51, 57; Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 17 mwN; Assmann, Grundfälle zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, JuS 1986, 885, 889. 414 BGH Urteil v. 28. 02. 1977 in BGHZ 69, 82, 86 (Lastschrifturteil). 415 BGH Urteil v. 10. 11. 1994 in BGHZ 127, 378; BGH Urteil v. 07. 11. 1984 in NJW 1985,489; Palandt /Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 17 mwN. 416 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 114; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 47. 417 BGH Urteil v. 02. 07. 1996 in NJW 1996, 2927, 2929; BGH Urteil v. 15. 02. 1978 in BGHZ 70, 327, 330; MüKo/Gottwald, BGB, § 328 Rn. 117; Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 18; str.: a.Α. Berg, Zur Abgrenzung von vertraglicher Drittschutzwirkung und Drittschadensliquidation, NJW 1978, 2018, 2019.
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Die Bank ist in der festgelegten Funktion als Zahlstelle (Fiscal Agent) allein dem Emittenten gegenüber verpflichtet, nicht dagegen den potentiellen Anlegern, die auch nicht in dessen Schutzbereich der Zahlstellenverpflichtung einbezogen werden sollen. Ebenso besteht grundsätzlich auch keine Drittschutzwirkung zugunsten der Anleger auf Grund anderer Pflichten der Konsortialbanken wie ζ. B. Rückkaufsklauseln oder back-up-Versprechen 418. Zuletzt wäre noch, die drittschützende Wirkung der Pflicht des Konsortiums gegenüber dem Emittenten zu beurteilen, bei der Zuteilung ein bestimmtes vorher mit dem Emittenten abgestimmtes Zuteilungsverfahren anzuwenden. Problematisch erscheint jedoch, ob der Emittent als Gläubiger mit dem potentiellen Anleger in einer rechtsgeschäftlichen Beziehung steht, die dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Emittent an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags ein besonderes Interesse hat. Eine solche rechtsgeschäftliche Beziehung i.S. eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, besteht auf den ersten Blick nur zwischen dem potentiellen Anleger und der die Kauforder entgegennehmenden Bank. Selbst wenn jedoch der Kreis der den Anlegern vertraglich Verpflichteten auf den Emittenten zu erstrecken wäre und damit ein vorvertragliches Schuldverhältnis auch zwischen dem Emittenten und dem potentiellen Anleger zu bejahen ist, was an späterer Stelle noch nachzuweisen gilt 4 1 9 , besteht jedoch kein Interesse des Emittenten die Anleger in den Schutzbereich des Übernahmevertrags einzubeziehen 420 . Sollte ein solches Interesse im Einzelfall bejaht werden können, müsste für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch das weitere Merkmal, die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises vorliegen. (3) Erkennbarkeit
des geschützten Personenkreises
Der Kreis der geschützten Dritten muss für den Schuldner subjektiv erkennbar sein, damit dieser sein Haftungsrisiko überschauen, kalkulieren und ggf. versichern kann 421 . Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Schuldner Zahl und Namen der zu schützenden Dritten im Einzelnen kennt. Ausreichend ist insoweit, dass die Schutzpflicht auf eine klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt ist 4 2 2 . Voraussetzung für einen drittschützenden Charakter von Vereinbarungen im Übernahme vertrag, wie ζ. B. Gewährleistungen des Emittenten, wäre also die Abgrenzbarkeit der potentiellen Erwerber 423 . Für den Emittenten wie auch für die 418 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 46; ders., Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181, 193 f. 419 s. 6.a) unten. «ο Rümpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.52. 4
21 BGH Urteil v. 02. 07. 1996 in NJW 1996, 2927, 2929; BGH Urteil v. 12. 11. 1979 in BGHZ 75, 321, 323; Palandt/Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 18 mwN. 4 22 BGH Urteil v. 02. 11. 1983 in NJW 1984, 355 f.; BGH Urteil v. 10. 11. 1994 in BGHZ 127, 378; Palandt /Heinrichs, BGB, § 328 Rn. 18. 4 23 Müko/Gottwald, BGB, § 328 Rn 109; Soergel/Hadding, BGB, Anhang § 218 Rn. 17.
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Konsortialmitglieder ist zunächst weder Anzahl noch Identität der potentiellen Investoren erkennbar. Eine Ausnahme bildet die mit einem Erfüllungsanspruch bedachten, konkret benannten Investoren, denen allerdings bereits ein eigener Erfüllungsanspruch zusteht. Die übrigen „zeichnenden" Investoren müssten somit als abgrenzbarer Personenkreis zu qualifizieren sein. Zwar ließe sich grundsätzlich der Kreis der potentiellen Investoren anhand einer Auswertung der eingegangenen Kauforder feststellen. Eine Order kann jedoch bei jedem Finanzintermediär abgegeben werden, der die „Zeichnung" der entsprechenden Aktie anbietet. Diese Intermediäre leiten wiederum ihre Order weiter, bis schließlich eine - gebündelte - Kauforder bei einem Konsortialmitglied, d. h. Bookrunner, eingeht. Die Banken übermitteln regelmäßig nicht sämtliche ordernden Investoren mit Namen, sondern lediglich die Größenordnung der einzelnen Tranchen wie ζ. B. der Retailtranche. Eine Abgrenzung der potentiellen Investoren ist damit angesichts einer nicht überschaubaren Verästelung der Kauforder nicht mehr möglich. Zudem steht es einem Investor bis zur Schließung des Orderbuchs frei, seine bereits abgegebene Kauforder zu widerrufen. Weder der Emittent noch das Konsortium vermag daher den Kreis der Investoren einzugrenzen. Im Ergebnis können daher Gewährleistungen bzw. Verpflichtungen des Emittenten auf Grund der mangelnden Abgrenzbarkeit keine drittschützende Wirkung gegenüber den „zeichnenden" Investoren entfalten 424. Im Ergebnis ist daher mit der allgemeinen Auffassung 425 eine drittschützende Wirkung einer im Übernahmevertrag festgelegten Verpflichtung des Konsortiums zur Anwendung eines bestimmten Zuteilungsverfahrens abzulehnen.
2. Rechtsverhältnis zwischen den Konsortialbanken Emissionskonsortien als Kooperationsform von Banken bei der Übernahme und Platzierung von Wertpapieren (sog. Einheitskonsortium) dienen vornehmlich der Streuung des mit der Übernahme und Platzierung verbundenen Risikos und der Begrenzung der Inanspruchnahme des Eigenkapitals der einzelnen Konsorten. Zudem wird durch eine Vielzahl von Emissionsmitgliedern die Platzierungskraft entscheidend erhöht 426 . Im Rahmen des Innenverhältnisses der Konsortialbanken untereinander stellen sich insbesondere Fragen der Vertretung des Konsortiums nach außen durch den 424 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 318; wohl a.A. mit dem Hinweis auf allgemeine Fairness- und Transparenzgesichtspunkte: Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 109 f. 425 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 47; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2267; Lutter /Drygala, Rechtsfragen beim Gang an die Börse, Festschrift für Raisch, 1995, S. 239, 249; widersprüchlich insoweit Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 105,110. 426 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 20; Müller, Going Public im Geschäftsfeld der Banken, 1997, S. 246.
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Konsortialführer (Lead Manager) und der Haftung der Konsortialmitglieder für Handlungen und Unterlassungen des Lead Managers. Emissionskonsortien sind nach heute h.A. 4 2 7 Gesellschaften bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB, wobei sie jedoch überwiegend nicht den Normen der §§ 705 ff. BGB folgen. Wesentliche Elemente sind vielmehr abbedungen oder aus anderen Gründen nicht anwendbar 428. Dabei wird üblicherweise der Ausschluss von Gesamthandeigentum und der gesamtschuldnerischen Haftung des Konsortiums vereinbart 429 . Der einzelne Konsorte verpflichtet sich demzufolge nur zur Übernahme und Bezahlung der auf ihn entfallenden Quote 430 . Die einzelnen Konsortialbanken werden sonach im Übernahmevertrag als Teilschuldner zur Zeichnung neuer Aktien bzw. zum Kauf alter Aktien verpflichtet. In wesentlichen Punkten ist die in § 709 BGB vorgesehene gemeinschaftliche Geschäftsführung abbedungen, die im Bereich des „normalen Tagesgeschäfts" allein vom Konsortialführer wahrgenommen wird. Der Konsortialführer vertritt das Konsortium im Rahmen der im Konsortialvertrag vorgesehenen Grenzen. Regelmäßig übernimmt also das gesamte Emissionskonsortium, vertreten durch den Konsortialführer, die Aktien vom Emittenten. Der entsprechend für Emissionen von Schuldverschreibungen bestehende IPMA Standardkonsortialvertrag (Agreement among Managers) 431 wurde bisher von der IPMA für Aktienemissionen nicht entwickelt. Neben dem Abschluss eines Konsortialvertrags (Agreement among Underwriters )432 werden in der Praxis die Rechtsverhältnisse zwischen den Konsortialbanken, insbesondere bei nationalen Transaktionen, teilweise in unterschiedlichen Verträgen dokumentiert 433. So kann das 427 BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 99; Canaris , Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2248; Grundmarui in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band III, § 112 Rn. 86; Singhof, Die Außenhaftung, 1998, S. 107 f.; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 49; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 28 mwN. 428 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 26; Grundmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band ΙΠ, § 112 Rn. 86; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 49; Singhof, Die Außenhaftung, 1998, S. 107 f. «9 Mit der Entscheidung des BGH v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 99-101 hält der BGH die quotale Beschränkung der Haftung für unwirksam, wenn die Konsortialbanken im Rahmen eines mittelbaren Bezugsrechts (§ 186 V AktG) nach Eintragung einer Kapitalerhöhung im Handelsregister die Aktien übernehmen. Dies ist in der Literatur auf einhellige Ablehnung gestoßen. Vgl. nur Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band ΠΙ, § 112 Rn. 104 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 12. 430 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 26; Grundmann in Schimansky /Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band III, § 112 Rn. 91; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 50, 53; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2265; Singhof, Die Außenhaftung, 1998, S. 97 ff. 43 > Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/253a ff. 432 Muster s. Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/333e. 433 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 495 ff.; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/322a f.
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Konsortialverhältnis beispielsweise teilweise in der Übernahmeofferte des Konsortiums an den Emittenten oder im Einladungsschreiben /-fax (Invitation Telex/Telefax) des Konsortialführers an die Konsortialmitglieder geregelt werden. Des Weiteren ist gerade bei internationalen Emissionen zu beobachten, dass die führende Bank oder die führenden Banken (Underwriting Bank(s)) kein Konsortium mit weiteren Banken mehr eingeht, sondern vielmehr die übernommenen Aktien weiterveräußert 434. Diese Beziehungen richten sich dann ausschließlich nach Kaufvertragsrecht. Von besonderem Interesse sind jedoch angesichts des vorliegenden Problemkreises die Verpflichtungen der Konsortialbanken gegenüber den Anlegern (dazu siehe unten 5.). Dabei basieren die Verpflichtungen des Konsortialführers, des einzelnen Konsortialmitglieds oder der die Order entgegennehmenden Bank allerdings auch auf den vertraglichen Beziehungen der Emissionsbanken untereinander. 3. Rechtsverhältnis zwischen Altaktionär und Emittent Vielfach wird in der Literatur vertreten, dass das Zuteilungsverfahren ohne rechtliche Regelung sei und damit in das Belieben von Emittent und Emissionskonsortium gestellt sei 4 3 5 . Mit dieser pauschalen Aussage wird regelmäßig allein auf das Zuteilungsprocedere an noch nicht beteiligte Kaufinteressenten Bezug genommen. Gleichfalls bezog sich die Kritik am Zuteilungsverfahren während des Börsenbooms auf die Zuteilung an noch nicht anteilshaltende Investoren. Die angeprangerten Zuteilungspraktiken an bevorrechtigte Personengruppen betrafen daher nicht die Bevorzugung auf Grund bereits bestehender Mitgliedschaftsrechte, sondern vielmehr gerade die mangelnde sachliche Rechtfertigung für eine Bevorzugung bestimmter Personen oder Personengruppen. Denn gerade das Verhältnis zwischen Emittent und seinen Altaktionären wird maßgeblich durch das gesetzliche Bezugsrecht gemäß § 186 AktG bestimmt. Mit der Normierung des Bezugsrechts als spezielle Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 53a AktG) ist das Verhältnis der Gesellschaft zu seinen Aktionären im Hinblick auf die Verteilung der zu platzierenden Aktien gerade explizit dem Belieben der Gesellschaft entzogen. Gleichwohl haben Reichweite und Inhalt des Bezugsrechts bzw. Vorerwerbsrechts heftige Kontroversen entfacht. Von besonderer Bedeutung ist das Bezugsrecht insbesondere bei Kapitalerhöhungen börsennotierter Unternehmen. Gerade das Element der flexiblen Emissionsstruktur und der Möglichkeit der Ausnutzung günstiger Marktsituationen beim Bookbuildingverfahren kollidierte bei Sekundärmarkttransaktionen mit dem 434
Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 50. Jäger, Thema Börse (6): Emissionspartner und Anleger, NZG 1999, 643, 646; Grundmann, Bookbuilding, Kreditwesen 1995, 916, 917; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 167. 435
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2. Teil: Die Aktienemission
gemäß § 186 I AktG normierten Bezugsrecht der Aktionäre, dem Erfordernis einer zweiwöchigen Bezugsfrist (§ 186 I 2 AktG) und der nach h.M. aus § 186 Π AktG a.F. abgeleiteten Notwendigkeit, den endgültigen Bezugspreis bereits zu Beginn der Angebotsfrist ziffernmäßig genau bestimmt zu veröffentlichen 436. Das Bookbuildingverfahren ist nach herkömmlicher Sicht damit im Rahmen einer Kapitalerhöhung nur dann durchführbar, wenn das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen wurde 437 . Infolgedessen waren Kapitalerhöhungen der jüngeren Vergangenheit in der Mehrheit unter Ausschluss des Bezugsrechts vorgenommen worden 4 3 8 . Um Bezugsrechtsemissionen wieder attraktiver zu gestalten, hat der Gesetzgeber durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. 07. 2002 4 3 9 die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Bezugsrechtsemission erleichtert. Mit der Änderung des § 186 Π und V AktG genügt es nunmehr, wenn zu Beginn der Angebotsfrist allein die Grundlagen für die Festlegung des Ausgabebetrags veröffentlicht werden, und der endgültige Ausgabebetrag erst drei Tage vor Ende der Bezugsfrist bekannt gegeben wird. Damit könnte nunmehr auch bei Bezugsrechtsemissionen das Bookbuildingverfahren angewendet werden 440 . Das ursprünglich fast dreiwöchige Marktrisiko kann somit bis auf wenige Tage reduziert werden. Auf Grund der Formulierung „Tage" und nicht „Werktage" oder ,3örsentage" kann das Marktrisiko zudem weiter beschränkt werden, indem der Ausgabekurs am Freitag festgelegt wird und die Drei-Tages-Frist somit auf ein Wochenende gelegt wird 4 4 1 . Ob dieser Anreiz auch zu einer Belebung von Bezugsrechtsemissionen führt, bleibt abzuwarten. Anlass für eine weitere Diskussion gaben wiederum die immensen Zeichnungsgewinne, diesmal jedoch speziell bei Börsengängen von Tochterunternehmen. Hiernach entfesselte sich die Diskussion um Bezugsrechte, Vorerwerbsrechte und Zuteilungsvorrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften mit der 436 GroßkommAktG /Wiedemann, § 186 Rn. 99; Kölner Kommentar AktG / Lutter, § 186 Rn. 46; Hoffman-Becking, Neue Formen der Aktienemission, Festschrift für Lieberknecht, 1997, S. 25,38 f.; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 260, 270e; Schlitt/Seiler, Aktuelle Rechtsfragen bei Bezugsrechtsemissionen, W M 2003, 2175 mwN. 437 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 2; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 332 ff. mwN; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 128; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.261; a.A. Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002,230,234 f. 438 Seibert, Das „TransPuG", NZG 2002, 608, 612; Schlitt/Seiler, Aktuelle Rechtsfragen bei Bezugsrechtsemissionen, W M 2003,2175; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 300a. 439 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19. 07.2002, BGBl. 12002, S. 2681. 440 BegrRegE BT-Drucks. 14/8769, S. 23 f.; Seibert, Das „TransPuG", NZG 2002, 608, 612; Schlitt/Seiler, Aktuelle Rechtsfragen bei Bezugsrechtsemissionen, W M 2003, 2175,
2180.
441 Seibert, Das „TransPuG", NZG 2002, 608, 612; Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230, 235.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
113
Folge, dass erneut die Forderung nach einer verbindlichen Regelung der Zuteilung neu zu emittierender Aktien erhoben wurde, die sich nicht im rechtsfreien Raum bewegen sollte 442 . a) Bezugsrecht gemäß §186 AktG Bei der Verteilung neu auszugebenden Aktien sind Rechte der bisherigen Miteigentümer zu beachten. Durch eine Erhöhung des Grundkapitals reduziert sich das relative Gewicht der Beteiligung eines Aktionärs und damit der Stimmmacht. Zusätzlich kann eine Kapitalerhöhung auch eine Reduzierung des inneren Wertes der bisherigen Anteile führen, wenn die neuen Aktien zu einem niedrigeren Ausgabebetrag als dem Börsenkurs ausgegeben werden. Zum Schutz der Mitgliedschaftsrechte vor einem Verlust an Stimmmacht und Vermögenssubstanz dürfen die zu emittierenden Aktien nicht nur an Dritte zugeteilt werden. Vielmehr steht den Aktionären zum Schutz vor Verwässerung grundsätzlich der primäre Zugriff auf die auszugebenden Aktien zu. Demgemäß bestimmt § 186 I 1 AktG, dass jedem Aktionär einer deutschen Aktiengesellschaft auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zuzuteilen ist. Das Bezugsrecht entspricht inhaltlich einer Kaufoption mit einer Laufzeit beginnend mit der Bezugsfrist und Festlegung des Bezugspreises und endend mit Auslauf der Bezugsfrist 443. Vor Zuteilung der zu platzierenden Aktien an Altaktionäre ist jedoch die Ausübung des Bezugsrechts auf ein entsprechendes Angebot der Gesellschaft erforderlich. Die Altaktionäre sind also bei Ausübung des Bezugsrechts vorrangig mit den zu emittierenden Aktien anteilsmäßig zu bedienen. Die Personengruppe mit Bezugsrechten kann also vorab von außen stehenden Kaufinteressenten unterschieden werden. Zu bestimmen sind also vorrangig vor einer Zuteilung an Dritte, welche Aktionäre unter welchen Umständen eine gesetzliche Bevorzugung in Form eines Bezugsrechts oder entsprechender Rechte, namentlich Vorerwerbsrechte, in Anspruch nehmen können. Dabei soll es bei einem kurzen Überblick über die wesentlichen Problemkreise des Bezugsrechts bleiben. Das Augenmerk dieser Arbeit richtet sich primär auf das Zuteilungsprocedere an nicht bereits am Kapital beteiligte Dritte. Überschneidungen sind jedoch insofern zu verzeichnen, als eine wissenschaftliche Kontroverse um eine bevorrechtigte Zuteilung, respektive (verlängerte) Bezugs- oder Vorerwerbsrechte von Aktionären der Muttergesellschaft beim Börsengang der Tochtergesellschaft mit einer Abhandlung von Lutter 4 4 4 angestoßen wurde. Die Bejahung eines 442
Habersack, „Holzmüller" und die schönen Töchter, WM 2001, 545, 549. Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230,234. 444 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342; vorher bereits Pellens/Fülbier, Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, 15. 03. 2000, S. 2. 443
8 Koehler
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2. Teil: Die Aktienemission
entsprechenden Rechts hätte demnach Auswirkung auf die Durchführung und Ausgestaltung des Zuteilungsverfahrens, wenn die vorab zwingend mit Aktien zu bedenkende Gruppe um die Aktionäre der Muttergesellschaft erweitert würde.
b) Bezugsrechtsverzicht
und Bezugsrechtsausschluss
Eine (teilweise) bezugsrechtsfreie Emission kann zunächst bei Verzicht auf das Bezugsrecht durchgeführt werden 445 . Bei einem Bezugsrechts verzieht sämtlicher Berechtigter wird der Gesellschaft eine Zuteilung ermöglicht, ohne dass vorab einer Gruppe bevorzugt Aktien zuzuteilen sind. Zum andern kann das Bezugsrecht unter gewissen Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Insbesondere die heute übliche Anwendung des Bookbuildingverfahrens und der damit - zumindest bisher - erforderliche Bezugsrechtsausschluss oder -verzieht hat zur Diskussion um die Reichweite des Bezugsrechtsausschlusses beigetragen. Bestandteil der Diskussion ist zudem regelmäßig bei fehlendem Bezugsrechtsverzicht die Möglichkeit des Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre im Rahmen einer Greenshoe-Vereinbarung 446. Grundsätzlich musste nach der früheren Rechtsprechung und Literatur der Ausschluss des Bezugsrechts neben der Einhaltung der in § 186 AktG genannten formellen Voraussetzungen in materieller Hinsicht sachlich gerechtfertigt sein. Sachliche Rechtfertigung bedeutete, dass der Bezugsrechtsausschluss im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen musste 447 . Damit hatte der Bezugrechtsausschluss erforderlich und geeignet zu sein, das angestrebte Ziel zu erreichen und zuletzt verhältnismäßig im engeren Sinne sowie angemessen sein 448 . Da diese Voraussetzungen nicht bereits dadurch erfüllt sind, wenn die Gesellschaft mit der Ausgabe ohne Bezugsrecht einen möglichst hohen Mittelzufluss erreichen w i l l 4 4 9 , erfolgten bis etwa Mitte 1994 grundsätzlich Kapitalerhöhungen als Bezugsrechtsemission 450. 445
So geschehen bei der Kapitalerhöhung der Deutschen Telekom AG vom Juni 1999, wobei die BRD sowie die KfW auf ihr Bezugsrecht verzichteten. Vgl. Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503, 510 Fn. 61; GroßkommAktG /Wiedemann, § 186 Rn. 61; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 49. 446 Vgl. nur Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe, AG 2002, 230 mwN; s. dazu auch oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.d)aa). 447 BGH Urteil v. 23. 06. 1997 in BGHZ 136, 133 (Aufgabe von BGH Urteil v. 19. 04. 1982 in BGHZ 83, 319 (Holzmann); BGH Urteil v. 13. 03. 1978 in BGHZ 71, 40, 46 (Kali und Salz). Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn 104 ff.; Kölner Kommentar AktG / Lutter, § 186 Rn. 58 ff.; BGH Urteil v. 13. 03. 1978 in BGHZ 71, 40, 46 (Kali und Salz); BGH Urteil v. 06. 10. 1960 in BGHZ 33, 175, 186; Zöllner, Gerechtigkeit bei der Kapitalerhöhung, AG 2002, 585, 586 mwN. 449 Kölner KommentarAktG/Lutter, § 186 Rn. 76. 4 50 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/300a.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Eine Änderung der Praxis und Liberalisierung des Bezugsrechtsausschlusses trat zunächst durch das Deutsche Bank-Urteil des B G H 4 5 1 und später speziell für genehmigtes Kapital durch das Siemens/Nold-Urteil des B G H 4 5 2 ein. Danach muss nunmehr die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt wird, im Interesse der Gesellschaft liegen. Bei Ausschluss des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung selbst hat der Vorstand bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens eine Subsumtion durchzuführen, ob entweder die spezifischen Einzelumstände, die der Hauptversammlung bei Zustimmung mitgeteilt wurden, oder die abstrakte Umschreibung des Vorhabens nunmehr vorliegen und damit den Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse rechtfertigen. Dieselbe Prüfung hat der Vorstand durchzuführen, wenn der Bezugsrechtsausschluss von der Hauptversammlung in sein Ermessen gestellt wurde 453 . Zum anderen brachte insbesondere das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994 durch Anfügung des §186 III 4 AktG einige Erleichterungen zum Ausschluss des Bezugsrechts 454. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte dadurch vom Erfordernis der Verfolgung des Gesellschaftsinteresses und von der Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses Abstand genommen werden 455 . Inwieweit und unter welchen Bedingungen ein Bezugsrechtsausschluss letztendlich ermöglicht wird und werden soll, muss außerhalb der nunmehr erleichterten gesetzlichen Vorschriften anderen Abhandlungen vorbehalten bleiben und bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Erörterung 456 .
c) Rechte der Altaktionäre der Mutter beim Börsengang einer Tochter Hervorgerufen durch die immensen Zeichnungsgewinne Ende der Neunziger Jahre wurde speziell bei erfolgreichen Börsengängen von Tochterunternehmen mit enormen Zeichnungsgewinnen und Kurssteigerungen wie beispielsweise Infineon 451 BGH Urteil v. 07. 03. 1994 in BGHZ 125, 239, 245 (Deutsche Bank). 452 BGH Urteil v. 23. 06. 1997 in BGHZ 136,133 (Siemens/Nold). 453 BGH Urteil v. 23. 06. 1997 in BGHZ 136,133 (Siemens/Nold). 454 Vgl. z u m Ganzen Lutter, Das neue „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts", AG 1994,429; Trapp, Erleichterter Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG und Greenshoe, AG 1997, 115 mwN in Fn. 12, 13. 455 BT-Drucks. 12/6721, S. 10; Zöllner, Gerechtigkeit bei der Kapitalerhöhung, AG 2002, 585, 592. 456 Zöllner, Gerechtigkeit bei der Kapitalerhöhung, AG 2002, 585; Hoffman-Becking, Neue Formen der Aktienemission, Festschrift für Lieberknecht, 1997, S. 25; Bungert, Die Liberalisierung des Bezugsrechtsausschlusses im Aktienrecht, NJW 1998,488. *
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2. Teil: Die Aktienemission
oder T-Online auf die damit für die Aktionäre der Muttergesellschaft verbundenen Gefahren hingewiesen: Diesen drohe wegen der neuen über die Börse hinzugewonnenen Anteilseigner eine Verwässerung ihres Vermögens und ihres Einflusses auf die Tochtergesellschaft 457. Ein Vermögensnachteil sei insbesondere auch dadurch festzustellen, dass den Altaktionären der Mutter beim Börsengang der Tochter die Chance (und das Risiko) eines Zeichnungsgewinns genommen werde 458 . Dies sei v.a. dann der Fall, wenn sich der Vorstand der Muttergesellschaft bei der Ermittlung des Ausgabepreises grob verschätzen und die Aktien der Tochter weit unter Wert anbieten würde. Das Bezugsrecht gemäß § 186 AktG steht demjenigen zu, der in dem Zeitpunkt Aktionär ist, in dem der Beschluss über die Kapitalerhöhung wirksam wird 4 5 9 . Es gilt darüber hinaus allein für die Aktionäre der jeweiligen Aktiengesellschaft, da die §§ 182 ff. AktG kein Bezugsrecht für die Aktionäre der Obergesellschaft einräumen 460 . Bei einer Aktiengesellschaft, bei der die Muttergesellschaft einziger Aktionär ist, steht der Muttergesellschaft demzufolge allein das Recht zum Bezug neuer Aktien zu. Demnach besteht kein Teilhaberecht der Aktionäre der Muttergesellschaft bei Kapitalerhöhungen der Tochter unmittelbar aus § 186 AktG. Angesichts der vorgenannten Verwässerungsrisiken wurde die Forderung erhoben, den Aktionären der Obergesellschaft beim Börsengang von Tochtergesellschaften ein (verlängertes) Bezugsrecht, ein Vorerwerbsrecht oder zumindest eine bevorrechtigte Zuteilung 461 einzuräumen 462. 457 Pellens/Fiilbier, Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, 15. 03. 2000, S. 2; Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 343. 458
Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 343; ders., Noch einmal: Zum Vorerwerbsrecht der Aktionäre, AG 2001, 349, 351; Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549, 554. 4 § 186 Rn. 17; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/He59 Kölner KommentarAktG/Lutter, fermehl, AktG, § 186 Rn. 22; Hüffen AktG, § 186 Rn. 8. 460 Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 193; GroßkommAktG/ Wiedemann, § 186 Rn. 67; Busch /Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503, 508. 461 Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549, 555 ff. 4^2 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342; ders., Noch einmal: Zum Vorerwerbsrecht der Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, Aktionäre, AG 2001, 349, 351; Pellens/Fülbier, 15. 03. 2000, S. 2; differenzierend: Lüders/Wulff, Rechte der Aktionäre der Muttergesellschaft, BB 2001, 1209; für die Anerkennung eines Zuteilungsprivilegs: Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549; für eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung der Muttergesellschaft: Wackerbarth, Aktionärsrechte beim Börsengang einer Tochter, AG 2002, 14; ablehnend: Fleischer, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. F80 ff. mwN; ders., Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513; Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503; Habersack, „Holzmüller" und die schönen
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Je nach erwünschtem Kapitalzufluss - bei Mutter- oder Tochterunternehmen werden die Aktien entweder über eine Kapitalerhöhung im Tochterunternehmen unter Ausschluss des Bezugsrechts des Mutterunternehmens und/oder durch den Verkauf eines Aktienanteils des Mutterunternehmens an die Börse gebracht 463 . Im Fall der Kapitalerhöhung fließen die liquiden Mittel der Tochter zu. Hingegen erhält die Muttergesellschaft beim Verkauf eines Aktienanteils den Liquiditätszufluss. aa) Bezugsrecht gemäß § 186 I, Π und V AktG analog Dogmatisch wurde von Lutter 4 6 4 ein zweispuriger Lösungsvorschlag unterbreitet: In Fällen, in denen die Aktien durch eine Kapitalerhöhung bei der Tochtergesellschaft geschaffen werden, postuliert er eine analoge Anwendung des § 186 AktG 4 6 5 ; in Fällen eines unmittelbaren Verkaufs bereits bestehender Anteile, soll ein dem Bezugsrecht nachgebildetes Erwerbsvorrecht eingreifen, das aus Mitgliedschaftsrechten und Treuepflichten abzuleiten sei 4 6 6 . Die überwiegende Ansicht lehnt dennoch ein dem § 186 AktG analoges Bezugsrecht der Mutteraktionäre auf die neuen Aktien der Tochtergesellschaft mangels Regelungslücke ab 4 6 7 .
bb) Vorerwerbsrechte aus Mitgliedschaftsrechten und Treuepflichten Beim Verkauf von Altaktien der Tochter ohne Kapitalerhöhung könnten sich also dem Bezugsrecht nachgebildete Vorerwerbsrechte (Vorkaufsrechte 468) der Mutteraktionäre unmittelbar aus dem Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre oder den Treuepflichten der Gesellschaft und ihrer Organe gegenüber ihren Aktionären ergeben 469 Töchter, W M 2001, 545; Trapp /Schick, Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft, AG 2001,381. 463 Pellens/Fülbier, Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, 15. 03. 2000, S. 2; Lutter, Noch einmal: Zum Vorerwerbsrecht der Aktionäre, AG 2001, 349, 350. 464 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342; ders., Noch einmal: Zum Vorerwerbsrecht der Aktionäre, AG 2001, 349, 351. 465 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 343. 466 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 344. 467 s. Literatur in Fn. 462. 468 Pellens /Fülbier, Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, 15. 03. 2000, S. 2. 469 Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 344.
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2. Teil: Die Aktienemission
Dagegen wird u. a. vorgebracht, dass, sei schon die Spezialvorschrift des § 186 BGB zum Bezugsrecht nicht analog anwendbar, um ein Bezugsrecht zu begründen, auch eine auf allgemeine Grundsätze gestützte Treuepflicht oder Ähnliches ein solches Bezugsrecht nicht zu begründen vermag 470 .
cc) Fazit Die h.M. 4 7 1 lehnt ein dem § 186 AktG analoges bzw. verlängertes Bezugsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang der Tochtergesellschaft ab. Die überwiegende Ansicht plädiert stattdessen den Schutz vor Verwässerung über eine mögliche Haftung des Vorstands gemäß § 93 AktG sicherzustellen 472. So hat der Vorstand die Pflicht bei der Emissionspreisfindung im Rahmen des Bookbuildingverfahrens durch sorgfältige Marktbeobachtung und Rücksprache mit den Emissionsbegleitern sich zu vergewissern, dass die festgelegte Emissionsspanne „am Markt", d. h. auch durch entsprechende Ordernachfrage, bestätigt wird. Gegebenenfalls hat er die zunächst festgesetzte Preisspanne anzuheben473 (sog. „Step-up-Option"), sofern eine solche Möglichkeit in den Emissionsbedingungen festgeschrieben und veröffentlicht wurde. Um einen stärker am Marktpreis orientierten Ausgabepreis zu erhalten, wäre auch die Wahl eines preisorientierten Auktionsverfahrens denkbar, das auf Grund der stärkeren Berücksichtigung der Nachfrage tendenziell näher an die (Erst-)Börsenbewertung heranführt 474. Die diskutierten Vorerwerbsrechte außerhalb oder analog § 186 AktG wurden zumeist auf Fälle reduziert, in denen bestehende oder erst durch Kapitalerhöhung zu schaffende Teile der Tochter nicht an einen Erwerber außerhalb der Börse, sondern am Markt, d. h. über die Börse veräußert werden 475 . Bei sorgfältiger Emis470 Vgl. nur Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503, 508; Fleischer, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513, 544 f. mwN. 471 Vgl. oben Fn. 462. 472 Vgl. oben Fn. 462; Eine entsprechende kürzliche Diskussion zum Schutz der Altaktionärsrechte im Rahmen des Greenshoe soll nach h.A. in der Literatur ebenfalls u. a. über eine Vorstandshaftung gemäß § 93 II AktG gelöst werden. Siehe dazu oben 2. Teil: 3. Kapitel: H.2.d)aa). 473 Fleischer, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. F 81; ders., Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513. 474 Fleischer, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. F 81; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 575 f.; Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001,44,47 ff. 475 Pellens/Fülbier, Wenn Töchter an die Börse gehen, HB, 15. 03. 2000, S. 2; Lutter, Das Vor-Erwerbsrecht/Bezugsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 342, 343; Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503 ff., 508; Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549; Lüders /Wulff, Rechte der Aktionäre der Muttergesellschaft, BB 2001, 1209; Trapp/Schick, Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft, AG 2001,
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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sionspreisbestimmung sind jedoch durchgreifende Unterschiede zwischen der Veräußerung über die Börse und außerhalb der Börse an einen Erwerber nicht erkennbar. Dass aber Vorerwerbsrechte dann allein bei einem Börsengang vorliegen sollen, erscheint äußerst zweifelhaft 476 . Die zahllosen umstrittenen praktischen und rechtlichen Probleme der Gewährung eines wie auch immer gearteten Vorerwerbsrechts der Mutteraktionäre beim Börsengang der Tochter, legte nahe, den Schutz der Aktionärsinteressen einer anderen Lösung zuzuführen. Auf diesen Erwägungen basierend wurde von Becker/ Fett 4 7 7 die Lösung über ein „Zuteilungsprivileg" der Mutteraktionäre beim Börsengang der Tochter vorgeschlagen. Dem steht allerdings entgegen, dass auch ein sicheres Zuteilungsprivileg einen Anspruch voraussetzt. An einer Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch der Aktionäre der Mutter fehlt es jedoch gerade 478 . In Anbetracht der Untersuchung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung ließe sich dennoch die Frage stellen, ob nicht auf Grund verbindlicher rechtlicher Grundsätze die Mutteraktionäre bei der Zuteilung zwar nicht bevorzugt berücksichtigt werden müssen, aber dennoch bevorzugt berücksichtigt werden können. So könnte beispielsweise der Vorstand der Tochtergesellschaft in Absprache mit den Konsortialbanken Aktionäre von Obergesellschaften als Affinity Group festlegen, die bei der Zuteilung bevorzugt zu berücksichtigen wären 479 . Für den Emittenten hat dies zumindest den Vorteil, dass er über die Möglichkeit verfügt, über die Qualität der Aktionäre der Mutter Informationen einzuholen. Eine stabile Aktionärsstruktur der Muttergesellschaft kann somit auch Indizwirkung auf das Verhalten bei der Zuteilung von Aktien beim Börsengang der Tochtergesellschaft entfalten. Kaufwillige Aktionäre der Muttergesellschaft müssten allerdings wie alle interessierten Käufer innerhalb der laufenden Angebotsfrist Aktien des Emittenten, also der Tochtergesellschaft, „zeichnen". Sollte sich die Festlegung von Affinity Groups als rechtmäßig und ggf. als vereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz erweisen, besteht zwar kein Anspruch der Mutteraktionäre auf eine bevorrechtigte Zuteilung, jedoch die Möglichkeit der freiwilligen bevorrechtigten Zuteilung.
381; Habersack, „Holzmüller" und die schönen Tochter, W M 2001, 545, 547, der gerade die Beschränkung auf den Verkauf über die Börse kritisiert. 476 Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse, AG 2000, 503, 507; Fleischer, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513, 545; Habersack, „Holzmüller" und die schönen Töchter, W M 2001, 545, 547. 477 Becker/Fett, Börsengang im Konzern, W M 2001, 549, 555 ff. 478 Trapp/Schick, Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft, AG 2001, 381, 389. 4 ™ s. Jäger, Thema Börse (6), NZG 1999, 643, 647, der als Beispiel die Berliner Elektro Holding AG anführt.
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2. Teil: Die Aktienemission
d) Gleichbehandlung gemäß § 53a AktG § 53a AktG normiert den auf Grund allgemeiner Grundsätze des Gesellschaftsrechts schon zuvor anerkannten Gleichbehandlungsgrundsatz und hat deshalb nur klarstellenden Charakter 480 . Die Pflicht zur Gleichbehandlung hat daher rechtsgeschäftlichen Ursprung. Soweit die Satzung keine abweichenden Vereinbarungen enthält, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz ihr Bestandteil und selbstverständlicher Inhalt. Auf Grund der aktienrechtlichen Gleichbehandlung gemäß § 53a AktG hat der Emittent nach unstreitiger Ansicht die Pflicht, alle Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Damit korrespondiert das Verbot, Aktionäre ohne genügende sachliche Rechtfertigung willkürlich unterschiedlich zu behandeln. So unbestritten das Recht der bestehenden Aktionäre auf Gleichbehandlung ist, so kontrovers stellt sich dieses im Folgenden zu untersuchende Recht auf Gleichbehandlung gegenüber Nichtaktionären, d. h. Investoren und potentiellen Aktionären, dar. Bei Emissionen unter Ausschluss des Bezugsrechts haben die Altaktionäre, die in den Schutzbereich des § 53a AktG fallen, mit den gesellschaftsrechtlich erforderlichen Beschlüssen für das Going Public auf das ihnen zustehende Gleichbehandlungsrecht, konkret das Bezugsrecht, verzichtet 481 .
4. Rechtsverhältnis zwischen Altaktionär und den Konsortialbanken Neben der Wahl des Börsenplatzes und des Marktsegmentes ist vor allem die Frage von maßgeblicher Bedeutung, ob die zu emittierenden Aktien über eine Kapitalerhöhung geschaffen werden oder aus Beständen der Altaktionäre kommen sollen. Je nach Entscheidung dieser Frage gestalten sich die hieraus resultierenden und im Übernahmevertrag festzulegenden Rechte und Pflichten. Partei des Übernahmevertrags sind üblicherweise der Konsortialführer, der Emittent und, bei einer Platzierung von alten Aktien, die Altaktionäre. Im Falle einer mittelbaren Bezugrechtsemission gemäß § 186 V AktG werden die Bezugsrechte von den Emissionsbanken482 übernommen, um sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. Demnach steht den Altaktionären aus einem Vertrag zugunsten Dritter ein Anspruch gegen die Emissionsbanken auf Einräumung des Bezugsrechts zu. Damit werden sowohl die Gesellschaft als auch der einzelne bezugsberechtigte Altaktionär insoweit Gläubiger des Kreditinstituts 483 . Das mit480 BGH Urteil v. 06. 10. 1960 in BGHZ 33, 175, 186; Hüffen AktG, § 53a Rn. 1 mwN; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 53a Rn. 1, 2 mwN; G. Hueclc, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 35 ff., 44 ff. Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 166. 482
Während der letzten Börsengänge wurden hier verstärkt auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen tätig.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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telbare Bezugsrecht gemäß § 186 V AktG bewirkt, dass die Emission der Aktien wirtschaftlich im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären unter Einschaltung der Bank als Abwicklungsstelle durchgeführt wird 4 8 4 . Die Bank hat demnach lediglich die Stellung eines fremdnützigen Treuhänders 485. Für mögliche Ansprüche „zeichnender" Anleger ist das Verhältnis zwischen den Altaktionären und den Emissionsbanken nur insoweit relevant, als mögliche Vorgaben der Altaktionäre zur bevorzugten Berücksichtigung von Anlegern oder die Vorgabe bestimmter Zuteilungsrichtlinien Eingang in den Übernahmevertrag finden. Da die Altaktionäre jedoch durch den Emittenten vertreten werden, kann im Hinblick auf bindende Vorgaben der Altaktionäre auf solche des Emittenten verwiesen werden. Vereinbarungen und Vorgaben des Emittenten können demnach durchaus auf Grund einer Abstimmung mit den Altaktionären oder auf deren Handlungsanweisungen beruhen.
5. Rechtsverhältnis zwischen Konsortialbanken und Anlegern a) Rechtsverhältnis
zwischen Konsortium und Anleger
Zwischen Emissionskonsortium und Anleger bestehen vor der Platzierung nicht ohne weiteres unmittelbare Vertragsbeziehungen 486. Der Anleger erwirbt die Aktien nämlich unmittelbar von seiner Bank 4 8 7 , die Konsortialmitglied sein kann, aber nicht muss 488 . Erwirbt der Anleger direkt von einer Konsortialbank, liegt ein Vertrag allein zwischen der jeweils verkaufenden Bank und dem Anleger vor. 483 Vgl. nur Hüffen AktG, § 186 Rn. 47 mwN; BGH Urteil v. 13. 03. 1992 in BGHZ 118, 83, 96; BGH Urteil v. 22. 04. 1991 in BGHZ 114, 203; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 51. 484 Wiedemann, Ausgabekurs und Bezugskurs beim mittelbaren Bezugsrecht, WM 1979, 990,991. 485 BGH Urteil v. 19. 06. 1995 in NJW 1995, 2486; BGH Urteil v. 13. 04. 1992 in BGHZ 118, 83, 97; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2256, 2270; Assmann/Sethe, Kapitalaufbringungskontrolle bei Barkapitaerhöhungen, ZHR 158 (1994), 646, 652, 665; Groß, Die Lehre von der verdeckten Sacheinlage, AG 1991, 217, 225; Ulmer, Verdeckte Sacheinlagen, ZHR 154 (1990), 128,142. 486 OLG Düsseldorf Urteil v. 05. 04. 1984 in WM 1984, 586, 587, 597; Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181, 192; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band III, § 112 Rn. 122; De Meo, Bankenkonsortien, 1994, S. 196. 487 Bei Schuldverschreibungen kann der Emittent selbst Vertragspartner sein. Bei Aktien sind Gestaltungen möglich, bei denen abgebende Altaktionäre, gegebenenfalls durch Vertretung der Emissionsbank, Vertragspartner werden. 488 OLG Düsseldorf Urteil v. 05. 04. 1984 in W M 1984, 586, 587, 597: Zwischen dem Konsortialführer und den Erwerbern junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung bestehen weder vertragliche noch vorvertragliche Rechtsbeziehungen; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 42.
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2. Teil: Die Aktienemission
Denn jedes Konsortialmitglied veräußert die ihm zugewiesene Quote im eigenen Namen, nicht aber im Namen des Konsortiums 489 . Etwas anderes könnte sich nur aus ausdrücklicher vertraglicher Abrede oder ggf. ergänzender Vertragsauslegung im Einzelfall ergeben. aa) Kartellrechtliche Aspekte Im Verhältnis der Anleger zum Konsortium drängt sich die Frage auf, ob in der Bildung eines Emissionskonsortiums nicht ein Kartell i. S. d. GWB gesehen werden könnte. Zudem kommt auch eine Verletzung anderer Vorschriften des GWB wie das Missbrauchs- oder Diskriminierungsverbot in Betracht, die Ansprüche der Anleger aus § 33 GWB auf Unterlassung bzw. Schadensersatz begründen könnten.
(1) Kartellverbot
gemäß § 1 GWB
Gemäß § 1 GWB handelt es sich bei Kartellen um Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen. Das „Wesen" eines Kartells besteht darin, dass mehrere Unternehmen durch einen Vertrag ihr Verhalten auf dem Markt koordinieren, um dadurch den Wettbewerb untereinander auszuschließen. Beispielsweise treffen Unternehmen Absprachen über den Preis, über die Menge, die jedes Unternehmen anbieten darf, sowie über regionale Absatzgebiete 490 . Die Folge wäre eine Verschlechterung der Position der Marktgegenseite auf Grund des Verlustes von Alternativen. Die Einordnung des Emissionskonsortiums als Kartell kommt deshalb in Betracht, da das Konsortium Absprachen über einen einheitlichen Ausgabepreis der Aktie, die Quote an zu emittierenden Aktien jedes einzelnen Konsortialmitglieds und über die regionale Aufteilung der Konsortialmitglieder trifft. § 1 GWB erfasst jedoch nur Verträge „zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen". Kartellvereinbarungen sind verboten, wenn sie „eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken". Entscheidend ist daher, ob mit der Bildung des Emissionskonsortiums von den Parteien, „wettbewerbsbeschränkende Zwecke" verfolgt werden, vorausgesetzt, dass sie zumindest potentielle Konkurrenten sind 491 . Der Zusammenschluss zu einem Emissionskonsortium bezweckt und bewirkt jedoch keine Beschränkung des Wettbewerbs. Vielmehr soll die Unterbringung der 489 Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181, 192; ders., Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 42; De Meo, Bankenkonsortien, 1994, S. 196; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band ΙΠ, § 112 Rn. 126. 490 Emmerich, Kartellrecht, S. 24 ff.
491 BGH Beschluss v. 13. 01. 1998 in NJW 1998, 2825 (Carpartner); Emmerich, Kartellrecht, S. 31; Kahlenberg, Novelliertes deutsches Kartellrecht, BB 1998, 1593, 1594.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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zu emittierenden Aktien durch einen Zusammenschluss von Banken mit ausreichender Platzierungskraft und gleichzeitiger Risikoteilung erreicht werden 492 . Entsprechend wurde auch bei Großprojekten in der Bauwirtschaft der Zusammenschluss in Arbeitsgemeinschaften dann als zulässig angesehen, wenn die beteiligten Unternehmen für sich allein nicht in der Lage gewesen wären, sich an dem betreffenden Projekt zu beteiligen, so dass durch ihre Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern sogar verstärkt wird 4 9 3 . Tatsächlich besteht vor Bildung des Konsortiums zwischen den Banken ein starker Wettbewerb. Im sog. Beauty Contest , nach dessen Ergebnis der Konsortialführer ausgewählt wird, müssen die Banken den Emittenten von ihren Fähigkeiten als Konsortialführer überzeugen 494. Mit Abschluss des Konsortialvertrags hat sich damit bereits entschieden, wer im Wettbewerb unter den Banken obsiegt hat und Konsortialführer oder Konsortialmitglied mit welcher Quote geworden ist. Bei Abschluss des Konsortialvertrags stehen die Konsortialbanken damit nicht mehr im Wettbewerb zueinander, sondern haben das Ziel, gemeinsam eine erfolgreiche Platzierung der Aktien am Markt zu erreichen 495 . Zu bedenken wäre noch, dass zumindest die einheitliche Preisfestsetzung eine Beschränkung des Wettbewerbs sein könnte. Gegen eine Beschränkung des Wettbewerbs spricht allerdings wiederum, dass in die Preisfestlegung gerade der Wettbewerb unter den Banken mit einfließt. Mitbestimmend für die Auswahl des Konsortialführers durch den Emittenten ist auch die - wenn auch nur grob angenäherte - Preisvorstellung der Banken. Im Falle einer Eigenplatzierung des Emittenten gäbe es keinen Wettbewerb unter den Banken und der Emittent würde selbst den Preis für seine Aktien festsetzen und sie zu diesem Preis zuteilen 496 . Da der Zusammenschluss der Banken zu einem Emissionskonsortium weder die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, ist das Vorliegen eines Kartells und damit ein Verstoß gegen das Kartellverbot in § 1 GWB zu verneinen. (2) Missbrauchsverbot
gemäß §19 GWB
Des Weiteren könnten die einzelnen Emissionsmitglieder eine marktbeherrschende Stellung nach § 19 Π GWB einnehmen, denen die missbräuchliche Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 I GWB verboten ist. Durch das Missbrauchs verbot sollen sämtliche Dritte, also u. a. Verbraucher und 492
Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 167; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 495; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 20; Schieber, Der Gang an die Börse, S. 32 ff.; Schlick, Going Public, 1997, S. 115. 4 93 Zuletzt OLG Stuttgart Urteil v. 15. 07. 1983 in WuW/E OLG 3108, 3109; Emmerich, Kartellrecht, S. 48 f. 494
Göckeler/Harrer in Beck'sches Handbuch der AG, 2004, § 27, S. 1879. Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164,167; mit ähnlicher Begründung: Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 114 f. 49 6 Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 166. 495
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2. Teil: Die Aktienemission
Konkurrenten, vor übermäßigen Eingriffen in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit geschützt werden 497 . Gemäß § 19 I I 1 GWB ist ein Unternehmen marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager „einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen" entweder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (Nr. 1) oder eine überragende Marktstellung besitzt (Nr. 2). Da sich die Marktbeherrschung nur auf eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen bezieht, muss sich nach h.A. die wirtschaftliche Macht auf einem genau abgegrenzten Markt, dem sog. relevanten Markt bilden 498 . Wie in den übrigen Vorschriften des GWB gilt auch in § 19 GWB der so genannte funktionale Unternehmensbegriff, wonach jede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr ausreicht 499 , unabhängig von Rechtsform oder Gewinnerzielungsabsicht 500 . Damit handeln die Konsortialmitglieder bei der Bildung eines Emissionskonsortiums und der Platzierung von Aktien im Kapitalmarkt in Ausführung einer geschäftlichen Tätigkeit und somit als Unternehmen i. S. d. GWB. Erforderlich für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ist jeweils eine zweistufige Prüfung. Dafür muss zunächst der relevante Markt in sachlicher und räumlicher (zuweilen auch in zeitlicher) Hinsicht abgegrenzt werden 501 . Erst danach kann auf der zweiten Stufe die Prüfung der Marktmacht des betroffenen Unternehmens erfolgen. Die sachlich-gegenständliche Marktabgrenzung erfolgt auf der Grundlage des sog. Bedarfsmarktkonzeptes 502, d. h. nach der funktionellen Austauschbarkeit der Produkte aus der Sicht der Abnehmer. Demnach ist zu fragen, welche Produkte für einen durchschnittlichen vernünftigen Käufer ohne weiteres austauschbar, d. h. „marktgleichwertig" sind, weil er zwischen ihnen ohne große Überlegungen und ohne besondere Anpassungslasten wählen kann 5 0 3 . Danach sind sämtliche Erzeug497 Emmerich, Kartellrecht, S. 166 f. mwN; Leo in Müller-Henneberg/Schwartz, GWB, § 19 Rn. 106 ff.; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 11. 498
Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 18, 23; Leo in Müller-Henneberg/ Schwanz, GWB, § 19 Rn. 239 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 168 ff.; a.A. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 10 Rn. 18 ff. 499 BGH Urteil v. 18. 11. 1955 in BGHZ 19, 72, 79 f.; BGH Urteil v. 26. 10. 1961 in BGHZ 36, 91, 102 ff.; BGH Urteil v. 04. 04. 1975 in BGHZ 64, 232, 234 f.; Leo in MüllerHenneberg/Schwartz, GWB, § 19 Rn. 196; Emmerich, Kartellrecht, S. 14. 500 BGH Urteil v. 11. 12. 1997 in BGHZ 137, 297, 311 f.; Leo in Müller-Henneberg/ Schwartz, GWB, § 19 Rn. 195 ff.; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 3. soi Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 18, 23 ff.; Leo in Müller-Henneberg / Schwartz, GWB, § 19 Rn. 239 ff., 241; Emmerich, Kartellrecht, S. 168 ff. 502 s. dazu ζ. B. BGH Urteil v. 28. 04. 1992 in WuW/E BGH 2771, 2772 (Kaufhof/Saturn); KG Beschluss v. 18. 02. 1969 in WuW/E OLG 995, 996 (Handpreisauszeichner); Leo in Müller-Henneberg/Schwartz, GWB, § 19 Rn. 248 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 168 f. 503 Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 24; Leo in Müller-Henneberg/ Schwartz, GWB, § 19 Rn. 250 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 168 f.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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nisse marktgleichwertig, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet, in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleichbar und als gegeneinander austauschbar ansieht 504 . Nicht mehr zum selben Markt gehören hingegen Waren, wann immer der Nachfrager technisch, sachlich oder auch nur psychisch bedingte Hemmschwellen zu überwinden hat. Zur Bestimmung des sachlich relevanten Marktes wird zum einen vertreten, dieser würde sich auf den gesamten Kapitalmarkt 505 erstrecken, wobei Schanz 506 eine Eingrenzung auf den Equity-Kapitalmarkt vornimmt. Nach a.A. wird der sachlich relevante Markt aber so weit eingeschränkt, dass er sich allein auf eine einzelne Aktienemission 507 beschränken würde. Diese gegenpoligen Ansichten sind jedoch in beiderlei Hinsicht zu weit gehend: Einerseits wird der relevante Markt zu weit ausgedehnt, andererseits wiederum zu weit eingeschränkt. Festzustellen ist zunächst, inwieweit es den sachlich relevanten Markt gegenüber dem gesamten Kapitalmarkt einzugrenzen gilt. Dabei ist zum einen das Verhältnis von Primärund Sekundärmarkt und zum anderen das Verhältnis der Kapitalanlage Aktie zu anderen Finanzmarktprodukten näher zu betrachten. Je nach Austauschbarkeit der jeweiligen Finanzprodukte, ist auch der sachlich abgrenzbare Markt zu bestimmen. Zum einen könnte der Anleger nicht nur beim Börsengang, sondern auch im Sekundärmarkt, d. h. nach Börsenzulassung und Handelsaufnahme, die Aktien über die Börse erwerben. Bei der Feststellung einer funktionellen Austauschbarkeit steht der Gesichtspunkt des Verwendungszwecks und damit eng zusammenhängend die Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen im Vordergrund 508. Der Gesichtspunkt des Preises bzw. der Preisunterschiede tritt demgegenüber zurück 5 0 9 . Der Preisunterschied kann Indiz dafür sein, dass insoweit keine disziplinierenden Einflüsse im Wettbewerb vorhanden sind und für Zwecke des § 19 GWB von getrennten Märkten auszugehen ist 5 1 0 . Speziell der Gesichtspunkt des exorbitanten Preisunterschieds zwischen Emissionspreis und Kursfeststellung am ersten Handelstag trat jedoch in Zeiten der Börsenbooms zu Tage. Zu möglichen erheblichen Preisdifferenzen im Primär- und Sekundärmarkt tritt der Unterschied der nur im Erwerb einer Neuemission inhärenten Gewinnchance auf Zeichnungs504 Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 24; Leo in Müller-Henneberg/ Schwartz, GWB, § 19 Rn. 272 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 168 f. 505 Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999,164,166. 506 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 71. 507 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 116 f. 508 Vgl. KG Urteil v. 23. 05. 1991 WuW/E OLG 4771 (Folien und Beutel). 509 Vgl. KG Urteil v. 28. 08. 1979 AG 1980, 223 (Hydraulischer Schreitausbau).
510 KG Beschluss v. 18.02. 1969 in WuW/E OLG 995, 996 (Handpreisauszeichner); Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 29 mwN; Leo in Müller-Henneberg/ Schwartz, GWB, § 19 Rn. 292 ff.
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2. Teil: Die Aktienemission
gewinne am ersten Handelstag. Selbst wenn die Emissionspreisfindung vom Bemühen getragen wird, einen möglichst nahen Marktpreis zu finden, so werden sich jedoch starke positive wie negative Kursausschläge am oder nach dem ersten Handelstag dadurch nicht vollständig ausschließen lassen, insbesondere nicht in Zeiten verstärkter Börseneuphorie. Aus Sicht eines durchschnittlichen Anlegers ist daher ein Erwerb von Aktien auf dem Primär- oder Sekundärmarkt nicht vergleichbar. Eine weitere Einschränkung muss auch im Hinblick auf das zu erwerbende Finanzmarktprodukt erfolgen. So gibt es deutliche Unterschiede bei der Einstufung der Produkte in sog. Risikoklassen. Dementsprechend treffen den beratenden Finanzdienstleister dem Risiko des Anlageprodukts entsprechende Aufklärungsund Informationspflichten. Andererseits ging mit der Börseneuphorie Ende der Neunziger Jahre auch eine deutliche Steigerung des Börsen- und Kapitalmarktwissens des Anlegers einher. Ein durchschnittlicher Anleger vermag mittlerweile meist sehr genau zwischen den einzelnen Anlageprodukten zu unterscheiden. Andererseits konzentrieren sich die Anlageformen eines Privatanlegers meist auf Aktien bzw. Fondsanlagen511. Ein Erwerb derivativer Produkte wird dabei häufig auf Grund der oft schwerer verständlichen Funktionalität und dem meist höheren finanziellen Risiko nicht in Betracht gezogen. Aus Sicht des Anlegers sind also - zumindest bisher - die verschiedenen Finanzmarktprodukte nicht austauschbar und damit nicht marktgleichwertig. Eine andere Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes mag eventuell in Zukunft in Betracht zu ziehen sein, wenn das Kapitalmarktwissen des durchschnittlichen Anlegers auf ein Maß gestiegen ist, das ihm erlaubt, diese unterschiedlichen Produkte speziell aus Diversifikationsgründen in wirtschaftlicher Hinsicht als austauschbar und damit marktgleichwertig anzusehen. Damit ist zukünftig eher mit einer Ausweitung der Bestimmung des relevanten Marktes zu rechnen, so dass die Möglichkeit einer marktbeherrschenden Stellung weiter in den Hintergrund rücken wird. Der sachlich relevante Markt kann auf der anderen Seite nicht gänzlich auf die Aktienemission eines einzelnen Unternehmens beschränkt werden. Vielmehr bezieht ein durchschnittlicher Anleger beim Erwerb von Neuemissionen auch die Möglichkeit des Erwerbs von Aktienemissionen mit Börsenzulassung anderer Unternehmen in seine Betrachtungen mit ein. Selbst wenn es sich um verschiedene risikoreiche Aktienanlagen handelt, so spricht doch allein schon die Wortwahl der Zulassung an einem „Markt", wie beispielsweise der amtliche oder geregelte Markt der Frankfurter Wertpapierbörse, für das Vorliegen der „Marktgleichwertigkeit" im kartellrechtlichen Sinne der dort gehandelten Produkte. Überdies ist für jeden einzelnen Investor von Interesse, Aktienanlagen verschiedener Unternehmensbereiche in Abhängigkeit von der Zusammensetzung seines Portfolios aus Gründen der Diversifikation des Risikos zu erwerben 512 . Durch erfolgreiche Diver511 Leven, AG-Kapitalmarkt-Report, AG 2004, R86 ff. 512 Zu den verschiedenen Portfoliotheorien vgl. Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 695 ff.; Ross/Westerfield/Joffe, Corporate Finance, 2002, p. 247 ff., 285 ff.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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sifikation, also Aktienstreuung, ist es möglich, das Risiko eines Wertpapierportfolios ohne Verringerung der erwarteten Rendite zu minimieren, sofern sich die Wertpapierrenditen innerhalb des Portfolios unkorreliert verhalten 513 . Bei der Auswahl von Aktien anhand der Portfoliotheorien gibt es nicht nur ein passendes Unternehmen, vielmehr kommen mehrere Unternehmen mit negativ korrelierenden Wertpapierrenditen 514 zum Erwerb in Betracht 515 . Zudem mag ein Investor von Zeit zu Zeit eine Umschichtung seines Portfolios in Betracht ziehen, so dass Aktien verschiedener Unternehmen unter Anlagegesichtspunkten im Sinne des Kartellrechts vergleichbar und untereinander austauschbar sind 516 . Eine Einschränkung auf einzelne Marktsegmente oder einzelne Börsen erscheint hingegen zu weit gehend. Insbesondere im Hinblick auf die praktisch immer größere Angleichung der verschiedenen Märkte 517 , aber auch angesichts zu empfehlender diversifizierter Aktienanlage, sind die verschiedenen Börsen und deren Segmente als ein Markt i. S. d. § 19 GWB zu beurteilen. Ebenso folgt in örtlicher Hinsicht die Marktabgrenzung dem Kriterium der Austauschmöglichkeit aus Sicht der Abnehmer 518 . Nach ursprünglicher Beschränkung auf den deutschen Markt 5 1 9 stellt § 19 Π 1 Nr. 2 GWB nunmehr ausdrücklich klar, dass bei der Ermittlung der überragenden Marktstellung eines Unternehmens unter anderem der Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb Deutschlands ansässige Unternehmen zu berücksichtigen ist. Auf Grund der immer größeren Konvergenz der europäischen Kapitalmärkte und der intendierten vollständigen Angleichung bis 2005 5 2 0 ist als in örtlicher Hinsicht relevanter Markt auf den europäischen Neu513
Dabei erlaubt die Normierung des Korrelationskoeffizienten β auf die Werte zwischen - 1 und +1 eine Charakterisierung der Beziehung der Kursentwicklung der verschiedenen Titel untereinander und erlaubt so eine Einschätzung des Güte und Rendite eines Wertpapiers durch die Rendite eines anderen. 514 D. h. Wertpapiere, deren Korrelationskoeffizienten sich β = 1 (perfekte negative Korrelation) annähern. Vgl. nur Ross /Westerfeld/Joffe, Corporate Finance, 2002, p. 248. 515 Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2000, S. 698 ff.; Ross/Westerfeld/Joffe, Corporate Finance, 2002, p. 247 ff. 5·6 a.Α. Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 116 f. 517 So schrieb ζ. B. die Frankfurter Wertpapierbörse mit Wirkung zum 1. Januar 2003 in der Börsenordnung eine sehr weit gehende Angleichung der Pflichten des amtlichen und geregelten Marktes fest. 518 BGH Urteil v. 19. 12. 1995 in AG 1996, 266, 267; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 35; Leo in Müller-Henneberg/Schwartz, GWB, § 19 Rn. 502; Emmerich, Kartellrecht, S. 172 f. 519 Grdlg. BGH Urteil v. 24. 10. 1995 in BGHZ 131, 107, 112 ff. (Krupp/Daub - Backofenmarkt); Emmerich, Kartellrecht, S. 174. 520 Mit Erlass des „Financial Services Action Plan" im Jahre 1999 durch die EU soll möglichst rasch, spätestens bis zum Jahr 2005 ein integrierter europäischer Finanzmarkt geschaffen werden. Vgl. Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte, BKR 2002, 340; Zum aktuellen Stand der Umsetzung s. unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/ de / finances / actionplan / index. htm#plans.
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2. Teil: Die Aktienemission
emissionsmarkt abzustellen. Im Hinblick auf den Weltmarkt allerdings, insbesondere den USA ist der Zugang aus Sicht eines europäischen Anlegers nicht mit dem europäischen Markt vergleichbar. In örtlicher Hinsicht ergibt sich jedoch keine zusätzliche Einschränkung des relevanten Marktes, selbst wenn der einzelne Anleger nur für seine regionale Tranche der Emission zeichnen kann. Aus Anlegersicht ist eine Aufteilung in unterschiedliche örtliche Tranchen marktgleichwertig. Da der Neuemissionsmarkt im Allgemeinen, d. h. nicht auf das einzelne Unternehmen bezogen, keiner zeitlichen Komponente unterliegt, unterliegt der relevante Markt in zeitlicher Hinsicht keiner weiteren Eingrenzung. Im Ergebnis kann sich der sachlich relevante Markt i. S. d. § 19 GWB nicht auf den gesamten Kapitalmarkt erstrecken. Vielmehr muss angesichts der Möglichkeit erheblicher Preisunterschiede zwischen Primär- und Sekundärmarkt eine Einschränkung auf den Neuemissionsmarkt erfolgen. Des Weiteren bestehen gerade aus Sicht eines durchschnittlichen Investors immer noch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Finanzmarktprodukten, so dass - zumindest bisher - eine Marktabgrenzung im Hinblick auf die einzelnen Produkte zu erfolgen hat. Demzufolge muss der hier relevante Markt auf europäische Neumissionen von Aktien beschränkt werden. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, wenn es über einen besonderen, vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum verfügt 521 . Aus § 19 I I GWB ergeben sich unterschiedliche Formen der Marktbeherrschung: das Monopol (§ 19 I I 1 Nr. 1 GWB), die überragende Marktstellung (§ 19 I I 1 Nr. 2 GWB) und das Oligopol (§ 19 I I 2 GWB). Das jeweilige in Bezug auf eine bestimmte Emission gebildete Konsortium endet mit der Zweckerfüllung, d. h. der Platzierung der Aktien am Markt. Bezogen auf den hier relevanten europäischen Neuemissionsmarkt für Aktien ist der Wettbewerb zwischen den einzelnen Banken bisher noch nicht beeinträchtigt. Auf europäischer Ebene haben die fünf führenden Banken - Goldman Sachs, Morgan Stanley, Credit Suisse First Boston, Citigroup und Merill Lynch - einen Marktanteil von 45 % 5 2 2 . In den U.S.A. hingegen kommen diese fünf Banken bereits auf einen Marktanteil von zusammen 72 % 5 2 3 . Gemäß § 19 ΠΙ 1 Nr. 2 GWB besteht eine marktbeherrschende Stellung von fünf Unternehmen dann, wenn sie zusammen einen Marktanteil von 66,66 % = 2 / 3 erreichen. Diese Schwelle ist in Europa bei einem Marktanteil von 45 % bisher noch nicht erreicht. Vielmehr unterstreicht die wechselnde Zusammensetzung der jeweiligen Konsortien den vorhandenen Wettbewerb. Im Ergebnis ist kein Verstoß der Konsortialbanken gegen das Missbrauchs verbot des § 19 GWB festzustellen. Auf Grund des enormen Provisionsgefalles zwischen einem Börsengang in den USA und in Deutschland wurden Preisabsprachen der Banken in den USA bezüg521 s. dazu ζ. B. BGH Urteil v. 28. 04. 1992 in WuW/E BGH 2771, 2772 (Kaufhof/Saturn); KG Beschluss v. 18. 02. 1969 in WuW/E OLG 995, 996 (Handpreisauszeichner). 522 o.V, Ein Börsengang ist in Amerika doppelt so teuer, FAZ, 14. 10. 2003, S. 27. 523 o.V, Ein Börsengang ist in Amerika doppelt so teuer, FAZ, 14. 10. 2003, S. 27.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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lieh der dem Emittenten in Rechnung gestellten Provisionen vermutet 524 . Der amerikanische Markt für IPOs sei praktisch ein Oligopol, wodurch die Banken weiterhin solche Provisionen verlangen könnten 525 . (3) Diskriminierungsverbot
gemäß § 20 GWB
Mangels einer marktbeherrschenden Stellung eines Konsortialmitglieds liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB vor. (4) Zwischenergebnis Da kein Verstoß gegen eine Vorschrift des GWB vorliegt, besteht auch kein Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz gemäß § 33 GWB.
b) Rechtsverhältnis zwischen Anleger und seiner Bank Neben der Abgabe der Order bei einer Konsortialbank kann der interessierte Investor auch bei einer Drittbank Aktien „zeichnen" 526 , soweit diese den Erwerb von Neuemissionen ermöglicht. Mit dem Erwerb über eine Drittbank entstehen jedoch keine unmittelbaren vertraglichen oder sonstige vorvertragliche Beziehungen auf Grund des Kaufvertrags zwischen dem Anleger und dem Emissionskonsortium bzw. einem anderen Konsortialmitglied 527 . Während des Börsenbooms und den damit einhergehenden vielfachen Überzeichnungen wurde den interessierten Investoren regelmäßig geraten, bei einem Mitglied des Konsortiums Aktien zu zeichnen, um die Chance auf eine bessere Zuteilungsquote zu erhöhen oder überhaupt Aktien zu erhalten 528 . Damit ist die Zeichnung bei einer Drittbank zwar vorliegend in die juristische Auseinandersetzung miteinzubeziehen, in der Praxis werden sich jedoch die Fälle häufig im Verhältnis Konsortialbank und Anleger stellen, da wohl die Mehrzahl der potentiellen Investoren dazu neigt, bei absehbarer Überzeichnung, wenn möglich, bei einem Konsortialmitglied Aktien zu zeichnen. 524 Im Jahre 2003 lagen die Provisionen der Banken in Europa bei durchschnittlich 2,5 %, wohingegen in den U.S.A durchschnittlich 6,6% des Emissionserlöses an die Banken als Provisionen gezahlt wurde. Vgl. o.V., Ein Börsengang ist in Amerika doppelt so teuer, FAZ, 14. 10. 2003, S. 27. 525 O.V., Ein Börsengang ist in Amerika doppelt so teuer, FAZ, 14. 10. 2003, S. 27. 526 Zur umgangssprachlichen Verwendung des Begriffs „zeichnen" s. Fn. 31. Zum Verfahren der öffentlichen , »Zeichnung" vgl. Bosch in Hellner /Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/84 ff.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 68 ff. 527 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 110; OLG Düsseldorf Urteil v. 05. 04. 1984 in W M 1984, 586; Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181,192. 528 Vgl. ζ. B. Reim, Was beim Zeichnen wichtig ist, SZ, 19. 02. 2000, S. 31.
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2. Teil: Die Aktienemission
aa) Angebot Das von der Emissionsbank abgegebene öffentliche Angebot zur Zeichnung der Aktien stellt eine invitatio ad offerendum 529 dar, auf deren Grundlage der Investor mit seiner Order ein Angebot nach i. S.v. § 145 HS. 1 BGB abgibt 530 . Dies gilt sowohl für das Bookbuilding als auch für das Festpreisverfahren 531. Auch beim Festpreisverfahren kann es zu einer Überzeichnung und damit zur Notwendigkeit einer Repartierung kommen, es sei denn, es handelt sich um ein reines Bezugsrechtsangebot nach § 186 V AktG. Da den Banken kein Wille unterstellt werden kann, alle Kaufangebote der Investoren anzunehmen, besteht mit Aufforderung zur ,»Zeichnung" kein Wille zur Abgabe eines verbindlichen Angebots. Das durch die „Zeichnung" des Anlegers abgegebene Angebot wird von der Bank in Höhe der Zuteilung entsprechender Aktien angenommen. Nach § 151 BGB ist eine besondere Erklärung der Annahme neben der Zuteilung nicht erforderlich. Erst mit der Zuteilung der Aktien an den Investor kommt also der rechtsverbindliche Kaufvertrag zwischen Investor und Emissions- oder Drittbank zustande. Da eine Bindung der Investoren an ihr Angebot über den Zeitraum des Bookbuildings angesichts der nicht beeinflussbaren, sich schnell ändernden Marktverhältnisse unangemessen ist, gilt die Bindungswirkung des § 145 BGB nach h.A. auf Grund der Marktusancen als abbedungen532. Der Anleger ist erst mit der Zuteilung durch die Konsortialbanken an sein Angebot zum Kauf der Aktien gebunden 5 3 3 , frühestens jedoch mit Schließung des Orderbuchs 534. bb) Teilweise Annahme Bedenken ruft eine bei Überzeichnung notwendige Repartierung im Hinblick auf § 150 I I BGB hervor. Danach gilt eine nur teilweise Annahme des Angebots 529
Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 4; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 47, 68. 530 Gleichzeitig ist darin ein öffentliches Angebot i. S. d. § 1 VerkProspG zu sehen, wenn eine konkrete Möglichkeit zum Erwerb besteht. Bekanntmachung des BAWe zum VerkaufsprospektG vom 6. September 1999. Diese Auslegung wendet die BaFin nach eigenen Aussagen auch nach In-Kraft -Treten der Definition des öffentlichen Angebots in § 2 Nr. 4 WpPG an. 531 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 47 Fn. 64 und Rn. 68 mwN; a.A. für das Festpreisverfahren Groß in Hellner /Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/ 265, wonach der Kaufvertrag beim Festpreisverfahren regelmäßig durch ein Angebot des Kreditinstituts und dessen Annahme durch den Anleger zustande kommt. 532 Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 69; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 4; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), S. 318, 329; Schwintowski /Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 74; a.A. Willamowski, Bookbuilding, Rn. 461; wohl a.A. Zacharias, Börseneinführung mittelständischer Unternehmen, 2000, S. 288. 533 Bosch in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1,4. 534 Pßller/ Flatten, Aktienübernahmeverträge und Platzierungsrisiko, FB 2001, 388, 392.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Demnach wäre mit einer Zuteilung von weniger Aktien als die georderte Anzahl Aktien das Angebot nur teilweise angenommen und damit noch keine wirksame Annahme erklärt. Folglich wäre unter Anwendung des § 150 I I BGB selbst mit Zuteilung noch kein wirksamer Vertrag mit dem Investor geschlossen. Der Investor müsste vielmehr das mit der Zuteilung von Aktien verbundene neue Angebot erst noch annehmen. Es ist jedoch dem Parteiwillen überlassen und damit durch Auslegung des Antrags (§§ 133,157 BGB) zu ermitteln, ob in Abweichung von § 150 I I BGB auch eine Teilannahme vorgesehen ist 5 3 5 . Durch Auslegung des Angebots des Investors muss daher für den objektiven Empfängerhorizont 536 erkennbar sein, dass das Angebot auch mit einer geringeren Zuteilung nur teilweise wirksam angenommen werden kann. Das Repartierungsrisiko ist dem heute üblichen Bookbuilding wesensimmanent und daher allgemein bekannt oder kann im öffentlichen »Angebot" 537 bekannt gemacht werden 538 . Selbst wenn also der Investor in seiner Order ein bestimmtes Aktienvolumen nennt, so kann die Konsortialbank davon ausgehen, dass dieses Volumen als Maximalgröße - abhängig von der Finanzkraft des Investors - zu betrachten ist und der Investor auch mit einer geringeren Zuteilung einverstanden ist. Zudem enthalten die veröffentlichten Emissionsbedingungen regelmäßig Hinweise auf eine mögliche Repartierung bei Überzeichnung. Das in Kenntnis der möglichen Repartierung abgegebene Angebot des Investors enthält damit bereits das Einverständnis in eine teilweise Annahme seines Angebots. Die Auslegung ergibt daher, dass kein Fall des § 150 I I BGB vorliegt. Auch eine teilweise Zuteilung von Aktien ist damit als Annahme anzusehen, so dass ein Vertrag über die zugeteilte Anzahl an Aktien wirksam zustande gekommen ist.
cc) Vertragstypus Ist die Hausbank des Anlegers kein Mitglied des Emissionskonsortiums kann das Erwerbsgeschäft hinsichtlich der konkreten Aktienemission vertraglich entweder als Kauf (bei Festpreisgeschäften) oder als Einkaufskommission ausgestaltet werden 539 . „Zeichnet" der Investor dagegen eine Neuemission bei einem Mitglied des Emissionskonsortiums, wird regelmäßig ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB über 535 BGH Urteil v. 07. 02. 1986 in NJW 1986,1983, 1984; Palandt /Heinrichs, BGB, § 150 Rn. 2. 536 Palandt/Heinrichs, BGB, § 145 Rn. 2; Staudinger/Dilcher, BGB, § 133 Rn. 30 ff.; Staudinger/Bork, BGB, § 145 Rn. 4. 537 Vgl. Beispiele bei Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 331 Fn. 52. 538 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 331; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 476. 539 Vgl. Nr. 1 (1) der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, Fassung 2003; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 42; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 490 ff. *
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2. Teil: Die Aktienemission
den Erwerb der Wertpapiere geschlossen540. Kaufverträge über Wertpapiere sind nach h.M. in erster Linie als Rechtskauf und zugleich hinsichtlich der Urkunden als Sachkauf zu qualifizieren, da bei Wertpapieren das Recht nur durch Vorlage des Papiers, das eine Sache darstellt, ausgeübt werden kann 5 4 1 . Auch beim Erwerb von einem Konsortialmitglied wäre der Abschluss eines Kommissionsgeschäfts denkbar 542 . Dafür spricht Nr. 9 der Sonderbedingungen für das Festpreisgeschäft, der für das Vorliegen eines Kaufvertrages festschreibt, dass Bank und Kunde einen festen Preis vereinbaren. Speziell im Bookbuildingverfahren wird der Preis jedoch nach Ende der Orderphase vom Konsortium in Absprache mit dem Emittenten festgelegt. Selbst wenn für eine einvernehmliche Preisfestsetzung zwischen Bank und Anleger das Procedere im Rahmen des Bookbuildingverfahrens 543 als ausreichend angesehen wird, so liegt doch die Einordnung der Leistungsverpflichtung des Konsortiums als Anschaffung zum bestmöglichen Preis und damit ein Kommissionsgeschäft näher 544 . Ferner spricht für die Einordnung als Kommissionsgeschäft, dass es hiermit auch für den Kunden ersichtlich ist, dass der beabsichtigte Erwerb möglicherweise nicht zustande kommt. Die Ungewissheit bezüglich der Ausführung des Kundenauftrags entspricht angesichts einer möglichen Limitierung des Auftrags durch den Kunden und einer möglichen selektiven Allokation durch die Bank, eher dem Bookbuildingverfahren 545. Dem steht gegenüber, dass der Anleger zu dem vom Emissionskonsortium in Absprache mit dem Emittenten festgesetzten Preis erwerben möchte. Darüber hinaus ist der Erwerb von Aktien im Bookuildingverfahren auch zu keinem anderen als dem festgesetzten Emissionspreis möglich. Angesichts der einheitlichen Preisfestsetzung 546 für alle zu platzierenden Aktien und der damit verbundenen objektiven Bestimmbarkeit des Preises ist folglich mit der überwiegenden Ansicht 547 vom Abschluss eines Kaufvertrags auszugehen. 540 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 111; Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2245; Kölner Kommentar Akt / Lutter, § 186 Rn. 112; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1, 6. 541 Palandt/Putzo, BGB, § 433 Rn. 2, § 437 Rn. 11; MüKo/Westermann, BGB, § 433 Rn. 4; a.A. Soergel/Huber, BGB, § 44 Rn. 41, der den Kauf von Wertpapieren auf Grund der untergeordneten Bedeutung der Verbriefung allein als Rechtskauf qualifiziert. Diese Unterscheidung entfaltet jedoch auf Grund des SMG im Hinblick auf die Rechtsfolgen keine Relevanz mehr. Vgl. oben Fn. 368. 542 So Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 494. 543 im Einzelnen: (1) Nennung der Preisspanne, inklusive möglicher nachträglicher Änderung, (2) Angebot des Investors zu einem bestimmten Preis, (3) Zuteilung durch die Bank zum Emissionspreis. 544 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 495. 545 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 496; Kümpel, Die neuen Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 1995, 139. 546 Etwas anderes mag bei Anwendung des in der Praxis bisher nicht relevanten amerikanischen Auktionsverfahrens gelten, bei dem die Aktien zu individuellen Kursen ausgegeben werden. 547 Vgl. oben Fn. 540.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
133
Unabhängig von der Qualifizierung des endgültig abgeschlossenen Vertrags liegt jedoch bei „Zeichnung" durch den Anleger lediglich ein Angebot, nicht jedoch bereits ein Vertragsschluss vor. Fraglich wäre, ob durch eine Einstufung als Kommissionsvertrag eine andere Beurteilung im Hinblick auf ein mögliches geschaffenes Vertrauen vor endgültigem Vertragsschluss erforderlich wäre, als es bei Vorliegen eines Kaufvertrags der Fall wäre. Dagegen spricht allerdings, dass die Zuordnung eines Schuldverhältnisses zu einem bestimmen Vertragstyps primär dadurch erfolgt, dass der Inhalt der zugrunde liegenden Willenserklärungen maßgeblich dafür ist, zu welcher Leistung sich die Beteiligten verpflichtet haben 548 . Äußere Umstände wie die Bezeichnung des Vertragstyps sind nur dann von Bedeutung, wenn sich der Leistungsinhalt nicht feststellen lässt. Folglich kann die begriffliche typisierende Einordnung des Geschäfts unter einen bestimmten Vertragstyp das feststellbare entgegengebrachte Vertrauen weder beschränken noch erweitern. Die rechtliche Einordnung des abzuschließenden Vertrags ist also für die weitere Diskussion insbesondere bezüglich der Bestimmung der Rechte und Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ohne Belang. Grundlage für den Pflichtenumfang des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist in jedem Fall das geschaffene und in Anspruch genommene Vertrauen 549.
dd) Zuteilungszusage Grundsätzlich können sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Emissionsbank und dem bei ihr erwerbenden Anleger besondere Pflichten zur Berücksichtigung bei der Zuteilung ergeben 550. Soweit keine Zuteilungsvorgaben durch den Emittenten vorliegen, seien es konkrete Zuteilungszusagen an einzelne Investoren oder Zuteilungsrichtlinien, steht es dem Konsortialmitglied grundsätzlich frei, die Zuteilung einer bestimmten Anzahl Aktien an einzelne Investoren zuzusagen. Zumindest hinsichtlich der ihr durch eine Free Retention-Tranche zur Verfügung gestellten Aktien kann die Emissionsbank individuelle Zusagen machen. Solche individuellen Zusagen der Banken an einzelne Anleger werden üblicherweise nicht im Übernahmevertrag als Vertrag zugunsten Dritter vereinbart, sondern direkt im Rechtsverhältnis zwischen Bank und Anleger. Daneben wäre es auch durchaus denkbar, dass eine Drittbank, d. h. nicht Mitglied des Konsortiums, dem bei ihr „zeichnenden" Investor eine entsprechende Zusage erteilt. Da bei einer Drittbank jedoch selbst zumeist Unsicherheiten bezüglich des Erhalts von Aktien einer Neuemission bestehen und sie sich bei Verletzung 548 Palandt/Putzo, BGB, Überb v § 433 Rn. 3. 549 BGH Urteil v. 22. 02. 1973 in BGHZ 60, 221, 223 f.; BGH Urteil v. 08. 06. 1978 in BGHZ 71, 386, 393; BGH Urteil v. 25. 02. 1988 in NJW-RR 1988, 785, 786 (Enttäuschtes Vertrauen); Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655. 550 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 214; ders., Der Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 485.
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2. Teil: Die Aktienemission
einer Zuteilungszusage Ansprüchen gegenüber dem Anleger aussetzen würde, sind Zuteilungszusagen von Drittbanken eine zwar mögliche, aber äußerst unwahrscheinliche Variante. Zuteilungszusagen können auf unterschiedliche Weise ausgelegt werden. Zum einen könnte die Bank sich vertraglich binden und das Angebot des Investors vorzeitig annehmen. Zum andern könnte die Zuteilungszusage lediglich als Verpflichtungserklärung mit dem Inhalt ausgelegt werden, das Angebot des Investors durch spätere Zuteilung anzunehmen. Nach Willamowski 551 sind derartige Zusagen als Wollensbedingung und damit als auflösend bedingtes Rechtsgeschäft zu verstehen. Im Gegensatz zur beachtlichen Potestativbedingung ist die Wollensbedingung ausschließlich auf die Willensäußerung einer der Vertragsparteien gerichtet, das besprochene Geschäft zu wollen oder nicht zu wollen, wobei die Erklärung, das Geschäft gelten zu lassen, ins freie Belieben der Betreffenden gestellt ist 5 5 2 . Gegen die Vereinbarung einer solchen Wollensbedingung spricht jedoch bereits die umstrittene Beachtlichkeit einer solchen 553 . Dabei ist zweifelhaft, ob die Regeln der §§ 158 ff. BGB, die vorwiegend der Bewältigung des Schwebezustandes zwischen der Abgabe einer Erklärung und ihrer Wirksamkeit dienen, auch dann gelten, wenn eine Vertragspartei sich die Erklärung, ob sie überhaupt gebunden sein will, noch vorbehalten hat. Fehlt es in Wahrheit noch an der Geltungserklärung, die ein Rechtsgeschäft zustande kommen lässt, liegt keine Wollensbedingung vor 5 5 4 . Dementsprechend liegt vielmehr eine bloße Verpflichtungserklärung vor, das Angebot zu einem späteren Zeitpunkt annehmen zu wollen, nicht aber bereits ein auflösend bedingtes Rechtsgeschäft. Nach a.A. 5 5 5 ist es mit dem Sicherheitsstreben der Konsortialbanken durchaus vereinbar, eine grundsätzliche Bindung mit der Möglichkeit einer ausnahmsweisen Loslösung anzunehmen. Da für eine grundsätzliche Ungebundenheit der Konsortialbank kein Bedarf bestehe, sei von einem Vertragsschluss auszugehen. Das Vorliegen eines triftigen Grundes sei als auflösende Bedingung gemäß § 158 I I BGB auszulegen. Zu beachten gilt allerdings, dass einer verbindlichen Zuteilung das Bestreben der Banken entgegensteht, sich gerade erst möglichst spät vertraglich zu binden. Um entsprechend auf eine schwankende Marktsituation reagieren zu können, wird auch der Übernahmevertrag regelmäßig so spät als möglich unterzeichnet. Die Banken behalten sich zudem in der Regel vor, den Vertragsschluss 551 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656. 552 Müko /Westermann, BGB, § 158 Rn. 21; Palandt /Heinrichs, BGB, Einf ν § 158 Rn. 10 mwN. 553 Die im vordringen befindliche Meinung lehnt den Begriff der Wollensbedingung ab. Vgl. Müko/Westermann, BGB, § 158 Rn. 21 mwN; Erman/Hefermehl, BGB, Vor § 158 Rn. 12. 554 Müko/Westermann, BGB, § 158 Rn. 21 mwN. 555 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 127 f.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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bei Vorliegen eines triftigen Grundes zu verweigern 556 . Als triftiger Grund wäre dabei an die vollständige Absage der Transaktion als auch an eine bloße Umschichtung des Emissionsvolumens zu denken. Gegen eine vertragliche Bindungswirkung einer Zuteilungszusage spricht also, dass sich die Banken dahingehend binden würden, die Durchführung der Transaktion nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes zu ändern. Auf Grund der Unvorhersehbarkeit der Marktschwankungen und die erforderliche Reaktion der Banken hierauf, kann eine Erklärung der Banken nicht dahingehend ausgelegt werden, das Zuteilungsprocedere nur im Falle eines triftigen Grundes zu verändern. Hiernach wäre die Bank zu stark ihres Handlungsspielraumes beraubt. Sie wäre allein an die Auslegung des Begriffs des triftigen Grundes gebunden. Eine Veränderung der Transaktion wird zwar praktisch nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes vorgenommen. Demnach mag zwar eine grundsätzliche Bindung mit Möglichkeit der Loslösung mit dem Sicherheitsbestreben der Banken vereinbar sein. Dies kann jedoch nicht dazu führen, den Banken durch Vertragsauslegung einen ihren Interessen entgegenstehenden Bindungswillen zu unterstellen. Angesichts der Notwendigkeit auf mögliche Marktveränderungen reagieren zu können, gegebenenfalls die Emission letztlich ganz abzusagen, können derartige Zusagen nicht als Annahme des - wenngleich auch bedingten Angebots des Investors verstanden werden 557 . Im Ergebnis liegt daher noch kein Vertragsschluss vor. Es mag dahinstehen, ob die Zusage als bloße Verpflichtungserklärung oder wie von Willamowski als Wollensbedingung interpretiert wird, wobei die gewichtigeren Argumente gegen die rechtliche Beachtlichkeit einer Wollensbedingung sprechen. In jedem Fall steht eine bindende Erklärung, gegebenenfalls konkludent durch Zuteilung, über das Zustandekommen des Kaufvertrags noch aus. Die Vertragsauslegung ergibt, dass ein primärer Erfüllungsanspruch in diesem Zeitpunkt gerade nicht begründet werden soll. Etwas anderes kann dann gelten, wenn eine Zuteilungszusage die Verbindlichkeit des Rechtsgeschäfts ausdrücklich vorschreibt.
ee) Vorvertragliches Schuldverhältnis Da ein Vertrag zwischen Bank und Anleger über die zu emittierenden Aktien erst mit Zuteilung abgeschlossen wird, bestehen vor der Zuteilung noch keine vertraglichen Rechte und Pflichten. Rechte und Pflichten während des hier maßgeblichen Zeitraums, in den die Wahl des Zuteilungsverfahrens fällt, können sich damit allein aus einer Sonderverbindung bzw. einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben. 556 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 310 und Muster Rn. 324; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 37; Technau, Rechtsfragen bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen, AG 1998,445,446; Jäger, Thema Börse (6), NZG 1999, 643, 645. 557 Ebenso Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656.
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2. Teil: Die Aktienemission
Nach Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde die c.i.c. und damit eine Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses in § 311 I I BGB gesetzlich geregelt. Danach entsteht ein Schuldverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Π B G B auch durch die Aufnahme von Vertrags Verhandlungen. Bei der nor-
mativen Regulierung der c.i.c. wurde jedoch davon abgesehen, einen alle Einzelheiten regelnden subsumtionsfähigen Tatbestand zu formulieren. Gegenüber den bisher als Richter- oder Gewohnheitsrecht angewandten Rechtsgrundsätzen bringen sie daher keine sachlichen Änderungen 558 . Nach dem derzeitigen Stand der Lehre entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit Eintritt in die Vertragsverhandlungen und des damit entstehenden engeren Kontakts der Verhandlungspartner 559. Unter Aufnahme von Vertragsverhandlungen sind dabei bereits einseitige Maßnahmen eines Vertragsteils zu verstehen, die den anderen zu einem Vertragsschluss veranlassen sollen 560 . Im Übrigen können auch irreführende Werbemaßnahmen und unrichtige Prospekte ein vorvertragliches Schuldverhältnis und damit eine Haftung aus c.i.c. begründen 561 . Neben der gesetzlichen Prospekthaftung kann daher eine auf typisiertem Vertrauen bestehende Prospekthaftung aus c.i.c. bestehen562. Voraussetzung für einen derartigen Anspruch ist jedoch die hinreichende Konkretisierung der Vertragspartner durch die Order und den Erwerb des Wertpapiers sowie ein Schaden des individuellen Anlegers 563 . Die Emissionsbanken fordern bei einer Aktienemission im öffentlichen „Verkaufsangebot" interessierte Investoren zur Abgabe eines Angebots auf. Der engere schuldrechtliche Kontakt zu dem einzelnen Anleger entsteht sodann mit Abgabe der Kauforder durch den Anleger bei der die Order entgegennehmenden Bank. Diese Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zur „Zeichnung" von Wertpapieren und das daraufhin abgegebene Angebot durch den Investor begründet zwischen den Parteien anerkanntermaßen ein vorvertragliches Schuldverhältnis und damit eine engere Sonderverbindung, die besondere Pflichten hervorruft 564 558 Palandt/Heinrichs, 559 Palandt/Heinrichs, Rn. 3, 7. 560 Palandt /Heinrichs,
BGB Erg.bd., § 311 Rn. 3. BGB, Einf ν § 145 Rn. 18; Larenz/Wolf,
BGB AT, 1997, § 31
BGB Eig.bd., § 311 Rn. 4.
561 Palandt/Heinrichs, BGB Erg.bd., § 311 Rn. 8, 22. 562 Str.; vgl. Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 1, 3 ff. mit weiteren umfassenden Nachweisen auch zur Rechtsprechung; ders., Prospekthaftung, 1985, S. 17 ff.; ders., Prospektaktualisierungspflichten, Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 757, 760; ders., Die Prospekthaftung beruflicher Sachkenner, AG 2004, 435, 441; Palandt/Heinrichs, BGB Erg.bd., § 311 Rn. 22; Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rn. 22 mwN. 563 Palandt /Heinrichs, BGB, § 276 Rn. 22, 65 ff. 564 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 71; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; Staudinger/Bork, BGB, § 145 Rn. 30, 37, § 146
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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(zum Inhalt der Rechte und Pflichten des vorvertraglichen Schuldverhältnisses siehe 3. Teil: 7. Kapitel). Ursache der Entstehung dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist demgegenüber nicht die Bindung des Antragenden an das Angebot 5 6 5 , da die Bindungswirkung des Angebots des Anlegers im Bookbuildingverfahren bis zum Ende der Orderphase gerade ausgeschlossen ist. Nach dem heute üblichen Verfahren fordern die Konsortialbanken zur Abgabe von Angeboten auf. Der Investor kann sein nachfolgendes Angebot - möglicherweise auch durch oder bei seiner Hausbank - bei einem Konsortialmitglied abgeben. Damit entstehen nicht nur vorvertragliche Schuldverhältnisse zwischen dem Konsortialführer - eventuell in Vertretung der anderen Konsorten - und den verschiedenen Investoren. Vielmehr treten auf Verkäuferseite verschiedene Konsortialbanken und gegebenenfalls auch nicht dem Konsortium angehörende Banken als Partei auf. Damit geht jedes Konsortialmitglied bzw. jede veräußernde Bank mit den bei ihm „zeichnenden" Anlegern jeweils ein vorvertragliches Schuldverhältnis ein.
ff) Sonstige vertragliche Nebenpflichten Sowohl bei der Festübernahme als auch bei der kommissionsweisen Übernahme obliegen der Konsortialbank im Rahmen der kaufvertraglichen oder kommissionsrechtlichen Beziehung Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber den Anlegern 566 . Zusätzlich ergibt sich bereits, ohne Rückgriff auf die Verhaltensnormen der §§ 31 ff. WpHG, aus dem obersten Gebot der Interessen Währung im Bereich entgeltlicher Geschäftsbesorgungen für andere, dass bei eventuellen Interessenskonflikten Interessen des die Order entgegennehmenden Instituts grundsätzlich hinter den Kundeninteressen zurückstehen müssen 567 . So schreibt bereits die kommissionsrechtliche Vorschrift des § 384 I HGB vor, dass der Kommissionär, hier die Emissionsbank, bei der Ausführung des übernommenen Geschäfts das Interesse des Investors als Kommittenten wahrzunehmen hat.
Rn. 10; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 236; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 439; Pfiiller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 671; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 21. 565 So noch RG Urteil v. 12. 07. 1923 in RGZ 107, 240, 242. 566 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 9 Rn. 29; Schwintow ski /Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 111; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 48; keine Aufklärungs- oder Beratungspflichten sollen einem emissionsbegleitenden Kreditinstitut bei Bezugsrechtsausübungen der Aktionäre obliegen; so LG Bremen Urteil v. 03. 09. 1996 in ZIP 1996, 1866. 567 Kumpel in Kümpel/ Hammen /Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 27,29.
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2. Teil: Die Aktienemission
gg) Wohlverhaltenspflichten gemäß §§ 31, 32 WpHG Gemäß § 2 I I I Nr. 5 WpHG ist die Übernahme von Wertpapieren für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien eine Wertpapierdienstleistung i. S. d. WpHG. Demnach ist die Festübernahme, sei es als Bought Deal oder im Rahmen des Bookbuilding, als Emissionsgeschäft i. S. d. § 2 III Nr. 5 W p H G 5 6 8 anzusehen. Demgegenüber betreiben Begebungskonsortien, also ζ. B. im Rahmen des Best Efforts Underwriting, Kommissionsgeschäfte i. S. d. § 2 I I I Nr. 1 WpHG 5 6 9 . Die Veräußerung von Wertpapieren an einen Anleger durch eine nicht am Konsortium beteiligte Bank stellt sich je nach vertraglicher Ausgestaltung als Kommissionsgeschäft oder ggf. Eigenhandel gemäß § 2 Ι Π Nr. 1 oder 2 WpHG dar. Somit unterhegen die das Emissions- und Konsortialgeschäft betreibenden Kreditinstitute als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 2 I V WpHG den allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der §§31, 32 WpHG 5 7 0 . (1) Informationspflichten Die Wohlverhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungen sehen in § 31 I, Π Nr. 2 WpHG vor, dass dem Kunden vor der Annahme seines Antrags alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen sind, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Bei Bankkunden besteht regelmäßig ein großes Interesse daran, über die Umstände der Zuteilung informiert zu werden, um ihre Chancen auf eine Zuteilung besser einschätzen zu können 571 . Im Hinblick auf die zu beachtenden Pflichten im Rahmen von Aktienemissionen ist insbesondere die Richtlinie des BAWe gemäß § 35 V I WpHG zur Konkretisierung der §§31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23. 08. 2001 5 7 2 zu beachten. Gemäß Ziffer 3.4 der Richtlinie müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Privatkunden den Erwerb von Wertpapieren durch Zeichnung anbieten, diese über das Zuteilungsverfahren, insbesondere bei Überzeichnung informieren. 568 Assmann in Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 56 ff. 569 Assmann in Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 45 ff. 570 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 15 Rn. 112; Assmann in Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 45 ff. 571 Rümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.65 ff.; ders. in Kümpel/Hammen/ Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 32; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, 2003, Rn. 59, der eine hinreichend plausible Darlegung des Zuteilungsverfahrens fordert. 572 Bundesanzeiger Nr. 165 vom 04. 09. 2001, S. 19 217; ersetzt die Richtlinie des BAWe vom 09. 05. 2000, Bundesanzeiger Nr. 131 vom 15. 07. 2000, S. 13 792; ersetzt die Richtlinie des BAWe vom 26. 05. 1997, Bundesanzeiger Nr. 98 vom 03. 06. 1997.
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(2) Gebotene Wahrung des Kundeninteresses bei unvermeidbaren Interessenskonflikten § 31 I Nr. 2 WpHG verpflichtet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sich um die Vermeidung von Interessenskonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenskonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des individuellen Kundeninteresses ausgeführt wird. Dabei sind Interessenskonflikte generell zu vermeiden, also sowohl Interessenskonflikte zwischen dem Wertpapierdienstleister und dem einzelnen Kunden als auch zwischen den einzelnen Kunden 573 . Die Pflicht zur Vermeidung von Interessenskonflikten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens besteht gegenüber seinen „Kunden". Kunden i. S. d. § 31 WpHG sind nicht nur Vertragspartner des Kreditinstituts, sondern auch jene Personen, die lediglich in einem vorvertraglichen Kontakt mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses stehen 574 . Damit sind die Verhaltenspflichten gemäß § 31 WpHG auch auf das durch Aufforderung zur Abgabe von Angeboten und der Abgabe solcher Angebote begründete vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen Emissionsbank und Anleger anwendbar. Generell stellt sich für Kreditinstitute das Problem der Interessenwahrungspflichten, wenn die Interessen verschiedener Bankkunden miteinander in Konflikt treten. Damit entsteht der Konflikt, welcher Kunde zu bedienen ist, wenn ein günstiges Angebot nicht für alle Interessenten ausreicht. Sobald eine Order über eine Börse geleitet wird bzw. beim Börsenzwang über die Börse geleitet werden muss (§ 22 BörsG), bedarf es lediglich der ordnungsgemäßen Weiterleitung der Aufträge. Problematischer sind demgegenüber die Pflichten des Kreditinstituts bei Abschluss von Deckungs- oder Ausführungsgeschäften ohne Weiterleitung über die Börse. Unabhängig davon, ob die zu verteilenden Wertpapiere aus einer Aktienemission stammen, entsteht hier das Problem der Zuteilung und der Konkurrenz mehrerer Effektenkunden untereinander. Die vorliegend zu beachtende Wohlverhaltensrichtlinie des BAWe vom 23. 08. 2001 schreibt in Ziffer 3.4 über bloße Informationspflichten hinausgehend vor, dass die Geschäftsleitung bzw. die von ihr benannte Stelle über die Art und Weise der Zuteilung an Mitarbeiter oder Dritte zu entscheiden hat, für deren Rechnung der Mitarbeiter handelt. Ausdrücklich verboten gemäß Ziffer 3.4 der Richtlinie ist die Bevorzugung von eigenen Mitarbeitern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, was durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen ist. Davon nicht 57 3 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 27; Roth in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 12 Rn. 72; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 31 WpHG Rn. 14 ff. 574 Koller in Assmann/ Schneider, WpHG, § 31 Rn. 2a, 8; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 31 WpHG Rn. 6; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 22; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 262.
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2. Teil: Die Aktienemission
umfasst werden allerdings die bereits eingangs erwähnten Zuteilungen an Verwandte und Bekannte. Damit werden zwar explizit Transparenz und ein einzelner Interessenskonflikt einer Lösung zugeführt. Weiter gehende allgemeine Regeln im Hinblick auf das anzuwendende Verfahren zur Lösung von unvermeidbaren Interessenskonflikten gibt die Richtlinie des Β AWe dagegen nicht an die Hand. Die Interessenskollision bei der Ausführung eines Geschäfts entsteht also bei Zusammentreffen mehrerer konfligierender Kundenaufträge. Bei Neuemissionen bündeln die Konsortialbanken bzw. der Bookrunner gezielt Aufträge zur einheitlichen Erledigung. Ein Interessenskonflikt entsteht also dann, wenn mehr „Zeichnungen" eines zu emittierenden Wertpapiers vorliegen, als Aktien tatsächlich zur Verfügung stehen. Die Bank ist hier verpflichtet, die Zuteilung unter gebotener Wahrung der Interessen jedes einzelnen Interessenten vorzunehmen. Um den verschiedenen Interessen bei Emissionen gerecht zu werden, d. h. eine möglichst breite, interessengerechte Streuung zu erreichen und gleichzeitig das Vertrauen der Kunden in das Verhalten der Finanzintermediäre zu stärken, ist die Einrichtung eines durchschaubaren, systematischen Verteilungsverfahren anzustreben 575. Eine Konkurrenz gleichlaufender Geschäfte in einem fraglichen Wertpapier ist dabei grundsätzlich unter den Gesichtspunkten von Gleichbehandlung und Priorität zu lösen 576 , wobei auch eine Anwendung des Losverfahrens zulässig sein soll 5 7 7 . Nach überwiegender Ansicht wird das Gebot der Gleichbehandlung bei der Lösung von unvermeidbaren Interessenskonflikten von Kunden also zwar angesprochen, eine allgemeine Pflicht zur Gleichbehandlung im Sinne einer gleichmäßigen Behandlung aber verneint 578 . Teilweise wird auch die Anwendung des Gleichbehandlungsgebots im Sinne des Willkürverbots postuliert 579 . Demnach hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Bevorzugung von Kunden ohne sachlichen Grund zu unterlassen 580. Demgegenüber gehen nach Ansicht 57 5
Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 29; Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, 1998, S. 233. 576 Roth in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 12 Rn. 90; Koller in Assmann / Schneider, WpHG, § 31 Rn. 49; Schlüter, Wertpapierhandelsrecht, 2000, S. 121 Rn. 99. 5 77 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 60. s™ Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 31 WpHG Rn. 22 mwN; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 47 f.; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 22 f.; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, 2003, § 8 Rn. 21. 57 9 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.56; ders. in Kümpel/Hammen/ Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 28; Schuster /Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 9,16; Schwark/Schwark, KMRK, § 31 WpHG Rn. 37; Pßller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 672; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656 f.; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, 2003, Rn. 21 mwN. 580 Richtlinie des BAWe gemäß § 35 Abs. 6 des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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von Koller 5 8 1 die Wohlverhaltenspflichten über ein bloßes Willkürverbot hinaus. Unzulässig sei im Rahmen der Sammlung von Kundenaufträgen zur einheitlichen Erledigung nämlich die gezielte Begünstigung von Mitarbeitern und Anlegern. Eine Pflicht zur Gleichbehandlung ist nach allgemeiner Ansicht 582 dann abzulehnen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bereits vor Eintritt eines Interessenkonflikts seine Kunden darauf hingewiesen hat, dass es andere Kriterien zur Lösung des Interessenkonflikts anwendet. Denn die Wohlverhaltensregeln sind als bewegliches System ausgestaltet, das sich an der Schutzbedürftigkeit und den Interessen des Anlegers orientiert. Die Parteien haben es daher in der Hand, den Umfang der Wohlverhaltenspflichten, insbesondere durch eine entsprechende Gestaltung des Vertrauens des Anlegers zu beeinflussen 583. Demnach ist die Emissionsbank nach entsprechendem Hinweis berechtigt, bei überzeichneten Emissionen einzeln ausgewählten Kunden die Wertpapiere zuzuteilen. (3) Rückgriff
auf vorvertragliche
und vertragliche
Grundsätze
Auch vor Einführung der Wohlverhaltensregeln in den §§ 31 ff. WpHG durch das 2. FFG 5 8 4 wurde ein Gleichbehandlungsgebot erörtert, jedoch auch überwiegend verneint 585 . Ein Rückgriff auf die durch die Literatur und Rechtsprechung als vorvertraglich und vertraglich entwickelten allgemeinen Grundsätze ist möglich, da die §§ 31 ff. WpHG die wesentlichen so entwickelten Grundsätze enthalten und eine Konkretisierung dieser Rechtsgedanken darstellt 586 . Die h.L. ging vor Inkrafttreten der Wohl Verhaltensregeln in §§ 31 ff. WpHG davon aus, dass der Kommissionär frei sei, welchen Kommittenten er begünstigt, bzw. welchen Kundenauftrag er bei einem Ausführungsgeschäft gerade erfüllen will. Der Kommissionär solle nur insgesamt bezogen auf sämtliche Deckungen kein ihn begünstigendes Geschäft abschließen. Ein Kommittent speziell solle nur Eigenhandel für andere und das Veröffentlichungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, BAnz. Nr. 165 v. 04. 09. 2001, S. 19217. sei Koller in Assmann / Schneider, WpHG, § 31 Rn. 47, 60. 582 Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 31 WpHG Rn. 22 mwN; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 60; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 22 f. 583 Koller in Assmann / Schneider, WpHG, § 31 Rn. 60; Schödermeier, Nachforschungspflichten einer Bank, W M 1995, 2053, 2055; Kümpel, Die allgemeinen Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes, W M 1995, 689, 693. 584 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften v. 26. 07. 1994, BGBl. 1994, S. 1749. 585 Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 121; Kühler, Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981), 204, 210 f. 586 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 19 mwN; Waldeck in Cramer/ Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 647, 652; Schäfer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 68 f.
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2. Teil: Die Aktienemission
dann die Begünstigung erhalten, wenn er nachweist, dass die Gelegenheit gerade für ihn wahrgenommen worden ist 5 8 7 . Für die Zubilligung eines Wahlrechts zugunsten des Kreditinstituts bzw. des Filialmitarbeiters nach Belieben zunächst die späteren, dann die früheren oder bestimmte Kunden zu bevorzugen, besteht jedoch kein Anlass 588 . Vielmehr ist das Kreditinstitut allen Kunden gleichermaßen zur Interessenwahrung verpflichtet. Demgemäß besteht eine Verpflichtung nicht zum Vor- oder Nachteil eines Einzelnen abzuweichen, sondern die übliche Ordnung, d. h. soweit praktikabel, grundsätzlich die zeitliche Reihenfolge einzuhalten 589 . Auch eine Repartierung etwa bei Emissionszeichnungen entspricht der Einhaltung der üblichen Ordnung 590 . Im Ergebnis schließt die h.A. damit auf der einen Seite nur eine gleichmäßige d. h. gleiche Behandlung aller Kunden aus. Differenzierungen seien selbst bei fehlendem Hinweis auf eine Anwendung eines anderweitigen Zuteilungsverfahrens zulässig, soweit sie der Üblichkeit entsprächen. Aber selbst die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfordert keine gleichmäßige Behandlung aller Kunden. Vielmehr sind auch danach sachliche Differenzierungen zulässig. Bereits in Art. 11 I 6. Spiegelstrich der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 591, in deren Lichte die Vorschriften des WpHG auszulegen sind, heißt es, „dass ihre Kunden nach Recht und Billigkeit behandelt werden". Was der Billigkeit entspricht, richtet sich dabei nach den Zielen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, nämlich Stabilität und reibungsloses Funktionieren des Finanzsystems sowie des Anlegerschutzes 592 . Der Finanzdienstleister darf bei unvermeidbaren Interessenskonflikten keine unmittelbaren oder mittelbaren Vorteile aus einer Transaktion ziehen 593 . Damit wendet auch die überwiegende Ansicht die Grundsätze der Gleichbehandlung an. Eine Lösung des Interessenskonflikts bei konkurrierenden Aufträgen kann also dadurch erreicht werden, dass gleichartige Zeichnungsaufträge grundsätzlich gleich behandelt werden. Fraglich ist demnach, wann zwei konkurrierende Aufträge ungleich behandelt werden dürfen. Dabei sind vielfältige Unterscheidungsmerkmale denkbar, wie Ordervolumen oder Priorität. Allerdings 587 Koller, Interessenskonflikte im Kommissionsverhältnis, BB 1978, 1733, 1734 f. mwN in Fn. 7; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 401 Rn. 9. 588 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 485; B lie sene r, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, 1998, S. 233, der sich jedoch bereits auf die Vorschriften des WpHG stützt. 589 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 485, Fn. 246; Canaris, Bankvertragsrecht, 1988, Rn. 121; Schmidt, Börsenorganisation, S. 51 f. 590 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 485, Fn. 246; Schmidt, Börsenorganisation, S. 51 f; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 47. 591 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über Wertpapierdienstleistungen v. 10. 05. 1993 (93/22/EWG), ABl. EG Nr. L 141/27 v. 11. 06. 1993 („Wertpapierdienstleistungsrichtlinie")· 592 Erwägungsgründe Nr. 2, 37, 38 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. 593 Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, 2003, § 8 Rn. 9.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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kann die Bank die Unterscheidungsmerkmale nicht nur auf die einzelne Transaktion, d. h. die Neuemission, beschränken, sondern auch die Anlageorientierung des Kunden im weitesten Sinne sowie die Geschäftsbeziehung der Bank zu ihrem Kunden berücksichtigen. Der Interessenskonflikt kann also unter Einbeziehung der gesamten - gegebenenfalls langjährigen - Geschäftsbeziehung gelöst werden und beschränkt sich nicht auf Differenzierungsgründe, die auf einer einzelnen Transaktion, hier der konkreten Aktienemission, beruhen. Die Anwendung des Begriffes der Üblichkeit der Wahl des Zuteilungsverfahrens im Hinblick auf die Lösung von Interessenskonflikten im Rahmen der §§ 31 ff. WpHG wirkt bei konfligierenden Kundenaufträgen demnach weit weniger einschränkend, bzw. eröffnet einen anderen Spielraum, als eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezogen auf eine einzelne Emission. Vielmehr verbleibt den Banken eine andere Flexibilität und Reichweite bei der Anwendung und Handhabung von Differenzierungskriterien. So kann beispielsweise bereits eine einzelne spezielle Kundenbeziehung, ohne sachlichen Zusammenhang mit der konkreten Aktienemission, eine bestimmte Zuteilung bzw. ein bestimmtes Verfahren rechtfertigen. Folglich wären auch Differenzierungen denkbar und gerechtfertigt, die dem Zweck der konkreten Aktienemission entgegenlaufen, so lange sie dem Zweck der Interessenwahrung der Kunden dienen. Der Finanzdienstleister ist also allein verpflichtet, insgesamt bezogen auf sämtliche Deckungen kein ihn begünstigendes Geschäft abzuschließen. Folglich erfordern die Wohlverhaltensregeln zwar, dass eine objektiv nachvollziehbare Reihenfolge 594 eingehalten wird, erforderlich ist demgegenüber aber nicht, dass diese Gründe sich allein an dem Zweck der Transaktion, d. h. hier einer konkreten Aktienemission ausrichten. Vielmehr sind sämtliche objektiven Differenzierungen im Rahmen der Kunde-Bank-Beziehung zulässig, wenn sie der Üblichkeit entsprechen. So können ζ. B. auch Kursnachteile für den Kunden beim Erwerb der Aktie durch Vergütungsvorteile ausgeglichen werden. Umgekehrt wurde ζ. B. den Banken vorgeworfen, sie würden beträchtliche Provisionen oder sogar Nachkaufverpflichtungen zu überhöhten Kursen fordern (Kick-backs, „Tie-in" Agreements, usw.). Solche Differenzierungen mögen zwar u.U. - zumindest so lange die Angemessenheitsgrenze nicht überschritten wird - das gesamte Verhältnis zwischen Bank und Kunde angemessen lösen, dem Zweck einer Aktienemission sind sie damit noch nicht förderlich. Durch die Reichweite der Rechtfertigungsgründe, die nicht nur dem Zweck der einzelnen Transaktion zu dienen bestimmt sein müssen, wäre selbst bei einer generellen Pflicht zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes noch nicht sichergestellt, dass der Anleger im Hinblick auf eine Neuemission einen Anspruch auf Gleichbehandlung, gegebenenfalls der Repartierung zu gleichen Teilen, zusteht, der nur zur Förderung der jeweiligen Aktienemission durchbrochen werden darf 5 9 5 . 594 Roth in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 12 Rn. 73,90. 595 Roth in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 12 Rn. 119.
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2. Teil: Die Aktienemission
Damit enthält zwar § 31 I Nr. 2 WpHG im Ergebnis keine Pflicht zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezüglich einer einzelnen Emissionstransaktion, jedoch genügt die Bank umgekehrt auch ihren Pflichten aus § 31 I Nr. 2 WpHG, wenn sie ein Zuteilungsverfahren wählt, bei dem gleichartige Zeichnungsaufträge grundsätzlich gleich behandelt werden und sachliche Differenzierungskriterien allein dem Zweck der Emission dienen 596 . Um allein eine Verletzung des § 32 I Nr. 2 WpHG zu verhindern, steht der Bank im Übrigen bei der Auswahl sachlicher Differenzierungsgründe ein weiter Spielraum zu. Sachliche Differenzierungsgründe sind nicht nur solche, die dem Zweck der einzelnen Emission dienen, sondern sämtliche Gründe, die auf der Geschäftbeziehung zwischen Kunde und Bank basieren. Im Ergebnis muss im Rahmen des § 31 I Nr. 2 WpHG der sachliche Differenzierungsgrund dem Zweck des § 31 WpHG, nämlich nur der Lösung von Interessenskonflikten, dienen.
6. Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Anleger Auch zwischen Emittent und den Anlegern bestehen vor der Platzierung bzw. Zuteilung der zu emittierenden Aktien regelmäßig keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen. Erst durch den Erwerb der Aktie entstehen vertragliche und mitgliedschaftliche Beziehungen597. a) Vorvertragliches
Schuldverhältnis
Pflichten aus Treu und Glauben und eine Haftung aus c.i.c. bei Verletzung dieser Pflichten treffen grundsätzlich allein die Partner des angebahnten Vertrags 598. Bei der heute regelmäßig durchgeführten mittelbaren Platzierung der Aktien über ein Emissionskonsortium zeichnet der Investor nicht beim Emittenten, sondern er gibt seine Kauforder bei einer Emissions- oder Drittbank ab. Demnach sollen zwischen Emittent und potentiellem Anleger im Regelfall einer Fremdemission keine Rechtsbeziehungen bestehen599. Nach a. A . 6 0 0 kann das Vorliegen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses und damit die Anwendbarkeit des § 242 BGB nicht davon abhängen, ob es sich um 596 PfUller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 672. 597 Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181, 191 f.; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 41; zweifelnd EscherWeingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999,164,166. 598 MüKo/Emmerich, BGB, Vor § 275 Rn 160 ff. mwN. 599 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/318; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 41; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 19; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164,166. 600 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 657.
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eine Fremd- oder eine Eigenemission handelt. Ansonsten wäre es dem Emittenten allein mit Einschaltung eines Emissionskonsortiums möglich, sich der Anwendbarkeit und der Pflichten aus § 242 BGB zu entledigen. Die Anwendbarkeit des § 242 BGB kann aber letztendlich nicht davon abhängen, ob eine Eigen- oder Fremdemission vorliegt. Für einen geschäftlichen Kontakt zwischen Emittent und Anleger spricht zudem, dass der Übernahmevertrag zu Beginn der Orderphase noch nicht unterzeichnet ist und regelmäßig erst kurz vor Handelsaufnahme und somit meist erst am Ende der Orderphase unterzeichnet wird. Nach Willamowski 601 erfolge deshalb das öffentliche Verkaufsangebot durch die Banken im Namen des Emittenten. Mit der „Zeichnung" der Aktien durch den Anleger entstehe damit jedenfalls ein geschäftlicher Kontakt des Anlegers zum Emittenten. Dies gelte gemäß § 164 I 1, III BGB auch dann, wenn die einzelnen Banken die Order der Anleger entgegennehmen. Gegen das Bestehen eines Verkaufsangebots der Banken im Namen des Emittenten ist jedoch einzuwenden, dass das durch den Investor abgegebene Angebot nicht auf den Erwerb der Aktien vom Emittenten abzielt. Der Investor zeichnet also gerade nicht im gesellschaftsrechtlichen Sinne gemäß § 185 AktG. Vielmehr beabsichtigt der Investor mit der Abgabe seiner Order den Abschluss eines Vertrags zum Kauf von Aktien bei seiner Bank. Einem solchen Angebot steht auch nicht entgegen, dass die Banken im diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht im Besitz der Aktien sind. Die fehlende Unterzeichnung des Übernahmevertrags kann damit regelmäßig nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Banken zwingend im Namen des Emittenten handeln und der Anleger ein Angebot zum Erwerb der Aktien vom Emittenten abgibt. Für einen geschäftlichen Kontakt zwischen Emittent und Anleger spricht jedoch, dass das öffentliche Angebot von Aktien den Aufruf zur Abgabe eines Kaufangebotes regelmäßig als „Zeichnung" bezeichnet. Aus Sicht des Investors wird damit durchaus der Eindruck einer direkten gesellschaftsrechtlichen Beziehung zum Emittenten mit „Zeichnung" der gewünschten Aktien erweckt. Neben dem potentiellen Vertragspartner als Verpflichteter kann ein geschäftlicher Kontakt und damit eine Haftung wegen Pflichtverletzungen bei Vertragsverhandlungen auch zu dritten Personen (Vertreter oder Verhandlungsgehilfen) entstehen, die gar nicht selbst als potentielle Vertragspartner auftreten 602 . Die Rechtsprechung hat den Kreis der verpflichteten dritten Personen auch auf solche Personen ausgedehnt, die, ohne selbst als Vertragspartner in Betracht zu kommen, entweder ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertrag und seiner Durchführung haben oder in besonderem Maße eigenes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflusst haben 603 . Letzter Fall hat 601 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 657 Fn. 45. 602 Larenz/Wolf, BGB AT, 1997, § 31 Rn. 26 ff. 603 BGH Urteil v. 17.09. 1954 in BGHZ 14, 313, 318; BGH Urteil v. 04.07.1983 in BGHZ 88, 67, 68 f.; BGH Urteil v. 03.04.1990 in NJW 1990, 1907, 1908, st. Rspr.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rn. 93 mwN; Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, § 311 Rn. 52 ff.; 10 Koehler
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2. Teil: Die Aktienemission
nunmehr in § 311 ΠΙ BGB explizit Niederschlag gefunden. § 311 BGB ist jedoch seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte nach keine abschließende Regelung, so dass es daher bei den bisher von der Rechtsprechung angewandten Grundsätzen bleibt 604 . An die Voraussetzungen für das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts und die Haftung Dritter stellt die neuere Rechtsprechung des BGH strenge Anforderungen 605. Eine Eigenhaftung des Dritten tritt nur ein, wenn ein Vertreter, wirtschaftlich betrachtet, gleichsam in eigener Sache tätig wird. Er muss als Quasipartner („procurator in rem suam"), als wirtschaftlicher Herr des Geschehens oder eigentlicher wirtschaftlicher Interessenträger anzusehen sein 606 . Dabei genügt keinesfalls, dass der Vertreter lediglich wegen der ihm zufließenden Provisionen am Abschluss interessiert ist 6 0 7 . Hinzukommen muss ferner noch, dass der Dritte die Verhandlungen selbst führt, so dass seine Haftung im Regelfall ausscheidet, wenn er andere („Vierte") für sich Handeln lässt 608 . Der Verhandelnde haftet zudem nach vertraglichen Grundsätzen, wenn er enge persönliche Beziehungen zum anderen Teil unterhält oder wenn er über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrags übernommen hat 6 0 9 . Fraglich wäre somit, ob der eigentlich hinter der Emission stehende Emittent als Dritter Verpflichtungen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen Emissionsbank und Anleger unterliegt. Eine Erstreckung der vertraglichen Haftung auf den Emittenten als Dritten scheint zunächst bereits deshalb auszuscheiden, da er nicht als Vertreter bzw. Vertreter des Vertreters oder Verhandlungsgehilfe für das Emissionskonsortium in Erscheinung tritt. In den entschiedenen Fällen der Eigenhaftung Dritter waren sämtliche Dritten als solche tätig 6 1 0 . Gegen einen persönlichen Kontakt und die Inanspruchnahme von besonderem Vertrauen zwischen Emittent und Anleger spricht also, dass die Emissionsbanken bei der heute üblichen Fremdemission als antragsannehmende Institute dazwiMüKo/Emmerich, BGB, vor § 275 Rn 164; Soergel/ Wiedemann, BGB, Vor § 275 Rn. 220 ff., 228. 604 Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, § 311 Rn. 52. 605 BGH Urteil v. 17. 06. 1991 in NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH Urteil v. 01. 07. 1991 in NJW-RR 1991,1312, 1313; BGH Urteil v. 29. 01. 1992 in NJW-RR 1992, 605. 606 BGH Urteil v. 05. 04. 1971 in BGHZ 56, 81, 84; BGH Urteil v. 23. 10. 1985 in NJW 1986, 586, 587; BGH Urteil v. 17. 06. 1991 in NJW-RR 1991, 1241, 1242, BGH Urteil v. 29. 01. 1992 in NJW-RR 1992, 605. 607 BGH Urteil v. 05. 04. 1971 in BGHZ 56, 81, 84; BGH Urteil v. 04. 07. 1983 in BGHZ 88, 67, 70; Larenz, SRAT, 1987, § 9, S. 115. 608 OLG Hamm Urteil v. 06. 11. 1990 in NJW-RR 1991, 747; MüKo/Emmerich, BGB, Vor § 275 Rn 168 mwN. 609 BGH Urteil v. 04. 07. 1983 in BGHZ 88, 67, 69; BGH Urteil v. 01.07. 1991 in NJWRR 1991,1312, 1314; Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, § 311 Rn. 55; MüKo/Emmerich, BGB, Vor § 275 Rn 167 mwN. 610 MüKo/Emmerich,
BGB, Vor § 275 Rn 160 mwN.
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schengeschaltet sind. Hinzu kommt, dass die Emission regelmäßig vollständig von den Emissionsbanken, vertreten durch den Konsortialführer, gezeichnet, übernommen und den Anlegern im eigenen Namen zum Kauf angeboten werden. Mit der Übernahme der Aktien und Abführung des Emissionserlöses durch die Banken könnte das wirtschaftliche Interesse des Emittenten eigentlich erfüllt worden sein. Allerdings verbleibt durch die späte Unterzeichnung des Übernahmevertrags einerseits und die Vereinbarung von zahlreichen Rücktrittsklauseln andererseits das wirtschaftliche Risiko der Durchführung der Transaktion regelmäßig beim Emittenten selbst. Im Ergebnis ist daher selbst mit Unterzeichnung des Übernahmevertrags das wirtschaftliche Interesse des Emittenten noch nicht erfüllt. Geschäftlicher Kontakt bei der „Zeichnung" von Aktien entsteht damit erst recht für den eigentlich hinter der Transaktion Stehenden, den Emittenten. Zweck der Transaktion ist eine Erhöhung des Eigenkapitals. Der von den Banken eingenommene Erlös in Höhe des gezeichneten Kapitals wird an den Emittenten abgeführt. Für die Banken verbleiben allein die Provisionen, die sich zwar an der Höhe des Erlöses orientieren 611, nicht aber der Erlös selbst. Somit besteht das eigentliche wirtschaftliche Interesse am Abschluss von Verträgen mit den Anlegern beim Emittenten selbst. Damit kann es keinen Unterschied machen, ob sich der Emittent zur Durchführung der Transaktion der Zwischenschaltung eines Emissionskonsortiums bedient. Eine Ausnahme von der Voraussetzung für die Inanspruchnahme von besonderem Vertrauen wurde für den speziellen Fall der Prospekthaftung entwickelt. Danach wurde der Kreis der Prospektverantwortlichen mit der Formel vom typischerweise gewährten Vertrauen auf jene erweitert, die ohne sozialen Kontakt und unabhängig von ihrer Vertretereigenschaft besonderen Einfluss ausüben und Mitverantwortung tragen, wie beispielsweise die Initiatoren und Gründer, die das Management bildeten und beherrschten (ein Fall der Prospekthaftung im engeren Sinne) 612 . Diese Ausnahme wurde jedoch ganz speziell für die Prospekthaftung entwickelt und darf nicht als ein universalisierbares Merkmal in die Grundsätze der c.i.c.-Haftung eingehen613. Eindeutig ist dagegen die Prospektverantwortlichkeit des Emittenten selbst, der gemäß § 44 I 1 Nr. 1 BörsG nach außen erkennbar die Verantwortlichkeit für den Prospekt übernommen hat 6 1 4 . Da die Abgabe des 611 In den vergangenen drei Jahren lagen die Provisionen in Europa bei durchschnittlich 2,8% des Emissionserlöses, in den U.S.A. dagegen bei 5,4%. Vgl. o.V, Ein Börsengang ist in Amerika doppelt so teuer, FAZ, 14. 10. 2003, S. 27. 612 BGH Urteil v. 16. 11. 1978 in BGHZ 72, 382; Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, §311 Rn. 22, 56. 613 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 22; Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, § 311 Rn. 22. 614 Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 202; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 45, 46 BörsG Rn. 17; Schwark/Schwark, KMRK, § 44 BörsG Rn. 8.
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2. Teil: Die Aktienemission
Angebots durch den Anleger jedoch gerade auf dem Prospekt basiert, vertraut der Anleger speziell auf die Richtigkeit der Angaben des Emittenten. Daneben erwirbt der Anleger gerade Anteile am Emittenten. Folglich nimmt speziell der Emittent ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch, was insbesondere auch bei der Emission der Telekom-Aktie im Jahre 1996 deutlich zu Tage trat, und zu deren Erfolg beigetragen hat. Zudem tritt teilweise auch der Emittent selbst mit Pressemitteilungen bezüglich der Emission an die Öffentlichkeit 615 . Für eine Verpflichtung des Emittenten als Dritten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis mit dem Anleger spricht überdies, dass teilweise der Emittent selbst in persönlichen sozialen Kontakt mit einzelnen Anlegern tritt und verhandelt. Insbesondere verhandelt der Emittent mit institutionellen Anlegern auf Roadshows und in Einzelgesprächen. Von der Erörterung hier auszunehmen sind die Anordnungen des Emittenten, Aktien bevorzugt an einzelne individualisierte Anleger zuzuteilen, soweit dadurch ein Vertrag zugunsten Dritter oder bereits eine Annahme des Angebots und damit ein verbindlicher Vertrag bereits begründet werden soll. Der Emittent hat zudem ein fundamentales Interesse daran, ein positives Standing im Markt zu erlangen, u. a. um spätere Platzierungen von Aktien am Markt nicht zu gefährden. Auf Grund der Beschwerden der Anleger über mangelnde Transparenz, Bevorzugung von (Geschäfts-) Freunden und mangelnde Fairness bei der Zuteilung, ist speziell auch dem Emittenten daran gelegen 616 , den vom Markt geforderten Zuteilungsgrundsätzen zu entsprechen. Das wirtschaftliche Interesse des Emittenten ist folglich allein mit der Übernahme und dem Erhalt des Emissionserlöses durch die Banken nicht erschöpft. Die Pflicht zur Allokation der Aktien ist eine vom Emittenten übertragene Pflicht der Emissionsbanken. Allerdings nimmt gerade der Emittent bei speziellen individualisierten Zuteilungen und möglicherweise weiteren Veröffentlichungen bezüglich des angewendeten Zuteilungsverfahrens Vertrauen für die Erfüllung der bei einer Bank abgegebenen „Zeichnungsanträge" in Anspruch. Der Emittent legt konkrete und allgemeine Vorgaben für die Zuteilung fest, gegebenenfalls verbunden mit einer Veröffentlichung derselben, an die die beteiligten Emissionsbanken gebunden sind. Auch verbindliche Vorgaben des Emittenten an die Konsortialbanken hinsichtlich der Bevorzugung bestimmter Anlegergruppen können grundsätzlich ein erhöhtes persönliches Vertrauen der Anleger in den Emittenten hervorrufen, sofern sie zumindest an die Öffentlichkeit gelangen oder an diese mittels Pressemitteilungen herangetragen werden.
61 5 s. Zusicherungen der T-Online AG im Hinblick auf die Zuteilung. Vgl. T-Online AG, Veröffentlichung zum Zuteilungsverfahren, FAZ, 07. 04. 2000, S. 19. 616
So veröffentlichte die T-Online AG die Zusicherung, das gesamte Zeichnungs- und Zuteilungsverfahren zu gleichen und fairen Bedingungen durchzuführen. Vgl. T-Online AG, Veröffentlichung zum Zuteilungsverfahren, FAZ, 07. 04. 2000, S. 19.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Im Ergebnis ist daher der Emittent der eigentlich wirtschaftliche Interessenträger der Durchführung einer Emission, der zudem ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Obwohl der Emittent nicht als Vertreter oder Verhandlungsgehilfe eingeschaltet wird, so muss doch ein vorvertragliches Verhältnis erst recht zu demjenigen bestehen, von dem die Transaktion ausgeht und der den eigentlichen wirtschaftlichen Nutzen, nämlich die Erhöhung des Eigenkapitals, erhält. Der Emittent kann sich also nicht darauf berufen, das öffentliche Angebot, d. h. die invitatio ad offerendum, sei lediglich vom Konsortium ausgegangen, welche auch alleiniger Vertragspartner sein müsse. Der Emittent kann sich den Verpflichtungen nach § 242 BGB nicht allein dadurch entziehen, dass er sich zur Abwicklung eines Emissionskonsortiums bedient. Folglich entsteht durch die Order des Anlegers bei einer die Order entgegennehmenden Bank auch ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit den Pflichten des § 242 BGB zwischen dem „zeichnenden" Anleger und dem Emittenten.
b) Zuteilungszusage Grundsätzlich steht es bereits der Hauptversammlung frei, die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien zugleich mit Vorgaben hinsichtlich der Zuteilung zu versehen 617. Existieren keine Vorgaben der Hauptversammlung entscheidet der Vorstand der Gesellschaft über die Verteilung der Aktien nach eigenem Ermessen, wobei zu beachten gilt, dass ohne Ausschluss des Bezugsrechts Aktionäre vor Dritten zu bedienen sind 618 . Sind auch vom Vorstand keine Abnehmer für die zu verwertenden Aktien benannt worden, kann das Konsortium üblicherweise eine Veräußerung der neuen Aktien vornehmen 619. Abweichende Mechanismen können jedoch zwischen dem Konsortium und dem Emittenten im Einzelfall vereinbart werden. Die Hauptversammlung oder der Vorstand können also einem einzelnen Investor konkret Aktien zuweisen. Dies kann entweder durch Vereinbarung mit dem Konsortium im Übernahmevertrag als Vertrag zugunsten Dritter festgelegt (vgl. l.b) oben) oder aber auch in einer separaten Vereinbarung zwischen Vorstand und Investor zugesagt werden. Praktisch erfolgt die eigentliche Zuteilung der Aktien jedoch allein durch die Konsortialbanken, die die gesamte Tranche zeichnen und übernehmen. Da der Emittent den Anspruch auf Zuteilung daher nicht selbst erfüllen kann, bedarf es einer weiter gehenden Vereinbarung im Deckungsverhältnis zwischen Emittent und Konsortium, das das Konsortium zur Zuteilung von Aktien an den begünstig617 s. oben Fn. 238; Hüffen AktG, § 186 Rn. 40 mwN; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/ Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 137; Kölner Kommentar AktG /Lutter, § 186 Rn. 89. 618 Kölner Kommentar AktG / Lutter, § 186 Rn. 89, 95; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/ Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 37,140; Hüffen AktG, § 186 Rn. 40. 619 BGH Urteil v. 19. 06. 1995 in NJW 1995,2486.
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2. Teil: Die Aktienemission
ten Investor verpflichtet. Die Zuteilungszusage im Zuwendungs- oder Valutaverhältnis zwischen Emittent und Investor entscheidet dabei über das Behaltendürfen der Leistung. Wie bereits im Verhältnis des Investors zur Bank [siehe oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)dd)] stellt sich auch im Verhältnis zum Emittenten die Frage, ob durch eine Zuteilungszusage bereits eine vertragliche, wenn auch bedingte, Bindungswirkung erzielt werden soll, oder ob die Auslegung der Zuteilungszusage die Abgabe einer bloßen Verpflichtungserklärung mit dem Inhalt ergibt, das Angebot zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. regelmäßig durch Zuteilung, annehmen zu wollen. Bedient sich der Emittent bei der Neuemission der Dienste von Emissionsbanken, die die Aktien zeichnen und übernehmen, so besteht für den Emittenten kein Interesse weiter reichende Verpflichtungen bezüglich der Platzierung und Durchführung der Transaktion einzugehen als die Emissionsbanken selbst. Sämtliche Vereinbarungen der gesamten Emission werden vielmehr regelmäßig in Abstimmung mit dem Konsortium getroffen. Folglich kann auch eine Auslegung einer Zuteilungszusage durch den Emittenten nur zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung führen. Wenn sich die Emissionsbank bereits nicht vertraglich binden will, kann auch kein Interesse des Emittenten selbst bestehen. In Ausnahmefällen mag auf Grund einer expliziten Vereinbarung ein solches Bindungsinteresse bejaht werden.
c) Wettbewerbsrechtliche
Aspekte
Im Verhältnis zwischen Anleger und Emittent wäre denkbar, dass der Emittent in Bezug auf seine zu emittierenden Aktien alleine steht und als marktbeherrschendes Unternehmen i. S. d. § 19 GWB angesehen werde könnte. Dagegen spricht aber, dass sich der relevante Markt [siehe oben 5.a)aa)(2)] nicht auf die einzelne Aktienemission eines Unternehmens beschränkt, sondern auf den gesamten Neuemissionsmarkt von Aktien erstreckt. Im Übrigen muss auch § 19 GWB nach Sinn und Zweck dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Begriff des Markts auf mehrere Anbieter und nicht allein auf das eigene Produkt eines Unternehmens bezieht 620 . Ansonsten wäre jedes Unternehmen in Bezug auf seine Produkte marktbeherrschend. d) Aktienrechtliche Gleichbehandlung gemäß § 53a AktG (analog) In Anbetracht der Pflicht, gemäß § 53a AktG alle Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln, wäre an eine entsprechende Anwendung zur Gleichbehandlung aller „zeichnenden" Anleger zu denken 621 . Nach einhelliger 620 Emmerich, Kartellrecht, S. 168 f.; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 166. 621 So SdK in o.V, Gleichheit beim Börsengang, FAZ, 13. 01. 1999.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Ansicht ist § 53a AktG indessen allein auf gegenwärtige Aktionäre anwendbar 622. Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 53a AktG ist der Schutz der mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre vor Eingriffen seitens der Gesellschaftsorgane 623 . Die mitgliedschaftlichen Rechte setzen jedoch gerade die Mitgliedschaft in der betreffenden Gruppe, hier der Aktionäre, voraus. Die hier betroffenen „zeichnenden" Anleger sind aber gerade noch nicht Aktionäre des Emittenten.
e) Börsenrechtliche Gleichbehandlungspflicht gemäß § 39 I Nr. 1 BörsG (analog) Im Bereich des Aktienrechts nimmt § 391 Nr. 1 BörsG n.F. (§ 44 I Nr. 1 BörsG a.F.) keine eigenständige Bedeutung ein, da das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG und das börsenrechtliche Gleichbehandlungsgebot aus § 39 I Nr. 1 BörsG inhaltsgleich ist 6 2 4 . Eigenständige Bedeutung erlangt § 39 I Nr. 1 BörsG allein im Hinblick auf Gleichbehandlungspflichten des Emittenten gegenüber den Inhabern von ausschließlich Gläubigerrechte verbriefenden Wert625
papieren Der Zweck dieser Vorschrift sowie auch des § 7 I BörsZulV, der grundsätzlich die Börsenzulassung aller Aktien derselben Gattung vorschreibt, ist ausschließlich ein marktbezogener Schutz, der verhindern soll, dass Erwerbern aus der beschränkten Zulassung und einer hieraus resultierenden Marktenge Nachteile entstehen626. Bereits der Wortlaut des § 39 I Nr. 1 BörsG setzt entsprechend § 53a AktG die Inhaberschaft des entsprechenden Wertpapiers voraus. In Frage käme demnach auch hier allein eine analoge Anwendung. Eine Analogie wurde jedoch bereits im Rahmen des § 53a AktG ausgeschlossen. Demzufolge kann nicht über § 39 I Nr. 1 BörsG die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes nunmehr nicht nur auf Aktionäre, sondern sogar auf Inhaber von weniger weit reichenden Gläubigerrechten als Gesellschafterrechte ausgedehnt werden. Folglich ist auch hier eine analoge Anwendung und ein Primäranspruch auf Zuteilung von Aktien gestützt auf § 39 I Nr. 1 BörsG abzulehnen.
622 Pfuller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999,164, 166. 623 Kölner Kommentar AktG/Lutter/Zöllner, § 53a Rn. 19; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 4. 624 Schwark/Heidelbach, KMRK, § 39 BörsG Rn. 3; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 44 -44d BörsG Rn. 2; Schäfer, Grundzüge des neuen Börsenrechts, ZIP 1987,953, 956. 625 Schwark/Heidelbach, KMRK, § 39 BörsG Rn. 4; Schäfer/Hamann, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 44 BörsG Rn. 5; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 44-44d BörsG Rn. 3; Schäfer, Grundzüge des neuen Börsenrechts, ZIP 1987,953, 956. 626 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 6 Rn. 55; Vollmer/Grupp, Der Schutz der Aktionäre beim Börseneintritt und Börsenaustritt, ZGR 1995,459,471.
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2. Teil: Die Aktienemission
f) Prospektprüfung
der Börse gemäß § 30 III Nr. 3 BörsG
Die das Zulassungsverfahren betreffende börsenrechtliche Vorschrift des § 30 III Nr. 3 BörsG n.F. (§ 36 III Nr. 3 BörsG a.F.) regelt Zulassungsvoraussetzungen und betrifft allein das öffentlich-rechtliche Leistungsverhältnis zwischen Börse und Emittent. Die Zulassungsvorschriften dienen nicht dem Schutz des einzelnen Anlegers, sondern dem Schutz der Allgemeinheit 627 . Der Schutz des einzelnen Anlegers ist allein Rechtsreflex des Schutzes der Allgemeinheit. Demnach fehlt dem einzelnen Anleger bzw. Aktionär nach wohl einhelliger Auffassung die Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis, wenn er geltend machen will, die Zulassung bzw. ihre Ablehnung verletze § 30 ΠΙ Nr. 3 BörsG 628 . Dies muss erst Recht für den vorliegenden Fall gelten, in dem gerade der nicht mit Aktien bedachte lediglich potentielle Anleger Ansprüche gelten macht. Zwar besteht keine eigene Widerspruch- oder Klagebefugnis des Anlegers im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsstreits, denkbar wäre aber ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, wenn die Zulassungsstelle die ihr obliegenden Prüfipflichten verletzt hätte (siehe 3. Teil: 8. Kapitel: Π.5. unten).
II. Sonstige rechtliche Rahmenbedingungen 1. Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger Die immer harschere Kritik am bestehenden undurchsichtigen Zuteilungsprocedere für überzeichnete Neuemissionen veranlasste den Bundesminister für Finanzen im Mai 1999 die Börsensachverständigenkommission 629 (BSK) zu beauftragen, Vorschläge zum Thema Zuteilung an Privatanleger bei überzeichneten Aktienemissionen auszuarbeiten. Am 7. Juni 2000 veröffentlichte sodann die BSK das Ergebnis ihrer Arbeit, die „Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen", die seit dem 1. Juli 2000 gültig sind (die „Zuteilungsgrundsätze"). Der Anwendungsbereich begrenzt sich auf die Zuteilung bei Aktienemissionen, in deren Rahmen Aktien in Deutschland öffentlich zum Kauf angeboten werden. KMRK, § 30 BörsG Rn. 48, § 31 BörsG Rn. 12; 627 Unstr., vgl. nur Schwark/Heidelbach, Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 36-39 Rn. 30; Eickhoff, Der Gang an die Börse, W M 1988, 1713, 1714; Fluck, Zum Verzicht des Begünstigten auf Rechte aus einem Verwaltungsakt, W M 1995, 553, 558. 628 Schwark/Heidelbach, KMRK, § 30 BörsG Rn. 48, § 31 BörsG Rn. 12; Eickhoff, Der Gang an die Börse, W M 1988, 1713, 1714; Fluck, Zum Verzicht des Begünstigten auf Rechte aus einem Verwaltungsakt, W M 1995, 553, 558; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 36-39 Rn. 30a; von Rosen in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 2 Rn. 168. 629 Die Börsensachverständigenkommission hat die Bundesregierung in Kapitalmarktund Börsenfragen zu beraten.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Die Zuteilungsgrundsätze wurden laut Präambel explizit als Verhaltensempfehlung für Emittenten und Wertpapierdienstleister konzipiert und sind zunächst nicht verbindlich. Allerdings bestimmten sowohl das Regelwerk Neuer Markt (Ziffer 3.14) als auch die SMAX-Teilnahmebedingungen (Ziffer 2.9), dass die Zulassung zum Neuen Markt bzw. SMAX nur erfolgen kann, wenn der Emittent die Zuteilungsgrundsätze einhält. Ein Verstoß hiergegen konnte daher sanktioniert werden, beispielsweise durch Beendigung der Zulassung. Mit der Neusegmentierung des Aktienmarkts und dem Wechsel des letzten im Neuen Markt gelisteten Unternehmens wurden die privatrechtlichen Segmente Neuer Markt und SMAX zum 5. Juni 2003 geschlossen630. In den neu eingeführten Börsensegmenten Prime Standard und General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse wurde die Einhaltung der Zuteilungsgrundsätze dagegen nicht mehr verbindlich als Zulassungsvoraussetzung festgeschrieben, obwohl den Börsen mit den Änderungen des 4. FFG entsprechende Regelungsbefugnisse nunmehr zugestanden hätten. Mit den neuen §§ 42, 50 III und 54 S. 2 BörsG wurden die Börsen ermächtigt, in der Börsenordnung Zusatzsegmente mit weiter gehenden Folgepflichten zu normieren Die Zuteilungsgrundsätze wurden nicht als Normen verlautbart und haben deshalb keine eigenständige gesetzliche Geltungskraft. Demnach können die Grundsätze allein Einfluss auf die Auslegung gesetzlicher Vorschriften nehmen und so an deren Geltungskraft teilhaben. Demnach sind die Grundsätze als norminterpretierende Verlautbarungen 632 einer Verwaltungsbehörde einzustufen, der für die erfasste Regelungsmaterie keine eigenen legislativen Befugnisse zustehen. Problematisch ist eine solche Verwaltungspraxis jedoch insoweit, als die in den Zuteilungsgrundsätzen enthaltenen Vorgaben sich nicht im Wege der Auslegung aus einer gesetzlichen Bestimmung ableiten lassen 633 . Demnach können die Zuteilungsgrundsätze in ihrer bisherigen Form keine normative Wirkung, und sei es nur als Auslegungsrichtlinie, entfalten. Gleichwohl können die Wohlverhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG als Präzisierung bereits bestehender privatrechtlicher Pflichten aufgefasst werden 634 . Die Zuteilungsgrundsätze der Börsensachverständigenkommission sollen nach der In630 Vgl. Veröffentlichung der Frankfurter Wertpapierbörse unter www.deutsche-boerse.com. 631 Vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 14/8017, S. 80 f.; Beck, Die Reform des Börsenrechts, BKR 2002, 699, 706 f. 632 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 35; entsprechend für die Going-Public-Grundsätze der Deutschen Börse AG: Schlitt /Smith/We rlen, Die Going-Public-Grundsätze der Deutschen Börse AG, AG 2002,478,479. 633 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 36. 634 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 35; Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten, ZBB 1997, 139, 150; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 261; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 19; a.A. Waldeck in Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 647, 652.
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2. Teil: Die Aktienemission
terpretation des BAWe 6 3 5 als weiter gehende Konkretisierung der Pflicht zur Vermeidung von Interessenskonflikten gemäß § 311 Nr. 2 WpHG und damit auch als vorvertragliche Pflichten verstanden werden 636 . Damit finden die Zuteilungsgrundsätze nur Eingang in die Verhaltenspflichten der Emissionsbanken. Der Emittent wird demnach nur mittelbar über die Wohlverhaltenspflichten der Emissionsbanken miteinbezogen. Nach Willamowski 637 soll zudem die Bindung der Zuteilungspraxis an die Zuteilungsgrundsätze der BSK die Beachtung sachgerechter Kriterien bei der Zuteilung vom abstrakten Vertrauenstatbestand entkoppeln. Die Zuteilungsgrundsätze würden vielmehr einen einheitlichen Maßstab für das geschaffene Vertrauen durch die Emissionsbeteiligten setzen. Dies mag zwar früher auf Grund der verbindlichen Festschreibung im privatrechtlichen Regelwerk für Zulassungen zum Neuen Markt und SMAX gegolten haben. Gegen eine allgemein gültige Anwendung spricht jedoch bereits der Wortlaut der Zuteilungsgrundsätze, der explizit deren Anwendung als freiwillig in das Belieben der Emissionsbeteiligten stellt. Ohne einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand, sei es als Festschreibung in privatrechtlichen Regelwerken bzw. der Börsenordnung oder die ausdrückliche Ankündigung der Einhaltung der Zuteilungsgrundsätze durch den Emittenten oder die Emissionsbegleiter, kann der einzelne Investor auf eine Anwendung der Zuteilungsgrundsätze aber gerade nicht vertrauen. Mangels einer bisherigen verbindlichen Festschreibung werden die Zuteilungsgrundsätze nur dann Bestandteil des vorvertraglichen Schuldverhältnisses, wenn sich der Emittent bzw. die Konsortialbanken ausdrücklich den Empfehlungen unterwerfen 638. Die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission beschränken sich auf die Statuierung von Informationspflichten über das Zuteilungsverfahren, insbesondere bei Überzeichnung, sowie auf die Wiederholung der allgemein geltenden Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihre Mitarbeiter nicht besser zu stellen als ihre Kunden 639 . Weiter gehende Regelungen im Hinblick auf die Rechte und Pflichten des Zuteilungsverfahrens bei Aktienemissionen sind diesen Grundsätzen nicht zu entnehmen. Insofern ergeben sich keine Änderungen zur Richtlinie des BAWe vom 4. September 2001 gemäß § 35 V I WpHG zur Konkretisierung der §§31 und 32 WpHG 6 4 0 . 635 Schreiben des BAWe betreffend die Grundsätze der BSK für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger v. 22. 01. 2001. 636 Kumpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 34; Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 9, 21; Lang, Die Beweislastverteilung, W M 2000, 450, 455 mwN; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 24 Fn. 26. 637 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 662.
638 Vgl. auch Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 82. 639 Vgl. nur Schuster/Rudolf in Kümpel /Hammen /Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 9, 11, insbesondere S. 22: „Checkliste zur Erfüllung der Informationsanforderungen der BSK-Grundsätze".
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
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Angesichts des Charakters der Zuteilungsgrundsätze als bloße „Verhaltensempfehlung" bieten sie im Grunde, trotz zunehmender Akzeptanz in der Praxis 641 , keinen über die bisherigen Rechte der Anleger hinausgehenden Schutz. Die Grundsätze können daher vielmehr als „Appeasement-Aktion" 642 , denn als sinnvolle Regulierung bezeichnet werden.
a) Informationspflichten
vor Beginn der Zeichnungsfrist
Nach Art. 3 der Grundsätze sollen Unternehmen seit dem 1. Juli 2000 die Einzelheiten ihres Zuteilungsverfahrens vor der Frist, innerhalb derer Privatanleger Kaufangebote abgeben können, bekannt geben - vorausgesetzt jedoch, sie wurden bis zu diesem Zeitpunkt bereits zwischen Emittent und Konsortialführer vereinbart. Insbesondere soll der prozentuale Anteil des Emissionsvolumens, der für ein Friends & Family-Programm reserviert ist, das bei Überzeichnung angewandte Zuteilungsverfahren für Privatanleger, bzw. bei mehreren Verfahren die Voraussetzungen für die Auswahl einer der Möglichkeiten veröffentlicht werden. Sofern bereits vor Emission verbindliche Einzelheiten des Zuteilungsverfahrens feststehen, ist der Privatanleger gemäß Art. 8 der Grundsätze zumindest auf Nachfrage hierüber zu informieren. Beabsichtigt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Privatanleger, die Kaufangebote abgegeben haben, nur im Falle einer Zuteilung zu benachrichtigen, so ist gemäß Art. 11 der Grundsätze bei der Entgegennahme des Kaufauftrags darauf hinzuweisen. Zusätzlich bestehen gemäß Art. 10 bei Entgegennahme von Kaufangeboten auch Hinweispflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nicht Mitglieder des Emissionskonsortiums sind, über die im Falle hoher Nachfrage geringe Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Zuteilung. Die Beschränkung der Veröffentlichungspflicht auf Inhalte, zu denen bereits eine Einigung vorliegt, kann freilich auch als Einladung angesehen werden, sich gerade nicht frühzeitig, d. h. vor Beginn der Zeichnungsfrist, zu einigen 643 .
b) Informationspflichten
nach Abschluss der Zuteilung
Nach Abschluss der Zuteilung soll der Emittent gemäß Art. 4 den prozentualen Anteil der Retailtranche und des Friends & Family-Programms am Emissionsvolumen sowie den Umfang der Zuteilung an Organmitglieder des Emittenten ver640 Vgl. Fn. 572 oben. 641 Schwark/Heidelbach, KMRK, § 37 BörsG, Rn. 24 mwN. 642 Köndgen, Börsensachverständigenkommission: Neuer Zuteilungskodex, ZBB 2000, 287; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 665. 643 So auch Gerke, Grundsätze für die Zuteilung bei Aktienemissionen - Börsensachverständige sind zu zahm, HB, 08.06. 2000, S. 39.
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2. Teil: Die Aktienemission
öffentlichen. Des Weiteren unterliegt das tatsächlich angewandte Zuteilungsverfahren und die Ausübung des Greenshoe der Veröffentlichungspflicht. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat zudem gemäß Art. 8 seine Kunden, die Kaufangebote abgegeben haben, zumindest auf Nachfrage über Art und Einzelheiten des bei der Zuteilung an Privatanleger gewählten Zuteilungsverfahrens zu informieren. Als Medium kommen dabei Pressemitteilungen oder aber auch eine Veröffentlichung auf der Homepage der Emissionsbank respektive des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Betracht. Gemäß Art. 6 soll eine Emissionsbegleitung nur unter Einhaltung der in Art. 3 und 4 genannten Pflichten erfolgen.
2. Going Public-Grundsätze Am 15. Juli 2002 veröffentlichte die Deutsche Börse AG erstmals Going PublicGrundsätze 644, die am 1. September 2002 in Kraft traten und am 1. August 2004 redaktionell und inhaltlich überarbeitet wurden. Ziel der Going Public-Grundsätze war die Verbesserung des Anlegerschutzes durch Erhöhung der Transparenz der für die Anlageentscheidung relevanten Informationen sowie die Schaffung eines einheitlichen Informationsniveaus für alle Anleger. Zudem sollten sie zu Fairness und Chancengleichheit gegenüber den Investoren beitragen 645 . Sie enthielten allerdings keine verbindlichen Vorgaben, sondern stellten gemäß Ziffer 1 lediglich Verhalten- und Handlungsempfehlungen für Emittenten und alle Emissionsbeteiligten auf und entfalteten außerhalb einer zivilrechtlichen Anerkennungserklärung des Adressaten keine Wirksamkeit 646 . Ziel war es insbesondere, den Emissionsprospekt als zentrales Informationsmedium und Entscheidungsgrundlage für Anleger bei Börsengängen zu stärken. Zusätzlich sollte eine größere Transparenz der für die Anlageentscheidung maßgeblichen Informationen erreicht werden. Zum anderen sollte aber auch der Informationsfluss vom Emittenten zu den Investoren während der Angebotsphase eingeschränkt werden. So sahen die Grundsätze in Ziffer 5 vor, dass der Emittent ab dem Zeitpunkt des Zulassungsantrags, spätestens jedoch vier Wochen vor dem öffentlichen Angebot bis zum Ende der Stabilisierungsfrist (bis spätestens 30 Tage nach Notierungsaufnahme) keine Informationen über die Finanz- und Ertragslage abgeben darf. Zusätzlich war es den Konsortialbanken gemäß Ziffer 6.1. untersagt, spätestens zehn Kalendertage vor Beginn des öffentlichen Angebots keine emissionsbezogenen Unternehmensstudien über den Emittenten zu veröffentlichen (sog. Blackout-Periode). Diese Regelungen wurden geschaffen, um eine Gleichbehandlung von institutionellen und Privatanlegern im Hinblick auf ein einheit644 Deutsche Börse AG, Going Public-Grundsätze, AG 2002, 507. 645 Deutsche Börse Group, Kapitalmarkt Deutschland - White Paper, S. 83. 646 Schlitt/Smith/Werten, Die Going-Public-Grundsätze, AG 2002, 478, 479; Meyer, Going Public Grundsätze der Deutsche Börse AG, W M 2002, 1864,1865 f.
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liches Informationsniveau herzustellen 647. Festzustellen ist allerdings, dass in der Praxis Research-Studien vor Beginn der Blackout-Periode i.d.R. ausschließlich an institutionelle Investoren versendet werden 648 . Somit wurde die Gleichbehandlung der Anleger bezüglich gleicher Informationsrechte praktisch damit noch nicht verwirklicht. Mit in Kraft treten des WpPG werden die Regelungsinhalte der Going Public-Grundsätze vom WpPG, insbesondere der Umgang mit Werbung in § 15 WpPG gesetzlich geregelt. Damit erklärte die Deutsche Börse mit Rundschreiben vom 1. Juli 2005 die Ablösung der Going Public-Grundsätze durch das WpPG. Abgesehen von der Zielsetzung der informationellen Gleichstellung von Privatanlegern und Institutionellen ergeben sich aus den Going Public-Grundsätzen sowie nunmehr § 15 V WpPG keine weiteren Handlungsvorgaben mit Blick auf die Zuteilung von Aktien. Begrüßenswert erscheint, trotz des Unverständnisses der eher wähl- und ziellosen Übernahme einzelner amerikanischer Publizitätsverbote in den Going-Public Grundsätzen, das Bestreben die Gleichbehandlung der Investoren zumindest auf informationeller Ebene herzustellen. 3. IPO-Norm Über Informationspflichten nach Abschluss der Zuteilung hinausgehend, fordert die SdK seit Beginn des Jahres 2000 v.a. eine rechtzeitige Information des Anlegers 649 . Diese Forderungen wurden daneben in einer Initiative zur Verleihung eines Gütesiegels für Neuemissionen, der „IPO-Norm" (www.ipo-norm.de) verwirklicht. Darin wurde v.a. auch die Forderung erhoben den (Unvollständigen) Verkaufsprospekt rechtzeitig, d. h. eine Woche vor Beginn der Zeichnungsfrist zu veröffentlichen. Rechtlich vorgeschrieben ist gemäß § 9 I VerkProspG, nunmehr § 14 I WpPG, die Veröffentlichung des Prospekts mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot. Mit Beginn der ersten Anzeichen einer Wiederbelebung des Aktienemissionsgeschäfts erfolgte die Anpassung der IPO-Norm an die Going Public-Grundsätze und es wurden zusätzlich die Gleichbehandlungspflichten im Hinblick auf gleiche Information für private und institutionelle Anleger aufgenommen 6 5 0 . Begrüßenswert erscheint in diesen Kriterien die Forderung nach einer Veröffentlichung der Zuteilungsquoten nach Börsengang. Gemäß Ziffer 4 der IPONorm müssen sich die Emittenten verpflichten, die Zuteilungsquoten für Privatanleger, Friends & Family-Programme und Institutionelle nach erfolgtem IPO bekannt zu geben. Weitere Informationen über die Verteilung des Streubesitzes werden zwar aus Transparenzgründen empfohlen, haben jedoch keinen Einfluss auf die Verleihung des Qualitätssiegels. 647 648
s. Ziffer 1 (Präambel) der Going Public-Grundsätze.
Schiffmacher, IPO-Märkte dürften sich deutlich erholen, Going Public (Sonderausgabe) 2004, S. 30. Keitel, Zuteilung von Aktienemissionen, Going Public 2000, 110, 112; vgl. www.iponorm.de. 650 Schiffmacher, Mehr Transparenz beim Börsengang, Going Public 2004,44 f.
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2. Teil: Die Aktienemission
4. CESR (vormals FESCO)-Standards Das Committee of European Securities Regulators (CESR) wurde am 6. Juni 2001 durch Beschluss der Europäischen Kommission als formeller europäischer Ausschuss gegründet 651. Als Nachfolgeorganisation der FESCO 652 führt es die Arbeit dieses Gremiums der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden fort. CESR soll neben dem Informations- und Erfahrungsaustausch, der Entwicklung und Überwachung gemeinsamer Aufsichtsstandards dienen. Zusätzlich nimmt CESR eine beratende Funktion bei der Ausfüllung von Rahmenrichtlinien ein. Am 9. April 2002 veröffentliche CESR ein am 14. März 2002 verabschiedetes Papier zur Regulierung von Aktivitäten am Primärmarkt, d. h. zur Stabilisierung und Zuteilung von Aktienemissionen („CESR-Standards") 653. Dieses beruhte auf einem am 11. Juni 2001 veröffentlichten und überarbeiteten Entwurf eines Konsultationspapiers 654. Mit dem Ziel ein transparentes und faires Zuteilungsverfahren auf europäischer Ebene zu schaffen, wurden in diesem Papier harmonisierte Standards für Stabilisierungspraktiken bei Aktienemissionen, harmonisierte Offenlegungsanforderungen für die Zuteilung von Wertpapieren und einige Grundregeln für das Zuteilungsverfahren vorgeschlagen. Dieses Papier wurde nicht auf Grund eines offiziellen Mandats der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der geplanten Richtlinie über Insiderhandel und Marktmanipulation oder der Börsenprospekt-Richtlinie ausgearbeitet 655. Folglich enthält dieses Papier keine Umsetzungsmaßnahmen (Stufe 2) nach dem Lamfalussy-Verfahren einer gebilligten Rahmengesetzgebung. Die unter Vorsitz des früheren belgischen Notenbankchefs Baron Alexandre Lamfalussy entwickelten und im März 2002 vom Europäischen Rat gebilligten Vorschläge zur Beseitigung regulatorischer Hindernisse bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Finanzmarktes bis 2005 (Lamfalussy-Verfahren) sollen auf der Basis eines Vier-Stufen-Modells zur Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses führen. Dieses reicht von der Festlegung allgemeiner Grundsätze (Rahmengesetzgebung) in einer Richtlinie (Stufe 1) über konkrete detaillierte Umsetzungsmaßnahmen (Stufe 2), die einheitliche Anwendung (Stufe 3) bis hin zur Durchsetzung in den Mitgliedsstaaten (Stufe 4). Das Parlament entscheidet demnach nur noch über den Rechtsrahmen und nicht mehr über die vollständigen 651 Entscheidung der Europäischen Kommission v. 06. 06. 2001 (2001 /1501 /EC); s. auch BAWe, Jahresbericht, 2001, S. 45. 652 The Forum of European Securities Commissions : Ein Zusammenschluss der europäischen Weitpapieraufsichtsbehörden. 653 CESR, Stabilisation and Allotment - A European Supervisory Approach, April 2002, Ref. CESR/02-020b. 654 FESCO , Stabilisation and Allotment - A European Supervisory Approach, Second Consultative Document, June 2001, Ref: Fesco/01-037b; FESCO , Stabilisation and Allotment A European Supervisory Approach, Consultative Paper, 15.09.2000, Ref: Fesco/00-099b. 655 CESR, Pressemitteilung, CESR/02-042, 27. 03. 2002, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
159
Rechtstexte. Details werden von verschiedenen Ausschüssen beraten und ausgearbeitet. Zu diesen Ausschüssen zählen CESR, das European Securities Committee (ESC), das Advisory Panel of Financial Services Experts (APFSE) und das Market Participants Consultative Panel (MPCP). Mangels konkreten Mandats konnte CESR keine Vorschläge für eine rechtliche Regulierung auf einer der Stufen des Lamfalussy-Verfahrens unterbreiten. Die vorgestellten CESR-Standards stellen lediglich eine - wenn auch wichtige - Grundlage für die zukünftige Diskussion dieses Themas dar 6 5 6 . Normadressaten sind mangels Aufsichtsgewalt über die Emittenten ausschließlich die Emissionsbanken657. Diese Standards sollen mit einer Verpflichtung der Mitglieder zur Umsetzung der Reglungen durch Transformation oder direkte Übernahme in nationales Recht umgesetzt werden. Bei Verpflichtungen des Emittenten selbst, wäre in Deutschland mangels Aufsichtgewalt der BaFin insbesondere der nationale Gesetzgeber gehalten, die Empfehlungen einer verbindlichen Regulierung zuzuführen. a) Zuteilungsgrundsätze
und -mechanismen
Zielsetzung der CESR-Standards 658 ist entsprechend den deutschen Zuteilungsgrundsätzen der BSK eines transparentes und faires, europäisch harmonisiertes Zuteilungsverfahren zum Vorteil von Anlegern, Emittenten und Emissionsbanken. Der Anwendungsbereich erstreckt sich gemäß Ziffer VI.2. auf Aktienemissionen mit Platzierung einer Tranche bei Privatanlegern. Dabei enthalten die Vorschläge sowohl Verpflichtungen des Emittenten selbst als auch der Emissionsbanken, respektive Finanzdienstleister. Primär dienen die Vorschläge gemäß Ziffer VI.l. der Implementierung von Informations- und Veröffentlichungspflichten vor und nach der Emission, insbesondere über das Zuteilungsverfahren, die Angebotsstruktur und deren Änderungsmöglichkeiten. Ziffer VI.2.1. der CESR-Standards stellt bestimmte Zuteilungsgrundsätze (Allotment Principles ) auf. Allerdings sehen die Empfehlungen im Gegensatz zu den Zuteilungsgrundsätzen der BSK davon ab, spezifische Zuteilungsverfahren im Einzelnen vorzuschlagen. Die Standards bestimmen lediglich, dass zwischen dem Zuteilungsverfahren für die Retailtranche, der Mitarbeitertranche des Emittenten und der Mehrzuteilungstranche Einheitlichkeit bestehen muss und dass bei der Auswahl des Zuteilungsverfahrens Rücksicht auf die spezifischen Eigenheiten der Emission genommen werden muss. Zusätzlich stellt CESR klar, dass die Transparenzvorschriften im Hinblick auf eine bevorzugte Zuteilung bestimmter Anlegergruppen, 656 CESR, Pressemitteilung, CESR/02-042, 27. 03. 2002, abrufbar unter www.cesr-eu.org. 657 Hausmanninger, Zuteilungsfragen bei Erstemission, Festschrift für Koppensteiner, 2001, S. 43, 54. 658 s. Ziffer I der CESR-Standards.
160
2. Teil: Die Aktienemission
wie ζ. B. das Friends & Family-Programm, keine Unterstützung solcher Programme bedeutet. Andererseits erkennt CESR jedoch an, dass verschiedene Anlegerkategorien, wie Retail-Investoren und Institutionelle beim Zuteilungsverfahren unterschiedlich behandelt werden dürfen, vorausgesetzt, dies wurde im Prospekt offen gelegt. Zum Schutz der Retailtranche legen die CESR-Standards zudem fest, dass im Falle der Überzeichnung keine Kürzung der Retailtranche vorgenommen werden darf und auch mögliche Umverteilungen der verschiedenen Tranchen (Clawback) nicht zu Lasten der Retailtranche durchgeführt werden dürfen. Zusätzlich soll den Emissionsbanken untersagt sein, zu anderen Zwecken Aktien zu zeichnen als zur Platzierung. Angehörige von Konsortialmitgliedern dürfen zwar Aktien aus der Emission zeichnen. Sie dürfen aber nicht in der institutionellen Tranche teilnehmen, nicht bevorzugten Gruppen angehören und auch nicht gegenüber Kunden bevorzugt werden. b) Informationspflichten Über die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission hinausgehend sind teilweise die von der CESR aufgestellten Informationspflichten. Hiernach sind gemäß Ziffer VI.1.2.2.a. neben der Aufteilung des Angebots in die verschiedenen Tranchen, einschließlich Retail-, Institutionelle- und Mitarbeiter-Tranche und den Bedingungen für eine Abweichung von der Trancheaufteilung (sog. Clawback), auch die bei einer Überzeichnung anzuwendenden Zuteilungsverfahren vorab unaufgefordert zu veröffentlichen. Überdies ist eine bevorzugte Zuteilung an bestimmte Anlegergruppen (Affinity Groups) einschließlich Friends & FamilyProgrammen aus der Retailtranche und deren prozentualer Anteil und die entscheidenden Kriterien offen zu legen. Ein etwaiger Einfluss des Umstandes, bei welchem Institut die Order erfolgt und eine mögliche individuelle Mindestzuteilung der Retailtranche sind ebenfalls zu veröffentlichen. Dagegen wurde in der nunmehr vorliegenden Fassung die Offenlegung des Umfangs der Free Retention vor endgültiger Zuteilung im Gegensatz zu den früheren Vorschlägen nicht mehr mitaufgenommen. Im Gegensatz zu den Grundsätzen der Börsensachverständigenkommission scheint die CESR davon auszugehen, dass diese Informationen bereits vorab, d. h. vor Beginn der Zeichnungsfrist feststehen müssen. Dies mag zwar häufig der Fall sein, zwingend notwendig ist dies jedoch nicht. Zumal auch bei von den Erwartungen abweichender Nachfrage eine Anpassung der Bedingungen sowohl zulässig als auch für eine erfolgreiche Platzierung erforderlich ist. Auch nach Abschluss der Zuteilung erfordern die CESR-Standards eine umfassende Publizität. Der zu bestimmende Verantwortliche der Zuteilung (Allotment Manager) hat gemäß Ziffer VI.1.2.2.b. unaufgefordert das endgültige Zuteilungsvolumen, die Zuteilung nach Tranchen, inklusive Clawback, bevorzugte Zuteilungen und deren Ausmaß, die Ordersituation sowie das Ausnutzen der Mehrzutei-
4. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zuteilung von Aktien
161
lungstranche offen zu legen. Zusätzlich sind nach Zuteilung auch der prozentual bevorzugt zugeteilte Anteil sowie der prozentuale Anteil der Free RetentionTranche zu veröffentlichen. Anleger sind in geeigneter Weise über das Ergebnis ihrer Kaufangebote zu informieren (Ziffer VI.1.2.2.C.). Gemäß Ziffer VI.1.2.2.d. sind zudem Informationen zu Zuteilungen aus der Free Retention und des Friends & Family-Programms sowie Zuteilungen an Mitarbeiter der Konsortialmitglieder zur Disposition der Aufsichtsbehörden zu halten.
c) Fazit Zusätzlich zu den Zuteilungsgrundsätzen der BSK verlangt CESR mögliche Ungleichbehandlungen verschiedener Anlegerkategorien im Prospekt offen zu legen, ohne jedoch die Möglichkeit vorzusehen, dass die Zuteilungskriterien zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht abgesprochen und festgelegt wurden. Neben umfangreichen Publizitätsvorschlägen, die jedoch wiederum wichtige Elemente wie die Offenlegung des Umfangs der Free Retention vor Zuteilung aussparen, begnügen sich die CESR-Standards mit einer vereinzelten Festlegung von wahllos herausgegriffenen unzulässigen Maßnahmen v.a. zu Lasten der Retailtranche. Wie bereits in der Einführung zu den CESR-Standards selbst erläutert, blieben die Vorschläge insgesamt bei weitem hinter dem zurück, was wünschenswert gewesen wäre und reduzierten sich auf die Vorstellung von ein paar Elementen zur Harmonisierung 659 .
659 s. Ziffer I., S. 5 der CESR-Standards. 11 Koehler
3. Teil
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Zuteilung von Aktien 5. Kapitel
Die Wirkung von Grundrechten im Privatrecht im Allgemeinen Zur näheren Darstellung der Wirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes660 im Zivilrecht und speziell bei der Zuteilung von Aktien bei Neuemissionen ist der Blick zunächst auf die allgemeinen Funktionen und Wirkungen der Grundrechte im Privatrecht zu richten. Bei der Auslegung und der Fortbildung des Privatrechts kommt auch dem Grundgesetz eine herausragende Bedeutung zu. Sein Vorrang in der Normenhierarchie vor dem einfachen Gesetz wirkt sich auch im Privatrecht aus 661 . Trotz zahlreicher dogmatischer Begründungsversuche 662 zur Rechtsgrundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Zivilrecht, wird heute überwiegend auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte und somit auf die mittelbare Drittwirkung des Art. 3 GG rekurriert 663 . In ihrer Entstehungsgeschichte waren die Grundrechte zwar als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert 664 . Indessen wurde das Grundgesetz nicht als wertneutrale Ordnung entworfen, weshalb sich der Grundrechtsabschnitt zugleich als objektives Wertsystem darstellt, das für alle Bereiche des Rechts gilt 6 6 5 . Damit wird die Frage der Drittwirkung der Grundrechte aufgeworfen. Unter Drittwirkung 660
Teilweise auch als Gleichheitsgrundsatz bezeichnet. Vgl. z. B. Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey, 1955 I, S. 537. 661 Larenz/Wolf, BGB AT, 1997, § 4 Rn. 46. 662 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 83 ff.; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 90. 663 Larenz, SRAT, 1987, § 4 I a), S. 47; Palandt /Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 8, 10 mwN; Müko /Roth, BGB, § 242 Rn. 52 mwN, der den Streit im Rahmen des § 242 BGB für irrelevant hält, solange man nur anerkennt, dass die Wertentscheidungen des GG jedenfalls auch über die Generalklauseln in die Interessenabwägung Eingang finden. 664 BVerfG Urteil v. 15.01. 1958 in BVerfGE 7, 198, 204 f. (Lüth); BVerfG Urteil v. 01. 03. 1979 in BVerfGE 50, 290, 337 (Mitbestimmung); Bleckmann, Staatsrecht Π, 1997, § 10 Rn. 84 mwN; von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 16. 665 BVerfG Urteil v. 15. 01. 1958 in BVerfGE 7,198,205 (Lüth).
5. Kap.: Die Wirkung von Grundrechten im Privatrecht im Allgemeinen
163
ist dabei die Geltung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung und im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander, also in horizontaler Richtung zu verstehen. Im Gegensatz dazu beeinflussen nach klassischem Verständnis die Grundrechte das Verhältnis zwischen Bürger und Staat (vertikale Richtung). Abgesehen von Art. 9 III GG - dessen unmittelbare Drittwirkung unbestritten i s t 6 6 6 - und derjenigen Grundrechte, die ihrer Natur nach nur gegen den Staat gerichtet sein können (ζ. B. das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 III GG), lässt sich die Frage der Drittwirkung nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz entnehmen. Die Frage, auf welche Weise und in welchem Umfang die Grundrechte auf das Privatrecht einwirken, ist bis heute umstritten. Nach der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung gelten die Grundrechte als Verbote (§ 134 BGB) oder Schutzgesetze (§ 823 BGB) unmittelbar auch im privaten Rechtsverkehr 667. Dieser Streit hat sich jedoch in Rechtsprechung 668 und Literatur 669 fast einhellig zugunsten der mittelbaren Drittwirkung entschieden. Die Ansicht, die Grundrechte hätten keinerlei Einfluss auf das Privatrecht wird heute dagegen nicht mehr vertreten 670 . Ebenfalls der h.M. angeschlossen hat sich nunmehr das BAG, welches teilweise zur unmittelbaren DrittWirkung der Grundrechte tendierte 671 . Die Grundrechte gelten nach der Theorie der mittelbaren Drittwirkung nicht direkt im Privatrecht und sind abgesehen von wenigen Ausnahmen 672 keine Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB oder Schutzgesetze i. S. d. § 823 Π BGB. Vielmehr beeinflussen sie als objektives Wertsystem insofern das Privatrecht als Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung hieraus Richtlinien und Impulse empfangen. So wirken die Grundrechte wie die Wertordnung des Grundgesetzes insgesamt durch Auslegung und über die Generalklauseln auch auf das Privatrecht ein. 666 von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 29; von Münch/Löwer, GG, Art. 9 Rn. 76; Bleckmann, Staatsrecht Π, 1997, § 10 Rn. 68. 667 BAG Urteil v. 03. 12. 1954 in BAGE 1, 185, 193; anders jetzt aber BAG Urteil v. 20. 12. 1984 in BAGE 47, 363, 374; BAG Urteil v. 27. 02. 1985 in BAGE 48, 122, 138; Vorlagebeschluss des BAG ν. 12. 06. 1992 in JZ 1993, 908, 909; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1993, 373 ff., 383. 668 BVerfG Urteil v. 15.01. 1958 in BVerfGE 7, 198, 205 (Lüth); BVerfG Urteil v. 26. 02. 1969 in BVerfGE 25, 256, 263 (Blinkfüer); BVerfG Urteil v. 14. 02. 1973 in BVerfGE 34, 269, 280 (Soraya); BVerfG Beschluss v. 19. 10. 1993 in NJW 1994, 36, 38; BGH Urteil v. 28. 04. 1986 in NJW 1986, 2944; BGH Urteil v. 23. 11. 1998 in NJW 1999, 1326. 669 von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 31; Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 1 m Rn. 102 ff., 127 ff., Art. 3 I Rn. 505 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 8; mit weiterer Differenzierung Bleckmann, Staatsrecht Π, 1997, § 10 Rn. 68 ff., 100, 122 ff.; so explizit auch Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1993, 373. 670 von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 29. 671 BAG Urteil v. 20. 12. 1984 in BAGE 47, 363, 374; BAG Urteil v. 27. 02. 1985 in BAGE 48,122, 138; Vorlagebeschluss des BAG ν. 12. 06. 1992 in JZ 1993, 908, 909 f. 672 Ausnahmen: Art. 9 III, 48 II, 381 2 GG; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 134 Rn. 4. 11*
164
.
: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Medium für die Ausstrahlung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht sind insbesondere die Generalklauseln, die deshalb als „Einbruchsteilen" der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet wurden 673 . Gegen die unmittelbare Drittwirkung wird hauptsächlich vorgebracht, dass sie die Privatautonomie gefährde und zerstöre 674. Demgegenüber wirken die Grundrechte bei der mittelbaren Drittwirkung über die Generalklauseln mit unterschiedlicher und abgestufter Intensität auf das Privatrecht ein, je nach dem ob es sich um Monopolstellungen, extreme Marktmacht, wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeitsverhältnisse oder Ähnliches handelt oder nicht 6 7 5 . Keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zur objektiven Wertordnung des Grundgesetzes stehen, vielmehr muss jede in seinem Geiste ausgelegt werden 676 . Konkret bedeutet dies, dass zum einen neues Recht im Einklang mit dem grundrechtlichen Wertesystem stehen muss und zum andern bestehendes älteres Recht inhaltlich auf dieses Wertesystem auszurichten ist.
I . Die Bindung des Privatrechtsgesetzgebers 1. Grundrechte als Abwehrrechte Ausgangspunkt ist dabei zunächst die inzwischen nahezu einhellig anerkannte Wirkung der Grundrechte als Abwehrrechte auch gegenüber dem Privatrechtsgesetzgeber, der gemäß Art. 1 III GG beim Erlass privatrechtlicher Normen an den Katalog der Grundrechte gebunden ist 6 7 7 . Erwähnt seien hierbei die zahlreichen Normen des Familienrechts, die am Maßstab der Grundrechte für verfassungswidrig erklärt wurden 678 .
673 BVerfG Urteil v. 15. Ol. 1958 in BVerfGE 7,198, 206 (Lüth). 674 Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Ι Π Rn. 127 ff., Art. 3 I Rn. 505 ff.; von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 30 mwN; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 205. 675 Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 511; von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 31. 676 BVerfG Urteil v. 15. 01. 1958 in BVerfGE 7, 198, 205 (Lüth); BGH Urteil v. 28. 04. 1986 in NJW 1986, 2944 mwN. 677 Vgl. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 374 ff. mwN in Fn. 14; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 212; Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 1 ff. 678 So hat ζ. B. das BVerfG § 1355 II 2 a.F. BGB, der vorsah, dass der Name des Mannes gemeinsamer Ehename der Ehegatten wurde, wenn sich die Partner nicht einigen konnten, am Maßstab des Art. 3 II GG überprüft.
5. Kap.: Die Wirkung von Grundrechten im Privatrecht im Allgemeinen
165
2. Grundrechte als Schutzgebote Andererseits ist der Gesetzgeber auch gehalten, Vorkehrungen zu treffen, um vor Eingriffen Dritter Schutz zu gewähren 679. Beispielhaft sei hier nur § 823 I BGB und die aus den Grundrechten als Abwehrrechte weiterentwickelte und allgemein anerkannte Möglichkeit des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs 680 genannt.
Π. Die Wirkung der Grundrechte im Vertragsrecht 1. Grundrechte als Abwehrrechte Die Grundrechte als objektives Wertsystem bestimmen sodann die Auslegung bereits bestehender Normen. Die grundrechtlichen Wertmaßstäbe beeinflussen dabei vor allem diejenigen Vorschriften des Privatrechts, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weiten Sinne - bilden. Angesprochen sind hiermit Prinzipien, die aus Gründen des Gemeinwohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind. Der Rechtsprechung bieten sich als Medium für die Ausstrahlung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht die „Generalklauseln" (§§ 138, 157, 242, 307, 826 BGB), die zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf Maßstäbe wie „gute Sitten" verweisen. Infolgedessen kommt der Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist, bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen wesentliche Bedeutung zu 6 8 1 . Eine unmittelbare Verpflichtung der Privatrechtssubjekte vermögen die Grundrechte dagegen nicht zu begründen. Ebenso wenig kann es richtig sein, eine vertragliche Regelung immer dann zu verwerfen, wenn ein entsprechender Eingriff des Gesetzgebers mit den Grundrechten nicht vereinbar wäre. Vielmehr ist auch die Privatautonomie dessen, der sich auf die vertragliche Regelung stützt, ebenfalls vom Grundgesetz garantiert 682 . Folglich muss die Verwerfung einer rechtsgeschäftlichen Abrede als sittenwidrig selbst mit der grundrechtlichen Verbürgung der Privatautonomie vereinbar sein und zwar speziell mit der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte des durch die Nichtanerkennung Betroffenen. Hierbei zeigt sich auch die Schwäche der 679 Canaris , Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 225 f.; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 378. 680 Palandt/Thomas, BGB, Einf ν § 823 Rn. 18 ff. mwN. 681 BVerfG Urteil v. 15. 01. 1958 in BVerfGE 7, 198, 206 (Lüth); BGH Urteil v. 28. 04. 1986 in NJW 1986, 2944 mwN; von Münch/von Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rn. 31; Müko/Roth, BGB, § 242 Rn. 52; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373 ff. mwN. 682 BVerfG Beschluss v. 12. 11. 1958 in BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG Beschluss v. 04. 05. 1982 in BVerfGE 60, 329, 339; BVerfG Beschluss v. 19. 10. 1993 in ZIP 1993, 1775, 1779 unter C Π 2a; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 377 mwN.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Theorie von der mittelbaren Drittwirkung. Der Betroffene wäre zwar vor einem zu weit gehenden Eingriff des Gesetzgebers selbst geschützt. Dies vermag ihn aber nicht vor der Verwerfung einer eigenen vertraglichen Abrede nach § 138 BGB zu bewahren, wenn sich sein Vertragspartner auf die mittelbare Drittwirkung eines Grundrechts mit der Folge der Sittenwidrigkeit beruft. Die Grenzen der mittelbaren Drittwirkung zeigen sich somit im Rahmen des Vertragsrechts durch eine Abwägung der sich entgegenstehenden Grundrechte der Vertragspartner. Infolgedessen ist insbesondere im Vertragsrecht die nach der Theorie der mittelbaren Drittwirkung unterschiedliche Intensität der Einwirkung der jeweiligen Grundrechte auf das jeweilige zu beurteilende Privatrechtsverhältnis 6 8 3 von Bedeutung. Dieser Frage wird konkret in den einzelnen hier zu beurteilenden Rechtsverhältnissen im Rahmen der Wirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nachgegangen. Die notwendige Abwägung der entgegenstehenden Interessen der Vertragspartner zeigt die Wirkung der Grundrechte als Abwehrrecht. Im konkreten hier zu entscheidenden Sachverhalt macht der Anleger die Verletzung seiner Rechte aus dem Gleichheitsgrundsatz geltend, wohingegen die Emissionsbanken bzw. der Emittent darauf verweisen, eine Einschränkung ihrer vertraglichen Rechte verstoße gegen ihre Privatautonomie. Bei der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes und dessen Wirkung kommt es daher entscheidend auf eine Interessenabwägung der sich gegenüberstehenden und sich auf unterschiedliche Grundrechte berufenden Parteien an. 2. Das Schutzgebot der Grundrechte Darüber hinaus sind auch die Grundrechte in ihrer Funktion als Schutzgebote zu beachten. Damit ist die Funktion der Grundrechte angesprochen, ob und mit welchen Mittel, sei es zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Natur, der Staat zugunsten des anderen Teil eingreifen muss 684 . Dabei ist wiederum die Intensität des Grundrechtseingriffs maßgebend. Die h.M. nutzt die Schutzfunktion der Grundrechte auch für die Kontrolle privatrechtlicher Verträge, regelmäßig im Rahmen von § 138 BGB685.
683 Vgl. oben Fn. 675. 684 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 227; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 378 mwN. 685 BVerfG Urteil v. 07.02. 1990 in BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG Urteil v. 28. 01. 1992 in BVerfGE 85, 191, 213; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 225; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 57 f.; Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 378 ff. mwN.
6. Kap.: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen
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6. Kapitel
Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen I. Geltungsbereich und Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Letzte Grundlage jeder Gleichbehandlung ist das für die gesamte Rechtsordnung maßgebende Gerechtigkeitsprinzip. Die Wurzeln des Gleichheitssatzes reichen zurück bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. Seit Aristoteles bestimmt vor allem der Gleichheitssatz den Inhalt der Gerechtigkeitsvorstellungen. Aristoteles unterschied dabei bereits zwischen der Austausch- und der Verteilungsgerechtigkeit 686. Die Austauschgerechtigkeit beinhaltet danach, dass im Austauschverhältnis die Leistung der Gegenleistung entsprechen muss. Dies wird nach dem liberalen Verständnis der Grundrechte im klassischen bürgerlichen Recht grundsätzlich durch die Vertragspartner eines bilateralen Vertrags und nicht durch den Richter bestimmt 687 . Die Verteilungsgerechtigkeit hingegen greift nicht im bilateralen Verhältnis, sondern immer dann ein, wenn eine natürliche oder juristische Person knappe Mittel, gleich welcher Art, zwischen zwei oder mehr Personen verteilt 688 . In diesem Sinne handelt es sich im Rahmen der Zuteilung von Aktien um ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit. Ursprünglich galt der Grundsatz, dass der Gleichheitssatz der Vertragsfreiheit der Individuen keinerlei Schranken zog 6 8 9 . Dieser Grundsatz konnte in zweierlei Hinsicht dahingehend ausgelegt werden, dass entweder der Gleichheitssatz auf privatrechtliche Beziehungen nicht anwendbar war, oder dass die Bindung durch den Gleichheitssatz in vollem Umfang durch die Vertragsfreiheit zurückgedrängt wurde. Dies wandelte sich jedoch deutlich mit Erlass des Art. 3 GG und insbesondere durch die in Art. 3 I, Π GG aufgestellten Gebote der Gleichbehandlung, die die Vertragsfreiheit zunehmend zurückdrängen 690. Diese zunehmende Beschränkung der Vertragsfreiheit ist noch nicht abgeschlossen und die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gleichbehandlungsgrundsatzes in weitere Gebiete des Privatrechts ist auf Grund der sich stetig wandelnden Werte- und Sozialordnung noch nicht oder nie abgeschlossen691. Umgekehrt können be686
Aristoteles, 5. Buch der Nikomachischen Ethik, Siebentes Kapitel, 1131 b ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 119. 687 Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 119. 68S Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 120. 689 Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 121 mwN; Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 505 f.; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 I Rn. 266; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 151. 690 Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 121. 691 Vgl. nur Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75 ff., 78, der angesichts der Erfahrungen während des Nationalsozialismus insbesondere auf den mög-
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
stehende Gleichbehandlungsgebote infolge veränderter Wertesysteme wieder aufgehoben werden 692 . Selbst wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht über Generalklauseln in das Privatrecht Eingang findet, sondern nach a. A. als eigenständiges Rechtsinstitut zu behandeln ist, gelangen dennoch alle Auffassungen zu demselben Ergebnis, dass sich eine allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung, i. S. einer wertenden und damit materiellen Gleichheit, weder aus dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin noch aus der mittelbaren Drittwirkung des Art. 3 GG oder § 242 BGB herleiten lässt 693 . So ist es Privatpersonen regelmäßig erlaubt, sich einen Vertragspartner zu suchen oder es zu lassen und mit verschiedenen Personen voneinander abweichende Verträge zu schließen. Die Allgemeingültigkeit des Gleichheitssatzes ist damit jedoch nicht aufgehoben. Vielmehr beschränkt er sich im freien Wettbewerb auf die formale Gleichheit, d. h. die Allgemeingültigkeit des Vertragsrechts oder anders betrachtet, die Gleichheit aller Chancen der Teilnehmer des RechtsVerkehrs 694. Gleichwohl sind auch der Vertragsfreiheit Grenzen gesetzt, die im Gleichheitssatz wurzeln. Das Gleichbehandlungsprinzip gewinnt insbesondere bei besonders gearteten Rechtsbeziehungen an Bedeutung, die als Teil eines Systems gleichartiger Rechtsverhältnisse und außerdem durch eine ausgeprägte soziale oder gemeinschaftsbezogene Komponente charakterisiert sind 695 .
1. Besonderes Rechtsverhältnis - Interessengemeinschaft Der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht grundsätzlich unter der Prämisse, dass in der Regel die Vertragsfreiheit i.V. m. Wettbewerb im Privatrecht für einen gerechten Leistungsaustausch sorgt. Allein dort wo es zu Störungen kommt, verlangt der Gerechtigkeitsgedanke Platz zu greifen. Störungen treten hingegen nicht bei sozialen Gruppen auf, „deren Glieder durch ein wesenhaft sittliches, die menschliche Persönlichkeit als Ganzes forderndes und formendes Verhältnis miteinander verbunden sind" 6 9 6 . Vielmehr sind Störungen in der modernen, rationalisierten und entpersonalisierten Massenwelt zu verzeichnen, in wel-
lichen Missbrauch des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinweist. Selbst die nationalsozialistische Rechtslehre konnte behaupten, auf ihre Weise, das Gleichheitsgebot anzuerkennen. 692 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 169. 693 BayObLG Urteil v. 19. Ol. 1981 in NJW 1981, 1275, 1277; Müko/Roth BGB, § 242 Rn. 57; Larenz, SRAT, 1987, § 4 I a), S. 47; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 10 mwN; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 169. 694 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93. 695 Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 10 mwN; Müko/Roth, BGB, § 242 Rn. 57; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 169 ff. 696 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93.
6. Kap.: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen
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eher der Einzelne nur typisiert in Erscheinung tritt. Das Anwendungsfeld erstreckt sich mithin nicht nur auf Gemeinschaftsverhältnisse mit innerem personenrechtlichen Zusammenhang respektive auf Dauer angelegte Beziehungen, sondern ebenso auf Verhältnisse mit der zufalligen, nüchternen Gemeinsamkeit des Angewiesenseins auf ein und dieselbe Bezugsquelle697. Dies charakterisiert jedoch lediglich einen Aspekt des Anwendungsbereiches, nämlich den des Adressaten des Gleichbehandlungsgebotes, der dessen Schutz einfordert. Auf der anderen Seite ist insbesondere der Vertragspartner zu spezifizieren, der sich auf die Ausübung seines Rechts auf Privatautonomie beruft. In dieser Weise können gleichzeitig die Grenzen des Anwendungsbereiches abgesteckt werden. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz steht im Rahmen des Vertragsrechts dem Recht auf Privatautonomie - d. h. Anerkennung des Vertrages des Betroffenen - entgegen. Die Grenzen der mittelbaren Drittwirkung zeigen sich somit, wie bereits angedeutet, im Rahmen des Vertragsrechts durch eine Abwägung der sich entgegenstehenden Grundrechte der beiden Vertragspartner. Da die privatrechtliche Gestaltungsfreiheit ohnehin durch die Vielzahl gesetzlicher Regelungen immer weiter eingeengt wird, kann sich das Prinzip der Gleichbehandlung nur in relativ eng begrenzten Fällen über das Prinzip der Vertragsfreiheit hinwegsetzen 698 . Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann demzufolge, ohne weiter gehende rechtsgeschäftliche Selbstbindungen, nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Autonomie desjenigen, der Güter oder Leistungen an mehrere zu vergeben hat, keine gerechten Ergebnisse erzielt. Wenn also die Empfänger von seiner Übermacht abhängig sind, und infolgedessen eine gerechte Verteilung kraft Privatautonomie wegen der Übermacht des Verteilenden nicht gewährleistet ist, vielmehr gerade die wirtschaftliche Machtstellung die Möglichkeit zu Diskriminierungen bietet 699 . Die Anwendung des Gleichheitssatzes muss dagegen zurückstehen, wenn sich die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit über eine ungleichmäßige Behandlung wirksam vertraglich geeinigt haben 700 . Trotz der Allgemeingültigkeit des Gerechtigkeitsprinzips bei Vorgängen, die gleichartige Rechtstellungen mehrerer Personen betreffen, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht bei allen Interessengemeinschaften Wrrkung entfalten. Fehlen besondere persönliche und soziale Bindungen innerhalb der Gruppe, d. h. bei 697 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 92; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 170; Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey, 1955 I, S. 537,545 f. 698 von Münch/Gubelt, GG, Art. 3 Rn. 2; Larenz, SRAT, 1987, § 4 I, S. 47; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 33 mwN. 699 Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey, 1955 I, S. 537 ff., 544. 700 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 250 ff.
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schlichten oder losen Interessensgemeinschaften, muss vielmehr ein weiteres besonderes Merkmal hinzutreten, das die Konkretisierung der Gleichbehandlung von einer bloß moralische Bindungen hervorrufenden sittlichen Forderung der Gerechtigkeit zu einer echten Rechtspflicht bewirkt und somit den Grundsatz der Gestaltungsfreiheit einzuschränken vermag 701 . Als die Gleichbehandlung rechtfertigende, zusätzliche Merkmale werden insbesondere die Beschaffenheit des zu verteilenden Wirtschaftsgutes 702 und im Rahmen der Wirtschaftslenkung die den Wettbewerb ausschließende Machtposition 703 herangezogen, wobei insbesondere die Monopolstellung zur Begründung eines Abschlusszwangs dient.
2. Beschaffenheit des zu verteilenden Wirtschaftsgutes Charakterisiert wird der Anwendungsbereich des Gleichheitsgrundsatzes nicht allein durch ein später noch zu erörterndes Über- und Unterordnungsverhältnis (siehe unten Π.2.), sondern u. a. auch durch die Beschaffenheit der zu verteilenden Wirtschaftsgüter. Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit lässt sich dabei umso mehr rechtfertigen, je stärker eine Abhängigkeit von bestimmten Güter besteht, sofern es sich also um lebensnotwendige Güter oder Dienstleistungen bzw. Güter der Daseinsvorsorge handelt 704 . Betroffen können aber auch diejenigen Wirtschaftsgebiete sein, bei denen der freie Wettbewerb seine ordnende Kraft eingebüßt hat, d. h. wo Angebot und Nachfrage das Gleichgewicht nicht mehr herzustellen vermögen und es vielmehr „den Mangel zu verteilen gilt" 7 0 5 .
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G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 169 f.; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93 ff.; Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey 1955 I, S. 537, 547; Larenz, SRAT, 1987, § 41, S. 47 mwN. 702 s. dazu 2. unten. 7 «3 s. dazu Π.2. unten. 70 4 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 89 f.; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 30 f.; Larenz, SRAT, 1987, § 41, S. 48 f.; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47, 58 ff.; bei Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 120 als „Sozialprodukt" bezeichnet. 7 05 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 89 f.; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 41, soweit es sich um „Normalbedarf' handelt.
6. Kap.: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen
171
3. Anerkannte und umstrittene Anwendungsbereiche Als Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes wird bisher basierend auf der Verteilungsgerechtigkeit das Arbeitsrecht 706 , Vereins- und Gesellschaftsrecht 707 und das Energiewirtschaftsrecht 708 allgemein anerkannt. Von einer Aufzählung der zahllosen bereits gesetzlich normierten Vorschriften zur Gleichbehandlung, die sich durch sämtliche Rechtsgebiete ziehen, soll hier abgesehen werden. Auch im Miet- 7 0 9 und Kaufrecht wird zunehmend erkannt, dass auch die betreffenden Einzelverträge für die Verteilung insbesondere von Sozialprodukten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten eine entscheidende Rolle spielen 710 . Hierbei hat bereits das RG im Jahre 1914 die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf beschränkte Gattungsschulden beim Kauf von „Zuckerrübensamen" übertragen 711. Zusätzlich bietet das Zivilrecht weitere Einzelfälle der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes712.
4. Das Bankrecht als abgelehnter Anwendungsbereich Demgegenüber wird die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bankrecht bislang grundsätzlich abgelehnt713. Hinsichtlich der von Canaris 714 dargestellten generalisierenden Betrachtungsweise im Hinblick auf das allgemeine Rechtsverhältnis zwischen Bank und Kunde mag dies durchaus zutreffen. Ob der eng umgrenzte Bereich der Zuteilung der begrenzten Menge an Aktien aus einer Emission überhaupt dem Bankrechtsbereich zuzuordnen ist, und weder ein „rechtliches noch faktisches Über- und Unterordnungsverhältnis noch ein Gemeinschaftsverhältnis" begründen kann, vermag in seiner Generalität allein unter Hinweis auf diese pauschalierte Betrachtungsweise ohne nähere Betrachtung nicht überzeugend verneint werden.
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Palandt/Putzo, BGB, § 611 Rn. 105 ff. mit umfassenden Nachweisen. 707 Hüffer, AktG, § 53a Rn. 1 ff. mit umfassenden Hinweisen; Palandt/Heinrichs, BGB, § 35 Rn. 3. 708 Palandt/Heinrichs, BGB, § 242, Rn. 10 mwN. 709 Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 10 mwN; Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 48. 710 Bleckmann, Staatsrecht II, 1997, § 10 Rn. 120. 711 712 713 714
RG Urteil v. 03. 02. 1914 in RGZ 84, 125,129. Vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 242, Rn. 10 ff. mit umfangreichen Nachweisen. Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 121. Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 121.
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II. Inhalt und Wirkung der Gleichbehandlung 1. Verhältnismäßige Gleichheit Der Inhalt des privatrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes lässt sich am besten im Sinne eines Willkürverbotes beschreiben. Dabei schließt der Gleichheitsgrundsatz keineswegs jede Differenzierung aus. Er untersagt allein eine ungleiche Behandlung, die - bezogen auf ihren jeweiligen Sachzusammenhang - nicht gerechtfertigt erscheint. Generell ist eine Differenzierung dann nicht gerechtfertigt, wenn sie nicht in der Natur der Sache begründet und darum willkürlich ist 7 1 5 . Nach der heute vorherrschenden Ansicht finden die im Rahmen des Art. 3 GG entwickelten Grundsätze über die mittelbare Drittwirkung Eingang in das Privatrecht. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes insbesondere den Anforderungen an den sachlichen Differenzierungsgrund kann demnach auf die zu Art. 3 GG entwickelten Grundsätze rekurriert werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient zunächst als Ordnungs- und Auslegungsregel. Dabei soll die Gleichbehandlung nicht nur bei der Verteilung von Leistungen, sondern bei allen Entscheidungen Anwendung finden, die schwerwiegend in die Rechtsstellung der Machtunterworfenen eingreifen 716 . Welche Wirkungen der Gleichbehandlungsgrundsatz konkret in den jeweiligen tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen und Zusammenhängen zeigt, ist einer allgemeingültigen Bestimmung wohl nicht zugänglich, aber auch nicht bedürftig 717 .
2. Abschlusszwang auf Grund einer Machtposition Unter eng begrenzten Voraussetzungen - der Grundsatz der Privatautonomie muss hier nämlich vollständig zurückstehen - ist letztlich auch ein Kontrahierungszwang zu bejahen 718 . Hierzu werden zahlreiche dogmatische Begründungen angeführt 719 , die aber in Bezug auf die Reichweite des Kontrahierungszwangs 71 5 Zum Ganzen G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S 173 ff., 184; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 99; Meyer- Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey, 1955 I, S. 537, 539. 716
Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey, 1955 I, S. 537 ff., 544 f.; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 274 ff., 277 f., 323 ff. 7 7
* Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 94; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 274 ff. 718 Vgl. den von Nipperdey 1921 aufgestellten Grundsatz des Kontrahierungszwangs für Monopolunternehmen, dem sich Rspr. und Schrifttum anschlossen; Nachweise bei Larenz, SRAT, 1987, § 4 I a), S. 46 f.; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 32 f.; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 77 ff., 322.
6. Kap.: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen
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keine weitere Klarheit herbeizuführen vermögen. Da es bei einer Abschlusspflicht im Grunde um die Gleichbehandlung hinsichtlich des Vertragsschlusses geht, ist auch hier die Theorie der mittelbaren Drittwirkung als dogmatische Grundlage vorzugswürdig. Ausstrahlungswirkung zeitigt hierbei allerdings nicht nur Art. 3 GG, sondern - jeweils in Abhängigkeit vom Einzelfall - weitere Wertmaßstäbe wie ζ. B. das Sozialstaatsprinzip. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts konnte eine Abschlusspflicht für Monopolbetriebe dann angenommen werden, wenn die Verweigerung des Abschlusses zu den für alle geltenden oder zu den angemessenen Bedingungen nach den Umständen des Einzelfalls eine sittenwidrige Schädigung i. S. d. § 826 BGB darstellte 720 . Die Abschlusspflicht wurde folglich mit der Pflicht zum Schadensersatz gemäß §§ 826, 249 S. 1 BGB gleichgesetzt. Nach anderer Ansicht bedarf es zur Begründung des Kontrahierungszwangs des Rückgriffs auf die in § 826 BGB angeordnete Schadensersatzpflicht und damit eines Verschuldens nicht. Vielmehr ist der Abschluss geboten, wenn der Nichtabschluss als „sittenwidrig" verboten ist 7 2 1 . In der weiteren Entwicklung hat der BGH in Erwägung gezogen, bereits solche Vereinigungen dem Abschlusszwang zu unterwerfen, die keine Monopolstellung erlangt haben, aber eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Machtstellung besitzen, sofern der Schwächere zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft angewiesen ist 7 2 2 . Auch im Schrifttum wird befürwortet auf das Merkmal der Monopolstellung zu verzichten 723 . Umstritten ist schließlich, ob ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Abschlusszwang nur bei lebensnotwendigen oder jedenfalls lebenswichtigen Leistungen 7 2 4 in Betracht kommt, oder bei jeder Bedarfsdeckung im Rahmen einer normalen Lebensführung eines Durchschnittsmenschen („Normalbedarf') 725 · Dementsprechend solle eine Abschlusspflicht für Theater 726 , Museen, städtische Bade7,9 Vgl. Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 9 f.; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 77 ff., 322 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 10 mwN. 720 Vgl. Nachweise bei Larenz, SRAT, 1987, § 4 I a), S. 47; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 9 mwN.
721 Larenz, SRAT, 1987, § 4 I a), S. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 9 mwN. 722 BGH Urteil v. 26. 06. 1979 in NJW 1980,186. 723 Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 35; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47, 60 f. 724 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 10; so wohl auch Larenz, SRAT, 1987, § 41, S. 48. 725 Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1,37. 726 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf. ν § 145 Rn. 10 mwN; a.A. RG Urteil v. 07. 11. 1931 in RGZ 133, 388.
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anstalten und Krankenhäuser gelten 727 . Ausgeschlossen wurde sie dagegen wegen zumutbarer Ausweichmöglichkeit bei Lebensmittelhändlern, Kreditinstituten und Spielbanken728. Bejaht wurde ein Kontrahierungszwang allerdings für den Kursmakler - er darf keine Aufträge zurückweisen 729. Dies folge aus seiner Monopolstellung an der Börse allein zur Vermittlung zwischen Käufer und Verkäufer, und zur amtlichen Preisfeststellung berechtigt zu sein 730 . Auch nach Inkrafttreten des 4. FFG und Aufhebung der amtlichen Preisfeststellung üben die nunmehr als Skontroführer nach § 26 BörsG zugelassenen Kursmakler 731 die unverändert gegebene Monopolstellung aus. Demnach besteht auch nach Abschaffung der Kursmakler der Kontrahierungszwangs nunmehr für die Skontroführer fort 7 3 2 .
7. Kapitel
Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien Angesichts der wachsenden Kritik an der Zuteilung bei Aktienemissionen wurde verstärkt die Frage aufgeworfen, ob der Emittent und die Emissionsbegleiter bei der Zuteilung der Aktien frei sind, oder ob der einzelne Anleger einen Anspruch auf Zuteilung der begehrten Aktien hat 7 3 3 . Einer vertieften wissenschaftlichen Erörterung vorenthalten blieb jedoch die Frage, wodurch und in welchem Rahmen die Freiheit der Zuteilung tatsächlich und rechtlich eingeschränkt sein könnte und, sollten Beschränkungen bestehen, was aus einem Verstoß gegen eine Beschränkung folgt. Der mögliche Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheint keineswegs auf die bisherigen Rechtsgebiete beschränkt. Vielmehr ist ein weiteres generelles Ausgreifen dieses Prinzips, selbst ohne hinzutretende rechtsgeschäft727 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 10 mwN. 728 Palandt /Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 10 mwN; BGH Urteil v. 07. 07.1994 in W M 1994, 1670 ff. 729 Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 230. 730 Schwark, BörsG, 2. Aufl., § 30 a.F. Rn. 1,7; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 230. 731 Schwark/Beck, KMRK, § 26 BörsG Rn. 7. 732 Schwark/Beck, KMRK, § 27 BörsG Rn. 8. 733 Pfuller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 1; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17; Fleischer, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. F 76 f.; für Österreich: Hausmaninger, Zuteilungsfragen bei Erstemissionen, Festschrift für Koppensteiner, 2001, S. 43.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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liehe Selbstbindungen, in andere Bereiche des Zivilrechts nicht ausgeschlossen. Dies verdeutlicht u. a. die anhaltende Diskussion um die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen des Mietrechts 734 . Ebenso zeigt sich speziell im Rahmen des Kontrahierungszwangs die Tendenz, eine Abschlusspflicht auf Bedürfnisse der normalen Lebensführung eines Durchschnittsmenschen auszudehnen, wenn die Gewährung von Leistungen bzw. die Befriedigung von Bedürfnissen so schützensweit erscheint, dass eine Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit geboten ist. Maßgebend ist dabei nicht das Interesse des Einzelnen an der Leistung. Vielmehr wird auf das - wenn auch weitgefasste - Allgemeininteresse abgestellt, ob jedermann Zugang gewährt werden soll 7 3 5 .
I. Stand der Diskussion Werden mehr Zeichnungsverträge i. S. d. § 185 AktG geschlossen, als neue Aktien aus der Kapitalerhöhung zur Verfügung stehen, gehen nach einer Ansicht 736 zunächst die Zeichnungsverträge vor, denen ein Bezugsrecht der Aktionäre zu Grunde liegt (§ 187 AktG), sodann gehen die früher geschlossenen den späteren vor; die übrigen ZeichnungsVerträge sind nichtig. Nach a.A. 7 3 7 sollen alle geschlossenen Zeichnungsverträge wirksam sein und nach vorrangiger Bedienung der Bezugsrechte sei eine Verteilung nach Gleichbehandlungsgesichtspunkten bzw. eine anteilsmäßige zu fordern. Sind demgegenüber von der Gesellschaft nicht - versehentlich - zu viele Angebote angenommen worden, sondern sind lediglich mehr Zeichnungsangebote eingegangen als dem Erhöhungsbetrag entsprechen, so sei der Vorstand nach Bedienung von Bezugsrechten frei, welche verbleibenden Angebote er annimmt. Eine Bindung an den Gleichbehandlungs- oder Prioritätsgrundsatz sei abzulehnen738. Allerdings handelt es sich bei der , »Zeichnung" von Aktien durch den Anleger bei seiner Bank nicht um einen Zeichnungsauftrag gegenüber dem Emittenten i. S. d. § 185 AktG. Vielmehr werden die Aktien mittelbar über die Emissionsbanken platziert, die sich im Übernahmevertrag verpflichten, sämtliche zu platzierenden Aktien, gegebenenfalls inklusive Greenshoe-Aktien, aber auch nicht mehr, zu zeichnen. Das vorliegend zu behandelnde Problem der Zuteilung auf Ebene der Banken gegenüber den Anlegern im Rahmen des Bookbuildingverfahrens stellt 734 Müko/Roth, BGB, § 242 Rn. 57; Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 48. 735 Vgl. BGH Urteil v. 07. 07. 1994 in W M 1994, 1670,1672. 736 Münch. Hdb. GesR I V/Kneger § 56 Rn. 101; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 185 Rn. 105 ff.; Hüffen AktG, § 185 Rn. 26. 737 Kölner Kommentar AktG /Lutter, § 185 Rn. 27 ff.; GroßkommAktG/ Wiedemann, § 185 Rn. 39. 738 Kölner Kommentar AktG / Lutter, § 185 Rn. 26.
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kein Zeichnungsproblem i. S. d. § 185 AktG dar. Obwohl die dort abgehandelte Problemstellung im Ergebnis, abgesehen von den dort u. a. zusätzlich relevanten Gesichtspunkten des Gesellschaftsrechts, vergleichbar wäre, lassen sich der, wie soeben dargestellt, ebenso kontrovers geführten Diskussion allenfalls Anhaltspunkte für eine Lösung des hier behandelten Zuteilungsproblems entnehmen. Mit Beginn der Diskussion um die Zuteilung bei Aktienemissionen wurde häufig, ohne auf Hintergründe und die Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und ein daraus resultierendes Gleichbehandlungsgebot einzugehen, pauschal folgende Stellungnahme repetiert: Ein Gleichbehandlungsgebot der Privatanleger bei überzeichneten Neuemissionen lasse sich weder de lege lata begründen, noch sei es rechtspolitisch wünschenswert. Ein grundsätzliches Recht des Anlegers auf gleichmäßige Behandlung bei der Zuteilung von Aktien aus Neuemissionen sei abzulehnen739. Teilweise wird diese Ansicht dahingehend konkretisiert, dass unter Berücksichtigung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses und § 242 BGB, die Zuteilung nach sachlichen und nachvollziehbaren Kriterien zu erfolgen habe, wobei dies insbesondere bei Privatanlegern gelten soll 7 4 0 . Die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zur „Zeichnung" von Wertpapieren und das daraufhin abgegebene Angebot durch den Investor begründet zwischen den Parteien anerkanntermaßen ein vorvertragliches Schuldverhältnis 741. Gleichermaßen müsse auch zwischen Anleger und Emittent ein vorvertragliches Rechtsverhältnis bestehen742. Demnach sei auch der Emittent bei Vorgaben gegenüber dem Konsortium hinsichtlich der Zuteilung an § 242 BGB gebunden, so dass die Zuteilung sachlichen Kriterien zu folgen habe. Damit wird gleichzeitig bestätigt, dass tatsächlich nicht willkürlich zugeteilt werden darf. Wenn nun aber eine willkürliche Zuteilung ausgeschlossen ist, so bedarf die Zuteilung an einzelne Investoren eines sachlichen Grundes 743 - was im 739 Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln? NJW-Beilage, 2002, 37, 39; ders., Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln? Gutachten F, 2002, S. F 77, F 92; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 70; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 167; Brandner /Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 25. 740
Schuster/Rudolf in Kümpel / Hammen / Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 16; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5,10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 267; ders., Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 5; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 70; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 475. 741 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 71; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; Staudinger /Bork, BGB, § 145 Rn. 30, 37, § 146 Rn. 10; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 236; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 439. 7 42 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 657. 743 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 5; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 267; ders., Bookbuilding, ZHR 162 (1998),
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Rahmen des Bookbuilding als die Suche nach dem „qualifizierten" Anleger 744 oder als „strategische Allokation" 7 4 5 bezeichnet wird. Dies bedeutet jedoch dem Inhalte nach nichts anderes als die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eines entsprechenden Anspruchs des „zeichnenden" Investors auf Gleichbehandlung. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz fordert keine gleichmäßige, d. h. eine absolut gleiche Behandlung, sondern eine Gleichbehandlung derer, die Gleichbehandlung verdienen 746 . Ein Anspruch auf Zuteilung von Aktien soll zudem mangels eines Vertrauenstatbestands nicht bestehen747. Dies fordere auch der Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit 748. Die Vertragsfreiheit, d. h. die Freiheit des Einzelnen, seine Lebensverhältnisse durch Vertrag eigenverantwortlich zu gestalten, ist die Haupterscheinungsform der Privatautonomie 749. Sie gehört zu den grundlegenden Prinzipien unserer Rechtsordnung und ist als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 I GG verfassungsrechtlich gewährleistet 750. Diese garantierte Vertragsfreiheit laufe einem Abschluss- und Partnerwahlzwang zuwider 751 . Die Rechtsprechung habe jedoch einige Ausnahmen vom Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit anerkannt. Diese Ausnahmen seien aber nicht auf den hier maßgebenden Fall der Zuteilung bei Aktienmissionen anwendbar, und es bestehe keine Verpflichtung zur Annahme der Angebote seitens der Konsortialbanken 752. 318, 330; mit anderer Begründung Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 30, der die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots im Rahmen von § 242 BGB auf den konkretisierenden Einfluss der Wohlverhaltenspflichten (§§ 31 ff. WpHG) auf das vorvertragliche Verhältnis zurückführt. 744 Groß in Hellner /Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 267; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 76; ders., Die strategische Allokation von Aktien bei Emissionen, WM 2001, 653,656 f. 745 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien bei Emissionen, W M 2001, 653. 746 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 77. 747 Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; ders., Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 167; ohne Begründung Hausmaninger, Zuteilungsfragen bei Erstemissionen, Festschrift für Koppensteiner, 2001, S. 43,51. 748 Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 21. 749 BVerfG Beschluss v. 04.06. 1985 in BVerfGE 70, 115, 123; BVerfG Beschluss v. BGB, Überl ν § 104 Rn. 1, Einf 13. 05. 1986 in BVerfGE 72, 155, 170; Palandt/Heinrichs, v. § 145 Rn. 7 ff. mwN. 750 BVerfG Urteil v. 16. 05 1961 in BVerfGE 12, 341, 347; Palandt /Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 7 ff.; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 473. 751 s. Fn. 739 oben. 752 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 4 f.; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 70; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 474; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 167. 12 Koehler
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Vielmehr impliziere gerade das Bookbuildingverfahren, dass aus den verschiedenen Investoren diejenigen ausgesucht werden, deren Investment qualitativ als hochwertig gelte. Nach Ansicht der Literatur 753 liegt weder eine Monopolstellung der Konsortialbanken im Bereich der unmittelbaren Lebensführung vor, noch könne man hier die Ablehnung eines Vertragsschlusses ohne sachlich gerechtfertigten Grund bei einem marktbeherrschenden Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts annehmen754. Zwar habe das Konsortium die alleinige Verfügungsmöglichkeit über die zu platzierenden Aktien zu einem bestimmten Preis. Auf Grund der nach bestimmten Kriterien erfolgten Zuordnung seien jedoch sachliche Entscheidungskriterien gegeben, die bei einer Überzeichnung die Nichtannahme der Angebote auf Vertragsabschluss rechtfertigen. Des Weiteren wird ein Anspruch auf quotenmäßige Berücksichtigung der einzelnen Investoren unter Hinweis auf das Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB diskutiert, jedoch wegen Unanwendbarkeit abgelehnt755. § 315 BGB sieht die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen vor. Hiernach könnte also eine Zuteilung gemäß § 315 BGB unverbindlich sein, wenn unbillig oder sogar willkürlich zugeteilt wurde 756 . § 315 BGB ist jedoch allein dann anwendbar, wenn die Parteien mit dem Willen, ein Schuldverhältnis zu begründen, einen Vertrag fest geschlossen und lediglich die Bestimmung der Leistung oder Gegenleistung einer Vertragspartei anheim gestellt haben 757 . Im Rahmen des ZuteilungsVerfahrens ist dagegen im hier maßgeblichen Zeitraum der Abgabe der Order bis zur Zuteilung noch kein Vertrag geschlossen worden. Vielmehr geht es erst um die Frage der Kontrahierung. Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt ist § 315 BGB also noch nicht anwendbar 758. Ein Anspruch auf quotenmäßige Berücksichtigung lässt sich daher nicht aus dem Leistungsbestimmungsrecht des § 315 BGB herleiten. Darüber hinaus ist in den seltenen Fällen, in denen auf Grund einer Zuteilungszusage tatsächlich bereits ein Vertrag geschlossen worden ist 7 5 9 - § 315 BGB also grundsätzlich anwendbar wäre - die Leistung nicht in das Ermessen eines Vertragspartners gestellt. In diesen Fällen wurde die Zuteilung einer bestimmten Anzahl 75 3 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1,5; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 474; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien, AG 1999, 164, 166 f. 754 Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 474 Fn. 848; Soergel/Wolf, BGB, vor § 145 Anm. 106 f.; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1,4. 755 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1,4. 756 Palandt/Heinrichs, BGB, § 315 Rn. 5 mwN; MüKo/Gottwald, BGB, § 315 Rn 28 ff.
757 MüKo/Gottwald, BGB, § 315 Rn 12; Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn. 11 ff. 758 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996, 1, 4; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 332 Fn. 56; Palandt/Heinrichs, BGB, § 315 Rn. 2; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 474. 759 Wie bereits in 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)dd) und 2. Teil: 4. Kapitel: I.6.b) erläutert, wird ein Vertragsschluss regelmäßig zu diesem Zeitpunkt mangels Bindungswillens noch nicht vorliegen.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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an Aktien zugesagt. Gegenseitige Ansprüche sind demnach aus § 315 BGB nicht ableitbar. Allein auf Grund einer individuellen besonderen Zusicherung, eventuell im Rahmen eines individuellen Verkaufsgesprächs zwischen Emissionsbank und Kunde, oder wenn Erwartungshaltungen geweckt werden, könne sich nach teilweiser Ansicht in der Literatur die Verpflichtung ergeben, Zeichnungswünsche ganz oder teilweise zu erfüllen 760 . Dem ist zuzustimmen. Dies folgt jedoch bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Schuldverhältnisse 761. Als soweit ersichtlich einziger setzt sich bisher Gravenhorst explizit mit der generellen Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auseinander und bejaht dessen Wirkung im Rahmen der Zuteilung bei Aktienemissionen zumindest zwischen Emissionsbank und Anleger 762 . Zur Begründung führt er die Machtposition des Emissionskonsortiums an, die den Wettbewerb mit der Anwendung des Bookbuilding- oder Festpreisverfahrens anstatt des Auktionsverfahrens bewusst ausgeschlossen und die ordnenden Marktkräfte bewusst zurückgedrängt habe 763 . Gleichzeitig verneint er aber die Existenznotwendigkeit des Gutes Aktie. Allein die Notwendigkeit der Verteilung eines nichtlebenswichtigen Mangelgutes durch einen auf Grund dessen übermächtigen Vertragspartner kann für sich genommen jedoch einen Kontrahierungszwang als stärkste Einschränkung der Vertragsfreiheit ohne zusätzliche Gründe nicht rechtfertigen. Zudem basieren die Ausführungen von Gravenhorst zur Anwendbarkeit und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf der Annahme, dass die Emissionsbanken Vertrauen am Zustandekommen des Vertrags genährt haben, so dass ein Abbruch der Vertragsverhandlungen nur aus triftigem Grund möglich sei. Über die Frage inwieweit, und warum tatsächlich ein solches besonderes Vertrauen von den Emissionsbanken in Anspruch genommen wurde, was dann gegebenenfalls eine Einschränkung der Vertragsfreiheit erst begründen könnte, enthält die Arbeit jedoch keine Ausführungen. Dem Bankprivatrecht wird eine Vorreiterrolle und ein Testgebiet für das übrige Privatrecht nachgesagt764. Speziell im Bankrecht spiele die Abwägung von Grundwerten des Privatrechts eine herausragende Rolle. Dabei kommt insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucher- und Anlegerschutz einerseits und dem Grundsatz der Privatautonomie andererseits zum Tragen. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Bürgschaftsentscheidung beide Gegensätze vereint 760 Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings, W M 1996,1, 5; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken, 1991, Rn. 214; Soergel/Wolf, BGB, Vor § 145 Rn. 108; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 175; Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 484 f. im Einzelnen str. 761 Soergel/Wolf, BGB, Vor § 145 Rn. 108. 762 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 141. 763 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 136 ff. 764 Zusammenfassung eines Vortrags von Horn nach Sethe, RWS-Forum Bankrecht 1998, ZBB 1998,128 f. 1*
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und bekräftigt, dass Verbraucherschutz auch der Verwirklichung der Privatautonomie diene 765 .
II. Anwendbarkeit und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien 1. Das vorvertragliche Schuldverhältnis als Einfallstor Einfallstor des Gleichbehandlungsgrundsatzes in das Schuldrecht ist das vorvertragliche Schuldverhältnis gemäß § 242 BGB. Wie bereits im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt 766, sind bei Aktienemissionen zwei verschiedene vorvertragliche Schuldverhältnisse zu unterscheiden: Das Verhältnis zwischen Bank und Anleger und das Verhältnis zwischen Emittent und Anleger. Das vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen der die Order entgegennehmenden Bank und dem Anleger basiert auf der Abgabe des Wertpapierkaufangebotes durch den Anleger. Das vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen Emittent und Anleger entsteht bei individuellen Zuteilungszusagen des Emittenten an namentlich benannte Investoren im Rahmen des Friends & Family-Programms und an institutionelle Investoren im Rahmen von Einzelzusagen (One-on-One-Meetings). Darüber hinaus besteht unabhängig von konkreten Zuteilungszusagen ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Anleger und dem hinter der Transaktion stehenden Emittenten, der durch Erhalt des Emissionserlöses das eigentliche wirtschaftliche Interesse an der Aktienemission hat 7 6 7 .
2. Inhalt des vorvertraglichen Schuldverhältnisses Mögliche Anwendungsbereiche des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind bei der heute üblichen Vertragsgestaltung, die zwischen Emissions- oder Drittbank und Anleger sowie zwischen Emittent und Anleger begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnisse, die die Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB erfordern. Was Treu und Glauben entspricht, wird entscheidend mitbestimmt durch das in den Grundrechten verkörperte Weitesystem768. Aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis erwachsen keine primären Leistungspflichten, sondern nur die in § 241 I I BGB angesprochenen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Anderen (sog. 765 Palandt/Heinrichs, BGB, § 138 Rn. 36 f. mwN; BVerfG Beschluss v. 19. 10. 1993 in NJW 1994, 36. 766 s. oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)ee) und 6.a). 767 s. oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.6.a). 768 Vgl. nur Palandt/Heinrichs,
BGB, § 242 Rn. 8; s. auch oben 3. Teil: 5. Kapitel: II.1.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Verhaltenspflichten). Inhalt und Umfang des Pflichtenprogramms hängt jeweils davon ab, inwieweit durch den vorvertraglichen Kontakt ein Vertrauensverhältnis geschaffen wurde 769 . Basis des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist jedoch nicht nur das auf Willens- und anderen Erklärungen hervorgerufene Vertrauen. Vielmehr beruht das vor-, vertragliche Schuldverhältnis auf der Gesamtheit des geschäftlichen Kontakts, der die Interessen des Vertragspartners bestimmt, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt. Die Parteien haben sich demnach dem anderen gegenüber so zu verhalten, wie es jeder mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens vom Anderen erwarten darf 770 . Im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses bei der Zuteilung von Aktien können verschiedene Arten der Inanspruchnahme von Vertrauen unterschieden werden, die vorliegend eine nähere Betrachtung erfordern: Konkretes Vertrauen auf eine Zuteilungszusage (siehe dazu unten 3.), Vertrauen auf Grund der „Zeichnungsaufforderung" (siehe dazu unten 4.) und abstraktes Vertrauen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (siehe dazu unten 5.). Zu beachten gilt allerdings, dass das Bestehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses nicht zur Aushöhlung der Vertragsfreiheit führen darf 771 . Von maßgeblicher Bedeutung ist bei der Zuteilung von Aktien, bzw. gerade beim Nichterhalt von Aktien, ob und unter welchen Umständen die Möglichkeit des Abbruchs von Vertragsverhandlungen und des Nichtabschlusses eines Vertrags besteht. Grundsätzlich gilt das Prinzip der Privatautonomie und das Recht der negativen Vertragsabschlussfreiheit. Die Privatautonomie ist Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen, gehört zu den grundlegenden Prinzipien unserer Rechtsordnung und ist als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 I GG verfassungsrechtlich gewährleistet 772. Der Emittent bzw. die teilnehmenden Banken können sich dementsprechend grundsätzlich bei der Nichtzuteilung von Aktien an einzelne ausgewählte Anleger auf den Grundsatz der durch die Privatautonomie gewährleisteten negativen Vertragsabschlussfreiheit berufen.
769 BGH Urteil v. 22. 02. 1973 in BGHZ 60, 221, 223 f.; BGH Urteil v. 12. 06. 1975 in W M 1975, 923; BGH Urteil v. 08. 06. 1978 in BGHZ 71, 386, 393; BGH Urteil v. 25. 02. 1988 in NJW-RR 1988, 785, 786 (Enttäuschtes Vertrauen); Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 21; Larenz, SRAT, 1987, § 2 I, S. 10 ff., § 9, S. 104 ff. mwN; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655. 770 Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 21 mwN, § 276 Rn. 65; Larenz, SRAT, 1987, § 91, S. 110 f.; Staudinger/Bork, BGB, Vorbem. zu §§ 145 ff. Rn. 49, 50. 771 BGH Urteil v. 20. 09. 1984 in BGHZ 92, 164, 175 f.; OLG Stuttgart Urteil v. 07.07. 1989 in BB 1989, 1932; Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß, AcP 192 (1992), 390, 398. 772 Vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, Überbl ν § 104 Rn. 1, Einf ν § 145 Rn. 7 mwN.
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Die Privatautonomie gilt allerdings nicht schrankenlos, sondern unterliegt den Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung 773 . Die verfassungsmäßige Ordnung setzt bei sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht der Privatautonomie Grenzen, so dass die Selbstbestimmung für den unterlegenen Teil nicht zur schrankenlosen Fremdbestimmung wird 7 7 4 . Dabei bilden die Grundrechte - von Ausnahmen abgesehen - keine unmittelbar geltenden Schranken der Vertragsfreiheit. Allerdings wirken sie über die Generalklauseln, so auch § 242 BGB, in das Privatrecht ein 7 7 5 . Die Abschlussfreiheit wird als Ausfluss der Privatautonomie am stärksten dadurch eingeschränkt, wenn ein Vertragsteil unmittelbar oder mittelbar verpflichtet wird, einen Vertrag bestimmten Inhalts abzuschließen („Kontrahierungszwang") 776 . Würde daher dem „zeichnenden" Anleger tatsächlich ein Anspruch auf Zuteilung von Aktien zustehen, etwa durch Festlegung einer pro-rata Zuteilung, so würde dies einem Kontrahierungszwang gleichkommen. Keine Einschränkung der Privatautonomie und der Abschlussfreiheit liegt jedoch vor, wenn eine Partei privatautonom durch rechtsgeschäftliche Erklärung eine Selbstbindung und damit im Ergebnis den Vertragsabschluss auf sich genommen hat 7 7 7 . Dies ist zunächst der Fall, wenn sich der Emittent oder eine Bank in einer Zuteilungszusage oder in einem berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter rechtsgeschäftlich selbst mit einer Zuteilung binden wollen. Des Weiteren unterwerfen sich der Emittent und die Konsortialbanken durch den Inhalt der öffentlichen Aufforderung zur Abgabe von Kaufangeboten einer Selbstbindung, indem sie die Anwendung bestimmter Bedingungen und Regeln der Zuteilung ankündigen. Darüber hinaus basiert jeglicher geschäftliche Kontakt auf der Inanspruchnahme von einem durch die Umstände des Einzelfalls bestimmten Vertrauens. Der jeweilige Pflichtenkatalog wird dabei durch die Art und Weise des jeweiligen bestehenden Kontakts und des dadurch hervorgerufenen (abstrakten) Vertrauens konkretisiert 778 .
773 BVerfG Urteil v. 16. 05. 1961 in BVerfGE 12, 341, 347; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 7 mwN. 774 BVerfG Urteil v. 07. 02. 1990 in NJW 90, 1470; BVerfG Beschluss v. 19. 10. 1993 in NJW 1994,36, 38; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 7 mwN. 775 Vgl. dazu oben 3. Teil. 776 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 8 ff. mwN; Larenz, SRAT, 1987, § 4 1, S. 42 ff. mwN; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47. 777 Larenz, SRAT, 1987, § 4 I, S. 42 Fn. 6; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 149 ff. 778 Vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 311, Rn. 21 ff., 33 ff. mit ausführlichen Hinweisen auf sich bereits gebildete Fallgruppen; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 160, 163 ff.
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3. Inanspruchnahme von konkretem Vertrauen in eine Zuteilungszusage Das vorvertragliche Schuldverhältnis wird geprägt durch die Inanspruchnahme von Vertrauen. Dies kann zunächst auf einer konkreten Zuteilungszusage des Emittenten oder einer Bank beruhen, die entweder gegenüber dem Anleger selbst abgegeben wurde oder sich durch Auslegung des Übernahmevertrags als ermächtigender Vertrag zugunsten Dritter ermitteln lässt 779 . Die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Anlegers richten sich - sollte tatsächlich eine verbindliche Zuteilungszusage gewollt sein - auf Erfüllung des Primäranspruchs oder bei deren Verletzung auf Schadensersatz780.
4. Inanspruchnahme von Vertrauen auf Grund der Zeichnungsaufforderung Des Weiteren gründet der Anleger sein Vertrauen auf Publikationen im Rahmen des öffentlichen Angebots und der an die Allgemeinheit gerichteten Zeichnungsaufforderung einschließlich ihres Inhalts, insbesondere im Hinblick auf das anzuwendende Zuteilungsverfahren. Das abstrakte Vertrauen auf Grund der Zeichnungsaufforderung und deren Inhalt kann jedoch auch gerade ausgeschlossen werden, indem in die veröffentlichten Emissionsbedingungen ein Vorbehalt aufgenommen wird, wonach der einzelne Anleger damit rechnen muss, keine Zuteilung zu erhalten. Gegebenenfalls kann die Zeichnungsaufforderung auch einen Hinweis auf die Möglichkeit der Änderung des Zuteilungsverfahrens enthalten. Der Inhalt des vorvertraglichen Schuldverhältnisses bestimmt sich primär am in Anspruch genommenen Vertrauen. Gerade hier setzen auch die Zuteilungsgrundsätze der BSK an, indem sie die Anwendung sachgerechter Zuteilungskriterien nicht mehr am beliebig zu setzenden Vertrauen, sondern am Vertrauen in die niedergelegten Kriterien festmachen. Wenn also die Zeichnungsaufforderung die Einhaltung der Grundsätze der BSK zusagt, kann daher selbst bei Veröffentlichung eines Zuteilungsvorbehalts keine willkürliche Zuteilung mehr mit dem Verweis auf mangelnde Inanspruchnahme von Vertrauen erfolgen 781 . Das Vertrauen wurde vielmehr durch die in den Zuteilungsgrundsätzen niedergelegten Zuteilungskriterien konkretisiert. Als weiterer Anknüpfungspunkt für die Inanspruchnahme von Vertrauen kommt die Festlegung und Veröffentlichung konkreter Bedingungen der Zuteilung oder eines konkreten Zuteilungsverfahrens im Rahmen der Zeichnungsaufforderung in 779 s. oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.l.b)aa)(l). 780 s. dazu unten 3. Teil: 8. Kapitel: 1.2. 781 Willamowski,
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Betracht. Der Anspruch des Anlegers auf Einhaltung von angekündigten Bedingungen oder eines bestimmten Zuteilungsverfahrens mag zwar keinen Primäranspruch auf Erfüllung, d. h. Zuteilung, begründen, allerdings kann deren Verletzung, also ein Handeln entgegen der Ankündigung, Schadensersatzansprüche gemäß §§ 311 Π, ΙΠ, 280 I BGB auslösen. Dabei könnte der Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 249 I BGB im Einzelfall doch zu einem Anspruch auf Zuteilung führen 782 . Dazu wäre der Nachweis durch den Anleger erforderlich, er hätte bei Anwendung der angekündigten Bedingungen, eine Zuteilung und sei es auch nur eine quotale Zuteilung oder gegebenenfalls eine höhere Quote als die tatsächlich zugeteilte erhalten 783 . Darüber hinaus kann die öffentliche Zeichnungsaufforderung oder Ankündigung die Zusage enthalten, gleich qualifizierte Anleger gleich zu behandeln784. Diese Ankündigung einer Selbstbindung beinhaltet jedoch nicht das Versprechen einer gleichmäßigen Zuteilung an alle ordernden Anleger, d. h. eine Zuteilung ohne jegliche Unterscheidung und damit die Anwendung einer Einheitszuteilung. Eine gleiche Behandlung fordert allein eine gleiche Behandlung gleich qualifizierter Anleger. Differenzierungsgründe sind dabei zulässig, soweit sie sachlich gerechtfertigt sind. Entsprechend den Grundsätzen der Gleichbehandlung darf auf Grund wertender Betrachtung Ungleiches auch ungleich behandelt werden.
5. Inanspruchnahme von Vertrauen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (abstraktes Grundvertrauen) a) Grundsatz der Privatautonomie Neben der Vertrauensbildung und Selbstbindung auf Basis individueller Ankündigungen sowie öffentlicher Publikationen ordert der Anleger Aktien auf der Grundlage eines abstrakten Grundvertrauens. Dabei gilt es nunmehr dieses abstrakte Grundvertrauen im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu konkretisieren. Im Hinblick auf die hier relevante Frage der Zuteilung bzw. Nichtzuteilung von Aktien kommt insbesondere ein mögliches abstraktes Vertrauen in die Anwendung eines fairen und dem Gleichbehandlungsgebot entsprechenden Zuteilungsverfahrens in Betracht. 782 BGH Urteil v. 25. 05. 1956 in BGHZ 21, 1, 8; BGH Urteil v. 24. 06. 1965 in BGHZ 44, 279, 283; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145, Rn. 9; MüKo/Kramer, BGB, Vor § 145, Rn. 13; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001,653, 656. 783 s. dazu unten 3. Teil: 8. Kapitel: I.2.b)bb). 784 Vgl. di e Ankündigung der T-Online AG, „Die Zuteilung der T-Online Aktien wird absolut fair und in jeder Hinsicht transparent sein. Versprochen!", FAZ, 07. 04. 2000, S. 19: „Wir versichern, dass das gesamte Zeichnungs- und Zuteilungsverfahren zu gleichen und fairen Bedingungen erfolgen wird."
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Die Aufnahme eines Vorbehalts in der Zeichnungsaufforderung und die dadurch implizit erklärte Möglichkeit der Anwendung eines nicht fairen Grundsätzen entsprechenden Zuteilungsverfahrens kann das Vertrauen in die Anwendung einer auf dem Gleichheitsgebot basierenden Zuteilung jedoch ausschließen. Die Aufnahme eines Vorbehalts allein zur Möglichkeit der Änderung eines konkret angekündigten Zuteilungsverfahrens genügt allerdings nicht, ein abstraktes Grundvertrauen in die Anwendung eines grundsätzlich fairen Verfahrens zu beseitigen. Auch das geänderte Verfahren müsste sich am Gleichheitsgebot messen lassen. Ein Vorbehalt zur Ausschließung jeglicher Gleichbehandlung müsste daher ausdrücklich die Anwendung willkürlicher Zuteilung vorsehen oder zumindest eine mögliche willkürliche Zuteilung nicht ausschließen. Eine Ausnahme vom Grundsatz und Ausgangspunkt der Vertragsabschlussfreiheit besteht, wenn ein Verhandlungspartner beim Anderen ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt hat, insbesondere den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat und anschließend den Vertragsabschluss ohne triftigen, d. h. anerkennenswerten Grund verweigert 785 . Auf Grund dieser Pflichtverletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, der auf Grund der Naturalrestitution gemäß § 249 S. 1 BGB auf einen Abschlusszwang hinauslaufen kann. Einem Abschlusszwang steht entgegen, dass ohne Hinzutreten weiterer Vertrauenstatbestände an das Vorliegen eines triftigen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, da gerade noch keine vertragliche Bindung besteht 786 . Ansonsten würde jegliche Vertragsverhandlung zu einer gesetzlichen Selbstbindung führen 787 . Demzufolge muss von Emittent und Banken ein zusätzlicher Vertrauenstatbestand gesetzt worden sein, der sich zu einer Selbstbeschränkung dahingehend verdichtet hat, dass nur noch auf Grund eines triftigen Grundes der Vertragsschluss versagt werden darf 7 8 8 . Sachfremde Erwägungen können dann einen Abbruch der Verhandlungen nicht mehr rechtfertigen 789. Auf Grund eines Vertrauenstatbestands muss nach einer Ansicht in der Literatur 790 die Zuteilung sachlichen Kriterien folgen und darf nicht willkürlich vor785 BGH Urteil v. 15. 04. 1981 in W M 1981, 787; BGH Urteil v. 08. 06. 1978 in BGHZ 71, 386, 395; OLG Stuttgart Urteil v. 07. 07. 1989 in BB 1989, 1932; Larenz/Wolf, BGB AT, 1997, § 31 Rn. 18 mwN; Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß, AcP 192 (1992), 390,419,421. 786 Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 34; Soergel /Wiedemann, BGB, Vor § 275 Rn. 133 ff. 787 Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß, AcP 192 (1992), 390, 398. 788 Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß, AcP 192 (1992), 390,401. 789 BGH Urteil v. 08. 06. 1978 in BGHZ 71, 386, 395; BGH Urteil v. 07. 02. 1980 in BGHZ 76, 343, 351. 790 Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 71; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656; Groß in Hellner/Steuer, BuB, Band 5, 10. Teil Emissionsgeschäft, Rn. 10/267; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 133.
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genommen werden. Die sachlichen Kriterien seien dabei durch die Auswahl nach Qualitätsmerkmalen im Rahmen des Boobuildingverfahrens erfüllt. Die Feststellung eines sachwidrigen Grundes erfolge generell im Rahmen des jeweiligen vorvertraglichen Schuldverhältnisses, d. h. nur jeweils zwischen Bank und einem einzelnen Investor. Ware dieser Ansicht zu folgen, könnte eine Erwägung zur Versagung des Vertragsabschlusses also durchaus gegenüber einem einzelnen Investor sachgerecht sein, den Investor jedoch gegenüber einem anderen Investor unangemessen benachteiligen. Beispielsweise könnte danach die Zuteilung gegenüber einem Investor gänzlich mit der Begründung versagt werden, die Emission sei überzeichnet, und es könnten nicht alle Investoren befriedigt werden. Dies wäre in diesem Falle dann ein dem einzelnen Investor gegenüber sachgerechter Grund der Versagung. Gleichzeitig würde dies allein gesehen die Zuteilung und damit die bevorzugte Behandlung eines besten privaten Freundes des Emittenten nicht hindern. Der Grund der unzureichenden Aktien als Rechtfertigung der Benachteiligung wäre im Verhältnis zu diesem einzelnen Anleger sachgerecht. Die Rekurrierung auf die Einhaltung sachlicher Kriterien aus dem einzelnen vorvertraglichen Schuldverhältnis allein genügt daher nicht, eine willkürliche Bevorzugung eines anderen Investors auszuschließen. Hinzu kommen müssten vielmehr zusätzliche bindende Kriterien, die den Emittenten und die Banken verpflichten, sämtliche im Orderbuch aufgeführten Investoren auch untereinander, d. h. innerhalb der Gruppe, nach sachlichen Kriterien zu behandeln. Eine willkürliche Zuteilung zu Lasten eines einzelnen Investors könnte also nur dadurch ausgeschlossen werden, dass der die Aktien zuteilende Vertragspartner gegenüber der gesamten Gruppe der im Orderbuch aufgeführten Investoren und nicht nur in Bezug auf die jeweiligen einzelnen vorvertraglichen Schuldverhältnisse verpflichtet wäre, nach sachlichen Kriterien zuzuteilen. Dies könnte allein durch die zusätzliche Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen des § 242 BGB erreicht werden. Nur danach wären der Emittent und auch die Banken verpflichtet, die einzelnen Mitglieder der Gruppe untereinander nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes unterschiedlich zu behandeln. b) Einschränkung der Privatautonomie auf Grund eines abstrakten Vertrauenstatbestands In welchem Umfang § 242 BGB auf das Schuldverhältnis einwirkt, wird von dessen Inhalt und Dauer wesentlich mitbestimmt 791 . Danach bedarf es der Untersuchung, inwieweit die grundsätzlich gewährleistete Vertragsfreiheit durch die vorvertraglichen Schuldverhältnisse zwischen Bank bzw. Emittent und zeichnendem Anleger beschränkt werden kann. § 242 BGB erfordert in sämtlichen Anwendungsfällen eine umfassende Interessenabwägung792. 791
Soergel/Teichmann,
BGB, § 242 Rn. 131 ff. mit umfangreichen Nachweisen.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Nach Ansicht von Willamowski 793 ist zwischen zwei Komponenten der Vertragsfreiheit zu differenzieren: Die Vertragsabschlussfreiheit, d. h. die Freiheit, den Vertrag überhaupt abzuschließen und die Gestaltungsfreiheit, d. h. die Freiheit, den Inhalt des Vertrags zu bestimmen. Es erscheine befremdlich, einen Vertragspartner in der Gestaltungsfreiheit durch die Vorgabe beispielsweise einer pro rata Zuteilung einzuschränken, obwohl ihm die Vertragsfreiheit gestatten würde, den Vertrag überhaupt nicht abzuschließen. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass es sich bei der Setzung eines Vertrauenstatbestandes um einen einheitlichen Vorgang des geschäftlichen Kontakts und einer einheitlichen Überprüfung eines Anspruchs bei Verletzung des gesetzten Vertrauens handelt. Wäre eine Verletzung festzustellen, so könnte ein Anspruch auf Naturalrestitution gemäß §§ 311 II, ΙΠ, 280 I, 249 I BGB bestehen. Wenn jedoch ein festgestellter Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution sogar die Vertragsabschlussfreiheit, d. h. das „ob" der Kontrahierung, einschränken kann, so muss dies erst Recht den weniger einschneidenden Eingriff in die Gestaltungsfreiheit, d. h. das „wie" oder den Inhalt der Kontrahierung, rechtfertigen. Eine Differenzierung zwischen den beiden Komponenten der Privatautonomie ist damit nicht erforderlich. Beschränkungen der Privatautonomie können sich zum einen aus einer Selbstbeschränkung der Vertragsparteien aber auch durch ein regulierendes Eingreifen der Rechtsordnung ergeben. Ein regulierendes Eingreifen der Rechtsordnung wäre im vorliegenden Fall nicht erforderlich, wenn Emittent und Banken bereits einen Vertrauenstatbestand gesetzt hätten, der zu einer Selbstbindung gegenüber den „zeichnenden" Investoren führen würde. Die Einschränkung der Privatautonomie durch Selbstbindung kann dabei im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn eine Partei einen Vertrauenstatbestand setzt, der Vertragspartner sich darauf verlässt und die Vertrauen in Anspruch nehmende Partei wusste oder hätte wissen können, dass der Vertragspartner sich auf den dementsprechenden Vertrauenstatbestand verlässt. Neben einer Selbstbeschränkung, sei es durch Vertrag oder Inanspruchnahme von Vertrauen, können auch Handlungen im Bereich der Sittenwidrigkeit oder Deliktshandlungen eine gesetzliche Einschränkung der Vertragsabschlussfreiheit bis hin zum Abschlusszwang führen. aa) Vorliegen eines anerkannten Abschlusszwangs Das Verhalten einer Vertragspartei und die konkreten Umstände können im Einzelfall zu einem völligen Ausschluss der Privatautonomie und einem Abschlusszwang führen. Voraussetzung dafür ist jedoch das Überwiegen der Interessen der Partei, die den Abbruch der Vertragsverhandlungen rügt. Ob also eine Partei zu 792 BGH Urteil v. 22. 12. 1967 in BGH 49, 148, 153; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 5 mwN. 793 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 655.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
einem Vertragsschluss gezwungen werden kann, bedarf einer Entscheidung im Einzelfall unter Abwägung der gegenseitigen Interessen. Der unmittelbare gesetzliche Kontrahierungszwang wurde für wichtige Teilbereiche der Daseinsvorsorge ausdrücklich vorgeschrieben 794. Der mittelbare Abschlusszwang wird demgegenüber regelmäßig mit der Begehung einer unerlaubten Handlung oder eines Deliktstatbestands begründet. So entwickelte die Rechtsprechung den Abschlusszwang ursprünglich auf dem Anwendungsbereich des § 826 BGB, gefolgt vom Ausnutzungstatbestand eines Monopols bzw. einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Kartellrechts 795 . Eine weitere Ausdehnung erfuhr der Abschlusszwang für Unternehmen, die Verbrauchern lebenswichtige Güter öffentlich anbieten. Danach darf der Vertragsabschluss für Güter der Daseinsvorsorge, sofern für den Kunden keine zumutbare Möglichkeit besteht, seinen Bedarf an diesen Gütern anderweitig zu decken, nur aus sachlichen Gründen abgelehnt werden 796 . Im vorliegenden Fall der Zuteilung von Aktien bei Emission lässt sich zunächst schwerlich ein Verhalten feststellen, dass in den Bereich der Sittenwidrigkeit bzw. der vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB übergreift. Etwas anderes mag gelten, wenn tatsächlich betrügerische Absichten oder zu Untreueverstößen führende Schmiergeldzahlungen den Zuteilungen an einzelne bevorzugte Anleger zu Grunde liegen. Abgesehen vom Vorliegen derartiger Straftatbestände bezweckt die hier zu beurteilende Handlung die Zuteilung von Aktien an bestimmte Investoren dem Grunde nach nicht die Schädigung der anderen Parteien, sondern die Sicherung eigener billigenswerter gesellschaftsrechtlicher Interessen. Dies bedeutet konkret die Zuteilung an einen geeigneten Investorenmix bestehend aus institutionellen und privaten sowie lang- und kurzfristig orientierten Kapitalanlegern. Überdies lassen sich Aktien einer Emission schwerlich ohne weiteres als lebensnotwendiges Gut der Daseinsvorsorge bezeichnen, so dass auch der anerkannte Grund eines Abschlusszwangs für solche Güter auf den ersten Blick nicht einzugreifen scheint. Angesichts der anhaltenden Diskussion um die Unsicherheit der staatlichen Rentenversorgung erscheint dennoch die Einordnung der privaten Kapitalanlage als Gut der Daseinsvorsorge, d. h. der kapitalgedeckten Altersvorsorge, so weit nicht mehr entfernt zu sein. Einen allgemein anerkannten Kontrahierungszwang im Bereich der Daseinsvorsorge vermag der vorliegende Sachverhalt trotzdem nicht zu begründen. 794 z. B. §§ 10 EnWG, 22 PersBefG, 8 PostG, 23 VI SGB XI; weitere Beispiele s. Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 8. 795 Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 9 mwN. 796 Palandt /Heinrichs, BGB, Einf ν § 145 Rn. 10 mwN; Esser/Schmidt, SR Band I, AT, Teilband 1, § 10 Π 4.a.; Larenz, SRAT, 1987, § 4 I, S. 48 f.; MüKo/Kramer, BGB, vor § 145 Rn. 14; weitergehend Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 41, der den Kontrahierungszwang auch auf Güter des „Normalbedarfs" ausdehnt; a.A. Jauernig, BGB, Vor § 145, Rn. 10.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Mangels expliziter gesetzlicher Regelung und mangels Erfüllung von Tatbeständen, die für sich genommen unter den anerkannten Fallgruppen bereits einen Abschlusszwang fordern könnten, ist die Überprüfung zusätzlicher Kriterien erforderlich, die nach Abwägung der gegenseitigen Interessen zu einem Abschlusszwang führen können.
bb) Die Interessengemeinschaft als Ausgangspunkt des Gleichbehandlungsgebots Alle Anwendungsbereiche des Gleichbehandlungsgebotes haben gemein, dass sie sich grundsätzlich auf Gemeinschaftsverhältnisse mit innerem personenrechtlichem Zusammenhang, respektive auf Dauer angelegte Beziehungen gründen. Anerkannt ist jedoch ebenso die Anwendbarkeit auf Verhältnisse mit der zufälligen, nüchternen Gemeinsamkeit des Angewiesenseins auf ein und dieselbe Bezugsquelle. Dies wird am deutlichsten beim bereits durch das Reichsgericht 797 entschiedenen Fall, in dem die anteilige Kürzung der Leistung bei beschränkten Gattungsschulden aus einem Kaufvertrag gegenüber sämtlichen Gläubigern auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes als rechtens anerkannt wurde 798 . Auch die Gruppe der „zeichnenden" Anleger zeichnet sich nicht durch eine geschlossene, auf Dauer angelegte Gemeinschaft aus, sondern sie ist eine lose Gemeinschaft von Gläubigern, die ein und dasselbe beschränkte Gut, die zu platzierenden Aktien aus einer Emission, erwerben wollen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist jedoch folglich auch auf eine solche zufällig entstandene Interessengemeinschaft von Gläubigern und damit auf die Zuteilung von Aktien im Rahmen der Emission anzuwenden. Trotz einer generellen Anwendbarkeit auf schlichte Gemeinschaften gleichgerichteter Interessen genügt dies allein nicht, den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Geltung zur verhelfen. Bei fehlenden besonderen persönlichen und sozialen Bindungen innerhalb der Gruppe kann der Gleichbehandlungsgrundsatz seine Wirkung nur dann entfalten, wenn ein weiteres besonderes Merkmal hinzutritt, das eine bestehende moralische Bindung an den Gerechtigkeitsgedanken zu einer Rechtspflicht konkretisieren kann, die dann den Grundsatz der Vertrags- und Gestaltungsfreiheit einzuschränken vermag. Auch ohne Hinzutreten eines weiteren Merkmals ist das Gebot der Gleichbehandlung im Wirtschaftsleben und dem Bereich der individuellen Vertragsgestaltung nicht ohne Bedeutung. Vielmehr reduziert sich der Gleichheitssatz im ausgewogenen Verhältnis der Interessen auf eine formale Gleichheit, die als Gleichheit der Chancen zur Teilnahme am Rechtsverkehr bezeichnet werden kann 799 . Für 797 RG Urteil v. 03. 02. 1914 in RGZ 84, 125. 798 Dazu unten (1) ausführlich. 799 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
die Geltung der materiellen Gleichheit der Güterverteilung müssen dagegen zusätzliche Elemente zum Bestehen einer losen Gläubigergemeinschaft im Hinblick auf ein beschränktes Gut hinzutreten.
cc) Zusätzliche die Privatautonomie einschränkende Kriterien - Interessenabwägung Bei der Frage der Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes im Vertragsrecht sind nicht nur die Rechte des sich auf die Gleichbehandlung Berufenden, sondern ebenso die Privatautonomie dessen, der sich auf eine privatrechtliche Regelung stützt, zu beachten. Privatpersonen ist es deshalb natürlich erlaubt, sich einen Vertragpartner zu suchen oder es zu lassen und mit verschiedenen Personen voneinander abweichende Verträge zu schließen800. Doch gibt es Grenzen, die dem Gleichheitssatz entstammen801. Damit muss grundsätzlich durch Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vertragspartner entschieden werden, ob aus besonderen Gründen das Recht auf Gleichbehandlung den hohen Rang der Privatautonomie überwiegt. Unmittelbar auf die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes wirkt demnach gleichzeitig auch die des Inhalts und der Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein. Der Kontrahierungszwang als äußerstes Mittel der Gleichbehandlung verdrängt die Privatautonomie vollständig. Demgegenüber bleibt bei der Auswahl potentieller Vertragspartner nach sachlichen Kriterien immer noch ein Spielraum zur Auswahl des einzelnen Vertragspartners. Im ersteren Fall würde im konkreten Fall der Zuteilung von Aktien ein Primäranspruch auf Zuteilung bestehen. Im zweiten Fall dagegen wäre nur ein Anspruch auf Schadensersatz aus c.i.c. bei Verletzung des vorvertraglich selbst gesetzten Spielraums denkbar. Im Rahmen der Interessenabwägung sind daher sämtliche Kriterien des zu beurteilenden Sachverhalts mit einzubeziehen und zu untersuchen, ob sie im konkreten Fall eine Einschränkung der Abschlussfreiheit rechtfertigen. Sollte die folgende Interessenabwägung eine Einschränkung der Abschlussfreiheit zulassen, so kann damit gleichzeitig eine Beschränkung der Gestaltungsfreiheit als Bestandteil der Privatautonomie gerechtfertigt werden. Wenn also Emittent und Banken verpflichtet werden könnten, bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Ergebnis gemäß § 249 I BGB Aktien zuzuteilen, so könnten sie ebenfalls verpflichtet werden, bei bereits tatsächlich zugebilligter Zuteilung mehr Aktien zuzuteilen.
»»ο Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1993, 373, 377. «οι Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1993, 373, 377.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
(1) Anwendung der Kriterien
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zum Gleichbehandlungsgebot im Kaufrecht
Fraglich ist, ob die Entscheidung des Reichsgerichts 802 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes im Kaufrecht hier entsprechende Anwendung finden kann. Auch diesem Urteil lag der Sachverhalt einer bestehenden Gläubigermehrheit zu Grunde, denen eine begrenzte, d. h. eine sämtliche Kauforder unterschreitende, Anzahl von Gütern gegenüberstand, was zu einer teilweisen Unmöglichkeit der Erfüllung beschränkter Gattungsschulden führte. Konkret verkaufte der Schuldner Anteile einer zukünftigen Ernte von speziellem nur von ihm gezüchteten Zuckerrübensamen. Der insgesamt verkaufte Anteil entsprach etwa der Hälfte der zu erwartenden Ernte. Tatsächlich belief sich der Ernteertrag auf Grund außerordentlicher Trockenheit auf etwa 1/5 der Erwartungen, so dass die Ernte nicht mehr für die volle Befriedigung aller Abnehmer ausreichte und die Verteilung der Ernte zum Rechtsstreit führte. Das Reichsgericht entschied, dass gemäß § 242 BGB nach Recht und Billigkeit die Ernte anteilig und gleichmäßig, d. h. verhältnismäßig entsprechend des jeweils verkauften Anteils zu verteilen sei 8 0 3 . Dies sei eine Folge der bestehenden Interessengemeinschaft der Gläubiger, deren Lieferansprüche den Ernteertrag überstiegen. Dieser Fall ist demnach grundsätzlich mit dem Sachverhalt vergleichbar, dass die Gesamtzahl der regelmäßig im Wege des Kaufvertrags georderten Aktien von Investoren die tatsächlich im Rahmen der Emission zu platzierenden Aktien übersteigt. Hier wie dort gilt es, eine beschränkte Gattungsschuld unter einer Mehrzahl von Gläubigern nach Recht und Billigkeit zu verteilen. Im Unterschied zur Entscheidung des Reichsgerichts haben „zeichnende" Investoren bei Aktienemissionen noch keinen verbindlichen Vertrag auf Lieferung geschlossen. Die rechtsgeschäftliche Beziehung befindet sich mit Abgabe der Kauforder noch im Stadium der Abgabe eines Angebotes, das die Parteien nur im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses bindet. Erst mit der Zuteilung haben die Investoren einen verbindlichen Anspruch auf Lieferung. Jedoch kann auch in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis der Gleichheitssatz und damit eine verhältnismäßige Verteilung Bindungswirkung entfalten. Allerdings beabsichtigen Emittent und Emissionsbanken auf Grund der bestehenden Unsicherheit des Nachfragevolumens sich hinsichtlich der Höhe der Zuteilung gerade nicht zu binden, und sich die Zuteilung einer geringeren als der georderten Menge vorzubehalten. Andererseits ist Intention des Bookbuildingverfahrens jedoch gerade, eine möglichst große Zahl an kaufwilligen Investoren zur Order bei ihrer Bank zu bewegen. Der Überhang an Käufern ist damit sogar beabsichtigt und nicht nur, wie bei dem der Entscheidung des Reichsgerichts zu Grunde liegenden Sachverhalts, auf ein unvorhersehbares Ereignis, wie eine Missernte, zurückzuführen. 802 RG Urteil v. 03. 02. 1914 in RGZ 84,125. 803 RG Urteil v. 03. 02. 1914 in RGZ 84, 125, 129.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Verteiler kann jedoch bei einem beabsichtigten Überhang der Käuferzahl und der damit vorhersehbaren Notwendigkeit der Repartierung durch Auswahl eines Zuteilungsschlüssels nicht weniger gebunden sein, als wenn die Repartierung durch ein unvorhergesehenes Ereignis hervorgerufen wird. Auch nach G. Hueck 8 0 4 ist die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht auf Fälle zu beschränken, in denen der Lieferverpflichtete die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Eine Anwendbarkeit bestehe auch dann, wenn er durch die Annahme zu vieler Verpflichtungen die ordnungsgemäße Erfüllung gefährde. Im konkreten Fall der Zuteilung von Aktien kann der ordernde Anleger aber nicht darauf vertrauen, dass sämtliche Angebote vom Vertragspartner angenommen werden. Vielmehr ist nach den Boomjahren mit exorbitanten Überzeichnungen, selbst bei mangelndem explizitem Vorbehalt im öffentlichen Angebot, jedem Anleger klar, dass er im Zuteilungsverfahren leer ausgehen kann. Vertrauen des Anlegers könnte allein insoweit entstehen, als er von der Anwendung eines fairen Zuteilungsverfahrens ausgehen kann, das sich nicht notwendigerweise auf anteilige Repartierung und somit eine garantierte Mindestzuteilung beschränken muss. Vielmehr rechnet der ordernde Anleger von Aktien, im Gegensatz zu den Käufern der Reichsgerichtsentscheidung mit der Möglichkeit, dass er, ggf. ζ. B. unter Anwendung des Losverfahrens, leer ausgehen könnte. Intention der Reichsgerichtsentscheidung war nicht die Wahl irgendeines Zuteilungsverfahrens, sondern speziell die anteilige Repartierung. Hinzu kommt die bereits erwähnte Tatsache, dass bereits ein bindender Anspruch auf Lieferung der gesamten gekauften Menge an Waren entstanden war. Das Urteil des Reichsgerichts zur beschränkten Gattungsschuld beschäftigte sich demnach nur mit dem anzuwendenden Verteilungsschlüssel, nicht aber mit der Frage, ob überhaupt eine Lieferung verlangt werden kann. Das Reichsgerichtsurteil kann damit für die Begründung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes i. S. einer wertenden Gleichheit, nicht fruchtbar gemacht werden. (2) Beschaffenheit des zu verteilenden Wirtschafts guts Die Aktie als börsenzugelassenes Wertpapier (a) Abhängigkeit von der Aktie als Wirtschaftsgut Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit lässt sich umso mehr rechtfertigen, je stärker eine Abhängigkeit von bestimmten Gütern besteht. Wäre die Aktie im Rahmen von Emissionen demnach ein existenznotwendiges Gut, so könnte dies zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit der Anbieter führen. Für die Einordnung der Aktie als Gut der Daseinsvorsorge lassen sich, angesichts der zunehmenden Unsicherheit der staatlichen Renten, der Bedeutungsgewinn und die steigende staatliche Förderung privater Altersvorsorge durch Kapitalanlage anführen. Seit Jahren soll die Förderung der Aktie und damit der privaten Kapitalanlage einen Ausweg aus der Krise der staatlichen Rentenversicherung führen. Kann das 804 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 143.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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bisherige Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aufrechterhalten werden, bedeutet dies, dass der betrieblichen und eben der privaten Altersvorsorge ein höherer Stellenwert zukommen muss, um Versorgungslücken zu schließen bzw. zu vermeiden. Allerdings beschränkt sich die Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nicht nur auf die Förderung des Finanzprodukts Aktie, sondern bezieht sämtliche Finanzmarktprodukte mit ein. So werden Banksparplan, private Rentenversicherung auch Fondssparplan und Mischprodukte staatlich gefördert 805. Die Aktie mag zwar ein wichtiger Bestandteil, insbesondere auch als grundlegender Baustein (Underlying ), der geförderten Produkte der privaten Alters Vorsorge und damit der Daseinsvorsorge darstellen. Da sich die private kapitalgedeckte Altersvorsorge dagegen nicht auf den reinen Aktienbesitz reduzieren lässt, ist der Anleger nicht von der Erwerbsmöglichkeit der Aktie abhängig. Hinzu kommt, dass sich der hier zu beurteilende Sachverhalt der Zuteilung von Aktien aus Emissionen auf den Primärmarkt beschränkt. Selbst wenn der Anleger trotz „Zeichnung" keine Aktien zugeteilt erhält, kann er die entsprechenden Aktien im Sekundärmarkt erwerben. Allein eine NichtZuteilung im Rahmen der Emission kann den Investor damit nicht generell von der Erwerbsmöglichkeit ausschließen. Damit ist der Anleger auf den Aktienemissionsmarkt nicht angewiesen. (b) Vertrauen in die „geregelten" Märkte Die Begründung von Vertrauen der Investoren in die Anwendung eines fairen Verfahrens und damit des Gleichbehandlungsgrundsatzes könnte jedoch aus der Zulassung der zu emittierenden Aktien an einer Wertpapierbörse bzw. konkret an einem geregelten Markt i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 8 0 6 folgen. Die Besonderheit des hier zur beurteilenden Wirtschaftsgutes, der am Markt zu platzierenden Aktie, ist die Möglichkeit der Zulassung des Wertpapiers an einer - immer noch 8 0 7 - öffentlich-rechtlich organisierten Wertpapierbörse 808. Jedes Börsen· und Handelssegment einer Wertpapierbörse steht für unterschiedliche Qualitätsmerkmale der Marktteilnehmer. Dabei weisen die „geregelten" Märkte i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, d. h. u. a. der amtliche und 805 Bundesministerium der Finanzen, Checkliste zur steuerlichen Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge, 10.12.2002, www.bundesfinanzministerium.de/Steuernund-Zoelle / Checkliste-zur-Riester-Rente-.856.htm. 806 EU-Richtlinie 93/22/EWG (ABl. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 27). 807 Kümpel, Zur öffentlichrechtlichen Organisation der deutschen Wertpapierbörsen, BKR 2003, 3; Merkt, Reformbedarf im Kapitalmarkt- und Börsenrecht, NJW-Beilage 2002, 41, 43 f.; Claus sen, Noch einmal: Die Rechtsform deutscher Wertpapierbörsen, ZBB 2000,1. 808 Die Diskussion um die private Ausgestaltungsmöglichkeit von Alternativen Handelssystemen (Alternative Trading Systems oder ATS) kann hier außen vor bleiben.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
geregelte Markt der F W B 8 0 9 , inklusive Prime und General Standard, ein höheres Anforderungsprofil und damit einen höheren Qualitätsstandard auf als beispielsweise der Freiverkehr. Um die Zulassung von Aktien an einem amtlichen oder geregelten Markt zu erreichen, ist die Börsenreife des Emittenten erforderlich. Das Anforderungsprofil der Börsenreife setzt sich aus quantitativen und qualitativen Kriterien zusammen. Die Börsenzulassung erfordert jedoch nicht nur ein bestehendes Anforderungsprofil, sondern setzt die Anerkennung und Einhaltung vielfältiger Folgepflichten voraus. Sämtliche dieser Zugangs- und Folgepflichten einer Börse als Bestandteil kapitalmarktrechtlicher Rechtsvorschriften basieren auf den grundlegenden Prinzipien und Regelungszielen der Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten 810 . Die Grundsätze des Kapitalmarkts richten sich nach dessen Regelungszielen und Schutzgütern, wovon auch dessen Fortentwicklung abhängt811. Hierbei geht es vor allem um den Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, was zugleich den Schutz des Anlegerpublikums als der Gesamtheit der Anleger beinhaltet, die das Angebots- und Nachfragepotential repräsentieren, das am Markt zum Ausgleich geführt werden soll 8 1 2 und die den Kapitalmarkt überhaupt erst als Markt definieren. Die kapitalmarktrechtlichen Regelungen haben zwei vorrangige Regelungsziele: den Funktionsschutz der Kapitalmärkte und den Individualschutz der Anleger 813 . Der Funktionsschutz kann dabei in drei Teilaspekte eingeteilt werden, mit denen das Regelungsziel konkretisiert werden kann: die operationale Funktionsfähigkeit, die institutionelle Funktionsfähigkeit, und die allokative Funktionsfähigkeit 814. Die operationale Funktionsfähigkeit beschreibt die Kosteneffizienz und damit die Renditemaximierung 815. Für die institutionelle Effizienz der Kapitalmärkte bedarf es rechtlicher Rahmenbedingungen, um das Vertrauen der Anleger in die Stabilität, Fairness und Integrität der Märkte zu erhalten und möglichst zu festigen 816 . Für die allokative Funktionsfähigkeit, d. h. das notwendige Vertrauen der Anleger sind Integrität und Fairness der Kapitalmärkte unverzichtbar 817. Dies beinhaltet 809 ABl. C 072 vom 23. 03. 2004, S. C 72/5; ABl. C 280/2 vom 16. 11. 2002, S. C 280/3. 810 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 1 Rn. 22 ff. 811 Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 17. 812 Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 17. 813 Assmann, Kapitalmarktrecht, in 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 251, 263 ff., 276 ff.; Hopt, Vom Aktien- und Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht? Teil 2, ZHR 141 (1977) 389, 392; Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 19. 814 Assmann, Kapitalmarktrecht, in 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 251, 263 ff.; Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 21. 815 Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 1 Rn. 25; Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 27. 816 GroßkommAktG /Assmann, Einl Rn. 360; ders., in Assmann /Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 1 Rn. 26; Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 21 f. 817 Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 29; Assmann, Konzeptionelle Grundlagen des Anlegerschutzes, ZBB 1989,49, 55 ff.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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inzident die international geltenden Grundsätze des Kapitalmarkts: „fair, just, and equitable" 818 . Grundlage jeglicher Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten ist folglich das Vertrauen der Anleger, ihr Vermögen in ein Finanzprodukt zu investieren, das Vermögenszuwachs verspricht. Eine effiziente Allokation der Finanzmittel findet jedoch nur bei Funktionsfähigkeit der Märkte statt 819 . Anlegerschutz ist damit Grundvoraussetzung der Leistungsfähigkeit von Kapitalmärkten und als eigenständige Kategorie anerkannt 820. Die Krise der Aktienmärkte, hervorgerufen durch zahlreiche Skandale im In- und Ausland, hat sämtliche Beteiligten veranlasst, Mittel und Wege zu suchen, das Anlegervertrauen zurückzugewinnen 821. Das Anlegervertrauen als Ziel des Anlegerschutzes bedeutet übersetzt in sachliche Leitprinzipien u. a. die Anlegergleichbehandlung und Marktintegrität 822 . Die Zulassung zum amtlichen oder geregelten Markt setzt die Einhaltung gewisser international geltender Mindest- und Qualitätsstandards voraus, die sich an den grundlegenden Leitprinzipien des Anlegerschutzes und letztendlich auch an der Anlegergleichbehandlung orientieren. Demgegenüber werden z. B. beim Frei verkehr derartige Qualitätsstandards zur Einbeziehung der Wertpapiere zum Handel nicht vorausgesetzt. Folglich kann dort kein entsprechendes Vertrauen begründet werden. Ein abstraktes Grundvertrauen des Investors auf die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist folglich insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn die Aktien am amtlichen oder geregelten Markt zugelassen werden sollen und damit die Attribute von Transparenz und Fairness des Handelsmarktplatzes für 818 Jennings /Marsh/Coffee /Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 105; sowie explizit Rule 2110 des NASD Manual, abrufbar unter http://nasd.complinet.com/nasd/display/ index.html: Standards of Commercial Honor and Principles of Trade: „A member, in the conduct of his business, shall observe high standards of commercial honor and just and equitable principles of trade." 819 Hellwig in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 5; Assmann in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 1 Rn. 22 ff.; ders., Konzeptionelle Grundlagen des Anlegerschutzes, ZBB 1989,49, 55 ff. 820 Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln? NJW-Beilage, 2002, 37, 38; Kümpel, Kapitalmarktrecht - eine Einführung, 2000, S. 29 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 377 ff.; Assmann, Kapitalmarktrecht, in 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 251, 276 ff.; ders., Konzeptionelle Grundlagen des Anlegerschutzes, ZBB 1989,49. 821 DAI, Stärkung des Finanzplatzes Deutschland - Rückgewinnung von Anlegervertrauen und Funktionsfähigkeit, Going Public, 2003, 36; Bundesministerium der Justiz, Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität, Pressemitteilung Nr. 10/03, 25. 02. 2003, abrufbar unter www.bmj.de. 822 Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln? NJW-Beilage, 2002, 37, 38; Assmann, Konzeptionelle Grundlagen des Anlegerschutzes, ZBB 1989, 49, 50.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
sich in Anspruch nehmen. Mit der Wahl der Notierung und Handelsaufnahme an einem dieser Märkte erwecken Emittent und die Emissionsbanken den Anschein der Durchführung eines transparenten und fairen Verfahrens. Aus diesem Grund erwarben auch die Privatanleger während der Boomjahre ihre Aktien auf Märkten, die für sie Qualität und damit verbunden Vermögenszuwachs erwarten ließen. Investoren sind nicht bereit, irgendeine Aktie zu erwerben. Vielmehr legt der Privatanleger - und nicht nur er - Wert darauf, an welcher Börse und konkret auf welchem Marktsegment die Aktie zugelassen und gehandelt wird. Nicht umsonst wird der Privatanleger vor Anlageprodukten des „Grauen" Kapitalmarkts gewarnt. Darüber hinaus kann wohl auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anleger trotz „Zeichnung" bereit wäre, Aktien auch dann zu erwerben, wenn die Zulassung zum Handel durch die Börse - regelmäßig erst kurz vor Notierungsaufnahme versagt werden sollte. Der Aktien ordernde Investor kann zwar nicht mit Sicherheit von einem Vertragsschluss ausgehen, jedoch vertraut er darauf, börsenzugelassene Aktien eines Unternehmens zu erwerben, das sich den Qualitätsmerkmalen von Fairness im Hinblick auf alle Aspekte des Emissionsverfahrens und damit auch eines gerechten Zuteilungsprocederes verschrieben hat. Gerade Emittent und Emissionsbanken werben mit der Wahl des Börsensegmentes und der Einhaltung möglichst hoher Qualitätsstandards. Mit einer Einbeziehung der Aktien zum Handel im Frei verkehr beispielsweise werden andere Anlegergruppen und Anlageziele und zu einem geringeren Anteil Privatanleger angesprochen. Wenn nun der Anleger eine börsenzugelassene oder zuzulassende Aktie zeichnet, vertraut er auf die Einhaltung der mit der Börsenzulassung einhergehenden Fairnessstandards. Emittent, Emissionsbanken und Anleger sind Marktteilnehmer des Kapitalmarktes. Damit sind die Grundsätze des Kapitalmarktes implizit Inhalt des vorvertraglichen Schuldverhältnisses zum Erwerb eines am Kapitalmarkt zu handelnden Wertpapiers. Allein um überhaupt die Zulassung der Aktien zum Handel an einer dieser Börsen zu erreichen, müssen die Zulassungsvoraussetzungen und damit die Einhaltung gewisser Qualität- und Quantitätsstandards bereits zur und damit vor Zulassung vorliegen. Von einem Anleger kann aber auch nicht ernstlich verlangt werden, er könne erst ab Handelsaufnahme also nach Zuteilung und Zulassung der Wertpapiere durch die Börse 823 auf die Einhaltung von Fairnessgesichtspunkte vertrauen, wo jedoch gerade u. a. die Werbung mit der Erfüllung dieser Standards ihn erst zum Erwerb veranlasst hat. Auch im Vorfeld der Handelsaufnahme kann damit bezüglich der Inanspruchnahme von Vertrauen nichts anderes gelten. Der Anleger „zeichnet" speziell Aktien, die zu einem bestimmten geregelten Markt zugelassen werden sollen. Vor der eigentlichen Zulassung, d. h. dem formellen Akt des Zulassungsbeschlusses der Börse oder der Handelsaufnahme, eine Zäsur zu ziehen und damit das Vertrauen in 823 Die Börsenzulassung erfolgt regelmäßig vor Zuteilung der Aktien. Damit könnte bereits zum Zeitpunkt der Zulassung der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten.
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Transparenz und Fairness vor dem formellen Akt einer Verwaltungsentscheidung, auszuschließen, widerspricht zudem dem Verständnis eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses als ein sich entwickelnder Verhandlungsprozess mit gegenseitiger Rücksichtnahme. Der zu erlassende Zulassungsbeschluss mit nachfolgender Handelsaufnahme stellt auch kein zufälliges Ereignis dar, das nicht bereits in den Verhandlungsverlauf eingeflossen wäre. Emittent und Banken können nicht mit der Börsenzulassung zu einem bestimmten Marktsegment werben und Anleger zur Zeichnung auffordern und gleichzeitig aber faire Marktbedingungen erst ab Zulassung oder gar Notierungsaufnahme gelten lassen. Bereits vor Zulassung haben damit Emittent und Konsortium darauf Rücksicht zu nehmen, dass der Anleger von der Zulassung der Aktien an einem geregelten Markt und damit von der Einhaltung des für öffentlich-rechtliche Börsen allgemein anerkannten Kapitalmarktstandards ausgeht. Bereits vor Zulassung der Aktie zum amtlichen oder geregelten Markt und Handelsaufnahme nehmen folglich Emittent und Konsortium Vertrauen in die Einhaltung eines fairen Verfahrens und damit in die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Anspruch. Die intendierte Zulassung an einem geregelten Markt haftet dem Wertpapier als Merkmal demnach bereits vor tatsächlicher Zulassung durch die Börse und Handelsaufnahme als grundlegende, beschreibende Eigenschaft an. Die Setzung eines Vertrauenstatbestandes kann auch nicht mit dem Argument als ausgeschlossen gelten, der Anleger könne nicht auf ein faires und gerechtes Zuteilungsverfahren vertrauen, da in der Vergangenheit unfaire Zuteilungsverfahrén und willkürliche Zuteilung praktiziert wurden. Selbst wenn ein Anleger damit rechnen muss, dass sich Marktteilnehmer entgegen den Praktiken eines ordnungsgemäßen Handels verhalten, so darf er doch darauf vertrauen, dass sich die Teilnehmer marktgerecht verhalten. Im Übrigen würde ein solches Argument zu dem Geständnis führen, es habe tatsächlich unfaire und rechtsmissbräuchliche Praktiken gegeben, die nicht nur vereinzelt aufgetreten seien, sondern sogar Marktstandard wären, was in dieser Form von den Betroffenen bisher so nicht explizit eingestanden wurde. Das so in Anspruch genommene Vertrauen des Anlegers auf die Einhaltung eines fairen und damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechenden Verfahrens ist geeignet, eine Selbstbindung hervorzurufen, und die Handlungsfreiheit der Schuldner im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einzuschränken. (3) Machtposition Im Rahmen der Interessensabwägung ist zusätzlich das Element des Bestehens einer Machtposition von Relevanz. Nur dort, wo sich Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit nicht voll entfalten können und ein Partner eine Machtposition innehat, die es ihm erlaubt, „Marktstrategie" zu betreiben, sind ausgleichende Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien, wie beispielsweise der Gleichbehandlungsgrundsatz, heran-
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
zuziehen 824 . Ein Anwendungsfeld dieses Grundsatzes entsteht damit dort, wo der freie Wettbewerb seine ordnende Kraft eingebüßt hat und es nicht mehr gilt, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, sondern es den Mangel zu verteilen gilt 8 2 5 . Das Gebot der Gleichbehandlung kann sich sinnvollerweise nur an den richten, der die Position und Macht innehält, etwas zu verteilen. Dabei ist nach den Umständen des Einzelfalls in Anbetracht des zur Verteilung stehenden Gutes und dem Grad der Machtposition zu beurteilen, ob der Übergang von der formellen zur materiellen Gleichheit vollzogen ist. Auf Grund der Erforderlichkeit einer Gesamtschau und Interessenabwägung erscheint es nicht sinnvoll für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes generell das Vorliegen einer Monopolstellung zu fordern 826 . Da wie bereits ausgeführt das hier zur Disposition stehende Gut Aktie kein Wirtschaftsgut der Daseinsvorsorge darstellt 827 , kann die Art des Wirtschaftsguts allein kein Abhängigkeitsverhältnis begründen. Nach Gravenhorst 828 sollen Emittent und Konsortium eine solche Machtposition innehaben, da sie die Zuteilung nicht mittels eines dem freien Spiel des Wettbewerbs ausgesetzten Auktionsverfahrens durchführen, sondern die Zuteilung anhand anderer Kriterien steuern wollen. Mit der Wahl eines Festpreisverfahrens oder des Bookbuildingverfahrens seien die ordnenden Marktkräfte bewusst zurückgedrängt und der Wettbewerb bewusst ausgeschlossen worden. Allein diese Machtposition solle ausreichen, um das Konsortium mit der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu belasten. Gegen die Ansicht die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des mit ihr gegebenenfalls verbundenen Kontrahierungszwangs können sich allein auf das Vorliegen der gerade dargestellten Machtposition stützen, spricht die Bestimmung des relevanten Markts i. S. d. GWB als Markt für alle Aktienemissionen. Der Anleger ist nicht auf eine einzelne Aktienemission angewiesen, sondern kann auf andere Anbieter, d. h. andere Emittenten ausweichen. Allerdings bedarf es hier auch keiner Entscheidung der Frage, ob allein die von Gravenhorst gefundene Machtstellung den Gleichheitssatz rechtfertigen kann, da wie oben dargestellt hier der zusätzliche Vertrauensaspekt der börsenzugelassenen Aktie hinzutritt, der eine Selbstbindung rechtfertigt. Obwohl Anleger auch anderweitig Aktien aus Emissionen erwerben können, so üben doch Emittent und Konsortium dahingehend eine gewisse Machtposition aus, 824 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 77 ff. 825 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 93. 826 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 94; Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1, 35; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47, 60 f. 827 Ebenso Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 119 f., 137. 828 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 137 f.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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dass sie im Rahmen des Bookbuildingverfahrens öffentlich zur „ Z e i c h n u n g " in einer bestimmten Zeitspanne aufrufen, um sich selbst aus einer dann geschlossenen Investorengruppe die qualifiziertesten Anleger, nicht notwendigerweise die Zahlungswilligsten auszuwählen. Des Weiteren wird die Preisspanne regelmäßig so niedrig gesetzt 829 , um eine gewisse Überzeichnung und damit auch eine gewisse Marktenge zu erreichen, die zu einer stabileren Kursentwicklung nach Notierungsaufnahme beitragen kann. Mit der Möglichkeit der Festlegung der Preisspanne und dem gleichzeitigen Werben 830 für eine Aktie, liegt es in der Hand von Emittent und Banken, einen Mangel hervorzurufen und eine Machtstellung einzunehmen. Überdies ist der Aufruf zur Zeichnung mit nachfolgender Auswahl durch den Aufrufenden mit einer öffentlichen Ausschreibung oder dem Vergabeverfahren vergleichbar. Auch dort werden Angebote eingeholt und gesammelt, um anschließend anhand von gewissen Kriterien Bewerber auszuwählen. Bei öffentlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren ist die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes allgemein anerkannt 831. Danach ist der Ausschreibende zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er unter Überschreitung seines Beurteilungsspielraums einen anderen Bewerber aus unsachlichen Gründen bevorzugt 832 . Zwar unterliegt das Vergabeverfahren einer gesetzlichen Regelung. Allerdings ergibt sich aus der Vergleichbarkeit der Sachverhalte, ein zusätzlicher Anhaltspunkt im Rahmen der Interessensabwägung für ein Zurückstehen der Interessen des zur öffentlichen „Zeichnung" Aufrufenden. Infolgedessen ist eine weitere Einschränkung der Vertragsfreiheit von Emittent und Banken festzustellen, welche die bereits festgestellte Selbstbindung von Emittent und Konsortium durch die Inanspruchnahme von Vertrauen in den Gleichbehandlungsgrundsatz durch das öffentliche Angebot von Aktien, die am amtlichen oder geregelten Markt zugelassen werden, noch weiter beschränkt. Insgesamt hat sich also die Vertragsfreiheit von Emittent und Banken innerhalb des vorvertraglichen Schuldverhältnisses zu den Investoren auf Grund einer Selbstbindung und dem zusätzlichen Element der Machtposition so weit verdichtet, dass ein Abbrechen der Vertragsverhandlungen nur noch aus einem triftigen Grund als gerechtfertigt erscheint. Auf Grund der Inanspruchnahme von Vertrauen in den Gleichbehandlungsgrundsatz muss der rechtfertigende Grund den Grundsätzen des Gleichheitsgebotes genügen.
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Vgl. dazu die zahlreichen empirischen Untersuchungen und Aufsätze zum Underpricing; ζ. B. Serfling/Pape/Kressin, Emissionspreisfindung und Underpricing, AG 1999, 289, 294; s. auch Fn. 192. 830 Bei Anerkennung der Going Public-Grundsätze v. 1. 08. 2004 galten die Grenzen der Blackout-Periode gemäß Ziff. 6. 831 Palandt/Heinrichs, § 311, Rn. 39 f. mwN; MüKo/Emmerich, § 311, Rn. 86. 832 BGH Urteil v. 08. 11. 1984 in NJW 1985, 1466; OLG Düsseldorf Urteil v. 13. 03. 1990 in NJW-RR 1990,1046.
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3. Teil: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
6. Fazit Das durch die Zulassung der Aktien am amtlichen oder geregelten Markt ' * geschaffene Vertrauen des Anlegers auf die Anwendung eines fairen Verfahrens, speziell eines fairen Zuteilungsverfahrens, bedeutet nichts anderes als das Vertrauen auf die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Im Verhältnis zwischen der einzelnen die Order entgegennehmenden Bank und Anleger sowie zwischen Emittent und Anleger ist basierend auf dem vorvertraglichen Schuldverhältnis über § 242 BGB der Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar. Auf Grund des in Anspruch genommenen Vertrauens und der damit hervorgerufenen Selbstbindung sowie der weiteren Einschränkung durch die festgestellte Machtposition von Emittent und Banken besteht die Verpflichtung, die zu emittierenden Aktien nach sachlichen Gesichtspunkten zuzuteilen. Die Vertragsverhandlungen dürfen somit nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes abgebrochen werden, der den Grundsätzen der Gleichbehandlung genügt. Bei sachlich ungerechtfertigter, d. h. willkürlicher Zuteilung verletzen Emittent und Banken die Rechte des Anlegers. Damit besteht zwar primär kein Anspruch auf Vertragsabschluss, aber ein Anspruch auf ein den Grundsätzen der Gleichbehandlung entsprechenden Zuteilungsverfahrens. Erst aus dem Anspruch auf ein entsprechendes Zuteilungsverfahren vermag dann eventuell im Einzelfall durch den Anspruch auf Naturalrestitution bei Verletzung dieser Pflicht gemäß §§311 II, m , 280 I, 249 S. 1 BGB ein Anspruch auf Zuteilung und damit Kontrahierung folgen [siehe unten 8. Kapitel: I.2.b)bb)].
I I I . Inhalt des Gleichbehandlungsanspruchs Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebotes gilt es, den Inhalt des Anspruchs auf Gleichbehandlung zu bestimmen. Dabei bedarf insbesondere die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Gesichtspunkt näherer Darstellung.
1. Verhältnismäßige Gleichheit Die Gleichbehandlung im Privatrecht ebenso wie im öffentlichen Recht hat keinen absoluten, sondern nur einen relativen Charakter 834. Es gilt das Wertesystem zu finden, innerhalb dessen jeder bzw. jedes nach seinem Wert einzustufen ist 8 3 5 . 833 D. h. allgemein an einem „geregelten" Markt i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der EU-Richtlinie 93 / 22 / EWG (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie). 834 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 173 f. 83 5 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 97.
7. Kap.: Anwendbarkeit, Reichweite und Inhalt
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Dies bringt eigentlich die sprachliche Verwendung der Bezeichnung der „gleichmäßigen Behandlung" anstelle von „gleich" als absolute Gleichheit zum Ausdruck. Die „gleichmäßige Behandlung" soll demgegenüber gerade auf das Element der Verhältnismäßigkeit hinweisen 836 und nicht wie vielfach verwendet, die absolute Gleichheit kennzeichnen. In der Literatur zur Zuteilung von Aktien bei Neuemissionen wird teilweise die „gleichmäßige Behandlung" der Investoren ohne nähere, auch begriffliche Differenzierung abgelehnt837. Soweit damit, im Gegensatz zum vorliegenden Begriffsverständnis, die absolute Gleichheit verstanden werden soll 8 3 8 , ist dem zuzustimmen. Wird demgegenüber dadurch auch die Zuteilung nach sachlichen Kriterien abgelehnt, mit der Folge der Zulässigkeit einer Zuteilung nach Willkür, ist dem nicht zu folgen.
2. Sachliche und sachfremde Differenzierungsgründe Aus der Feststellung, dass Gegenstand des privatrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nur eine verhältnismäßige Gleichheit ist, folgt eines der Hauptprobleme dieses Rechtsinstituts839: die Bestimmung des sachlichen Differenzierungsgrunds. Im Rahmen des Geltungsbereichs des Gleichbehandlungsgrundsatzes berechtigt nicht jeder denkbare Unterschied zur Ungleichbehandlung. Nur ein beschränkter Kreis an Merkmalen, der durch den inneren Zusammenhang festgelegt wird, bestimmt Grund, Art und Ausmaß der Gleich- oder Ungleichbehandlung840. Angesichts der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte kann bei der Bestimmung des zulässigen Differenzierungsgrundes auf die im öffentlichen Recht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden 841 . Über die Deutung des Gleichheitssatzes herrschte lange Zeit Übereinstimmung und konnte schlagwortartig als Gleichsetzung von Gleichheitsgebot und Willkürverbot zusammengefasst werden 8 4 2 . Der Gleichheitssatz schließt danach nicht aus, Ungleiches ungleich zu be836 Vgl. auch G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 174 Fn. 2. S37 s. Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 70; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 475; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 24. 838
So wohl Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330; Schanz, Börseneinführung, 2002, § 10 Rn. 70; Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rn. 475. 839
G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 174. G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 175. 841 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 97, 177 f., 178 Fn. 7. S42 BVerwG Urteil v. 15. 10. 1971 in BVerwGE 39, 1, 4; BVerwG Urteil v. 10. 12. 1981 in BVerwGE 64, 248, 261; BAG Urteil v. 28. 09. 1972 in NJW 1973, 77, 78; von Münch/ Gubelt, GG, Art. 3 Rn. 13 mwN. 840
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handeln. Es muss auch nicht der zweckmäßigste Weg eingeschlagen werden. Unzulässig ist lediglich die Vornahme willkürlicher Differenzierungen. Darunter sind solche zu verstehen, die sich nicht aus der Natur der Sache ergeben, also sachlich nicht begründet sind 8 4 3 . Nach einer Änderung der Rechtsprechung seit 1980 ist der Gleichheitssatz dann verletzt, wenn die Unterschiede der ungleich behandelten Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können 844 . Im Unterschied zum Willkürverbot bedeutet dies, dass nicht irgendein sachlich einleuchtender Grund für eine unterschiedliche Behandlung ausreicht, sondern es muss eine Gewichtung erfolgen: Die tatsächlichen Unterschiede müssen die Ungleichbehandlung rechtfertigen 845 . Damit wird der Aspekt der Verhältnismäßigkeit betont, mit der Folge, dass Art und Gewicht der Unterschiede in einem angemessenen Verhältnis zu der Ungleichbehandlung stehen müssen846. Die Auswahlentscheidung, welchen Investoren oder Investorengruppen Aktien zugeteilt werden, muss sich daher aus der Natur der Sache ergeben. Differenzierungsgründe müssen somit auf dem Wesen des konkreten Rechtsverhältnisses, d. h. eines geschlossenen Wertesystems, beruhen 847 . Vorliegend muss sich also jeglicher sachliche Differenzierungsgrund aus der Natur und dem Wertesystem einer Aktienemission ergeben. Wobei zu beachten ist, dass wie bereits festgestellt 848, der Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei der Zulassung der zu emittierenden Aktien zum amtlichen oder geregelten Markt anwendbar ist. Demzufolge können sich Differenzierungsgründe nur aus dem eingegrenzten System einer Aktienemission mit entsprechender Börsenzulassung ergeben. Sachliche Differenzierungsgründe richten sich u. a. nach Struktur und Intention bzw. Zweck der Transaktion primär aus Sicht des Emittenten 849 , der als Empfänger des Emissionserlöses der eigentliche wirtschaftliche Hauptinteressent der Durchführung der Aktienemission ist 8 5 0 . Dabei lassen sich Struktur und Zweck einer Transaktion kaum sinnvoll auseinander halten. Vielmehr beeinflusst der Zweck der Transaktion gerade deren Struktur. Im Ergebnis erleichtert zwar eine weiter gehende Konkretisierung des Begriffs der „Natur der Sache" in Struktur und Zweck 843
G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 177; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 99; Meyer-Cording, Der Gleichheitssatz im Privatrecht, Festschrift für Nipperdey 1955 I, S. 537, 539. M4 BVerfG Beschluss v. 07. 10. 1980 in BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG Beschluss v. 29. 05. 1990 in BVerfGE 82, 60, 86; BSG Urteil v. 16. 10. 1990 in NJW 1991, 1130, 1131. 845 von Münch/Gubelt, GG, Art. 3 Rn. 14 mwN. 846 von Münch/Gubelt, GG, Art. 3 Rn. 14 mwN. 847 G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 185, 190; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 98. 848 s. oben Π.6. 849 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 85, 138 ff.; ähnlich Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 331. 850 s. auch oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.6.a).
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bzw. Intention der Transaktion die Ermittlung elementarer Aspekte der Aktienemission, kann aber die Notwendigkeit der Rekurrierung auf den abstrakten und umfassenderen Begriff der „Natur der Sache" nicht ausschließen. Speziell am Beispiel des Interesses der Gesellschaft an der Herstellung einer optimalen Aktionärsstruktur zeigt sich die Schwierigkeit einer sinnvollen Konkretisierung der „Natur der Sache". Ein Zweck der Aktienemission, so explizit konstatiert beim Bookbuildingverfahren, ist die Unterbringung bei einem breiten Investorenspektrum von „qualifizierten" Investoren zur Sicherung einer stabilen Aktienkursentwicklung. Die Schaffung einer für den Emittenten optimalen Aktionärsstruktur mit institutionellen und privaten Anlegern mit Sitz im In- oder Ausland, lang- oder kurzfristiger Anlageorientierung und mit einem bestimmten Ordervolumen, beeinflusst aber gerade die Struktur der Transaktion. Die Aktienemission basiert demnach auf dem fundamentalen Interesse jedes Unternehmens an der Erreichung einer optimalen Aktionärsstruktur, die insbesondere im Rahmen von Emissionen einer großen Umstrukturierung unterliegen und damit Möglichkeiten zur Einflussnahme bieten 851 . Im Rahmen der Zuteilung von Aktien ist neben den Aspekten wie konzentrierter Aktienbesitz (beispielsweise von Venture Capital Beteiligungen) und ausreichender Streuung der Aktien (Free Float), auch die Struktur des Anteilsbesitzes von wesentlicher Bedeutung. Auf eine optimale Aktionärsstruktur nimmt auch der Anteilsbesitz des Managements sowie der Anteilsbesitz von Venture Capital Beteiligungen und anderen Unternehmen wie auch Banken wesentlichen Einfluss 852 . Ein sachlicher Differenzierungsgrund bei der Zuteilung von Aktien setzt also voraus, dass die Ungleichbehandlung zur Wahrung und Erreichung des Zwecks einer optimalen Aktionärsstruktur geeignet und erforderlich ist. Jeglicher Differenzierungsgrund, der erforderlich und geeignet ist die gewünschte Aktionärsstruktur zu erhalten oder zu schaffen, stellt damit keinen Verstoß gegen die Pflicht zur Gleichbehandlung im Rahmen der Zuteilung von öffentlich zu platzierenden Aktien dar. Intention und Zweck der Transaktion kann u. a. auch die Stärkung des Bekanntheitsgrades der Gesellschaft im In- und Ausland bei bestimmten Bevölkerungsgruppen sein, was insbesondere auch die Möglichkeit späterer Kapitalmaßnahmen und Kapitalaufnahmen am Markt erleichtert. Hinzu kommt auch der Hauptzweck der Transaktion: Die Stärkung der Eigenkapitalbasis und damit Erzielung eines Emissionserlöses durch den Emittenten. Allgemein bedeutet dies ferner, dass jeglicher Grund, der geeignet ist, dem Wohlergehen und Fortkommen der Gesellschaft zu dienen, als Transaktions- und Allokationszweck, als sachdienlich anzuerkennen ist. 851 Bessler/Kurth /Thies, Grundsätzliche Überlegungen zur Kapital- und Aktionärsstruktur, FB 2003, 651; Gierl/Praxmarer, Kursstabilität durch Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur; FB 2001, 272; Achleitner, Handbuch Investment Banking, 2002, S. 265 ff. 852 Bessler/Kurth/Thies, Grundsätzliche Überlegungen zur Kapital- und Aktionärsstruktur, FB 2003,651, 656 ff.
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Daneben verfolgen die anderen Kapitalmarktakteure im Rahmen einer Aktienemission, insbesondere die Banken eigene Interessen, aber auch Interessen, die generell der Aufrechterhaltung des Kapitalmarkts und damit auch der Erleichterung von Sekundärmarkttransaktionen dienen. Das Interesse des Emittenten mag sich mit dem Interesse der Konsortialbanken decken, kann diesem aber auch diametral entgegenstehen. Sachfremd und aus Sicht des Emittenten willkürlich sind Kriterien, die den alleinigen Zwecken der Konsortialbanken dienen, soweit nicht ein zusätzliches Element, das dem Kapitalmarkt allgemein und damit auch der Aktienemission dient, hinzukommt. Die Banken haben die Funktion von Finanzintermediären, die die durchzuführende Transaktion ermöglichen und erleichtern. Dementsprechend sind ihre eigenen Interessen, wie beispielsweise die Erzielung von Provisionen an die Durchführung von Kapitalmarktransaktionen und damit speziell an die Erzielung eines Emissionserlöses gekoppelt. Allerdings dienen die Eigeninteressen der Banken wie beispielsweise die Provisionsmaximierung gleichwohl nicht dem Zweck und Interesse der Aktienemission und stellen demnach keinen sachlichen Grund einer differenzierten Zuteilung dar. Ebenso wenig dient es auch der Struktur und der Intention einer Aktienemission und speziell dem Zweck einer strategischen Allokation von Aktien, wenn einzelne Mitglieder des Managements oder Bankangestellte Zuteilungen an Freunde und Verwandte mit dem alleinigen Zweck vornehmen, diesen Personen einen Zeichnungsgewinn zu ermöglichen. Bei der Beurteilung des Spinning 853 , d. h. der Zuteilung von Aktien an das Management einer Gesellschaft, um im Gegenzug Investment Banking-Geschäft zu erhalten, ist ebenfalls ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot festzustellen. Verfolgt eine Bank mit der Zuteilung allein die Mandatierung für einen anderen Geschäftsauftrag, so dient dies nicht dem Zweck der soeben durchzuführenden Aktienemission und liegt somit auch nicht in deren Natur. Eine derartige Zuteilung dient allein dem Eigeninteresse der Bank. Bei den bereits eingangs erwähnten fragwürdigen Praktiken Laddering 854 , Solicitation und Aftermarket „Tie-in" Agreements 855 kann wohl ein Verstoß gegen das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation gemäß § 20a WpHG festgestellt werden. Jedenfalls stellen sie keine zulässige Stabilisierungsmaßnahme i. S. d. §§ 4 ff. KuMaKV bzw. § 5 MaKonV i.V. m. der Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 dar. Da Zuteilungen entsprechend diesen Praktiken bereits gegen Rechtsvorschriften verstoßen, können sie auch keinen zulässigen Differenzierungsgrund für eine Ungleichbehandlung darstellen. Als weiteres Beispiel verbotener und darum sachfremder Differenzierungsgründe zählen auch Verstöße gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften. So hat das 853 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.f)dd). 854 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.f)ee). 855 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.f)ff).
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LG Hamburg am 16. März 2000 auf Antrag der Zentrale gegen unlauteren Wettbewerb T-Online untersagt, diejenigen Kunden, die an der Befragung im Internet teilnehmen, eine Bevorzugung bei der Aktienverteilung anlässlich des bevorstehenden Börsengangs zu versprechen 856. Zudem gab das LG Düsseldorf dem Antrag des Konkurrenten AOL auf Untersagung der Bevorzugung von Teilnehmern der T-Online-Befragung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren statt 857 . Aus der Reihe sachgerechter Gründe ausgeschlossen hat die Börsensachverständigenkommission die Eigenschaft als Mitarbeiter der Konsortialmitglieder oder anderer Wertpapierdienstleistungsunternehmen einschließlich die Eigenschaft als Mitglied ihrer Leitungsorgane. Gemäß Art. 7 der Zuteilungsgrundsätze der BSK dürfen diese Personen nicht günstiger gestellt werden als Privatanleger ihrer Institute. Diese Vorgaben sind zwar als unverbindliche Verhaltensempfehlung ausgestaltet 858 , allerdings ergibt sich das Verbot eigene Mitarbeiter günstiger zu stellen bereits aus der Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes. Eine bevorzugte Zuteilung an eigene Bankmitarbeiter dient ohne das Hinzutreten weiterer Rechtfertigungsgründe nicht dem Zweck der Aktienemission. Als sachlicher Grund der Ungleichbehandlung wäre, neben den oben bereits genannten, beispielhaft die geographische Verteilung, intendierte Haltedauer, Art des Anlegers 859 (institutionell oder privat) zu nennen. Hinzu kommen die spezifisch auf die Erfordernisse des konkreten Emittenten ausgerichteten Qualitätsmerkmale. Aber auch Kosten- und Praktikabilitätsgründe können zu einem sachlichen Grund einer Ungleichbehandlung führen. Als weitere begründete Differenzierungsgründe können beispielhaft die langfristige Bindung des Emittenten zum Kunden, Wohnsitz des Investors für die Aufteilung in regionale Tranchen und Depotbestand des Investors genannt werden. Im Rahmen der Einbeziehung des Depotbestandes eines Investors kann insbesondere berücksichtigt werden, ob bereits Aktien des Emittenten, bzw. bei Erstemission, ob Aktien von Konzernunternehmen bereits im Depot gehalten werden 860 . Zusätzlich sind auch Geschäftsbeziehungen der Banken zu ihren Kunden ein sachlicher Differenzierungsgrund, sofern dies ζ. B. die Möglichkeit weiterer Kapitalaufnahmen erleichtert. Eine abschließende Aufzählung sachgerechter oder unsachgemäßer Differenzierungsgründe ist auf Grund der Vielgestaltigkeit der Einzelfälle weder möglich noch erforderlich. Eine wertende Betrachtung, insbesondere auch in der negativen 856 0 .V, Wettbewerbszentrale bremst T-Online aus, HB v. 20. 03. 2000, S. 28. 857 o.V, AOL erwirkt Verfügung gegen T-Online-Befragung, HB, 22. 03. 2000, S. 27; das von AOL beantragte Verfahren wurde dann durch Vergleich beendet, indem sich T-Online verpflichtete, auf eine Bevorzugung von Kunden nach einem bestimmten Termin zu verzichten. 858 s. oben 2. Teil: 4. Kapitel: II.l. 859 Vgl. v.a Bessler/Kurth/Thies, Grundsätzliche Überlegungen zur Kapital- und Aktionärsstruktur, FB 2003, 651, 655 ff. 860 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 661.
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Sichtweise, des Verbots willkürlicher Unterscheidung hat im Sachzusammenhang des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen. So werden zudem weitere kapitalmarktrechtliche sowie finanztheoretische Studien neue Erkenntnisse und Zusammenhänge im Bereich optimaler Kapital- und Aktionärsstruktur hervorbringen und so regelmäßig weitere sachlich gerechtfertigte Differenzierungsgründe zur Disposition stellen.
IV. Beurteilung der praktizierten Zuteilungsverfahren Angesichts der Feststellung der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien und der Konkretisierung eines sachgemäßen Grundes, der eine ungleiche Behandlung rechtfertigen kann, sind nunmehr die praktizierten Zuteilungsverfahren dahingehend zu untersuchen, ob sie den vorgenannten anwendbaren Grundsätzen entsprechen. In die Betrachtung mit einzuschließen sind auch die speziellen Bestandteile des Zuteilungsverfahrens, wie beispielsweise die Friends & Family, Directed Allocation oder die Free Retention Tranche, die zur alleinigen Disposition des jeweiligen Verteilers gestellt werden. Fraglich ist demnach insbesondere, ob dies dazu führen kann, dass eine willkürliche Zuteilung bezüglich dieser Tranchen Platz greifen könnte.
1. Auktionsverfahren Gerade auf Grund der Erfahrungen des starken Underpricing bzw. der enormen Kurssprünge am ersten Handelstag zeigt sich in letzter Zeit in der Diskussion eine Präferenz und Tendenz hin zum Auktionsverfahren 861. Im Falle des Auktionsverfahrens erfolgt die rechtlich zulässige Differenzierung zwischen verschiedenen Investoren - generell und ohne auf die verschiedenen Auktionsmethoden einzugehen - durch die Auswahl des Meistbietenden. Einziger sachlicher Differenzierungsgrund ist damit beim Auktionsverfahren, die Höhe des Gebots. Gerade das Kriterium der Höhe des gebotenen Preises überlässt die Zuteilung dem freien Spiel der Marktkräfte und schränkt sie grundsätzlich nicht ein. Die hierdurch erzielte Zuteilung entspricht dem Gleichbehandlungsgebot und ist gleichzeitig geeignet, durch die Ausnutzung der Marktkräfte einen maximalen Erlös zu erzielen. Dagegen bleiben strategische Kriterien der Investorenauswahl, wie Wohnsitz, Haltedauer oder spezifische dem jeweiligen Emittenten wichtige Auswahlkriterien unberücksichtigt.
861 Baumeister/Werkmeister, Auktionsverfahren für Aktienemissionen, FB 2001, 44, 49; Weisgerber/Wenger, Going Public - Fair Play bei der Zuteilung? Die Bank 2000, 295; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 54; o.V., Google will per Online-Auktion an die Börse, HB, 24. 10. 2003.
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2. Losverfahren In Anbetracht des Losverfahrens stellt sich die Frage, ob das Los ein sachlich zulässiges Differenzierungskriterium darstellt. Der Emittent hat ein vitales Interesse daran Kleinstzuteilungen auszuschließen, um zu verhindern, dass der mit einer geringen Menge Aktien bedachte Investor, diese sogleich wieder am Markt abstößt und damit einer stabilen Kursentwicklung entgegenwirkt. Ein Zuteilungsverfahren, das jedem Anleger eine Mindestzuteilung sichert, ist im Einzelfall nur dann sinnvoll, wenn genügend Aktien vorhanden sind und so Kleinstzuteilungen ausgeschlossen werden können. Müssen allerdings einzelne Kaufwillige von der Zuteilung ganz ausgeschlossen werden, um solche Kleinstzuteilungen zu verhindern, können sich Emittent und Banken, nach anderen Kriterien geeignete Investoren aussuchen. Sind zusätzliche qualitative Kriterien der Anlegerauswahl jedoch nicht erwünscht oder nicht vorhanden, ist auch die Wahl des Loses ein geeignetes Auswahlverfahren, das dem Zweck der Emission dient. Letztendlich wird hier die Gleichbehandlung wieder auf die formale Gleichheit i. S. der Chancengleichheit aller Marktteilnehmer reduziert.
3. Prozentuale Zuteilung, Zuteilung nach Ordergröße und Windhundverfahren Die prozentuale Zuteilung gegebenenfalls in Verbindung mit einer Zuteilung nach Ordergröße, aber auch das Windhundverfahren legen Differenzierungskriterien wie Anzahl der Kaufangebote, also Kopfzahl, die Größe des riskierten oder eingesetzten Kapitals sowie den Orderzeitpunkt der Auswahl zu Grunde. Diese, wenn auch einfach anmutenden Kriterien, lassen gerade wegen ihrer einfachen Handhabbarkeit am wenigsten Raum für willkürliche Zuteilungen. Bereits von Raiser 862 wurden diese Kriterien als zulässiger Maßstab einer wertenden Auswahl anerkannt.
4. Zuteilung nach Qualitativen Merkmalen (Affinity Groups) und Beteiligungsprogramme Zuteilungsverfahren unter Anwendung qualitativer Kriterien bedürfen eines sachlichen Differenzierungsgrundes zur ungleichen Behandlung der Anleger, um nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen. Beteiligungsprogramme für Neuemissionen863 wenden dabei den vorherigen Aktienbesitz bzw. den Depotbestand eines Anlegers als Kriterium der Bevorzugung und damit 862 Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75, 97 ff. 863 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.e)bb)(9).
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Ungleichbehandlung an. Dieses Kriterium entspricht wie bereits oben erläutert 864 der Natur der Sache und ist damit ein zulässiger Differenzierungsgrund.
5. Friends & Family-Programm und Directed Allocation Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit eines sachlichen Differenzierungskriteriums muss gleichzeitig eine Zuteilung basierend auf reinem persönlichen Gewinnstreben einzelner Personen als willkürlich und damit als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz eingestuft werden. Bei den oben 865 bereits ausgeführten sachlichen Rechtfertigungsgründen der Zuteilung an einzelne Personen, kommt deren besondere Beziehung zum Unternehmen zum Tragen, das als sachliches Kriterium einer Ungleichbehandlung dienen kann. Entsprechend der Definition der Börsensachverständigenkommission 866 sind nicht nur persönliche Freunde, sondern auch Mitarbeiter und Geschäftspartner des Emittenten Bestandteil eines Friends & Family-Programms. Zuteilungen an Mitarbeiter uncfc'Gescfejtftsp^nex des Unteöiehmens dienen dem Zweck der Bindung an d^Untemefcmefr umt tragen damit zum langfristigen Erfolg bei. Insbesondere Zifteiliähgen ajvdas Management signalisieren Vertrauen in das Unternehmen. Aber auch die Zuteilung von Aktien an Freunde und Verwandte, die gleichfalls eine besondere Beziehung zum Unternehmen haben, zeigt Vertrauen in das Unternehmen und dessen Wert. Demnach sind so verstandene Zuteilungen im Rahmen eines Friends & Family-Programms erstrebenswert und auf Grund der besonderen Beziehung der Zuteilungsempfänger zum Unternehmen und der darauf basierenden Signalwirkung sachlich gerechtfertigt. Demgegenüber erfolgt eine Zuteilung an Ehefrauen oder beste Freunde im Namen des Friends & Family-Programms zum Zwecke, ihnen einen Zeichnungsgewinn zu bescheren, allein nach subjektiven Kriterien wie Freundschaft oder Familienbindung. Gleiches kann auch für Zuteilungen außerhalb des Friends & Family-Programms im Rahmen der Directed Allocation gelten. Im Unterschied zur Friends & Family-Tranche werden regelmäßig weder Bestehen noch Höhe einer Directed Allocation offen gelegt. Zuteilungen im Rahmen der Directed Allocation sind jedoch für institutionelle Investoren bestimmt und sind damit bereits aus diesem Grunde als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Demgegenüber sind Zuteilungen nach rein subjektiven Gesichtspunkten ohne Förderung des Zwecks einer Aktienemission sachlich als nicht gerechtfertigt anzusehen. Zuteilungen an Freunde ohne die Absicht die Bindung an das Unternehmen zu fördern sind damit grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes könnte dann gelten, 864 s. oben ΙΠ.2. 865 s. oben III.2. 866 Börsensachverständigenkommission, griffsbestimmung, S. 8.
Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, Be-
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wenn sich der Emittent oder die Emissionsbanken keiner derartigen Selbstverpflichtung unterworfen haben, sie sich jedoch vielmehr eine rein subjektiven Kriterien folgende Zuteilung vorbehalten haben. Speziell im Rahmen des Friends & Family-Programms geben der Emittent und die Emissionsbanken zu erkennen, dass diese Aktien gerade nach rein subjektiven Kriterien zugeteilt werden sollen. Bezüglich dieser Tranche nehmen Emittent und Emissionsbanken kein Vertrauen in Anspruch, diese Aktien entsprechend dem Gleichbehandlungsgebot zuzuteilen. Folglich behalten sie sich vor, diese Aktien im Ergebnis sogar willkürlich zuteilen zu können. Zur Vermeidung des Anscheins des in die eigene Tasche wirtschaftens ist demnach eine volumenmäßige Begrenzung dieser Tranche regelmäßig unumgänglich. Dabei ist eine Höchstgrenze von 10% des Emissionsvolumens, wie bereits von Willamowski 867 vorgeschlagen, als angemessen anzusehen. 6. Free Retention Im Rahmen der heute üblichen Free Retention-Tranche wird die Zuteilung der Aktien ohne Vorgaben des Emittenten in das alleinige Ermessen der Banken gestellt. Damit entscheiden die Banken, welche Anleger sie bevorzugt berücksichtigen wollen. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang eine Zuteilung, die sich vorrangig an Eigeninteressen der Bank, wie etwa künftige Geschäftsabschlüsse ausrichten. Gravenhorst scheint trotz der festgestellten Bindung der Konsortialbanken an den Gleichbehandlungsgrundsatz868 eine derartige Bindung im Hinblick auf dieser Tranche ohne jegliche Begründung auszunehmen869. Zwar wird diese Tranche regelmäßig dazu genutzt, gerade Institutionellen Aktien zuzuteilen, so dass bereits die Tatsache der institutionellen Wertpapieranlage eine zulässige Differenzierung gegenüber der Retailtranche darstellt. Die Free Retention-Tranche kann jedoch ohne jeglichen Grund nicht aus einer generell bestehenden vorvertraglichen Bindung herausgenommen werden. Zulässig ist zunächst natürlich eine differenzierte Behandlung einzelner Zuteilungsempfänger innerhalb dieser Tranche auf Grund sachlicher Kriterien, und sei es eine Zuteilung an Institutionelle. Jedoch müssen sich auch die Zuteilungen innerhalb dieser Tranche grundsätzlich an dem Zweck der Transaktion ausrichten, es sei denn Emittent und Emissionsbanken haben sich eine Zuteilung nach abweichenden Kriterien vorbehalten. Ein Vertrauen des Anlegers auf die Zuteilung der Free Retention nach sachgerechten Kriterien kann sich dann nicht bilden, wenn offen gelegt wird, in welcher Höhe es eine Free Retention-Tranche gibt. Eine nähere Erläuterung des Zuteilungsverfahrens bezüglich dieser Tranche bedarf es dagegen nicht. Allein die Bezeichnung der Tranche bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Zuteilung gerade frei sein soll und nicht bestimmten Kriterien zu folgen hat. 867 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 660. 868 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 138,141. 869 Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 89 f. 14 Koehler
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Fraglich wäre, ob die zur Verfügung Stellung der Free Retention-Tranche als solches durch den Emittenten ohne Offenlegung gegenüber den Anlegern bereits als Vorliegen eines sachgemäßen Differenzierungsgrundes angesehen werden kann. Aus Sicht des Emittenten dient diese Tranche der Beziehung Emittent und Konsortialbank, was auch für zukünftig durchzuführende Emissionen förderlich sein kann. Gegen eine solche generalisierende Rechtfertigung spricht allerdings, dass bei der Beurteilung des sachgerechten Grundes der Zuteilung der Free Retention-Tranche das Verhältnis zwischen Bank und Anleger, nicht aber das Verhältnis zwischen Bank und Emittent zu betrachten ist. Die zur Verfügung Stellung dieser Tranche findet hingegen allein im Verhältnis zwischen Emittent zur Bank statt. Das im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegend zu betrachtende Rechtsverhältnis ist jedoch die Zuteilung der Aktien durch die Banken an die Investoren, nicht die zur Verfügung Stellung der gesamten Tranche durch den Emittenten an die Bank(en). Demnach nehmen Emittent und Emissionsbanken nur dann kein Vertrauen in das Gleichbehandlungsgebot in Anspruch, wenn das Bestehen dieser Tranche gegenüber den Anlegern offen gelegt wird. Somit kann allein bei Offenlegung neben der Friends & Family-Tranche auch die Free RetentionTranche zulässigerweise willkürlich zugeteilt werden. Die Grenze der Unzulässigkeit der Zuteilung ist aber dann überschritten, wenn die Zuteilüng dem strafrechtlich relevanten Bereich zuzuordnen ist. So kann selbst ein Zuteilungsvorbehalt nicht dazu führen, dass der Anleger nicht mehr darauf vertrauen darf, dass Emittent oder Emissionsbanken sich rechtmäßig verhalten. Demnach ist ζ. B. die Praxis des Spinning unzulässig, wenn die Zuteilung im Gegenzug zum Erhalt von Investment Banking-Geschäft einen Straftatbestand wie beispielsweise Betrug oder Untreue erfüllt. Im Falle fehlender Offenlegung der Free Retention muss auch diese Tranche dann nach sachgerechten Kriterien zugeteilt werden. Mangels Kenntnis des Vorbehalts vertraut der Anleger darauf, dass alle Aktien, ggf. abgesehen von der Friends & Family-Tranche, nach sachgerechten Kriterien zugeteilt werden. Gegebenenfalls könnte der Anteil der Free Retention tatsächlich auch von der Friends & Family-Tranche umfasst und so vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen sein. Wurde also das Vertrauen der Anleger auf das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf diese Aktien in Anspruch genommen, hat die Zuteilung nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Unter Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheinen Zuteilungen entsprechend einem Eigeninteresse der Bank dann nicht gerechtfertigt, wenn die Zuteilung an den jeweiligen besonders Begünstigten nicht zumindest auch im Interesse einer erfolgreichen Platzierung am Markt - eventuell auch zukünftiger Platzierungen - erfolgt. Demzufolge liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dann vor, wenn die Bank ζ. B. Aktien bevorzugt an das Management anderer Gesellschaften zuteilt, um sich so späteres Investment Banking-Geschäft zu sichern oder dessen Erhalt zu belohnen (sog. Spinning) 870 . Anderseits wäre ein 870 s. dazu bereits oben ΙΠ.2.
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Verstoß dann abzulehnen, wenn die bevorzugte Zuteilung ζ. B. an Institutionelle erfolgt, die bei einer späteren Kapitalerhöhung - aus freiem Entschluss - generell geneigt sind, weitere zusätzliche Aktien der Gesellschaft zu erwerben. Eine derartige Bindungswirkung im Hinblick auf die Free Retention-Tranche ist aus Sicht sämtlicher Kapitalmarktakteur wünschenswert. Die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte hängt so elementar vom Vertrauen und des Schutzes der Anleger ab, dass dies die Einschränkung der Free Retention dahingehend rechtfertigt, dass auch die Zuteilung dieser Aktientranche nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen hat, sofern Bestehen und Umfang dieser Tranche nicht offen gelegt wurde. Die Banken selbst haben ein eigenes Interesse an der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Mangelndes Vertrauen kann - wie bereits gesehen - zu einem Zusammenbruch und dem fast vollständigen Erliegen einer für alle Beteiligten einträglichen und notwendigen Geschäftssparte führen. Für Zuteilungen und Geschenke an private Freunde und Verwandte bzw. an deliktisches Handeln heranreichende Zuteilungen ist der Aktienemissionsmarkt angesichts des bereits eingetretenen Vertrauensverlusts der Anleger ein denkbar ungeeigneter Raum. Die Bindung der Zuteilung an sachgerechte Kriterien hindert die Banken zudem grundsätzlich nicht, eine bevorzugte Zuteilung an institutionelle Investoren sowie Zuteilungen an Geschäftsfreunde und treue bzw. Großkunden vorzunehmen, sofern die Zuteilung an Geschäftsfreunde Kriterien erfüllt, die auch dem Zweck der Transaktion dienen. Soweit allerdings Aktien der Free Retention-Tranche an Privatanleger zugeteilt werden, unterliegen diese Zuteilungen nicht mehr dem rechtfertigenden Grund der Zuteilung an Institutionelle. In diesem Fall können nur andere Gründe eine bevorzugte Zuteilung rechtfertigen. Bereits die Zuteilungsgrundsätze der BSK schreiben in Art. 15 vor, dass im Falle der Zuteilung der Free Retention an Privatanleger diese Zuteilung den selben Grundsätzen zu folgen hat, wie die Zuteilung im Hinblick auf die übrige Retailtranche. Im Ergebnis hat bereits die BSK anerkannt, dass eine willkürliche Zuteilung auch der „zur freien" Verfügung gestellten Free Retention ohne Veröffentlichung eines Vorbehalts, unzulässig ist. Ausreichend mag für eine Zuteilung an private Geschäftsfreunde und ggf. RetailGroßkunden der Banken sein, dass die Anlagestrategie und Haltedauer dieser Investoren den Banken bekannt sind. Diese Kenntnis spart gegebenenfalls weitere Nachforschungen und Ausgabe zusätzlicher Kosten im Hinblick auf der Suche des Emittenten nach der optimalen Aktionärsstruktur. Damit könnte ζ. B. auch der geringere finanzielle Aufwand als sachgerechter Grund für eine unterschiedliche Behandlung herangezogen werden. Im Ergebnis hat auch die Zuteilung der Aktien der Free Retention-Tranche nach den Grundsätzen des Gleichbehandlungsgebotes zu erfolgen. Etwas anderes gilt dann, wenn Bestehen und Umfang der Free Retention-Tranche gegenüber den Investoren offen gelegt wird und demnach kein Vertrauen in den Gleichbehandlungsgrundsatz in Anspruch genommen wird.
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V. Ergebnis Der Anleger hat bei der Zulassung der Aktien zum amtlichen oder geregelten Markt bzw. einem „geregelten" Markt i. S. d. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93 /22/EWG) im Rahmen der vorvertraglichen Schuldverhältnisse gegenüber der die Order entgegennehmenden Bank und dem Emittenten einen Anspruch auf Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die bereits als fragwürdige Praktiken 871 bezeichneten Zuteilungsmethoden verstoßen durchgängig (teilweise nicht nur) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die bisher regelmäßig praktizierten Zuteilungsverfahren 872, die auch in Art. 12 der Zuteilungsgrundsätze der BSK vorgeschlagen wurden 873 , entsprechen den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes874. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist jedoch dann nicht anwendbar, wenn insbesondere im Hinblick auf bestimmte Tranchen ein Zuteilungsvorbehalt veröffentlicht wurde. In diesem Umfang wird gerade kein Vertrauen des Anlegers in das Gleichbehandlungsgebot in Anspruch genommen. Folglich können Aktien aus speziellen Bestandteilen des Zuteilungsverfahrens, wie die Friends & Family, Directed Allocation oder die Free Retention-Tranche bei deren Offenlegung auch nach rein subjektiven Kriterien zugeteilt werden. Im Ergebnis besteht in diesem Umfang dann ein Recht des Emittenten und der Emissionsbanken, die Aktien auch willkürlich zuzuteilen. Ob und in welchem Fall die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sich auf einen Primäranspruch auf Zuteilung verdichtet oder Schadensersatzansprüche auslöst, soll nachfolgend im 8. Kapitel unter Berücksichtigung der eingangs vorgestellten Fallkonstellationen der verschiedenen Vertrauenstatbestände im Zusammenhang dargestellt werden.
871 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.f). 872 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.e). 873 Vgl. Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung, 7. Juni 2000, S. 20. 874 im Ergebnis ebenso Pfüller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 671,672 f.; Schuster /Rudolf in Kümpel /Hammen /Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 16; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 139.
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
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8. Kapitel
Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz? I. Vertragliche Ansprüche 1. Ansprüche auf Grund einer konkreten Zuteilungszusage a) Vertraglicher
Primäranspruch
auf Zuteilung
Ein vertraglicher Erfüllungsanspruch auf Zuteilung einer gewissen Anzahl zu platzierender Aktien könnte nur bestehen, wenn der Emittent oder eine Konsortialbank dem Investor eine konkrete Zuteilungszusage erteilt hat, und dem Investor - gegebenenfalls nach Vertragsauslegung - ein Primäranspruch auf Leistung eingeräumt werden sollte 875 . Im Fall der Emission von Aktien entfaltet die Inanspruchnahme von konkretem Vertrauen dann praktische Relevanz, wenn ein einzelner Investor auf eine ihm erteilte Zuteilungszusage vertraut. Eine derartige Zusage kann zum einen durch den Emittenten - eventuell auf Roadshows - direkt gegenüber einem (institutionellen) Investor (One-on-One-Meetings) oder im Rahmen eines Friends & Family-Programms erfolgen. Auch einem Konsortialmitglied steht es grundsätzlich frei, zumindest hinsichtlich der ihm durch eine Free Retention-Tranche zur Verfügung gestellten Aktien, die Zuteilung einer bestimmten Anzahl Aktien zuzusagen. Allerdings ergibt bei fehlender ausdrücklicher Einräumung eines Primäranspruchs die Vertragsauslegung regelmäßig, dass der Emittent oder eine Konsortialbank sich nicht durch Vertragsschluss mit einem Investor auf Zuteilung einer bestimmten Anzahl an Aktien binden wollen. Damit scheidet regelmäßig ein Anspruch auf Erfüllung, d. h. auf Zuteilung der entsprechenden Aktien aus [siehe vorne 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)dd)]. Zuteilungszusagen von Drittbanken sind zwar eine mögliche aber äußerst unwahrscheinliche Variante, da bei einer Drittbank selbst häufig Unsicherheiten bezüglich des Erhalts von Aktien einer Neuemission durch ein Konsortialmitglied bestehen [siehe oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)dd)]. Absprachen des Emittenten mit dem Konsortium gegebenenfalls mit Festlegung im Übernahmevertrag sind regelmäßig nicht als direkter Erfüllungsanspruch auf Zuteilung des Investors als Dritten auf Grund eines Vertrags zugunsten Dritter auszulegen [siehe oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.l.b)aa)]. Im Ergebnis können also Zuteilungszusagen, sei es direkt oder aber auf Grund eines Vertrags zugunsten Dritter durch Vertragsauslegung, im Allgemeinen keinen 875 Dazu s. bereits oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)dd) und 2. Teil: 4. Kapitel: I.6.b).
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
primären Erfüllungsanspruch auf Zuteilung gegenüber dem Emittenten oder einem Konsortialmitglied begründen. In Ausnahmefallen kann jedoch bei ausdrücklicher Regelung eine Bindungswirkung gewollt sein. Damit besteht ein Primäranspruch auf Erfüllung und Zuteilung einer bestimmten Anzahl an Aktien gegenüber dem jeweils Versprechenden. In diesem Fall steht dem einzelnen Anleger ein vertraglicher Primäranspruch auf Erfüllung und Zuteilung der entsprechenden Anzahl Aktien auf Grund der Zuteilungszusage zu.
b) Anspruch auf Schadensersatz wegen Unmöglichkeit gemäß §§ 283, 2801 BGB Im Ausnahmefall einer verbindlichen vertraglichen sei es direkt oder über die Auslegung einer Absprache zwischen Emittent und Konsortium als berechtigender Vertrag zugunsten Dritter, könnte dem dadurch Begünstigten Ansprüche wegen Nichterfüllung des Erfüllungsanspruchs zustehen, wenn die zusagten Aktien anderweitig entgegen der Zusage zugeteilt wurden. Als Anspruchsgegner käme dabei der Emittent, ein Konsortialmitglied als auch in seltenen Fällen eine Drittbank in Betracht, je nachdem, wer sich zu einer Zuteilung von Aktien der Neuemission verbindlich verpflichtet hat. aa) Unmöglichkeit Als mögliche Pflichtverletzung kommt vorliegend die Unmöglichkeit in Frage. Sobald sämtliche zu platzierenden Aktien zugeteilt und auch keine zurückgehalten wurden, ist die Leistung für den Schuldner gemäß § 275 I BGB subjektiv unmöglich. Demnach wird der Schuldner von seiner Pflicht zur Zuteilung der Aktien befreit. Der übergangene Investor könnte gemäß § 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Auf Grund der anderweitigen Zuteilung könnte die Erfüllung der Hauptleistungspflicht gemäß § 275 I BGB subjektiv unmöglich geworden sein. Dem Einwand der subjektiven Unmöglichkeit könnte entgegengehalten werden, dass der jeweilige Schuldner, also die Bank oder der Emittent, gegebenenfalls die entsprechenden Aktien im Besitz halten, solche im Markt zurückkaufen oder unter Umständen sogar durch Kapitalmaßnahmen neu schaffen könnten. Nicht mehr vorhanden sind allerdings die Aktien, die zur Platzierung im Kapitalmarkt bestimmt waren und bereits an die Investoren zugeteilt wurden. Eine darüber hinausgehende Zuteilung könnte zusätzliche gesellschaftsrechtliche, gegebenenfalls Zustimmung der Hauptversammlung, aber auch kapitalmarktrechtliche Pflichten, wie Meldeund Veröffentlichungspflichten sowie eine weitere Verwässerung des Aktienbesitzes auslösen. Demnach sind die zu emittierenden Aktien auf diese bereits zugeteilte im Prospekt genannte Stückzahl zu beschränken. Obwohl auch zusätzliche über die im Verkaufsangebot benannte Anzahl an Aktien hinaus dieselbe Aktie des
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
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Emittenten betreffen würden 876 , kann die Gattung durch Parteiwillen durch zusätzliche Merkmale eingeschränkt werden 877 . Auf Grund der mit jeder Aktienausgabe verbundenen Rechte, Pflichten aber auch wirtschaftliche v.a. das Eigenkapital betreffende Aspekte ergibt die Auslegung des Parteiwillens, dass jeweils nur die zu platzierende Tranche(n) eine Gattung an Aktien darstellt. Diese Aktien wurden jedoch bereits zugeteilt, so dass sowohl für den Emittenten als auch für die Bank subjektive Unmöglichkeit vorliegt 878 . bb) Schaden Der Anleger ist bei NichtZuteilung von Aktien so zu stellen, wie wenn ordentlich erfüllt worden wäre, d. h. ihm die zugesagten Aktien zugeteilt worden wären. Dabei umfasst die Pflicht zum Schadensersatz auch den entgangenen Gewinn gemäß §§ 249 I, 252 S. 1 BGB. Dabei gilt der Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2 BGB). Damit ist zu berücksichtigen, ob der Investor die Aktien nur zu Spekulationszwecken und der schnellstmöglichen Realisierung von Kursgewinnen oder als langfristige Kapitalanlage erwerben wollte. Im Falle des Erwerbs zur Realisierung von Kursgewinnen, ist die Höhe eines Schadensersatzes auf den reinen Zeichnungsgewinn, d. h. auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Platzierungspreis und dem ersten Börsenkurs beschränkt, da der Anleger zu diesem Zeitpunkt die Aktien veräußern wollte 8 7 9 . Fraglich ist, ob bei mittel- bis langfristiger Kapitalanlage der entgangene Gewinn auch auf den Zeichnungsgewinn beschränkt werden muss oder ob die nachfolgende Kurssteigerung mit einbezogen werden kann. Im Falle einer mittel- oder langfristigen Kapitalanlage kann bei der Schadensberechnung zunächst nicht auf den Unterschiedsbetrag zwischen Emissionskurs und Preis am ersten Handelstag abgestellt werden, da der Investor die Aktien zu diesem Zeitpunkt nicht veräußern wollte 8 8 0 . Vielmehr kommt es dann auf eine konkrete und individuelle Beurteilung der Verkaufswahrscheinlichkeit an. Eventuelle weitere Kursgewinne ab Handelsaufnahme könnten bei der Schadensberechnung unberücksichtigt bleiben, da der übergangene Anleger die entspre876 Auf die Möglichkeit, Vorzugsaktien oder mit anderen zulässigen Rechten ausgestatteten Aktien auszugeben, soll hier nicht eingegangen werden, da bereits nach § 53a AktG eine andere Gattung eine ungleiche Behandlung rechtfertigen kann. 877 BGH Urteil v. 18. 09. 1985 in BGH NJW 1986, 659; Palandt /Heinrichs, BGB, § 243, Rn. 2 mwN; MüKo/Emmerich, BGB, § 243, Rn. 5 mwN. 878 Ebenso Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 128. 879 PßUer/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 672; dies., German Legal Issues Concerning the Allocation of Shares, J.I.B.L.R. 2003, 237,238 f.
880 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 31.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
chenden Aktien ab Handelsaufnahme am Markt erwerben und ab diesem Zeitpunkt an den Kursgewinnen partizipieren könnte. Eine Verpflichtung zum Erwerb der Aktien nach Handelsaufnahme könnte aus der Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 254 I I 1 B G B 8 8 1 folgen. Das im Zusammenhang mit der Geltendmachung von entgangenem Spekulationsgewinn vorgetragene Argument, der mangelnden Finanzmittel zum anderweitigen Erwerb der Wertpapiere 882 steht hier nicht entgegen. Im Unterschied zu den Fällen der Geltendmachung von entgangenem Gewinn aus Aktienspekulationen wegen verspäteter Zahlungen durch die Banken 883 verlangt der Anleger im vorliegenden Fall die Zuteilung von Aktien. Bei NichtZuteilung und damit auch Nichtbezahlung des Kaufpreises, kann er anderweitig über diesen Geldbetrag verfügen. Ob er dazu allerdings im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit im Rahmen des § 254 I I 1 BGB auch verpflichtet ist, richtet sich nach der Abwägung der gegenseitigen Interessen und der Zumutbarkeit. Ein Nachkauf könnte für den Anleger jedenfalls dann unzumutbar sein, wenn der Preis der Aktie im Sekundärmarkt den Emissionskurs um ein Vielfaches übersteigt. Damit bleibt die konkrete Schadensberechnung einer Prüfung im Einzelfall vorbehalten, die mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein kann. Bei Erforderlichkeit könnte das Gericht im Übrigen letztendlich über die Höhe des Schadens gemäß § 287 ZPO nach seiner freien Überzeugung entscheiden.
cc) Ergebnis Dem Anleger kann grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit der Zuteilung der zugesagten Aktien gemäß §§ 283, 280 I BGB zustehen, es sei denn der Schuldner, sei es Emittent, Emissions- oder ausnahmsweise Drittbank, könnte nachweisen, dass er die Unmöglichkeit, d. h. die Zuteilung sämtlicher zu platzierender Aktien, nicht zu vertreten hat. Der mögliche ersatzfähige Schaden erstreckt sich dabei auf die Differenz zwischen Emissionspreis und dem Börsenkurs im Zeitpunkt des voraussichtlichen Verkaufs. Beschränkt ist der Schadensersatz auf die Differenz zwischen Emissionskurs und Kurs bei Handelsaufnahme, d. h. auf den Zeichnungsgewinn. Dies gilt auch für mittel- und langfristige Aktienkäufe, wenn dem Anleger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht ein Nachkauf im Sekundärmarkt zuzumuten ist.
881 Staudinger/Schiemann, BGB, § 252, Rn. 57, § 254, Rn. 92; Schimmel Entgangener Spekulationsgewinn als Verzugsschaden? W M 2000, 946, 950; Lange, Schadensersatz, § 6 X 5., S. 344. 882
Schimmel, Entgangener Spekulationsgewinn als Verzugsschaden? W M 2000, 946, 950. Schimmel, Entgangener Spekulationsgewinn als Verzugsschaden? W M 2000, 946, 950; BGH Urteil v. 29. 11. 1982 in NJW 1983, 758. 883
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
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c) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 II, III, 2801 BGB Des Weiteren könnte ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 311 II, III, 280 I BGB auf Grund der Verletzung vorvertraglicher Pflichten bestehen. Dabei käme zum einen die Verletzung einer, wenn auch unverbindlichen, Zuteilungszusage in Betracht. Zum andern kann auch die Verletzung von Pflichten aus einem Übernahmevertrag, der ausnahmsweise Schutzwirkung zugunsten Dritter entfaltet 884 , Schadensersatzansprüche auslösen. Da aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis keine primären Leistungspflichten erwachsen 885, kommt nur ein Sekundäranspruch auf Schadensersatz aus Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht, hier der Zuteilungszusage, in Betracht. Zwar sollen keine Primärpflichten hervorgerufen werden. Der Anleger hat jedoch in gewissem Umfang Vertrauen investiert. aa) Pflichtverletzung Konkrete Zuteilungszusagen ohne verbindlichen Vertragsschluss, sei es durch den Emittenten oder ein Konsortialmitglied, können im Falle ihrer Verletzung einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§311, II, III, 2801 BGB i.V.m. § 249 S. 1 BGB begründen. Dabei besteht je nachdem, ob der Emittent oder ein Konsortialmitglied eine konkrete Zuteilungszusage nicht eingehalten hat, entweder ein Anspruch gegen den Emittenten oder das entsprechende Konsortialmitglied. Sofern in Ausnahmefällen auch eine Drittbank, eventuell auf Grund des Erhalts einer eigenen Zuteilungszusage durch eine Konsortialbank, derartige (unverbindliche) Zusagen erteilt hat, wäre ein entsprechender Schadensersatzanspruch des begünstigten Investors gegen die Drittbank in Betracht zu ziehen. Allerdings wäre jeweils im konkreten Fall der Nachweis einer Pflichtverletzung erforderlich. Der Versprechende wollte sich unter bestimmten Voraussetzungen gerade nicht an seine Zusage halten, so ζ. B. im Falle einer Absage oder Verschiebung des Börsengangs. Ob und wann also eine Verletzung einer solchen Zuteilungszusage vorliegt, bleibt einer Einzelfallprüfung vorbehalten. bb) Schaden Fraglich wäre zunächst, ob der Anleger gemäß § 249 S. 1 BGB einen Anspruch auf Naturalrestitution haben könnte. Danach wäre der Schädiger verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dementsprechend wäre die Bank bzw. der Emittent bei entsprechender Verletzung der Zuteilungszusage verpflichtet, dem leer ausgegangenen Anleger die versprochenen Aktien zuzuteilen. Letztlich kommt dies einem die Abschlussfreiheit ersetzenden Kontrahierungszwang aus Naturalrestitution gemäß § 249 S. 1 BGB gleich 886 . 884 Dazu s. oben 2. Teil: 4. Kapitel: I.l.b)bb). 885 s. allgemein auch Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 21.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein Anspruch auf Naturalrestitution wäre jedoch gemäß § 2511 Alt. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Herstellung des ursprünglichen Zustandes nicht möglich wäre. § 251 I Alt. 1 BGB umfasst alle Erscheinungsformen der Unmöglichkeit, wobei unerheblich ist, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat 8 8 7 . Unvermögen steht der Unmöglichkeit gleich 888 . Der Schädiger, sei es der Emittent oder die Bank, könnte demnach dem Anspruch auf Naturalrestitution entgegenhalten, dass die alle zu platzierenden Aktien bereits zugeteilt wurden und sich keine entsprechenden Aktien mehr im Besitz des Emittenten oder der Bank vorhanden sind 889 . Falls tatsächlich keine der zu platzierenden Aktien mehr im Besitz des Schädigers sind - wovon regelmäßig auszugehen ist - besteht kein Anspruch auf Zuteilung von Aktien auf Grund Naturalrestitution gemäß § 249 I BGB. Der leer ausgehende Anleger könnte aber einen Anspruch auf entgangenen Gewinn geltend machen, der allerdings auf den Differenzbetrag von Platzierungspreis und erstem Börsenkurs beschränkt sein kann 890 .
2. Ansprüche auf Grund Vertrauens auf die Zeichnungsaufforderung Angesichts der vorvertraglichen Schuldverhältnisse zwischen Emittent und Anleger bzw. Emissionsbank und Anleger kann der Anleger Ansprüche auf Grund des Vertrauens auf die Zeichnungsaufforderung sowohl gegen den Emittenten als auch die die Kauforder entgegennehmende Emissionsbank richten. Ansprüche gegenüber Drittbanken können dann entstehen, wenn sich die Drittbank die Zeichnungsaufforderung zu Eigen macht. Da der Anleger auch bei Zeichnung bei einer Drittbank regelmäßig dieselben Unterlagen wie bei Zeichnung bei einer Emissionsbank erhält, begründet er sein Vertrauen auf eine entsprechende Zeichnungsaufforderung. Ansprüche gegen eine Drittbank wären deshalb nur ausgeschlossen, wenn sich die Drittbank explizit eine andere Zuteilung bzw. ein anderes Zuteilungsverfahren in ihren Bedingungen vorbehält oder sich den erhaltenen Unterlagen zweifelsfrei entnehmen lässt, dass nur die Emissionsbanken für die dort genannten Bedingungen einstehen. Damit können Ansprüche gegen denjenigen bestehen, der die zu platzierenden Aktien entgegen den angekündigten Grundsätzen zugeteilt hat, d. h. gegen Emittent, Konsortial- oder unter gegebenen Umständen Drittbank. Ob dies im Ergebnis zu einem Anspruch auf Zuteilung oder auf Schadensersatz führt, hängt davon ab, 886 BGH Urteil v. 25. 05. 1956 in BGHZ 21, 1, 8; BGH Urteil v. 24. 06. 1965 in BGHZ 44, 279, 283; MüKo/ Kramer, BGB, Vor § 145 Rn. 13. 887 Palandt/Heinrichs, BGB, § 251 Rn. 3. 888 Palandt/Heinrichs, BGB, § 251 Rn. 3; BGH Urteil v. 08.07. 1999 in NJW 1999, 3332. 889 Zur Frage der Unmöglichkeit s. oben l.b)aa). 890 Zur Frage der Berechnung des entgangenen Gewinns s. oben l.b)bb).
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
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ob sich der Schädiger auf die Unmöglichkeit der Lieferung von zu platzierenden Aktien berufen kann. Zusätzlich muss dem Anleger der Nachweis gelingen, dass ihm bei pflichtgemäßer Zuteilung, Aktien überhaupt hätten zugeteilt werden 891
müssen
. a) Vertraglicher
Primäranspruch
auf Zuteilung
Mit der öffentlichen Ankündigung von Zuteilungsbedingungen oder -verfahren soll den Anlegern kein primärer Erfüllungsanspruch eingeräumt werden. Ein vertraglicher Primäranspruch auf Zuteilung von Aktien besteht damit nicht.
b) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 II, III, 280 I BGB wegen Verletzung des Vertrauens auf Grund der Zeichnungsaufforderung Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 311 II, III, 280 I BGB könnte dem Anleger auf Grund der Verletzung des abstrakten Vertrauens auf den Inhalt der Zeichnungsaufforderung gegenüber dem Emittenten, einer Konsortialbank sowie in Ausnahmefällen gegen eine Drittbank zustehen. Abstraktes Vertrauen entsteht nicht nur durch Aussagen in der Zeichnungsaufforderung. Vielmehr werden auch die §§ 31, 32 WpHG als Präzisierung schon bestehender privatrechtlicher Pflichten aufgefasst 892. Zwar würde die Einstufung als bloße Konkretisierung vorvertraglicher Pflichten zu kurz greifen 893 , dies ändert jedoch nichts an der Möglichkeit, dass eine Verletzung der Pflichten aus §§ 31, 32 WpHG eine Haftung aus c.i.c. (nunmehr §§ 311, 280 BGB) oder pFV (nunmehr § 2801 BGB) auslösen kann 894 . Von maßgeblichem Interesse der vorliegenden Untersuchung sind mögliche Ansprüche aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Da jedoch die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in einem engeren Umfang bereits im vorvertraglichen Schuldverhältnis Anwendung findet, kann ein zusätzlicher Verstoß gegen §§ 31 ff. WpHG keine weiter gehenden Ansprüche auslösen [siehe dazu bereits 2. Teil: 4. Kapitel: I.5.b)gg)(3)]. 891 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 31; Pfui· ler/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung, Die Bank 1999, 670, 672. 892 Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten, ZBB 1997, 139, 150; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 261; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 19; a.A. Waldeck in Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 647, 652. 893 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 19. 894 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 31; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 19; Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten, ZBB 1997, 139, 150; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 261.
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3. Teil: Der Gleichbehandlungsgrundsatz aa) Pflichtverletzung
Der Anleger hat keinen Erfüllungsanspruch auf Zuteilung einer gewissen Anzahl an Aktien. Es besteht allein ein Anspruch auf Anwendung der angekündigten Bedingungen oder des angekündigten Zuteilungsverfahrens. Beim Abweichen vom angekündigten Verfahren und Bedingungen der Zuteilung kann der übergangene Investor die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht und folglich einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Eine Inanspruchnahme von Vertrauen auf die Anwendung bestimmter Grundsätze bei der Zuteilung wäre jedoch von Anfang ausgeschlossen, wenn im Verkaufsangebot ein Zuteilungsvorbehält aufgenommen wurde 895 . Ein solcher Zuteilungsvorbehalt kann etwa im Hinblick auf eine mögliche Repartierung aufgenommen werden. Denkbar ist aber auch ein Hinweis auf die Möglichkeit, dass Anleger möglicherweise überhaupt keine Zuteilung erhalten. Andererseits müssen der Emittent und die Banken bei Anerkennung der Zuteilungsgrundsätze der BSK eine Zuteilung nach sachgerechten Kriterien vornehmen. Für eine willkürliche Zuteilung bleibt damit kein Raum. Auf Grund des durch die Grundsätze geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss dies selbst dann gelten, wenn im Verkaufsangebot ein Zuteilungsvorbehalt aufgenommen wurde 896 .
bb) Schaden Ein Vermögensschaden liegt unstreitig vor, wenn der Geschädigte eine in Geld messbare Einbuße auch in Form eines entgangenen Gewinns erlitten hat 8 9 7 . Der Verlust einer Gewinnchance dagegen ist nach h.A. kein selbstständiger Vermögensschaden898. Erst wenn ein Anspruch oder eine rechtlich geschützte Anwartschaft 899 entstanden ist, begründet deren Entwertung einen Vermögensschaden900. Keine bloße Gewinnchance, sondern eine zu einem Anwartschaftsrecht verfestigte Position würde dann vorliegen, wenn der Geschädigte den Nachweis - eventuell unter Inanspruchnahme der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 B G B 9 0 1 - führen 895 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 662; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318, 330 mit Beispielen in Fn. 50; T-Online AG, Mitteilung über die Angebotspreise sowie die Zuteilungsregeln, FAZ, 19. 06. 2000, S. 19. 896 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 662. 897 MüKo/Oetker, BGB, § 249 Rn. 29; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorb ν § 249 Rn. 7 mwN. 898 Großerichter, Hypothetischer Geschehensverlauf, 2001, S. 227 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 2001, Rn. 428; Miiller-Stoy, Schadensersatz für verlorene Chancen, 1973, S. 273 ff.; a.A. Fleischer, Schadensersatz für verlorenen Chancen, JZ 1999,766, 770 f. 899 Entsprechend beim enttäuschten Vertrauen auf Vergabe eines Auftrags im Rahmen einer Ausschreibung: BGH Urteil v. 25. 11. 1992 in NJW 1993, 520, 522; BGH Urteil v. 08. 09. 1998 in BGHZ 139, 259,263 f. 900 OLG Frankfurt am Main Urteil v. 20. 02. 1997 in NVwZ 1998,437.
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
221
könnte, dass er bei Anwendung des angekündigten Zuteilungsverfahrens die begehrten Aktien zumindest anteilig erhalten hätte. Damit fördert § 252 S. 2 BGB einerseits die Möglichkeit des Schadensersatzes durch eine Senkung der Anforderungen an die richterliche Überzeugung. Anderseits begrenzt § 252 S. 2 BGB auch den möglichen Schadensersatz durch das Erfordernis überwiegender Wahrscheinlichkeit. Damit könnte der Vorschrift eine Sperrwirkung gegenüber bloßen Gewinnaussichten unterhalb der genannten Wahrscheinlichkeitsschwelle entnommen werden 902 . Fraglich ist, ob eine andere Bewertung des Schadensersatzes bei Festlegung des Losverfahrens angezeigt wäre. So soll im Falle der Entwertung eines Lotterieloses die Gewinnchance vom spekulativen Gewinn abgelöst werden und einer selbstständigen Schadensbewertung zugeführt werden. Als Beispiel wird dabei der Sachverhalt angeführt, wonach es der Verkäufer versehentlich versäumt hat, das veräußerte Los in die Lostrommel zu werfen. In diesem Fall wäre dem Erwerber ein Ersatzanspruch zwar nicht in Höhe des Hauptgewinns, wohl aber entsprechend dem Wert der erworbenen Chance zuzubilligen 903 . Dagegen spricht allerdings, dass regelmäßig der leer ausgegangene Anleger bei einer Zuteilung unter Anwendung des Losverfahrens nicht den gänzlichen Verlust oder Nichtbeachtung seiner Order geltend macht. Vielmehr ist auch in diesem Fall allein die Loswahrscheinlichkeit ausschlaggebend. Eine Verselbstständigung und Bewertung der Gewinnchance wäre allerdings in dem Ausnahmefall denkbar, in dem die Kauforder tatsächlich nicht an der Verlosung der zu platzierenden Aktien teilgenommen hat. Maßgeblich für einen Schadensersatzanspruch ist im Ergebnis also der Nachweis, dass unter den vorliegenden Umständen eine Zuteilungswahrscheinlichkeit über der in § 252 S. 2 BGB vorausgesetzten Schwelle erwartet werden konnte. Die Beweislage hängt unmittelbar mit dem zunächst angekündigten Zuteilungsverfahren zusammen. Wurde beispielsweise eine quotale Zuteilung gegebenenfalls für bestimmte Ordergrößen angekündigt, so hätten einem „zeichnenden" Investor in dieser Orderklasse die entsprechende Anzahl an Aktien zugebucht werden müssen. Der erforderliche Nachweis der Wahrscheinlichkeit könnte also in diesem Falle geführt werden. Umgekehrt wären auch Fälle denkbar, in denen eine Zuteilung gänzlich ausgeschlossen werden kann. So wenn beispielsweise unter Anwendung des First Come First Serve-Verfahrens die Zeichnungsorder nach der relevanten Zeitschwelle eingegangen ist. 901 BGH Urteil v. 29. 11. 1982 in NJW 1983, 758; Assmann, Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs, Festschrift für Lange, 1992, S. 345, 361; MüKo/Grunsky, BGB § 252 Rn. 8 - 9 ; Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 4 - 5 . 902 BGH Urteü v. 29. 11. 1982 in NJW 1983, 758, 759; Erman/Kuckuk, BGB, § 252 Rn. 6; Lange, Schadensersatz, § 6 X 1, S. 340 f.; Soergel /Mertens, BGB, § 252 Rn. 15; Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 20. 903 Lange, Schadensersatz, § 2 I 2, S. 52; Fleischer, Schadensersatz für verlorenen Chancen, JZ 1999, 766, 769.
222
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Entsprechende Überlegungen hinsichtlich der Zuteilungswahrscheinlichkeit müssten im jeweils konkreten Fall unter Berücksichtigung des angekündigten Zuteilungsverfahrens angestellt werden, auf dessen Anwendung der interessierte Anleger sein Vertrauen gestützt hat. Gelingt dem Anleger der Nachweis, ihm hätten unter Anwendung der angekündigten Bedingungen oder Verfahren eine gewisse Anzahl an Aktien zugeteilt werden müssen, kann der Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 2491 BGB im Einzelfall zu einem Anspruch auf Zuteilung führen 904 . Nach Ansicht von Willamowski 9 0 5 soll zwischen einem Anspruch auf Zuteilung, d. h. der Begründung eines Abschlusszwangs, und einem Anspruch auf quotale Zuteilung, d. h. der bloßen inhaltlichen Vertragsvorgabe, unterschieden werden. Diese seien sachlich zu trennen, da es befremdlich erscheint, den Vertragspartner an § 242 BGB und damit an eine quotale Zuteilung zu binden, obwohl ihm die Vertragsfreiheit in gewissen Grenzen gestatten würde, den Vertrag überhaupt nicht abzuschließen. Dagegen spricht neben den bereits unter 7. Kapitel: ü.5.b) genannten Gründen, dass sich der Anspruch des Anlegers nicht auf Primäransprüche wie Vertragsschluss oder auf eine quotale Zuteilung richtet. Der Anleger macht vielmehr im Rahmen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten Schadensersatzansprüche geltend. Der auf Grund der erfolgreich nachgewiesenen Schadensbestimmung im Einzelfall festgestellte Anspruch auf Zuteilung von Aktien oder gegebenenfalls entsprechendem Weitersatz differenziert jedoch nicht zwischen einer Zuteilung überhaupt oder einer eventuell höheren quotalen Zuteilung. Gelingt dem Anleger der Nachweis, dass ihm Aktien - sei es auch nur eine höhere Quote - schuldhaft nicht zugeteilt wurden, kann es keinen Unterschied machen, ob der Anleger bereits eine quotale Zuteilung erhalten hat. Die Rechtsordnung verpflichtet den Vertragspartner hier vielmehr sowohl zur Zuteilung von zusätzlich Aktien als auch zur Zuteilung selbst und damit zum erstmaligen Vertragsabschluss respektive zu jeweils entsprechendem Schadensersatz in Geld. Falls dem Anleger der entsprechende Wahrscheinlichkeitsnachweis gelingt, dass ihm bei pflichtgemäßer Zuteilung, Aktien überhaupt hätten zugeteilt werden müssen, steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf den entgangenen Gewinn zu, der jedoch auf den möglichen Zeichnungsgewinn beschränkt sein kann 906 .
904 BGH Urteil v. 25. 05. 1956 in BGHZ 21, 1, 8; BGH Urteil v. 24. 06 1965 in BGHZ 44, 279, 283; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf ν § 145, Rn. 9; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656. 905 Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 656; dagegen auch Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 130 f. 906 Zur Frage der Berechnung des entgangenen Gewinns s. oben l.b)bb).
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
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3. Ansprüche auf Grund der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes (abstraktes Grundvertrauen) Das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstandene gesetzliche Schuldverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine primäre Leistungspflichten kennt, sondern lediglich Neben- und Schutzpflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme, Fürsorge und Loyalität 907 . Die Wahl eines nach Treu und Glauben angemessenen, d. h. dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechenden, Zuteilungsverfahrens stellt demnach eine Nebenpflicht des Verkäufers dar. Aus der Verletzung einer Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis resultieren keine primären Erfüllungsansprüche, sondern allein einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 311 Π, ΙΠ, 2801, 249 ff. BGB 9 0 8 . Auf Grund der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Zuteilung von Aktien im Rahmen der vorvertraglichen Schuldverhältnisse kann eine willkürliche Zuteilung vorvertragliche Pflichten verletzten. Demnach wäre festzustellen, wann die selektive Allokation bei Aktienemissionen den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt und zu einem Schadensersatzanspruch des Anlegers im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses gegenüber dem Emittenten, einer Emissionsoder Drittbank führt. Da es sich bei der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes um die Verletzung von abstrakt in Anspruch genommenem Vertrauen handelt, könnte der Anleger Schadensersatzansprüche sowohl gegen den Emittenten als auch gegen Emissions- oder Drittbank richten. Die Wahl des Anspruchsgegners richtet sich wiederum nach der konkreten Pflichtverletzung, d. h. je nachdem welchem Vertragspartner die Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses auf Grund willkürlicher Zuteilung vorgeworfen werden kann. Ausgenommen wären wiederum diejenigen Banken, die sich eine von den Vorgaben des Emittenten oder des Konsortiums abweichende Zuteilung vorbehalten haben.
a) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 II, III, 280 I BGB wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Eine Pflichtverletzung des Emittenten oder der die Order entgegennehmenden Bank würde dann vorliegen, wenn die Zuteilung entgegen der Grundsätze vorgenommen wird, in die der Anleger sein Vertrauen investiert hat. Angesichts der Inanspruchnahme von Vertrauen in die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt eine Pflichtverletzung bei einer Zuteilung nach sachfremden Kriterien vor. 907 Palandt/Heinrichs, BGB, § 311 Rn. 21; Palandt /Heinrichs, Palandt/Heinrichs, BGB, Erg.bd., 2002, § 311 Rn. 6, 25 ff. 908 Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rn. 65; Palandt/Heinrichs, §311 Rn. 48 ff.
BGB, § 276 Rn. 65; BGB, Erg.bd., 2002,
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Eine Inanspruchnahme von Vertrauen in die Anwendung bestimmter Grundsätze bei der Zuteilung wäre jedoch von Anfang ausgeschlossen, wenn im Verkaufsangebot ein Zuteilungsvorbehalt aufgenommen wurde 909 . Ein solcher Zuteilungsvorbehalt kann etwa im Hinblick auf eine mögliche Repartierung aufgenommen werden (siehe 2.b)bb) oben). Im Extremfall könnte der Zuteilungsvorbehalt auch lauten, dass sich der Emittent und das Konsortium vorbehalten, die zu emittierenden Aktien willkürlich zuzuteilen. Da ein derartiger Vorbehalt jedoch dem Emissionsstanding des Konsortiums und des Emittenten diametral entgegensteht und damit eine erfolgreiche Emission eher gefährdet als fördert, wird in praxi ein derartig weit gehender Vorbehalt wohl regelmäßig nicht im Verkaufsangebot mit aufgenommen werden. Demzufolge bleibt es einer Prüfung im Einzelfall vorbehalten, inwieweit das Vertrauen des Anlegers im Hinblick auf die angewendeten Zuteilungsgrundsätze durch einen Zuteilungsvorbehalt eingeschränkt wurde. Da selbst ein Zuteilungsvorbehalt regelmäßig nicht die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, d. h. die Zuteilung nach sachgerechten Kriterien, ausschließt, basiert die Prüfung von Ansprüchen im Folgenden auf der Annahme, dass kein Zuteilungsvorbehalt aufgenommen wurde. Daneben ist das Vertrauen auf die Anwendung sachgerechter Kriterien nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass der Investor seine Order mit dem Wissen abgibt, dass es sich bei der Zeichnung einer Emission möglicherweise um ein Kommissionsgeschäft gemäß Nr. 9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte handelt und damit die Bank nicht für den Abschluss des Geschäftes eintritt, es also letztlich offen bleibt, ob der Auftrag ausgeführt werden kann [siehe vorne 2. Teil: 4. Kapitel: I.6.a)]. Zunächst umfasst das Wissen um die Qualifizierung des Auftrags als Kommissionsgeschäft nicht zwingend die Kenntnis um eine selektive Allokation im Falle einer Überzeichnung 910. Darüber hinaus umfasst das Wissen des Anlegers auf Grund des in Anspruch genommenen abstrakten Vertrauens nicht die Möglichkeit der willkürlichen Zuteilung, es sei denn, ein solcher Hinweis wurde als Zuteilungsvorbehalt im Verkaufsangebot aufgenommen. Demnach steht dem Anleger bei Verletzung des Vertrauens in die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Anspruch auf Schadensersatz zu, der sich in Ausnahmefällen im Wege der Naturalrestitution gemäß § 249 I BGB auf einen Anspruch auf Zuteilung konkretisieren kann. Entsprechend den obigen Überlegungen zur Feststellung eines Schadens911, kann ein entgangener Gewinn als Schaden auch hier nur geltend gemacht werden, wenn dem Anleger der Nachweis der entsprechenden Wahrscheinlichkeit gelingt, dass ihm bei pflichtgemäßer Zuteilung, Aktien überhaupt hätten zugeteilt werden müssen. Dieser Nachweis kann u. U. dadurch erschwert werden, dass Emissionsund Drittbanken nicht vertraglich verpflichtet wurden, ein einheitliches Zutei909 Willamowski,
Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 662.
910 Willamowski,
Die strategische Allokation von Aktien, W M 2001, 653, 662.
911 Zur Frage der Schadensberechnung s. oben 2.bb).
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
225
lungsverfahren anzuwenden. Bei gelungenem Nachweis, gegebenenfalls unter der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB, steht dem Anleger jedoch ein Anspruch auf den entgangenen Gewinn zu, der auf den möglichen Zeichnungsgewinn beschränkt sein kann 912 .
Π. Gesetzliche Ansprüche 1. Anspruch aus Prospekthaftung Zusätzlich kommen Prospekthaftungsansprüche gegenüber dem Emittenten und den Emissionsbegleitern gemäß §§ 44, 45 und 55 BörsG in Betracht. Prospekthaftungsansprüche 913 des Anlegers wären dann in Betracht zu ziehen, wenn Zuteilungskriterien im Prospekt mitaufgenommen wurden und diese unrichtig oder unvollständig dargestellt wurden 914 . Dieser Anspruch besteht allerdings nur für Anleger die Aktien bei der Zuteilung erhalten haben. Einen Anspruch des übergangenen Anlegers auf Zuteilung respektive Schadensversatz vermag der Prospektshaftungsanspruch dagegen nicht zu begründen. Anspruchsgegner wäre unabhängig davon, ob der Anleger die emittierten Aktien bei einer Drittbank erworben hat, allein die Emissionsbanken, der Emittent und andere Prospektverantwortliche, nicht aber die Drittbank. Trotz der gleichen kaufrechtlichen Qualität des Aktienerwerbs ist es damit durchaus von Bedeutung, dass eine Drittbank die Wertpapiere ihrerseits von einer Emissionsbank erworben hat. Im Falle des Erwerbs von einer Drittbank handelt es sich um eine normale Veräußerung von bereits im Verkehr befindlichen, d. h. zugelassenen, Aktien (Sekundärmarkt) für die die Vorschriften hinsichtlich einer erstmaligen Platzierung und Börsenzulassung (Primärmarkt), insbesondere die börsenrechtliche Prospekthaftung keine Anwendung finden, sofern die Drittbank nicht im Prospekt als Konsortialmitglied erscheint oder nicht in irgendeiner Form die Verantwortlichkeit für den Prospekt übernommen hat 9 1 5 .
912
Zur Frage der Berechnung des entgangenen Gewinns s. oben l.b)bb). 913 Zu den verschiedenen Anspruchsgrundlagen und Einteilung der Prospekthaftung vgl. Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7. 914 PfUller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteüung von Aktien, Die Bank 1999, 670, 674 Fn. 7. 915 Assmann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 99, 114; Schwark/Schwark, KMRK, § 45 BörsG Rn. 10; Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, Festschrift für Kellermann, 1990, S. 181,192. 15 Koehler
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
2. Anspruch aus § 823 I I BGB i.V. m. §§ 31 f. WpHG Die Wohl Verhaltenspflichten der §§ 31 f. WpHG richten sich als aufsichtsrechtliche Vorschriften an die emissionsbegleitenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Demnach wäre bei deren Verletzung ein deliktischer Schadensersatzanspruch des Anlegers gemäß § 823 I I BGB i.V.m. §§ 31 f. WpHG gegen die Emissionsbegleiter möglich.
a) Anspruch wegen Verletzung der Wohlverhaltenspflichten Das WpHG und das BörsG richten sich verstärkt an die Wertpapieraufsicht als an die Anleger. Deshalb verneint die derzeitige Rechtsprechung 916 bei den meisten Normen des WpHG und des BörsG jeglichen Drittschutz und damit einen effektiven Anlegerschutz. Die §§ 31, 32 WpHG dienen zwar in erster Linie der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte, zugleich aber auch dem Anlegerschutz und haben damit Bedeutung für Inhalt und Umfang (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten 917. Die Gesetzesbegründung zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz 918 verdeutlicht, dass die §§ 31 f. WpHG auf den Schutz der Interessen des einzelnen Kunden zugeschnitten sind und nicht primär oder ausschließlich die Interessen der Allgemeinheit zu schützen beabsichtigen919. Allgemein werden sie daher als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Π BGB aufgefasst 920, wobei allerdings der Bundesgerichtshof diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen hat 9 2 1 . Demgegenüber sind die auf § 35 916 BGH Urteil v. 08. 05. 2001 in ZIP 2001,1580. 917 BGH Urteil v. 05. 10. 1999, W M 1999, 2300; Kümpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.62; ders., in Kümpel /Hammen /Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 30; Koller in Assmann / Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 19 mwN. 918 Stellungnahme des Finanzausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 12/7918 S. 103 f. 919 Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 9. 920 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 17; Schwark/Schwark, KMRK, vor § 31 WpHG Rn. 9; Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 9; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 263 f.; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992-1995, NJW 1996, 558, 569; Gaßner /Escher, Bankenpflichten bei der Vermögensverwaltung, W M 1997, 93, 94; Schödermeier, Nachforschungspflichten einer Bank als Vermögensverwalterin zur Person ihres Kunden, W M 1995, 2053, 2054 f.; Reich, Informations-, Aufklärungs- und Warnpflichten, W M 1997, 1601, 1604; von Heymann in Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 5 Rn. 118, § 1 Rn. 31; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135, 160; Stafflage, Anlageberatung der Banken, 1996, S. 26 f.; offen gelassen von Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, ZBB 1997, 139, 149; a.A. Waldeck in Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 647, 652 f., der jedoch die Verhaltensregeln als unmittelbar geltende Vertragspflichten versteht. 921 BGH Urteil v. 05. 10. 1999 in W M 1999, 2300.
8. Kap.: Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
227
V I WpHG beruhenden (Verwaltungs-)Richtlinien der BaFin keine Schutzgesetze i.S.v. § 823 I I BGB, da sie keine materiellen Gesetze darstellen 922. Eine Verletzung der §§ 31 f. WpHG kann damit grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen die durch die Wohlverhaltenspflichten gebundenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer deliktischen Haftung auslösen. Erschwert wird die Durchsetzung jedoch auf Grund des möglichen Entlastungsbeweises gemäß § 831 I 2 BGB, der bei sorgfältiger Auswahl, Unterweisung und Überwachung der Bankmitarbeiter als Verrichtungsgehilfen einen Anspruch ausschließen kann 923 . Zudem vermag, wie bereits ausgeführt, die Verletzung der §§ 31 f. WpHG auf Grund der bereits bestehenden meist engeren Verpflichtungen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig keine weiter gehenden Ansprüche als die bereits Festgestellten zu begründen.
b) Anspruch wegen Verletzung von Informationspflichten Des Weiteren wären auch Schadensersatzansprüche der Anleger gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus der Verletzung von Informationspflichten gemäß § 31 Π 1 Nr. 2 WpHG i.V.m. § 823 Π BGB möglich 924 . Gleichzeitig wäre bei einer Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten bereits ein Schadenersatzanspruch aus §§ 311 Η, ΙΠ, 280 I BGB (c.i.c.) gegeben. Gemäß § 31 Π 1 Nr. 2 WpHG sind die Emissionsbanken verpflichtet, ihren Kunden alle zweckdienlichen und erforderlichen Informationen mitzuteilen. Infolgedessen haben die veräußernden Banken ihre Kunden zumindest darauf hinzuweisen, dass im Falle der Überzeichnung nur eine geringe Wahrscheinlichkeit auf Zuteilung besteht 925 . Mögliche Ansprüche auf Grund der Verletzung einer solchen Informationspflicht erstrecken sich allerdings nur auf den Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Anleger sein Geld nicht anderweitig eingesetzt hat, sondern für die Zeichnung der Aktien zurückgehalten hat 9 2 6 .
3. Anspruch aus § 823 Π BGB i.V.m. §§ 33, 34 WpHG Im Gegensatz zu den Verhaltenspflichten der §§ 31 f. WpHG werden die Organisations- und Dokumentationspflichten der §§ 33, 34 WpHG nach überwiegender Ansicht nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 I I BGB angesehen927. § 33 WpHG 922 Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 268, Fn. 107; Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 10. 923 Kümpel in Kümpel / Hammen / Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 31. 924 So Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.65 ff. 92
5 s. vorne Fn. 571.
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Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 240, S. 25, 33.
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: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
beinhaltet lediglich allgemeine Vorgaben für die innere Organisation des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die noch einer konkreten Umsetzung bedürfen 9 2 8 . Der deutsche Gesetzgeber hat im Unterschied zu den Verhaltensregeln der §§ 31 f. WpHG nicht zum Ausdruck gebracht, dass § 33 WpHG mehr als nur aufsichtsrechtliche Funktion hat. Eine solche Absicht hätte er jedoch - zumindest deutlicher - zum Ausdruck bringen müssen 929 . Die Organisationspflichten wurden aber allgemein und inhaltlich offen statuiert, so dass Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche hieraus nicht begründet werden können 930 . Überdies steht es dem deutschen Gesetzgeber frei, wie er die Vorgaben von EG-Richtlinien - hier konkret Art. 11 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 931 - umsetzt 932 . Hinsichtlich der Rechtsnatur des § 34 WpHG ergibt sich explizit aus dem Bericht des Finanzausschusses933, dass diese Vorschrift ausschließlich der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden dient. Demnach scheidet auch § 34 WpHG als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Π BGB aus 934 .
4. Anspruch aus § 826 BGB Zusätzlich können die Verhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG als deliktische Verkehrspflichten i. S. d. § 826 BGB qualifiziert werden 935 . Bei leichtfertigen Verstößen, die hiernach bereits den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit begründen können, muss jedoch zusätzlich der Schädigungsvorsatz nachgewiesen werden 936 .
927 Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135, 160, 161; Stafflage, Anlageberatung der Banken, S. 26 f.; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 263 f.; Möllers/Ganten, Die Wohlverhaltensrichtlinie des BAWe, ZGR 1998, 773, 803 f. 928 Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 11.
929 Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 11. 930 Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135,160 f.; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 11. 931 EU-Richtlinie 93/22/EWG, ABl. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 27 (Wertpapierdiensleistungsrichtlinie). 932 Koller in Assmann / Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 16 mwN; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 11. 933 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 15. 06. 1994, BT-Drucks. 12/7918, S. 105. 934 Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 1; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 11; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999, Rn. 35. 935 Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, ZBB 1997,139,150; Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 1997, 260, 264 f. 936 Balzer, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten, ZBB 260, 265; Schäfer/Schäfer, WpHG, BörsG, VerkProspG, Vor § 31 WpHG Rn. 13.
8. Kap. : Anspruch auf Zuteilung oder Schadensersatz?
229
5. Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung des § 30 Π Ι Nr. 3 BörsG Wertpapiere sind gemäß § 30 III Nr. 3 BörsG n.F. (§ 36 III Nr. 3 BörsG a.F.) zuzulassen, wenn keine Umstände bekannt sind, die bei Zulassung der Wertpapiere zu einer Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen fuhren. In Betracht zu ziehen wäre also, ob Ansprüche der Anleger bestehen, wenn die Emissionsbedingungen, d. h. konkrete Regelungen bezüglich der Zuteilung bei Überzeichnung, gegen § 30 III Nr. 3 BörsG verstoßen, und die Zulassungsstelle trotz dieses Verstoßes die Wertpapiere zulässt. Amtshaftungsansprüche gemäß § 839 BGB i.V. m Art. 34 GG gegenüber dem jeweiligen Bundesland937 könnten dann bestehen, wenn die Zulassungsstelle die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt hätte. Eine Haftung gegenüber dem Anleger, der allerdings Wertpapiere einer Emission erworben haben muss, die unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften zugelassen wurden, kommt in dem Umfang in Betracht, in dem die Prüfpflichten der Zulassungsstelle auch gegenüber dem Publikum bestehen938. Zwar besteht nach allgemeiner Auffassung keine umfassend materielle Prüfungspflicht des Prospekts 939. Allerdings muss die Prüfung neben formalen Gesichtspunkten und dem Vorliegen der sonstigen Zulassungsvoraussetzungen materiell auch umfassen, ob auf der Grundlage der Prospektinformation und der sonstigen der Zulassungsstelle bekannten Umstände die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen bzw. Zulassungshindernisse bestehen940. Denkbar wäre damit durchaus, dass sich aus dem Prospekt oder auf Grund sonstiger Informationen Erkenntnisse über das anzuwendende Zuteilungsverfahren ergeben, die zu einer Übervorteilung oder Schädigung führen können. Ein entsprechender Verstoß könnte damit von der Prüfungspflicht der Zulassungsstelle umfasst sein und bei Verletzung dieser Prüfungspflicht zu einem Amtshaftungsanspruch führen. Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 30 III Nr. 3 BörsG wäre, dass Umstände, d. h. Tatsachen oder begründete Indizien, bekannt sind, die zu einem erheblichen Kursabfall in der Zukunft führen. Eine bloße Gefahr der Übervorteilung oder Schädigung reicht nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine hohe Wahrscheinlichkeit der Übervorteilung oder Schädigung941. 937 Schwark/Heidelbach, KMRK, § 30 BörsG Rn. 47; Schäfer/Hamann, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 37 BörsG Rn. 12; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 36-39 Rn. 31. 938 OLG Frankfurt Urteil v. 01. 02. 1994 in W M 1994, 291, 297; Assmann in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 7 Rn. 238; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 36-39 Rn.31. 939 BGH Urteil v. 06. 07. 1993 in BGHZ 123, 126, 130; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§36-39 Rn. 21 mwN. 940 BGH Urteil v. 06. 07. 1993 in BGHZ 123, 126, 130; Schwark/Heidelbach, KMRK, § 30 BörsG Rn. 23 mwN; Schäfer/Hamann, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 36 BörsG Rn. 28; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041, 2043; von Rosen in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1999, § 2 Rn. 156.
230
.
: Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Amtshaftungsansprüche begründen grundsätzlich allein Ansprüche auf Geldersatz 942 . Damit kann selbst eine Verletzung des § 30 ΠΙ Nr. 3 BörsG keinen Anspruch auf Zuteilung begründen. Eine Übervorteilung oder Schädigung eines Anlegers und damit ein Anspruch auf Geldersatz setzt zudem den Erwerb der Aktien voraus. Selbst ein Verstoß gegen § 30 ΙΠ Nr. 3 BörsG kann keinen Anspruch des leer ausgegangenen Investors begründen, der das angewandte, ihn benachteiligende Zuteilungsverfahren rügt. Zudem dürfte nur in krassen Ausnahmefällen die Ausgestaltung der Emissionsbedingungen zu einer tatsächlichen Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interesse führen 943 . Überdies besteht kaum ein praktischer Anwendungsspielraum bei tatsächlicher Verletzung des § 30 I I I Nr. 3 BörsG, da bei derart drastischen Verletzungen bereits eine Zulassung gemäß § 30 BörsG regelmäßig versagt wird 9 4 4 .
941 Schäfer/Hamann, WpHG, BörsG, VerkProspG, § 36 BörsG Rn. 27; Groß, Kapitalmarktrecht, 2002, §§ 36-39 Rn. 19. 942 BGH Beschluss (GrZS) v. 19. 12. 1960 in BGHZ 34, 99; Palandt/Thomas, BGB, § 839 Rn. 79 mwN. 943 Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 20; Gravenhorst, Plazierungsverfahren bei Aktienemissionen, 2003, S. 100. 944 Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen, Festschrift für Peltzer, 2001, S. 17, 20.
4. Teil
Weiterführende Lösungsansätze 9. Kapitel
Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA Das Zuteilungsverfahren im Allgemeinen und einzelne Zuteilungspraktiken im Besonderen waren während der Boomjahre nicht nur Thema in Deutschland. Auf sämtlichen wichtigen Kapitalmärkten, v.a. aber in den USA, wird versucht, angestoßen durch zahlreiche Skandale, den Kapitalmarkt zu reformieren. Im Gegensatz zu Untersuchungen der Financial Supervisory Authority in Großbritannien 945 ergaben Nachforschungen in den USA ein Bedürfnis zur stärkeren regulatorischen Beschränkung von unlauteren Zuteilungspraktiken bei Aktienemissionen. Dort warnte bereits im November 1997 die National Association of Securities Dealers (oder NASD) vor den Praktiken des sog. „Spinning" und „Flipping" und verwies ihre Mitglieder auf die damals bereits bestehenden Verpflichtungen unter der „Free-Riding and Withholding Interpretation" der NASD-Rules 946 . Im August 2002 wurde vom damaligen Vorsitzenden der U.S. Securities and Exchange Commision (SEC), Harvey L. Pitt die NASE/NASD IPO Advisory Committee, eine offizielle Zusammenarbeit mit der NASD und der New York Stock Exchange zur Untersuchung des IPO-Prozesses ins Leben gerufen 947 . Diese Zusammenarbeit führte zur Neufassung der NASD-Rules und einer immer noch andauernden Diskussion um weitere Regulierungsmaßnahmen.
945 Für Großbritannien s. FSA, Conflict of Interest: Investment Research and Issues of Securities, Consultation Paper 171, February 2003, S. 28 ff., die einen Nachweis manipulativer Praktiken in Großbritannien nicht zu erbringen vermochte. Dennoch wurden die Regelungen des Conduct of Business Sourcebook (s. 5.10 COB) angepasst und Zuteilungspraktiken wie Laddering, Spinning, Tie-in und Quid pro quo Arrangements als Verletzung der Conduct of Business Rules eingestuft, s. auch IPMA, ISMA, BBA, Guidance on Policies and Procedures for Managing Conflicts of Interest in the Context of Allocation and Pricing of Securities, 29. 04. 2004. 9^6 o.V., Securities Offerings: NASD Sends Members Warning Concerning Allocation of Hot IPO's, BNA Securities Law Daily, Nov. 25, 1997; Siconolfi, SEC, NASD Begin Probes of IPO Spin Accounts, WSJ, 13. 11. 1997, p. A-3. 947 SEC, Chairman Pitt Seeks Review of Initial Public Offering Process, Release No. 2002-127, 22. 08. 2002, abrufbar unter www.sec.gov/news/press/2002-127.htm.
232
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
I . Bestehende Regulierung der Zuteilung 1. Statutes, Rules and Regulation Die bestehende Regulierung des Zuteilungsverfahrens in den USA beschränkt sich auf Verbote zur Verhinderung bestimmter manipulativer Praktiken. Generelle Vorgaben oder Richtlinien zur Durchführung der Zuteilung bestehen zumindest bisher dagegen nicht. So sind beispielsweise Solicitation und „Tie-in" Agreements bereits nach den allgemeinen bundesstaatlichen Vorschriften der Rules 101 und 102 unter der Regulation M sowie anderen Anlagebetrugs- und Marktmanipulationsvorschriften verboten 948 . Danach sind ζ. B. Solicitation und „Tie-in" Agreements betrügerische Maßnahmen, die section 17(a) des Securities Act von 1933 (SA) und section 10(b) des Securities Exchange Act von 1934 (SEA), sowie Rule 10b-5 unter dem SEA verletzen 949 . Neben bundesstaatlichen Gesetzen sind aber auch die Vorschriften börsenrechtlicher Selbstverwaltung zu beachten. Grundsätzlich verlangt section 15 (b)(8)-(9) des SEA, dass ein Broker-Dealer i. S. d. SEA nur Wertpapiergeschäfte durchführen kann, wenn er Mitglied einer registrierten Wertpapiervereinigung (National Securities Association) ist oder Wertpapiergeschäfte nur über die Börse ausführt. Dies hat zur Folge, dass sich im Grunde alle Wertpapierhandelshäuser einer registrierten Wertpapiervereinigung anschließen müssen. Bisher wurde als derartige Organisation allein die NASD registriert 950 , so dass sämtliche Wertpapierhandelshäuser als Mitglieder der NASD an deren Regulierung 951 gebunden sind. Die allgemeinen Verhaltenspflichten gemäß Rule 2110 des NASD-Manuals schreiben vor, dass ein Mitglied bei der Ausführung von Geschäften den hohen Standard geschäftlicher Ehre und die geltenden Handelsprinzipien nach Gesetz und Recht einzuhalten hat 9 5 2 . Zur Verhinderung manipulativer Handelspraktiken 953 erließ die NASD Rule IM-2110-1. „Free-Riding and Withholding" (sog. ,free-Riding and Withholding Interpretation"). Diese Vorschriften basieren auf der Annahme, dass eine Emissionsbank („Underwriter") verpflichtet ist, die Zuteilung der Aktien bei Über948
SEC Division of Market Regulation, Prohibited Solicitations and „Tie-in" Agreements for Aftermarket Purchases, Publication of Division of Market Regulation Staff Legal Bulletin No. 10, 25. 08. 2000. 949 SEC Division of Market Regulation, Prohibited Solicitations and „Tie-in" Agreements for Aftermarket Purchases, Publication of Division of Market Regulation Staff Legal Bulletin No. 10, 25. 08. 2000. 950 Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 104 f.; Soderquist/ Gabaldon, Securities Law, 1998, p. 162. 951 NASD Manual, abrufbar unter http: // nasd.complinet.com / nasd / display / index.html. 952 Rule 2110. Standards of Commercial Honor and Principles of Trade: „A member, in the conduct of his business, shall observe high standards of commercial honor and just and equitable principles of trade." 9 53 S. oben 2. Teil: 3. Kapitel: II.2.f).
9. Kap.: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA
233
Zeichnung nach Treu und Glauben vorzunehmen 954. Konkret wird beispielsweise das sog. Free-Riding verboten, wobei eine Order mit der Absicht platziert wird, die georderten Aktien nur bei steigendem Emissionskurs tatsächlich zu erwerben 9 5 5 . Zudem darf ein Underwriter oder seine Angestellten keine Wertpapiere von „Hot IPOs" für sich oder andere zurückhalten, die zur öffentlichen Zuteilung bestimmt waren („Withholding"). Am 24. Oktober 2003 billigte die SEC weitere Vorschläge der NASD zur Änderung der Free-Riding and Withholding Interpretation 956. Diese Änderungen wurden als neue Rule 2790 des NASD-Manuals kodifiziert. Damit erstreckt sich das Verbot nicht mehr allein auf „Hot Issues", sondern auf jede Neuemission von Aktien („New Issues"). Gemäß der neuen Rule 2790 ist es einem Underwriter verboten, eine Neuemission an bestimmte Personen mit Eigeninteresse zuzuteilen („ restricted person"). Von der Zuteilung ausgeschlossen wurden die meisten mit dem Emissionsbegleiter verbundenen Unternehmen, Inhaber und Tochterunternehmen eines Broker/Dealers und vergleichbare explizit bestimmte Personengruppen. Nicht verboten wurde bisher jedoch die Zuteilung an das Management des Emittenten oder dessen unmittelbaren Familienmitglieder. Zusätzlich werden die Emissionsbegleiter verpflichtet, vor Zuteilung der Aktien auf ein bestimmtes Depot, vom Depotinhaber eine Bestätigung einzufordern, dass er zum Erhalt der Aktienzuteilung legitimiert ist. Obwohl also gewisse manipulative Praktiken, wie das Zurückhalten von Aktien oder die bevorzugte Zuteilung an „Insider" auf Kosten der öffentlichen Kunden, untersagt ist, gibt es keine explizite Regelung, die eine bevorzugte Zuteilung bestimmter Kunden im Allgemeinen regeln würde. Solange die Aktien nicht an eine ausgewählte Gruppe von „Insidern" i. S. v. „restricted persons" zugeteilt wird, mag das Zuteilungsverfahren oder einzelne Zuteilungen ggf. unsachlichen Gründen folgen und somit ungerecht erscheinen, ein Verstoß gegen das U.S.-amerikanische Wertpapierrecht liegt damit allerdings noch nicht vor 9 5 7 .
2. Caselaw Im Jahre 2001 wurde eine Flut von Klagen wegen Ansprüchen aus Verletzung wertpapierrechtlicher Bestimmungen im südlichen Distriktgericht von New York 954 s. Rule IM-2110-1 (a)(1): „This interpretation is based upon the premise that members have an obligation to make a bona fide public distribution at the public offering price of securities of a public offering which trade at a premium in the secondary market whenever such secondary market begins (a „hot issue")·" 955 Jennings / Marsh/ Coffee / Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 299 f.; Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3 und Fn. 17. 9 56 SEC , Release No. 34-48701, www.sec.gov/rules/sro/34-48701.htm; NASD, Notice to Members 03-79. 9 57 Hazen, Law of Securities Regulation, 4th ed., 2001, § 6.3.
234
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
eingereicht 958 . Die Klagen stützen sich auf Untersuchungen, wonach Banken und Finanzdienstleister die lukrativen Aktien an bevorzugte Kunden zugeteilt und im Gegenzug höhere Provisionen und Versprechen erhalten haben sollen, mehr Aktien zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis zu erwerben 959 . Diese Absprachen sollten dazu dienen, den Börsenkurs nach Handelsaufnahme zu erhöhen. Mögliche Ansprüche könnten sich aus Prospekthaftung ergeben. Ein solcher Anspruch würde dann bestehen, wenn trotz Wesentlichkeit keine Angaben zu preistreibenden Aktivitäten und Provisionszahlungen gegen Aktienzuteilung im Prospekt veröffentlicht wurden 960 . Kartellrechtliche Ansprüche könnten sich nur dann ergeben, wenn eine Absprache zwischen allen Underwritern bewiesen werden kann 9 6 1 . Eine endgültige Entscheidung über diese Klagen steht noch aus 962 . Voraussichtlich werden allerdings diese Klagen im Rahmen eines Vergleichs beigelegt 963 . Gerichtlich entschieden wurde bereits die Praxis, dass Underwriter ihre Privatkunden verpflichteten, Neuemissionen eine bestimmte Zeit zu halten, um sich für eine Zuteilung bei späteren Neuemissionen zu qualifizieren. Das Gericht hielt jedoch für Recht, dass derartige Praktiken zur Verhinderung des Ripping nicht gegen bundesrechtliche Weitpapiervorschriften verstoßen würden 964 . Im Ergebnis sind daher auch aus bisherigem Caselaw in den USA keine Anhaltspunkte für eine Regulierung und allgemeine Verfahrensgestaltung der Zuteilung von Aktien abzuleiten. 3. Vergleichsvereinbarung vom 28. April 2003 Neben dem Versuch einer Regulierung über die NASD und NYSE haben die SEC, der Generalstaatsanwalt von New York, NASD, NASAA, NYSE und die 958 Hoppin/ Rovella, Studies Show Securities Class Actions Set New Record, 9/6/2001 N.Y.L.J. 5, (col. 2); Hamilton/Friedman, IPO Litigation Surges Courts, Los Angeles Times,
21. 08. 2001.
959 Hoppin/ Rovella, Studies Show Securities Class Actions Set New Record, 9/6/2001 N.Y.L.J. 5, (col. 2); Hamblett, Southern District Faces Rash of IPO Litigation, 8/23/2001 N.Y.L.J. 1, (col. 4); Smith, SEC's IPO Probe Expands To Include Morgan Stanley, WSJ, 26. 02. 2003. 960 Hamblett, Southern District Faces Rash of IPO Litigation, 8/23/2001 N.Y.L.J. l,(col.4). 961 Hamblett , Southern District Faces Rash of IPO Litigation, 8/23/2001 N.Y.L.J. 1, (col. 4); Abgelehnt wurde das Bestehen kartellrechtlicher Ansprüche im Verfahren In re Initial Public Offering Antitrust Litigation, 287 F. Supp. 2d 497 (S.D.N.Y. 2003). 962 Bereits abgelehnt wurde am 19. Februar 2003 der Klageabweisungsantrag (motion to dismiss) der Beklagten in den Fällen, in denen ein manipulatives Verhalten der Beklagten glaubhaft dargelegt wurde, s. In re Initial Public Offering Securities Litigation, 241 F. Supp. 2d 281 (S.D.N.Y. 2003). 963 Hamblett, IPO Settlement Wins Tentative Court Approval, 2/16/2005 N.Y.L.J. 964 Myers v. Merrill Lynch & Co., 249 F.3d 1087 (9th Cir.2001); Friedman v. Salomon/ Smith Barney, Inc., 2000 WL 1804719 (S.D.N.Y.2000).
9. Kap.: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA
235
staatlichen Regulierungsbehörden die Erzielung einer Vergleichsvereinbarung mit den größten amerikanischen Investmentbanken verkündet, die sowohl die Interessenskonflikte innerhalb der Finanzdienstleister als auch die von der SEC im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens beanstandeten Zuteilungspraktiken lösen soll 9 6 5 . Mit Abschluss und Verkündung des historischen Vergleichs am 28. April 2003 966 und der Zustimmung zur Zahlung einer Strafzahlung wurden die Vorwürfe weder eingestanden noch bestritten 967 . Allerdings erreichten die am freiwilligen Vergleich teilnehmenden Investmentbanken, dass die staatlichen Ermittlungen gegen sie eingestellt wurden. Zudem werden weitere Klagemöglichkeiten basierend auf diesen Anschuldigung abgeschnitten. Zur Einstellung der Ermittlungen gegen die unterzeichnenden Institute wurden in den Vergleichsbedingungen nicht nur Strafzahlungen, Entschädigungen und für bestimmte Zwecke einzusetzende Gelder von insgesamt US$ 1,4 Mrd. verlangt, sondern auch zahlreiche Auflagen. U.a. wurde eine in diesem Zusammenhang relevante Auflage aufgenommen, wonach die Investmentbanken keine lukrativen Erstemissionen mehr an Manager und Aufsichtsratsmitglieder von Publikumsgesellschaften zuteilen dürfen, die weit reichenden Einfluss auf die Investment BankingEntscheidungen des Unternehmens ausüben können 968 .
II. Vorschläge zur Regulierung von Zuteilungen Angesichts der fragwürdigen Zuteilung von Hot IPOs an das Management von Investment Banking-Kunden erwägen auch der New York Attorney General (Generalstaatsanwalt) Eliot Spitzer und der SEC Enforcement Chief (Leiter der Vollzugsabteilung) Stephen Cutler eine Reihe von Vorschlägen, um die Zuteilungspraxis von Aktien bei Neuemissionen zu verbessern und das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen 969. Unter anderem richteten auch sie ihr Hauptaugenmerk auf ein Verbot des „Spinning". Den Emissionshäusern soll damit untersagt werden, Aktien von Neuemissionen an das Management, d. h. Vorstände, Aufsichtsräte und Ge965 Morgensohn/McGeehan, Wall Street Firms Are Ready to Pay, NYT 20. 12.2002; SEC , SEC, NY Attorney General, NASD, NASAA, NYSE and State Regulators Announce Historic Agreement, Press Release No. 2002-179. 966 SEC, Voluntary Initiative Regarding Allocations of Securities, 28. 04. 2003, www.sec. gov/news/press/globalvolinit.htm; s. auch oben 2. Teil: 3. Kapitel: ü.2.f)dd). 967 Jennings /Marsh /Coffee/Seligman, Securities Regulation, 1998, p. 1540; Morgensöhn/McGeehan, Wall Street Firms Are Ready to Pay, NYT 20. 12. 2002. 9 68 SEC, SEC, NY Attorney General, NASD, NASAA, NYSE and State Regulators Announce Historic Agreement, Press Release No. 2002-179; Cutler, Speech by SEC Staff, 20. 12. 2002, www.sec.gov/news/speech/spchl22002smc.htm. 969
2002.
Gasparino, SEC, Spitzer Might Outlaw Practice of Spinning' IPOs, WSJ v. 05. 11.
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4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
schäftsführer, zuzuteilen, die die Beauftragung von Emissionsbegleitern mit Underwriting-Geschäft der Gesellschaft beeinflussen können. Aber auch weniger restriktive Anordnungen, wie erhöhte Transparenz der Zuteilung bei Erstemissionen an das obere Management werden diskutiert 970 . Dabei wird insbesondere die Offenlegung vor dem Aufsichtsrat und dem Vorstand des Emittenten erwogen. Zur Statuierung und Durchsetzung käme u. a. eine weitere Regulierung durch Vorschriften der NASD, der New York Stock Exchange oder sogar beides in Betracht 971 . Am 4. August 2004 hat die NASD nunmehr einen zweiten geänderten Vorschlag der NASD Rule 2712 (IPO Allocations and Distributions) bei der SEC eingereicht 972 . Diese Vorschläge werden in Zusammenarbeit mit der NYSE ausgearbeitet, die jeweils entsprechende Vorschläge zur Änderung der NYSE Rule 470 (IPO Allocations and Distributions) unterbreitet 973. Diese Vorschläge berücksichtigen die im Mai 2003 veröffentlichten Empfehlungen der gemeinsamen IPO-Beratungskommission von NYSE und NASD (NYSE /NASD IPO Advisory Committee) 914. Danach sollen die folgenden Verhaltensweisen der Mitglieder ausdrücklich verboten werden: • Das Angebot oder die Drohung des Zurückhaltens von Aktien eines IPO als Gegenleistung oder als Anreiz zur Zahlung überhöhter Provisionen für Dienstleistungen des Mitglieds (neue NASD Rule 2712(a) bzw. NYSE Rule 470 (A): „ Quid Pro Quo Allocations "). • Die Zuteilung an das Management (Executive Officer or Director) einer Gesellschaft oder an Personen, die im selben Haushalt leben oder mit mindestens einem Anteil von 25% unterstützt werden, (i)
wenn das Mitglied in den vergangenen 12 Monaten Provisionen für Investment Banking-Dienstleistungen erhalten hat;
(ii) wenn das Mitglied in den nächsten sechs Monaten Provisionen für Investment Banking-Dienstleistungen erwartet oder beabsichtigt gelten zu machen; oder 970 Gasparino, SEC, Spitzer Might Outlaw Practice of »Spinning4 IPOs, WSJ v. 05. 11.
2002. 971 Gasparino , SEC, Spitzer Might Outlaw Practice of »Spinning4 IPOs, WSJ v. 05. 11.
2002. 972 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, http://www.sec.gov/rules/sro/nyse/34-50896.pdf ; ursprüngliche Einreichung: NASD, Proposed Rule Governing Allocations, 15. 09. 2003, www.nasdr.com/pdf-text/rf03_l40.pdf ; Bereits im Juli 2002 hatte die NASD einen ersten Entwurf für eine neue Rule 2712 (IPO Allocations and Distributions) vorgelegt. Vgl. NASD, Notice to Members 02-55. 973 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, p. 1 ff., 23, http: // www.sec.gov / rules / sro / nyse / 34-50896.pdf. 974 Das NYSE/NASD IPO Advisory Committee wurde am 22. 08. 2002 auf Verlangen der SEC mit ausgewählten Spezialisten gegründet, um den IPO-Prozess zu überprüfen und Änderungsvorschläge zu erarbeiten. Vgl. NYSE /NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003.
9. Kap.: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA
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(iii) unter der Bedingung, dass das Management der Gesellschaft zukünftiges Investment Banking-Geschäft an das Mitglied steuert (neue NASD Rule 2712(b) bzw. NYSE Rule 470 (Β): „Spinning "). • Die direkte, indirekte oder versuchte Rückholung irgendeines Teils bezahlter oder gewährter Kommissionen oder Kredite an eine verbundene Gesellschaft, dessen Kunden Aktien aus Neuemissionen innerhalb von dreißig Tagen nach Abgabe des Angebots („Offering Date") wieder veräußern, es sei denn der Konsortialführer hat eine Vertragsstrafe mit dem Finanzdienstleister vereinbart (neue NASD Rule 712(c) bzw. NYSE Rule 470(C): „Flipping"). Ferner wurde zunächst vorgeschlagen Rule 2710 (Corporate Financing Rule Underwriting Terms and Arrangements) dergestalt zu ändern, dass Zuteilungen des Konsortialführers an Mitglieder des Managements einer Gesellschaft, für die der Konsortialführer Dienstleistungen vornimmt, gegenüber der NASD offen gelegt werden müssen975. Eine Festschreibung dieser Pflicht im Übernahme vertrag wurde jedoch nach Kritik aufgegeben, da der Übernahmevertrag regelmäßig erst nach Preisfestlegung unterzeichnet wird 9 7 6 . Der zusätzliche Vorschlag, die uniimitierte Abgabe von Kauf- oder Verkaufaufträgen am ersten Tag nach Notierungsaufnahme zu untersagen, erscheint inakzeptabel, da zum einen der Zweck der Börsennotierung, Liquidität zu schaffen, konterkariert wird, und zum andern eventuelle Kurssprünge und eine kurzzeitige Volatilität zur Handelsaufnahme voraussichtlich nur auf den zweiten Tag verschoben werden würde 977 . Zur Überwachung der vorgeschlagenen Regelungen kommt dabei in Betracht, dass der Konsortialführer die NASD darüber zu informieren hat, ob Vorstände, Aufsichtsräte oder Geschäftsführer einer börseneingeführten Gesellschaft vom Konsortialführer Aktien eines anderen IPO sechs Monate vor oder nach der eigenen Börseneinführung erhalten haben. Teilweise werden auch Stimmen laut, die die Zuteilung von IPO-Aktien an das Topmanagement, Wagniskapitalgeber und Organe der Gesetzgebung vollständig untersagen wollen 978 . Zudem sollten die Underwriter im Zeitpunkt des IPO eine Liste aller Investoren veröffentlichen, die Aktienzuteilungen erhalten haben 979 . Durch die namentliche Publikation der Käufer werden die Underwriter eher eine größere Streuung der Aktien sicherstellen, als eine Zuteilung an wenige institutionelle Anleger vornehmen. 975 NASD, Notice to Members 02-55. 976 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, p. 33 ff., http: II www.sec.gov / rules / sro / nyse / 34-50896.pdf. 977 Ebenso SIA, Response to Notice to Members 03-72, 23. 01. 2004, p. 7 ff. 978 Hennessey, Major IPO Investor Issues Call For an Overhaul of the Process, WSJ,
11. 11.2002.
979 Hennessey, Major IPO Investor Issues Call For an Overhaul of the Process, WSJ,
11. 11.2002.
238
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
Neben der Einreichung konkreter Vorschläge zur Änderung der NASD Rules bei der SEC am 15. September 2003 hat die NASD ihren Mitgliedern im November 2003 vorab weitere Vorschläge zur Änderung der Zuteilungsvorschriften bei IPOs zur Kommentierung unterbreitet 980. Diese Vorschläge implementieren ebenfalls bereits die im Mai 2003 veröffentlichten Empfehlungen des NASE/NASD IPO Advisory Committee 981 . Von Bedeutung ist dabei der Vorschlag der Offenlegung von Interessenskonflikten sowie die endgültige Zuteilung der Emissionsbegleiter gegenüber dem Emittenten nach Abschluss der Transaktion. Zusätzlich sollen Lock up-Verpflichtungen nicht nur für das Management gelten, sondern ebenso auf die Friends & Family-Tranche Anwendung finden. Gegen die grundsätzliche Offenlegung aller Zuteilungen, d. h. sowohl an Institutionelle als auch an Retail-Investoren, wendete sich die Securities Industry Association (SLA) in ihren Anmerkungen zu den Vorschlägen der NASD 9 8 2 . Eine solche Veröffentlichungspflicht würde gegen Geheimhaltungs- und Datenschutzvorschriften verstoßen. Auf Grund dessen würde jedes Konsortialmitglied die jeweilige Retailtranche separat abrechnen und zuteilen. Eine detaillierte Veröffentlichungspflicht mit Namensnennung sei deshalb nur für die Zuteilung an Institutionelle zu fordern. Für die Zuteilung der Retailtranche sei allein eine zusammenfassende Veröffentlichung erforderlich. Der Vorschlag wurde daraufhin dahingehend konkretisiert, dass eine Offenlegungspflicht des buchführenden Konsortialmitglieds (Bookrunner) gegenüber dem Emittenten besteht und diese Pflicht in Rule 2712 (IPO Allocations and Distributions) direkt festgeschrieben wird 9 8 3 . Nach dem nunmehr vorliegenden und bei der SEC eingereichten Vorschlag hat der Bookrunner also dem Emittenten einen regelmäßigen Bericht über die Nachfrage zu übermittelten. Nach Abschluss des Börsengangs muss überdies Bericht über die letztendliche Zuteilung an den Emittenten erstattet werden, wobei Zuteilungen an Institutionelle namentlich erwähnt werden müssen. Zuteilungen an Retail-Investoren müssen dagegen nur als Gesamtsumme ausgewiesen werden. Am 13. Oktober 2004 hat zudem die SEC erstmals neue Regeln für Aktienemissionen und damit eine Änderung der Regulation M vorgeschlagen 984. Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass die Investoren fair behandelt werden 985 . Die 980 NASD, NtM 03-72, November 2003, Proposed Rule Governing Allocations and Distributions of shares in IPOs, p. 769 ff. 981 Vgl. NYSE/NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003. 982 SIA, Response to Notice to Members 03-72, 23. 01. 2004, p. 5. 983 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, p. 33 ff., http: // www.sec.gov/rules / sro / nyse / 34-50896.pdf. 984 o.V , SEC schlägt neue Regeln vor, FAZ, 15. 10. 2004; SEC, SEC Proposes IPO Allocation Reforms, Release No. 2004-145, 13. 10.2004, http://www.sec.gov/news/press/ 2004-145.htm. 985 SEC, Amendments to Regulation M: Anti-manipulation Rules Concerning Securities Offerings, Release No. 33-8511, 9. 12. 2004, http://www.sec.gov/rules/proposed/33-8511. htm.
9. Kap.: Zuteilung bei Aktienemissionen in den USA
239
Aktienkurse sollten frei vom manipulativen Einfluss oder Fehlverhalten jener sein, die die Emission an den Markt gebracht haben und davon am meisten profitieren. Dagegen haben die neuen Regeln nicht das Ziel, Konsortialbanken daran zu hindern, guten Kunden größere Anteile bei Erstemissionen zuzuteilen 986 . Inhaltlich statuiert die SEC weitere einzelne Verbote manipulativer Praktiken. So sollen insbesondere Penalty Bids sowie Quid Pro Quo Allocations vollständig untersagt werden. Im Ergebnis orientieren sich auch diese Regeländerungen an den bereits vorliegenden Vorschlägen, wobei damit zu rechnen ist, dass die geringfügigen Abweichungen noch in Einklang gebracht werden. Die Frist zur Einreichung von Kommentaren bei der SEC im Hinblick auf die übereinstimmenden Regelungsvorschläge der NYSE und der NASD wurde verlängert bis zum 15. Februar 2005 und damit der Frist zur Einreichung von Kommentaren zu Änderungsvorschlägen der SEC zu Regulation M angepasst987. Damit soll eine einheitliche Kommentierung gewährleistet werden, da die SEC insbesondere auch explizit auffordert, Stellung zu den etwas unterschiedlichen Vorschlägen zu nehmen 988 .
ΠΙ. Fazit Im Gegensatz zur fehlenden expliziten Regulierung in Deutschland bestanden in den USA bereits vor Beginn des Börsenbooms Ende der Neunziger Jahre mit der Free-Riding und Withholding Interpretation der NASD einzelne Verbote manipulativer Zuteilungspraktiken. Eine allgemeine Festschreibung von Zuteilungskriterien bzw. -grundsätzen wurde indes nicht vorgenommen. Zudem beschränken sich die auf den Erkenntnissen der Boomjahre basierenden RegelungsVorschläge der NASD, NYSE und auch der SEC wiederum auf Verbote einzelner fragwürdiger Zuteilungspraktiken und die Statuierung von Offenlegungspflichten. Die NASD verpflichtet lediglich ihre Mitglieder grundsätzlich die Handelsprinzipien nach Gesetz und Recht zu befolgen („to observe the high standards of just and equitable principles of trade"). Ein Verbot einzelner Praktiken hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass es naturgemäß nicht alle Handlungen erfasst und einem sinnvollen Verfahren unterwirft, sondern Praktiken teilweise gerade nicht erfasst, oder Umgehungsmöglichkeiten offen lässt und so spätere Anpassungen der bestehenden Verbotstatbestände erforderlich macht. 986
SEC , Amendments to Regulation M: Anti-manipulation Rules Concerning Securities Offerings, Release No. 33-8511, 9. 12.2004, p. 15, http://www.sec.gov/rules/proposed/ 33 -8511.htm; o.V., SEC schlägt neue Regeln vor, FAZ, 15. 10. 2004. m SEC, Release No. 34-51039, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,14. Ol. 2005, http: // www.sec.gov / rules / sro / nyse / 34-51039.pdf. 9 88 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, p. 45, http: // www.sec.gov / rules / sro / nyse / 34-50896.pdf.
240
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
In Deutschland wäre eine Statuierung von vergleichbaren Verbotstatbeständen primär rein deklaratorischer Natur. Bereits unter Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wären die oben angesprochenen fragwürdigen oder gar manipulativen Zuteilungspraktiken sachlich nicht gerechtfertigt und könnten Schadensersatzansprüche auslösen. Allerdings wäre es aus Gründen der Klarstellung und mit einer zusätzlichen Festschreibung von Beweiserleichterungen durchaus begrüßenswert, einzelne Praktiken, wie ζ. B. Spinning, explizit zu verbieten. Dies hätte auch zur Folge, dass derartige Praktiken unter erleichterten Bedingungen privatrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen könnten und auch durch die Aufsichtsbehörden mit Bußgeldern sanktioniert werden könnten. Da allerdings in Deutschland solche Praktiken nicht öffentlich untersucht und so auch nicht aufgedeckt wurden, erscheint eine Festlegung einzelner Verbotstatbestände kaum bestimmbar und mangels festgestellter Erforderlichkeit kaum durchsetzbar. Des ungeachtet wäre auch in Deutschland eine größere Transparenz im Hinblick auf die tatsächlich vorgenommene Zuteilung zu begrüßen. Tatsächlich besteht jedoch auch in Deutschland das Problem des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes bei der Zuteilung der Retailtranche durch die einzelnen Konsortialbanken. Im Ergebnis ist allein eine namentliche Offenlegung der Zuteilung an Institutionelle oder gegebenenfalls bei Zustimmung an das Management des Emittenten praktikabel. Die Vorschläge der NASD beschränken sich jedoch auf eine Offenlegung der endgültigen Zuteilungen der Emissionsbanken allein gegenüber dem Emittenten. Eine Veröffentlichung der erfolgten Zuteilung, ζ. B. im Wege einer Pressemeldung, wurde bisher von der NASD nicht gefordert. Demnach gehen bereits die Zuteilungsgrundsätze der BSK in Deutschland trotz ihres unverbindlichen Charakters in der Sache über die Vorschläge der NASD hinaus. Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze der BSK sieht vor, dass nach Abschluss der Zuteilung der Emittent die Veröffentlichung der erfolgten Zuteilung sicherstellt. Allerdings ist auch die NASD in den USA wie auch die BaFin in Deutschland mit der Tatsache konfrontiert, dass sie insoweit keine Aufsichtspflichten gegenüber dem Emittenten selbst ausübt und demnach auch keine derartigen verbindlichen Verpflichtungen des Emittenten statuieren kann. Eine verbindliche zusammenfassende Offenlegung der namentlichen Zuteilung an Institutionelle und der angewandten Zuteilungsgrundsätze inklusive Quoten bei der Zuteilung an Privatanleger gegenüber dem Emittenten wäre aus Transparenzgründen jedoch für alle Tranchen auch in Deutschland einer Förderung des Vertrauens in den Kapitalmarkt zuträglich. Dies würde den Emittenten in die Lage versetzen, die entsprechenden Angaben zu veröffentlichen. Er könnte sich somit nicht mehr auf mangelnde Kenntnis berufen, wie noch in Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze der BSK vorgesehen.
10. Kap.: Transparentes Zuteilungsverfahren in Deutschland
241
10. Kapitel
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten Vorschlag für ein transparentes Zuteilungsverfahren in Deutschland Auf Grund der hier im Ergebnis festgestellten Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte eine verbindliche Festschreibung der Verpflichtung zur Zuteilung nach sachgerechten Kriterien entweder nur deklaratorischen Charakter oder müsste inhaltlich über die hier beschriebenen bereits geltenden Grundsätze hinausgehen. Eine weiter reichende Regulierung insbesondere die Festschreibung eines bestimmten anzuwendenden Zuteilungsverfahren erscheint jedoch auf Grund der Notwendigkeit einer flexiblen Reaktionsfähigkeit auf die jeweilige Marktsituation nicht sinnvoll. Zusätzlich sind auch Vorschläge, das Management anderer Gesellschaften generell von einer Zuteilung auszunehmen, nicht geeignet, die Zuteilungsproblematik interessengerecht zu lösen. Wenn eine Zuteilung sachlichen Kriterien folgt, d. h. dem Zweck der Aktienemission dient, ist auch gegen eine Zuteilung an das Management anderer Gesellschaften nichts einzuwenden. Im Gegenteil, eine solche Zuteilung kann sogar die Geschäftsbeziehungen stärken und dem Emittenten zugute kommen. Basierend auf dem generellen Gebot der Transparenz, aber auch angesichts der Beweisschwierigkeiten im Rahmen der Geltendmachung eines möglichen Anspruchs wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot wäre allerdings an eine verbindliche Festschreibung von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten im Hinblick auf Details des angewendeten Zuteilungsverfahrens und einzelner namentlicher Zuteilungen zu denken. Bereits Art. 8 und 9 der Zuteilungsgrundsätze der BSK empfehlen eine Veröffentlichung von Einzelheiten des Zuteilungsverfahrens, soweit möglich schon vor Emission. Nach Abschluss der Emission sollen der Wertpapierdienstleister seine Kunden zumindest auf Nachfrage über Art und Einzelheiten des bei der Zuteilung an Privatanleger gewählten Verfahrens unterrichten. Nach Abschluss der Zuteilung empfiehlt Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze der BSK dem Emittenten zusätzlich die Veröffentlichung - soweit bekannt - von Details des von den Banken angewandten Zuteilungsverfahrens sowie des prozentualen Anteils der Retailtranche und des Friends & Family-Programms, inklusive Zuteilungen an Organmitglieder des Emittenten und deren Familienangehörigen. Bereits zu Beginn des Jahres 1999 kündigte die DG Bank die Anwendung einer „gläsernen Emission" an, die sie bei der Emission der i:FAO A G 9 8 9 praktizierte. Allerdings sind diesem freiwilligen Beispiel keine weiteren Kreditinstitute gefolgt. 989 Steffen, 61, 61 f.
16 Koehler
Das Zuteilungsprocedere bei Aktienemissionen, Going Public „Praxis" 1999,
242
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
Die Verpflichtung zur Offenlegung und Erläuterung der konkreten Zuteilung des Konsortialführers gegenüber dem Emittenten wurde bereits vom NYSE/NASD IPO Advisory Committee vorgeschlagen 990, von der NASD an ihr Mitglieder zur Kommentierung unterbreitet 991 und nunmehr auch von der SEC vorgeschlagen 992. Dies könnte nicht nur der besseren Beurteilung der Leistung des Bookrunners für die vergangene Transaktion dienen, sondern auch die zukünftige Vergabe von Investment Banking-Geschäft beeinflussen. Eine Veröffentlichung führt weiterhin zu einer entsprechenden Aufnahmebereitschaft der Investoren für zukünftige Platzierungen. Zudem kann das Standing der Gesellschaft selbst gefördert werden. Zur Verhinderung eines negativen Bildes in der Öffentlichkeit kann die Pflicht zur Offenlegung präventiv auf die Einhaltung einer fairen Zuteilung hinwirken. Beim Versuch der Statuierung von Offenlegungspflichten gilt es zunächst zwischen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten zu unterscheiden. Die Vorschläge der NASD-Rules beschränken sich auf die Festlegung von Mitteilungspflichten der Emissionsbegleiter gegenüber dem Emittenten, wohingegen die Zuteilungsgrundsätze der BSK allein die Veröffentlichung von Details der Zuteilung durch den Emittenten empfiehlt 993 . Beide Vorschläge greifen jedoch in verschiedener Hinsicht zu kurz. Allein eine Mitteilung an den Emittenten ist nicht geeignet, die Transparenz des Kapitalmarktes zu fördern. Allein eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten ohne entsprechende Information durch die mit der Zuteilung beauftragten Emissionsbegleiter versetzt den Emittenten in die Lage, sich auf Unkenntnis des Zuteilungsverfahrens zu berufen. Jede dieser Verpflichtungen allein kann also die Transparenz nicht fördern. Demzufolge wäre sowohl die Mitteilungspflicht der Details der Zuteilung durch die Emissionsbegleiter an den Emittenten und die nachfolgende Veröffentlichung durch den Emittenten zu fordern.
I. Zeitpunkt der Veröffentlichung Problematisch erscheint die Statuierung einer Pflicht zur Veröffentlichung des detaillierten Zuteilungsverfahrens vor Emission, d. h. mit Abgabe des öffentlichen Angebots oder im Prospekt. Emittent und Emissionsbank einigen sich regelmäßig nicht vor Schließung der Bücher und Auswertung der Nachfrage am Ende der Bookbuilding-Phase über die Kriterien der Zuteilung und das letztlich anzuwendende Zuteilungsverfahren. Emittent und Emissionsbanken behalten sich im Falle 990 NYSE/NASD IPO Advisory Committee, Report and Recommendations, May 2003, p. 16. 991 NASD, NtM 03-72, Proposed Rule Governing Allocations and Distributions of shares in IPOs, November 2003, p. 769 if. 992 SEC, Release No. 34-50896, File Nos. SR-NYSE-2004-12, SR-NASD-2003-140,20.12. 2004, p. 33 ff., http: // www.sec.gov / rules / sro / nyse / 34-50896.pdf. 993 Abgesehen von der nachträglichen Auskunftspflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber ihren Kunden gemäß Art. 9 der Zuteilungsgrundsätze der BSK.
10. Kap.: Transparentes Zuteilungsverfahren in Deutschland
243
einer vorherigen Veröffentlichung regelmäßig vor, das bereits angekündigte Zuteilungsverfahren nach Bedarf abzuändern. Ein vorab veröffentlichtes Verfahren unterliegt also regelmäßig der Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse des Ordereingangs. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Details des angewandten Zuteilungsverfahrens gilt es auch, die Möglichkeit von Falschangaben der ordernden Investoren zu bedenken. Beispielsweise wäre bei vorheriger Offenlegung eines Zuteilungsverfahrens, bei dem nur Zeichnungswünsche ab einem konkreten Mindestvolumen bedient werden, eine absehbar Folge, dass Investoren gezwungenermaßen, um überhaupt bei der Zuteilung berücksichtigt zu werden, nicht die eigentlich erwünschte Anzahl an Aktien, sondern die vom Konsortium vorgegebene Anzahl ordern. Weiter gehend sind aber auch die mühelose Manipulation konkreter Angaben betreffend der Qualitätskriterien von Investoren, wie Haltedauer, Alter usw. in Betracht zu ziehen. Danach entsteht durch die vorzeitige Veröffentlichung eines detaillierten u.U. qualitativen Zuteilungsmodus die Gefahr einer Verzerrung von Angebot und Nachfrage, was einer angemessenen Emissionspreisfindung entgegensteht. Angesichts der praktischen Konsequenzen ist es daher nicht zu empfehlen, zu konkrete Angaben vor Zuteilung zu veröffentlichen oder eine Pflicht zur Veröffentlichung entsprechender Angaben festzuschreiben. Vielmehr muss sich hier zulasten der Transparenz eine Offenlegungspflicht vor Emission auf die Veröffentlichung allgemeiner Grundsätze bzw. der Rahmen der Zuteilung beschränken. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung des intendierten Zuteilungsverfahrens vor Erstnotiz erscheint zwar der Transparenz grundsätzlich zuträglich, jedoch zur Bildung von Anlegervertrauen nicht hinreichend. Empfehlenswert wäre vielmehr die Festschreibung einer Folgepflicht, das angewandte Zuteilungsverfahren, inklusive der prozentualen Höhe sämtlicher Tranchen, wie beispielsweise Friends & Family-Programm, Zuteilungszusagen im Rahmen von One-on-Ones, Free Retention und Directed Allocation, zu veröffentlichen. Dies wurde bereits zumindest für bestimmte Tranchen (Retail, Institutionelle und Friends & Family) in Ziffer 4 der „IPO-Norm" der SdK und Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze der BSK empfohlen. Zusätzlich wäre entsprechend des ursprünglichen Vorschlags der NASD zur Änderung der Rule 2712 9 9 4 zu fordern, - zumindest wesentliche - Zuteilungen an das Management anderer Gesellschaften sowie an institutionelle Investoren namentlich zu veröffentlichen. Dabei sollten sich die Offenlegungspflichten nicht nur auf Zuteilungen an Vorstand und Aufsichtsrat beschränken, sondern die obere Verwaltungsebene miteinschließen. Nach Abschluss der Zuteilung ist eine Veröffentlichung von Einzelheiten des bei der Aktienemission angewandten Zuteilungsverfahrens auch zumutbar 995 . 994 NASD, Notice to Members 03-79, p. 776. 995 Pfiiller/Maerker, Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Zuteilung von Aktien, Die Bank 1999, 670, 673 f. 16*
244
4. Teil: Weiterführende Lösungsansätze
Im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen der Veröffentlichungspflicht wäre gegebenenfalls an eine Frist von bis zu 30 Tagen nach Notierungsaufnahme zu denken 9 9 6 . Der Zuteilungsvorgang als Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn erscheint kaum sinnvoll, da dieser sich regelmäßig über ein Wochenende erstreckt und der genaue Zeitpunkt sich objektiv nicht exakt bestimmen lässt.
II. Mögliche Regelungsorte von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten 1. Festschreibung in Zuteilungsgrundsätzen Auf Grund des Erlasses der Zuteilungsgrundsätze der BSK als unverbindliche Verhaltensempfehlung wäre zu deren verbindlicher Festschreibung erforderlich aber auch hinreichend, dass die einzelnen Börsenordnungen die Anerkennung entsprechender Zuteilungsgrundsätze als Zulassungsverpflichtung aufnehmen. Allein eine Empfehlung der BSK ist für eine verbindliche Einhaltung nicht ausreichend. Mangels aufsichtsrechtlicher Befugnisse der BaFin gegenüber dem Emittenten, erscheint eine Regulierung und Festschreibung der beschriebenen Veröffentlichungspflichten des Emittenten auch durch die BaFin nicht möglich. Die BaFin könnte allein die Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Mitteilung und Offenlegung der Zuteilungsdetails an den Emittenten verpflichten und bei Verletzung Sanktionsmöglichkeiten vorsehen.
2. Festschreibung in einzelnen Börsenordnungen Mit Einführung des 4. FFG und der Änderung der §§ 42, 54 S. 2 BörsG wurde den Börsen die Möglichkeit eröffnet, zusätzliche Anforderungen in Teilbereichen des amtlichen bzw. geregelten Markts, d. h. im öffentlich-rechtlichen Bereich der Börsen, festzuschreiben 997. Demnach wäre auch die verbindliche Festlegung von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten in der Börsenordnung selbst möglich. Eine solche öffentlich-rechtliche Regelung wurde bisher weder im Hinblick auf das Zuteilungsverfahren noch auf weiter gehende Veröffentlichungspflichten von der Frankfurter Wertpapierbörse oder den regionalen Börsen erlassen. Eine Festschreibung der Anerkennung der Zuteilungsgrundsätze, insbesondere durch Aufnahme zusätzlicher verbindlicher Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten im Hinblick auf Einzelheiten der erfolgten Zuteilungen, scheint umso 996 Dieser Zeitpunkt steht im Gleichklang mit dem Ende möglicher Stabilisierungsmaßnahmen nach § 7 I KuMaKV bzw. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. 12. 2003 zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates - Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen. 997 s. oben 2. Teil: 3. Kapitel: 1.4.
10. Kap.: Transparentes Zuteilungsverfahren in Deutschland
245
begrüßenswerter, als allein Regel- und Namensänderungen der Börsensegmente allein um der Änderung willens nicht ausreichen, verlorenes Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen 998.
"8 Ebenso Bessler/Kurth/Thies, närsstruktur, FB 2003, 651, 665.
Grundsätzliche Überlegungen zur Kapital- und Aktio-
. Teil
Fazit und Ausblick Durch die Kauforder des Anlegers bei einer die Order entgegennehmenden Bank entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit der jeweiligen Bank. Gleichzeitig entsteht mit der Abgabe der Kauforder bei einer Bank ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen Anleger und Emittent, dem wirtschaftlichen Hauptinteressenträger der Aktienemission. Im Rahmen der vorvertraglichen Schuldverhältnisse des Anlegers zum Emittenten einerseits und der die Order entgegennehmenden Bank andererseits gilt es drei verschiedene Arten der Inanspruchnahme von Vertrauen mit der Folge einer Selbstbeschränkung zu unterscheiden: das konkrete Vertrauen auf eine Zuteilungszusage, das Vertrauen auf den Inhalt der Zeichnungsaufforderung und das abstrakte Grundvertrauen. Regelmäßig soll eine konkrete Zuteilungszusage durch den Emittenten im Rahmen der Roadshow oder durch die Emissionsbanken im Rahmen von One-on-Ones keinen Primäranspruch auf Zuteilung begründen, da Emittent und Emissionsbanken sich nicht binden wollen, eine bestimmte Anzahl an Aktien zuzuteilen. Bei Verletzung des Vertrauens auf die konkrete Zuteilungszusage können jedoch Schadensersatzansprüche entstehen. Ebenso löst ein Verstoß gegen das in Anspruch genommene Vertrauen auf den Inhalt der Zeichnungsaufforderung keinen Primäranspruch auf Zuteilung einer bestimmten Anzahl an Aktien aus. Bei einer Verletzung des in der Zeichnungsaufforderung angekündigten Zuteilungsverfahrens stehen den „zeichnenden" Investoren jedoch Schadensersatzansprüche zu. Gelingt der Nachweis, dass einem Anleger Aktien hätten zugeteilt werden müssen, kann sich der Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution zu einem Zuteilungsanspruch konkretisieren. Soweit eine Zuteilung nicht mehr möglich ist, kann der ordernde Investor Geldersatz verlangen. Der Geldersatzanspruch kann jedoch auf die Differenz zwischen Platzierungspreis und erstem Börsenkurs begrenzt sein, wenn der übergangene Investor die entsprechenden Aktien zu diesem Zeitpunkt veräußern wollte. Eine Begrenzung ist ebenfalls zu bejahen, wenn es dem übergangenen Investor ab Handelsaufnahme zuzumuten war, die entsprechenden Aktien am Sekundärmarkt zu erwerben. Ab diesem Zeitpunkt könnte er am Kursgewinn partizipieren. Eine Unzumutbarkeit käme jedoch dann in Betracht, wenn der Aktienkurs im Sekundärmarkt den Emissionskurs um ein Vielfaches übersteigt. Bei Streitigkeiten über die Höhe des Schadensersatzes
5. Teil: Fazit und Ausblick
247
kann u.U. auch eine Entscheidung des Gerichts nach freiem Ermessen gemäß § 287 ZPO erforderlich werden. Emittenten und die Emissionsbanken nehmen mit den Platzierungsbemühungen von Aktien, die an einem „geregelten" Markt i. S. d. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zugelassen werden, das abstrakte Vertrauen in ein faires und den Grundsätzen des Kapitalmarkts entsprechendes Platzierungs- und Zuteilungsverfahren in Anspruch. Zusätzlich rufen Emittent und Emissionsbanken öffentlich zur Zeichnung auf, um danach eine qualifizierte Auswahl zu treffen. Die Inanspruchnahme von abstraktem Vertrauen in ein faires Verfahren verbunden mit der Ausübung einer gewissen Machtposition rechtfertigt es, den Emittenten und die Emissionsbanken einer Selbstbeschränkung zu unterwerfen. Durch das in Anspruch genommene Vertrauen haben sie sich daran gebunden, ein faires, d. h. ein dem Gebot der Gleichbehandlung entsprechendes Zuteilungsverfahren anzuwenden. Mit der Inanspruchnahme von Vertrauen in die Anwendung des Gleichbehandlungsgebots, i. S. einer weitenden Gleichheit, haben sich Emittent und Banken in der Ausübung der Privatautonomie, d. h. der negativen Vertragsfreiheit selbst beschränkt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn Emittent und Emissionsbanken sich eine Zuteilung nach anderen Grundsätzen vorbehalten haben. Ein derartiger Vorbehalt kann das abstrakte Vertrauen des Anlegers in das Gleichbehandlungsgebot einschränken oder sogar ausschließen. Dies wird insbesondere bei bestimmten Personengruppen vorbehaltenen Tranchen praktiziert. Speziell werden die Friends & Family-Tranche und die Free Retention-Tranche zum einen explizit für die Zuteilung an Freunde und Familie bestimmt und zum andern zur freien Verfügung vorbehalten. Demnach wird das Vertrauen des Investors in den Gleichbehandlungsgrundsatz im Hinblick auf diese Tranchen ausgeschlossen, wenn ein entsprechender Vorbehalt veröffentlicht wird. Eine Selbstbindung von Emittent und Emissionsbanken besteht somit in diesem Umfang nicht. Vielmehr wurde gerade angekündigt, die Aktien auch nur nach rein subjektiven Kriterien zuzuteilen. Im Ergebnis besteht dann ein Recht des Emittenten und der Emissionsbanken zu einer willkürlichen Zuteilung der Aktien aus diesen mit einem Vorbehalt versehenen Tranchen. In dem jeweiligen vorvertraglichen Schuldverhältnis ist daher der Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar. Vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen ist dabei nur der Umfang an Aktien, der einem veröffentlichten Vorbehalt unterfällt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann durch unterschiedliche Zuteilungsverfahren rechtmäßig ausgefüllt werden. Grundsätzlich könnten sich demnach die jeweiligen Zuteilungsverfahren der veräußernden Banken unterscheiden. Allerdings kann der Emittent die veräußernden Banken vertraglich zur Anwendung eines einheitlichen Zuteilungsverfahrens binden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert eine gleichmäßige Behandlung der Aktien „zeichnenden" Investoren. Einer Ungleichbehandlung dürfen keine sachfremden Erwägungen zu Grunde liegen. Sachfremde Erwägungen sind solche, die nicht dem Zweck des Zuteilungsverfahrens, der Platzierung bei „qualifizierten" Investoren, dienen.
248
5. Teil: Fazit und Ausblick
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann Schadensersatzansprüche aus §§ 311 Π, ΠΙ, 2801 BGB (c.i.c.) auf Grund der Verletzung vorvertraglicher Pflichten auslösen. Ein Primäranspruch auf Zuteilung gegenüber dem Emittenten oder einem Emissionskonsorten und damit ein Kontrahierungszwang besteht im Allgemeinen nicht. Ein solcher Anspruch und damit ein Recht auf Zuteilung kann sich nur im Einzelfall auf Grund expliziter vertraglicher Vereinbarung oder in Einzelfällen aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Zusätzlich kann sich der Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution bei entsprechendem Nachweis auf einen Anspruch auf Zuteilung von Aktien konkretisieren. Im Allgemeinen steht dem Anleger, ggf. unter Anwendung der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB, ein Anspruch auf den entgangenen Gewinn zu, der sich jedoch auf den Zeichnungsgewinn beschränken kann. Dies gilt auch für mittel- und langfristige Aktienkäufe, wenn dem Anleger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht ein Nachkauf im Sekundärmarkt zuzumuten ist. Der Umfang des Schadensersatzes muss jedoch einer Überprüfung im Einzelfall und bei Erforderlichkeit einer Entscheidung des Gerichts gemäß § 287 ZPO vorbehalten bleiben. Im Verhältnis zwischen Emissions- bzw. Drittbanken und Anleger findet der Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen einer Aktienemission zweifach Eingang in die gegenseitigen Rechte und Pflichten: zum einen über das vorvertragliche Schuldverhältnis gemäß § 242 BGB und zum anderen über die Wohlverhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG. In beiden Fällen können sachliche Differenzierungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Unterschiede sind allerdings im Inhalt und in der Reichweite des sachlichen rechtfertigenden Grundes festzustellen. Die Wohl Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG verfolgen eine speziellere Zielrichtung und Zweckbestimmung als die allgemeinen Pflichten des vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Rahmen einer Aktienemission. Die Wohlverhaltenspflichten zielen auf die Verhinderung von Interessenskonflikten im Rahmen der gesamten Kundenbeziehungen ab. Angesichts der mit einer konkreten Aktienemission verbundenen engeren vorvertraglichen Bindung, erfordert eine Ungleichbehandlung einen eng umgrenzteren sachlichen Rechtfertigungsgrund. Demzufolge gewährt der Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen des § 242 BGB auf Grund sachlich eingeschränkterer Möglichkeiten der Ungleichbehandlung dem Anleger einen größeren Schutz. Folglich besteht eine weiter reichende Pflicht zur Gleichbehandlung und damit eine größere Chance auf die Zuteilung von Aktien. Keinen weiter gehenden Schutz, als nicht bereits durch die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes gewährleistet, bieten überwiegend freiwillige Verhaltenkodizes auf nationaler (Zuteilungsgrundsätze der BSK) oder europäischer Ebene (CESR-Standards). Sie erscheinen weniger als eine angemessene ganzheitliche Lösung als eher ein Stückwerk zur Verhinderung von Manipulationsgefahren. Gleichwohl sollen die Verdienste dieser Regulierungsansätze im Hinblick auf das Aufgreifen und die Sensibilisierung für die Zuteilungsproblematik und damit die Fortentwicklung des Anlegerschutzes und des Finanzplatzes Deutschlands hervorgehoben werden.
5. Teil: Fazit und Ausblick
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Weiterführend wäre in Anlehnung an die Zuteilungsgrundsätze der BSK und die Vorschläge der NASD in den USA zur Regulierung des Zuteilungsprozesses eine verbindliche Festschreibung von Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten innerhalb von 30 Tagen nach Notierungsaufnahme zu fordern. Dies würde sowohl die Mitteilungspflicht von Details der Zuteilung durch die Emissionsbegleiter an den Emittenten als auch die nachfolgende Veröffentlichungspflicht durch den Emittenten erfassen. Empfehlenswert wäre also die Festschreibung einer Zulassungsfolgepflicht, das angewandte Zuteilungsverfahren, inklusive der Höhe sämtlicher Tranchen, wie beispielsweise Friends & Family-Programm, Zuteilungszusagen im Rahmen von One-on-Ones, Free Retention und Directed Allocation, zu veröffentlichen, wie es bereits für gewisse Tranchen in Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze der BSK und in der „IPO-Norm" der SdK empfohlen wurde. Zusätzlich wäre entsprechend des ursprünglichen Vorschlags der NASD zur Änderung der Rule 2712 9 9 9 zu fordern, - zumindest wesentliche - Zuteilungen an das Management anderer Gesellschaften sowie an institutionelle Investoren namentlich zu veröffentlichen. Dabei sollten sich die Offenlegungspflichten nicht nur auf Zuteilungen an Vorstand und Aufsichtsrat beschränken, sondern die obere Verwaltungsebene miteinschließen. Als Regelungsort wäre die verbindliche Anerkennung entsprechender Zuteilungsgrundsätze als Börsenzulassungsvoraussetzung oder eine entsprechende Anerkennungspflicht in der Börsenordnung zu empfehlen. Rechtspolitischer Handlungsbedarf bezüglich einer Regulierung des Zuteilungsverfahrens wäre auf Grund der festgestellten Ergebnisse allein im Hinblick auf eine ausdrückliche Klarstellung der bereits bestehenden Rechtslage zu bejahen. Eine Notwendigkeit zur Normierung der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes könnte in Betracht gezogen werden, um das Gleichbehandlungsgebot zum einen auch auf die Friends & Family- und die Free Retention-Tranche und zum andern auf sämtliche Aktienemissionen an allen Märkten und Platzierungsarten zu erstrecken. Die Anwendbarkeit, Inhalt und Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes in den vorvertraglichen Rechtsverhältnissen beruht auf einer umfassenden Interessenabwägung zwischen Emittent bzw. Emissionsbanken und den potentiellen Investoren, die börsenzugelassene Aktien „zeichnen". Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind das in Anspruch genommene Vertrauen und Selbstbindungen der Parteien umfassend zu würdigen. Durch die Offenlegung spezieller Tranchen wie die Friends & Family- oder die Free Retention-Tranche wird das abstrakte Vertrauen in das Gleichbehandlungsgebot ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen dieser Tranchen bedürfte daher einer verbindlichen Statuierung von Pflichten. Mit der Veröffentlichung des Bestehens und der Höhe dieser Tranchen bleibt es jedoch dem Markt überlassen, entsprechend auf diese Tranchen zu reagieren. Bleibt der Umfang dieser Tranchen im Rahmen der zur Vermarktung üblichen 10% des Emissions999 NASD, Notice to Members 03-79, p. 776.
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5. Teil: Fazit und Ausblick
volumens, ist damit kein rechtspolitischer Handlungsbedarf ersichtlich, auch diese Tranchen der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu unterwerfen. Etwas anderes könnte jedoch für fragwürdige Praktiken gelten, die nicht bereits dem strafrechtlichen Bereich unterfallen. Selbst bei Aufnahme eines Vorbehalts darf der Anleger darauf vertrauen, dass Emittent und Emissionsbanken sich rechtmäßig verhalten. So wäre beispielsweise die Praxis des Spinning im Rahmen der Free Retention dann zulässig, wenn kein strafrechtlicher Tatbestand, wie ggf. Betrug oder Untreue, erfüllt ist. Damit wäre denkbar, solche Praktiken im Einzelnen zu verbieten und zu sanktionieren. Andererseits können sich diese Praktiken nur auf den Anteil der explizit mit einem Vorbehalt versehenen Tranchen erstrecken, die auch bereits offen gelegt wurden. Ein Verbot solcher einzelner Praktiken wäre folglich zwar wünschenswert, ein Bedarf zur Statuierung solcher einzelnen Verbotstatbestände kann jedoch unter diesen Umständen nicht festgestellt werden. Eine besondere Rolle bei der Interessenabwägung spielen das hier maßgebliche Kaufobjekt, die börsenzugelassene Aktie. Abweichend und wohl negativ zu beantworten wäre die Frage, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz ζ. B. auch bei Aktienemissionen mit Einbeziehung zum Handel in den Freiverkehr oder bei reinen Privatplatzierungen anwendbar wäre. Sollte also eine Ausdehnung der Anwendbarkeit des Gebots der Gleichbehandlung auf diese Märkte oder Platzierungsarten wünschenswert erscheinen - was auf Grund des vorwiegend privatrechtlichen Charakters in den beiden genannten Fällen wohl eher zu verneinen ist - so wird eine ausdrückliche Normierung für erforderlich gehalten. Im Ergebnis besteht bereits nach geltendem Recht mit der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine verbindliche und angemessene Lösung des Zuteilungsproblems bei Aktienemissionen mit gleichzeitiger Zulassung zu einem „geregelten" Markt i. S. d. Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (EU-Richtlinie 93/22/EWG) zur Verfügung. Mögen sich die an einer Aktienemission Beteilig-ten an die bestehenden Vorschriften, Vereinbarungen und rechtsgeschäftlichen Bindungen halten. Mit entsprechendem Petitum wandte sich bereits Michael G. Oxley, Chairman des U.S. House Committee on Financial Services, im Oktober 2002 nach bekannt werden zahlreicher fragwürdiger Zuteilungspraktiken an die amerikanischen Investment-Banken: „Our goals are to correct abuses in the markets and to make the system fair for the average investor. People are willing to take a risk with their money, but they're not willing to gamble when the system seems rigged against them. There is no equity in the equities markets. I call on every Wall Street firm to show respect for America's individual investors by reforming these corrupt practices immediately."
Glossar Affinity Groups: Vom Emittenten festgelegte Investorengruppen, die bevorrechtigte Zuteilung genießen. Agreement among Managers: Konsortialvertrag. Beauty Contest: Aus Sicht des Unternehmens Auswahlverfahren zur Ermittlung der Emissionsbanken oder bestimmter Berater und aus Sicht der Banken Verfahren zur Auswahl börsenreifer Unternehmen, in dem sich die interessierten Banken dem Unternehmen präsentieren und umgekehrt. Best Efforts
Underwriting:
Platzierung nach besten Kräften.
Bookrunner: Emissionsbank, die das Orderbuch führt. Bought Deal: Festübernahme zu einem frühen Zeitpunkt, d. h. nicht erst wenige Tage vor Handelsaufnahme. Clawback: Klausel im Übernahmevertrag, welche es dem Konsortium ermöglicht, die Allokation der Aktien nach regionalen Tranchen zu ändern und der tatsächlichen Marktnachfrage anzupassen. CEO (Chief Executive Officer):
Vorstandsvorsitzender.
Co-Manager oder Underwriter: Konsortialmitglied (einfacher Konsorte): Bank oder Finanzdienstleister, die vom Emissionskonsortium im Rahmen eines Übernahmevertrags Aktien übernehmen. Direct Public Offering (DPO): Selbstemission - Öffentliches Angebot zum Erwerb von Aktien ohne Einschaltung einer Emissionsbank und ohne Börsengang. Wird häufig von Unternehmen genutzt, die (noch) nicht die Börsenreife besitzen und so Eigenkapital einzuwerben versuchen. Directed Allocation: Zuteilung nach Vorgaben des Emittenten. Due Diligence: Umfassende Analyse einer Gesellschaft vor dem Börsengang häufig durch externe Berater im Auftrag der Emissionsbanken, insbesondere zur Ermittlung rechtlicher, steuerlicher und wirtschaftlicher Risiken. Engagement Letter: Einladungsschreiben. Equity Story: Konzeptionelle Darstellung der Produkte/Dienstleistungen sowie der historischen und erwarteten Entwicklung der an die Börse strebenden Gesellschaft unter Berücksichtigung der Verwendung des Emissionserlöses, um potentielle Anleger zum Kauf der Aktien zu bewegen. Firm ( Commitment) Underwriting:
Festübernahme, auch Hard Underwriting.
Flow back: Rückfluss international emittierter Aktien an den Heimatmarkt des Emittenten im Anschluss an die Aktienemission.
Glossar
252 Free Float: Aktienstreuung.
Friends ά Famliy-Programm: Programm, durch welches der Emittent bei einem Börsengang ein bestimmtes Kontingent der zu platzierenden Aktien vorrangig für Mitarbeiter, Geschäftsfreunde und sonstige dem Unternehmen verbundene Personen reserviert. Global Coordinator:
Konsortialführer bei internationalen Emissionen.
Global Equity Offering:
Internationales Angebot zum Kauf von Aktien.
Global Syndicate : Internationales Konsortium. Greenshoe: Mehrzuteilungsoption beim Börsengang. Hot IPO oder Hot Issue: stark überzeichnete Emission. Lead Manager: Konsortialführer. Platzierungskraft: oder Ausland.
Zugang zu privaten und /oder institutionellen Investoren im In- und/
Marketing-Phase: Im Anschluss an die Pre-Marketing-Phase durchgeführte direkte Kommunikation der Equity-Story durch das Top-Managements der Gesellschaft regelmäßig im Rahmen einer mehrtätigen Roadshow und One-on-Ones. One-on-Ones oder One-on-One Meetings: Einzelgesprächen mit institutionellen Investoren in der Marketing-Phase, um das Unternehmen gezielt zu präsentieren. Order-Taking-Phase:
Zeitspanne, in der alle Anleger Kaufangebote abgeben können.
Pre-Marketing-Phase: Vorstellung des Unternehmens im Vorfeld des Bookbuildings gegenüber institutionellen Investoren, die Einschätzungen bezüglich Preis und Zeichnungswahrscheinlichkeit abgeben. Pricing: Festlegung des Emissionspreises. Private Placement: Privatplatzierung. Roadshow: Vorstellung des Unternehmenskonzepts und der Equity Story vor ausgewählten Investoren durch den Vorstand des Unternehmens während des Marketing, mit dem Ziel, die Investoren zum Erwerb der angebotenen Aktien zu veranlassen. Securities Fraud: Wertpapieranlagebetrug. Step-up-Option: Vorbehalt der nachträglichen Anhebung des Preisniveaus im Rahmen des Bookbuildingverfahrens. Underpricing:
Festsetzung des Emissionspreises unterhalb des Verkehrswertes.
Underwriter: Emissionsbanken, die sich vorbehaltlich bestimmter aufschiebender Bedingungen und des Eintritts höherer Gewalt zur Übernahme der im Rahmen einer Emission angebotenen Aktien zu dem im Bookbuilding- oder Festpreisverfahren ermittelten Emissionspreis verpflichten. Underwriting
Agreement: Übernahmevertrag.
Term Sheet: Wird dem Einladungsschreiben beigefügt und enthält eine Darstellung der Struktur der Emission mit den Ausgabebedingungen, die Zusammensetzung des Konsortiums, die Provisionen, Verkaufsbeschränkungen und die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Stabilisierungsmaßnahmen.
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Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
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1 BvR 400/51
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 7, 198 (Lüth)
12. 11. 1958
2 BvL 2 BvL 2 BvL 2 BvL
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 8, 274
16. 05. 1961
2 BvF 1/60
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 12, 341
26. 02. 1969
1 BvR 619/63
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 25, 256 (Blinkfüer)
14. 02. 1973
1 BvR 112/65
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 34,269 (Soraya)
01.03. 1979
1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 50,290 (Mitbestimmung)
07. 10. 1980
1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 55, 72
04. 05. 1982
1 BvL 26/77, 1 BvL 66/78
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 60, 329
04. 06. 1985
1 BvL 12/84
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 70,115
4/56, 26/56, 1/57 und 7/57
13. 05. 1986
1 BvR 1542/84
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 72,155
13. 03. 1986
1 BvR 1542/84
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 72,155
07. 02. 1990
1 BvR 26/84
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 81,242
29. 05. 1990
1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86
Beschluss
Karlsruhe
BVerfGE 82,60
28. Ol. 1992
1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 1 BvL 10/91
Urteil
Karlsruhe
BVerfGE 85, 191
19. 10. 1993
1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89
Beschluss
Karlsruhe
NJW 1994, 36 = ZIP 1993,1775
271
Entscheidungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) Form
Instanzort
Fundstelle
V Z R 32/53
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 14,313
I Z R 176/53
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 19, 72
Datum
Aktenzeichen
17. 09. 1954 18. 11. 1955 25. 05. 1956
VI ZR 66/55
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 21, 1
15. 05. 1959
VI ZR 109/58
Urteil
Karlsruhe
NJW 1959, 1676
06. 10. 1960
Π ZR 150/58
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 33, 175
19. 12. 1960
GSZ1/60
Beschluss (GrZS)
Karlsruhe
BGHZ 34, 99
26. 10. 1961
KZR1/61
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 36, 91
24. 06. 1965
KZR7/64
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 44, 279
22. 12. 1967
V Z R 11/67
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 49, 148 BGHZ 49, 350
22. 01. 1968
V m Z R 195/65
Urteil
Karlsruhe
26. 11. 1968
VI ZR 212/66
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 51, 91
10. 02. 1971
VmZR 182/69
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 55, 307
05. 04. 1971
V n Z R 163/69
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 56, 81
22. 02. 1973
VII ZR 119/71
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 60, 221 = W M 1973, 518
19. 09. 1973
V n i Z R 175/72
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 61, 227
04. 04. 1975
KZR6/74
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 64, 232
12. 06. 1975
X Z R 25/73
Urteil
Karlsruhe
W M 1975, 923
28. 01. 1976
Vin ZR 246 / 74
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 66,51
11.01. 1977
VI ZR 261/75
Urteil
Karlsruhe
NJW 1977, 2073
28. 02. 1977
Π ZR 52/75
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 69, 82 (Lastschrifturteil)
15. 02. 1978
V m Z R 47/77
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 70, 327
13. 03. 1978
I I Z R 142/76
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 71,40 (Kali und Salz)
08. 06. 1978
ΠΙ ZR 48/76
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 71, 386 = W M 1978, 1082
16. 11.1978
Π ZR 94/77
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 72, 382
12. 11. 1979
Π ZR 174/77
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 75, 321
07. 02. 1980
ΙΠ ZR 23/78
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 76, 343
26. 06. 1979
KZR25/78
Urteil
Karlsruhe
NJW 1980, 186
15. 04. 1981
II ZR 105/80
Urteil
Karlsruhe
W M 1981,787
25. 02. 1982
Π ZR 174/80
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 83, 122 (Holzmüller)
19. 04. 1982
II ZR 55/81
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 83, 319 (Holzmann)
272
Entscheidungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
29. 11. 1982
n Z R 80/82
Urteil
Karlsruhe
NJW 1983, 758
04. 07. 1983
II ZR 220/82
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 88, 67
02. 11. 1983
IVaZR20/82
Urteil
Karlsruhe
NJW 1984, 355
Karlsruhe
BGHZ 92,164 NJW 1985,489
20. 09. 1984
ΙΠ ZR 47/83
Urteil
07. 11. 1984
VIII ZR 182/83
Urteil
Karlsruhe
08. 11. 1984
VII ZR 51/84
Urteil
Karlsruhe
NJW 1985,1466
18. 09. 1985
VIII ZR 244/84
Urteil
Karlsruhe
NJW 1986,659
23. 10. 1985
VIII ZR 210/84
Urteil
Karlsruhe
NJW 1986, 586
15. 01. 1986
IVaZR46/84
Urteil
Karlsruhe
W M 1986, 528 = NJW 1986,1165
07. 02. 1986
V Z R 176/84
Urteil
Karlsruhe
NJW 1986,1983
28. 04. 1986
II ZR 254/85
Urteil
Karlsruhe
NJW 1986, 2944
25. 02. 1988
VII ZR 310/86
Urteil
Karlsruhe
NJW-RR 1988, 785 (Enttäuschtes Vertrauen)
03. 04. 1990
XI ZR 206/88
Urteil
Karlsruhe
NJW 1990,1907
16. 10. 1990
X I ZR 330/89
Urteil
Karlsruhe
NJW 1991,2209
22. 04. 1991
II ZR 231/90
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 114, 203
17. 06. 1991
Π ZR 171/90
Urteil
Karlsruhe
NJW-RR 1991,1241
01. 07. 1991
II ZR 180/90
Urteil
Karlsruhe
NJW-RR 1991,1312
29. 01. 1992
VUIZR 80/91
Urteil
Karlsruhe
NJW-RR 1992, 605
13. 03.1992
II ZR 277/90
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 118, 83; W M 1992, 1225
13. 04. 1992
II ZR 277/90
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 118, 83 = W M 1992,1225
28. 04. 1992
KVR9/91
Beschluss
Karlsruhe
WuW/E BGH 2771 (Kaufhof/Saturn)
25. 11. 1992
VIII ZR 170/91
Urteil
Karlsruhe
NJW 1993, 520
06. 07. 1993
X I ZR 12/93
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 123, 126 = W M 1993,1455
07. 03. 1994
II ZR 52/93
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 125, 239 (Deutsche Bank)
07. 07. 1994
I I I Z R 137/93
Urteil
Karlsruhe
W M 1994, 1670
10. 11. 1994
ΙΠ ZR 50/94
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 127, 378
19. 06. 1995
II ZR 29/94
Urteil
Karlsruhe
NJW 1995,2486
24. 10. 1995
KVR 17/94
Beschluss
Karlsruhe
BGHZ 131,107 (Krupp / Daub - Backofenmarkt)
19. 12. 1995
KVR6/95
Beschluss
Karlsruhe
AG 1996, 266 = NJW 1996,1820
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
02. 07. 1996
X Z R 104/94
Urteil
Karlsruhe
NJW 1996, 2927
21.04. 1997
Π ZR 175/95
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 135, 244, 253 (ARAG)
23. 06. 1997
Π ZR 132/93
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 136,133 (Siemens/Nold)
11. 12. 1997
KVR7/96
Beschluss
Karlsruhe
BGHZ 137, 297
13.01. 1998
KVR 40/96
Beschluss
Karlsruhe
NJW 1998, 2825 (Carpartner)
08. 09. 1998
X Z R 48/97
Urteil
Karlsruhe
BGHZ 139, 259
23. 11. 1998
Π ZR 54/98
Urteil
Karlsruhe
NJW 1999, 1326
08. 07. 1999
m ZR 159/97
Urteil
Karlsruhe
NJW 1999, 3332
08. 05. 2001
X I ZR 192/00
Urteil
Karlsruhe
ZIP 2001,1580
26. 04. 2004
Π ZR 155/02
Urteil
Karlsruhe
NZG 2004, 571 (Gelatine)
26. 04. 2004
Π ZR 154/02
Urteil
Karlsruhe
NZG 2004, 575 (Gelatine)
noch anhängig Π ZR 322/01
Urteil
Karlsruhe
Entscheidungen des Reichsgerichts (RG) Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
03. 02. 1914
Rep. II. 625/13
Urteil
Leipzig
RGZ 84, 125
12. 07. 1923
VI 5/23
Urteil
Leipzig
RGZ 107, 240
07. 11. 1931
V106/31
Urteil
Leipzig
RGZ 133, 388
Entscheidungen des Kammergerichts (KG) Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
18. 02. 1969
Kart V 34/67
Beschluss
Berlin
WuW/E OLG 995, 996 (Handpreisauszeichner)
28. 08. 1979
Kart 4/79
Urteil
Berlin
AG 1980,223 (Hydraulischer Schreitausbau)
23. 05. 1991
Kart 13/89
Beschluss
Berlin
WuW/E OLG 4771 (Folien und Beutel)
22. 08. 2001
23 U 6712/99
Urteil, nicht Berlin rechtskräftig. Die Revision ist beim BGH unter dem Az. Π ZR 322/01 anhängig.
18 Koehler
AG 2002, 243 = ZIP 2001,2178
274
Entscheidungsverzeichnis Entscheidungen der Oberlandesgerichte (OLG)
Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
05. 09. 1980
11U1/80
Urteil
Hamburg
ZIP 1980, 1000
19.01. 1981
Allg Reg 103/80
Rechtsentscheid in Mietsachen
München (BayObLG)
NJW 1981,1275
05. 04. 1984
6U239/82
Urteil
Düsseldorf
W M 1984, 586
07. 07. 1989
9 U 13/89
Urteil
Stuttgart
BB 1989, 1932
13. 03. 1990
23 U 127/89
Urteil
Düsseldorf
NJW-RR 1990,1046
06. 11. 1990
26 U 28/90
Urteil
Hamm
NJW-RR 1991,747
01. 02. 1994
5 U213/92
Urteil
Frankfurt am Main
W M 1994, 291
15. 07. 1983
2 Kart 3/83
Urteil
Stuttgart
WuW/E OLG 3108
20. 02. 1997
1 U 135/95
Urteil
Frankfurt am Main
NVwZ 1998,437
Entscheidungen der Landesgerichte (LG) Datum
Aktenzeichen
Form
03.09.1996
1 0 2098/95a, 1 0 2098/95
Urteil
Instanzort Bremen
Fundstelle ZIP 1996, 1866
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
03. 12. 1954
1 AZR 150/54
Urteil
Kassel
BAGE 1, 185
28. 09. 1972
2 AZR 469/71
Urteil
Kassel
NJW 1973, 77
20. 12. 1984
2 AZR 436/83
Urteil
Kassel
BAGE 47, 363
27. 02. 1985
GS 1/84
Urteil
Kassel
BAGE 48,122
12. 06. 1992
GS 1/89
Vorlagebeschluss
Kassel
JZ 1993, 908
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
Fundstelle
15. 10. 1971
VII C 17.70
Urteil
Leipzig
BVerwGE 39, 1
10. 12. 1981
3 C 1 / 81
Urteil
Leipzig
BVerwGE 64, 248
Entscheidungsverzeichnis
275
Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) Datum
Aktenzeichen
Form
Instanzort
16.10.1990
11 RAr 103/89
Urteil
Kassel
Fundstelle NJW 1991, 1130
Entscheidungen amerikanischer Gerichte Myers ν. Merrill Lynch & Co., 249 F.3d 1087 (9 t h Cir.2001) Friedman v. Salomon/ Smith Barney, Inc., 2000 WL 1804719 (S.D.N.Y.2000) In re Initial Public Offering
Antitrust TL-Entigation,
In re Initial Public Offering
Securities TL-Entigation,
18*
287 F. Supp. 2d 497 (S.D.N.Y. 2003) 241 F. Supp. 2d 281 (S.D.N.Y. 2003)
Sachwortverzeichnis Accelerated Bookbuilding 55 Affinity Groups 79,102, 207 Agreement among Managers siehe Konsortialvertrag Aktienemission - Ablaufphasen 44 - Bedeutung 30 - Direktplatzierung siehe Eigenemission - Eigenemission 38 - Emissionskonzept 36 - Entscheidungskompetenz 43 - Entwicklung 32 - Fremdemission 38 - Platzierungsverfahren 37 - Vorbereitung 43 Altaktionäre 111,115,120 - Vertrag zugunsten Dritter 120 Altersvorsorge 21, 31, 188,193 Amerikanische Auktion 51 Amtlicher Markt 41,194, 195 Anlegerschutz 195 Anspruch auf Zuteilung 213, 222 Auktionsverfahren 50, 82, 206 - Bedeutung 52 BaFin 27, 98, 138, 159, 227, 240 BAWe siehe BaFin Beauty Contest 123 Best Efforts Underwriting 47, 92 Beteiligungsprogramme für Neuemissionen 81,207 Bezugsrecht 50,120 - (verlängertes) Bezugsrecht 116 - Bezugsrechtsausschluss 114 - Bezugsrechtsverzicht 114 - gesetzliches Bezugsrecht 111 - Vorerwerbsrechte 117 Bookbuilding 53,54, 69, 70,75,131, 178 Bookrunner 52,55,56, 109, 238
Börse 34,40,197, 244 - Amtshaftung 152,229 - Prospektprüfung 152 Börseneinführung 36, 41,91 Börsenordnung 41,42, 244 Bought Deal 47, 92 BSK, Börsensachverständigenkommission 152,154,159 CESR-Standards 158,248 Clawback 75,160 culpa in contrahendo 136,144,219, 227 deliktischer Anspruch 226 Deutsche Telekom AG 21,78,79 Directed Allocation 73, 208 Emissionskonsortium siehe Konsortium entgangener Gewinn 106,215,220, 224 FESCO-Standards siehe CESR-Standards Festpreisverfahren 49,50, 82,130 Festübernahme siehe Firm (Commitment) Underwriting Finanzmarktförderungsgesetz 34,153, 244 Firm (Commitment) Underwriting 47,94 First Come First Serve-Verfahren 77,207 Flipping 84,231,237 Flow back 61 Force-Majeure-Klausel 98 Free Retention 74,133, 209 Free-Riding and Withholding Interpretation 232 Freiverkehr 30,41, 48, 194 Friends & Family-Programm 71, 83, 101, 208 Gerechtigkeitsprinzip 167 Geregelte Märkte 30, 40, 193, 212, 247 Geregelter Markt 194, 195
Sachwortverzeichnis Gläserne Emission 77,241 Gleichbehandlung - aktienrechtliche 120,150 - börsenrechtliche 151 - formale 168,189 - informationelle 157 Gleichbehandlungsgrundsatz 167 - Anwendbarkeit und Reichweite 174, 180 - Anwendungsbereich 171 - Besonderes Rechtsverhältnis 168 - gleichmäßige Behandlung 142,201 - im Kaufrecht 191 - Kontrahierungszwang siehe Kontrahierungszwang - Sachliche Differenzierungsgründe 202 - zu verteilendes Wirtschaftsgut 170,192 Going Public-Grundsätze 33,156 Greenshoe 63 - Deferred Settlement 65 - Naked Short 66 - Rechtliche Ausgestaltung 65 - Wertpapierleihe 65 - Ziele und Funktionsweise 63 Grundrechte - als Abwehrrechte 164,165 - als Schutzgebote 165, 166 - im Privatrecht 162 - mittelbaren Drittwirkung 163 - unmittelbare Drittwirkung 164 Gun-Jumping 102 Handel per Erscheinen 24 Hard Underwriting siehe Firm (Commitment) Underwriting Hauptversammlung 45, 67,71 Holländische Auktion 51 Holzmüller-Entscheidung 45, 71 Infineon AG 23,78 Interessensgegensätze 59 - Interesse der Altaktionäre 61 - Interesse der Emissionsbanken 62 - Interesse der Investoren 62 - Interesse des Emittenten 60 invitatio ad offerendum 130 IPO-Norm 157,243
277
Kapitalerhöhung 95,112 - Zeichnung siehe Zeichnung Kapitalmarkt - allokative Effizienz 194 - institutionelle Effizienz 194 - operational Effizienz 194 Kartell verbot 122 Kick-backs 87,143 Konsortialvertrag 38,110 Konsortium 90, 109, 121 Kontrahierungszwang 172, 182, 188 Laddering 86,204 Lamfalussy-Verfahren 158 Losverfahren 76,140, 207 Marktbeherrschende Stellung 123, 150 Markteinführungspublizität siehe Prospekt Mehrzuteilung 63 Mehrzuteilungsoption 64 Modifiziertes Auktionsverfahren 51 NASD, National Association of Securities Dealers 84, 232 Neuer Markt 22, 32, 34,41,153 NYSE 84, 234 Offenlegungspflichten 239, 242 Öffentliches Angebot 39,130 - Änderung des Verkaufsangebots 70 One-on-One Meeting siehe One-on-Ones One-on-Ones 55,101 Platzierungskraft 38,109,123 Platzierungsrisiko 90, 97 Platzierungsverfahren 48 Preisfestsetzung 49,56,69 Privatautonomie 184 - Einschränkung 186 - Grundsatz 184 Privatplatzierung 30, 39 Prospekt 48,99, 136,160 Prospekthaftung 48, 70, 147,225 Qualität der Investoren 56,178 Quid Pro Quo 236
278
arverzeichnis
Repartierung 130, 192 Ring-Fencing 75 Roadshow 55, 97, 246 Safe Harbour-Regelung 66 Schadensersatz - entgangener Gewinn siehe entgangener Gewinn - Gewinnchance 106,125,220 - Naturalrestitution 217, 222, 224 Schuldverschreibung 30 SdK, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger 157,249 SEC 85,231 Sekundärmarkt 24,29, 111,125, 225 SMAX 34,41,153 Solicitation 86,204 Spinning 85,204,235, 237 Stabilisierung 55,64,90 Stagging 85 Step-up-Option 54,118 Tenderverfahren siehe Auktionsverfahren Tie-in Agreement 86,143, 204 typisiertes Vertrauen 147 Übernahmevertrag 46, 90 - Rücktrittsklauseln 97 - Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 104 - Vertrag zugunsten Dritter 100 Überzeichnung 62, 130 - Abhilfe 63 Veröffentlichungspflichten 159 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 104
Vertrag zugunsten Dritter 104,120 Vorvertragliches Schuldverhältnis 135, 144 - Inhalt 180 - Selbstbindung 182 Willkürverbot 172, 201 Windhundverfahren siehe First Come First Serve-Verfahren Wohlverhaltenspflichten 138,226 - Gleichbehandlung 140 - Informationspflichten 138 - Vermeidung von Interessenskonflikten 139 Zeichnung 25, 95, 129, 145 - Konzertzeichnung 63 - Vertragstypus 131 - Zeichnungsvertrag 175 Zeichnungsgewinn 22,52, 62, 125, 215 Zuteilung 58 - Bedeutung 58 - Einheitszuteilung 79 - Fragwürdige Praktiken 24, 83 - in den USA 231 - innerhalb des Konsortiums 74 - Mindestzuteilung 78 - nach Ordergröße 78,207 - nach Qualität der Investoren siehe Qualität der Investoren - nach sachgerechten Kriterien 80,183 - Prozentuale Zuteilung 78,207 Zuteilungsbefugnis 70 Zuteilungsgrundsätze 33, 41, 42, 152, 183, 205, 211, 212, 220, 240, 241,244,248 Zuteilungsrichtlinien 102, 133 Zuteilungszusage 101,133, 149,183