Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr: Zur prozessualen Bindung an in- und ausländische privatrechtsgestaltende Urteile und andere privatrechtsgestaltende Hoheitsakte 9783161512056, 9783161490774

Panajotta Lakkis widerlegt die seit jeher bestehende Annahme, es bestünde eine prozessuale Gestaltungswirkung, die inter

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German Pages 519 [520] Year 2007

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Widmung
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Gang der Untersuchung und These
Erster Teil Die Problematik im innerstaatlichen Rechtsbereich
Kapitel A. Die dogmatischen Unzulänglichkeiten der herkömmlichenBehandlung der Gestaltungsklagen und -urteile
I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung
1. Die Diskrepanz der Betrachtungsweise zwischen materiellrechtlicherund prozessualer Literatur
2. Die dogmatischen Probleme, die aus der Verneinung eines privatenGestaltungsrechts resultieren
a. Publizistisches Recht auf Gestaltung: isolierteProzessführungsbefugnis
b. Mitwirkungsansprüche, die (nur) Schadensersatzansprücheerzeugen
c. Kein System in der Wahl des rechtstechnischen Mittels(Gestaltungsrecht, Gestaltungsklage, Anspruch auf Abgabeeiner Willenserklärung)
d. Ähnliches Problem: Abgrenzung Anfechtungs- undVerpflichtungsklage im Verwaltungsrecht
3. Eigene Ansicht: materielles Gestaltungsklagerecht
a. Zur Unterstützung: Vergleich rechtsgeschäftlich durchgeführterund urteilsmäßiger Gestaltung
i. Gemeinsamkeiten
ii. Unterschiede
b. Die Lehre vom Doppeltatbestand
4. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile
a. Eigentlich Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit?
b. Sachnähe zur Verwaltungstätigkeit
II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils: Die Unhaltbarkeit der Annahme einer prozessualen Gestaltungswirkung
1. Die klassischen Begründungen für die universelle Bindungan das Gestaltungsurteil
a. Argumentation aus der Rechtsnatur der Gestaltung
b. Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 III, 97 I GG, § 1 GVG
c. Anerkennenmüssen der Gestaltung
d. Parallele zur Theorie von der Drittwirkung der Rechtskraft
e. Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung
i. Gleichstellung mit Tatbestandswirkung
ii. Unterschiede zwischen Gestaltungs- und Tatbestandswirkung
iii. Gleichbehandlung (trotz Unterschieden) von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung?
f. Bindung wegen materieller Änderung
i. Materielle Rechtskrafttheorie in anderem Gewand?
ii. Die prozessuale »Bindung« an die rechtsgeschäftliche Gestaltung: Rechtsgeschäftliche Gestaltung und ihrerechtskräftige Feststellung
g. Zusammenfassung
2. Die Mitwirkungsproblematik
a. Freiwillige außerprozessuale Mitwirkung an der Herbeiführungdes Gestaltungserfolgs: Bestandsaufnahme
i. Außerhalb des Gesellschaftsrechts
(1) Ersetzung der Teilnahme bei Leistungsklagen
(2) Ersetzung der Teilnahme auch bei Gestaltungsklagen?
ii. Im Gesellschaftsrecht
(1) Ersetzung auf der Beklagtenseite
(2) Ersetzung auf der Klägerseite
b. Dogmatische Herleitung
i. Einverständniserklärung mit dem materiellen Ziel
(1) Realitätsnahe Auslegung der Zustimmung
(2) Erfüllung der Vorgaben der §§ 133, 140 HGB?
(a) Grundsätzliche Bedenken
(b) Differenzierung je nach Parteirolle
(3) Ergebnis
ii. »Zustimmung« bzgl. des prozessualen Erfolges
(1) Gewillkürte Prozessstandschaft
(a) Auf der Klägerseite
(b) Auf der Beklagtenseite
(2) Unterwerfung unter die Urteilswirkungen
iii. Folgerungen
c. Erzwungene Mitwirkung auf der Klägerseite,Mitwirkungspflicht
i. Die dogmatische Unhaltbarkeit der heutigen Verbindungvon Ausschließungs- und Zustimmungsklage
ii. Dogmatische Herleitung einer erzwungenen Mitwirkung
(1) Mitwirkungspflicht bzgl. des materiellrechtlichen Ziels
(2) Pflicht zur prozessualen Mitwirkung
(a) Zwang zur Prozessführungsermächtigung
(b) Zwang zur Unterwerfung
(3) Gesetzliche Prozessstandschaft, insbesondere actio pro socio
(a) actio pro socio in der Personengesellschaft des Handelsrechts
(b) Absicherung: actio pro socio bei der nicht organisierten Gesamthand
(c) Actio pro socio und Ausschließungsklage
(4) Kein Schadensersatz bei Weigerung zur Mitwirkung
iii. Ergebnis
iv. Weitere Erklärungsmodelle für die Gestaltungsklagendes Gesellschaftsrechts
(1) Der Mehrparteienprozess mit einheitlichem Streitgegenstandnach Karsten Schmidt
(2) Das Modell von Herbert Roth
(3) Übernahme der notwendigen Beiladung des Verwaltungsrechts?
d. Zusammenfassung
Kapitel B. Entwicklung des eigenen Ansatzes
I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils
1. Die prozessuale Bindung des Richters an das Gestaltungsurteil
a. Wird die Gestaltung von einer Vollstreckungswirkungher beigeführt?
b. Die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils
i. Heutiger Stand
ii. Neue Ermittlung der Rechtskraftgrenzen
(1) Die positive Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils
(a) Der Streitgegenstand der Gestaltungsklage
(b) Die Reichweite der positiven Rechtskraftbindung
(2) Ergebnis zur positiven Rechtskraftwirkung
(3) Einfluss auf die Dreiteilung der Klage- und Urteilstypen?
(4) Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Gestaltungsurteils
(a) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach heutiger Auffassung
(b) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach hier vertretener Ansicht – Parallele zur so genannten Feststellung von Drittrechtsverhältnissen
(c) Die »ϱτιταναхοπή« und die »tierce opposition«
(5) Antwort auf Einwände
(6) Verbleibende Bindungsdefizite?
(7) Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit?
c. Durchbrechung der Rechtskraft des Gestaltungsurteils
i. Wiederaufnahmeklage
ii. Materiellrechtlicher Ausgleich nach § 826 BGB
2. Die Bindung der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten an das Gestaltungsurteil der streitigen ordentlichen Gerichtsbarkeit
3. Die Bindung der Verwaltung an das Gestaltungsurteil
II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte
1. Die Bindung an gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit
a. Bestandsaufnahme
b. Eigene Ansicht
2. Die Bindung an gestaltende Schiedssprüche
3. Die Bindung an Gestaltungsurteile der Verwaltungsgerichte
4. Die Bindung an privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte
a. Die Erklärungsmodelle in der Verwaltungsrechtslehre
i. Tatbestandswirkung
ii. Materielle Bestandskraft als Bindungswirkung
iii. Weitere Erklärungsmodelle
b. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts als Vorfrageim Zivilprozess
i. Sonderfall: Amtshaftungsansprüche
ii. Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter:zwei grundverschiedene Wege
(1) Eigene Anfechtungsbefugnis
(2) Vorfragenprüfung durch das Zivilgericht
c. Eigene Ansicht
5. Privatrechtsgestaltung durch Enteignung
6. Privatrechtsgestaltung in der Zwangsvollstreckung
III. Registerpublizität und Gestaltung
Zweiter Teil Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsakte Einleitungund Gang der Untersuchung
Kapitel A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile
I. Die heutige Handhabung
1. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile
2. Inkonsequenz zwischen den Ansichten im nationalen und im internationalen Bereich
a. Öffentliches Recht auf Gestaltung
b. Materiellrechtliche Begründung der Bindungswirkung und lexcausae-Theorien
i. Maßgeblichkeit der lex causae des ersten Prozesses
ii. Maßgeblichkeit der lex causae des zweiten Prozesses
c. Registereintragungspflicht nach der lex causae
II. Bekräftigung der hier entwickelten Betrachtungsweise
III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse
1. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile
a. Autonomes Recht
b. EuGV-VO
c. Spezialproblem: Die Bestimmung des Streitgegenstands und der objektiven Rechtskraftgrenzen
i. Streitgegenstandsbestimmung im autonomen Recht
ii. Streitgegenstandsbestimmung im Rahmen der EuGV-VO
d. Spezialproblem: Unterschiedliche Betrachtungsweisen im Hinblick auf die materielle Rechtskraft von Gestaltungsurteilen
e. Anerkennungszwang aus dem EGV?
2. Speziell Personenstandsurteile
a. Völkerrechtlicher bzw. verfassungsrechtlicher Anerkennungszwang?
b. Gemeinschaftsrecht
i. Die EG-Verordnung über die Zuständigkeit unddie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungenin Ehesachen (EheGV-VO)
ii. Anerkennungszwang aus dem EGV?
c. Art. 7 § 1 FamRÄndG
Kapitel B. Die Bindung der Verwaltung an ausländische Gestaltungsurteile
Kapitel C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbesonderedes Vollstreckungsrechts
I. Ausländische Vollstreckungsgegen- oder Widerspruchsklage, die zurrechtskräftigen Feststellung der materiellen Rechtslage führt
II. Erzeugen die Gestaltungsurteile des Vollstreckungsrechts nachdeutschem Vorbild anerkennungsfähige Wirkungen?
III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen
Kapitel D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akteder freiwilligen Gerichtsbarkeit
I. Gemeinschaftsrecht
II. Autonomes Recht: § 16a FGG
Kapitel E. Ausländische gestaltende Schiedssprüche
Kapitel F. Ausländische Entscheidungen der Verwaltungsgerichte
Kapitel G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte
I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein
1. Völkerrechtliche Anerkennungspflicht?
2. Autonomes Recht
3. Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung des EuGH
a. Die Einführung transnationaler Verwaltungsakte
b. Die Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigungausländischer Verwaltungsakte
4. Eigene Ansicht
II. Scheidungen durch Verwaltungsakt und sonstige Verwaltungsakte, die den Personenstand betreffen
Kapitel H. Berücksichtigung ausländischer Privatrechtsgestaltungim Zusammenhang mit einem Vollstreckungsakt
Kapitel I. Ausländische Enteignungen
Kapitel J. Ausblick
Zusammenfassung der gesamten Gedankenführung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr: Zur prozessualen Bindung an in- und ausländische privatrechtsgestaltende Urteile und andere privatrechtsgestaltende Hoheitsakte
 9783161512056, 9783161490774

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 128

Panajotta Lakkis

Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr Zur prozessualen Bindung an in- und ausländische privatrechtsgestaltende Urteile und andere privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

Mohr Siebeck

Panajotta Lakkis, geboren 1970; Studium der Rechtswissenschaften in Thessaloniki, Griechenland; 1996 Promotion; 2005 Habilitation; Lehrstuhlvertreterin in Erlangen.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151205-6 ISBN 978-3-16-149077-4 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Ilse & Konstantinos Lakkis und für Hans Friedhelm Gaul

Vorwort Am Anfang stand das diffuse Gefühl, dass bei der seit Jahrzehnten fast als Dogma angenommenen, vermeintlichen prozessualen Gestaltungswirkung »etwas nicht stimme«. Es folgten einige Jahre, gefüllt mit freudiger Erregung und verstärktem Arbeitsdrang, wenn ein Puzzlestück seinen richtigen Platz gefunden hatte, aber auch mit Verzweiflung und Frust, wenn entweder für ein anderes der zahlreichen Puzzlestücke nicht der richtige Platz gefunden werden konnte oder das vermeintlich fertige Puzzle kein stimmiges Bild darstellte. Am Ende stand diese Arbeit, die ein fertiges Bild ergab, das in den Augen der Verfasserin lückenfrei und stimmig war. Diese Ansicht teilte auch die Juristische Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn, als sie das mit Worten gezeichnete Bild der prozessualen Zusammenhänge am 22. 4. 2005 als Habilitationsschrift annahm. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Rechtsprechung und Literatur auch durchgängig berücksichtigt, darüber hinaus teilweise auch, jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Dass diese Schrift heute vorliegt, habe ich im wahrsten Sinne des Wortes mehreren Personen zu verdanken, die mich auf dem dornigen Weg begleitet, ermutigt und unterstützt haben. An gleicher, erster, Stelle gebührt dabei der Dank meinen Eltern, Ilse und Prof. Dr. Konstantinos Lakkis, sowie meinem akademischen Lehrer und wissenschaftlichem Vorbild Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Friedhelm Gaul. Erstere haben immer uneingeschränkt und bedingungslos hinter mir gestanden, wie nur Eltern dies können. Hans Friedhelm Gaul wiederum war mein schärfster Kritiker, aber darüber hinaus auch mein größter Förderer. Durch die teilweise hitzigen wissenschaftlichen Diskussionen hat sich erst mein heutiges wissenschaftliches Profil entwickelt. Dazu beigetragen hat auch Herr Prof. Dr. Eberhard Schilken mit den wertvollen Hinweisen in seinem Zweitgutachten und auch kürzlich durch eine mich ehrende Zusammenarbeit in der Lehre. Zuvor hatte Herr Prof. Dr. Walther Gerhardt mir nicht nur die Möglichkeit gegeben, mein Tätigkeitsfeld um das Insolvenzrecht zu erweitern, sondern mich auch in jeder Hinsicht fachlich und menschlich unterstützt. Die Basis wiederum hatten Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Pelayia Yessiou-Faltsi sowie Frau Prof. Dr. Charoula Apalagaki geformt. Nach all den Jahren denke ich nach wie vor gern an die Anfänge zurück und erkenne, wie wichtig die damals gesetzten Fundamente waren. Unterstützung kam mir aber noch von anderen Seiten zuteil: So habe ich über Jahre nicht nur die formelle Gastfreundschaft der Universität des Saarlandes und

VIII

Vorwort

insbesondere von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann erfahren, sondern ich durfte mich an seinem Lehrstuhl auch wirklich »zu Hause« fühlen. Die nicht zu verachtenden Geldsorgen wurden mir drei Jahre lang durch ein Habilitationsstipendium der DFG abgenommen. Die Publikationskosten wiederum wurden von der VG Wort übernommen. Damit ist längst nicht die Zahl derer, denen mein Dank gilt, erschöpft. Der Münchener Juristischen Fakultät, in der ich mich ein Jahr lang so wohl gefühlt habe, gebührt mein Dank genauso wie der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen, auf die ich mich zurzeit mit großer Freude vorbereite. Die Dankesliste ist vielleicht ungewöhnlich lang, ich könnte sie für den eiligen Leser auch folgendermaßen abkürzen: Glücklich kann sich schätzen, wer erfahren durfte, was wahre Unterstützung bedeutet. Mittlerweile weiß ich, dass ich glücklich bin! St. Wendel, im August 2007

Panajotta Lakkis

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gang der Untersuchung und These

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Erster Teil

Die Problematik im innerstaatlichen Rechtsbereich A. Die dogmatischen Unzulänglichkeiten der herkömmlichen Behandlung der Gestaltungsklagen und -urteile . . . . . . . .

. .

10

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

1. Die Diskrepanz der Betrachtungsweise zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

2. Die dogmatischen Probleme, die aus der Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts resultieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Publizistisches Recht auf Gestaltung: isolierte Prozessführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Mitwirkungsansprüche, die (nur) Schadensersatzansprüche erzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kein System in der Wahl des rechtstechnischen Mittels (Gestaltungsrecht, Gestaltungsklage, Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ähnliches Problem: Abgrenzung Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . .

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4. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eigentlich Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit? . . . . . . . . . b. Sachnähe zur Verwaltungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Eigene Ansicht: materielles Gestaltungsklagerecht . . . . . . . . . . . a. Zur Unterstützung: Vergleich rechtsgeschäftlich durchgeführter und urteilsmäßiger Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Lehre vom Doppeltatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

Inhaltsverzeichnis

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils: Die Unhaltbarkeit der Annahme einer prozessualen Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die klassischen Begründungen für die universelle Bindung an das Gestaltungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Argumentation aus der Rechtsnatur der Gestaltung . . . . . . . b. Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 III, 97 I GG, § 1 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Anerkennenmüssen der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Parallele zur Theorie von der Drittwirkung der Rechtskraft . . e. Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . i. Gleichstellung mit Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . ii. Unterschiede zwischen Gestaltungs- und Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii. Gleichbehandlung (trotz Unterschieden) von Gestaltungsund Tatbestandswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Bindung wegen materieller Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . i. Materielle Rechtskrafttheorie in anderem Gewand? . . . . . ii. Die prozessuale »Bindung« an die rechtsgeschäftliche Gestaltung: Rechtsgeschäftliche Gestaltung und ihre rechtskräftige Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Mitwirkungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Freiwillige außerprozessuale Mitwirkung an der Herbeiführung des Gestaltungserfolgs: Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . i. Außerhalb des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Ersetzung der Teilnahme bei Leistungsklagen . . . . (2) Ersetzung der Teilnahme auch bei Gestaltungsklagen? ii. Im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ersetzung auf der Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . (2) Ersetzung auf der Klägerseite . . . . . . . . . . . . . b. Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Einverständniserklärung mit dem materiellen Ziel . (1) Realitätsnahe Auslegung der Zustimmung . . . . . . (2) Erfüllung der Vorgaben der §§ 133, 140 HGB? . . . . (a) Grundsätzliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . (b) Differenzierung je nach Parteirolle . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. »Zustimmung« bzgl. des prozessualen Erfolges . . (1) Gewillkürte Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . (a) Auf der Klägerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Auf der Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterwerfung unter die Urteilswirkungen . . . . . . iii. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XI

Inhaltsverzeichnis

c. Erzwungene Mitwirkung auf der Klägerseite, Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Die dogmatische Unhaltbarkeit der heutigen Verbindung von Ausschließungs- und Zustimmungsklage . . . . . . . . . . . ii. Dogmatische Herleitung einer erzwungenen Mitwirkung . . .

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iv. Weitere Erklärungsmodelle für die Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Mitwirkungspflicht bzgl. des materiellrechtlichen Ziels . . . (2) Pflicht zur prozessualen Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . (a) Zwang zur Prozessführungsermächtigung . . . . . . . . (b) Zwang zur Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesetzliche Prozessstandschaft, insbesondere actio pro socio (a) actio pro socio in der Personengesellschaft des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Absicherung: actio pro socio bei der nicht organisierten Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Actio pro socio und Ausschließungsklage . . . . . . . . (4) Kein Schadensersatz bei Weigerung zur Mitwirkung . . . . . iii. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Der Mehrparteienprozess mit einheitlichem Streitgegenstand nach Karsten Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Modell von Herbert Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übernahme der notwendigen Beiladung des Verwaltungsrechts? d. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils . . . . . . . . .

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

1. Die prozessuale Bindung des Richters an das Gestaltungsurteil a. Wird die Gestaltung von einer Vollstreckungswirkung herbeigeführt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils . . . . . . . i. Heutiger Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Neue Ermittlung der Rechtskraftgrenzen . . . . . . . . . (1)

(2) (3) (4)

(5) (6) (7)

. . . .

. . . . . . . . . . . . Die positive Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils . . . . . (a) Der Streitgegenstand der Gestaltungsklage . . . . . . . . . . (b) Die Reichweite der positiven Rechtskraftbindung . . . . . . Ergebnis zur positiven Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . Einfluss auf die Dreiteilung der Klage- und Urteilstypen? . . . . Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Gestaltungsurteils (a) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach heutiger Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach hier vertretener Ansicht – Parallele zur so genannten Feststellung von Drittrechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die »tritanakop3« und die »tierce opposition« . . . . . . . Antwort auf Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbleibende Bindungsdefizite? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit? . .

163

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165 169 172 175 178 178 189 196 196 204

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Inhaltsverzeichnis

c. Durchbrechung der Rechtskraft des Gestaltungsurteils . . . . . . . i. Wiederaufnahmeklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Materiellrechtlicher Ausgleich nach § 826 BGB . . . . . . . . . .

231 231 233

2. Die Bindung der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten an das Gestaltungsurteil der streitigen ordentlichen Gerichtsbarkeit . . . . .

237

3. Die Bindung der Verwaltung an das Gestaltungsurteil . . . . . . . . . .

239

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

1. Die Bindung an gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241 241 248

2. Die Bindung an gestaltende Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . .

251

3. Die Bindung an Gestaltungsurteile der Verwaltungsgerichte . . . . . .

256

4. Die Bindung an privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte . a. Die Erklärungsmodelle in der Verwaltungsrechtslehre i. Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Materielle Bestandskraft als Bindungswirkung . . . iii. Weitere Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts als Vorfrage im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Sonderfall: Amtshaftungsansprüche . . . . . . . . . . ii. Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter: zwei grundverschiedene Wege . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

259 262 262 266 268

. . . . . . . . . . . . . .

270 270

. . . . .

. . . . .

. . (1) Eigene Anfechtungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorfragenprüfung durch das Zivilgericht . . . . . . . . . c. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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271 271 273 275

5. Privatrechtsgestaltung durch Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278

6. Privatrechtsgestaltung in der Zwangsvollstreckung

. . . . . . . . . . .

279

III. Registerpublizität und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

Zweiter Teil

Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsakte Einleitung und Gang der Untersuchung A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

. . . . . . . .

299

I. Die heutige Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299

1. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . .

300

2. Inkonsequenz zwischen den Ansichten im nationalen und im internationalen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

304

XIII

Inhaltsverzeichnis

a. Öffentliches Recht auf Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Materiellrechtliche Begründung der Bindungswirkung und lex causae-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Maßgeblichkeit der lex causae des ersten Prozesses . . . . . ii. Maßgeblichkeit der lex causae des zweiten Prozesses . . . . c. Registereintragungspflicht nach der lex causae . . . . . . . . . .

. .

304

. . . .

. . . .

305 310 317 318

II. Bekräftigung der hier entwickelten Betrachtungsweise . . . . . . . . .

320

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

. . . . . . .

1. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile . . . . . . . . . . a. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. EuGV-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Spezialproblem: Die Bestimmung des Streitgegenstands und der objektiven Rechtskraftgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Streitgegenstandsbestimmung im autonomen Recht . . . . . . ii. Streitgegenstandsbestimmung im Rahmen der EuGV-VO . . d. Spezialproblem: Unterschiedliche Betrachtungsweisen im Hinblick auf die materielle Rechtskraft von Gestaltungsurteilen e. Anerkennungszwang aus dem EGV? . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . .

321 322 329

. . .

329 332 333

. .

341 344

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345

. . . . . .

345 345

. . . . . . . . .

346 357 362

. . . . . . . . . . . .

370

2. Speziell Personenstandsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Völkerrechtlicher bzw. verfassungsrechtlicher Anerkennungszwang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Die EG-Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (EheGV-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Anerkennungszwang aus dem EGV? . . . . . . . . . . . . . c. Art. 7 § 1 FamRÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Die Bindung der Verwaltung an ausländische Gestaltungsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbesondere des Vollstreckungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

371

I. Ausländische Vollstreckungsgegen- oder Widerspruchsklage, die zur rechtskräftigen Feststellung der materiellen Rechtslage führt . . . . .

373

II. Erzeugen die Gestaltungsurteile des Vollstreckungsrechts nach deutschem Vorbild anerkennungsfähige Wirkungen? . . . . . . . . . .

374

III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen . . . . . . . . . . . . . .

376

XIV

Inhaltsverzeichnis

D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

382

I. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

385

II. Autonomes Recht: § 16a FGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386

E. Ausländische gestaltende Schiedssprüche F.

. . . . . . . . . . . . . . .

Ausländische Entscheidungen der Verwaltungsgerichte

G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

391

. . . . .

394

. . . . .

395

I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein

. .

396

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

396

2. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

396

1. Völkerrechtliche Anerkennungspflicht?

3. Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Einführung transnationaler Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . b. Die Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung ausländischer Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

399 399 401

4. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

403

II. Scheidungen durch Verwaltungsakt und sonstige Verwaltungsakte, die den Personenstand betreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

410

H. Berücksichtigung ausländischer Privatrechtsgestaltung im Zusammenhang mit einem Vollstreckungsakt . . . . .

. . . . .

414

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

416

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421

I.

Ausländische Enteignungen

J.

Ausblick

Zusammenfassung der gesamten Gedankenführung

. . . . . . . . . . .

432

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449 495

Einleitung Wenn man den Untertitel dieser Arbeit liest, wird man sich zunächst fragen, worin die Bindungsproblematik gerade bei Gestaltungsakten besteht, denn die »Anerkennung« von Gestaltungsakten und »Gestaltungswirkung« wurde bisher weitgehend als unproblematisch, um nicht zu sagen als begriffsnotwendig dargestellt. Indessen ist die dogmatische Erklärung der Bindung an hoheitliche Gestaltungsakte keineswegs selbstverständlich1. Dass dies größtenteils unerkannt blieb, mag daran liegen, dass bislang eine allgemeine Aufarbeitung der Problematik über die innerstaatliche Geltung von Gestaltungsakten und die Anerkennung entsprechender ausländischer Akte ausstand. Zur Wirkung von hoheitlichen Gestaltungsakten werden meist Thesen ohne nähere rechtsdogmatische Auseinandersetzung aufgestellt, die angebliche absolute Gestaltungswirkung scheint sogar zum unerschütterlichen Dogma geworden zu sein2. Dafür bezeichnend ist, dass zur Begründung besonders oft Argumente herangezogen werden, die an den »gesunden Menschenverstand« appellieren – auch die »Natur der Sache« wird gern bemüht. Außerhalb gerichtlicher Gestaltungsurteile wird die Geltung hoheitlicher Gestaltungsakte noch weniger problematisiert, dies gilt insbesondere auch für Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die die Gestaltung geradezu charakteristisch ist. Bei den ausländischen Gestaltungsurteilen wiederum hat sich früher die Diskussion auf eventuelle kollisionsrechtliche Schranken bei der Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile beschränkt. In dieser Arbeit soll eine zusammenhängende Untersuchung der Bindung an hoheitliche Gestaltungsakte vorgenommen werden, inklusive der ausländischen. Damit soll die isolierte Betrachtung einzelner Gestaltungsakte vermieden werden, die bislang zu den dogmatischen Unstimmigkeiten geführt hat, die aufgezeigt werden und durch die Entwicklung der eigenen Konzeption hoffentlich beseitigt werden können. In der Praxis wird die hier besprochene Problematik nicht oft zum Tragen kommen, da die Fälle, in denen das gestaltete Rechtsverhältnis präjudiziell für ei1 Zu Recht weist Zeuner, Rechtliches Gehör, S. 54 darauf hin, »dass man bei uns vielfach dazu neigt, aus überwiegend rechtstechnischen Erwägungen eine inter-omnes-Wirkung aller Gestaltungsurteile als nahezu selbstverständlich anzusehen«. 2 S. auch Oberhammer, der ein Kapitel seines Werks »Entstehungsgeschichte eines Dogmas« nennt (S. 18ff.).

2

Einleitung

nen Rechtsstreit mit Dritten ist, nicht besonders zahlreich sind. Darüber hinaus wird der Dritte oft selbst bei vorhandener Präjudizialität nicht in der Lage sein, das Fehlen des Gestaltungsgrundes zu kennen oder gar zu beweisen. Auch bestätigt die Lebenserfahrung, dass die Menschen nicht alles bestreiten, was sie bestreiten können. Aber darin liegt schwerlich eine geeignete Grundlage für einen prozessualen Rechtssatz3, in diesem Fall für die grundsätzliche umfassende Bindung an das Gestaltungsurteil. Allerdings ist es ein Trugschluss, dass nur rückwirkende Gestaltungsurteile Dritten gegenüber problematisch sind und dass keine Bedenken bei ex nunc wirkenden Gestaltungsurteilen vorlägen, weil sich der Dritte bei späteren Geschäften auf die neue Rechtslage einstellen könne4, denn die Rechtsschutzgarantien durch die engen Rechtskraftgrenzen dienen auch der Bewahrung vor der Schaffung vollendeter Tatsachen. In dieser Arbeit werden schwerpunktmäßig die Gestaltungsakte untersucht, die aufgrund eines streitigen gerichtlichen Verfahrens ergehen, also die Gestaltungsurteile. Darüber hinaus sollen jedoch auch sonstige privatrechtsgestaltende Staatsakte auf ihre Bindungswirkung hin betrachtet werden5. Zwar ist eingewandt worden, dass »die Suche nach einer allgemeinen Dogmatik des privatrechtsgestaltenden Staatshandelns ... von vornherein auf unüberwindliche Schwierigkeiten (trifft), nimmt man nach positivrechtlicher Ausgestaltung zu heterogene Erscheinungsformen mit in die Untersuchung hinein«6. Diese Aussage formuliert jedoch lediglich eine Vermutung, solange nicht der Versuch unternommen wird, einen roten Faden in allen Fällen der Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt zu ermitteln. Bürckner z.B., der die Figur des privatrechtsgestaltenden Staatsakts »erfand«, hatte seine Untersuchung ganzheitlich auf alle Staatsakte, auch die der streitigen Gerichtsbarkeit, bezogen und lediglich Besonderheiten der einzelnen Gruppen hervorgehoben7. Es ist darauf hinzuweisen, dass auch der gestaltende Schiedsspruch untersucht wird, obwohl er kein Hoheitsakt im strengen Sinne ist, da die Schiedsgerichtsbarkeit zwar materiell Rechtsprechung, jedoch keine öffentliche Gewalt darstellt8. Die Einbeziehung in diese Untersuchung rechtfertigt sich durch die Funktion des Schiedsspruchs, der an Stelle eines Urteils ergehen kann. Die prozessualen Gestaltungsurteile, die auf einer prozessualen Verhaltensnorm basieren, werden dagegen ausgeklammert. Es bedarf einer separaten Untersuchung, in welchem Sinn man hier überhaupt von einer Bindung sprechen kann

3

Michaelis, FS Larenz II, 451, 460. Brox, FamRZ 1963, 392, 393. 5 Diese hatte Schlosser ausdrücklich aus seiner Arbeit ausgeklammert (S. 43). 6 Manssen, S. 10f., um einen »Heterogenisierungseffekt« (S. 20) zu vermeiden. 7 Bürckner, passim. Auch Kroeber hat unter den Begriff privatrechtsgestaltende Staatsakte alle Staatsakte mit privatrechtlichen Wirkungen gefasst (S. 41). 8 Stein/Jonas-Schlosser, vor § 1025 Rn. 2 m.Nachw. 4

Einleitung

3

bzw. ob dies überhaupt erforderlich ist. Auch das Insolvenzrecht wird nicht behandelt, da es weitgehend eine abgrenzbare Sondermaterie bildet. Ferner ist die Gestaltung öffentlicher Rechtsverhältnisse nicht Gegenstand dieser Arbeit, da hier öffentliche Belange eventuell eine andere Behandlung diktieren könnten. Aus ähnlichen Gründen wird auch nicht die »Bindung« an Rechtsbehelfsentscheidungen untersucht, sofern es um die formelle Aufhebung einer früheren Entscheidung geht. Sofern jedoch das Rechtsmittelgericht selbst abschließend in der Sache entscheidet, liegt keine Besonderheit vor im Vergleich zu einem Gestaltungsurteil in erster Instanz. Insbesondere die Anfechtungsklage des Verwaltungsrechts wird jedoch ansatzweise angesprochen, da die dazugehörige Beiladungsproblematik aufschlussreich für die Frage nach der prozessualen Verbindlichkeit von Gestaltungsurteilen Dritten gegenüber ist. Selbst bei der Gestaltung privater Rechtsverhältnisse durch Hoheitsakt ist Vorsicht geboten, wo öffentliche Interessen tangiert werden. Grunsky mahnt: »Wer zu der Frage der Wirkung inter omnes von Gestaltungsurteilen Stellung nehmen will, tut gut daran, von vornherein die Urteile aus der Untersuchung auszuschließen, bei denen öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen. Dies ist insbesondere bei allen sich auf den Personenstand beziehenden Urteilen der Fall«9. Dieser Ratschlag wird hier zwar nicht in seiner absoluten Form befolgt, d.h. es werden die Personenstandsurteile nicht völlig aus der Untersuchung ausgeklammert. Jedoch wird darauf zu achten sein, dass der Versuchung widerstanden wird, eventuell rechtspolitisch motivierte Lösungen in diesem Bereich zu verallgemeinern. Wenn man das Gestaltungsurteil ohne vorgebildete Meinung betrachtet, fällt einem auf, dass es so viele prozessuale »Ungereimtheiten« aufweist wie kein anderer Urteilstyp. Früher entsprach es sogar ganz h.M., dass Gestaltungsurteile keine materielle Rechtskraft entfalten10. Diese alte Diskussion, die hier selbstverständlich nicht erneut aufgerollt werden soll, zeugt von einer für die Gestaltungsurteile charakteristischen Einstellung der Wissenschaft: Anstatt dass die »Gestaltungswirkung« in Frage gestellt wurde, wurde den Gestaltungsurteilen die zentrale Urteilswirkung der streitigen Zivilgerichtsbarkeit, die materielle Rechtskraft, abgesprochen. Dieser Ansatz hat die gesamte weitere Entwicklung der Dogmatik der Gestaltungsurteile geprägt: Ohne dass jemals eine eingehende dogmatische Begründung der »Gestaltungswirkung« stattgefunden hätte, hat man diese in Folge als selbstverständlich hingenommen11 und sich lediglich darauf beschränkt, die 9

Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 551). Z.B. hatte Bötticher (Kritische Beiträge, S. 24ff.), keinen Grund gesehen, die Gestaltung durch eine Feststellung zu ergänzen. Später hat er jedoch diese Ansicht aufgegeben und die Nützlichkeit der Rechtskraft erkannt, wenn Gefahr bestehe, dass ein aufgehobener Rechtsakt wiederholt werde (FS 100 DJT, 517, 539f.; FS Dölle, 41, 59); ablehnend auch Lent, ZZP 61, 279ff.; Rosenberg, § 87 I 3 (S. 412). 11 Treffend bemerkt Zeuner, Rechtliches Gehör, S. 54, »dass man bei uns vielfach dazu neigt, aus überwiegend rechtstechnischen Erwägungen eine inter-omnes-Wirkung aller Gestaltungsurteile als nahezu selbstverständlich anzusehen«. 10

4

Einleitung

Folgeprobleme soweit wie möglich zu beseitigen, wie dies auch die Diskussion über das rechtliche Gehör im Zusammenhang mit Gestaltungsurteilen zeigt. Dadurch, dass sich die wissenschaftliche Energie auf die falsche Frage gestürzt hat (nämlich, ob Gestaltungsurteile materiell rechtskraftfähig sind), hat man somit die eigentliche Herausforderung übersehen: die dogmatische Herleitung der prozessualen Tragweite der Gestaltungsurteile, namentlich die Bestimmung der objektiven Grenzen ihrer materiellen Rechtskraft. Bei der »Gestaltungswirkung« fällt auf, dass nur die Frage behandelt wird, wer an sie gebunden ist. Es werden – um bei der Terminologie der Rechtskraft zu bleiben – somit nur die subjektiven Grenzen erörtert. Auf die Frage nach der wahren Rechtsnatur dieser so genannten Gestaltungswirkung wird nicht weiter eingegangen, so dass ein logischer Schritt übersprungen wird, denn man kann nicht darüber diskutieren, wen die »Gestaltungswirkung« binden soll, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, wie sie dogmatisch einzuordnen ist. Schwab bemerkte richtig zur Rechtskraft: »Über die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils auf Dritte kann man erst dann sprechen, wenn man zuvor über das Wesen der Rechtskraft klare Vorstellungen hat«12. Dieser Satz lässt sich ohne Einschränkung auf die Gestaltungswirkung übertragen, bei der leider in dieser Hinsicht erhebliche Defizite zu beklagen sind. Der richterlichen Gestaltung wird somit wie selbstverständlich eine absolute prozessuale Wirkung zuerkannt, denn die materielle Rechtslage soll ein für alle Mal geändert sein, und zwar innerhalb und außerhalb von Prozessen. Eine derartige absolute prozessuale Bindungswirkung außerhalb der Rechtskrafterstreckung inter omnes ist jedoch der deutschen Rechtsordnung, die schon ihrer Konzeption nach auf Relativität ausgelegt ist, ansonsten fremd: Gerichtliche Urteile wirken lediglich in den engen Grenzen der Rechtskraft, außerhalb dieser Grenzen werden auch sich logisch gegeneinander ausschließende Urteile in Kauf genommen13. Dahinter steckt die zutreffende Erkenntnis, dass es keinen optimalen objektiven Betrachter der Rechtslage gibt, da jedes Menschenwerk mit Unvollkommenheit behaftet ist14, und dass das von der Interessenwahrnehmung durch die Parteien beeinflusste Ergebnis eines Rechtsstreits von zu vielen menschlichen Faktoren abhängt, als dass man mit Sicherheit davon ausgehen dürfte, dass im ersten Rechtsstreit die materielle Rechtslage objektiv15 richtig erkannt wurde. Deswegen überwiegen in der Abwägung die Interessen derer, die durch die Wirkungen der betreffenden Entscheidung berührt werden, die aber am zugrunde liegenden Rechtsstreit nicht beteiligt waren. 12

Schwab, ZZP 77, 124, 137f. Motive III, S. 446 (nachfolgende Herausgabeklage nach erfolgloser Klage eines Miteigentümers). 14 Rödig, S. 100. 15 Die Frage, ob es überhaupt objektive Richtigkeit gibt, wird bewusst ausgeklammert; sie lässt sich allein durch juristische Dogmatik und Systematik nicht beantworten. 13

Einleitung

5

Im Bereich der richterlichen Gestaltung soll dies nun anders sein: Jeder soll verpflichtet sein, von der Rechtslage auszugehen, die der Richter ausgesprochen hat, und zwar unabhängig davon, ob seine rechtlichen Interessen berührt werden und ob er am Verfahren teilgenommen hat oder auch nur teilnehmen konnte. Damit wird implizit entweder dem Gestaltungsurteil ein Unfehlbarkeitstestat erteilt oder Drittbetroffenen bewusst eine Bindung an ein eventuell unrichtiges Urteil ohne Möglichkeit der Gegenwehr zugemutet, und Beides kann im Hinblick auf das Recht auf rechtliches Gehör keinesfalls pauschal für alle Gestaltungsurteile hingenommen werden. Der Anstoß zu dieser Arbeit wurde – wie bereits erwähnt – dadurch gegeben, dass bis heute keine konsequente rechtliche Einordnung der »Gestaltungswirkung« vorgenommen wurde, insbesondere im Hinblick auf die »prozessuale Betrachtungsweise«. Daraus dürften viele der nachstehend erwähnten Inkonsequenzen in der herrschenden Doktrin resultieren, denn es wird ein Streit ausgetragen, ohne dass die Grundprämissen eindeutig geklärt wären. Mit der Frage nach der Rechtsnatur der Gestaltungswirkung werden letztendlich die Abgrenzung und die Wechselbeziehungen zwischen materiellem Recht und Zivilprozessrecht angesprochen. In den Worten Bruns’: »Und so scheint mir in der Bötticher’schen Enthüllung des funktionalen Gehalts von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht ein ebenso neues wie fruchtbares Feld rechtswissenschaftlicher Zusammenhänge bezeichnet zu sein, Brückenschlag zwischen materiellem Recht und Prozess, Brückenschlag auch zwischen privatem und öffentlichem Recht«16. Diese bis heute leider nicht vollendete Brücke gilt es möglichst solide weiter auszubauen. Zum Reiz dieser Untersuchung hat auch beigetragen, dass die Frage nach der prozessualen Wirkung von Gestaltungsakten entgegen dem ersten Anschein längst nicht ausdiskutiert ist. Immer wieder fällt auf, dass sich bei der Auseinandersetzung mit der Gestaltungswirkung Formulierungen einschleichen, die auf eine Zurückführung auf die Rechtskraft deuten. Insbesondere ein BGH-Urteil aus dem Jahre 1983 ist in dieser Hinsicht besonders erwähnenswert. Es beinhaltet die Aussage, »dass Gestaltungsurteile – eine derartige Gestaltungswirkung unterstellt – zwar über die Parteien, aber nicht über den Streitgegenstand hinaus wirken«17. Zwar hatte der BGH eher daran gezweifelt, dass das Wandlungs- oder Minderungsurteil ein Gestaltungsurteil sei, wie der Verweis auf Blomeyer zeigt18. Der Entscheidung lag eine ähnliche Problematik zugrunde wie den Teilklagen, nämlich dass die Minderung nur bezüglich der noch ausstehenden Beträge, nicht auch bezüglich des schon geleisteten Betrags ausgesprochen worden war. Somit war die Entscheidung wohl falsch formuliert und in Wirklichkeit hätte es heißen 16

Bruns, ZZP 78, 264, 286. BGHZ 85 (1983), 367, 372 (Hervorhebung von Verf.). 18 Der BGH verwies auf seinen Aufsatz »Der ›Anspruch‹ auf Wandlung oder Minderung, AcP 151 (1950/1951), S. 97ff. 17

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Einleitung

sollen, »dass Gestaltungsurteile – unterstellt, es würde hier ein solches vorliegen ...«, nicht über den Streitgegenstand hinaus wirken. Und diese »bereinigte« Aussage ist besonders wertvoll, denn genau dieser Punkt ist bislang nicht berücksichtigt worden: Nur wenn die Gestaltung selbst Streitgegenstand ist, kann man als weiteren Schritt eine Wirkungserstreckung über die subjektiven Rechtskraftgrenzen hinaus erwägen. Und anders gewendet: Wenn die Gestaltung Streitgegenstand ist, dann bedarf es überhaupt keiner Gestaltungswirkung, da die Gestaltung bereits durch die materielle Rechtskraft prozessual gesichert wird. Aber auch darüber hinaus wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es immer noch Grundlagenprobleme gibt, »die nur scheinbar abgetan, in Wahrheit durch technische Alltagsregeln lediglich überlagert sind«19. Es wird auch tatsächlich immer wieder angemahnt, »ob die von der h.M. befürwortete Wirkung inter omnes der Gestaltungsurteile nicht eingeschränkt werden muss«20. Selbst der Einwand, dass »die Gegner der inter omnes-Gestaltungswirkung nicht erkennen (wollen), dass es weder die Neigung zu traditionellen Denkformen noch das Misstrauen gegen neue Konzeptionen, sondern lediglich die praktische Notwendigkeit ist, die den größten Teil der Prozessualisten zwingt, auf der absoluten Gestaltungswirkung zu bestehen«21, ist eher gegen die Verfechter der absoluten prozessualen Gestaltungswirkung zu verwenden, denn praktische Notwendigkeiten mögen zu berücksichtigen sein, dürfen jedoch nie ausschlaggebend sein und eine dogmatische Herleitung ersetzen oder gar verbieten. Bereits an dieser Stelle soll klargestellt werden, dass der Begriff »materielles Recht« in dieser Arbeit weit zu verstehen ist, nämlich als das »Recht der Materie«22, das bestimmt wird durch Entscheidungsnormen in Abgrenzung zu den prozessualen Verhaltensnormen23. Es wird der Einfachheit halber der Begriff der materiellrechtlichen Änderung beibehalten, wobei dadurch auch die Änderung impliziert sein soll, die sich auf eine Entscheidungsnorm des Prozessrechts stützt.

19 20 21 22 23

K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 19. Grunsky, FamRZ 1969, 522, 524. Calavros, S. 155. So auch Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 25, 27 zur materiellen Rechtskrafttheorie. S. Gaul, FS Zeuner (1994), 317, 350 zur Tatbestandswirkung.

Gang der Untersuchung und These Der Gang der Untersuchung wird folgender sein: Zuerst wird aufgezeigt, dass die gängige Behandlung der Gestaltungsurteile und ihrer Bindungswirkung in sich nicht stimmig ist, und zwar weder im innerstaatlichen noch im internationalen Bereich. Vornehmlich wird das Gestaltungsurteil behandelt, nachfolgend wird auf sonstige privatrechtsgestaltende Staatsakte sowie auf den Schiedsspruch eingegangen. Sodann wird die eigene Ansicht zur rechtlichen Einordnung der prozessualen Wirkung der Gestaltungsurteile dargestellt. Die These wird lauten, dass es keine eigenständige prozessuale »Gestaltungswirkung« gibt und dass die Gestaltung Streitgegenstand der Gestaltungsklage ist und auch Gegenstand der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils. Dies bedeutet, dass sich die Bindungswirkung des Gestaltungsurteils nur aus den objektiven und subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft ergibt. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird die Bindung an einzelne privatrechtsgestaltende Hoheitsakte über das Gestaltungsurteil hinaus untersucht. Im zweiten, internationalen Teil werden die entwickelten Thesen angewandt. Die Kombination eines ersten dogmatischen Teils und eines Abschnitts über das Problem im internationalen Rechtsverkehr ist in doppelter Hinsicht sinnvoll. Zum einen ist die Klärung einer Frage im innerstaatlichen Verkehr sinnvoll, bevor die Problematik grenzübergreifend geprüft wird. Zum anderen dient der internationale Rechtsverkehr auch als Prüfstand für die innerstaatlichen Lösungen, denn die Bewährung einer dogmatischen Konstruktion im internationalrechtlichen Sektor ist zwar kein völliger Beweis, wohl aber ein entscheidender Hinweis auf deren Richtigkeit1. Heutzutage erscheint es außerdem im Hinblick auf die Verzahnung der Rechtsordnungen in der Europäischen Union immer weniger angebracht oder gar möglich, eine juristische Frage ohne Rücksicht auf die Auswirkungen im internationalen Rechtsverkehr lösen zu wollen. Die Europäisierung ist ohne Alternative, wenn auch nicht ohne Probleme2. 1 Schnorr von Carolsfeld, FS Lent, 245, 270 unter Berufung auf seinen Lehrer Neumeyer; Jahr, GS Constantinesco, 339, 350ff., der darauf hinweist, dass man nationale Sachverhalte nicht ohne Berücksichtigung des internationalen Rechtsverkehrs lösen sollte; ähnlich Becker, AcP 188, 24, 64f. und dort Fn. 119, 66: Prüfstein für die nationale und internationale Stimmigkeit von Rechtsnormen einschließlich ihrer richtigen rechtssystematischen Einordnung; s. zur zunehmenden Bedeutung des internationalen Aspekts auch Stürner, FS Lüke, 829, 835ff. 2 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924 zur Europäisierung des Verwaltungsrechts.

8

Einleitung

Es wird sich herausstellen, dass die Theorien zur »Gestaltungswirkung« im innerstaatlichen Bereich nicht mit den Theorien zur Behandlung ausländischer Gestaltungsurteile übereinstimmen: Wo im innerstaatlichen Bereich die materiellrechtliche Komponente des Gestaltungsurteils hervorgehoben wird, wird bei der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile die prozessuale Natur der »Gestaltungswirkung« betont. Die Untersuchung wird sich auf die Sichtweise der deutschen Rechtsordnung beschränken. Zwar wäre eine Bearbeitung auch aus der Sicht anderer Rechtsordnungen aufschlussreich, jedoch muss sie späteren gesonderten Untersuchungen vorbehalten bleiben, denn sie würde eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem gesamten Regelungsgefüge und den Interdependenzen des ausländischen materiellen und prozessualen Rechts erfordern, die den gesetzten zeitlichen sowie sachlichen Rahmen deutlich sprengen würde. Am Ende ist eine ausführliche Zusammenfassung der gesamten Arbeit angefügt, die über eine Darstellung der Ergebnisse hinausgeht und es dem eiligen Leser erlaubt, die gesamte Gedankenführung dieser Arbeit nachzuvollziehen.

Erster Teil

Die Problematik im innerstaatlichen Rechtsbereich

A. Die dogmatischen Unzulänglichkeiten der herkömmlichen Behandlung der Gestaltungsklagen und -urteile In diesem Abschnitt soll aufgezeigt werden, dass die herkömmliche Behandlung der Gestaltungsklagen und -urteile – obwohl sie meist als selbstverständlich hingenommen wird – kein stimmiges dogmatisches Konzept erkennen lässt. Dies zieht sich als durchgängiges Muster durch alle Abschnitte der Gestaltung durch Urteil: von der Vorfrage der Einordnung des Klagerechts über die Durchführung des Verfahrens bin hin zur problematischsten Frage, nämlich nach der Bindungswirkung des stattgebenden Urteils.

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung Bereits die materiellrechtliche Grundlage der Gestaltungsklage ist umstritten. Besonders auffällig ist in dieser Hinsicht, dass die prozessuale Literatur ein Problem in der materiellrechtlichen Einordnung des Gestaltungsklagerechts sieht, während dies in der materiellrechtlichen Literatur überhaupt nicht thematisiert wird.

1. Die Diskrepanz der Betrachtungsweise zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Literatur In der materiellrechtlichen Literatur wird die Gestaltungsklage meist als eine Form der Durchführung der Gestaltung dargestellt, die ausnahmsweise aus Gründen der Rechtssicherheit oder des Schutzes der beteiligten Personen auf dem Klageweg erfolgen muss1. Z.B. gliedert Medicus: Gestaltungsrechte – Arten

1 Z.B. Enneccerus/Nipperdey I, § 73 I 3 (S. 441), II, § 225 III (S. 1379f.), § 239 I 1 (S. 1438); Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 71f., § 44 Rn. 31; Medicus, § 12 Rn. 84; aus dem sonstigen Schrifttum Bellwinkel, S. 52f.; Bötticher, FS Dölle, 41, 45 im Anschluss an Seckel (Notwendigkeit gerichtlicher Durchsetzung eine »Qualifizierung der Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts« – s. allerdings ders., Fn. 35); Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 10; Fasching, östJBl. 97, 505, 512; Weipert, GroßKomm HGB2, § 133 Anm. 18; wohl auch Grunsky, Grundlagen, § 38 II 3 (S. 374f.); a.A. Staudinger-Dilcher12, Einl. zu §§ 104–185 Rn. 50.

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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der Gestaltungsrechte – einfaches Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht2. Im Text heißt es: »Regelmäßig wird das Gestaltungsrecht durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt«3. »Ausnahmsweise gibt es aber auch Gestaltungsrechte, die nur gerichtlich ausgeübt werden können. ... Man spricht hier von Gestaltungsklagerechten«4. Auch bei Larenz/Wolf heißt es: »Die Ausübung der Gestaltungsrechte und damit die Vornahme der rechtlichen Gestaltung, zu der sie die rechtliche Macht erteilen, erfolgt in aller Regel durch eine Erklärung gegenüber dem jeweiligen Gestaltungsgegner«5. »In manchen Fällen besteht ein Bedürfnis, die Gestaltungswirkung im Interesse der Rechtssicherheit erst durch ein Urteil nach vorangegangener richterlicher Nachprüfung und rechtskräftiger Feststellung der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen eintreten zu lassen. ... Der Berechtigte kann die Gestaltung dann nicht selbst vornehmen, sondern ist nur dazu befugt, im Wege der Erhebung einer Gestaltungsklage eine richterliche Gestaltung herbeizuführen. Der Gestaltungsklage liegt ebenfalls ein Gestaltungsrecht zugrunde, dessen Vorliegen aber das Gericht vor Eintritt der Gestaltungswirkung überprüfen soll. Der Berechtigte leite die Gestaltung durch die willentliche Erhebung der Gestaltungsklage als Prozesshandlung vergleichbar einer Willenserklärung ein und der Gestaltungsgegner muss, falls das Gestaltungsrecht besteht, die durch das Gericht erfolgende Gestaltung hinnehmen«6. In der materiellrechtlichen Literatur wird damit keine unüberbrückbare Kluft zwischen rechtsgeschäftlich ausgeübtem Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht gesehen. Gestaltungs- und Gestaltungsklagerecht werden zwar – zu Recht – nicht völlig gleichgestellt, jedoch auch nicht als wesensverschieden empfunden. In der prozessualen Literatur dagegen ist so ziemlich jede Frage im Hinblick auf die Gestaltungsklage umstritten, wenn auch der Thematik meist keine eingehende Untersuchung gewidmet wird. Die Eigenart der Gestaltung durch Urteil zeigt sich schon bei der Klageerhebung: Hier ist man sich nicht einmal einig, ob durch die Gestaltungsklage ein subjektives Recht geltend gemacht wird sowie welcher Natur dieses ist. Es wird die ganze Bandbreite an Möglichkeiten vertreten: von der Annahme eines Gestaltungsanspruchs7 bis hin zur gänzlichen Verneinung ei2

Medicus, § 12 Rn. 84. Medicus, § 12 Rn. 83. 4 Medicus, § 12 Rn. 84. 5 Larenz/Wolf, § 15 Rn. 69. 6 Larenz/Wolf, § 15 Rn. 71. 7 Nach Kleinfeller wird durch die Klage auf Rechtsgestaltung ein Anspruch auf Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses geltend gemacht, das an die Stelle des bisher bestehenden tritt, und auf Duldung dieser Neugestaltung durch den Beklagten gerichtet ist [§ 75 II 3 (S. 265f.)]. Die Gestaltungsklage sei zwar eine Art der Leistungsklage, die jedoch über die »normale« Leistungsklage hinaus gehe, indem sie »noch auf etwas anderes als auf Leistung des Gegners gerichtet« sei [§ 75 II (S. 263)]. Nach Lüke (FS Sturm, 1045, 1051) erfüllt der Gesellschafter durch seine außerprozessuale Einwilligung in die Auflösung der Gesellschaft nach § 133 HGB der Sache nach den gegen ihn gerichteten Anspruch, in die Auflösung der Gesellschaft einzuwilligen«; auch Fasching, östJBl. 97, 505, 512 spricht von einem privaten Rechtsgestaltungsanspruch gegen den 3

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

nes jeden subjektiven Rechts8. Andere wiederum differenzieren je nachdem, ob eine so genannte echte oder unechte Gestaltungsklage vorliegt9. Es ist nicht einfach, die Diskussion über die Grundlage der Gestaltungsklage wiederzugeben, da die Begriffe »Anspruch« und »Recht« nicht immer korrekt voneinander abgegrenzt werden. Im Bereich der Leistungsklage ist dies nicht weiter schädlich, bei der Gestaltungsklage jedoch führt es zur Verwirrung. Wenn nämlich von einem »Anspruch« auf Gestaltung gesprochen wird, ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob damit gemeint ist, dass die Gestaltungsklage in Wirklichkeit als eine Art Leistungsklage aufgefasst wird, oder ob damit lediglich eine Abgrenzung von der Ansicht intendiert wird, der Gestaltungsklage liege kein subjektives materielles Recht zugrunde. Es sollen hier einige der vertretenen Ansätze zur Frage nach der materiellen Grundlage der Gestaltungsklage erwähnt werden. Dieser kursorische Überblick erfolgt der Vollständigkeit halber und zeigt auf, dass zu den Gestaltungsklagen und -urteilen durchgängig Ansichten vertreten werden, die sich nicht ohne weiteres mit der allgemeinen prozessualen Dogmatik vereinbaren lassen. So wird von gewichtigen Stimmen das Vorliegen eines materiellen Gestaltungsklagerechts verneint10. In der Regel lautet die Begründung, dass Ansprüche privaPartner, den dieser durch Zustimmung außergerichtlich befriedigen könne; Becker, ZZP 97, 314, 325 und dort Fn. 37 nimmt einen dem materiellen Recht zugehörigen Anspruch auf Scheidung an, der der Ehescheidungsklage zugrunde liege; bei Baumbach-Hartmann, Grundz. § 253 Rn 10 ist die Rede von einem »sachlichrechtlichen Anspruch auf Rechtsänderung, z.B. auf Scheidung«. 8 S. insbes. Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 231ff.; H. Roth, FS Henckel, 707, 710 zur Anfechtungsklage nach § 243 AktG (prozessuale Befugnis); Schlosser, S. 366ff.; Wiedemann, S. 54: Anfechtungsklage nach §§ 241ff. AktG ist »Popularklage«; zu den daraus resultierenden Problemen s. weiter unten, S. 16ff. 9 Als »echte« Gestaltungsklage wird diejenige bezeichnet, die die einzige Möglichkeit zur Herbeiführung der Gestaltung darstellt. Als »unechte« werden die Gestaltungsklagen bezeichnet, die durch rechtsgeschäftliches Handeln der betroffenen Personen ersetzt werden können, s. z.B. MünchKommZPO-Lüke, vor § 253 Rn. 28; – Arens, S. 32f. hat diese Differenzierung angedacht, jedoch aus Gründen der systematischen Einheit verworfen; ähnlich zuvor auch Binder, Prozess und Recht, S. 200f. Die Autoren, die die Gestaltungsklagen in »echte« und »unechte« aufteilen, gehen meist davon aus, dass die »echten« lediglich auf dem Rechtsschutzanspruch basieren, s. Lüke, JuS 1969, 301, 306; Staab, S. 67ff., 99ff. – Hier wird die begriffliche Differenzierung aufrechterhalten, obwohl es sich in beiden Fällen um eine »echte« Gestaltung durch Urteil handelt. Jedoch kann die Tatsache, dass die Gestaltung ausschließlich durch Urteil erfolgen kann, zu einer besonderen Behandlung dieser Gestaltungsurteile nötigen. Daher ist es sinnvoll, zwischen den beiden Varianten zu unterscheiden, auch wenn das Begriffspaar »echt« und »unecht« die Sache vielleicht nicht genau trifft. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen nicht notwendigerweise unechte Gestaltungsklagen sind. Die Anfechtungsklage nach §§ 243ff. AktG z.B. ist nicht immer eine unechte: In Sonderfällen wäre ein Aufhebungsbeschluss der Hauptversammlung nicht zulässig, so z.B. nach § 119 II AktG bei Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen, solange der Vorstand nicht erneut eine Entscheidung anregt, sowie wenn der Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns nach § 174 AktG aufgehoben werden soll, da durch ihn die Dividendenansprüche der Aktionäre entstanden sind und eine Korrektur nicht im Kompetenzbereich der Hauptversammlung liegt (Pflugradt, S. 68). 10 Blomeyer, ZPR, § 38 II (S. 190); Bötticher, Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 143f., der al-

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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ten Rechts vom Anspruchsgegner freiwillig erfüllt werden können, ohne dass ein gerichtliches Verfahren zwischengeschaltet werden müsse. Der Gestaltungsklagegegner sei aber nicht in der Lage, das Gestaltungsrecht durch Erfüllung zum Erlöschen zu bringen11. Insbesondere wenn das Gesetz für die Gestaltung ausschließlich den Klageweg vorsehe, könne ohne das Gestaltungsurteil keine Gestaltung stattfinden, auch nicht wenn der Gestaltungsklagegegner nichts dagegen einzuwenden habe. Ähnlich wird die Ansicht begründet, dass der Gestaltungsklage zwar kein materiellrechtlicher Anspruch zugrunde liege, dafür aber ein subjektiv-öffentliches Recht12. Diese Tendenz, ein materielles subjektives Gestaltungsklagerecht als Grundlage der Gestaltungsklage zu verneinen, mag daran liegen, dass man »zu leicht geneigt (ist), die materiellrechtliche Betrachtungsweise dort aufzugeben, wo behördliche Mitwirkung ins Spiel kommt«13. In der Regel ist die Rede von einem öffentlichrechtlichen Anspruch auf Gestaltung14. Dieser sei vom Recht zur Gestaltung (wie es das rechtsgeschäftliche Gestaltungsrecht ist) zu unterscheiden. Das Hauptargument für die Verneinung eines materiellen Gestaltungsklagerechts lautet auch hier, dass der Berechtigte auf den Klageweg verwiesen sei, um sein »Recht« zu verwirklichen. Darin zeige sich der »Sondercharakter« der Gestaltungsklagerechte im Vergleich zum rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrecht. Interessant ist allerdings diesbezüglich die spiegelbildliche Ansicht, dass nicht die Gestaltungsklagerechte einen Sondercharakter aufweisen, sondern die rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrechte, denn sie durchbrechen den Grundsatz des Verbots der Selbsthilfe, während die Gestaltungsklagerechte dem Grundsatz folgen, dass bei mangelnder – oder ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossener – rechtsgeschäftlicher Einigung private Rechte mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden müssen15. »Bei der Kategorie des privaten Gestaltungslerdings in der Festschrift Dölle dazu mahnt, »das zugrunde liegende subjektive Privatrecht nicht aus dem Auge zu verlieren« (FS Dölle, 41, 55, Hervorhebung im Original); Dölle, FS Bötticher, 93, 99; Henckel, Parteilehre, S. 31ff., insbes. S. 35; Staab, S. 109 (nur für die echten Gestaltungsklagen) sowie die in Fn. 8 genannten. 11 S. jedoch Lüke, FS Sturm, 1045, 1047: »Der Sache nach können die Beklagten das Klagebegehren ›erfüllen‹, obgleich es bei Gestaltungsklagen eine echte Erfüllung nicht gibt, weil das Gericht unabhängig vom Verhalten der Beklagten gestaltet«; auch Lüke, JuS 1998, 594. 12 So ausdrücklich Ring, S. 65; Langheineken, S. 220ff., 227: »Unter Bewirkungsanspruch verstehen wir das im Wege der Klage geltend zu machende Recht gegen den Staat auf ... Aufhebung, Abänderung oder Begründung eines Rechtszustandes oder der Wirkungen eines Rechtsvorganges durch richterliches Urteil, Bewirkungsurteil«; Henckel, Parteilehre, S. 34f. 13 Bötticher, FS Dölle, 41, 55; s. allerdings ders., Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 143f.: »Was der Partei ... verbleibt, ist die Initiative, der Antrag auf Gestaltung ... und nichts mehr. Auf diese Gestaltung hat sie kein ›Recht‹, weder gegenüber dem Gegner ... noch gegenüber dem Staat«. 14 Z.B. Schlosser, S. 381: Anspruch auf Vornahme einer Amtshandlung; vgl. zur Terminologie auch Gaul, FamRZ 1963, 630, 633. 15 Staab, S. 65.

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rechts ist denn auch das Nichtangewiesensein auf gerichtliche Hilfe in den Vordergrund getreten derart, dass geradezu die Figur der Selbsthilfe auftaucht«16. In der Tat kann bei den rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrechten auf gerichtliche Mitwirkung verzichtet werden, weil es sich bei der Gestaltung an sich um eine »Veränderung in der Welt des Rechts« handelt, so dass private Gewalttätigkeit, wie sie z.B. beim Streit um den Besitz einer Sache entstehen kann, nicht zu befürchten ist17. Die Gründe, die zur Verneinung eines materiellen Gestaltungsklagerechts angeführt werden, halten einer näheren Untersuchung nicht stand. Dies gilt insbesondere für den Einwand, dass Gestaltungsklagerechte nicht von der Gegenpartei erfüllt werden können. Dies mag zwar zutreffen, liegt jedoch schlicht und einfach daran, dass Gestaltungsklagerechte nicht auf Erfüllung zielen, sondern auf einseitige Rechtsänderung. Diese Zielrichtung ist insbesondere den Bereichen eigen, in denen die Kooperation der Beteiligten in den Vordergrund rückt, wie dies im Familienrecht und erst recht im Gesellschaftsrecht der Fall ist18. Ein Recht, das nicht auf Erfüllung zielt, kann naturgemäß nicht erfüllt werden. Der Einwand, dass der Gegner das Gestaltungsbegehren nicht erfüllen könne, ist ohnehin eher auf die Abgrenzung zum Leistungsanspruch i.S.d. § 241 BGB zugeschnitten als auf die Abgrenzung zum rechtsgeschäftlich ausgeübten materiellen Gestaltungsrecht. Auch die rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrechte sind keine Ansprüche in dem Sinne, dass sie den Gegner zu etwas verpflichten: Auch das Kündigungs- oder Anfechtungsrecht kann der Gegner nicht erfüllen19, sondern es allenfalls gegenstandslos machen20 – und eigentlich nicht einmal das. Die Willenserklärung kann nur durch die Anfechtung des Erklärenden ungültig gemacht werden. Selbst wenn der Empfänger der Willenserklärung die Anfechtbarkeit derselben einräumt, kann er sie nicht selbst aufheben. Genau genommen gibt es sowieso gar keinen Gestaltungsgegner im Sinne einer verpflichteten Person: Es wird die eigene Willenserklärung angefochten, die weitere Mitwirkung am Rechtsverhältnis gekündigt. Bei den Gestaltungsrechten – ob rechtsgeschäftlich ausgeübt oder urteilsmäßig durchgesetzt – handelt es sich typischerweise um die Verwirklichung einseitiger Interessen, die der »Gegenpartei« sogar meist Nachteile erbringt. Es geht immer darum, die Rechtslage nach den eigenen Wünschen zu ändern. Man will nicht mehr an die abgegebene Willenserklärung gebunden sein, man möchte an einem eingegangenen Rechtsverhältnis nicht mehr festhalten. Oder man möchte – um das klassische Beispiel gerichtlich ausgeübter Gestaltungsrechte zu nennen – nicht mehr mit dem bisherigen Gatten in Ehegemeinschaft leben. Auch wo sich die Gestaltungsklage scheinbar gegen eine bestimmte Person richtet (wie 16 17 18 19 20

Bötticher, FS Dölle, 41, 42f. (Hervorhebung im Original). Medicus, § 12 Rn. 83 im Anschluss an Bötticher, FS Dölle, 41, 43. Roth, S. 7. Kuschmann, S. 17f. und dort Fn. 7. Rosenberg, § 87 I 2 (S. 411f.).

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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z.B. der Scheidungsantrag oder die Ausschließungsklage im Gesellschaftsrecht) geht es der Sache nach nicht darum, etwas von dieser Person zu verlangen, sondern man bringt zum Ausdruck, dass man die eigene Rechtsposition im Verhältnis zu dieser Person nicht mehr aufrechterhalten will. Der Hauptgrund für das in einigen Fällen vorgeschriebene Erfordernis der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Gestaltungsrechts liegt in dem in diesen Fällen gesteigerten Bedürfnis an Rechtssicherheit21: Der Rechtsstreit wird vorverlagert, es kann kein Schwebezustand entstehen, in dem ungewiss ist, ob wirksam gestaltet wurde oder nicht. Wie es Karsten Schmidt einprägsam formulierte: »Erst der Prozess und dann die Gestaltung!«22. Die Verneinung einer materiellrechtlichen Grundlage der Gestaltungsklage lässt sich auch nicht damit begründen, dass auf die Gestaltungsklage das aktionenrechtliche Denken nicht passe23. Einigkeit besteht darüber, dass das klassische Zivilprozessrecht von der Leistungsklage im Zweiparteienverhältnis ausgeht. Dieses Zweiparteienmodell sei insofern auf das materielle Recht von Einfluss, als umfassendere Rechtsverhältnisse in Zweipersonenbeziehungen zerlegt werden, die einem Prozessrechtsverhältnis entsprechen könnten24. Man spricht insoweit von einem »aktionenrechtlichen Denken«, einer von Anspruch und Einrede bestimmten Denkweise25. Zu Recht wird bezweifelt, dass das aktionenrechtliche Denken geeignet sei, einige Rechtsphänomene sinnvoll zu erfassen. Für diese Arbeit ist der Einwand von Interesse, der die Gebiete des Familienrechts sowie des Gesellschaftsrechts betrifft. Hier rückt die Kooperation der Beteiligten in den Vordergrund26. Klagen, die in diesen Rechtsgebieten auf eine Gestaltung oder Feststellung mit Wirkung für und gegen alle zielen, sollen die Eigenschaft haben, dass sich die zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse »materiellrechtlich nicht einfach durch ein Zweipersonenverhältnis ausdrücken oder ... in wenige Zweipersonenverhältnisse auflösen« lassen27. Die entsprechenden Regelungen dienen denn auch zum großen Teil weniger der Störungsabwehr als der Darstellung der normal funktionierenden Rechtseinrichtung28. Dem kann zugestimmt werden, so dass das aktionenrechtliche Denken in diesem Bereich als verfehlt angesehen werden kann. Daraus kann jedoch kein Rückschluss gezogen werden bezüglich der Frage, ob der Gestaltungsklage ein subjektives materielles Recht zugrunde liegt, denn die Abgrenzung von der aktionenrechtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und Einreden führt keineswegs zwingend zu dem Schluss, dass die Ge21

Hahn/Mugdan, HGB, S. 270; ähnlich Denkschrift HGB, S. 98. K. Schmidt, GesR § 52 III 4 a (S. 1516); K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 4. 23 Wie dies bei H. Roth, FS Henckel, 707ff. anklingt, wie sich aus dem Zusammenhang seiner Ausführungen auf S. 708f. und S. 710 ergibt. 24 Medicus, AcP 174, 313, 314. 25 S. Medicus, AcP 174, 313, 314, 316 m.Nachw. 26 H. Roth, S. 7; ders., FS Henckel, 707, 709. 27 Medicus, AcP 174, 313, 330f.; H. Roth, FS Großfeld, 915. 28 Medicus, AcP 174, 313, 319. 22

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staltungsklage ein rein prozessualer Rechtsbehelf ohne materiellrechtliches Substrat ist. Sehr interessant ist auch eine Bemerkung von Diederichsen, der zwar selbst ein subjektives Recht auf Scheidung verneint, jedoch der erwähnten Argumentation wirksam entgegenhält: »Die eigenmächtige Ausübbarkeit, deren Fehlen das angebliche Gestaltungsrecht zum bloßen Rechtsschutzanspruch degradieren soll, vermag ich nicht als notwendiges Ingredienz des subjektiven Rechts anzuerkennen, weil wir in zahlreichen Tatbeständen die Ohnmacht in der Rechtsausübung hinnehmen, ohne das subjektive Recht zu verneinen«29. Die genannten Einwände sind demnach nicht geeignet, die Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts als Grundlage der Gestaltungsklage zu untermauern – ebenso wenig wie dies bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung der Fall ist. Abgesehen davon fällt auf, dass die Gestaltungsklage vielfach so behandelt wird, als würde ihr mindestens ein Recht, wenn nicht ein »Anspruch« zugrunde liegen: Im Fall des § 133 HGB z.B. sollen bei »Anerkennung« durch die übrigen Gesellschafter die Kosten des Prozesses dem Kläger nach § 9330 auferlegt werden können31. Auch die weiter unten ausführlich behandelte Möglichkeit der außerprozessualen Mitwirkung, die die Teilnahme am Verfahren verzichtbar machen soll, führt dazu, dass der Sache nach dem Klagebegehren abgeholfen wird32.

2. Die dogmatischen Probleme, die aus der Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts resultieren Die Ansicht, dass der Gestaltungsklage kein subjektives privates Recht zugrunde liegt, ist nicht nur verfehlt, sie führt auch zu einer Reihe von dogmatischen Folgeproblemen, die typisch für die Behandlung der Gestaltungsklage sind und hier vorgestellt werden sollen.

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Diederichsen, ZZP 91, 397, 437. §§ ohne weitere Kennzeichnung sind solche der ZPO. 31 Bellwinkel, S. 45; Breit, JR 1926, Sp. 761, 779; Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 10; Hueck, § 25 III 1 (S. 376); Schlegelberger-Geßler, HGB4 (Vorauflage), § 133 Rn. 18; Staab, S. 75 (zum insoweit ähnlich gelagerten § 140 HGB). Allerdings trete die Rechtsfolge des § 93 nicht ein, wenn nur einer von den verklagten Gesellschaftern anerkennt, da er allein nicht über den Streitgegenstand verfügen könne, Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 10. Schlegelberger-K. Schmidt (§ 133 Rn. 52) deutet das »Anerkenntnis« einzelner Beklagter als Einverständniserklärung mit der Klageerhebung, so dass die Klage gegen die betreffenden Personen unzulässig werde; s. auch Berger, S. 169 und dort Fn. 99 mit Hinweis auf Stein/Jonas-Leipold21 (Vorauflage), § 63 Rn. 34: »Ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO scheidet in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft mangels Einzelverfügungsbefugnis des Gesellschafters aus«. 32 Dazu s. weiter unten, S. 92ff. 30

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a. Publizistisches Recht auf Gestaltung: isolierte Prozessführungsbefugnis Als erstes Beispiel für ein dogmatisches Folgeproblem, das aus der Verneinung eines privatrechtlichen Klagegrundes resultiert, ist die Vereinbarkeit mit dem auf individuelle Betroffenheit ausgerichteten Zivilprozessrechtssystem zu nennen. Auch die Gegner des subjektiven privaten Gestaltungsklagerechts können nicht leugnen, dass in der Regel33 nicht jedermann die Befugnis hat, die Gestaltung durch Urteil herbeizuführen, sondern dass diese Befugnis nur bestimmten Personen zusteht, die einen engen Bezug zum betreffenden Rechtsverhältnis aufweisen. In prozessualer Terminologie können daraus folgende Schlüsse gezogen werden: Entweder es besteht ein materielles Gestaltungsklagerecht, das nach allgemeinem Grundsatz den Schutz durch die staatlichen Gerichte genießt, eingeklagt durch die berechtigte Person. Oder – wenn dies im Fall der Gestaltungsklage verneint wird – es bleibt noch die Erklärung, dass eine isolierte Prozessführungsbefugnis zur Erhebung der Gestaltungsklage ohne materiellrechtliches Substrat besteht. Dadurch würde ein Bruch im deutschen Rechtsschutzsystem entstehen, wie nachstehend zu erörtern sein wird. Die Ansicht, dass der Gestaltungsklage kein subjektives privates Recht zugrunde liegt, erinnert deutlich an die Lehre vom Rechtsschutzanspruch, angepasst an die gerichtliche Gestaltung34. Auch historisch fallen die Tendenz der Prozessualisten zur publizistischen Deutung der Klagerechte und die Herausarbeitung der abstrakten Rechtsfigur der Gestaltungsklage zusammen35. Die Ansicht, dass Streitgegenstand der Rechtsschutzanspruch sei, kann allerdings heute als überholt gelten36. Ihre Unhaltbarkeit zeigt sich bereits in ihrer notwendigen Konsequenz, nämlich, dass dann das Gericht als der Gegner des Rechtsschutzanspruchs betrachtet werden müsste und es somit über einen gegen es selbst gerichteten Anspruch entscheiden müsste37. Erst Recht unhaltbar ist die Annahme, dass der Rechtsschutzanspruch allein, ohne privates Recht, das gerichtlich geschützt wer33 Mit einigen Ausnahmen, z.B. der Patentnichtigkeitsklage (§§ 81ff. PatG), die eine Popularklage darstellt. 34 Blomeyer, ZPR, § 38 II (S. 190): Wenn überhaupt der Gestaltungsklage ein Recht zugrunde gelegt werden soll, dann wäre dies der Rechtsschutzanspruch; Goldschmidt, FS Brunner, 109, 136f.; Grunsky, Grundlagen, § 5 III 2 (S. 38f.); Henckel, Parteilehre, S. 34; Pflugradt, S. 69, der sich aus diesem Grund gegen einen publizistischen Gestaltungsanspruch ausspricht, S. 71f.; Schlosser, S. 366ff., 374ff.; ähnlich Kisch, S. 73; Stein/Jonas-Schumann, vor § 253 Rn. 43: Erscheinungsform des Justizgewährungsanspruches; Zeiss, Prozesspartei, S. 119, 149, 20f. für die Gestaltungsklagen, die im öffentlichen Interesse die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Zustands bezwecken. 35 S. Picker, S. 27. 36 S. dazu z.B. Henckel, Parteilehre, S. 27f., der jedoch auf S. 34 schreibt, dass das »›Recht auf Scheidung‹ ... nichts anderes (ist) als der Rechtsschutzanspruch in seiner klassischen Form, der Anspruch auf positive Entscheidung, wenn die prozessualen und materiellen Rechtsschutzvoraussetzungen vorliegen«. Dieses »Recht« bildet jedoch seiner Ansicht nach nicht den Streitgegenstand des Scheidungsverfahrens. 37 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 10, insbes. Rn. 126.

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den soll, Gegenstand der Klage ist38. Denn »ein Klagrecht lässt sich ... nicht denken ohne ein Recht, das durch die Klage geltend gemacht werden soll, und welches die Grundlage bildet, von der die Klage ein Ausfluss ist«39. Ähnlich bemerkte Bachof, dass »die Einräumung gerichtlicher Verfolgbarkeit eines rechtlich geschützten Interesses stets die Ausgestaltung und Erhebung desselben zum subjektiven Recht (bedeutet) ... Nur dort ... könnte trotz bestehender Klagemöglichkeit ein subjektives Recht verneint werden, wo der Klageberechtigte kein Eigeninteresse wahrnimmt, sondern – z.B. im Wege einer Popularklage – sich zum Sachwalter fremder Interessen und insbesondere des Gemeininteresses aufzuwerfen ermächtigt ist«40. Zwar wird im deutschen Rechtsschutzsystem regelmäßig der Schluss von der materiellen Rechtsposition zur prozessualen Verfolgungsbefugnis gezogen, gleichwohl bedeutet die Einräumung gerichtlicher Verfolgbarkeit in der Tat ein Indiz dafür, dass ein subjektives Recht vorhanden ist41. Auch ist nicht zu vergessen, dass der Rechtsschutzanspruch bereits von seinem »Erfinder«, Wach, als Mittel zum Zweck der Durchsetzung materiellen privaten Rechts entwickelt wurde42. »Das aber bedeutet, dass der Rechtsschutzanspruch und folglich auch der damit teilidentische Anspruch auf Vornahme der richterlichen Gestaltung niemals zu einer Rechtsgrundlage der Klage werden kann, die einem privaten subjektiven Recht ebenbürtig wäre: das Mittel zum Zweck darf nicht zum Selbstzweck verwandelt werden«43. Dieser Aussage kann vorbehaltlos zugestimmt werden. Durch die Verneinung eines privaten Gestaltungsklagerechts wird die Gestaltungsklage zu einem rein prozessualen Institut ohne materiellrechtliches Substrat »degradiert«. Dies wiederum passt nicht recht in das Schema des Zivilprozesses als eines Verfahrens, das – wenn auch nicht ausschließlich – doch hauptsächlich der Durchsetzung subjektiver Rechte dient44. Die Berechtigung zur Erhebung der Gestaltungsklage wird zur »bloßen Kompetenz«, bzw. zum »Beschwerderecht«. Denn wenn man ein materielles Recht leugnet, ist das gleichbedeutend mit der Zuweisung einer Rechtsmacht, die über die materiellrechtliche Berechtigung 38 Richtig bemerkt K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 23, dass der auf die Gestaltungsklage bezogene Rechtsschutzanspruch und das materielle Gestaltungsklagerecht unterschiedliche Funktionen haben, so dass man nicht entweder nur das eine oder nur das andere bejahen kann. 39 V. Wächter, § 98. 40 Bachof, GS Jellinek, 287, 300. 41 Freilich zeichnet sich die Tendenz ab, die Funktion des Zivilprozesses über die Wahrung subjektiver Rechte hinaus auf die Entscheidung abstrakter Rechtsfragen zugunsten des Institutionenschutzes auszuweiten. Die Bewährung des objektiven Rechts tritt in diesen Fällen nicht lediglich als Nebenprodukt des Schutzes subjektiver Rechte auf, sondern erwächst in eigenständige Bedeutung. Zu diesem Phänomen, das sich hauptsächlich in Form der Verbandsklage äußert, s. Lakkis, S. 114ff. m. Nachw. 42 Wach, Feststellungsanspruch, S. 32; s. auch Hellwig, Anspruch, S. 467. 43 Pflugradt, S. 72. 44 So auch Schilken, ZPR, Rn. 192, der ein subjektiv-öffentliches Recht gegenüber dem Staat mit Recht als systemfremd bezeichnet.

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hinausgeht45. Ein Prozess ist jedoch kein Selbstzweck, sondern dient lediglich der Durchsetzung der materiellen Rechtsordnung und basiert auf individueller materieller Betroffenheit46, das Parteiensystem des Zivilprozesses ist auf die materielle Betroffenheit subjektiver Rechte zugeschnitten, die entweder vom Rechtsinhaber selbst oder von einem Prozessstandschafter geltend gemacht werden. Bemerkenswert ist, dass die wohl herrschende Lehre, die ein privates Recht als Grundlage der Gestaltungsklage ablehnt, diese Problematik nicht thematisiert. Im Bereich der Verbandsklage hat man – um nicht mit dem Prinzip der Verfolgung subjektiver Rechte zu brechen – eigens einen materiellrechtlichen Anspruch der Verbände auf Unterlassung konstruiert, obwohl von denselben Autoren, die dies vertreten, eine individuelle Betroffenheit verneint wird47. Bei der Verbandsklage kann man sich mit der weiter oben erwähnten48 Figur des Institutionenschutzes behelfen: Der Verband klagt zum Schutz des materiellrechtlichen Instituts z.B. des lauteren Wettbewerbs49. Dabei handelt es sich wie gesagt um eine neue Funktion, die dem Zivilprozess zusätzlich zur klassischen Wahrung subjektiver Rechte zukommt. Eine derartige Institutsstandschaft kann man jedoch bei den meisten Gestaltungsklagen nicht konstruieren50, der Gestaltungskläger fungiert hier nicht als »Vertreter« bzw. als Sachwalter von Allgemeininteressen, vielmehr geht es ihm um die Durchsetzung eigener privater Interessen – selbst bei den familienrechtlichen Gestaltungsklagen51. Bei der Frage nach der Grundlage der Gestaltungsklage handelt es sich nicht um eine theoretische Auseinandersetzung, die sich selbst genügt, denn die Verneinung eines subjektiven privaten Rechts als Grundlage der Gestaltungsklage kann zu praktischen Problemen führen. Zum einen ist die Rechtswegproblematik zu nennen52: Wenn kein materielles Gestaltungsklagerecht geltend gemacht wird, sondern nur der öffentliche Anspruch auf Gestaltung als Ausprägung des Rechtsschutzanspruches, wäre eine öffentlichrechtliche Natur der Streitsache anzunehmen, so dass bei der fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung die Zuständigkeit der ordentlichen Zivilgerichte nicht gegeben wäre. Zum anderen – und in dieser Arbeit von großem Interesse – ergäben sich daraus Folgen bei der kollisionsrechtlichen Behandlung ausländischer Gestaltungsurteile. Denn wenn 45

Picker, S. 5 zur Drittwiderspruchsklage. Mit der weiter oben in Fn. 41 genannten Ausnahme des Institutionenschutzes. Zum Zweck des Zivilprozesses s. Gaul, AcP 168, S. 27ff.; Gaul, in: Zivilprozessrecht im Lichte der Maximen, S. 68ff. 47 S. dazu ausführlich Lakkis, S. 106ff. 48 S. Fn. 66. 49 S. dazu ausführlich Lakkis, 114ff., 124ff. 50 Außer vielleicht bei der Klage auf Nichtigerklärung eines Patents. Mit ihr werden keine Ansprüche verfolgt, sondern öffentliche Interessen wahrgenommen, BGHZ 10 (1953), 22, 24; vgl. auch Gaul, FS Nakamura, 137, 139ff. 51 Mit Ausnahme der Klagebefugnis der durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbehörde nach § 1316 I n.F. BGB, s. § 631 III. 52 Darauf stellt Schwab, ZZP 81, 412, 423 ab; s. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 3. 46

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es sich bei der Gestaltungsklage um eine isolierte Prozessführungsbefugnis handelte, dann wird sie bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung nach der lex fori beurteilt werden müssen53, denn das nationale Recht kann subjektive publizistische Rechte nur gegen die innerstaatlichen Gerichte begründen, nicht dagegen auch gegen ausländische54. Eine ähnliche Problematik besteht bei der Feststellungsklage, der auch ein subjektives Recht abgesprochen wird. Vereinzelt wird allerdings heute der Feststellungsklage wieder ein nicht näher definiertes materielles Recht zugrunde gelegt, wenn auch kein Anspruch i.S.d. § 194 BGB55. Auch die vorbeugende Unterlassungsklage wurde teilweise lediglich als besondere prozessuale Rechtsschutzform verstanden, weil man (außervertragliche) Unterlassungsansprüche nicht erfüllen könne56. Heute kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Unterlassungsklage ein materielles subjektives Recht zugrunde liegt57.

b. Mitwirkungsansprüche, die (nur) Schadensersatzansprüche erzeugen Im Bereich des Gesellschaftsrechts (aber auch bei den Gestaltungsklagen des Vollstreckungsrechts, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind) breitet sich die Tendenz aus, materielle Mitwirkungsansprüche des potentiellen Gestaltungsgegners zur Herbeiführung des Gestaltungserfolgs anzunehmen. Die Mitwirkungspflichten erlangen hauptsächlich Bedeutung als Erzeugungsgründe für Sekundäransprüche bzw. als Voraussetzung für die Erzwingung der Teilnahme an den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen58. Durch diese Handhabung wird allerdings der Primäranspruch rechtsschutzlos gestellt59, darüber hinaus muss man sich fragen, ob nicht konsequent ein Anspruch auf Gestaltung, gerichtet gegen den Gestaltungsklagegegner, angenommen werden müsste. In diese Richtung geht die Ansicht, dass »trotz der Herbeiführung der gewünschten Rechtsänderung durch Gerichtsurteil (der Gestaltungsklage) ein entsprechender Leistungsanspruch zugrunde liegt, der jedoch nicht der Vorschrift entnommen werden kann, die die Be53

S. zur entsprechenden Problematik bei der Verbandsklage Lakkis, S. 109. Becker, ZZP 97, 314, 325 und dort Fn. 37. Zu dieser Problematik s. weiter unten im zweiten Teil, S. 304f. 55 So neuerdings E. Habscheid, ZZP 112, 37, 39, allerdings mit irriger Bezugnahme auf Wach, Feststellungsanspruch, der gerade die materiellrechtliche Natur des Feststellungsanspruchs ablehnte und diesen als einen Rechtsschutzanspruch nach Maßgabe des Prozessrechts verstand (S. 15ff., insbes. S. 32). 56 Dagegen Häsemeyer, AcP 188, 140, 153. 57 Eingehend Henckel, AcP 174, 97, 120ff.; Larenz/Canaris, § 87 I 2 (S. 705). 58 Staab, S. 85f. und dort Fn. 114. 59 Nicht zu verwechseln ist diese Problematik mit der Frage, ob ein Vertrag ohne primäre Leistungspflicht entstehen kann, wie dies der Fall ist nach § 311a BGB n.F. (s. dazu Canaris, JZ 2001, 299, 506 sowie Canaris, Unmöglichkeit, 43, 59 und dort Fn. 58). Bei der hier besprochenen Problematik dagegen ist der Primäranspruch vorhanden, er kann nur nicht gerichtlich durchgesetzt werden. 54

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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fugnis zur richterlichen Gestaltung normiert, sondern eine andere Grundlage haben muss«. Dieser Anspruch sei allerdings »nicht einklagbar, jedenfalls nicht mit der Leistungsklage«60. Wenn man lediglich aus der Befugnis, eine Gestaltungsklage zu erheben, also aus dem Gestaltungsklagerecht, auf das Bestehen einer diesbezüglichen materiellrechtlichen Mitwirkungspflicht des Gegners schließen könnte, müssten konsequent auch dort Mitwirkungspflichten angenommen werden, wo die Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung besteht. Es wird jedoch gerade als Merkmal des privaten Gestaltungsrechts angesehen, dass es den Betroffenen nicht zu einem bestimmten Verhalten bzw. zur Einverständniserklärung verpflichtet. Der Sinn des Gestaltungsrechts – wie auch des Gestaltungsklagerechts – liegt gerade darin, der berechtigten Person eine einseitige Rechtsmacht zu verleihen, die ihn unabhängig von den anderen Subjekten der Rechtsordnung stellt. Schadensbewehrte Mitwirkungspflichten werden hauptsächlich im Bereich des Gesellschaftsrechts angenommen: Ungerechtfertigter Widerspruch gegen eine Auflösungsklage nach § 133 HGB und die dadurch hervorgerufene Verzögerung derselben sollen einen Schadensersatzanspruch begründen61. Bei Vorliegen der Voraussetzungen, die eine Gestaltungsklage insbesondere auf Auflösung oder Abänderung eines Rechtsverhältnisses rechtfertigen, sei aus genau denselben Gründen eine Pflicht der Person, gegen die sich die Gestaltungsklage wendet, anzunehmen, z.B. das Amt des geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafters niederzulegen62. Insbesondere in letzterem Fall ist ein Unterschied zu einem Anspruch auf Niederlegung des Amtes, gerichtet gegen den beklagten Gesellschafter, nicht mehr zu erkennen. Schlosser hält eine Mitwirkungspflicht sogar für Gestaltungsklagen für erwägenswert, die der Privatautonomie entzogen sind, wie z.B. den Antrag auf Ehescheidung63. Praktische Konsequenzen hat er jedoch daraus nicht gezogen, vermutlich geht es ihm aber um eine eventuelle Bejahung sekundärer Schadensersatzansprüche. Wenn schadensersatzbehaftete Mitwirkungsansprüche zur Förderung des materiellen Ziels der Gestaltungsklage angenommen werden, muss konsequent auch von einem materiellen Recht des Klägers gegen den Beklagten auf Herbeiführung dieses Zieles ausgegangen werden. Somit lässt sich die wachsende Tendenz zur Bejahung von schadensersatzbewehrten Mitwirkungspflichten des Gestaltungsgegners zur Herbeiführung der Gestaltung nicht mit der Verneinung eines mate60

Lüke, JuS 1969, 301, 307; Lüke, FS Sturm, 1045, 1051. Baumbach/Hopt-Hopt, § 140 Rn. 20; Hueck, § 25 IV 2 (S. 378f.); Lüke, FS Sturm, 1045, 1051; Schlegelberger-Geßler, HGB4 (Vorauflage), § 133 Rn. 27. 62 Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 140 Anm. 10; Lüke, JuS 1969, 301, 306; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 31. 63 Schlosser, Jura 1986, 130, 133f.; s. jedoch Schlosser, S. 372f.; a.A. Hellwig, Lehrbuch, S. 233; Hellwig, Anspruch, S. 466. 61

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riellen Gestaltungsrechts vereinbaren. Denn eine Mitwirkungspflicht, die bei Verletzung sogar zum Ersatz des Verzugsschadens führen kann, ohne die entsprechende materielle Berechtigung einer anderen Person ist geradezu absurd. Durch die Bejahung von materiellen Mitwirkungspflichten wird eigentlich sogar ein großer Schritt in Richtung »Gestaltungsanspruch« gemacht, den der Gegner erfüllen kann, sogar muss, wenn er sich nicht Schadensersatzansprüchen aussetzen will. Die Annahme von Mitwirkungspflichten lässt sich auch nicht mit der vermeintlich prozessualen Natur der »Gestaltungswirkung« vereinbaren: Eine materiellrechtliche Mitwirkungspflicht kann sich nur auf einen materiellrechtlichen Erfolg beziehen. Im Zivilprozess gilt die Dispositionsmaxime, die die Selbstbestimmung des prozessualen Handelns gewährleistet. Eine Verurteilung nach §§ 888 oder 894 zur Erzwingung der Klageerhebung ist nicht zulässig. Auf diese Problematik im Bereich des Gesellschafsrechts wird noch näher zurückzukommen sein64.

c. Kein System in der Wahl des rechtstechnischen Mittels (Gestaltungsrecht, Gestaltungsklage, Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung) Leistungs- und Gestaltungsklage werden heute als Kategorien aufgefasst, die wesensverschieden sind und zwischen denen eine unüberwindbare Kluft liegt. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass sich Gestaltungs- und Leistungsklage in der Sache näher stehen als vermutet, dass sich sogar teilweise die Entscheidung des Gesetzgebers für die eine oder die andere Klageart nicht auf irgendwelche sachlichen Gründe stützt. Insbesondere Gestaltungsklage und Klage auf Abgabe einer Willenserklärung65 können als lediglich unterschiedliche rechtstechnische Instrumente der Grundlagenänderung erfasst werden, die eine gemeinsame Wurzel haben66. Kisch wies sogar darauf hin, dass die richterliche Gestaltung in Anbetracht des § 894 eigentlich überflüssig sei67. Tatsächlich geht es im einen wie im anderen Fall darum, dass die Rechtsordnung einer Person das Recht verleiht, sich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen über die rechtsgeschäftliche Mitwirkung der übrigen betroffenen Personen bei der Gestaltung eines Rechtverhältnisses hinwegzusetzen. Eine weitere Ähnlichkeit in den prozessualen Folgen liegt darin, dass sich beide Urteilsarten nach einem bestimmten Zeitpunkt von dem obsiegenden Kläger verselbständigen: Sobald die Gestaltungsklage nicht mehr zurückgenommen werden kann, wird die Gestaltung eintreten, 64

S. weiter unten, S. 129ff. Dazu eingehend Grau, S. 289ff., 355ff., 370ff., 382ff., 393ff. 66 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 23f., 24: »qualitativ nichts anderes als ein durchsetzbarer Anspruch auf die Abgabe einer Willenserklärung, der vom Gesetzgeber lediglich standardisiert und in die Klagform der Gestaltungsklage überführt ist«; dazu Grau, S. 365ff. 67 Kisch, S. 63. 65

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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auch wenn es sich der Kläger mittlerweile anders überlegt hat. Das Gleiche gilt auch für das Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung, denn mit Eintritt der Voraussetzungen des § 894 gilt die Willenserklärung als abgegeben und der Gläubiger kann den Eintritt dieser Fiktion nicht verhindern, auch wenn er dies wollte68. Damit unterscheiden sich sowohl das Gestaltungsurteil als auch das Urteil nach § 894 von den »normalen« Leistungsurteilen, die nur auf Betreiben des obsiegenden Gläubigers zwangsweise durchgesetzt werden. Von einer dominierenden Rolle des Gläubigers69, die für die Zwangsvollstreckung charakteristisch ist, kann in beiden Fällen nicht die Rede sein. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine »unechte« Gestaltungsklage oder einen Anspruch auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung scheint oft eine zufällige zu sein70. Es fällt nämlich auf, dass die beiden Formen nicht gegeneinander abgewogen werden, um bewusst die Entscheidung für die eine oder die andere zu treffen. Zum Teil werden sogar im Kern verwandte Sachverhalte unterschiedlich behandelt, dazu folgende Beispiele71: Die Auflösung einer handelsrechtlichen Gesellschaft gegen den Willen eines Gesellschafters erfolgt durch Gestaltungsurteil, während die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch Kündigung (§ 723 BGB), die Auflösung einer bürgerlich-rechtlichen Gemeinschaft gegen den Willen eines Teilhabers nach § 749 BGB durch Leistungsklage auf Einwilligung in die Aufhebung der Gemeinschaft erfolgt72. Noch undurchsichtiger wird in letzterem Fall die Abgrenzung zwischen Anspruch auf Mitwirkung und Gestaltungsrecht, wenn man im Gesetz weiterliest: In § 751 BGB ist die Rede von einer Kündigungsfrist, und nicht von einer Frist zur Ausübung des Rechts auf Einwilligung in die Aufhebung73. Auch die Aufhebung der Erbengemeinschaft nach § 2042 I BGB wird durch Klage nach § 894 durchgesetzt und bei der Behandlung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse gelten unterschiedliche Regeln: Anders als bei den Kapitalgesellschaften wird für die Personengesellschaften angenommen, dass ein Beschluss nur dann Bestand hat, wenn er rechtmäßig ist. Die Unwirksamkeit wird nicht durch Gestaltungsklage herbei-

68 Grau, S. 394f. plädiert aus diesem Grunde für die Bejahung des Feststellungsinteresses trotz Möglichkeit der direkten Erhebung einer Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. 69 S. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 1 I 1 (S. 1). 70 Bötticher, Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 129; Kisch, S. 63f. 71 Zum früheren Recht s. Bettermann, Wesen, S. 10ff. (Möglichkeiten der gesetzestechnischen Variationen des Bestandsschutzes anhand von Mieterschutz, Kündigungsschutz im Kleingartenrecht und Pachtschutz). 72 S. z.B. Staudinger-Langhein, § 749 Rn. 13; einige Autoren meinen jedoch, dass der Anspruch aus § 749 BGB nicht primär auf Zustimmung, sondern auf die für die Durchführung der Aufhebung erforderlichen Handlungen gerichtet sei, Palandt-Sprau, § 749 Rn. 2; offen gelassen von Grau, S. 375. 73 Eingehend zur Frage, ob der Anspruch auf Einwilligung in die Aufhebung oder unmittelbar auf Herbeiführung der Aufhebungsfolge gerichtet ist, Gramentz, S. 39ff., 67.

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geführt, sondern ihre Feststellung kann durch Feststellungsklage oder auch inzident im Rahmen einer Vorfragenprüfung erfolgen74. Als zweite Beispielgruppe für den Einsatz unterschiedlicher rechtstechnischer Mittel trotz ähnlicher Sachverhalte sei die Hinterlegung genannt, wenn die Person des Gläubigers nicht feststeht. Wird ein Gegenstand durch mehrere Gläubiger gepfändet, reicht der Erlös nicht für alle aus und sind sich die Gläubiger nicht über die Reihenfolge der Befriedigung einig, muss Widerspruchsklage erhoben werden (§ 878 ZPO, § 115 I ZVG), auf die nach h.M. ein prozessuales Gestaltungsurteil auf Änderung des Teilungsplans ergehen wird75. Wenn jedoch kein Vollstreckungsverfahren stattgefunden hat und lediglich mehrere Gläubigerprätendenten die Leistung an sich beanspruchen, muss der Konflikt durch Leistungsklage auf Einwilligung in die Auszahlung des Betrages, gestützt auf § 812 BGB, gelöst werden76. Bezeichnend ist auch, dass vereinzelt die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen als Klagen auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung gedeutet wurden: »Sowohl der Auflösungsklage wie der Ausschließungsklage liegt ein subjektiver Auflösungsanspruch zugrunde. Der Anspruch ist in jedem Falle ein gesellschaftlicher Anspruch des einen Gesellschafters gegen andere Gesellschafter, eine actio pro socio. ... Der Anspruch ist auf die Abgabe einer Willenserklärung mit bestimmtem Inhalte gerichtet«77. »Seinem Wesen nach deckt sich der Anspruch des persönlich haftenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft auf Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grunde durchaus mit dem Auflösungsanspruche des Gesellschafters einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft (§ 723 BGB)«. Die Unterschiede betreffen »nur die technische Ausgestaltung der Auflösungsklage«78. Auch Becker versteht § 140 HGB als eine Doppelnorm, die sowohl eine materiellrechtliche als auch eine prozessuale Vorgabe beinhalte. Materiellrechtlich erteile die Vorschrift den übrigen Gesellschaftern einen Anspruch »i.S. von § 194 BGB« auf Austritt des Gesellschafters, in dessen Person ein Ausschließungsgrund vorliegt. Die prozessuale Aussage von § 140 HGB laute, dass dieser Anspruch mittels eines gestaltenden Urteils zu verwirklichen sei79. Dieser Doppelcharakter komme im internationalen Rechtsverkehr zutage: Vor einem auslän74 Dagegen wird von K. Schmidt eine Anfechtungsklage zumindest bei allen Mehrheitsbeschlüssen (somit auch bei Personengesellschaften) gefordert, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 II 3 (S. 448f.), § 21 V 2 (S. 647), § 47 V 2 (S. 1397); K. Schmidt, FS Stimpel, S. 217ff.; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 104f. 75 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 59 IV 7 (S. 902); Stein/Jonas-Münzberg, § 878 Rn. 40 m.Nachw. 76 BGHZ 109 (1990), 240, 244. 77 Breit, JR 1926, Sp. 761, 772; s. auch Martin Schwab, S. 227f.: Die Ausschließungsklage als actio pro socio ziele auf einen Gesellschafterbeschluss. 78 Breit, JR 1926, Sp. 761, 769, 771. 79 Becker, ZZP 97, 314, 320f.

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dischen Gericht, das sein eigenes Prozessrecht anwenden werde, trete die prozessuale Vorgabe des § 140 HGB zurück. Das heiße, dass die Entfernung des Gesellschafters aus der Gesellschaft auch durch Verurteilung zur Abgabe einer Austrittserklärung erfolgen könne80. Auch der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG legt Becker einen »dem materiellen Privatrecht zugehörigen Anspruch auf Rechtsänderung« zugrunde81. Die obigen Beispiele deuten darauf hin, dass die beiden Rechtsbehelfe austauschbar und folglich rechtspolitisch gleichwertig sind82. So schrieb in der Tat Schlosser: »In Bezug auf die intendierte Bindungswirkung erscheinen Rechtskraftwirkung und Gestaltungswirkung austauschbar. Die Prozessparteien können in Rechtsbeziehungen zu Dritten auf die Umgestaltung der Rechtslage vertrauen und sich darauf in der Weise berufen, als sei der Dritte durch rechtskräftige Entscheidung daran gebunden«83. »Der Dritte wird durch die Gestaltungswirkung so behandelt, als hätte eine Partei nach der Ausübung eines Gestaltungsrechts einen Feststellungsprozess über die nunmehr im Verhältnis zur anderen Partei bestehende Rechtslage geführt und gewonnen und der Dritte wäre durch Rechtskraftwirkung an das Erkenntnis gebunden. ... Der vom Gesetzgeber gewählte konstruktive Weg für die Herbeiführung einer Drittbindung ist insoweit austauschbar«84. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, ist besonders zu rechtfertigen, warum im einen Fall lediglich eine Bindung im Rahmen der Rechtskraftgrenzen erfolgt, während im anderen Fall eine Bindung inter omnes eintreten soll. Denn nach heutiger Handhabung besteht ein wesentlicher Unterschied in den Rechtsschutzmöglichkeiten betroffener Dritter je nachdem, ob die Änderung der Rechtslage durch das Urteil selbst oder – nach urteilsmäßiger Anordnung – durch Vollstreckungsfiktion erfolgt ist. Dieser Unterschied in den Rechtsschutzmöglichkeiten wird – wenn überhaupt – mit vagen Formulierungen angesprochen, die eher rechtspolitisch sind und letztendlich nicht dogmatisch befriedigen können. Deutlich zutage tritt dies in folgendem Satz, der eigentlich als Begründung für die angebliche umfassende »Gestal80 Becker, ZZP 97, 314, 321. Allerdings spricht Becker in einem anderen Aufsatz (AcP 188, 24ff.) von der »Besonderheit der verfahrensrechtlichen Einkleidung der Durchsetzung (des) Gestaltungsrechts im Wege der Klage«, obschon er gleichzeitig dazu mahnt, die »echte Mitwirkungspflicht hinsichtlich des begründeten Umgestaltungsverlangens des Gestaltungsberechtigten« nicht zu vergessen (S. 32). Somit bleibt unklar, ob die materiellrechtliche Komponente des § 140 HGB seiner Ansicht nach lediglich eine Mitwirkungspflicht begründet oder sowohl ein materielles Gestaltungsrecht als auch eine Mitwirkungspflicht, wie seinem erstgenannten Aufsatz zu entnehmen ist. 81 Becker, ZZP 97, 314, 330 (Hervorhebung von Verf.). Nicht zu befürworten ist allerdings seine Folgerung, dass aus diesem Grund der Auflösungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn der Kläger nicht vorrangig versucht habe, seine Mitgesellschafter zu einem Auflösungsbeschluss zu bewegen (S. 330). 82 Schlosser, Jura 1986, 130, 133. 83 Otte, S. 61. 84 Krause, S. 45.

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tungswirkung« gedacht war: »Konkrete Aussagen über Art und Umfang der Bindungswirkung lassen sich den gestaltenden materiellrechtlichen Normen zwar nicht entnehmen. Wegweisend ist jedoch der dem Gestaltungscharakter immanente Normzweck, in der Frage der Umgestaltung der Rechtslage für alle Privatrechtssubjekte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen«85. Ähnlich bemerkt Krause zwar richtig, dass »die subjektive Reichweite von Drittbindungen ... schwerlich allein von ihrer konstruktiven Einordnung als Gestaltungs- oder Rechtskraftwirkung abhängen (kann)86« meint jedoch, dass »sich den jeweiligen Gesetzesregelungen über Gestaltungsprozesse der gemeinsame übergreifende Zweck entnehmen (lässt), Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über die nach seinem Abschluss bestehende Rechtslage zu schaffen«. Hieraus sei zu schließen, dass »die neue rechtliche Situation grundsätzlich für und gegen jedermann und nicht nur für und gegen die Parteien gelten soll«87. Sogar Hellwig sah es als das wesentliche Argument gegen die Theorie vom Doppeltatbestand an, dass sonst Dritte frei wären, den Eintritt der Gestaltung zu bestreiten, da sie nicht an den feststellenden Inhalt des Urteils gebunden sind88. Das ist jedoch eine petitio principii, die eigentlich nicht ausreichen sollte, um einen derartigen Unterschied in den Rechtsschutzmöglichkeiten zu rechtfertigen. Die Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit der Folgen ist noch größer in den Fällen, in denen umstritten ist, ob eine Klage als Gestaltungsklage oder als Leistungsklage einzustufen ist. Dies ist besonders misslich, denn: »Die praktische Frage nach dem Personenkreis, der von der Wirkung des Urteils erfasst wird, kann ... nicht abhängig gemacht werden vom Ausgange eines theoretischen Streits über ›Wesen und Rechtsnatur‹. Und ferner bedenke man, wie willkürlich oft die Entscheidung des Gesetzgebers darüber ist, ob er die Gestaltung, insbesondere die Auflösung eines Rechtsverhältnisses, in die Hand des Richters oder in die der Parteien gelegt hat«89. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass es nicht logisch zwingend vorgegeben ist, wie eine Gestaltung rechtstechnisch herbeigeführt wird. Oft scheint die Wahl des rechtstechnischen Mittels sogar willkürlich zu sein. Angeblich ist die Gestaltungsklage die juristisch-technisch elegantere Lösung gegenüber einer auch denkbaren »Anspruchskonstruktion«90. Im Hinblick auf die Probleme, welche die Konstruktion der Gestaltungsklage aufwirft und welche noch eingehend zu erörtern sein werden, muss dies jedoch angezweifelt werden. 85

Otte, S. 61f. Krause, S. 44. 87 Krause, S. 44. 88 Hellwig, System, § 228 III 2 d (S. 776). 89 Bettermann, S. 99. Auch Bötticher, Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 129 bemerkt, dass die Auflösung der OHG durch Gestaltungsurteil »beinahe zufällig (wirkt) angesichts der im gleichen Fall dem Gesellschafter der BGB-Gesellschaft eingeräumten außerordentlichen Kündigung«, s. auch dort S. 144. 90 Lüke, JuS 1969, 301, 305. 86

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Besonders willkürlich erscheint die Wahl des rechtstechnischen Mittels der Gestaltungsklage in einigen Fällen, in denen materiellrechtliche Leistungsansprüche existieren, die jedoch nicht durch eine Leistungsklage eingeklagt werden können, weil das Gesetz die Erhebung einer Gestaltungsklage vorschreibt, die die Leistungsklage »verdrängt«. Insbesondere ist dies der Fall bei der Verlängerung des Mietverhältnisses aus sozialen Gründen: Primär hat der Mieter einen materiellen Anspruch auf Zustimmung zur Verlängerung. Wenn der Vermieter diesen Anspruch nicht erfüllt, ist er jedoch nicht im Wege einer Leistungsklage nach § 894 einklagbar, sondern das Mietverhältnis wird durch Gestaltungsurteil verlängert (§ 574a II BGB). Dadurch nimmt bei genauer Betrachtung das Gestaltungsurteil die Funktion der Vollstreckung des Verlängerungsanspruchs ein91. So sieht Schlosser im Klagerecht aus § 574a BGB »einen Vollstreckungsanspruch zur Durchsetzung eines materiellen Anspruchs«92. Auch die Drittwiderspruchsklage muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, obwohl sie nicht unmittelbar zum Gegenstand dieser Arbeit zählt. Hier interessiert, dass nach einhelliger Meinung das »die Veräußerung hindernde Recht« weder Streit- noch Entscheidungsgegenstand ist93, so dass nicht rechtskräftig über die materielle Berechtigung des Drittwiderspruchsklägers entschieden wird. Wenn man die Drittwiderspruchsklage aus der Warte des Dritten Klägers betrachtet, der als Eigentümer interveniert, ergibt sich folgendes Bild: Er hat durch die Pfändung sein Eigentumsrecht nicht verloren, so dass ihm eigentlich ein materiellrechtlicher Anspruch auf Herausgabe, zumindest auf Freigabe der gepfändeten Sache zustünde94. Diesen vorhandenen Anspruch kann er jedoch wegen der öffentlichrechtlichen Verstrickung der gepfändeten Sache nicht gerichtlich durchsetzen, sondern er ist auf eine (nach h.M.) prozessuale Gestaltungsklage angewiesen, nämlich die Drittwiderspruchsklage nach § 77195. Zum Verhältnis von Klage nach § 894 und Gestaltungsklage wird geschrieben, dass Ansprüchen auf Abgabe einer Willenserklärung »nicht immer ein Leistungsurteil entsprechen (muss)«, da zwischen Leistungsurteil auf Abgabe einer Wil91

Schlosser, S. 368. Schlosser, S. 368, 372. Das gleiche gelte auch für das Klagerecht einer verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage; dagegen Rosenberg/Gaul/Schilken, § 6 I (S. 70f.). 93 S. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 X 3 (S. 692) m.Nachw. 94 Die Aussage des Bundesgerichtshofs, die Herausgabeklage sei unzulässig, weil wegen der öffentlichen Verstrickung keine Vindikationslage bestehe [BGHZ 100 (1987), 95, 103f.] ist ein Zirkelschluss, der wohl dazu dient, die beabsichtigte Folge mit einer dogmatischen Begründung zu untermauern. Denn die Verstrickung allein bringt noch nicht das Eigentumsrecht bzw. das sonstige legitimierende Recht des Dritten zum Erlöschen. Der Gläubiger wird zumindest mittelbarer Besitzer, und dies – mangels Pfändungspfandrechts – ohne Besitzrecht (vgl. dazu Gaul, ZZP 110, 3, 16f.), so dass durchaus materiellrechtlich eine Vindikationslage besteht, nur dass der Rechtsbehelf nach § 771 ZPO als speziellerer Rechtsbehelf im Verhältnis zu § 985 BGB erachtet wird. 95 Allg. M., s. nur Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 XII 2 (S. 697) mit Nachw. 92

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lenserklärung und Gestaltungsurteil kein »unüberbrückbarer Unterschied« bestehe96. Wenn man diese Aussage konsequent weiterführt, wird in diesen Fällen Grundlage der Gestaltungsklage ein Leistungsanspruch sein, mit aller Konsequenz für die Bestimmung des Streitgegenstands. Allerdings wird diese Konsequenz nicht gezogen, so dass sowohl bei der Kündigungsschutzklage als auch bei der Drittwiderspruchsklage der Streitgegenstand der Gestaltungsklage nach h.M. ein anderer ist als bei der Leistungsklage, die durch sie verdrängt wird. Damit wird auch der Gegenstand der rechtskräftigen Feststellung unterschiedlich sein, so dass darüber nachgedacht werden muss, ob es in derartigen Fällen nicht zu einer Rechtsschutzverkürzung97 kommen kann: In der gegebenen Vollstreckungssituation kann der Dritte keine Leistungsklage erheben. Die einzige Möglichkeit, die ihm bleibt, nämlich Drittwiderspruchsklage zu erheben, verhilft ihm jedoch nach allgemeiner Meinung nicht zu einer rechtskräftigen Feststellung seiner Eigentümerposition98. Somit wird dem Dritten in dieser Lage die Möglichkeit genommen, einen positiven rechtskräftigen Ausspruch über sein Eigentümerrecht zu erwirken. Zwar wird in Anlehnung an die Handhabung bei der Vollstreckungsgegenklage vertreten, dass ein rechtskräftiger Ausspruch über »das die Veräußerung hindernde Recht« erlangt werden könne, wenn Zwischenfeststellungsklage nach § 256 II erhoben wird99. Jedoch ist fraglich, ob eine Zwischenfeststellungsklage z.B. bezüglich des Eigentumsrechts des Dritten, gerichtet gegen den Gläubiger der Zwangsvollstreckung, vereinbar ist mit dem Grundsatz, dass die Drittwiderspruchsklage ein ausschließlicher Rechtsbehelf ist und dass materiellrechtliche Klagen während der Dauer der Zwangsvollstreckung neben der Klage aus § 771 ausgeschlossen sind. Auch § 771 II verbessert kaum die Rechtsschutzmöglichkeiten des Dritten. Es wird zwar gelehrt, dass § 771 II den Sinn habe, dass der Dritte gegen den Schuldner Herausgabeklage erheben könne, die mit der Drittwiderspruchsklage verbunden werden könne100. Da sich die Drittwiderspruchsklage nicht gegen den Schuldner richten kann, könne sie auch nicht Herausgabeklagen gegen diesen verdrängen. Jedoch wird der Schuldner regelmäßig101 aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage sein, einen Herausgabeanspruch zu erfüllen, was im Voraus feststeht, so dass für eine Herausgabeklage gegen den Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte, denn sie ist aussichtslos und mit ihr kann das Rechtsschutzziel nicht

96

S. z.B. Grau, S. 382 mit Hinweis auf Braune, Werner, Gibt es eine Zwangsvollstreckung aus Verurteilungen zur Abgabe einer Willenserklärung? (Diss. Jena 1932), S. 12 (zur Ehescheidung). 97 Statt der angeblichen Erleichterung der Rechtsverfolgung durch die Gestaltungsklage. 98 S. statt aller Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 X 3 (S. 692) mit Nachw. in dort Fn. 365. 99 Bruns/Peters, § 16 III a.E.; Gaul, FS BGH, 521, 533; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 XII 3 (S. 697f.); Stein/Jonas-Münzberg, § 771 Rn. 6. 100 S. z.B. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 VIII 1 b (S. 687) m.Nachw. 101 Außer im Ausnahmefall der Gewahrsamsmissachtung, die lediglich eine Erinnerungsbefugnis begründet.

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erreicht werden. Am ehesten ist eine Feststellungsklage denkbar, falls der Schuldner bestreitet, dass der gepfändete Gegenstand dem Dritten gehört102. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Wahl zwischen Gestaltungsklage, rechtsgeschäftlichem Gestaltungsrecht und Leistungsklage oft eine unbegründete oder gar willkürliche ist, was jedoch bei dem gängigen diametral unterschiedlichen Bindungsumfang zur erheblichen Rechtsschutzverkürzung führt, wo als rechtstechnisches Mittel die Gestaltungsklage eingesetzt wird.

d. Ähnliches Problem: Abgrenzung Anfechtungs- /Verpflichtungsklage im Verwaltungsrecht Ähnlich wie im Zivilrecht die Gestaltungsklage außerhalb bestehender positiver Verbote durch eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung oder auf sonstige Handlung oder Unterlassung ersetzt werden kann, besteht im Verwaltungsrecht eine Verwandtschaft zwischen der Anfechtungsklage als Gestaltungsklage und der Verpflichtungsklage, die eine eigenartige Klageform ist, die den Zivilrechtler an die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung erinnert. Zur verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage, die nach herrschender Meinung eine Gestaltungsklage ist, ist zu erwähnen, dass ein gegen die erlassende Behörde gerichteter Anspruch auf Rückgängigmachung des rechtswidrigen Verwaltungsakts angenommen wird. Es wird nämlich mit guten Gründen vertreten, dass die Anfechtungsklage zwar als Gestaltungsklage konstruiert ist (§ 113 I 1 VwGO), in der Sache jedoch durch sie der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt beeinträchtigten Staatsbürgers durchgesetzt wird103, was sich auch in der Streitgegenstandsbestimmung niederschlägt104. Damit scheint der Unterschied zwischen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eher formaler Natur zu sein, ein Unterschied in der Rechtstechnik, ähnlich wie der Unterschied zwischen Gestaltungsklage und Klage auf Abgabe einer Willenserklärung. Die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unter zwei verschiedenen Blickwinkeln möglich: Die eine Möglich-

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Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 VIII 1 b (S. 687). Vgl. Lüke, JuS 1967, 1, 2f. m.Nachw.; Lüke, JuS 1969, 301, 307 und dort Fn. 49. 104 Das BVerwG sieht – wie im Zivilprozess – den Streitgegenstand bestimmt durch Klageantrag und -grund, s. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2004, Az: 1 WB 38/03, juris Datenbank; BVerwG, NVwZ 2001, 818, 819; BVerwG, ZOV 2000, 425 – Zunehmend wird jedoch in der Lehre davon ausgegangen, dass auch die Verletzung eines subjektiven Rechts und der Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts festgestellt werden, s. Schenke, VerwPR, Rn. 610 sowie die fehlende Befugnis der Behörde zum Erlass des aufgehobenen Verwaltungsakts (wichtig, wenn ein neuer Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen wird), s. Kopp/Schenke, § 121 Rn. 21 sowie näher zum Streitgegenstand der Anfechtungsklage dort § 90 Rn. 8. 103

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keit ist, auch in der Verpflichtungsklage eine Gestaltungsklage zu sehen105. Dann werden die Rechtsfolgen, wenn die notwendige Beiladung unterblieben ist, auf den Verpflichtungsprozess zu übertragen sein. »Unwirksamkeit tritt auch nur ein, wenn das Urteil solche Gestaltungswirkung haben soll, sei es unmittelbar im Anfechtungsprozess, sei es mittelbar durch Verpflichtung der Behörde zur Gestaltung durch VA«106. Wie im Zivilprozess wäre das materiellrechtliche Ergebnis einer erfolgreichen Anfechtungsklage auch zu erreichen über eine Verpflichtungsklage zur Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts, die nach zivilrechtlichem Verständnis eine Leistungsklage wäre107. Die liegt sogar nahe, wenn man berücksichtigt, dass zum Streitgegenstand der Anfechtungsklage zunehmend auch ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts angenommen wird108. Zu weit geht es aber, in der Anfechtungsklage nur die Verwirklichung des Vollstreckungsanspruchs auf Aufhebung des Verwaltungsakts zu sehen109. Abschließend soll auch die Ansicht erwähnt werden, das stattgebende Anfechtungsurteil sei ein Feststellungsurteil110, die jedoch auf der nicht zutreffenden Begründung basiert, dass festgestellt werde, »dass die streitige Rechtsfolge zu dem im Verwaltungsakt genannten Zeitpunkt entgegen der Ansicht der Behörde nicht eingetreten ist«. Die Rechtsfolge ist aber wohl eingetreten, lediglich durch rechtswidrigen Vorgang. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass im Gesellschaftsrecht die der Verpflichtungsklage des Verwaltungsrechts vergleichbare »positive Beschlussfeststellungsklage«, die darauf wirkt, dass ein im Antrag genau bestimmter Beschluss als gefasst gelten soll und mit dem Antrag auf Nichtigerklärung verbunden werden kann, als eine Gestaltungsklage aufgenommen wird111. So eindeutig wie oft

105

So z.B. Redeker/v. Oertzen, § 65 Rn. 22 (mittelbare Gestaltungswirkung des Urteils, das die Behörde zur Gestaltung durch Verwaltungsakt verpflichtet). 106 Redeker/v. Oertzen, § 65 Rn. 22. 107 Nach Bachof sei das Urteil, das einer Anfechtungsklage stattgibt, zwar der Form nach ein negatives Gestaltungsurteil, dem Wesen nach jedoch stehe es einem Feststellungsurteil gleich, das die Unbegründetheit des vom Staat mit dem Verwaltungsakt geltend gemachten Anspruchs, der darin enthaltenen Feststellung oder der damit vorgenommenen Gestaltung ausspreche (S. 56). Die Verpflichtungsklage ordnet Bachof als eine Unterart der Leistungsklage ein (S. 59). 108 S. weiter oben, Fn. 104. 109 So aber Schlosser, S. 372; gegen das Grundkonzept Schlossers Rosenberg/Gaul/Schilken, § 6 I (S. 70f.). 110 Martens, DöV 1970, 476, 478. 111 Hachenburg/Raiser, Anh. § 47 Rn. 246; K. Schmidt, GesR, § 28 IV 5 e (S. 860); K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2020; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 Rn. 43; Roth/Altmeppen, § 47 Rn. 156; Rowedder-Koppensteiner, § 47 Rn. 153; Scholz-K. Schmidt, § 45 Rn. 45. Wenn der Leiter der Gesellschafterversammlung einer GmbH nicht das rechtliche Beschlussergebnis festgestellt hat, ist nach BGH (NJW 1996, 259) nur eine Feststellungsklage auf Feststellung, dass ein Beschluss eines bestimmten Inhalts gefasst wurde, zulässig; K. Schmidt, GmbHR 1992, 9, 12 hält daneben auch eine Anfechtungsklage mit verbundener positiver Beschlussfeststellungsklage für zulässig.

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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angenommen wird, lassen sich demnach Leistungs- und Gestaltungsklage nicht voneinander unterscheiden.

3. Eigene Ansicht: materielles Gestaltungsklagerecht Nach hier vertretener Ansicht liegt der Gestaltungsklage ein materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde. Ob man das Gestaltungsklagerecht als Sonderform des Gestaltungsrechts einordnet, wie dies die materiellrechtliche Literatur zu tun scheint, ist Geschmackssache. Wesentlich ist die Feststellung, dass das Gestaltungsklagerecht eng mit dem rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrecht verwandt, jedoch nicht damit gleichzusetzen ist. Der einseitigen rechtsgeschäftlichen Gestaltung ohne Zwischenschaltung des Gerichts liegt unumstritten ein privates Gestaltungsrecht zugrunde. Ein Gestaltungsrecht ist das einer bestimmten Person zustehende Recht, die Rechtslage ohne Mitwirkung des anderen Teils zu verändern, insbesondere ein Rechtsverhältnis entweder zustande zu bringen oder näher zu bestimmen, zu ändern, zu beenden oder aufzuheben112. Es handelt sich somit um die Rechtsmacht, einseitig Rechtsfolgen herbeizuführen, und zwar ohne Zustimmung der Personen, deren Rechtskreis dadurch betroffen wird. Es findet eine Unterwerfung unter einen fremden Willen statt113. Aus diesem Grund spricht man sogar von einem Einbruch in das materielle Vertrags- und Mitwirkungsprinzip114. Bis hierhin trifft die Beschreibung des Gestaltungsrechts auch auf das Gestaltungsklagerecht zu. Gemeinsam ist beiden Rechten die Rechtsmacht, ohne die Mitwirkung des Gestaltungsgegners Rechtsfolgen herbeizuführen, die eigentlich seiner Zustimmung bedürften, da er in seinem Rechtskreis betroffen wird. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen rechtsgeschäftlichem Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht, der in dem Merkmal der Unmittelbarkeit liegt: Das rechtsgeschäftliche Gestaltungsrecht befähigt den Berechtigten, die Gestaltung allein durch die Gestaltungserklärung, d.h. unmittelbar herbeizuführen. Von einigen Autoren wird im Einklang damit für die Bejahung eines Gestaltungsrechts das Merkmal der Unmittelbarkeit gefordert115. Daher tragen sie Bedenken, in der Erhebung der Gestaltungsklage eine qualifizierte Form der Ausübung eines Gestaltungsrechts zu sehen.

112 S. z.B. Enneccerus/Nipperdey I, § 73 I 3 (S. 441ff.); Flume, Das Rechtsgeschäft, § 11 3 (S. 137); vgl. dazu Gaul, FamRZ 1963, 630, 632f. m.w.Nachw.; Larenz/Wolf, § 15 Rn. 65. 113 Bötticher, FS Dölle, 41, 56; Bötticher, Unterwerfung, passim. 114 Bötticher, FS Dölle, 41, 45; Bötticher, Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 129; Staab, S. 68; ähnlich Medicus, § 12 Rn. 81: Abweichung vom schuldrechtlichen Vertragsprinzip. 115 S. Gaul, FamRZ 1963, 630, 632f. m.Nachw., insbes. im Anschluss an v. Tuhr, dort aber gerichtet gegen die – unhaltbare – Lehre Seckels vom »Doppeltatbestand«.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Ob das Merkmal der Unmittelbarkeit zum Gestaltungsrecht gehört oder nicht, wird keineswegs vom Gesetz oder der (rechtlichen) Logik diktiert. Daher kann dieser Punkt auch nicht ausschlaggebend sein, um ein subjektives privates Gestaltungsklagerecht zu verneinen. Nichts hindert daran, die Gruppe der Gestaltungsrechte in zwei Untergruppen zu teilen: diejenigen, die rechtsgeschäftlich und damit unmittelbar ausgeübt, und diejenigen, die nur auf dem Klageweg verwirklicht werden können116. Das ist auch die überwiegende Betrachtungsweise in der materiellrechtlichen Literatur117. Um trotzdem eine begriffliche Klarheit zu gewährleisten, ist es sinnvoll, den Begriff »Gestaltungsrecht« der unmittelbar auszuübenden einseitigen Rechtsmacht vorzubehalten und ansonsten von einem »Gestaltungsklagerecht« zu sprechen. Um auf die Differenzierung zwischen Recht zur Gestaltung und Recht auf Gestaltung zurückzukommen118, kann man insofern bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung von einem Recht zur Gestaltung sprechen. Wo die Erhebung einer Gestaltungsklage vorgesehen ist, hat der Berechtigte gerade nicht die Möglichkeit, die Rechtsänderung unmittelbar herbeizuführen, er muss vielmehr den Klageweg bestreiten. Damit steht ihm zumindest und erstmal ein Recht auf Gestaltung zu, das gegen das Gericht gerichtet ist. Bei diesem Recht handelt es sich um nichts anderes als um den Rechtsschutzanspruch. Allerdings ist im Anschluss an die sich ausweitende Tendenz im prozessualen Schrifttum anzunehmen, dass sich die Gestaltungsklage – wie die einseitige rechtsgeschäftlich ausgeübte Gestaltung – nicht im Rechtsschutzanspruch erschöpft, sondern sich auf ein materielles Gestaltungsklagerecht stützt119. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Gestaltung rechtsgeschäftlich – wenn auch nicht einseitig – ohne gerichtliches Verfahren herbeigeführt werden kann, z.B. bei der Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft, die statt durch Gestaltungsurteil durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss erzielt werden kann. Damit kann durch rechtsgeschäftliche 116

In diesem Sinne wohl auch Gaul, FamRZ 1963, 630, 633f. Dazu s. bereits weiter oben, S. 10. 118 Zur Differenzierung zwischen öffentlichrechtlichem Anspruch auf Gestaltung und Recht zur Gestaltung s. bereits weiter oben, S. 13. 119 AK-ZPO-Wassermann, vor § 253 Rn. 2; Baumbach-Hartmann, Grundz. § 253 Rn. 10; Becker, ZZP 97, 314, 317 (für die Auflösungsklage des § 61 GmbHG); Bötticher, FS Dölle, 41, 54f.; (in Deutsche Rechtswissenschaft 7, 125, 143f. schreibt jedoch derselbe, dass kein »Recht« zur Gestaltung bestehe, weder gegenüber dem Gegner, noch gegenüber dem Staat); Bruns, Rn. 132; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 3; Schellhammer, Rn. 197; Schilken, ZPR, Rn. 192; Thomas/Putzo-Reichold, Vorbem. § 253 Rn. 5; Lüke, JuS 1969, 301, 305 bejaht ein privates Gestaltungsrecht bei den unechten Gestaltungsklagen, weil man sonst der Intention des Gesetzgebers, die Position des Gestaltungsberechtigten zu verbessern, nicht gerecht werden könnte. Worin genau praktisch die Benachteiligung des Gestaltungsberechtigten bei Annahme lediglich eines Klagerechts läge, lässt er offen; MünchKommZPO-Lüke, vor § 253 Rn. 29: ein privates Gestaltungsklagerecht bestehe auch bei der Scheidungsklage, da die Ehegatten »nach geltendem Recht auf die Scheidung der Ehe Einfluss nehmen können«. Die Scheidungsklage bleibe jedoch trotzdem eine echte Gestaltungsklage, da ihr Ergebnis nicht durch rechtsgeschäftliche Handlung ersetzt werden könne; Westermann, Hdb. Teil I Rn. 641: »Recht des Gesellschafters auf Auflösung«. 117

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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Handlung120 das gleiche materielle Ergebnis erzielt werden wie durch das Urteil121. Ein zusätzliches Indiz für die privatrechtliche Natur des Gestaltungsklagerechts liefert die Tatsache, dass es – außerhalb der Statusverhältnisse – zugunsten einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung (z.B. Kündigung) abbedungen werden kann, der unzweifelhaft ein materielles Gestaltungsrecht zugrunde liegt122. Insbesondere bei den Gestaltungsklagen des Handelsrechts kann man von einer Austauschbarkeit von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht sprechen123. Es wäre somit widersinnig, im Fall der Gestaltungsklage jegliche materielle Rechtsinhaberschaft zu verneinen124. Zu prüfen ist die materielle Rechtsgrundlage auch bei der Ausschließungsklage nach § 140 HGB. Hier müssen »die übrigen Gesellschafter« die Ausschließung eines Gesellschafters beantragen125 – dabei handelt es sich um die prozessuale Entsprechung der materiellen Berechtigung, die auch bei den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich liegt. Dies wird auch bei § 737 S. 2 BGB deutlich: »Das Ausschließungsrecht steht den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu«. Es handelt sich um eine Problematik der Gesamthand, wenn auch im Innen-, nicht im Außenverhältnis, wo sie meist relevant wird. Die OHG ist nach ganz h.M. (und trotz § 124 HGB, der wohlgemerkt das Außenverhältnis betrifft) keine juristische Person, sondern eine Gesamthandsgemeinschaft. Man kann sogar sagen, dass § 124 HGB ein Indiz für die fehlende rechtliche Persönlichkeit liefert, denn diese Vorschrift wäre bei einer juristischen Person nicht erforderlich. Während § 124 HGB, der die Möglichkeit des Auftretens unter einem Firmennamen eröffnet, die OHG im Ergebnis in Richtung juristische Person steuert, bildet 120 Die Frage nach der Rechtnatur des Gesellschafterbeschlusses kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. 121 Freilich kann die rechtsgeschäftliche Vorgehensweise keine prozessuale Bindung, insbesondere keine Rechtskraft, erzeugen, worin der große Vorteil der gerichtlichen Geltendmachung zu sehen ist. Damit kann die rechtsgeschäftliche Einigung die Gestaltungsklage nicht wirklich ersetzen. Gleichwohl kann man im weiteren Sinne von einer Austauschbarkeit von Gestaltungsurteil und Gesellschafterbeschluss sprechen, in dem Sinn, dass beide das gleiche materielle Ergebnis herbeiführen können. Dieses Phänomen beschränkt sich freilich nicht auf die Gestaltungsklage. In allen Fällen, in denen das Rechtsverhältnis nicht der Privatautonomie entzogen ist, kann durch rechtsgeschäftliche Einigung das materielle Ergebnis erreicht werden, das sonst durch Klageerhebung angestrebt werden kann bzw. muss. 122 Staab, S. 78. 123 Staab, S. 82. 124 Niese, S. 35; Staab, S. 82, 87. 125 Dass bei der Ausschließungsklage der auszuschließende Gesellschafter nicht auch die Klage erheben muss, entspricht dem allgemeinem Rechtsgrundsatz, dass in einer Personenmehrheit ein Gesellschafter von der Entscheidungsbildung ausgeschlossen wird, der in einer Interessenkollision zur beabsichtigten Maßnahme gegen ihn aus wichtigem Grund steht, insbesondere, wenn über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn entschieden wird, s. BGH, WM 1983, 60; BGH, WM 1974, 834, 835; z.B. MünchKomm-Ulmer, § 709 Rn. 65; Heymann-Ulmer, § 119 Rn. 22.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

§ 140 HGB die Rückkehr zum Grundsatz, dass bei der Gesamthand die Rechte allen Gesellschaftern in ihrer Verbundenheit zustehen. Meist wird die vermögensrechtliche Erscheinung der Gesamthandsgesellschaft in den Vordergrund gerückt126. Bei der Frage nach dem Ausschließungsrecht ist jedoch eher die Personenverbundenheit der Gesellschafter tangiert. Die dogmatische Einordnung der Rechtsträgerschaft in der Gesamthand, insbesondere in der OHG, ist nicht eindeutig. Bezeichnend ist die Feststellung Flumes, es lasse »sich nicht mit Sicherheit sagen, wie derzeit der wirkliche Meinungsstand zur Gesamthandsfrage« sei127. Jedoch kann als gemeinsamer Nenner aller Erklärungsversuche betrachtet werden, dass ein Recht nicht einer einzelnen Person, sondern mehreren Rechtssubjekten gemeinsam zugeordnet wird128. Vorzugswürdig erscheint das Modell von Flume129. Er bezeichnet zutreffend die Gesamthändler als eine Gruppe, die nicht als Person oder als Zwischenstufe zu einer Person zu verstehen ist, sondern als »die Gesamthänder selbst, die zu einem bestimmten Zweck, als Gesellschaft, Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft etc. vereinigt sind«130. »Die Gruppe ist als solche Rechtssubjekt. Mit diesem Terminus sollte jedoch nicht die Assoziation der Personenhaftigkeit verbunden werden. Die Gruppe ist auch als Rechtssubjekt nichts anderes als die Mitglieder der Gruppe in ihrer Verbundenheit. Der Terminus ›Gruppe‹ bringt aber besser zum Ausdruck, dass die Gesamthand Rechtssubjekt ist, als wenn man nur von den Gesamthändern in ihrer Verbundenheit spricht«131. Es ist zu prüfen, ob die Ausschließung eines Gesellschafters auf einem derartigen gemeinschaftlichen Recht basiert. Als erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Ausschließung eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft eine einschneidende Änderung der Vertragsgrundlage und nicht lediglich eine Geschäftsführungsmaßnahme darstellt132. Sie betrifft damit unmittelbar die Gesamthand und nicht etwaige rein schuldrechtliche Beziehungen der Gesellschafter zueinander. Deswegen kann das Ausschließungsrecht nicht jedem Gesellschafter als Individualrecht zustehen, sondern nur allen übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich. Dieser materiellen Inhaberschaft entspricht auch die Regelung des § 140 HGB, der die gemeinsame Klageerhebung vorsieht133. Auch die Parallele zur BGB-Ge126

S. dazu Flume, Personengesellschaft, § 4 (S. 50ff.). Flume, Personengesellschaft, § 4 II (S. 54). 128 S. z.B. Larenz/Wolf, § 9 Rn. 74. 129 Flume, Personengesellschaft, § 4 II (S. 54ff.). 130 Flume, Personengesellschaft, § 4 II (S. 56). 131 Flume, Personengesellschaft, § 4 II (S. 56f.). 132 Flume, Personengesellschaft, § 15 III (S. 275): eine der bedeutendsten Änderungen des gesellschaftsvertraglichen Status der Gesellschaft. 133 Martin Schwab geht dagegen davon aus, dass »in Abweichung vom Gesetzeswortlaut« das Ausschließungsrecht der Gesellschaft zusteht, S. 197ff., 226; – Zur Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein materielles Recht zur gemeinsamen Hand im Außenverhältnis, auch nur gemeinsam in materiellrechtlich notwendiger Streitgenossenschaft prozessual geltend gemacht werden kann, s. weiter unten, S. 147. 127

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sellschaft zeigt, dass der Ausschließungsklage als prozessualer Entsprechung der materiellrechtlichen Regelung des § 737 S. 2 BGB ein gemeinschaftlich auszuübendes Gestaltungsklagerecht zugrunde liegt134. Es fragt sich, ob etwas anderes für die Entziehung der Vertretungs- oder Geschäftsführungsbefugnis gilt, da diese richtigerweise keine Änderung der Grundlagen der Gesellschaft darstellt, sondern eine außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahme135. Auch hier besteht richtigerweise kein Individualrecht des einzelnen Gesellschafters, sondern ein Entziehungsrecht zur gesamten Hand. Denn Geschäftsführungsmaßnahmen werden unmittelbar nicht zugunsten der einzelnen Gesellschafter durchgeführt, sondern zugunsten der Gesellschaft als Gesamthand. Damit steht das Recht zur Entziehung der Vertretungs- oder Geschäftsführungsbefugnis den übrigen Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. Auch die Auflösung zielt auf eine Veränderung der Gesellschaft, und zwar auf die radikalste Veränderung überhaupt, nämlich die Beendigung. Weil hier – anders als bei der Ausschließungsklage – nicht lediglich eine Veränderung der gesellschaftlichen Grundlage bezweckt wird, sondern die Beendigung der Gesamthand, kann nicht ein gesamthänderisches Recht angenommen werden. Das Recht auf Auflösung steht jedem Gesellschafter zu. Es richtet sich jedoch nicht gegen einzelne Gesellschafter, sondern gemeinschaftlich gegen die übrigen Gesellschafter, was auch der prozessualen Vorgabe des § 133 HGB entspricht. Es fragt sich, ob auch den so genannten echten Gestaltungsklagen, insbesondere den Statusklagen, ein materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde gelegt werden kann. Diese Frage stellt sich, weil sie Rechtsverhältnisse betreffen, die der Privatautonomie entzogen sind. Diese Besonderheit ist den Statusverhältnissen insgesamt immanent. So ist z.B. nicht nur die Aufhebung der Ehe der Privatautonomie entzogen, sondern teilweise auch die inhaltliche Ausgestaltung des Eheverhältnisses: Das Eheverhältnis unterliegt insgesamt nicht der uneingeschränkten Privatautonomie, außer einer bestimmten Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich der vermögensrechtlichen Verhältnisse. Freilich zählt bei der Eheschließung der übereinstimmende Wille beider Parteien zu den Voraussetzungen, während dies bei der Aufhebung nicht zwingend der Fall ist. Es handelt sich um einen familienrechtlichen Vertrag, bei dem das reine Konsensprinzip gilt136. Trotzdem kann man sagen, dass »dem öffentlichen Abschluss die Beendigung durch den staatlichen Akt des Scheidungsurteils entspricht«137. Und anders herum: Sowohl die 134

Roth, FS Großfeld, 915, 921 im Anschluss an Ulmer, FS Geßler, 269, 277f. Allerdings wurde mittlerweile die Rechtsprechung zur Zustimmungspflicht im Rahmen des § 140 HGB auch auf den Ausschließungsbeschluss nach § 737 BGB übertragen, s. Erman-Westermann, § 737 Rn. 4; Mayer, BB 1992, 1497, 1498; MünchKomm-Ulmer, § 737 Rn. 3, 13; Palandt-Sprau, § 737 Rn. 3 (gestützt auf § 242 BGB); einschränkend Soergel-Hadding, § 737 Rn. 10 (Ausschluss auch der sich weigernden Gesellschafter). 135 Flume, Personengesellschaft, § 15 III (S. 274); a.A. Hueck, OHG, § 10 VII, 4. 136 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 11 II 4 (Rn. 11–14, S. 83). 137 Kisch, S. 51.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Eheschließung als auch die Stellung eines Scheidungsantrags ist der privaten Entscheidung der Ehegatten überlassen138. Damit erscheint ein materielles Gestaltungsklagerecht auch in diesen Fällen nicht als widersinnig. Auch wird der Grundsatz, dass Statusverhältnisse der privatautonomen Disposition entzogen sind, zunehmend – wenn auch eher auf schleichendem Weg – aufgeweicht. Dies wird besonders deutlich bei der durch das neue Kindschaftsreformgesetz eingeführten Möglichkeit der Drittdisposition über den Kindesstatus (§ 1599 II BGB): Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Status eines Kindes fremdbestimmt werden, durch Drittanerkennung mit gleichzeitiger Herauslösung aus der Ehe und damit negativer Statusfolge139. Damit kann durch rechtsgeschäftliches Handeln eine negative Statusfolge herbeigeführt werden. Dieser Dispositivakt ist nicht einmal vollständig rückgängig zu machen. Zwar kann das Kind später die Vaterschaftsanerkennung durch den Dritten anfechten (§§ 1600ff. BGB), jedoch führt dies nicht zur automatischen Rückzuweisung an den (geschiedenen) Ehemann140, sondern es muss eine positive Vaterschaftsfeststellungsklage erhoben werden (§ 1600d BGB). Ob diese Möglichkeit ausreicht, um die vorausgegangene rechtsgeschäftliche Statusbestimmung zu rechtfertigen141, kann hier offen gelassen werden. Die Neuregelung wurde lediglich angeführt um aufzuzeigen, dass nicht mehr der Grundsatz aufrecht erhalten werden kann, dass namentlich negative Statusveränderungen stets durch richterliches Urteil zu erfolgen haben. Bemerkenswert ist, dass die Aufweichung des Grundsatzes in einem Bereich eingetreten ist, der noch viel sensibler ist als der eheliche Status und dessen Aufhebung. Diese Entwicklung sollte man im Auge behalten, soweit man als Argument weiterhin die »Unantastbarkeit« von Statusverhältnissen einsetzt. Auch ist es denkbar, gerade bei den Statusurteilen die Übereinstimmung mit der »wahren« Rechtslage höher zu bewerten als das Interesse am fortwährenden Bestand einer »falschen« Statusentscheidung. In diese Richtung nahm das BayObLG an, dass die LJV den »falschen« Anerkennungsbescheid aufheben könne, weil in Statussachen dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme rechtswidriger Anerkennungsentscheidungen der Vorrang vor privaten Vertrauensinteressen einzuräumen sei142. Trotz der genannten Aufweichung des Grundsatzes, dass Statusverhältnisse der Parteidisposition entzogen sind, weisen sie Besonderheiten auf. Bei den Eheauflösungsbegehren erwächst z.B. aus einem Tatsachenkomplex regelmäßig die

138 139 140 141 142

MünchKomm-Wolf, § 1564 Rn. 37. S. dazu eingehend Gaul, FamRZ 2000, 1461, 1463ff. Gaul, FamRZ 2000, 1461, 1466. So Wagner, FamRZ 1999, 7, 9. BayObLG, StaZ 2000, 77, 78.

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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Berechtigung beider Eheleute, die Auflösung der Ehe zu beantragen143, weshalb das Gesetz sogar von der Klageform zur Antragsform übergegangen ist. Dies scheint es zusätzlich zu erschweren, ein Gestaltungsrecht des einen Ehegatten gerichtet gegen den anderen anzunehmen. In der Tat wird die Existenz eines privaten Gestaltungsrechts im Bereich der Eheauflösung selbst von Autoren verneint, die ansonsten den unechten Gestaltungsklagen ein Gestaltungsrecht zugrunde legen144. Andere wiederum gehen noch weiter und lehnen jegliches subjektive Recht auf Eheauflösung ab, auch ein publizistisches145. Jedoch: »Dass beide Ehegatten in der Regel gleicherweise Scheidung begehren können, ist ... belanglos: Zum Begriff des Gestaltungsrechtes hat noch niemals der Ausschluss eines gleichförmigen Rechtes des Partners im Rechtsverhältnis gehört (mit mehr Recht ließe sich sogar das Gegenteil behaupten)«146. Diesem Einwand ist zuzustimmen. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass auch den so genannten echten Gestaltungsklagen ein materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde liegt. Für die Scheidung hat dies der BGH ausdrücklich hervorgehoben: Er spricht von dem »subjektive(n) Recht auf Scheidung, das mit der überwiegenden Auffassung als materiellrechtliches Gestaltungsrecht neben dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erlass eines Scheidungsurteils anzuerkennen ist«147. Diese Sichtweise lässt sich auch auf die sonstigen echten Gestaltungsurteile übertragen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gestaltungsklage ein subjektives materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde liegt, das gegen den Beklagten gerichtet ist. Es darf nicht mit dem Rechtsschutzanspruch verwechselt werden148, sondern umschreibt das subjektive materielle Recht, durch Erhebung einer Gestaltungsklage oder eines Antrags auf Gestaltung eine Änderung der Rechtslage ohne die Mitwirkung der betroffenen Personen herbeizuführen. Das Gestaltungsklagerecht ist verwandt mit dem rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrecht, es unterscheidet sich allerdings von ihm durch die fehlende Möglichkeit, die Gestaltung unmittelbar herbeizuführen. Neben diesem materiellen Gestaltungsklagerecht steht das gegen das Gericht gerichtete Recht auf Gestaltung, das eine Aus143

Das trifft allerdings auch immer dann zu, wenn ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden darf. 144 Z.B. Lüke, JuS 1969, 301, 306 (s. aber ders., AcP 178, 1, 22); Staab, S. 109; Diederichsen, ZZP 91 (1978), 397, 436, für die Scheidung nach dem Zerrüttungsprinzip, weil man sonst in der Lage wäre, das eigene Recht zu begründen; Stein/Jonas-Schlosser, § 611 Rn. 2: sehr zweifelhaft, ob ein subjektives Recht auf Scheidung besteht. 145 So insbes. Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 231ff. 146 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 25 Nr. 1 (S. 228, 229). 147 BGHZ 97 (1986), 304, 308 m.Nachw.; Bötticher, FG Rosenberg, 73, 83; Knütel, FamRZ 1985, 1089, 1091; Lüke, AcP 178, 1, 22; MünchKomm-Wolf, § 1564 Rn. 25 m.Nachw.; eine Bestandsaufnahme der älteren Literatur findet sich bei Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 228f.; Becker, ZZP 97, 314, 325 und dort Fn. 37 spricht sogar von einem Anspruch auf Scheidung. 148 Zum Klagrecht im Sinne des Rechtsschutzanspruchs s. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 3 Rn. 5ff.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

prägung des Rechtsschutzanspruches ist. Diese beiden Rechte müssen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sie existieren nebeneinander und bilden die Grundlage der Gestaltungsklage. Das gilt auch für die echten Gestaltungsklagen – mögen sie heute auch teilweise in die Antragsform überführt worden sein, denn in der Sache hat sich dadurch nichts geändert. Eine Eigenart des Gestaltungsklagerechts liegt darin, dass es sich – mit Ausnahme der Gestaltungen nach §§ 315, 343 BGB, die einen Anspruch ändern – direkt auf das Rechtsverhältnis bezieht. Diese Besonderheit dürfte erklären, warum zur Steigerung der Rechtssicherheit die Gestaltung erst durch das gerichtliche Urteil erfolgen soll.

a. Zur Unterstützung: Vergleich rechtsgeschäftlich durchgeführter und urteilsmäßiger Gestaltung Für die Annahme eines privaten Gestaltungsklagerechts spricht auch die Parallele zwischen rechtsgeschäftlich ausgeübter und urteilsmäßig durchgeführter Gestaltung149. Dies soll nachstehend kurz erläutert werden, wobei der Vergleich dieser beiden Methoden der Gestaltung nicht in jeder Einzelheit vorgenommen werden kann. Es soll lediglich aufgezeigt werden, dass urteilsmäßige und rechtsgeschäftliche Gestaltung so nah nebeneinander bestehen, dass es nicht vertretbar erscheint, bei der Gestaltungsklage ein materielles Gestaltungsklagerecht zu leugnen. Gestaltung (im hier interessierenden Zusammenhang) ist die Einwirkung auf ein Rechtsverhältnis. Sie kann in der Begründung, inhaltlichen Änderung, Präzisierung, Übertragung, Belastung oder Aufhebung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses bestehen. Dabei ist als Rechtsverhältnis die durch Rechtsvorschriften geordnete Beziehung von Personen zu anderen Personen, Gegenständen oder Rechten (z.B. Pfandrecht an einer Forderung) zu verstehen150. »Im umfassenden Sinn« kann man die Gestaltung als die veränderte Festlegung von Rechten und Rechtsverhältnissen verstehen151. Eine Gestaltung kann durch zweiseitiges152 oder einseitiges Rechtsgeschäft, durch gerichtliches Urteil oder durch hoheitlichen Exekutivakt herbeigeführt werden153. Da somit mehrere Wege zum gleichen Ergebnis führen können, darf 149 Obwohl Henckel, Prozessrecht, S. 81 diese Parallele auch bejaht, ist er einer der wichtigsten Vertreter der öffentlich-rechtlichen Grundlage der Gestaltungsklage, s. weiter oben, S. 12f. 150 S. z.B. Hübner, Rn. 353. 151 Forsthoff, S. 60. 152 Adomeit, S. 13ff. möchte die Gruppe der Gestaltungsrechte dahingehend erweitern, dass sie nicht nur durch einseitiges Rechtsgeschäft, sondern durch jedes Rechtsgeschäft ausgeübt werden können. M.E. handelt es sich hierbei um eine Frage ohne große Relevanz. Es wird von niemandem bestritten, dass durch den Abschluss eines Vertrags eine (materiellrechtliche) Gestaltung vorgenommen werden kann. Ob dem betreffenden Vertragsabschluss ein Gestaltungsrecht zugrunde liegt oder nicht, ist nicht von weiterer praktischer Bedeutung. 153 Becker, AcP 188, 24, 27.

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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die Gestaltung durch Urteil nicht vereinzelt betrachtet werden. Vielmehr ist zu untersuchen, welche Gemeinsamkeiten und/oder Unterschiede zwischen der Gestaltung durch Rechtsgeschäft und der Gestaltung durch Urteil auszumachen sind. Dies gilt umso mehr, wenn man der Begründung der h.M. zur Bindung an das Gestaltungsurteil folgt: Wenn nämlich die Bindung inter omnes allein auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die Rechtslage gestaltet wurde, wird die inter omnes Bindung aus dem materiellen Recht abgeleitet154 und man muss sich konsequenterweise auch Gedanken über die sonstigen Formen der Gestaltung machen – denn auch hier findet eine Änderung der Rechtslage statt. Die Bedeutung des Gestaltungsurteils läge in der Verfestigung der Wirksamkeit der Gestaltung, was wiederum regelmäßig eine Funktion der Rechtskraft ist, die – auch bei Gestaltungsurteilen – gerade nicht gegenüber jedermann wirkt. Diese ambivalente Haltung, nämlich dass zum einen die Gestaltungswirkung mit materiellrechtlichen Grundsätzen begründet wird, zum anderen sie wie eine prozessuale Urteilswirkung behandelt wird, weist zunächst auf eine dogmatische Schwäche der jetzigen Konstruktion hin. Einerseits scheint man ein gewisses Unbehagen zu spüren, die Gestaltungswirkung als prozessuale Urteilswirkung mit prozessualen Grundsätzen zu begründen, da man dann in Abgrenzungsschwierigkeiten zur materiellen Rechtskraft käme, andererseits wird auch nicht der Gedanke, die Gestaltungswirkung sei eine materielle Wirkung, konsequent weitergeführt, denn dann würde man das gewünschte Ergebnis (eine umfassende prozessuale Bindung) nicht erzielen können. Insgesamt verpflichtet der Rekurs bei der Argumentation bezüglich der Bindung an das Gestaltungsurteil auf die rechtsgeschäftliche Gestaltung zu einer Auseinandersetzung mit eben dieser. i. Gemeinsamkeiten Das Gestaltungsklagerecht ist auf’s engste mit dem Gestaltungsrecht verwandt155. Wenn man von der heutigen Behandlung der prozessualen Breitenwirkung absieht, ändert sich in der Sache nichts, je nachdem z.B. die Lösung aus einem Vertragsverhältnis durch private Willenserklärung (Kündigung) oder durch Klageerhebung und entsprechendem Gestaltungsurteil erfolgt156. Dasselbe Ergebnis könnte weiterhin auch erzielt werden durch eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung zur Beendigung oder Veränderung des Rechtsverhältnisses157. Schon 154

So in der Tat Rosenberg, § 87 I 3 (S. 412) mit einer Formulierung, die an eine Tatbestandswirkung denken lässt; ähnlich Grunsky, Grundlagen, § 48 I (S. 550) sowie auch weitere Autoren, die hier nicht einzeln genannt werden, weil sie aus dieser Aussage keine Konsequenzen ziehen. 155 Nikisch, § 40 I 2 (S. 155). 156 Bötticher, FS Dölle, 41, 56; zust. Bruns, ZZP 78, 264, 282f.; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 23. 157 Becker, AcP 188, 24, 25, 31, der drei Grundformen zur Gestaltung von Rechtsverhältnissen annimmt: das Gestaltungsrecht, die Gestaltungsklage und den Anspruch auf Mitwirkung bei der Rechtsänderung. Diese bilden ein »System funktionaler Einheit trotz instrumentaler Verschie-

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Hellwig bemerkte, dass »materiellrechtlich ... die Natur der hier in Frage kommenden Rechte keine andere (ist), je nachdem allein durch die Erklärung des Berechtigten die Rechtsänderung herbeigeführt werden kann, oder ob das konstitutive Urteil hinzukommen muss«158. Sowohl Gestaltungs- als auch Gestaltungsklagerecht haben eine eher »vorbereitende« Funktion: Zweck beider Rechtsformen ist es, durch ihre Ausübung159 eine Grundlage zu schaffen, aus der subjektive Rechte und Ansprüche entspringen. Genau genommen ist das Gestaltungs- bzw. Gestaltungsklagerecht ein Instrument der Ausformung der subjektiven Rechtslage, nicht anders als der Vertrag – so werden auch Vertrag und Gestaltungsrecht als Elementarbausteine der liberalen Ordnung des BGB angeführt160. Wenn überhaupt über die Art der Ausübung reflektiert wird, beeinflussen rechtspolitische Erwägungen die Wahl zwischen Gestaltungs- und Gestaltungsklagerecht: Wenn z.B. auf den Vertrag als ganzes System abgestellt wird und nicht auf die einzelnen Willenserklärungen der Vertragsparteien, erscheint es sinnvoller, eine Anfechtung der zugrunde liegenden Willenserklärungen nur auf dem Klageweg mit seiner größeren Rechtssicherheit erfolgen zu lassen161. Zu ergänzen als Zweck des Einsatzes von Gestaltungsklagen ist auch die Standardisierung von Änderungsansprüchen (für die sog. unechten Gestaltungsklagen)162. Beiden Möglichkeiten der Herbeiführung der Gestaltung ist gemeinsam, dass bei Vorliegen eines vom Gesetz beschriebenen Gestaltungsgrundes eine Gestaltungsmöglichkeit gegeben ist163, unterschiedlich ist lediglich die Form der Ausübung: Bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung genügt es vorerst, dass der Erklärende der Ansicht ist, zur Gestaltung berechtigt zu sein, nach ganz überwiegender Ansicht ist der Erklärende nicht einmal verpflichtet, die von ihm beabsichtigte Gestaltung zu begründen164 – wenn ihm oder seinem Gestaltungsgegner Zweifel an der Rechtfertigung der Gestaltung erwachsen, muss diesbezüglich eine Fest-

denheiten«; Bötticher, FS Dölle, 41, 44, 56; Bötticher, Unterwerfung, S. 33 zu den sog. »negativen« Gestaltungsrechten wie Anfechtung, Kündigung und Rücktritt; Hellwig, Lehrbuch, S. 232 sieht in den beiden Modellen die zwei Möglichkeiten des Gesetzgebers, ein Recht auf Herbeiführung einer Änderung zu verleihen – auf S. 233 hebt er freilich den Unterschied zwischen den beiden Modellen hervor; Schlosser, Jura 1986, 130, 132. 158 Hellwig, Anspruch, S. 467 (Hervorhebung im Original); Hellwig, Lehrbuch, S. 393f.; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 19; Rosenberg, § 87 I 2 (S. 411). 159 Vgl. Gaul, FamRZ 1963, 630, 633. 160 Becker, AcP 188, 24, 68. 161 So Schwind, JherJahrb 89 (1941), 119, 161, 165; dagegen Lange, JherJahrb 89 (1941), 277, 340f.; s. auch bereits weiter oben, S. 38. 162 Fasching, östJBl. 1997, 505, 507; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 27. 163 Krusch, S. 26. 164 S. Becker, AcP 188, 24, 35ff., insbes. 42ff. m.Nachw.; Larenz/Wolf, § 15 Rn. 70; Lent, AcP 152, 401ff.

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stellungsklage erhoben werden165. Bei der Gestaltung durch Urteil wird im Vorfeld vom Gericht geprüft, ob ein Gestaltungsklagerecht vorliegt, so dass die unsichere Rechtslage, die bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung entsteht, vermieden wird. Die Ähnlichkeit der rechtsgeschäftlichen und der urteilsmäßigen Gestaltung wird auch dadurch erkennbar, dass bei im Grunde gleichartigen Fallkonstellationen der Gesetzgeber einmal die rechtsgeschäftliche Gestaltung ausreichen lässt (z.B. Kündigung einer bürgerlichen Gesellschaft nach § 723 BGB), das andere Mal eine Gestaltungsklage vorschreibt (z.B. Auflösung der offenen Handelsgesellschaft)166. In einigen Fällen wurde auch aus Gründen der Rechtssicherheit eine früher durch private Willenserklärung stattfindende Gestaltung durch eine Gestaltungsklage ersetzt – oder auch umgekehrt, wie dies beispielsweise bei der Anfechtung wegen Willensmangels der Fall war: Noch nach gemeinem Recht wurde die Anfechtung prozessual durch die restitutio in integrum geltend gemacht, auch nach Preußischem Landrecht von 1794 waren Drohung und Täuschung gerichtlich geltend zu machen. Mit der Verfassung des BGB wurde die restitutio in integrum unter dem Namen Anfechtbarkeit als materielle Regelung aufgenommen, und zwar als materielles Recht im Gegensatz zum Einrederecht167. Schließlich kann ein- und dieselbe Gestaltung in der einen Rechtsordnung durch private Willenserklärung, in der anderen durch Gestaltungsurteil erfolgen. Nicht einmal die Scheidung muss begriffsnotwendig durch gerichtlichen Gestaltungsakt vorgenommen werden, wie die in anderen Rechtsordnungen zulässigen Privatscheidungen zeigen. ii. Unterschiede Allerdings weist die Gestaltung durch Urteil Besonderheiten auf: So kann die Gestaltungsklage in gewissem zeitlichen Rahmen zurückgenommen werden, während eine rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärung unwiderruflich ist168. Allerdings kann bei den unechten Gestaltungsklagen, deren Erhebung nur bei man165

Auf die rechtskräftige Feststellung im Rahmen einer streitigen rechtsgeschäftlichen Gestaltung wird weiter unten eingegangen, S. 83ff. 166 S. weiter oben, S. 22ff. 167 Zum Wandel von der prozessualen zur materiellrechtlichen Ausübung des Anfechtungsrechts s. Gaul, AcP 172, 342, 345f. und im Anschluss daran Harder, AcP 173, 209, 213, 218ff. m.Nachw., insbes. S. 220, 221f., 224 sowie W. Richter, Studien zur Geschichte der Gestaltungsrechte des deutschen bürgerlichen Rechts, Münster 1939. 168 Immerhin ist die rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärung unter den Voraussetzungen der §§ 119ff. BGB anfechtbar wegen Willensmängeln, s. z.B. Bamberger-Roth/Wendtland, § 143 Rn. 2 für die Anfechtungserklärung sowie Staudinger-Roth, § 143 Rn. 26 für die Kündigung. Prozesshandlungen sind zwar nach zutreffender h.M. nicht anfechtbar (s. Schilken, ZPR, Rn. 141ff. mit weiteren Nachw.), jedoch besteht eine gewisse Parallele zur materiellrechtlichen Anfechtung in der Möglichkeit der Klagerücknahme und des Widerrufs z.B. eines Geständnisses nach § 290 ZPO.

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gelnder rechtsgeschäftlicher Einigung notwendig ist, die Möglichkeit der Klagerücknahme mit dem Grundsatz verglichen werden, dass eine Gestaltungserklärung ausnahmsweise widerrufen werden kann, wenn der Gestaltungsgegner ihre Berechtigung in Frage stellt, weil in diesem Fall der »Widerruf nur den Zustand her(stellt), dessen Geltung der Gestaltungsgegner selbst beansprucht«169. Denn die Erhebung der unechten Gestaltungsklage wird bei der unechten Gestaltungsklage dann notwendig sein, wenn der Beklagte das Vorhandensein eines Gestaltungsgrunds verneint. Aber auch sonst besteht zwischen den beiden Formen der Gestaltung nur scheinbar ein Unterschied bezüglich der Rücknehmbarkeit. Man muss bedenken, dass bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung die Änderung sofort bewirkt wird, während bei der urteilsmäßigen der gestaltende Akt erst im stattgebenden Urteil enthalten ist. Das Prinzip ist in beiden Fällen das gleiche: Nachdem das Rechtsverhältnis einmal einseitig – oft gegen den Willen der übrigen betroffenen Personen – definitiv (um)gestaltet wurde, soll der Gestaltungsberechtigte es nicht mehr in der Hand haben, die Gestaltung rückgängig zu machen. Diese endgültige Änderung der Rechtslage tritt bei der urteilsmäßigen Gestaltung nach heute allgemeiner Meinung erst mit Rechtskraft des stattgebenden Gestaltungsurteils ein. Insofern besteht in diesem Punkt kein qualitativer, sondern lediglich ein zeitlicher Unterschied zwischen rechtsgeschäftlicher und urteilsmäßiger Gestaltung: In beiden Fällen ist keine Rücknahme des Gestaltungsakts mehr möglich, sobald der Gestaltungseffekt eingetreten ist. Die einzige Einschränkung bei der Gestaltungsklage liegt darin, dass nach Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache die Rücknahme der Klage der Zustimmung des Beklagten bzw. Antragsgegners bedarf (§§ 269 I, 626 I). Der Unterschied zwischen rechtsgeschäftlicher und urteilsmäßiger Gestaltung ist auch nicht darin zu sehen, dass bei letzterer der Gestaltungswille durch den Gestaltungsgrund ersetzt werde, so dass die Gestaltung unabhängig vom Gestaltungswillen der Parteien eintrete170. Der Gestaltungswille ist auch bei der urteilsmäßigen Gestaltung maßgeblich: Er äußert sich durch die Erhebung der Gestaltungsklage, ohne die kein Gestaltungsurteil ergehen darf171 – der Gestaltungsgrund macht diesen Gestaltungswillen lediglich rechtlich erheblich. Das ist auch bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung nicht anders. Freilich sollte diese Aussage auch nicht überbewertet werden: Hinter jeder Klageerhebung steht der private Wille in dem Sinne, dass die Klageerhebung zur »Disposition« der Partei gestellt wird172. 169

Medicus, § 12 Rn. 90. So aber Krusch, S. 41. 171 Selbst dem Auflösungsantrag einer durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbehörde nach § 1316 I n.F. BGB liegt ein Gestaltungswille zugrunde, freilich mit der Besonderheit, dass dieser nicht von der materiell betroffenen Partei ausgeht. 172 Gaul, FamRZ 1963, 630, 633. 170

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Der eigentliche Unterschied zwischen urteilsmäßiger und rechtsgeschäftlicher Gestaltung liegt in der erzeugten Rechtssicherheit: Bezüglich ersterer existiert schon von Anfang an ein richterlicher Ausspruch, während bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung zunächst nur die private rechtliche Einschätzung des Erklärenden vorhanden ist. In den Worten Karsten Schmidts gilt für das Gestaltungsurteil: »Erst der Prozess und dann die Gestaltung!«173. Somit liegt der eigentliche Grund für die Einführung von Gestaltungsklagen nicht in der Erzeugung einer Breitenwirkung, sondern in der zeitlich vorgelagerten Klarstellung der Rechtslage für diejenigen, die ohne oder gegen ihren Willen von der Gestaltung rechtlich betroffen werden: »Der Grund für die Notwendigkeit von Gestaltungsklagen ist der Weg, der bis zur Gestaltung durch das Gericht zu beschreiten ist, und nicht die Gestaltungswirkung als das Ergebnis des Verfahrens«174. Außerdem können Dritt- oder gar öffentliche Interessen ein gesteigertes Maß an alsbaldiger Rechtssicherheit erfordern, selbst wenn sich die Parteien über die Gestaltung einig sind, wie dies bei den Statusverhältnissen der Fall ist. Dies alles besagt jedoch noch nichts darüber, in welchen subjektiven Grenzen diese Rechtssicherheit gewährleistet sein soll.

b. Die Lehre vom Doppeltatbestand Die Feststellung, dass der Gestaltungsklage ein subjektives materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde liegt, zwingt nicht zu der Annahme, in der Erhebung der Gestaltungsklage einen Doppeltatbestand zu sehen, wie dies Seckel tat175: Zu der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung komme ein Staatsakt, insbesondere ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil hinzu. Dadurch werde nicht der privatrechtliche Teil herabgewertet oder gar abgeschafft; die privatrechtliche Willenserklärung werde lediglich prozessual formalisiert176, beide Komponenten stünden 173

K. Schmidt, GesR § 52 III 4 a (S. 1516); K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 4. Lenenbach, S. 70. 175 Erstaunlicherweise hat Seckel seine Theorie nicht auf die Motive des BGB zur Ehelichkeitsanfechtung und zur Eheanfechtung gestützt [s. Mugdan, Bd. IV, S. 357 zur Ehelichkeitsanfechtung: »Die Erhebung der Klage (hat auch hier) eine doppelte Bedeutung: Einerseits enthält sie die Anfechtungserklärung und ist insoweit ein rechtsgeschäftlicher Akt. Andererseits ist sie der prozessuale Akt, durch den der Rechtsstreit anhängig wird, der die Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit des Kindes zum Gegenstande hat«; ebenda, S. 48 zur Eheanfechtungsklage: »Einerseits bildet sie den Anfechtungsakt (§ 113 Entw. = § 143 BGB) und hat insoweit einen rechtsgeschäftlichen Charakter... Andererseits hat die Anfechtungsklage insofern die Natur einer Feststellungsklage, als in dem ... Rechtsstreite festgestellt werden soll, ob die Anfechtung begründet war oder nicht, ob mithin die Ehe besteht oder nicht besteht«]. Die Motive gingen in der Tat von einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung aus, deren Wirksamkeit vom Urteil festgestellt wird. Dies lag jedoch daran, dass den Redakteuren des BGB die Möglichkeit einer selbständigen Gestaltungsklage noch nicht hinreichend bewusst war (Gaul, FamRZ 1963, 630, 631). 176 So auch Henke, JA 1987, 589, 595f. (außer für die von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsklage, S. 594). 174

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gleichwertig nebeneinander177. »Das Mittel der Gestaltung ist die einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung ..., zu deren Wirksamkeit (nicht: Gültigkeit) bald ein Staatsakt (Gestaltungsurteil, Gestaltungsbeschluss der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit usw.) hinzukommen muss, bald nicht«178. »Das Urteil tritt niemals unter Verdrängung des Privatakts an dessen Stelle, es verbindet sich vielmehr mit ihm zum privatrechtlichen Doppeltatbestande. Mit dem Erfordernis der Klage und des Urteils hat nicht ein privatrechtliches Minus, sondern ein prozessrechtliches Plus gesetzt werden sollen«179. »Der Staatsakt in Verbindung mit dem vorangegangenen Privatakt ist gleich dem alleingestaltenden Rechtsgeschäft Gestaltungsakt«180. Kohler vertrat sogar die Ansicht, dass die Gestaltungsurteile im Grunde genommen Feststellungsurteile seien, die feststellen, »dass eine entsprechende prozessförmliche Betätigung vollzogen worden ist und dass die Voraussetzungen dieser Tätigkeit gegeben sind«181. Er zog bei dem Scheidungsurteil die Parallele zur Kündigung und bemerkte, dass die Auflösung der Ehe Folge der Parteitätigkeit und nicht der richterlichen Entscheidung sei182. Die – im untechnischen Sinne – Anfechtung oder Kündigung des Rechtsverhältnisses finde durch die privatrechtliche Willenserklärung des Gestaltenden statt, und nicht durch den Machtspruch des Gerichts183. Die Klageerhebung habe hier eine Doppelnatur: zum einen als gestaltende Willenserklärung, zum anderen als Feststellungsbegehren184. Es bestehe im Vergleich zu den rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrechten lediglich die Besonderheit, dass die Rechtsordnung einige Gestaltungen nur unter der Bedingung zulasse, dass die Voraussetzungen der Gestaltung vom Gericht anerkannt werden185. Auch v. Hahn vertrat in seinem Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch zu Art. 125 ADHGB (entspricht § 133 HGB) die Ansicht, dass nicht der Richterspruch die Gesellschaft auflöse, sondern dass dieser lediglich über die Wirkung der Auflösungserklärung erkenne186. Enneccerus/Nipper177

Seckel, S. 49, 53. Seckel, S. 13; ähnlich Hellwig, Anspruch, S. 467f. (ohne Verwendung des Begriffs »Doppeltatbestand«); Hellwig, Lehrbuch, S. 237: »zu dem Tatbestand, von dessen voller Verwirklichung der Eintritt der Rechtsänderung abhängt, gehört außerdem noch ein sie aussprechendes gerichtliches Urteil und erst mit dessen Rechtskraft ist das private Recht auf Rechtsänderung realisiert«; s. jedoch Hellwig, System, § 228 III 2 d (S. 775), wo er sich gegen die Doppeltatbestandstheorie wendet. Hierbei geht es ihm aber darum, dass die Wirksamkeit der privaten Gestaltungserklärung nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Staatsakts sein sollte. 179 Seckel, S. 53. 180 Seckel, S. 54. 181 Kohler, RheinZ 1 (1919), 39. 182 Kohler, RheinZ 1 (1919), 39, 39f. 183 Kohler, RheinZ 1 (1909), 39, 42. 184 Kohler, RheinZ 1 (1909), 39, 43f. 185 Kohler, RheinZ 1 (1919), 39, 40. 186 V. Hahn, ADHGB, Art. 125 § 5. 178

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dey sah in der Erhebung der Anfechtungsklage »zugleich die ihrer Natur nach rechtsgeschäftliche Anfechtungserklärung, durch die die betreffende Rechtswirkung rückwirkend vernichtet werden soll«187. Coester vertrat, dass sich das Gestaltungsurteil aus zwei verschiedenen Komponenten zusammensetze: Zum einen finde eine Gestaltung durch rechtsgeschäftlichen gestaltenden Akt statt. Diese rechtsgeschäftliche Handlung des öffentlichen Rechts sei verbunden mit einem feststellenden Urteil über ihre Rechtszulässigkeit: Dieselbe Stelle, welche den Gestaltungsakt vollziehe, erkenne als staatliches Rechtserkenntnisorgan auch über die Rechtszulässigkeit des eigenen Handelns188. Somit gebe es genau genommen keine gestaltenden Urteile, sondern nur gestaltende rechtsgeschäftliche Staatsakte, verbunden mit einem feststellenden Urteil über deren Rechtszulässigkeit189. Ein derartiges »Gestaltungsurteil« erzeuge eine doppelte Inhaltswirkung: Verbindlichkeit der vollzogenen Gestaltung und materielle Rechtskraft des Ausspruchs über die Rechtszulässigkeit dieser Gestaltung. Sowohl Verbindlichkeit als auch materielle Rechtskraft wirkten nach Coester inter partes190. Steffen formulierte ähnlich: »So sehr die der Gestaltung zugrunde liegende private Gestaltungserklärung rein optisch durch das konstitutive Urteil verdeckt werden mag, so ist sie doch bedeutungsmäßig weit mehr als ein lediglich auslösendes Moment für das Urteil: sie ist wie dieses ›echter Teiltatbestand der Gestaltungsausübung‹, ›gleichwertiges Erfordernis‹«191. Die Lehre vom Doppeltatbestand hat zu Recht keinen Anklang gefunden. Die Tatsache, dass der Kläger durch die Gestaltungsklage ein subjektives Recht geltend macht, bedeutet nicht, dass seine Ausübung auch durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung erfolgt192 – im Gegenteil, die Klageerhebung soll die rechtsgeschäftliche Willenserklärung gerade ersetzen. § 133 HGB z.B. sieht vor, dass die Auflösung auch ohne Kündigung durch gerichtliches Urteil erfolgen kann193. Wimpfheimer behauptete zwar, das im § 133 HGB gebrauchte Wörtchen »durch« könne unmöglich typisch gemeint sein194, fand jedoch berechtigte Kritik195, denn 187

Enneccerus/Nipperdey II, § 225 III 3 a (S. 1381). Coester, S. 30f. 189 Coester, S. 77. 190 Coester, S. 78, 80f. 191 Steffen, S. 12f. 192 S. nur Gaul, FamRZ 1963, 630, 632ff. 193 Seckel, S. 52 und dort Fn. 153 meinte allerdings, dass die in § 133 I enthaltenen Worte »ohne Kündigung« eine Ungenauigkeit enthalten; gemeint sei »Kündigung (durch Klage) ohne Bindung an Zeitpunkt und Frist des § 132«. 194 Wimpfheimer, S. 107. 195 Bellwinkel, S. 52: »Wie Wimpfheimer behaupten kann, das im § 133 HGB gebrauchte Wörtchen ›durch‹ könne unmöglich typisch gemeint sein, erscheint schon deshalb unverständlich, weil der Gesetzgeber selbst in der Denkschrift zum HGB (S. 105) ausdrücklich darauf hinweist, dass im Gegensatz zu der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, deren Auflösung bereits durch die Kündigung eines Gesellschafters herbeigeführt wird, bei der OHG erst die richterliche Entscheidung diese Wirkung erzielt«. 188

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der Gestaltungserfolg soll gerade auf dem Prozessweg und nicht durch Willenserklärung erfolgen. Um prozessuale Terminologie anzuwenden: Die Willenserklärung, die in der Erhebung der Gestaltungsklage liegt, ist Erwirkungs- und nicht Bewirkungshandlung196. Die Lehre vom Doppeltatbestand müsste dazu führen, dass die Klageerhebung wegen Willensmängeln angefochten werden könnte. Und diese unhaltbare Konsequenz hat Seckel in der Tat gezogen mit der Folge, dass »das Gestaltungsurteil nach eingetretener Rechtskraft nachträglich unwirksam (zum Schlag ins Wasser) wird«197. Dies wiederum würde dem Gesetzeszweck der Gestaltungsklage (Rechtssicherheit!) zuwiderlaufen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gestaltungsklage der Durchsetzung eines subjektiven Rechts auf Gestaltung dient, das gegen die andere Partei gerichtet ist, ohne dass die Klageerhebung dadurch zur materiellrechtlichen Willenserklärung wird. »Die Gestaltungsklage bildet das spezifische Mittel für die prozessuale Durchsetzung dieser Rechte«198. Sie bleibt eine Prozesshandlung wie jede andere Klageerhebung auch. Die Gestaltung findet durch das Urteil statt und nicht durch die Willenserklärung. Das soll nicht zu der Ansicht führen, der Richter gestalte das Rechtsverhältnis aus eigener Rechtsmacht. Denn zunächst kann ihn dazu nur die Anordnung der Rechtsordnung legitimieren199. Dem Richter selbst bleibt im Rahmen der Gestaltungsklage kein Gestaltungsspielraum: Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen liegt der Gestaltungseffekt inhaltlich gesetzlich fest200. Der Richter hat regelmäßig – anders als in den von Bötticher so genannten Regelungsstreitigkeiten201 – nicht die Möglichkeit, die am besten geeignete Maßnahme zu ergreifen und die Rechtslage positiv nach seinem Ermessen zu gestalten. Selbst bei der Festsetzung der Höhe der billigen Leistung (§ 313 III BGB) oder der angemessenen Strafe (§ 343 I BGB) steht die Art der Gestaltung fest, ein Spielraum besteht nur bezüglich der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs »billige Leistung« bzw. »angemessene Strafe«202. Somit hat der Richter keinen Spielraum bezüglich der Gestaltung: Wenn die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, muss er die ebenfalls im Gesetz festgelegte Gestaltungsfolge aussprechen, so dass sich das Gestaltungsurteil lediglich als das formalisierte Instrument zur Verwirklichung des Gestaltungsrechts des Klägers präsentiert. Zwar findet die Gestaltung durch das Urteil statt, ihr eigentlicher Grund liegt jedoch darin, dass sie der Kläger beantragt hat203. 196 Die Begriffe Erwirkungs- und Bewirkungshandlung wurden von Goldschmidt aufgestellt, Rechtslage, S. 364ff., 456ff.; Lehrbuch, §§ 39, 51. 197 Vgl. Seckel, S. 55f., 65ff. und dagegen schon Gaul, FamRZ 1963, 630, 634 sowie zuletzt ders., GS Knobbe-Keuck, 135, 136 und dort Fn. 3 m.w.Nachw. 198 Staab, S. 133. 199 Vgl. Gaul, FS Zeuner, 317, 335 im Anschluss an Rosenberg, § 87 I 3 (S. 412). 200 So schon Bötticher, FS Lent, 89, 99f. 201 Bötticher, FS Lent, S. 89ff. 202 S. hierzu Stickelbrock, S. 307ff. 203 Ähnlich Gernhuber/Coester-Waltjen, § 25 Nr. 3 (S. 229).

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4. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile Es ist durchgängig bezeichnend für die Gestaltungsklage und das Gestaltungsurteil, dass sie Anlass zu Sonderkonstruktionen geben. Es ist insbesondere auffällig, dass selbst die Zugehörigkeit der Materie zum Zivilprozessrecht verneint wird. Ein großer Teil der theoretischen »Anstrengungen« wäre indes nicht notwendig, wenn man sich des Grundsatzes besinnen würde, dass die prozessuale Verbindlichkeit von Urteilen jeglicher Art durch die Rechtskraft gesichert wird und dass auch Gestaltungsurteile diesbezüglich keine Ausnahme bilden.

a. Eigentlich Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit? Es wird vertreten, dass die Gestaltungsklage – abgesehen von der Klageform – ihrer Natur nach eher eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit sei, auch wenn sie traditionell in der streitigen Gerichtsbarkeit angesiedelt ist204. Besonders die »positiven« Gestaltungsurteile, durch die der Richter die angemessene Leistung festsetzt, sollen an die ordnende Funktion erinnern, die regelmäßig die freiwillige Gerichtsbarkeit wahrnimmt205. Wach vertrat zwar auch die Ansicht, dass freiwillige Gerichtsbarkeit die Mitwirkung der Gerichte zur Gestaltung der Privatrechtsordnung bei der Begründung, Fortbildung und Veränderung von Privatrechtsverhältnissen sei, wohingegen die streitige Gerichtsbarkeit zur Aufgabe habe, die bestehende Privatrechtsordnung zu schützen und aufrechtzuerhalten206. Damit meinte er jedoch nicht auch die Gestaltungsklagen, die er als eine Form von Verurteilungsklagen verstand, die lediglich nicht der Vollstreckung bedürfen207. Außerdem erwähnte Wach in seiner nachfolgenden Aufzählung der Aufgabengebiete des Staates, die in den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen, nicht die Gestaltungsklagen. Pagenstecher allerdings hat ausdrücklich die konstitutiven Urteile aus seiner Behandlung der materiellen Rechtskraft herausgenommen mit der Bemerkung, dass es sich hier »meist um Tatbestände (handelt), die aus rechtspolitischen Gründen in der Form eines zivilprozessualen Urteils ihre Erledigung zu finden haben, die aber tatsächlich nach ihrer juristischen Beschaffenheit den Angelegenheiten 204 Baumbach-Hartmann, Grundz. § 253 Rn. 10; Bürckner, S. 32 für Ehesachen, Entmündigung und Aufgebot, der sogar eine Zugehörigkeit zur Verwaltung andenkt; vermittelnd MüllerFreienfels, Ehe und Recht, S. 225ff., 250ff.; Staab, S. 146ff.; Stein/Jonas-Pohle18, II 3 vor § 253; Zeiss/Schreiber, Rn. 287 (S. 120); wohl in die Richtung – wenn auch nicht ausdrücklich – Hueck, FS Heymanns Verlag, 287, 289f.: Der »normale Weg« für die richterliche Gestaltung sei die freiwillige Gerichtsbarkeit. Nur wo es aus besonderen Gründen auf eine Klärung der Sachlage ankomme, werde der Gesetzgeber für die Gestaltungsklage im kontradiktorischen Verfahren optieren; a.A. Hellwig, Anspruch, § 58 V (S. 483f.). 205 Calavros, S. 127. 206 Wach, Handbuch, S. 47ff., 53. 207 Wach, Handbuch, S. 11f.

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der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Verwaltungsverfahrens weit näher stehen, als diejenigen, welche regelmäßig Gegenstand des Zivilprozesses sind«208. Schon zuvor hatte von Schrutka-Rechtenstamm, der als erster die »Rechtsgestaltungsklage« herausarbeitete, abschließend bemerkt: »Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, dass diese Klagen den Uebergang bilden vom Civilprocess zu der rechtsgeschäftlichen Thätigkeit der Gerichte, zu der freiwilligen Gerichtsbarkeit«209. Goldschmidt sah »die Gestaltung eines Privatrechtsverhältnisses ... immer dann – der Sache nach – (als einen) Akt der streitigen Gerichtsbarkeit, wenn sie sich als Zwangsausgleich in einem bereits ausgebrochenen Interessenkonflikt darstellt«210. Jedoch wird der Interessenkonflikt immer »ausgebrochen« sein, wenn es zur Gestaltungsklage kommt. Denn bei den unechten Gestaltungsklagen wäre bei Einigkeit die Erhebung der Gestaltungsklage nicht notwendig gewesen, bei den echten gibt es keine andere Möglichkeit, die Gestaltung herbeizuführen und somit wird der Interessenkonflikt vom Gesetz selbst vorausgesetzt bzw. geschaffen. Die Sachnähe zur freiwilligen Gerichtsbarkeit wird auch durch den früher bestehenden Streit um die materielle Rechtskraftfähigkeit der Gestaltungsurteile deutlich: Den Gestaltungsurteilen wurde nämlich das wohl wesentlichste Merkmal eines Urteils der streitigen Gerichtsbarkeit abgesprochen, nämlich die materielle Rechtskraftfähigkeit. In der Tat ist die Einwirkung auf Privatrechtsbeziehungen eine typische – wenn auch nicht die ausschließliche – Aufgabe des Richters in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sicherlich könnten – ohne dass es befremdlich wäre – die Fälle insbesondere der »echten« Gestaltungsurteile auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeteilt werden211. So hat das Kammergericht 1925 angemerkt, dass die Ehescheidung als »rechtsschaffende« Einrichtung eher der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit angehöre, wie die (damalige) Entmündigung212. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass insbesondere in den Fällen, in denen ein Gestaltungsurteil selbst dann ergehen muss, wenn sich die Parteien bezüglich des Gestaltungserfolgs einig sind, die entsprechende richterliche Tätigkeit schon fast wie eine notarielle Beurkundung anmute213, was allerdings überspitzt scheint. Selbst wenn man eine derartige Einordnung de lege ferenda für sinnvoll halten sollte, würde sich das höchstens bei Auslegungsfragen unter rechtspolitischen Gesichtspunkten auswirken; eine unmittelbare Wirkung würde nicht hervorge208

Pagenstecher, S. 27f. V. Schrutka-Rechtenstamm, GrünhutsZ 16 (1889), 617, 619. 210 Goldschmidt, AcP 117, 1, 36. 211 Insbesondere erwägenswert z.B. bei dem einvernehmlichen Antrag auf Ehescheidung, der z.B. im griechischen Recht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden wird. 212 KG, JW 1925, S. 2146 Nr. 3. 213 Smid, S. 197 für den Ehescheidungsprozess. 209

I. Vorfrage: Reibungspunkte im Vorfeld einer gerichtlichen Entscheidung

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rufen. Darüber hinaus ist – zumindest nach dem heutigen Stand der Lehre zur Gestaltungsklage und zur freiwilligen Gerichtsbarkeit – die Einordnung der Gestaltungsklage als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu verneinen. In den gestaltenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidet nach h.M. der Richter zwar entgegen zuweilen geäußerter Ansicht214 auch als neutrale Instanz, trotzdem besteht ein Unterschied zu seiner Tätigkeit bei den Gestaltungsklagen des Zivilrechts, wo der Richter lediglich zur Verwirklichung des subjektiven Rechts der klagenden Partei verhilft. Auch wenn die vom Gericht in der freiwilligen Gerichtsbarkeit wahrzunehmende Rechtsfürsorgeaufgabe letztlich dem Individualrechtsschutz dient215, hat der Staat – anders als in der streitigen Gerichtsbarkeit – ein eigenes Eingriffsrecht, das nicht von privaten Rechtsbeziehungen der Beteiligten abgeleitet ist. Daher ist hier die Rolle des Gerichts viel stärker ausgeprägt als im Zivilprozess. So wird selbst bei der Zuweisung einer Hausratssache einem Ehegatten zum Eigentum (§§ 8 III, 9 II 2 HausratsVO) ein subjektives Recht des beantragenden Ehegatten angezweifelt wegen des dem Richter eingeräumten Ermessensspielraums216. Allerdings ist der Ermessensspielraum nicht geringer in den Fällen, in denen z.B. die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund möglich ist. Trotzdem ist in der freiwilligen Gerichtsbarkeit – anders als im Zivilprozess – Herr des Verfahrens nicht der Gläubiger, sondern das Gericht217.

b. Sachnähe zur Verwaltungstätigkeit Immer wieder werden die Gestaltungsklagen auch als Verwaltungstätigkeit aufgefasst. Es wurde sogar behauptet, dass der Familienrichter Aufgaben der materiellen Verwaltung aufnehme218. Insbesondere trägt die Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts zu einer solchen Sichtweise bei, denn dann liegt die Parallele zum Antrag auf begünstigenden Verwaltungsakt in der Tat nicht weit. Hauptgrund ist jedoch die Tatsache, dass die Gestaltung als die wesentliche Funktion der Verwaltung angenommen wird219. Die Verwaltung wird diesbezüglich auf zweierlei Weisen tätig: durch hoheitliche Gestaltung der Sozialordnung im Wege des Eingriffs durch gestaltende Hoheitsakte und – fiskalisch – durch die Teilnahme des öffentlichen Trägers am Rechtsverkehr nach den Regeln des Privatrechts220. Interessant für die Parallele zur zivilprozessualen Gestaltungsklage ist lediglich die erste Form. 214 215 216 217 218 219 220

Brehm, Rn. 32. Gaul, FS Ishikawa, 87, 110. Dazu Gaul, FS Habscheid, 99, 105 m.Nachw. S. Gaul, FS Habscheid, 99, 105, zuletzt insbes. ders., FS Ishikawa, 87, 109f. Lefringhausen, S. 166f. S. Bachof, S. 55: Das Gestaltungsurteil ist Verwaltungstätigkeit in Urteilsform. Forsthoff, S. 69.

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Forsthoff hat bezüglich der Abgrenzung der Verwaltung (die wesentlich auf Gestaltung ausgerichtet sei) vom materiellen Justizrecht (das auf eine Entscheidung abstelle) folgende These aufgestellt: »Gestaltung und Entscheidung sind etwas durchaus Verschiedenes«221. Dann fragt sich allerdings, wieso dem auf die Entscheidung ausgerichteten Rechtsprechungsorgan eine ihm eigentlich wesensfremde Funktion zugewiesen sein kann sowie welche Konsequenzen diese Zuweisung hat. Die Einstufung als Verwaltungstätigkeit wird übrigens auch für Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit befürwortet, womit sich der Kreis der Verworrenheit schließt. So soll die Erteilung eines Erbscheins nach §§ 2353ff. BGB der Sache nach ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt sein, auch wenn der Rechtspfleger tätig wird222. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass hier überhaupt keine Gestaltung stattfindet, denn der Erbschein macht niemanden zum Erben, sondern begründet lediglich die widerlegliche Vermutung, dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei (§ 2365 BGB)223.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils: Die Unhaltbarkeit der Annahme einer prozessualen Gestaltungswirkung 1. Die klassischen Begründungen für die universelle Bindung an das Gestaltungsurteil Allgemein kann die Frage nach der »Bindung« an eine erfolgte Gestaltung dazu verleiten, zwei an sich unterschiedliche Aspekte miteinander zu vermengen, nämlich einen materiellrechtlichen und einen prozessualen: Zum einen denkt man bei dem Begriff »Bindung« an die Frage, ob die Änderung der Rechtslage Auswirkungen auf die eigene Rechtsposition haben kann (materiellrechtliche Komponente), zum anderen fragt sich, wer die Möglichkeit hat, die Wirksamkeit der anderweitig erfolgten Gestaltung in Frage zu stellen (prozessuale Komponente). Ersterer Aspekt ist keine »Bindung« im eigentlichen Sinne. Die Teilnahme am Rechtsverkehr führt unweigerlich zu Wechselwirkungen mit der rechtlichen Position anderer Rechtsteilnehmer, insbesondere erwachsen aus Rechtsverhältnissen wechselseitige Ansprüche. Jedoch besteht für jeden, der nicht von einer entsprechenden Rechtskraftwirkung erfasst wird, die Möglichkeit, die materielle Rechtslage (gerichtlich) überprüfen zu lassen, z.B. um festzustellen, ob nicht nur 221 222 223

Forsthoff, S. 155. Wertenbruch, GS R. Schmidt, 89, 99. Vgl. dazu Gaul, FS Matscher, 111, 129.

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vermeintlich, sondern tatsächlich ein wirksames Rechtsverhältnis entstanden ist, aus dem der strittige Anspruch entsprungen ist. Damit liegt hier keine Bindung vor, sondern lediglich eine Auswirkung. Von einer echten Bindung kann man nur dann sprechen, wenn eine (vermeintliche) Rechtslage ungeprüft hinzunehmen ist, ob sie nun »tatsächlich«224 wirksam besteht oder nicht. Geläufig ist uns eine derartige Bindung eigentlich nur innerhalb der Rechtskraftgrenzen einschließlich der Rechtskrafterstreckung sowie als Interventionswirkung. Selbst § 142 II BGB225 führt zu keiner Bindung, sondern lediglich zu einer Auswirkung im eben genannten Sinne, da seine Rechtsfolgen Dritte nur dann erfassen, wenn die Gestaltung wirksam stattgefunden hat. Die Einschätzung des Anfechtenden oder sogar ein ergangenes rechtskräftiges Urteil über die Wirksamkeit der Anfechtung hindern den Dritten nicht an der Wirksamkeitsüberprüfung226. Dies ist mit der Grundentscheidung der deutschen Rechtsordnung vereinbar, eher sich widersprechende Urteile hinzunehmen, als das Recht auf rechtliches Gehör unnötig zu beschneiden. Damit ist nicht gemeint, dass die Urteilswirkungen bei Gehörbeeinträchtigung automatisch beschnitten würden, obwohl auch dies zuweilen erwogen wird227. Gemeint ist vielmehr, dass von der gesetzgeberischen Grundkonzeption her eine Rechtskrafterstreckung nur als Ausnahme angeordnet wird, wenn ein Legitimationsgrund besteht, ansonsten das Recht auf rechtliches Gehör Vorrang hat. Zu dieser Grundkonzeption befindet sich die allgemeine Betrachtungsweise der Wirkungen des Gestaltungsurteils im Widerspruch. Bei der Behandlung der »Gestaltungswirkung« gewinnt man sogar bisweilen den Eindruck, als habe sich in diesem positiv-rechtlich nur unzulänglich ausnormierten Bereich eine rechtspolitische Tendenz zu einer Ausweitung der Urteilswirkungen etabliert. Hier wird – im Gegensatz zur rechtspolitischen Grundeinstellung bei Feststellungs- und Leistungsurteilen – lieber eine Verfestigung falscher Urteilsinhalte hingenommen als sich widersprechende Urteile, die als ein »Unding« empfunden werden. Damit scheint bei den Gestaltungsurteilen der Sachdienlichkeit ein erhöhter Stellenwert gezollt zu werden. Anliegen dieser Arbeit ist es, ohne eine rechtspolitische Vorgabe die prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil zu überprüfen. Damit wird bezweckt, eine möglichst reibungsarme Konstruktion zu bilden im Sinne einer Eingliederung in das Rechtssystem, die einen widerspruchsfreien Zusammenhang ergibt228. Diese 224 Was wiederum auch relativ ist, da es keinen objektiven, authentischen Betrachter der Rechtslage gibt, s. auch weiter oben, S. 4. 225 Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen. 226 S. auch RGZ 80 (1913), 317, 323, wo allerdings davon ausgegangen wird, dass ein Gestaltungsurteil Wirkung gegenüber Jedermann hätte; – auf diese Entscheidung wird nochmals eingehender einzugehen sein, S. 86. 227 S. z.B. Zeuner, Rechtliches Gehör, S. 46f., 50, 54f., 57; dazu Gaul, FS Zeuner, 317, 320f. 228 Larenz, S. 442.

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Untersuchung ist sinnvoll, auch wenn man sich auch ohne sie bislang praktisch beholfen hat229. Die Fälle, in denen ein Gestaltungsurteil präjudiziell ist für die Rechtsstellung Dritter, sind wenig zahlreich, jedoch vorhanden. Ihre geringe Anzahl ist jedoch kein Grund, die absolute Gestaltungswirkung aufrecht zu erhalten, sondern umgekehrt ein Argument dafür, dogmatische Sauberkeit vor Sachdienlichkeit walten zu lassen. Darüber hinaus wird die korrekte prozessuale Einordnung der Bindungswirkung des Gestaltungsurteils hilfreich sein bei der Entscheidung der Frage nach der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile.

a. Argumentation aus der Rechtsnatur der Gestaltung Weitgehende Einheit besteht heute darüber, dass Gestaltungsurteile inter omnes wirken. Oft wird diese Aussage überhaupt nicht weiter thematisiert oder begründet. Wenn eine Begründung gegeben wird, geschieht dies meist ohne weitere Prüfung ihrer Stichhaltigkeit, insbesondere wird die inter omnes-Wirkung als geradezu begriffsnotwendig verstanden230. Hier sollen die Begründungen, die die angebliche Breitenwirkung des Gestaltungsurteils untermauern sollen, vorgestellt und überprüft werden. Dabei wird sich zeigen, dass sie allesamt einer näheren kritischen Betrachtung nicht standhalten. Als erste Begründung sei der Satz aufgegriffen, die Gestaltung durch Urteil wirke für und gegen alle gleich der privatrechtsgeschäftlichen Gestaltung231. Dies ist eine These, die nur auf den ersten Blick hin bestechend klingt, denn hier wird die prozessuale und materiellrechtliche Betrachtungsweise in unzulässiger Weise vermengt: Rechtsgeschäftliche Änderungen können keine prozessuale Bindung erzeugen, außer sie werden rechtskräftig festgestellt und auch dann nur unter den weiter oben genannten Einschränkungen und lediglich innerhalb der subjektiven Grenzen der Rechtskraft. Insoweit überzeugt, was Mendelssohn-Bartholdy bereits 1900 gegen die Ableitung der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils von der »Bindungswirkung« einer Verfügung schrieb: »Wenn eine Disposition des A. für B. wirksam oder bindend ist, so folgt darauf durchaus noch nicht, dass die rechtskräftige Entscheidung über eine solche Disposition, die rechtskräftige Feststellung dieser Disposition im Prozess des A. mit einem X. den B. bindet, res iudicata für ihn ist. Das ist eben die Frage, ob B. nach dem Urteil, das die Vornah229

Larenz, S. 442. K. Schmidt, JuS 1986, 35, 40, räumt ein, dass eine inter omnes-Wirkung zwar nicht begriffsnotwendige, jedoch funktionsadäquate Eigenschaft der Gestaltungswirkung sei. 231 Ensslin, S. 24 und dort Fn. 6: »Notwendigkeit einer dogmatischen Gleichstellung von Hoheitsakt und privater Willenserklärung, wie sie in der Theorie der ›Tatbestandswirkung‹ zum Ausdruck kommt«.; so schon Hellwig, Wesen, S. 3; Rosenberg, § 87 I 3 (S. 412); Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 498; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 13; bemerkenswerterweise vertritt Calavros (S. 120), dass das Gestaltungsurteil materiellrechtlich in der Regel relativ wirke, weil sich dadurch eine Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien vollziehe, jedoch die prozessuale Wirkung immer absoluten Charakter habe (S. 121, 124ff.). 230

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me der Verfügung, z.B. die Gültigkeit des Verkaufs, feststellt, noch behaupten kann, die Verfügung sei nicht vorgenommen, der Kauf sei nichtig – dass B. behaupten darf, der Kauf sei simuliert, X. sei nicht gutgläubig, steht fest –. Für die Lösung dieser Frage sagt der Umstand, dass B. die Disposition des A. anerkennen muss, wenn sie gegen ihn feststeht, gar nichts. Das Feststehen der Verfügung ist Voraussetzung für ihre Wirkung, und es leuchtet ein, dass es verkehrt ist, zu sagen: wo eine Verfügung wirkt und soweit sie wirkt, steht sie auch fest. »... Ist die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils auf einen Dritten in Frage, so darf man grundsätzlich die Bestimmung dieser Wirkung nicht von der Beantwortung der Frage abhängig machen, ob die Partei das Ergebnis des Prozesses durch civilrechtliche Disposition mit Wirkung für den Dritten hätte herbeiführen können«232. Die »materiellrechtliche« Begründungsschiene verfolgen mehrere Autoren: Nach Kuttner liegt »im Gegensatz zur publizistischen Rechtskraftwirkung ... die mit ihr zusammengekoppelte Gestaltungswirkung der Gestaltungsurteile auf privatrechtlichem Gebiete. Aus diesem Grunde ist die Gestaltungswirkung, d.h. die Veränderung der bisherigen Privatrechtslage durch das Urteil, für und gegen jedermann unleugbar vorhanden«233. Noch deutlicher schrieb Schulte: Die Gestaltungswirkung sei »nichts anderes ... als die Wirkung der Ausübung des Gestaltungsrechts, also die materielle Rechtsfolge selbst«234. Selbst Bettermann argumentierte: »Weil rechtsgeschäftliche Gestaltungen gegen jedermann wirken, deshalb müssen auch Gestaltungsurteile absolute Wirkung haben«235. Die absolute Wirkung der Gestaltungsurteile wird damit seit jeher nicht im Hinblick auf ihre Urteilsqualität bejaht, sondern aus ihrer Natur als Rechtsänderung heraus. Demnach soll das Gestaltungsurteil nicht weiter wirken, als eine entsprechende rechtsgeschäftliche Änderung gereicht hätte236, genau wie dies früher 232 Mendelssohn-Bartholdy, S. 312f. (Hervorhebungen von Verf.). Anzumerken ist allerdings, dass in diesem Beispiel Grund- und Verfügungsgeschäft verwechselt werden (»Verfügung, z.B. die Gültigkeit des Verkaufs«). 233 Kuttner, Urteilswirkungen, S. 19f. 234 Schulte, AG 1988, 67. 235 Bettermann, S. 96; s. jedoch Bettermann, FS Baur, 273, 291 zur Frage der Bindung der Finanzbehörde an Vergleiche zwischen Erbprätendenten: »Solche Vergleiche können den Fiskus schon deshalb nicht präjudizieren, weil sie, wenn sie es täten, Verträge zu Lasten Dritter wären – jedenfalls dann, wenn sich auf der Vergleichsbasis eine niedrigere Erbschaftssteuer ergibt oder deren Einziehung erschwert wird. 236 Bettermann, S. 98, wenn auch unter der weiter oben genannten Prämisse, dass gestaltende Rechtsgeschäfte absolute Bindungswirkung genießen; Brüggemann, JR 1969, 361, 364; Schlosser, S. 182; Schlosser, JZ 1967, 431, 432; ähnlich Blomeyer, ZPR, § 94 II (S. 498ff.) unter Anwendung der Grundsätze der zivilrechtlichen Abhängigkeit und der Bindung an die fremde Prozessführung im Bereich der Parteiautonomie; Zeuner, Rechtliches Gehör, S. 28ff.; Brüggemann, S. 315. Allerdings ist die konkrete Aussage nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig, da Brüggemann in diesem Werk lediglich die von ihm benannten Fälle »konstruktiver Gestaltung« mit Einräumung richterlichen Ermessens behandelt, die alle auch durch rechtsgeschäftliche Einigung erfolgen könnten. Davon unterscheidet er die peremptorischen »Gestaltungsklagen klassischen Stils des Zivilprozesses« (S. 75) sowie die Fälle »positiver gebundener« Gestaltung (S. 76). Seiner

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aus der Sicht der materiellen Rechtskrafttheorie Pagenstecher zur Rechtskraftbindung vertreten hatte237. Bettermann sah die These der absoluten Bindungswirkung nur als den Grundsatz an, von dem es auch Ausnahmen gebe: »Dort, wo die durch das Urteil vorgenommene Gestaltung, wäre sie rechtsgeschäftlich herbeigeführt worden, von jemandem ignoriert werden dürfte, dort würde auch das Urteil ignoriert werden können«238. »Privatrechtsänderungen, die durch Urteil oder sonstigen Justizakt ausgesprochen werden, wirken nicht weiter, als es eine entsprechende Rechtsänderung, die durch Rechtsgeschäft herbeigeführt wird, tut«239. »Dritte brauchen die im Urteil vorgenommene Gestaltung nur dann anzuerkennen, wenn sie auch die rechtsgeschäftliche Gestaltung gleichen Inhalts anerkennen müssten«240. Dies sei »ein allgemeiner Satz, der sich aus der Struktur unseres Prozesses« ergebe und daher »für alle Urteilsarten Geltung beanspruchen« könne241. Eine relative Wirkung des Gestaltungsurteils nach diesen Grundsätzen nahm Bettermann hauptsächlich im Bereich des Bürgschaftsrechts an, in dem der Bürge nicht an die Bestimmung der Leistung nach § 315 BGB gebunden sei oder die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB nicht als ausreichend hinnehmen müsse: »Hat der Bürge für eine Schuld, deren Leistung erst noch zu bestimmen ist, gutgesagt, so braucht er weder die vom Hauptschuldner noch die vom Richter vorgenommene Bestimmung anzuerkennen, sondern kann geltend machen, sie entspreche nicht billigem Ermessen. Ebenso wird er als Bürge für eine Vertragsstrafenschuld geltend machen können, die vom Hauptschuldner gemäß § 343 BGB erstrittene Herabsetzung sei nicht ausreichend, der im Urteil bezifferte Betrag immer noch unverhältnismäßig hoch«242. Auch solle der Bürge nicht die Prozesskosten zahlen müssen, die der Hauptschuldner verursacht hat (§ 767 II BGB), wenn er nachweisen könne, dass das gegen den Hauptschuldner ergangene Urteil und damit auch die Prozesskostenentscheidung unrichtig seien243. Bemerkenswert ist, dass Bettermann diese Konsequenz im Bürgschaftsrecht in Wahrheit nicht aus der »Bindungswirkung« eines entsprechenden Rechtsgeschäfts herleitete, wie er dies nach den vorangeführten Zitaten als allgemeinen Grundsatz aufgestellt hatte, sondern aus der subjektiven Reichweite der Rechtskraft: Sein Argument im Bürgschaftsrecht lautete, dass nach h.M. und Praxis Ansicht nach handelt es sich bei den von ihm behandelten Fällen konstruktiver Gestaltung eigentlich um Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (s. z.B.S. 191). 237 Zur Parallele des herkömmlichen Verständnisses der Gestaltungswirkung zur materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie Pagenstechers s. weiter unten, S. 78. 238 Bettermann, S. 97. 239 Bettermann, S. 98. 240 Bettermann, S. 99f. 241 Bettermann, S. 100. 242 Bettermann, S. 97; a.A. Stein/Jonas18, § 325 VI 3: »Eine vom Richter herabgesetzte oder bestimmte Leistungspflicht hat für alle den ihr vom Richter gegebenen Inhalt«. 243 Bettermann, S. 98.

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»Leistungsurteile, die im Hauptschuldnerprozess ergehen, zwar zugunsten, nicht aber zuungunsten des Bürgen wirken. Gleiches muss für Gestaltungsurteile gelten«244. Und seine Ansicht, dass die Kostenentscheidung im Prozess Hauptschuldner/Gläubiger den Schuldner nicht binde, wenn er nachweisen kann, dass das Urteil unrichtig war, sah Bettermann als nur von denjenigen als anzweifelbar an, die »auch die Hauptentscheidung Rkr. gegen den Bürgen wirken lassen«245. So schrieb er auch ausdrücklich, dass »keine grundsätzliche Verschiedenheit zwischen Feststellungs- und Gestaltungsurteilen (besteht), soweit es sich um die subjektiven Grenzen ihrer Wirkung handelt«246. Gegen die Argumentationsweise von Bettermann, soweit sie die Bindung an das Gestaltungsurteil aus der Bindung an die rechtsgeschäftliche Gestaltung ableitet, ist außer dem Vorgenannten auch noch einzuwenden, dass nicht deutlich wird, nach welchen Kriterien die Reichweite der Gestaltungsurteile in den Fällen ermittelt werden soll, in denen eine rechtsgeschäftliche Gestaltung überhaupt nicht möglich ist247. Nach Hueck müssen Dritte die durch das rechtskräftige Gestaltungsurteil herbeigeführte Änderung der Rechtslage respektieren, genauso, wie sie eine wirksame Auflösung der Gesellschaft im Verhältnis der Gesellschafter zueinander respektieren müssen248. Zur Nichtigerklärung eines Beschlusses durch Anfechtungsklage führte er diesen Gedanken noch weiter: Dritte müssen die Gestaltung als Tatsache gegen sich gelten lassen, genauso wie ein Dritter die durch berechtigte Anfechtungserklärung rückwirkend erfolgte Beseitigung einer Willenserklärung nach § 142 BGB anerkennen müsse. »Anders dagegen ist es, wenn der Beschluss in Wahrheit nicht an einem Mangel litt. Eine sachlich nicht begründete Anfechtung kann eine Willenserklärung, im vorliegenden Fall also auch einen Beschluss, nicht mit Rückwirkung beseitigen. ... (Dritte) brauchen sich eine in ihre Rechtsstellung eingreifende rückwirkende Vernichtung eines in Wahrheit gar nicht mangelhaften Beschlusses nicht gefallen zu lassen, da sie durch die Rechtskraft nicht gebunden sind, genauso wie ein Aufhebungsbeschluss der Hauptversammlung sich zwar im Innenverhältnis Rückwirkung beilegen kann, in schon bestehende Rechte Dritter aber nicht eingreifen kann«249. Damit besteht aber gerade keine uneingeschränkte Bindung Dritter an die so genannte Gestaltungswirkung, denn von einer Bindung spricht man nur dann, wenn die Möglichkeit abgeschnitten

244

Bettermann, S. 97. Bettermann, S. 98 und dort Fn. 185 t. 246 Bettermann, S. 98. 247 So auch Brox, FamRZ 1963, 392, 397. 248 Hueck, FS Heymanns Verlag, 287, 301; Hueck, Anfechtbarkeit, S. 196: Analogie zur Bindung an durch gültiges Rechtsgeschäft vollbrachte Gestaltung. 249 Hueck, FS Heymanns Verlag, 287, 305f.; zur Problematik der Rückwirkung eines Anfechtungsurteils nach § 248 AktG gegenüber Dritten s. Hüffer, AktG, § 248 Rn. 7; Geßler-Hüffer, § 248 Rn. 17ff. 245

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wird, die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit einer Rechtshandlung zu überprüfen – sonst handelt es sich lediglich um eine Auswirkung250. Nicht nachzuvollziehen ist in dieser Hinsicht die Ansicht von Schulte, dass die Parallele zum materiellen Recht eine Differenzierung zwischen Gestaltung ex tunc und ex nunc gebiete: Dritte müssten die Gestaltung ex tunc nicht gegen sich gelten lassen, wenn in ihre bestehende Rechte eingegriffen wird, während die Gestaltung ex nunc gegenüber jedermann wirke251. »Soweit durch das Anfechtungsurteil, wie bei jedem anderen Gestaltungsurteil auch, in bestehende Rechte Dritter eingegriffen wird, kann der Dritte jederzeit die Richtigkeit des Urteils in Frage stellen. Nicht anders ist es auch bei der Anfechtung nach §§ 119ff. BGB, deren Wirksamkeit auch von jedermann in Zweifel gezogen werden kann. Wird nicht in Rechte Dritter eingegriffen, also bei Gestaltung der Rechtslage ex nunc, wirkt das Gestaltungsurteil inter omnes. Das ist schon deshalb richtig, weil selbst bei Gestaltung durch einen Privatrechtsakt eine verbindliche Regelung mit Wirkung für und gegen alle herbeigeführt wird«252. Das ist allerdings nicht zutreffend, wie ein kurzer Blick auf die typische Gestaltung ex nunc, die Kündigung, zeigt: ob sie wirksam erfolgt ist oder nicht, kann jederzeit außerhalb einer rechtskräftigen Entscheidung erneut festgestellt werden. Nikisch behauptete, die Gestaltungswirkung sei von jedermann zu beachten, weil »die Tatsache, dass die Rechtslage durch das Urteil eine andere geworden (sei), nicht bestritten werden« könne253. Das ist aber eine typische petitio principii, denn die Frage ist gerade, für wen und aus welchen Gründen die Tatsache, dass die Rechtslage zwischen A und B geändert wurde, derart verbindlich wird, dass der Eintritt der Gestaltung von C nicht mehr bestritten werden kann. Die Argumentation, dass die Gestaltung von jedermann zu beachten sei, weil keiner bestreiten könne, dass sie stattgefunden hat, ist durch eine körperweltliche, naturwissenschaftliche Betrachtung beeinflusst254, die der normativen Struktur des Rechts nicht gerecht wird255. Selbstverständlich bringt ein Gestaltungsurteil insofern eine Veränderung in der Welt der Tatsachen hervor, als es dieses Urteil nunmehr gibt, während es früher nicht da war256. Dies besagt jedoch nichts in Be250

S. weiter oben, S. 50. Schulte, AG 1988, 67, 69f.; Hueck, Anfechtbarkeit, S. 206 und dort Fn. 29, der eine »Bindung« Dritter auch ex tunc an die rechtsfehlerfreie Anfechtung annimmt. 252 Schulte, AG 1988, 67, 71. 253 Nikisch, ZPR, S. 409. 254 S. z.B. Hofmann S. 5: »Die Entstehung neuer rechtlicher Gegebenheiten bedeutet im Rechtsleben dasselbe wie die Entstehung einer Tatsache in der Welt des Tatsächlichen«, sogar mit dem Hinweis, dass er in dieser Parallele keine »verkehrte körperweltliche« Auffassung zu erblicken vermöge (dort Fn. 12). 255 Gaul, FS Zeuner, 317, 333, der zugleich darauf hinweist, dass die körperweltliche Betrachtung bei der Gestaltungswirkung von denselben Autoren, die sie bei der Tatbestandswirkung weiterhin vertreten, entschieden aufgegeben wurde, was jedoch zu bezweifeln ist; Goldschmidt, AcP 117, 1, 22f.; Jesch, S. 95. 256 So zutreffend schon Jesch, S. 63 zum Erlass eines gestaltenden Verwaltungsakts. 251

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zug auf die Bindung an den Inhalt dieses Urteils: »An Stelle der juristischen Wertung und Zurechnung tritt die grobe mechanistisch-naturwissenschaftliche Denkform, die aus der Schaffung einer neuen ›Rechtstatsache‹ auf ihre absolute Verbindlichkeit schließt. Wer aber die Eigengesetzlichkeit juristischer Logik gegenüber der mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkweise anerkennt, wird schon hieraus die apriorische Wirkung der Gestaltungsakte bezweifeln müssen. ... Dass wir trotzdem immer wieder zu einer Verschiebung neigen, ist psychologisch verständlich. Wir können uns nur schwer von den Vorstellungen aus der uns näher liegenden Welt der Tatsachen freimachen. Wenn wir von einer Veränderung rechtlicher Beziehungen hören, so stellen wir uns darunter unwillkürlich das Gleiche vor, wie etwa bei einer ›Veränderung‹ in der Chemie. Diese wirkt allerdings absolut. Es bedeutet aber eine unzulässige Begriffsassoziation, wenn wir ›Veränderungen‹ und ›Gestaltungen‹ in der Rechtswelt gleiche Bedeutung zulegen wie gleichnamigen Vorgängen in der Körperwelt. Denn die Rechtswelt hat es nicht mit Realitäten, sondern mit gedachten Rechtsfolgen zu tun«257. Die Gestaltung ist daher keine Tatsache, sondern eine normative Wirkung258. Sehr einleuchtend hat dies auch Kipp formuliert: »Wir alle sind in der Theorie heutigen Tages wohl davon überzeugt, dass es Bildersprache ist, wenn wir vom Entstehen, Sichverändern, Untergehen, Erlöschen von Rechten und Rechtsverhältnissen, von Rechtsübertragungen usw. sprechen. ... Aber unsere juristischen Argumentationen sind, wie mir scheint, noch nicht genug von dieser Erkenntnis durchdrungen; es begegnet uns noch zu oft, die körperweltliche Auffassung von Rechten und Rechtswirkungen für mehr als ein Bild, für eine Wahrheit zu nehmen, und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, die der inneren Berechtigung entbehren und sich vermeiden lassen, wenn man von jener körperweltlichen Auffassung sich lossagt«259. Die Veränderung der Rechtslage ist letztlich lediglich eine Rechtsfolge, die das Urteil an einen bestimmten Tatbestand knüpft und die damit – ohne eine entsprechende prozessuale Verhaltensnorm – nicht unbedingt von jedermann hinzunehmen ist. Davon zu unterscheiden ist die formelle Aufhebung eines Staatsakts durch erfolgreiches kassatorisches Rechtsmittel als actus contrarius seiner Rechtsetzung. Hier werden nämlich nicht lediglich Rechtsverhältnisse des Privatrechts gestaltet, die sich im ideellen Bereich abspielen, sondern es wird der formelle Staatsakt an sich quasi physisch aufgehoben. Die Entscheidungen der beiden Instanzen werden nämlich gemeinsam foliiert, bei der Geschäftsstelle wird die Aufhebung in der Akte vermerkt wird und es wird keine vollstreckbare Ausfertigung und auch kein Rechtskraftzeugnis mehr erteilt. Daher ist bei erfolgreichen Rechtsbehelfen, die eine gerichtliche Entscheidung bzw. einen Verwaltungsakt 257 258 259

Jesch, S. 96f. Oberhammer, S. 85. Kipp, FS Martitz, 211, 211f.

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förmlich aufheben (ohne selbst in der Sache zu entscheiden), ausnahmsweise eine körperweltliche Betrachtung zutreffend und die Aufhebung gilt wirklich für und gegen jedermann. Körperweltlich beeinflusst ist auch die Sichtweise, dass man an das Gestaltungsurteil gebunden sei, weil man zwar seine Rechtmäßigkeit bestreiten könne, es dadurch jedoch nicht aus der Welt schaffe260. Dabei wird nämlich die materiellrechtliche Wirkung mit der prozessualen Bindung verquickt. Die durch Vertrag erfolgte Gestaltung kann ein Dritter auch nicht »aus der Welt schaffen«. Das bedeutet jedoch nicht, dass er ihre Wirksamkeit nicht prozessual bestreiten könnte. Wenn man dies bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung hinnimmt, bei den Gestaltungsklagen dagegen nicht, liegt das an der Befürchtung, andernfalls die Autorität des Richterspruchs zu untergraben. Dies klingt in der Ansicht an, dass »die Tatsache der herbeigeführten Rechtsänderung ... nach dem Willen des Gesetzgebers von jedermann gerade wegen der Mitwirkung des Gerichts als unbestreitbar hingenommen werden (muss)«261. Im deutschen Verfahrenssystem schöpft jedoch der Richterspruch seine Kraft nicht gleichsam als Akt der Selbstbezeugung aus der Richtermacht, sondern die Autorität des Richterspruchs wird durch die Rechtskraft als Institut der objektiven Rechtsordnung geschützt262. Wenn es nicht als tragbar erscheinen sollte, die Bindung an das Gestaltungsurteil auf die »normalen« Rechtskraftgrenzen zu beschränken, muss der Gesetzgeber eine Erweiterung der Rechtskraftgrenzen vorsehen. In einigen wichtigen Fällen der Gestaltungsklage ist dies schon geschehen, so z.B. in § 1496 S. 2 BGB, § 640h ZPO, §§ 248, 275 AktG, § 75 II GmbHG, §§ 51 V, 96 GenG. Auch nach Stein wirken gestaltende Entscheidungen »vermöge ihres Inhaltes« für und gegen alle, weil ein Anspruch, »der für einen entstanden ist, für den anderen nicht, ... ein Nonsens (ist)«263. Die Bindung an die Gestaltungsurteile begründet Stein jedoch nicht mit der Gestaltungswirkung, sondern mit der materiellen Rechtskraft selbst, die sich ausnahmsweise begriffsnotwendig nicht auf die Parteien beschränke. Gleichzeitig wendet er sich jedoch gegen die Auffassung, dass die Rechtsfolge der Gestaltung als »brutale Tatsache« nicht bestritten werden könne. Denn die Gestaltung sei »nichts Reales, sondern nur eine gedachte Rechtsfolge, und wenn auch kein Staat für sein eigenes Gebiet diesen auf die Zukunft ge260 Ulmer, FS Geßler, 269, 273: »Ist ein Gesellschafter mangels Prozessbeteiligung nicht an die Rechtskraft des Auflösungsurteils gebunden, so mag er also gegenüber seinen Mitgesellschaftern das Vorliegen eines Auflösungsgrundes bestreiten. Die eingetretene Auflösung als solche schafft er dadurch nicht aus der Welt«. 261 Calavros, S. 127. 262 Vgl. Gaul, Jahrbuch, S. 9, 23f. gegen die Lehre von Bülow und Goldschmidt. 263 Stein, Grenzen, S. 89f.; Bachof, MDR 1950, 374, 376 sprach von einer »logischen Ungeheuerlichkeit«; dagegen Krause, S. 43; s. auch Schlosser, S. 195f., der allerdings annimmt, dass es grundsätzlich Sinn eines Gestaltungsurteils sei, nach allen Richtungen hin umfassende Rechtsklarheit zu schaffen, so dass man davon ausgehen müsse, dass das Gesetz mangels anderweitiger Bestimmung umfassende oder überhaupt keine Gestaltungswirkung zuerkenne (S. 196).

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richteten Ausspruch mit nur relativer Bindungskraft ausstatten wird, so zeigt doch der nicht seltene Fall, dass die in einem Staate ausgesprochene Ehescheidung oder sonstige Rechtsgestaltung in einem anderen Staate nicht anerkannt wird, die Möglichkeit verschiedener Bewertung desselben rechtsgestaltenden Urteils«264. Damit hat sich Stein jedoch in Widerspruch zu seiner anfänglichen These gebracht, dass die materielle Rechtskraft der Gestaltungsurteile notwendig für und gegen alle wirken müsse: Wenn die Möglichkeit verschiedener Bewertung desselben rechtsgestaltenden Urteils besteht, wirkt das Gestaltungsurteil eben nicht begriffsnotwendig für und gegen alle. Abgesehen davon erscheint es der allgemeinen Logik genauso »ein Nonsens«, wenn das Eigentum an einer und derselben Sache trotz absoluten Charakters in zwei Prozessen zwei unterschiedlichen Personen zugesprochen werden kann, wenn gar dieselbe Person ihrem Nachbarn zur Rechten gegenüber Grundstückseigentümer ist, ihrem Nachbarn zur Linken gegenüber aber nicht. Wenn man sich vor Augen führt, dass z.B. die Eigentümerstellung auch auf einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung basieren kann (z.B. auf der Anfechtung der Auflassungserklärung), über die eine rechtskräftige Feststellung ergangen ist, wird die Ähnlichkeit der Situation sogar noch deutlicher. Die Grundwertung des deutschen Zivilprozesses liegt nun einmal darin, lieber derartigen »Nonsens« hinzunehmen, als Fehlentscheidungen zu perpetuieren oder den Betroffenen das rechtliche Gehör abzuschneiden265. Ähnlich zwingend klingt zunächst die Aussage: »Jede Rechtsänderung muss nach den Grundsätzen der Vernunft von jedermann gleich irgend einem andern Zustand schlechtweg anerkannt werden, vorausgesetzt nur, dass sie feststeht. Das aber wird im allgemeinen schon durch die Existenz des konstitutiven Urteils bewiesen«266. Indessen lassen sich juristische Fragen nicht einfach nach den Regeln der Vernunft beantworten267. Der vordergründige Hinweis auf Vernunftgründe ist sogar insofern bedenklich, als er die hinter der rechtlichen Regelung verborgenen systematischen Zusammenhänge verbirgt. Abgesehen davon ist die Argumentationskette nicht in sich geschlossen, denn es ist eine petitio principii, dass bereits die Existenz des Gestaltungsurteils ausreicht, damit die Rechtsänderung gegenüber jedermann feststeht. Auch der nächste Einwand geht in die gleiche Richtung, nämlich dass »eine GmbH ... entweder als juristische Person (existiert), oder sie ist aufgelöst und existiert nicht. Es ist praktisch unmöglich, dass sie gegenüber den Parteien des 264

Stein, Grenzen, S. 93f. Wohingegen Pagenstecher, RheinZ 1914, 489, 498 insgesamt relative Urteilswirkungen ablehnt: »Ich habe es stets abgelehnt, die Wirkungen des Urteils etwa dahin zu bezeichnen, dass das festgestellte Recht ›inter partes‹ entstehe« (Hervorhebung im Original). 266 Heim, S. 72. 267 Was keineswegs als Aufruf dazu verstanden werden sollte, jegliche Vernunft auszuschalten! 265

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Auflösungsprozesses nicht mehr existiert und gleichzeitig gegenüber anderen Personen als eine bestehende Rechtspersönlichkeit behandelt wird«268. Genau dies ist jedoch der Fall, wenn die Auflösung einer GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen wurde: Nach § 15 I HGB kann sie Dritten, die die Auflösung nicht kannten, nicht entgegengehalten werden, wer jedoch Kenntnis vom Auflösungsurteil hatte, kann sich nicht auf die fehlende Eintragung berufen. Somit würde die Gesellschaft einigen Personen gegenüber als existierend behandelt, anderen gegenüber jedoch nicht. Dennoch wird diese Situation, wenn es um die Reichweite der Gestaltungswirkung geht, als »unmöglich« eingestuft, was daher nicht überzeugen kann. Zusammenfassend kann gegen die genannten Begründungsversuche eingewandt werden, dass eine (angebliche) Gestaltung durch Privatrechtsgeschäft gerade nicht für und gegen alle wirkt. Wer das Gegenteil behauptet, verwechselt materiellrechtliche und prozessuale Wirkungen bzw. Bindung und Auswirkung: Der Satz, dass eine rechtsgeschäftliche Gestaltung gegenüber jedermann wirkt, ist nur zutreffend unter der Zusatzvoraussetzung, dass die Gestaltung erwiesenermaßen nicht rechtswidrig ist, d.h. als Auswirkung. Wer soll jedoch beurteilen, ob alle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind oder nicht? Der Einzelne kann nur eine subjektive Einschätzung äußern. Einen optimalen Betrachter, der das Rechtsverhältnis fehlerfrei und absolut beurteilt, gibt es in der Realität nicht269. Wie Leipold richtig bemerkt, wendet sich die Rechtsnorm nämlich nicht selbst an, sondern es bedarf dazu stets eines erkennenden Subjekts. Die Rechtsanwendung durch die Parteien selbst außerhalb des Prozesses »bleibt aber unverbindlich und vermag, wenn die Rechtsansichten der Parteien nicht übereinstimmen, den Streit nicht beizulegen«270. Außerdem sei an den (freilich überspitzten) Satz von Degenkolb erinnert: »Vor allem Glauben an das Urteil des Gerichtes steht der Glaube an die Unfehlbarkeit des eigenen Urteils über eigenes Recht«271. Die Selbsteinschätzung des die Gestaltung Erklärenden über sein Gestaltungsrecht führt nicht die Unbestreitbarkeit der Rechtsfolge herbei, sondern setzt lediglich ein »Tatbestandsmerkmal mit einseitig behauptetem Geltungsanspruch«272. Die persönliche Einschätzung der Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung ist so lange frei, bis sie durch die Rechtskraftbindung zugunsten des Rechtsfriedens abgeschnitten wird – aber auch das nur gegenüber einem begrenzten Personenkreis. Rechtsgeschäfte des materiellen Rechts sind also nicht mit prozessualer Fernwirkung ausgestattet, ihre Wirksamkeit wird im Prozess bestritten und ist Gegenstand der Beweisführung. Daher ist die Parallele zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung nicht geeignet, um eine universelle Bindung an das Gestaltungsurteil zu be268 269 270 271 272

Calavros, S. 155. S. auch weiter oben, S. 4. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 36. Degenkolb, S. 9f. zum Zusammenhang von Klage und materiellem subjektiven Recht. Martens, ZZP 79, 404, 416.

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gründen – eher spricht sie sogar für eine relative Bindungswirkung. Bezeichnend ist, dass Schumann die Möglichkeit leugnet, selbst »unechte« Gestaltungsurteile durch eine Anspruchskonstruktion zu ersetzen, weil eine rechtsgeschäftliche Erklärung, wie dies auch ein Gesellschafterbeschluss wäre, niemals die Unangreifbarkeit des Urteils erreichen könne273. Dies führt den Versuch, die Unangreifbarkeit des Urteils umgekehrt auf die rechtsgeschäftliche Erklärung zu stützen, ad absurdum. Dass die Gestaltungswirkung durchaus relativ verstanden werden kann, steht nach dem oben Gesagten also außer Zweifel. Auch die Tatsache, dass ein ausländisches Gestaltungsurteil unter Umständen nicht anerkannt wird, zeugt von der Möglichkeit einer relativen Gestaltung274, wie auch die früher diskutierte Problematik der »Anerkennung« gestaltender Entscheidungen zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeitszweigen275. Somit sind Änderung der materiellen Rechtslage und prozessuale Bindung an den Inhalt des Gestaltungsurteils zwei Auswirkungen des gestaltenden Richterspruches, die nicht gleichzusetzen sind. Die (vermeintliche) Änderung der Rechtslage kann an sich auch keine Präklusion von Einwänden gegen die Wirksamkeit der Gestaltung begründen, sondern es muss eine prozessuale Bindung spezifischer Art hinzutreten, die den Inhalt des Gestaltungsurteils vor zukünftigen Einwänden sichert. Die gängige Begründung der Bindung an das Gestaltungsurteil übersieht, dass in ihrem Sinne gar keine »Bindung« stattfindet, denn man spricht ja z.B. auch nicht von der »Bindung« des Richters an den Abschluss eines Kaufvertrags oder an die rechtswirksame Kündigung276. Auch die Argumentationsschiene, dass jedermann an das Gestaltungsurteil gebunden sei, so wie er an eine rechtsgeschäftliche Verfügung gebunden wäre277, ist verfehlt, weil sie der unterschiedlichen Struktur der privatrechtlichen Betätigung und der Prozessführung nicht gerecht wird: »Auch bei Wahrnehmung aller prozessualen Mitwirkungsmöglichkeiten (beruht das Urteil) nicht auf dem einvernehmlichen Handlungswillen der Parteien, sondern maßgeblich auf dem richterlichen Erkenntnisakt«278. Rechtsgeschäftliches Handeln dagegen, ob als Verfü273

Stein/Jonas-Schumann, vor § 253 Rn. 41. Reichel, AcP 124, 200, 206f. zum Scheidungsurteil. 275 So verneinte z.B. Sauer, S. 209 einem zivilrechtlichen Scheidungsurteil die Anerkennung, so dass der Strafrichter trotz ergangenen Scheidungsurteils wegen Bigamie bestrafen könne. 276 Bötticher, FS DJT, 511, 522; zur Terminologie bei der Tatbestandswirkung Jesch, S. 60 und dort Fn. 14; Stein, Grenzen, S. 96: »Von einer mit der materiellen Rechtskraft auch nur vergleichbaren Bindung kann hier keine Rede sein«, S. 98: »von Kritik, Nachprüfung oder Bindung (ist) nicht die Rede«. 277 S. z.B. Hassold, S. 42: Das Gestaltungsurteil ändere wie eine materiellrechtliche Verfügung die Rechtslage gegenüber jedermann. 278 Gaul, FS Schwab, 111, 135 gegen die Lehre von der Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit, soweit sie die Abhängigkeit auf die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Beeinflussung der Lage des Dritten zurückführt. 274

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gung oder als Gestaltung, basiert ausschließlich auf dem privaten Willen des Berechtigten und ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die alte Lehre, dass das, was unter den »iusti contradictores rechtskräftig erkannt« sei, als »unabänderliches Recht« von Dritten ebenso wenig bestreitbar sei wie ein von den Parteien geschlossener Vertrag, von Anbeginn unhaltbar war und dem geltenden Recht widerspricht, das ausdrücklich die Rechtskraft des von dem legitimierten Vorerben und Testamentsvollstrecker erstrittenen Urteils über die Parteigrenzen hinaus auf die Nach- und Testamentserben erstreckt (§§ 326, 327 ZPO). Schon Savigny279 hatte den »sog. Repräsentationsgedanken als durchgreifenden Grundsatz« verworfen und ihn nur auf die in den Quellen genannten »zwei Ausnahmen« der Klagen über den »Status« beschränkt, bei denen das Urteil ausnahmsweise »inter omnes« wirke280. Die genannte Argumentation der h.M. mit der Rechtsnatur der Gestaltung ist aber noch in einer anderen Hinsicht inkonsequent: Wenn die Gestaltungswirkung in der Änderung der materiellen Rechtslage besteht, dann handelt es sich um eine materiellrechtliche Wirkung (wie auch durchaus von einigen zugestanden wird281), und dann müsste eine nachfolgende Klage, der sie entgegensteht, mangels Begründetheit abgewiesen werden282 und nicht als unzulässig, wie es beim Verstoß gegen eine Urteilswirkung angebracht ist. Festzuhalten ist mit Grunsky, »dass es nicht recht einleuchten will, weshalb die Gestaltungswirkung notwendigerweise für und gegen alle eintreten soll. Als ein zwingendes Axiom wird man die Auffassung der h.M. wohl nicht gelten lassen können: genauso wie es einen nur relativen Mangel der Rechtszuständigkeit gibt, genauso ist es auch denkbar, dass die Gestaltungswirkung nur zwischen den unmittelbar am Rechtsstreit Beteiligten eintritt«283. »Wenn ... die Gestaltungswirkung ihren Ursprung ausschließlich im materiellen (objektiven) Recht hat, so können sich Besonderheiten hinsichtlich ihres Umfangs bzw. der Geltung der sich aus der Gestaltung ergebenden Rechtsfolge nicht deshalb ergeben, weil der Richter die Gestaltung vorgenommen hat, da die Gestaltungswirkung bzw. die materielle Rechtsfolge unabhängig davon eintritt, wer diese herbeiführt. Wenn gleichwohl Unterschiede in der personellen Reichweite zwischen der durch Rechtsgeschäft und der durch den Richter vorgenommenen Gestaltung bestehen sollen, so kann dieses seinen Grund jedenfalls nicht in der Gestaltungswirkung,

279

Savigny, System Bd. VI, S. 471ff. S. dazu Gaul, FS Zeuner, 317, 326f. 281 S. weiter oben, Fn. 154. 282 So in der Tat Geßler-Hüffer, AktG, § 248 Rn. 14, 21; Schulte, AG 1988, 67, 69; s. auch weiter unten, S. 83 zur materiellen Rechtskrafttheorie. 283 Grunsky, ZZP 76, 49, 71 und dort Fn. 81 als »obiter dictum«. 280

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sondern allenfalls in der allgemeinen Urteilswirkung der materiellen Rechtskraft haben«284. Die Lehre von der inter omnes-Wirkung der Gestaltungsurteile könnte sich aus der Tatsache erklären, dass die gängige Assoziation zum Begriff »Gestaltungsurteil« das Eheauflösungsurteil bzw. das Statusurteil ist285. Gerade bei diesen Urteilen ist es besonders wichtig, dass die Rechtslage endgültig geklärt wird. In den Motiven zu § 1256 E BGB ist die Rede von dem »Prinzip, dass das auf eine sog. Statusklage ergehende Urtheil für und gegen alle wirkt«. Dieses beruhe »auf Rücksichten höherer Art« und sei »namentlich wegen der Untheilbarkeit und der objektiven Natur der hier in Betracht kommenden Verhältnisse und der sonst eintretenden Verwickelungen, im Interesse der öff. Ordnung dringend geboten«. Die Geltung der Offizialmaxime bei den Statusklagen räume Bedenken hinsichtlich der Beeinträchtigung von Rechten Dritter aus dem Weg286. Schon die Römer gingen von der Wirkung der Statusurteile inter omnes aus, jedoch bei richtiger dogmatischer Einordnung als Rechtskraftwirkung287. Auch der deutsche historische Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die absolute Wirkung des Ehenichtigkeitsurteils eine selbstverständliche Folge seines »konstitutiven Charakters« sei288. Was bisher nicht eindeutig erkannt wurde ist, dass die Motive nicht von einer Gestaltungswirkung ausgehen, sondern gerade von der richtigen Basis, dass die Bindungswirkung der Gestaltungsurteile durch die Rechtskraft bewirkt wird: Es geht ausdrücklich um die gebotene Erweiterung des »subjektiven Umfangs der Rechtskraft des Urteils« in Statussachen. Somit liegt den Motiven auch nicht zwingend ein »weit verbreiteter Irrtum« zugrunde, wie Goldschmidt schrieb289. Die Aussage der Motive lässt sich demnach dahingehend verstehen, dass eine Rechtskrafterstreckung bei Statusurteilen unerlässlich ist. Zwar ist der dogmatische Ausgangspunkt des Gesetzgebers für die Dogmatik nicht bindend290, so dass 284

Schulte, AG 1988, 67, 69, der allerdings zu einem differenzierenden Ergebnis kommt, s.

S. 56. 285

So schon Goldschmidt, AcP 117, 1, 23. S. Motive zu § 1256 Entw. I zum BGB (IV 62/4). 287 Auf der den Statusurteilen ausnahmsweise zugebilligten Rechtskraft inter omnes stammt der Satz Ulpians »res iudicata pro veritate accipitur«, den Savigny, Bd. VI, § 282 (S. 272ff., 277ff.) überdies auf alle Urteile als positive Funktion der Rechtskraft ausgedehnt hat, dazu s. Brinz, § 99 (S. 348ff.); Gaul, Jahrbuch, 9, 16; Gaul, FS Flume, 443, 466, 495 (iudex ius facit). Allerdings meint Kaser/Hackl, § 55 III 2 (S. 381), § 74 III 2 und dort Fn. 48 (S. 500), § 94 II 2 (S. 616), dass der Satz nicht zwingend als Bindung gegenüber jedem Dritten zu verstehen ist, s. auch Hackl, S. 304ff., 316. 288 S. Motive zu § 1256 Entw. I zum BGB (IV 62/3). 289 Goldschmidt, AcP 117, 1, 23: »Aber selbst der Nachweis, dass die Verfasser des am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Gesetzgebungswerkes jenen weit verbreiteten theoretischen Irrtum teilten, vermag denselben nicht zum verbindlichen Gesetzesinhalt zu machen«. 290 Braun I, S. 317; s. allerdings Pawlowski, Rn. 400, 512, 623a zum Vorrang der dogmatischen Einschätzung des Gesetzgebers. 286

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es für die dogmatische Begründung der Bindung an Gestaltungsurteile auch nicht ausschlaggebend ist, dass »ein Gesetzgeber, der angesichts der seit langem festgefügten h.M. über die umfassende Wirkung gestaltender Gerichtsentscheidungen bewusst einen Gestaltungsprozess statuiert, deren Auffassung über die subjektive Reichweite der Drittwirkung rezipiert«291. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass bei den einzelnen Gestaltungsurteilen zu prüfen ist, ob eine Erweiterung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft geboten ist, wie das auch bei einigen Statusurteilen bereits der Fall ist. Es kann dagegen nicht der Ansicht gefolgt werden, dass die Gestaltung auch bei beschränkter Rechtskraftwirkung gegenüber jedermann gelten solle, sofern ein Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Feststellung bestehe, was insbesondere bei den Urteilen über den Personenstand angenommen wird292 und zumeist mit einer Einschränkung des Verhandlungsgrundsatzes einhergehe293. Insgesamt sollte eine Untersuchung der dogmatischen Einordnung der so genannten Gestaltungswirkung nicht bei der eher emotional empfundenen Notwendigkeit ihrer umfassenden Wirkung ansetzen, da sonst die Gefahr besteht, dass die nüchterne rechtssystematische Untersuchung zu stark unter rechtspolitischen Einfluss gerät.

b. Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 III, 97 I GG, § 1 GVG Die Bindung an die Änderung der Rechtslage basiert nach einer Ansicht auf der Bindung an Gesetz und Recht294. Nach Lent sind es »die Normen des materiellen Rechts, an die jedes Gericht und jede Behörde ohne Rücksicht auf die Parteien, ohne Beschränkung auf bestimmte Beteiligte gebunden ist, welche die Anerkennung der Rechtsfolge, der Gestaltung erzwingen«295. Dies trifft jedoch nicht zu: Sowohl Art. 20 III GG als auch Art. 97 GG beziehen sich auf die gültigen Rechtssätze, d.h. förmliches Gesetz, sonstige geschriebene Rechtsnormen und Gewohnheitsrecht296. Bei der Bindung an die urteilsmäßige Gestaltung handelt es sich jedoch nicht um die Bindung an einen abstrakten Rechtssatz, denn es wird nicht das objektive Recht selbst gestaltet297, das Urteil ändert allenfalls das konkrete 291

So aber Krause, S. 45. Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 551). 293 Schulte, AG 1988, 67, 69. 294 Nicklisch, S. 141; Zeiss/Schreiber, Rn. 564 (S. 217). 295 Lent, ZZP 61, 279, 306 (Hervorhebung im Original). 296 Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 20 IV Rn 50ff., Art. 97 Rn. 4f.; v. Münch/Kunig-Schnapp, GG, Art. 20 Rn. 36; v. Münch/Kunig-Meyer, GG, Art. 97 Rn. 10. 297 Gaul, FS Flume, 443, 522; Rödig, S. 99, 100; nicht eindeutig Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn. 7: er werde eine »objektive Rechtslage« geschaffen – Eine Änderung des objektiven Rechts nimmt Koussoulis, S. 141f. an. Unklar jedoch derselbe auf S. 142 und dort Fn. 191, wo er eine Bindung des Richters an die Gestaltungswirkung über Art. 97 I GG ablehnt, weil danach der Richter »das objektive Recht im allgemeinen ..., nicht etwa das besonders durch das Gestaltungsurteil neu entstandene objektive Recht« anwenden müsse – Nach Martens, ZZP 79, 404, 436 kann die 292

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Rechtsverhältnis der Parteien und niemals das objektive Recht298, sondern nur auf Anordnung eines (abstrakten) Rechtssatzes ein konkretes Rechtsverhältnis. Es handelt sich nicht um eine Änderung des Rechts i.S.d. Art. 20 III/97 GG, geändert wird lediglich die materielle Rechtslage (das konkrete Rechtsverhältnis), die der Richter zwar richtig zu ermitteln hat, an die er aber nicht im prozessualen Sinne gebunden ist. Diese Rechtslage wird durch einen Subsumtionsschluss gestaltet, bei dem der Richter auch an das Recht gebunden ist. Dieser Subsumtionsschluss mag in Rechtskraft erwachsen und damit in ihren Grenzen verbindlich werden, er wird jedoch nicht selbst zum Recht, insbesondere bleiben die Rechtsnormen, auf denen er basiert, unangetastet. Bei der Scheidung wird z.B. nicht § 1564 BGB gestaltet, sondern das Rechtsverhältnis zwischen den konkreten Ehepartnern. Die Bindung des Richters an § 1564 BGB bewirkt, dass die gescheiterte Ehe nur durch gerichtliches Urteil auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden kann, bei der konkreten Urteilsfindung ist der Richter insoweit an Gesetz und Recht gebunden. § 1564 BGB liefert jedoch keine hinreichende Begründung dafür, dass künftig befasste Gerichte und Behörden an den Gestaltungsausspruch des Erstrichters gebunden sind. Somit kann sich eine Bindung des Richters an das Gestaltungsurteil im späteren Prozess nicht allein aus seiner Bindung an Gesetz und Recht erklären. Richtig bemerkt Otte, dass sich den gestaltenden materiellrechtlichen Normen keine konkrete Aussagen über Art und Umfang der Bindungswirkung entnehmen lassen299. Auch die Tatsache, dass das Gestaltungsurteil einer gesetzlichen Grundlage bedarf, kann keine Antwort auf die Bindungsproblematik liefern, denn jede wirksame Rechtshandlung geht in einer Rechtsordnung letztlich auf Gesetz und Recht zurück, selbst eine Rechtshandlung in Ausübung der Vertragsfreiheit. Das Rechtsgeschäft ist nicht die letzte, sondern nur die auslösende Ursache für die Wirkung300 – immer ist das objektive Recht die letzte Wirkungsursache, denn alle Wirkungen in der Rechtswelt gehen letztendlich auf die Anerkennung durch die Rechtsordnung und somit auf das objektive Recht zurück301.

Bindung des Richters an Gesetz und Recht durchaus auch die Bindung an einen von den Parteien geschlossenen Vertrag beinhalten. Zwar sah die sog. Stufentheorie von Bülow, Merkl (S. 181ff.) und Kelsen (S. 233f.) das Urteil als eine Konkretisierung des objektiven Rechts an, diese Sicht hat jedoch keinen großen Anklang gefunden und ist heute nach allg. Meinung abzulehnen. 298 Gaul, FS Flume, 443, 522 299 Otte, S. 61f., der jedoch auf den dem Gestaltungscharakter immanenten Normzweck abstellt, in der Frage der Umgestaltung der Rechtslage für alle Privatrechtssubjekte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen s. auch weiter oben, S. 26. 300 Krusch, S. 15, 21. 301 Flume, Rechtsgeschäft, § I 4 (S. 6f.); Krusch, S. 10ff.; Oertmann, Vorbem. 3 zu § 104 BGB (S. 318); Staudinger-Dilcher12, Einl. zu § 104 Rn. 5; – anders noch für den Verwaltungsakt O. Mayer, I, S. 97: Der Verwaltungsakt »ist nicht wie das Rechtsgeschäft des Privaten, das alle seine rechtliche Wirksamkeit aus dem Gesetze zieht, sondern ist selbst öffentliche Gewalt, die aus sich selber rechtlich bestimmend wirkt, soweit ihr nicht besonders Schranken gesetzt sind«.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Es ist zwar zutreffend, dass der Richter an das materielle Recht in dem Sinne gebunden ist, dass er richtig entscheiden muss. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit, die nicht auf die Gestaltungsurteile zu beschränken ist und auch nicht die besondere Natur der Bindung an die Gestaltung erklärt: Auch wenn der Richter im Gestaltungsprozess nach der materiell richtigen Entscheidung strebt, kann er trotzdem eine (materiell) falsche Entscheidung treffen. Die Frage ist, ob der Zweitrichter dies überprüfen und gegebenenfalls anders entscheiden darf.

c. Anerkennenmüssen der Gestaltung Nicklisch unterscheidet zwischen der Bindungswirkung dergestalt, dass die Gestaltung in den Rechtskreis einer Person einwirkt, und dem Anerkennenmüssen dieser Gestaltung durch Dritte302. Diese Unterscheidung soll sich nur in Fällen der relativen Gestaltung bemerkbar machen, wenn der gestaltende Akt nicht in absolute Rechte eingreift, denn der Umfang der Bindungswirkung werde durch den Umfang des gestalteten Rechtsverhältnisses bestimmt. Werde demnach ein relatives Rechtsverhältnis gestaltet, habe auch der Gestaltungsakt relative Wirkung. Werde dagegen ein absolutes Recht gestaltet (z.B. Eigentum), so habe der Gestaltungsakt absolute Wirkung303. Es gebe auch Gestaltungsakte, die sowohl relative als auch absolute Wirkung entfalten, wie z.B. das Scheidungsurteil: Einerseits werde das Eheverhältnis zwischen zwei Personen aufgehoben, andererseits werde auch das absolute Recht aus Art. 6 GG auf ungestörten Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft tangiert304. Auch in den Fällen relativer Gestaltung sollen Dritte allerdings nicht bestreiten können, dass eine Gestaltung erfolgt sei, obwohl sie von dieser nicht in ihrem Rechtskreis betroffen würden. Als Beispiel nennt Nicklisch die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil nach § 7 a.F. KSchG (heute § 9 KSchG), die primär nur zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wirke. Die Gestaltung müsse jedoch auch von Dritten anerkannt werden, z.B. vom Gläubiger des Arbeitnehmers, der den Lohnanspruch gepfändet hatte305. Mit diesem Beispiel scheint Nicklisch jedoch die Frage nach der materiellen Wirkung von Gestaltungen gegenüber dem Pfändungsgläubiger mit der Frage nach der prozessualen Bindung zu vermengen. Zutreffend ist, dass die Forderungspfändung nicht das Rechtsverhältnis erfasst, aus dem die Forderung entspringt, so dass die Ausübung von rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechten immer noch dem Schuldner zusteht306. Er darf das Rechtsverhältnis auch kündigen, selbst wenn dies für den Pfändungsgläubiger schädlich ist, weil z.B. der Schuldner Vermieter ist und durch die Kün302 303 304 305 306

Nicklisch, S. 86ff. Nicklisch, S. 90; so schon Pohle, ZfgG, Bd. 3 (1953), 335, 339. Nicklisch, S. 91f. Nicklisch, S. 101. BFH, NJW 2001, 462.

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digung die Mieteinnahmen entfallen307 oder aber bei der Lohnpfändung der Schuldner das Arbeitsverhältnis kündigt308. Sofern diese Gestaltungen wirksam vorgenommen wurden, beeinflussen sie in der Tat auch die Befriedigungsmöglichkeiten des Pfändungsgläubigers. Jedoch ist dieser materiellrechtliche Befund zu trennen von der Frage nach der prozessualen Bindungswirkung an ein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergangenes Urteil: Hier ist zu untersuchen, ob der Pfändungsgläubiger bestreiten kann, dass die Gestaltung materiellrechtlich berechtigt war. Diese Prüfung kann ihm nur eine prozessuale Bindungswirkung abschneiden, und in dieser Hinsicht ist lediglich die materielle Rechtskraft maßgeblich. Es ist sowieso fraglich, ob die von Nicklisch vorgenommene Unterscheidung zwischen prozessualer Bindung und Anerkennenmüssen angebracht ist. Denn in dem Moment, in dem ein Gläubiger seine Ansprüche aus der Lohnpfändung nicht mehr geltend machen kann, ist er in seinem Rechtskreis auch betroffen: Wenn er die Rechtmäßigkeit des gestaltenden Akts nicht bestreiten darf, wirkt dieser auch für und gegen ihn. Außerdem besagt »das Anerkennen der Existenz eines Urteils ... noch nichts darüber, ob ein Urteil auch bei der Prüfung der Rechtslage des Dritten Bedeutung erlangt«309. »Bei der Beurteilung der Rechtsstellung eines Dritten (ist) die Frage des Vorhandenseins eines Judikats als solches normalerweise ohne jede Relevanz«310. Auch die Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Gestaltung ist nicht fruchtbar, da der Geltungskreis des gestalteten Rechts nichts darüber aussagt, inwieweit es bei einer Vorfragenprüfung auch die Rechtsbeziehungen Dritter berührt311.

d. Parallele zur Theorie von der Drittwirkung der Rechtskraft An dieser Stelle soll eine weitere Möglichkeit aufgezeigt werden, die subjektiven Grenzen der Gestaltungswirkung zu erfassen. Sie beruht auf der alten »relativen Rechtskraftwirkung mit absoluter Geltung«. Danach könne der Dritte, der am Prozess nicht teilgenommen hat, nicht bestreiten, dass z.B. die Eigentumslage zwischen den Parteien A und B auf eine konkrete Art festgestellt wurde312, wohl könne er jedoch das Eigentum für sich in Anspruch nehmen. »Die Rechtskraftwirkung tritt unter den Parteien ein: das bedeutet nicht, dass sie sich nur unter den Parteien äußert; es heißt vielmehr, dass sie sich überall da äußert, wo zwischen den 307

Stöber, Rn. 562, 37. BAG, NJW 1993, 2699, 2700. 309 Schwab, ZZP 77, 124, 130. 310 Krause, S. 55. 311 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 204. 312 Mendelssohn-Bartholdy, S. 429f.; Mendelssohn-Bartholdy, FS Franz Klein, 147, 168; Mendelssohn-Bartholdy DJZ 1910 Sp. 190; Planck3, Bd. 1, S. 44; Seuffert11, § 325 Anm. 1a (diese Betrachtungsweise wurde in der 12. Auflage durch Walsmann aufgegeben); Wach, Gutachten, S. 9ff. 308

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Parteien geltendes Recht, das unter den Parteien rechtskräftig entschieden wurde, im Lauf eines späteren Prozesses in Frage kommt. Die rechtskräftige Entscheidung unter den Parteien hat als solche absolute Geltung; kraft des Urteils ist das Entschiedene zwischen den Parteien Recht, und jedermann kann durch Berufung auf das Urteil unwiderleglich darthun, dass das Entschiedene zwischen den Parteien Recht ist. Jedermann kann das, vermöge der Rechtskraftwirkung unter den Parteien ...«313. Die Theorie der relativen Rechtskraftwirkung mit absoluter Geltung wurde von Schwab aufgegriffen, der die Lehre von der Drittwirkung der Rechtskraft begründete314, nach der sich ein Dritter nicht auf die Fehlerhaftigkeit eines unrichtigen Urteils berufen könne. Der Bürge könne somit nicht das Bestehen seiner Bürgenschuld mit Hinweis darauf leugnen, dass im Prozess gegen Gläubiger und Hauptschuldner ein falsches Zahlungsurteil ergangen sei315. Der Unterschied zu einer Rechtskrafterstreckung liege darin, dass der Dritte das Recht für sich selbst in Anspruch nehmen könne. Zwar hat Schwab selbst darauf hingewiesen, dass die Drittwirkung der Rechtskraft nicht mit der Gestaltungswirkung eines Gestaltungsurteils verwechselt werden dürfe, da die Gestaltungswirkung keine Wirkung der Rechtskraft sei, sondern sich aus dem Wesen der Rechtsgestaltung ergebe316. Trotzdem ist eine gewisse Parallele zu erkennen, insbesondere zu der Ansicht, dass genau genommen keine Bindung an den gestaltenden Akt erfolge, jedoch jedermann diesen »anerkennen« müsse. Auf eine »gewisse Verbindung« seiner Konstruktion zur Bindung an das Gestaltungsurteil zur Lehre von der Drittwirkung der Urteile hat auch Häsemeyer hingewiesen317. Aus diesem Grund muss hier kurz auf die Einwände eingegangen werden, denen sich die Drittwirkungstheorie ausgesetzt hat und die für die Zwecke dieser Arbeit relevant sind. Dies gilt vornehmlich für den Einwand, dass die Drittwirkung der Funktion nach eine Präjudizialbindung zusammen mit einer Rechtskrafterstreckung sei318. Das gleiche kann auch von der Gestaltungswirkung gesagt werden: Wenn Dritte die Gestaltung des Rechtsverhältnisses in dem Sinne hinnehmen müssen, dass auch ihre davon abgeleitete Rechtsposition ohne Möglichkeit des Widerspruchs beeinflusst wird, dann handelt es sich der Sache nach um eine Rechtskrafterstreckung in der Form der positiven Bindungswirkung. 313 Mendelssohn-Bartholdy, S. 509. Es fällt allerdings auf, dass Mendelssohn-Bartholdy nicht auf den Fall eingeht, dass (noch) kein Urteil über das »ius tertii« ergangen ist bzw. ein derartiges Urteil ergeht, bevor der Rechtsstreit samt Zwangsvollstreckung abgeschlossen ist. 314 Schwab, ZZP 77, 124, 137ff.; Rosenberg/Schwab14 (Vorauflage), § 157 II (S. 992); im wesentlichen zustimmend Koussoulis, S. 117ff.; dazu kritisch Gottwald, FamRZ 1988, 358; Schilken, ZZP 101, 106, 108f. 315 Schwab, ZZP 77, 124, 147. 316 Schwab, ZZP 77, 124, 131f., 152. 317 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 399. 318 Jauernig, ZZP 101, 361, 377; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 155 Rn. 35 m.w.Nachw.

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Bemerkenswert ist, dass Schack in seinem Aufsatz »Drittwirkung der Rechtskraft«319 die Gestaltungswirkung als ersten und weitestreichenden Fall einer »Drittwirkung« behandelt. Zwar versteht er den Ausdruck »Drittwirkung der Rechtskraft« weit: Er soll neben der unmittelbaren Rechtskrafterstreckung alle Fälle umfassen, in denen der Inhalt der Entscheidung auch im Verhältnis der Parteien zu Dritten maßgebend ist. Trotzdem scheint Schack – zu Recht – in Rechtskraft und Gestaltungswirkung nicht zwei völlig wesensverschiedene Urteilswirkungen zu sehen. Er geht zwar davon aus, dass »die Verwirklichung hoheitlicher Rechtsgestaltung ... jeden Dritten zwangsläufig in den Wirkungsbereich des Urteils ein(bezieht)«320 und lehnt eine Relativierung der Gestaltungswirkung ab, obwohl er feststellt, dass diese »insgesamt ... recht wenig Rücksicht auf Dritte« nimmt321. Gleichwohl ist der entsprechende Aufsatz als Drittwirkung der Rechtskraft, und nicht generell der Urteile, betitelt. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch folgende Formulierung bezüglich des Urteils aus § 249 AktG, das er zu den Feststellungsurteilen zählt: »Eine der Gestaltungswirkung ähnliche echte Rechtskraftwirkung für und gegen Dritte knüpft das Gesetz an bestimmte Feststellungsurteile ...«322. Somit scheint er die Gestaltungswirkung als eine Art »unechte« Rechtskraftwirkung einzustufen, worauf auch bereits das formale Argument ihrer Bearbeitung als Fall der Drittwirkung der Rechtskraft deutet. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass sich – trotz zum Teil ausdrücklicher Differenzierung zwischen Drittwirkung und Rechtskraft – diese beiden Modelle zur Bindungsproblematik im Ergebnis sehr nahe stehen. Die gleichen Argumente, die gegen die Drittwirkung der Rechtskraft sprechen, lassen sich auch gegen die Gestaltungswirkung heutiger Prägung einwenden.

e. Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung Von einigen Autoren wird die Gestaltungswirkung entweder der Tatbestandswirkung ganz gleichgestellt oder zumindest stark an sie angelehnt. Die Tatbestandswirkung ist jedoch keine prozessuale, streng betrachtet sogar überhaupt keine Urteilswirkung. Für die »Gestaltungswirkung« dagegen wird – wenn auch ohne nähere Untersuchung – überwiegend angenommen, dass sie eine prozessuale Urteilswirkung ist. Zwar stufen einige Autoren die Gestaltungswirkung ausdrücklich als materiellrechtliche Wirkung ein323, ziehen jedoch daraus nicht die sich aufdrängenden Konsequenzen, insbesondere im internationalen Bereich, denn hier wird die Gestaltungswirkung gerade nicht als Tatbestandswirkung behandelt. Entweder wird – ganz überwiegend – eine Anerkennung nach § 328 befür319 320 321 322 323

Schack, NJW 1988, 865 (Hervorhebung von Verf.). Schack, NJW 1988, 865. Schack, NJW 1988, 865, 866. Schack, NJW 1988, 865, 866 (Hervorhebung von Verf.). S. weiter oben, Fn. 154.

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wortet oder die Wirksamkeit der ausländischen richterlichen Gestaltung wird nach der lex causae ermittelt324. Keine dieser beiden Formen der Anerkennung treffen auf eine ausländische Tatbestandswirkung zu: Hier findet streng genommen gar keine Anerkennung statt, sondern die materiellrechtliche Norm, welche die Tatbestandswirkung eines anderweitig ergangenen rechtskräftigen Urteils vorsieht, wird bei ihrer Anwendung darauf hin ausgelegt, ob sie auch ausländische Urteile erfasst. Wiederum bewahrheitet sich die These, dass der beste Prüfstand für die Haltbarkeit und die Konsequenz einer These der internationale Rechtsverkehr ist325. i. Gleichstellung mit Tatbestandswirkung Vor allem in der früheren zivilprozessualen Literatur wurde die Gestaltung als Tatbestandswirkung eingestuft, weil sie von einer Rechtsnorm als Rechtsfolge eines Gestaltungsurteils bestimmt werde326. Ähnlich ist die Argumentation, wonach die Gestaltungswirkung »eine mit dem Urteil beabsichtigte Tatbestandswirkung« sei, weil »das materielle Recht beziehungsweise das Prozessrecht ... für den Eintritt bestimmter Gestaltungen nicht nur eine private Gestaltungserklärung, sondern ein Urteil, das die Gestaltung ausspricht, (verlangt)«327. Es wurde sogar behauptet, dass bei Scheitern der Ehe diese bereits vom Gesetz »aufgehoben« sei und das Urteil die Aufhebung der Ehe lediglich feststelle328. Allerdings geht der Autor weiterhin davon aus, dass der eigentliche Inhalt des Urteils sei, dass die Ehe »scheidbar« sei. Das gestaltende Ergebnis (die Aufhebung der Ehe) ergebe sich als Tatbestandswirkung des § 1564 S. 2: »Die Ehe ist mit der Rechtskraft des Urteils aufgelöst«329. Karsten Schmidt spricht von einer »Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens«, wobei eine Rechtsnorm Rechtsfolgen an ein Verfahrensereignis knüpfe. Dabei sei eine Unterscheidung zwischen Gestaltungswirkung und Nebenwirkung ohne Ertrag330. Diesem letzten Punkt kann nicht zugestimmt werden, insbesondere im Hinblick auf den internationalen Rechtsverkehr, wo es wie erwähnt einen erheblichen Unterschied macht, ob die Gestaltungswirkung eines ausländischen Ur324

Näheres dazu im zweiten Teil, S. 299ff. S. dazu bereits oben, S. 7. 326 Blomeyer, ZPR, §§ 86 III (S. 428), 94 I (S. 496); Bötticher, FS DJT, 511, 515; Ensslin, S. 25; Lent, ZZP 61, 279, 309f.; Martens, ZZP 79, 404, 447; Niese, S. 34f., 125; Schlosser, S. 22; so auch die verwaltungsrechtliche Lehre zu der Bindung an rechtsgestaltende Verwaltungsakte, s. dazu Nicklisch, 70ff. m.Nachw. und weiter unten, S. 262ff.; – andererseits wurde die Gleichstellung von Tatbestands- und Gestaltungswirkung von anderen entschieden abgelehnt, s. insbes. Goldschmidt, AcP 117, 1, 13: »Diese Gleichbehandlung aber ist die hauptsächliche Quelle der Unklarheit ...« ; Jesch, S. 63ff. 327 Lenenbach, S. 68f. 328 Rödig, S. 103. 329 Rödig, S. 103. 330 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 200. 325

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teils oder eine vom anwendbaren Recht angeordnete Nebenwirkung »anerkannt« werden soll, da nur in ersterem Fall eine Anerkennung nach § 328 erfolgen wird. Der eigentliche Einwand gegen das Modell der Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens als Erklärung für die Breite der Bindungswirkung des Gestaltungsurteils besteht darin, dass es die Antwort dazu nicht liefert, wie auch Karsten Schmidt selbst hervorhebt: »Erst Wirkung inter omnes führt zur Ausschöpfung der mit dieser Rechtstechnik verbundenen Vorteile. Sie ist aber keine Selbstverständlichkeit, mag auch die dogmatische Begründung der ›Bindung‹ von der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung her sie als eine solche erscheinen lassen«331. Damit wird jedoch die Breite der Bindungswirkung nicht dogmatisch hergeleitet, sondern sie wird von »praktischen Zwecken« diktiert332, die allerdings keine verlässliche Grundlage bilden, insbesondere wenn bei ihrer Umsetzung das Recht Dritter auf rechtliches Gehör beeinträchtigt wird. In Richtung Annahme einer Tatbestandswirkung ging auch die Ansicht von Kisch, der bemerkte, dass die »Gestaltungswirkung« eine materiellrechtliche Wirkung sei, welche die Rechtsverhältnisse Dritter vielleicht beeinflussen könne, sie aber prozessual nicht binde: Dort, wo das Gesetz nicht ausdrücklich eine Rechtskrafterstreckung vorsehe, habe das Gestaltungsurteil lediglich Beweiskraft: Der durch das Gestaltungsurteil herbeigeführte zivilrechtliche Tatbestand bedürfe keines weiteren Beweises, da er durch den öffentlichen Akt des ersten Urteils außer Zweifel gesetzt sei333. Insbesondere bei den güterrechtlichen Aufhebungsklagen und den Personenstandsklagen ist der Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen klärungsbedürftig: Die §§ 1449, 1470, 1496, 1564 S. 2 BGB sehen vor, dass das jeweilige Rechtsverhältnis mit der Rechtskraft aufgehoben oder aufgelöst ist, so dass sich fragt, ob dadurch eine Tatbestandswirkung eingeführt wird. Die Tatsache allein, dass die Rechtsfolge auf dem Urteil basiert, reicht hierzu nicht aus, ansonsten würde jede materiellrechtliche Norm, die eine Rechtsfolge an einen bestimmten Tatbestand knüpft, jedem Dritten die Prüfung abschneiden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Auch bei der rechtsgeschäftlichen Anfechtungserklärung geht es darum, »die Wirkung einer Rechtsnorm auszulösen«334, trotzdem ist allgemein anerkannt, dass die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung außerhalb der engen Rechtskraftgrenzen bestritten werden kann. Die Anordnung der Rechtsordnung darf somit nicht mit der Frage nach der Bindung an die richterliche Anordnung verwechselt werden.

331 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 203; s. allerdings K. Schmidt, FS Beys, 1485, 1487: Die Gestaltungswirkung eines Urteils sei Musterbeispiel für seine Wirkung erga omnes. 332 S. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 206. 333 Kisch, S. 80f. 334 Bruck, S. 30.

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ii. Unterschiede zwischen Gestaltungs- und Tatbestandswirkung Die Argumentation für die Einstufung der »Gestaltungswirkung« als Tatbestandswirkung ist zu pauschal. Danach wäre jede Urteilswirkung eine Tatbestandswirkung, da ein Akt nur Rechtswirkungen entwickelt, wenn eine rechtliche Norm dies vorsieht335. Auch die Rechtskraft wäre eine Tatbestandswirkung, denn für die endgültige und verbindliche Feststellung der Rechtslage ist das wirksame feststellende Urteil Tatbestandsvoraussetzung336. Das Gesetz knüpft zwar bei den Gestaltungsklagen die Gestaltung an eine richterliche Entscheidung – das wird auch nach der dieser Arbeit zugrunde liegenden Konzeption nicht bestritten: Wo die Gestaltung präjudiziell für das Rechtsverhältnis Dritter ist, wird von ihr nur nach entsprechender richterlicher Erkenntnis ausgegangen. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, welchem Personenkreis gegenüber. Nach Ansicht der Verfechter der Gleichstellung von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung besteht die Bindung nicht an den Inhalt des Scheidungsurteils, sondern an § 1564 BGB. Dazu wurden bereits einige Bedenken angebracht bei der Besprechung der Herleitung der Bindungswirkung des Gestaltungsurteils aus der Bindung des Richters an das Gesetz337. Darüber hinaus ist zu vermerken, dass es sich hierbei um eine These handelt, die sich selbst zu beweisen versucht, denn sie beantwortet noch nicht die Frage, ob und in welchem Umfang die Rechtsordnung wirklich die Gestaltung lediglich an das Vorliegen des Gestaltungsakts knüpft338. Der Tatbestand lautet nicht: Wenn ein Urteil (in einem anderen Rechtsstreit) ergangen ist, wird die Ehe geschieden, sondern: Wenn die Ehe geschieden werden soll, dann muss hierzu ein Urteil ergehen. Es wird lediglich die Form der Geltendmachung und der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkung festgelegt. Das Urteil selbst ist unerlässliche verfahrensrechtliche Voraussetzung. Die echte Tatbestandsvoraussetzung für die Rechtsfolge »Scheidung« ist lediglich das Scheitern der Ehe. Die »Tatbestandswirkung« ist keine Urteilswirkung, ja überhaupt keine »Wirkung«. Das wirksam ergangene Urteil ist ein Tatbestandsmerkmal der Entscheidungsnorm, wie es andere (juristische) Tatsachen auch sein können. Der Bezug zu den Personen, welche die Rechtsfolge der Entscheidungsnorm betrifft, ist schon im Vorfeld abstrakt festgestellt worden. Somit ist es müßig zu untersuchen, welche Personen an die Tatbestandswirkung gebunden sind: Die Entscheidungsnorm selbst ordnet an, dass bei Vorhandensein eines bestimmten (wirksamen) Urteils für eine oder mehrere konkrete Personen eine bestimmte Rechtsfolge eintritt. Das Vorhandensein des Urteils ist lediglich ein (rechtliches) Tatbestands-

335 336 337 338

Wie Schlosser, S. 22 richtig bemerkt. A.A. Zeuner, S. 118. S. weiter oben, S. 64ff. So zutreffend schon Zeuner, Buchbesprechung von Nicklisch, ZZP 80, 504.

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merkmal für den Eintritt der materiellrechtlichen Rechtsfolge339. Zwischen dem im Urteil festgestellten Anspruch des Gläubigers und der Tatbestandswirkung besteht keine inhaltliche Beziehung, sondern es handelt sich um eine nicht intendierte Folge der Verurteilung340, weswegen auch die Tatbestandswirkungen oft als »Reflexwirkungen«341 bezeichnet werden. Diese dem Urteil von einer anderen Rechtsnom beigelegte Bedeutung kann weggedacht werden, ohne dass dadurch die Bedeutung oder die inhaltliche Wirkung des Urteils geändert würde342. Dies trifft für das Gestaltungsurteil nicht zu. Es ist nicht lediglich die Veranlassung, sondern die bestimmungsgemäße Ursache des Eintritts einer Rechtsfolge343: »Die Sachlage ist ... nicht die, dass der Richter lediglich den Thatbestand (Ehebruch) konstatiert und dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge (Ehescheidung) an diese Konstatierung knüpft. Sondern das Urteil zieht selbst die Konsequenz aus der festgestellten Thatsache, indem es auf Grund dieser die vom Gesetzgeber vorgesehene Wirkung selbst herbeiführt«344. Ein weiterer Grund, weswegen die Bindung an die urteilsmäßige Gestaltung nicht als Tatbestandswirkung eingestuft werden kann, ist folgender: Bei der urteilsmäßigen Gestaltung (wie auch bei der rechtsgeschäftlichen) wird unter bestimmten Voraussetzungen einer Person die Möglichkeit gegeben, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Ob sie dies tut oder nicht, liegt in ihrer Dispositionsfreiheit (deswegen wurden die Gestaltungsrechte auch ursprünglich Kann-Rechte bzw. Rechte des rechtlichen Könnens genannt345), und zwar auch bei den Statussachen346. Die Tatbestandswirkung demgegenüber tritt unabhängig vom Willen der betroffenen Person ein, sozusagen als automatisches Nebenprodukt eines vorangegangenen Rechtsstreits347: Wenn ein Anspruch rechtskräftig festgestellt wurde, dann ist die Rechtsfolge die Verlängerung der Verjährungsfrist, und zwar ohne Mitwirkung des Anspruchsinhabers, sogar auch gegen seinen Willen. Diese Aussage ist nicht zu verwechseln mit der Frage, ob später über diese materiellrechtliche, bereits eingetretene, Folge disponiert werden kann. Gemeint ist, dass – anders als bei der Rechtskraft – die Tatbestandswirkung von keiner der Parteien aktiv angestrebt wurde, vielleicht sogar keiner der Parteien recht ist, und trotzdem ipso iure eintritt. 339

Dazu eingehend Gaul, FS Zeuner, S. 317ff. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 148 Rn. 6. 341 Gegen diesen Begriff Huber, JuS 1972, 621, 622. 342 So schon Kisch, S. 34. 343 Kisch, S. 46. 344 Kisch, S. 60. 345 Zitelmann, S. 32ff., 42ff. 346 Eine Ausnahme bildet der Eheaufhebungsantrag einer durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbehörde nach § 1316 I 1 n.F. BGB. 347 RGZ 55 (1904), 244, 247: bloß sekundärer Erfolg der Entscheidung; Kuttner, Nebenwirkungen, S. 4: mehr zufälliger, bloß sekundärer Erfolg des Urteils; Pohle, FS Apelt, 171, 197 spricht von einem »Nebenprodukt des Urteils«. 340

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Durch die Tatbestandswirkung findet also gar keine Bindung an das Urteil statt. Nicht der Inhalt des Urteils wird verbindlich, sondern die juristische Tatsache, dass ein Urteil ergangen ist, erzeugt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung Rechtsfolgen, die zu unterscheiden sind von den Rechtsfolgen, die das Urteil angeordnet hatte. Der ursprüngliche Streitgegenstand steht nicht wiederholt im Streit, und zwar weder dann, wenn die Tatbestandswirkung zwischen den ursprünglichen Parteien erzeugt wird, noch dann, wenn Dritte betroffen sind. Somit handelt es sich gar nicht um eine Urteilswirkung im Sinne einer Bindung, die den Inhalt des Urteils sichern soll, und der Begriff Tatbestandswirkung ist irreführend. Maßgeblich ist lediglich die formale juristische Tatsache, dass ein Urteil bestimmten Inhalts ergangen ist. Und die Rechtsnorm, die die Tatbestandswirkung vorsieht, gibt bereits vor, auf welche Dritte das Urteil Rechtswirkungen erzeugen wird und auch den Inhalt dieser Rechtswirkungen, der ein anderer ist als derjenige der ursprünglichen Urteilswirkungen. Der Richter wendet diese Norm lediglich an und insoweit liegt hier in der Tat nur eine Bindung an Gesetz und Recht vor348 – mehr aber auch nicht. »Tatbestandswirkung« und Gestaltungswirkung sind somit zu unterscheiden, und zwar nicht lediglich bezüglich der Tatsache, ob die Rechtsänderung im Tenor ausgesprochen wird oder nicht. Das eine Mal knüpft die Rechtsordnung an den Erlass eines Urteils eine Rechtsfolge, ohne dass der ursprüngliche Streitgegenstand erneut geprüft wird. Das ist auch nicht nötig, weil die angeordnete Rechtsfolge mit dem im ursprünglichen Verfahren geprüften Streitstoff nichts zu tun hat. Das andere Mal geht es um die Bindung an den Inhalt des Urteils selbst. Bei der Gestaltungswirkung soll die juristische Tatsache, dass ein Gestaltungsurteil ergangen ist, nicht eine neue Rechtsfolge auslösen, es soll die bereits ausgesprochene Rechtsfolge verbindlich feststehen. iii. Gleichbehandlung (trotz Unterschieden) von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung? Eine Variante der Gleichstellung von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung ist die von Nicklisch vorgeschlagene Gleichbehandlung der Bindung an die Gestaltungswirkung mit der Tatbestandswirkung. Nicklisch stützt seine Argumentation darauf, dass das Gesetz die Gestaltung als Rechtsfolge des Urteils anordne349, daher leitet er die Bindung an die Gestaltung aus der Bindung an das Gesetz ab, wie weiter oben bereits erwähnt wurde350. Er plädiert für die Gleichbehandlung von Tatbestands- und Gestaltungswirkung unter anderem auch, weil in einigen Fällen nicht auf Anhieb zwischen mittelbaren Folgen der Gestaltung und Tatbestands348 349 350

S. eingehend dazu Gaul, FS Zeuner, 317, 336. Nicklisch, S. 140. S. weiter oben, S. 64ff.

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wirkungen zu unterscheiden sei. Die Veränderung der Rechtslage sei eine mittelbare Rechtsfolge, wenn sie darauf basiert, dass die Rechtslage durch den Staatsakt verändert wird. Eine Nebenwirkung liege vor, wenn eine Änderung der Rechtslage eintritt, weil der wirksame Gestaltungsakt ergangen ist351. Als Kriterium zur Unterscheidung schlägt er vor zu prüfen, ob die Änderung auch auf andere Weise als durch Erlass eines hoheitlichen Gestaltungsakts eintreten könnte. In diesem Fall solle es sich um eine mittelbare Folge der Gestaltung handeln352. Nicklisch will damit aufzeigen, dass »die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der beiden Wirkungen eher dafür (sprechen), dass es sich im Grunde lediglich um zwei verschiedene Spielarten ein und derselben Wirkung handelt«353, so dass Neben- und Gestaltungswirkung durchaus gleich behandelt werden könnten. Diese Differenzierung ist jedoch nicht fruchtbar: Die Tatsache, dass eine Rechtsänderung auf mehr als einem Grund basieren kann, besagt noch nichts über die Rechtsnatur des erzeugenden Tatbestandes. Die anderen Gründe, auf denen sich die Änderung stützen könnte, sind irrelevant. Maßgeblich ist nur, ob eine Norm eine Rechtsfolge an den Erlass eines Gestaltungsurteils knüpft, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt, wie z.B. im früheren Recht das Scheidungsurteil wegen Ehebruchs mit Feststellung des Ehebrechers zum Eheverbot nach § 6 EheG führte. Dann – und nur dann – handelt es sich um eine Tatbestandswirkung. Bei der dem Gestaltungsurteil folgenden notwendigen Ausgestaltung des veränderten Rechtsverhältnisses dagegen354 handelt es sich nicht um Tatbestandswirkungen, sondern um die Regelung der Folgen der Gestaltung, die als Grundlage einen rechtmäßigen Gestaltungsakt benötigen. Es wäre unzutreffend, diese Folgewirkungen als Tatbestandswirkungen einzustufen355, sonst müsste man konsequent jede Regelung der Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses als Tatbestandswirkung einstufen und damit dürfte man auch nicht die Rechtmäßigkeit z.B. eines Mietvertrags überprüfen. Somit bedeuten die Vorschriften über die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses nach einer Gestaltung durch Urteil nicht, dass der Grundsatz beseitigt wird, dass prozessuale Verbindlichkeit nur innerhalb der Rechtskraftgrenzen entstehen kann. Vielmehr wird eine Regelung des gestalteten Rechtsverhältnisses notwendig, weil der Gestaltungsakt meist vorbereitende Funktion hat, indem das Rechtsverhältnis ausgestaltet wird, aus dem dann einzelne Rechte und Pflichten konkret erwachsen werden. 351

Nicklisch, S. 111ff. Nicklisch, S. 111, 114. 353 Nicklisch, S. 114. 354 Die Notwendigkeit, zwischen den verschiedenen rechtlichen Folgen eines Gestaltungsakts zu unterscheiden, zeigt sich besonders bei der Anerkennung ausländischer Gestaltungsakte, wo die prozessuale Anerkennung nur die unmittelbare Rechtsfolge selbst betrifft (z.B. die Statusänderung an sich bei einer Adoption), die weiteren – meist vermögensrechtlichen – Wirkungen jedoch meist nach der lex causae beurteilt werden (für die Annahme als Kind Art. 22 EGBGB), s. Geimer, IZPR, Rn. 2818. 355 So z.B. Kuttner, Nebenwirkungen, S. 31ff. 352

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Es ist auch nicht der Ansicht zu folgen, dass es »zwar ... überspitzt erscheinen mag, die Gestaltungswirkung nur als eine besondere Erscheinungsform der ›Tatbestandswirkung‹ zu bezeichnen«. Richtig sei aber, »dass zwischen Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung in der für das Bindungsproblem allein bedeutsamen Wirkungsweise kein Unterschied besteht«356. Dieser Aussage kann nur im Ergebnis als empirische Beobachtung der heutigen Handhabung zugestimmt werden, die jedoch in dieser Arbeit abgelehnt wird.

f. Bindung wegen materieller Änderung Es wurde bereits erwähnt, dass die Bindung an das Gestaltungsurteil meist damit begründet wird, dass Dritte auch eine rechtsgeschäftliche Gestaltung gegen sich gelten lassen müssten357. Allerdings hat namentlich Bettermann zur Frage der Bindung der Finanzgerichte an Zivilurteile und private Vergleiche eingewandt, dass die materiellrechtliche Betrachtungsweise zur Begründung einer Bindungswirkung außerhalb der Rechtskraftgrenzen nicht stichhaltig sei, da materielle Rechtsgeschäfte zu Lasten Dritter nicht zulässig seien »Solche Vergleiche können den Fiskus schon deshalb nicht präjudizieren, weil sie, wenn sie es täten, Verträge zu Lasten Dritter wären – jedenfalls dann, wenn sich auf der Vergleichsbasis eine niedrigere Erbschaftssteuer ergibt oder deren Einziehung erschwert wird«358. Allerdings ergibt sich aus den weiteren Ausführungen Bettermanns, dass er dies offensichtlich nur für den Fall annimmt, dass außer den Parteien des Zivilrechtsstreits oder des Vergleichs auch weitere Prätendenten vorhanden sind, z.B. weitere potentielle Erben, denn zur Bindung der Baubehörde nimmt er an, dass sie mit Einwänden präkludiert ist, soweit die Zivilparteien »das Hindernis oder Verbot jederzeit durch Vereinbarung beseitigen oder mildern, aber auch verstärken oder begründen (können). Da solche Vereinbarung die Baubehörde für und gegen sich gelten lassen muss, kann und muss sie auch ein entsprechendes Urteil honorieren«. Zu diesem Einwand Bettermanns ist anzumerken, dass eine direkte Parallele zum Vertrag zu Lasten Dritter nicht korrekt ist. Man versteht unter einem Vertrag zu Lasten Dritter einen Vertrag, mit dem die Parteien vereinbaren, dass ein Dritter eine Leistung erbringen soll359. Dies ist bei der Frage nach der Bindung an ein Gestaltungsurteil nicht der Fall, hier wird nicht direkt eine Drittbindung intendiert, sie kann sich lediglich reflexmäßig daraus ergeben, dass die Gestaltung die Rechtsposition Dritter beeinflusst. Daher ist der Einwand von Bettermann nicht geeignet, die materiellrechtliche Begründung der Bindung an die Gestaltungswirkung zu entkräften. Es existieren jedoch andere Einwände, hauptsächlich auf pro356 357 358 359

Gaul, FS Zeuner, 317, 335; ähnlich bereits Kuschmann, S. 65ff. S. weiter oben, S. 52ff. Bettermann, FS Baur, 273, 291. S. z.B. Larenz, Schuldrecht I, § 17 IV (S. 233).

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zessualer Seite. Über die Änderung der materiellen Rechtslage lässt sich nämlich nach heutigen Erkenntnissen keine prozessuale Bindungswirkung erzeugen, wie insbesondere die heutige Verwerfung der materiellen Rechtskrafttheorie zeigt, die direkt im Anschluss zu erörtern sein wird. i. Materielle Rechtskrafttheorie in anderem Gewand? Vieles an der Begründung der Gestaltungswirkung erinnert an die materielle Rechtskrafttheorie360, mit der sich die Prozessualisten in der Vergangenheit rege auseinandergesetzt haben. Umso mehr verwundert es, dass sich die Gestaltungswirkung als »wetterfest« erwiesen hat und keiner derartig eingehenden Untersuchung unterzogen wurde. Anstoß für einen Vergleich der materiellen Rechtskrafttheorie mit der herkömmlichen Deutung der Gestaltungswirkung bieten die Worte von Jesch: »Wodurch unterscheidet sich im Verhältnis zu Dritten der Einfluss auf die materielle Lage beim Leistungsurteil von der eines Gestaltungsurteils im Grundsätzlichen? Warum soll in dem einen Fall die Beschränkung auf die Parteien, im anderen jedoch die Wirkung gegenüber jedermann so selbstverständlich sein, wie es von der h.M. hingestellt wird?«361. Diese Frage kann nicht nachdrücklich genug gestellt werden, insbesondere unter Zugrundelegung des heutigen prozessualen Verständnisses der Rechtskraft. Wenn man berücksichtigt, dass die materielle Rechtskrafttheorie überwiegend abgelehnt wird und dass das heutige Verständnis der »Gestaltungswirkung« dieser abgelehnten Betrachtungsweise der materiellen Rechtskraft sehr ähnlich sieht, ist eine Auseinandersetzung mit ihr unerlässlich. Die materielle Rechtskrafttheorie ging davon aus, dass das Leistungsurteil – ähnlich wie das Gestaltungsurteil – die materielle Rechtslage gestaltet. So bemerkte Kuschmann, dass nach der materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie »wesensmäßige Unterschiede zwischen Gestaltungswirkung und Rechtskraftwirkung tatsächlich nicht bestehen würden«362. Betrachtet man die Gründe, die zur Verwerfung der materiellen Rechtskrafttheorie geführt haben, wird deutlich, dass die herrschende Lehre zur Bindung an das Gestaltungsurteil der Sache nach sehr große Ähnlichkeiten mit der früheren materiellen Deutung der Bindung an das rechtskräftige Urteil aufweist. Auch ist es auffällig, dass die gleichen Denkfehler, die früher zur Erklärung der Rechtskraftbindung gemacht wurden, heute noch Rechtsprechung und Wissenschaftlern bei der Behandlung der Bindung an das Gestaltungsurteil unterlaufen. Das ist durchaus verständlich, wie eine Bemer360 Der Einfachheit halber ist die Rede von »der« materiellen Rechtskrafttheorie, in dem Bewusststein, dass es sich dabei um mehrere unterschiedliche Theorien handelt, die sich alle unter den gemeinsamen Nenner bringen lassen, dass die Bindung an das Urteil auf den Eingriff in die materielle Rechtslage zurückgeführt wird. 361 Jesch, S. 100f. und dort Fn. 30. 362 Kuschmann, S. 4

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kung von Hofmann zur materiellen Rechtskrafttheorie, die auf die Gestaltungswirkung übertragen werden kann, zeigt: »Es muss freilich der materiellrechtlichen Theorie zugegeben werden, dass sie dort, wo eine Rechtskrafterstreckung nicht in Frage kommt, eine einheitliche Entscheidung aber gleichwohl praktisch erwünscht ist, die Nachteile unrichtiger Urteile auszugleichen vermag. ... Die zwanglose, elegante Lösung solcher Einzelfälle, zu der die materiellrechtliche Theorie befähigt, darf nicht wundernehmen, wenn man beachtet, dass sie auf solche Fälle zugeschnitten wurde. Sie bildet auch keinen Beleg für die Richtigkeit der bekämpften Theorie, die sich doch gegenüber dem richtigen Erkenntnis bewähren müsste«363. Auf eine detaillierte Darstellung der verschiedenen materiellen Rechtskrafttheorien wird hier verzichtet364 – sie dürften dem Prozessualisten hinreichend bekannt sein. Es soll nur insofern auf die einzelnen Ansätze eingegangen werden, als es im Rahmen dieser Arbeit sinnvoll erscheint, um die Parallele zum herkömmlichen Verständnis der Gestaltungswirkung aufzuzeigen. Sehr interessant ist diesbezüglich die Ansicht von Pagenstecher. Er bezeichnete die konstitutive Wirkung eines Rechtsgestaltungsurteils als eine Rechtskraftwirkung wie die von ihm beschriebene konstitutive Wirkung der Leistungs- und Feststellungsurteile365. Er nahm für alle Urteile an, dass »das Urteil die Rechtslage von Personen, die von der Rechtskraft nicht betroffen werden, jedenfalls insoweit beeinflussen kann, als auch ein zwischen den Parteien geschlossener Vertrag diese Rechtslage beeinflussen könnte«366. Dieser Satz erinnert deutlich an die weiter unten vorgestellte gängige Begründung, das Gestaltungsurteil binde genau wie die rechtsgeschäftliche Gestaltung367. Weiterhin betonte Pagenstecher: »Die konstitutiven Wirkungen, die das Urteil ... hat, gelten gegenüber jedermann. Das Urteil kann somit auch die Rechtsverhältnisse von Personen beeinflussen, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt, die somit in beachtlicher Weise behaupten können, das Urteil sei zu Unrecht ergangen«368. Allerdings führte Pagenstecher nicht weiter aus, zu welchem Ergebnis die Behauptung führen sollte, das Urteil sei zu Unrecht ergangen, denn seiner Ansicht nach erlosch z.B. die Bürgschaftsübernahme, wenn zwischen Gläubiger und Hauptschuldner die Forderung zu Unrecht aberkannt wurde369. Er wird § 325 kaum nur als moralische Genugtuung erfasst haben, dass die Unrichtigkeit des Urteils behauptet werden konnte. Seine Konstruktion machte nur Sinn, wenn die Rechtskraftbegrenzung in § 325 auf die Parteien und Rechtsnach363

Hofmann, S. 19f. S. dazu insbes. Gaul, Die Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny und der heutige Stand, FS Flume, S. 443ff.; zum Standpunkt der materiellen Rechtskrafttheorie Pagenstecher, ZZP 37, 1ff. 365 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 498. 366 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 494. 367 S. weiter oben, S. 52. 368 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 498. 369 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 500. 364

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folger einen neuen Sinn erhält: Der Dritte muss in dem oben genannten Beispiel davon ausgehen, dass die Forderung erloschen ist, jedoch schneidet ihm dies nicht die Möglichkeit ab, sekundäre Schadensersatz- oder auch Bereicherungsansprüche geltend zu machen. In diese Richtung deutet die Aussage Pagenstechers, der Sinn des § 325 sei, »dass Dritte, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt, Rechte daraus herleiten können, dass das Urteil zu Unrecht ergangen sei«370. Eine ähnliche dogmatische Konstruktion wird heute – zumindest theoretisch – für die Gestaltungsurteile vertreten: Dritte, die nicht von der Rechtskraftwirkung erfasst werden, müssen die Gestaltung hinnehmen, können jedoch Rechte daraus herleiten, dass das Urteil zu Unrecht ergangen sei, und zwar im Hinblick auf Schadensersatz- bzw. hauptsächlich Bereicherungsansprüche. Auch hierdurch wird die Nähe der materiellen Rechtskrafttheorie zu der heutigen Behandlung der Wirkung der Gestaltungsurteile deutlich. Pagenstecher nahm weiterhin an, dass es zwei Möglichkeiten gebe, einer Person im Prozess den Tatsachenvortrag abzuschneiden. Man müsse entweder die prozessuale Norm nennen, die dies anordnet, oder man könne »diesen Beweis auch dadurch führen, dass (man) zeigt, dass die betreffende wahre Tatsache für die materiellrechtlichen Beziehungen der Parteien, über die der Richter im Prozess zu entscheiden hat, irrelevant ist«371. In Pagenstechers Augen wurde die betreffende Tatsache dadurch irrelevant, dass durch das erste Urteil präjudizielle Rechtsbeziehungen der jetzigen Parteien bereits umgestaltet wurden: »Der Rechtsakt hat zunächst die materiellrechtlichen Beziehungen zwischen andern Personen verändert. Da diese materiellrechtlichen Beziehungen aber präjudiziell waren für die materiellrechtlichen Beziehungen der jetzigen Parteien, so sind auch deren Beziehungen verändert worden«372. Die Bemerkungen Pagenstechers lassen sich ohne weiteres auf die Problematik der Bindung an das Gestaltungsurteil übertragen. Er selbst hat wie bereits erwähnt die konstitutive Wirkung des Gestaltungsurteils als einen Ausfluss der Rechtskraft mit der konstitutiven Wirkung von Leistungs- und Feststellungsurteilen gleichgestellt. Darüber hinaus entspricht die heute verbreitete Handhabung der Gestaltungswirkung noch weithin der früher im Rahmen der materiellen Rechtskrafttheorie angenommenen Bindung an Leistungsurteile. Es ist auch bemerkenswert, dass Pagenstecher die prozessuale Rechtskrafttheorie mit folgendem Satz verwarf: »Das Bestehen von materiellrechtlichen Reflexwirkungen (in dem hier gebrauchten Sinne373) lässt sich ... meiner Ansicht nach 370 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 505 und dort Fn. 15 a.E., leider werden diese Rechte nicht näher beschrieben. 371 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 504f. 372 Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 505. 373 Mit materiellrechtlichen Reflexwirkungen meinte Pagenstecher nicht die heutigen Tatbestandswirkungen, sondern die Änderung des Rechtsverhältnisses durch das Urteil, die reflexmäßig auch die Rechtsverhältnisse Dritter, die vom judizierten Rechtsverhältnis abhängen, erfasste.

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vom Standpunkt der prozessualen Lehre aus nicht verteidigen«374. Damit gibt er den Standpunkt der heute herrschenden prozessualen Lehre zutreffend wieder. Nur muss die Prämisse, aus der der Schluss gezogen wird, umgekehrt werden: Wenn man die prozessuale Betrachtungsweise als Grundlage nimmt, weil sie dem Wesen und der Funktion des Zivilprozesses am besten gerecht wird, lässt sich schließen, dass das Urteil keine »materiellrechtlichen Reflexwirkungen« im Sinne Pagenstechers auf Dritte erzeugt, außer im Fall echter Tatbestandswirkungen. Auch Martens vertrat die Ansicht, dass sowohl Gestaltungs- als auch Leistungsurteile die materielle Rechtslage für alle vervollständigen und gestalten, indem sie die subjektive Ungewissheit über die objektive Rechtslage beseitigen375. Insofern sei jeder an sie gebunden: »Entscheidet das Gericht anstelle von A und B über die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechtsfolgen, so ist die durch das rechtskräftige Urteil geschaffene Rechtslage für alle anderen Rechtssubjekte ebenfalls existent. Sie haben jetzt nicht einmal mehr die Möglichkeit, die Nichtigkeit des Vertrages geltend zu machen«376. Nur wer kraft Gesetzes eine eigene Prozessführungsbefugnis habe und damit legitimus contradictor sei, werde von der gesetzten Rechtsfolge nicht gebunden377. Ähnlich hat zum geltenden Recht Häsemeyer vertreten, dass das Gestaltungsurteil den Statusprätendenten nicht binden könne: »Wird derselbe Ehestatus von verschiedenen Personen in Anspruch genommen, vermag auch eine materielle Gestaltungswirkung nicht zu helfen. Vielmehr zeigt sich, dass es allein auf die materielle Rechtskraft des Urteils ankommt. Und für sie kann nichts anderes gelten als für die rechtskräftige Feststellung der ehelichen Abstammung gem. § 640 h Satz 2 ZPO: Das Scheidungsurteil wirkt dann nicht gegenüber anderen Statusprätendenten«378. Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht, dass das Gestaltungsurteil lediglich im Rahmen seiner Rechtskraft prozessual bindet, kann der Ansicht, dass der außerhalb der Rechtskraft stehende konkurrierende legitimus contradictor nicht durch das Urteil betroffen wird, im Ergebnis zugestimmt werden, denn der nunmehr geltend gemachte prozessuale Anspruch wird nicht derselbe sein, zumindest wird keine Parteienidentität vorliegen. Die Tatsache einer ausschließlichen Legitimation hat jedoch mit der mangelnden Bindung an die Rechtskraft nichts zu tun. Das hat schon im Jahr 1900 Mendelssohn-Bartholdy treffend festgestellt: »Das Gesetz kann einzelnen Personen die ausschließliche Legitimation zum Prozess über bestimmte Rechtsverhältnisse geben, und damit statuieren, dass anderen die Einrede mangelnder Legitimation entgegengesetzt werden kann; aber es bestimmt damit nichts für die Rechtskraft der Urteile, die zwischen den so Legitimierten ergangen sind. ... für die Wirkung auf Nebeninte374 375 376 377 378

Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 521. Martens, ZZP 79, 404, 419. Martens, ZZP 79, 404, 427. Martens, ZZP 79, 404, 433. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 399f.

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ressenten sagt die gesetzliche Bestimmung der ausschließlichen Legitimation nichts, weil die Einrede mangelnder Legitimation sich gegen eine ganze Klage, nicht gegen einen im Nebeninteresse liegenden Präjudizialpunkt richtet379. Kohlers Auffassung der Bindungswirkung des Urteils weist ebenfalls Parallelen zu den heutigen Gestaltungsurteilen auf: Er betonte, dass es aufgrund der durch das rechtskräftige Urteil herbeigeführten zivilistischen Änderung »doch selbstverständlich (sei), dass, nachdem diese Wandlung eingetreten ist, alle Staatsbehörden sie ebenso anerkennen müssen, wie wenn sie durch irgend einen zivilistischen Akt hervorgerufen worden wäre«380. Auch die Behandlung der Kollision eines die Gestaltungsklage abweisenden Feststellungsurteils und eines späteren, ihr stattgebenden Gestaltungsurteils381 deutet auf eine Parallele zwischen heutiger Behandlung der Gestaltungswirkung und materiellrechtlicher Rechtskrafttheorie hin: Schlosser nimmt z.B. an, dass ein Urteil, das auf Klage eines K2 einer Patentnichtigkeitsklage stattgibt, ein früheres auf Klage des K1 ergangenes abweisendes Urteil »so gut wie von selbst aufhebe«, weil die Urteile wegen der Ausgestaltung der Patentnichtigkeitsklage als Popularklage denselben Streitgegenstand beträfen382. Die prozessuale Betrachtungsweise scheint sich somit bei den Gestaltungsklagen und -urteilen auch nach Aufgabe der materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie nicht durchgesetzt zu haben. Denn nur unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie führt ein neues Urteil, das denselben Streitgegenstand betrifft, zu einer neuen Gestaltung der Rechtslage383. Nach zutreffendem prozessualen Verständnis dagegen, das sich auch im Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7a niederschlägt, verliert ein früheres rechtskräftiges Urteil nicht seine Wirkung, weil über denselben Streitgegenstand ein neuer Richterspruch ergangen ist. Im Gegenteil, dem früheren Richterspruch ist der Vorrang zu geben, denn im Gegensatz zum zweiten ist er nicht unter Missachtung des ne bis in idem-Grundsatzes entstanden, so dass das zweite, gegen die 379 Mendelssohn-Bartholdy, S. 472f., der »das Maß der Rechtskraft« aus dem »prinzipalen oder ausschließlichen Interesse« ableitet. 380 Kohler, FS Klein, S. 1, wobei darauf hinzuweisen ist, dass Kohler die Existenz von Gestaltungsurteilen verneinte und annahm, dass »durch Zivilerklärung der Partei ein Erfolg herbeigeführt wird, der aber noch einer gerichtlichen Feststellung bedarf« (S. 5, s. auch Kohler, RheinZ 1 (1919), 39ff.). Allerdings schränkt Kohler seine Ansicht ein, indem er schreibt: »so viel als durch Rechtsakt zwischen der einen und anderen Partei bewirkt werden kann, so viel kann das Urteil wirken, und so viel wirkt es« (S. 2). Es schien Kohler hauptsächlich darum zu gehen, keine Gewissenskonflikte zu erzeugen: »Was nützt es mir, wenn alle Staatsorgane angewiesen sind, das Urteil zu respektieren, wenn ich aber in meinem Gewissen annehmen muss, dass ich nicht Eigentümer geworden bin!« (S. 3). 381 Zur Thematik s. Gaul, Der Einfluss rückwirkender Gestaltungsurteile auf vorausgegangene Leistungsurteile, FS Nakamura, S. 137ff. 382 Schlosser, S. 260. 383 Wobei sich noch zusätzlich die Frage ergeben würde, ob eine derartige Gestaltung der materiellen Rechtslage kassatorische Kraft entfalten könnte, zum Verhältnis zwischen Ehelichkeitsanfechtungs- und früherem Unterhaltsanspruch Gaul, FS Nakamura, 138, 150.

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Rechtskraft des ersten Urteils verstoßende, Urteil sogar keine Rechtskraftwirkung mehr entfalten kann384. Die Einwände gegen die materiellrechtliche Sichtweise der Rechtskraft sind mehr oder minder bekannt, sie werden nur aufgegriffen, soweit sie auch gegen die »Gestaltungswirkung« heutiger Prägung gelten. Vor allem geht es dabei um folgende Verkennung der materiellen Rechtskrafttheorie: Selbst wenn man ihre Ausführungen zur Änderung der materiellen Rechtslage durch das Urteil als zutreffend annehmen sollte, bewahrt dies nicht vor der Gefahr sich widersprechender Urteile. Denn der zweite Richter ist nicht gehindert, die konkrete materielle Rechtslage zu »verkennen« und anders zu entscheiden, wobei er nach der materiellen Rechtskrafttheorie wiederum neues subjektives Recht in Gestalt des »Judikatsrechts« schaffen würde385. Eine gerichtliche Entscheidung ist nur dann in ihrem Bestand gesichert, wenn dem Richter durch eine Verhaltensnorm untersagt wird, die einmal beschiedene materielle Rechtslage nochmals zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen – die materiellrechtliche Gestaltung allein kann dies nicht bewirken. Dieser Einwand lässt sich auch auf das Gestaltungsurteil übertragen: Nur die Tatsache, dass es – an sich untypisch für ein Zivilurteil – in die konkrete materielle Rechtslage eingegriffen hat, schützt es nicht prozessual vor andersartiger Beurteilung. Dazu muss eine prozessuale Verhaltensnorm aufgestellt werden, die es den künftig mit der Sache befassten Richtern verbietet, diese materielle Rechtslage erneut zum Gegenstand richterlicher Erkenntnis zu machen. Und nochmals sucht man in einer solchen Verhaltensnorm vergeblich den Unterschied zu einer Rechtskrafterstreckung. Damit wurde aufgezeigt, dass die heutige Behandlung der Bindung an Gestaltungsurteile nicht mit der prozessualen Betrachtungsweise zu vereinbaren ist. Für die prozessuale Bindungsproblematik ist es unerheblich, dass das Gestaltungsurteil in die konkrete materielle Rechtslage eingreift, was in der Tat keine typische Funktion für ein Zivilurteil darstellt. Was hier interessiert und nachgewiesen werden konnte ist, dass die materielle Rechtsänderung an sich noch nicht zu einer prozessualen Bindung führt, denn zu einer prozessualen Bindung kann nur eine prozessuale Verhaltensnorm führen. Diesbezüglich besteht auch bei Gestaltungsurteilen über die Verhaltensnorm der Berücksichtigung der Rechtskraft hinaus kein Bedarf für die Konstruktion einer Gestaltungswirkung. Wenn im Einzelfall eine Erstreckung der prozessualen Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils auf einen größeren Personenkreis als § 325 dies vorsieht oder gar auf jedermann wünschenswert bzw. rechtspolitisch notwendig ist, wird eine Rechtskrafterstreckung anzuordnen sein, falls die Abwägung der einzelnen Interessen zu einer bewussten

384 385

S. dazu Gaul, FS Weber, S. 155, 159, 166ff. m.Nachw. Zutreffend Gaul, FS Flume, 443, 497.

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und gerechtfertigten Vernachlässigung des Rechts Dritter auf rechtliches Gehör führt. Zum Schluss sei noch eine Inkonsequenz bei der gängigen Behandlung der Gestaltungsklage aufgezeigt: Wenn die Wirkung des Gestaltungsurteils durch die Änderung der materiellen Rechtslage ohne entsprechende prozessuale Verhaltensnorm zu erklären wäre, dann könnte das Gestaltungsurteil im nachfolgenden Prozess außerhalb der Rechtskraftgrenzen nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, sondern müsste als materiellrechtliche Einwendung »von einer der Parteien in den Prozess eingeführt und nach Beweislastgrundsätzen bewiesen werden«386. Dies würde zu einer Abweisung der Klage als unbegründet und nicht als unzulässig führen. Diese Konsequenz wird heute freilich niemand ziehen wollen. ii. Die prozessuale »Bindung« an die rechtsgeschäftliche Gestaltung: Rechtsgeschäftliche Gestaltung und ihre rechtskräftige Feststellung Die angebliche inter omnes Bindung an Gestaltungsurteile wird fast durchgängig damit begründet, dass eine Änderung der materiellen Rechtslage387 stattgefunden habe, die notwendig für und gegen alle wirken müsse. Wenn die Bindung an das Gestaltungsurteil außerhalb der Rechtskraftgrenzen tatsächlich dadurch zu erklären ist, dass die Rechtslage geändert wurde, dann muss auch die Bindung an die rechtsgeschäftliche Gestaltung genauer erforscht werden. Prinzipiell kann jedermann, der rechtlich betroffen ist, die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Gestaltung bestreiten, und es können diesbezüglich widersprüchliche Urteile ergehen. Damit ist schon genau genommen das Argument der h.M. entkräftet: Auch hier findet eine Änderung der Rechtslage statt, aber daraus wird nicht der Schluss gezogen, dass widersprüchliche Urteile untragbar wären. So ist auch der Schlusssatz einer der früheren Abhandlungen Böttichers bezeichnend: »Insbesondere bedarf noch einer näheren Prüfung die Wirkung des Gestaltungsakts »für und gegen alle« im Vergleich mit der auf die Parteien beschränkten Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils«388. Um die Inkonsequenz aufzuzeigen, kann man jedoch noch einen Schritt weiter gehen und der Frage nachgehen, ob überhaupt (und in welchem Ausmaß) eine prozessual verbindliche Aussage über eine rechtsgeschäftliche Gestaltung ergehen kann. Im Rahmen einer Leistungsklage wird die Wirksamkeit der vorausgegangenen, präjudiziellen Gestaltung nicht rechtskräftig festgestellt, z.B. stellt das Räumungsurteil nicht die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig fest389. Bei der 386 Gaul, FS Flume, 443, 522f. zur insoweit vergleichbaren Lage bei der materiellen Rechtskrafttheorie. 387 Im Sinn von durch eine Entscheidungsnorm geregelt, die auch dem Prozessrecht entstammen kann, s. weiter oben, S. 6. 388 Bötticher, Deutsche Rechtswissenschaft 7 (1942), 125, 146. 389 BGHZ 6 (1952), 263ff.; a.A. Kralik, S. 146: Die in einer gerichtlichen Entscheidung bekräf-

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Frage, ob eine prozessuale Bindung bezüglich der rechtsgeschäftlichen Gestaltung erwirkt werden kann, geht es daher hauptsächlich darum, ob die rechtsgeschäftliche Gestaltung selbständiger Gegenstand einer Feststellungs- bzw. Zwischenfeststellungsklage sein kann. Diese Frage wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Nach gängiger Handhabung erscheint es kaum möglich, einen rechtskräftigen Ausspruch direkt über die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltung zu erzielen. Am ehesten wird die Klage auf Feststellung, dass ein noch nicht ausgeübtes Gestaltungsrecht besteht, anerkannt390. Insbesondere wird soweit ersichtlich ausnahmslos die Möglichkeit einer Feststellungsklage des potentiellen Erblassers darauf bejaht, dass er das Recht hat, einem pflichtteilsberechtigten Angehörigen seinen Pflichtteil zu entziehen391. Auch darüber hinaus wird oft angenommen, dass die Möglichkeit der künftigen Ausübung eines Gestaltungsrechts legitimer Feststellungsgegenstand sein kann392. Meist wird allerdings die Zulässigkeit im Rahmen der Prüfung des Feststellungsinteresses verneint: Das Reichsgericht hat einer (vorbeugenden) Feststellungsklage auf das Vorhandensein eines Gestaltungsrechts das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen, weil der Berechtigte das Gestaltungsrecht ohne weiteres auch sofort ausüben könnte: Ein rechtliches Interesse bestehe nur für die Feststellung der mannigfaltigen Rechte und Pflichten, die sich aus einer bereits erfolgten Kündigung ergeben393. Dieser wohl herrschenden Ansicht ist nicht zuzustimmen. Eine Klage darf nur dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden, wenn der Kläger durch ein einfacheres Verfahren Rechtsschutz erhalten könnte oder wenn er des begehrten Rechtsschutzes überhaupt nicht mehr bedarf, weil sein Ziel schon erreicht ist394. Das ist gerade bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung nicht der Fall: Da die Wirksamkeit der Gestaltungserklärung – prozessual gesehen – solange in der Schwebe bleibt, bis eine nachträgliche gerichtliche Feststellung sie bestätigt, hat jeder ein legitimes Interesse daran zu klären, ob er gestaltungsberechtigt ist oder nicht, auch um sich nicht durch eine Fehleinschätzung der Rechtslage nachträglich Schadensersatzansprüchen auszusetzen. Es kann auch nicht eine Spezialitigte Gestaltungserklärung sei in späteren Verfahren maßgeblich, und zwar ohne Rücksicht auf die Übereinstimmung mit der materiellen Rechtslage. 390 Es ist der Fall auszuklammern, dass der Kläger durchblicken lässt, dass er gar nicht beabsichtigt, sein Kündigungsrecht auszuüben, s. dazu Baumbach-Hartmann, § 256 Rn. 76 a.E. 391 BGHZ 158 (2005), 226, 227f.; BGHZ 109 (1990), 306, 309; BGH, NJW 1974, 1084f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 93 II 1 a (S. 520); Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn 23, 45; Thomas/ Putzo-Reichold, § 256 Rn. 8. 392 OLG München, NJW-RR 1987, 925, 926 (Ankaufsrecht); OLG Hamm, NJW 1981, 2473, 2474; Baumbach-Hartmann, § 256 Rn. 8; Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 23, 24 – dass eine Gestaltung in der Vergangenheit möglich gewesen wäre, sei jedoch kein feststellungsfähiger Gegenstand (Rn. 31). 393 RG, JW 1938, 1188; MünchKommZPO-Lüke, § 256 Rn. 15; Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 24. 394 Gaul, ZZP 74 (1961), 49, 79f.; Henckel, Prozessrecht, S. 116.

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tät der Feststellungsklage nach erfolgter Gestaltung angenommen werden, da die Klage auf Feststellung der Kündigungsmöglichkeit einen anderen Verfahrensgegenstand hat als die Klage auf Feststellung der gestalteten Rechtslage nach der Kündigung. Was die Wirksamkeit eines bereits ausgeübten Gestaltungsrechts betrifft, nimmt eine Mindermeinung an, dass es sich um einen zulässigen Feststellungsgegenstand handelt395. Nach h.M. dagegen ist es nicht möglich, eine Klage auf Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Ausübung eines Gestaltungsrechts zu richten396. Eine derartige Klage hat der BGH für unzulässig erklärt: Sie müsse direkt darauf zielen, ob und in welcher Form das Rechtsverhältnis nach der Gestaltung existiert397. Der Kläger hatte Feststellungsklage erhoben, dass die Pflichtteilsentziehungen seitens seines verstorbenen Vaters und seiner noch lebenden Mutter unwirksam seien. Der BGH merkte zwar an, dass eine derartige Klage unzulässig sei, weil sie nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sei, sondern auf die Feststellung der Wirksamkeit einer Rechtshandlung. Gleichwohl deutete das Gericht den Klageantrag um in den Antrag auf Feststellung, dass der Kläger immer noch pflichtteilsberechtigt seinem Vater gegenüber sei, und dass seine Mutter ihm gegenüber kein Pflichtteilsentziehungsrecht habe398 (dabei handelte es sich um die Feststellung, ob eine künftige Gestaltung möglich sei, die in der Regel als zulässig erachtet wird, wie vorstehend ausgeführt wurde). Mit dieser Auslegung des Klageantrags konnte zwar vermieden werden, dass die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wurde, es konnte allerdings nicht die rechtskraftfähige Feststellung der Wirksamkeit der bereits erfolgten rechtsgeschäftlichen Gestaltung erzielt werden. Bereits das Reichsgericht hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen399: Die ursprünglichen Bürgen hatten ihre Bürgschaftsübernahme rechtzeitig angefochten, daraufhin wurde eine Klage, mit der die Hauptschuldnerin sie als Bürgen in Anspruch nahm, rechtskräftig abgewiesen. In einem zweiten Prozess verlangte die Hauptschuldnerin von den beiden Nicht-Mehr-Bürgen Schadensersatz aus § 122 BGB wegen der entfallenen Bürgschaftshaftung. Während das OLG Celle im ersten Prozess das Vorhandensein eines Irrtums und damit die Wirksamkeit 395 BGH, BB 1992, 595; LG Darmstadt, BB 1974, 1501, trotz Möglichkeit der Erhebung einer Leistungsklage, da das Feststellungsurteil geeignet sei, den Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu bereinigen; Baumbach-Hartmann, § 256 Rn. 5, wobei verkürzt die Rede von der »Wirksamkeit eines Gestaltungsrechts« ist; Thomas/Putzo-Reichold, § 256 Rn. 7: »Wirksamkeit eines ausgeübten Gestaltungsrechts« als Feststellungsgegenstand. 396 Hier hilft auch nicht der Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage weiter, wenn man die h.M. zugrunde legt, dass die Wirksamkeit der Ausübung eines Gestaltungsrechts kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis darstellt. Denn der Begriff des Rechtsverhältnisses ist derselbe in § 256 I und II, s. statt aller Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 131. 397 BGHZ 109 (1989), 306 = JZ 1990, 697 m.Anm. Leipold. 398 BGHZ 109 (1989), 306, 308, 309; zu Recht kritisch Leipold, JZ 1990, 700. 399 RGZ 94 (1919), 195, 197f.

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der Irrtumsanfechtung bejaht hatte, beurteilte das OLG Hamburg im Schadensersatzprozess der Hauptschuldnerin gegen die vermeintlichen Nicht-Mehr-Bürgen den Sachverhalt abweichend davon und wies die Schadensersatzforderung zurück, weil die Anfechtung nicht wirksam gewesen war. Letzteres Urteil hielt der Revision stand, weil die Wirksamkeit der Anfechtung im ersten Urteil nicht rechtskräftig festgestellt worden sei. Ein ähnlicher Fall lag später auch dem BGH vor, hier ging es um Schadensersatz aus unerlaubter Handlung und Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Der Pächter eines Hotels hatte während eines Räumungsprozesses seine Erklärung zum Abschluss des Pachtvertrags wegen arglistiger Täuschung angefochten und im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass das Pachtverhältnis nun aufgelöst sei. Der Widerklage wurde in diesem Punkt stattgegeben. Der BGH entschied – anders als das OLG –, dass damit lediglich die Rechtsfolge (Auflösung des Pachtvertrags) und nicht auch der Auflösungsgrund (Anfechtung) rechtskräftig festgestellt worden seien, demnach sei ein anderer Richter nicht daran gehindert, im Rahmen einer Schadensersatzklage das Vorhandensein des Anfechtungsgrunds zu verneinen. Nachfolgend hatte der BGH die Beurteilung des LG als unzutreffend verworfen und stellte fest, dass keine arglistige Täuschung vorgelegen hatte und somit auch keine Schadensersatzansprüche entstanden waren400. Bemerkenswert ist auch ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1913: S und B hatten von F ein Grundstück gekauft und übernahmen in Anrechnung auf den Kaufpreis die darauf lastende Briefhypothek zugunsten des Antragsgegners. Sie zahlten pünktlich die Raten. Später focht F den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erwirkte gegen S und B ein rechtskräftiges Urteil auf Rückauflassung des Grundstücks. Der Kläger im zweiten Prozess war Gläubiger von S und B. Er hatte (u.a.) deren Anspruch gegen den Beklagten auf Berichtigung des Grundbuchs gepfändet, weil nach seinem Vorbringen S und B eine Teilhypothek in Höhe der gezahlten Raten erlangt hatten. Aufgrund der Pfändung und Überweisung verlangte er daraufhin vom Beklagten die Umschreibung der Hypothek. Das Reichsgericht gab erst zu bedenken, dass genau genommen kein rechtskräftiger Ausspruch über die Nichtigkeit der Auflassung wegen Anfechtung ergangen sei401. Hier hätte die Prüfung eigentlich enden können. Doch das Reichsgericht führte weiter aus, dass die Rechtskraft nur inter partes wirke, also zwischen einerseits F, andererseits S und B. Da kein anerkannter Fall der Rechtskrafterstreckung vorliege, müsse der Kläger die Nichtigkeit der Auflassung mit eigenen Mitteln nachweisen, ohne dass diesbezüglich eine Bindung an das vorangegangene rechtskräftige Urteil bestünde402. Diese Konsequenz sei daraus zu ziehen, dass es sich nicht um ein Gestaltungsurteil handele, das die Rechtsänderung selbst bewirkt 400 401 402

BGH, NJW-RR 1988, 199, 200. RGZ 80 (1913), 317, 322. RGZ 80 (1913), 317, 324.

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und somit gegenüber jedermann wirke, sondern um ein Feststellungsurteil, das lediglich eine Rechtsänderung feststellt403. Diese Argumentation gibt Anlass, die gesamte Problematik an Hand der Parallele von rechtsgeschäftlicher und urteilsmäßiger Gestaltung zu überdenken: Sowohl im vorliegenden Sachverhalt als auch bei einem Gestaltungsurteil ergeht eine richterliche rechtskräftige Entscheidung über die Frage, ob ein Recht zur bzw. auf Gestaltung besteht. Ein qualitativer Unterschied in der Rechtsfindung besteht insoweit nicht, sondern lediglich ein zeitlicher Unterschied, da im einen Fall die Prüfung vor-, im anderen nachgelagert ist. Ob dieser Unterschied es rechtfertigt, in dem einen Fall jede weitere gerichtliche Prüfung des Sachverhalts auszuschließen, im anderen außerhalb der Rechtskraftgrenzen überhaupt keine Bindung anzunehmen, erscheint mehr als fragwürdig. Dies zeigt auch folgendes Beispiel: Im Gesellschaftsrecht besteht die Möglichkeit, die Ausschließungsklage des § 140 HGB durch einen Ausschließungsbeschluss zu ersetzen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht404, dabei hat der gefasste Beschluss selbst Gestaltungscharakter. Über die Gültigkeit dieses Beschlusses kann Feststellungsklage erhoben werden405. Dabei sei es – anders als zu § 140 HGB – »nicht geboten, dass ... alle Gesellschafter beteiligt sind ..., weil es sich insoweit nicht um ein rechtsgestaltendes, sondern um ein feststellendes Urteil handelt, das nicht zugleich auch in die Rechtsverhältnisse der übrigen Gesellschafter unmittelbar eingreift«406. Damit werden auch nicht alle Gesellschafter von der Rechtskraftbindung erfasst. Die Rechtsordnung nehme die Gefahr sich widersprechender Urteile als Ausdruck der subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft hin und begnüge sich mit einer Klärung der Rechtslage unter den am Feststellungsstreit beteiligten Personen407. Das bedeutet allerdings, dass zwei in der Sache unterschiedliche rechtskräftige Aussprüche über die Ausschließung eines Gesellschafters hingenommen 403

RGZ 80 (1913), 317, 323f. S. z.B. BGH, WM 1957, 1406, 1407. Wenn im Gesellschaftsvertrag die Ausschließung durch Mehrheitsbeschluss vorgesehen ist, bedeutet dies nicht, dass durch Mehrheitsbeschluss auch über die Klageerhebung nach § 140 HGB entschieden wird (so aber Nitschke, S. 194), sondern allein der Ausschließungsbeschluss selbst kann mehrheitlich statt einstimmig ergehen, Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 117 Anm. 9 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 101; Weipert, GroßKomm HGB2, § 140 Anm. 32; Grunewald, S. 106f. mit eigenem Ansatz (in diesem Fall solle die Personengesellschaft selbst die Klage nach § 140 HGB erheben), s. jedoch ebenda, S. 180ff., wo der Ausschluss durch Mehrheitsbeschluss behandelt wird. 405 Nach Ansicht von K. Schmidt (Gestaltungsprozesse, S. 106) verbleibt die Möglichkeit der Erhebung einer Ausschließungsklage nach § 140 HGB, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen Beschluss vorsieht, falls »das auf Ausschließung eines Mitgesellschafters zielende Gestaltungsklagerecht durch die Beschlussablehnung verletzt wird ... (Der Gesellschafter) braucht also gar nicht den ablehnenden Beschluss anzufechten, und noch weniger muss er Zustimmungserklärungen zu einem von ihm beantragten Auflösungsbeschluss (gemeint ist offensichtlich ein Ausschließungsbeschluss, Anm. der Verf.) einklagen, sondern er klagt schlicht sein sich aus § 140 HGB ergebendes Recht ein«. 406 BGH, WM 1957, 1406, 1407. 407 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 103. 404

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werden. Noch merkwürdiger erscheint dies, wenn man bedenkt, dass zum Ausschluss in der Regel eine Gestaltungsklage erforderlich ist und dass die angebliche inter omnes Bindung des Ausschlussurteils mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit in der Frage, ob ein Gesellschafter ausgeschlossen wurde oder nicht, begründet wird. Wenn jedoch in einer insoweit durchaus vergleichbaren Situation auf einmal kein derartiges übergeordnetes Bedürfnis gesehen wird, nur weil es sich um keine Gestaltungsklage handelt408, wird offenbar begrifflichen statt wertungsmäßigen Überlegungen der Vorzug gegeben. Jedenfalls bietet die wie selbstverständlich hingenommene Ungleichbehandlung zusätzlichen Anlass, die angebliche besondere prozessuale Wirkung der Gestaltungsurteile zu überprüfen. Es braucht und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden, ob die gängige Behandlung der Feststellungsfähigkeit betreffend die rechtsgeschäftliche Gestaltung aufrecht zu erhalten ist. Die Auslegung des Feststellungsantrags kann zumindest der Konsequenz vorbeugen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird409. Damit wird jedoch auch der rechtskraftfähige Streitgegenstand verändert, wie weiter oben erwähnt wurde410. Es handelt sich allerdings nicht lediglich um einen im Wege der Auslegung zu klärenden begrifflichen Unterschied, je nachdem ob man annimmt, feststellungsfähig sei nur das von der Gestaltung betroffene Rechtsverhältnis oder auch die Wirksamkeit der Gestaltung selbst. Dies wurde aus den weiter oben angeführten Urteilen deutlich, bei denen über die Frage der Wirksamkeit der Gestaltung unterschiedliche Entscheidungen ergehen konnten. Für die hiesige Untersuchung reicht es festzustellen, dass die Änderung der materiellen Rechtslage allein noch keinen hinreichenden Grund für eine absolute Geltung der Gestaltung unabhängig von der Rechtskraft liefert, und zwar weder bei der rechtsgeschäftlichen noch bei der Gestaltung durch Urteil. Denn die Situation ist insoweit vergleichbar: Beide Male hat ein Gericht geprüft, ob ein Gestaltungsgrund vorliegt und diesen bejaht. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass das Gericht weniger sorgfältig vorgeht, wenn es feststellt, ob eine rechtsgeschäftliche Gestaltung wirksam auf das Rechtsverhältnis eingewirkt hat, als wenn es die Voraussetzungen überprüft, um selbst die Gestaltung herbeizuführen. Das Gestaltungsurteil bietet keine höhere Richtigkeitsgewähr als das Feststellungsurteil nach vorangegangener rechtsgeschäftlicher Gestaltung. Freilich kann es Fälle geben, in denen tatsächlich widersprüchliche Urteile unhaltbar erscheinen. Für diese Fälle, die sich insbesondere auf den Bereich des Familienrechts konzentrieren werden, ist eine Rechtskrafterstreckung angebracht. 408 Insoweit konsequent BGHZ 70 (1978), 384, 388, wo neben der Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG keine Feststellungsklage als zulässig erachtet wird, weil sie nicht zu einer umfassenden Bindung führen würde. 409 So z.B. BGHZ 109 (1990), 306ff.; Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 33 mit weiteren Nachw. aus der Rspr. 410 S. weiter oben, S. 85.

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Zum Abschluss soll noch auf eine Entscheidung des BGH aufmerksam gemacht werden, die einen neuen Aspekt in die Bindungsproblematik bei rechtsgeschäftlicher Gestaltung aufgewiesen hat. Der BGH ging davon aus, dass im Recht der Personengesellschaften lediglich anfechtbare – im Gegensatz zu nichtigen – Beschlüsse nicht bekannt seien411. Wenn daher der Gesellschaftsvertrag eine Anfechtungsklage vorsehe, die gegen die Gesellschaft selbst (und nicht gegen die Gesellschafter) zu richten sei, handele es sich um die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses. »Damit kann zwar über die Frage der Wirksamkeit eines Beschlusses nicht mit Rechtskraft gegenüber den Mitgesellschaftern entschieden werden. Nach Sinn und Zweck einer solchen Vertragsbestimmung hat aber ein zwischen dem klagenden Gesellschafter und der Gesellschaft ergangenes Urteil die Folge, dass die übrigen Gesellschafter schuldrechtlich verpflichtet sind, sich an die in diesem Rechtsstreit getroffene Entscheidung zu halten«412. Leider sah in den entschiedenen Fällen der Gesellschaftsvertrag keine derartige Klausel vor, so dass auch nicht das Ausmaß der »schuldrechtlichen« Bindung der übrigen Gesellschafter weiter erläutert wurde. Abschließend – und um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen – ist darauf hinzuweisen, dass für die hier zu behandelnde Problematik die Frage unerheblich ist, ob materiellrechtliche Gestaltungsrechte z.B. bei einer Mehrheit von Vertragspartnern gegenüber allen ausgeübt werden müssen413. Auch wenn die Rede davon ist, dass die Kündigung nicht nur einem Vertragspartner gegenüber erfolgen darf, weil diese ja das Vertragsverhältnis insgesamt umgestalten würde414, ist dies nicht mit der hiesigen Frage nach der prozessualen Bindungswirkung zu verwechseln. Denn dabei wird davon ausgegangen, dass tatsächlich ein Kündigungsrecht vorhanden ist. Eine andere Frage ist, wer noch vorbringen darf, dieses habe nicht bestanden, und wem diese Möglichkeit durch die Rechtskraftbindung nicht mehr zur Verfügung steht.

g. Zusammenfassung Es ist festzuhalten, dass sich die übliche Annahme, ein Gestaltungsurteil binde kraft der bewirkten Rechtsänderung Jedermann, in der praktischen Erprobung sowohl für die rechtsgeschäftliche als auch für die richterliche Gestaltung als unhaltbar erweist. Insbesondere ist die Bindung an das Gestaltungsurteil auch nicht als Tatbestandswirkung zu erklären, da es sich hierbei um zwei grundverschiedene rechtliche Institute handelt, die nicht miteinander vergleichbar aber auch nicht gleichzustellen sind. Abgesehen davon ist eine Einstufung der Bindung an das Gestaltungsurteil als Tatbestandswirkung auch rechtspolitisch nicht sinnvoll: Die 411 412 413 414

BGH, WM 1990, 675, 676. BGH, WM 1990, 675, 676; BGHZ 91 (1985), 132, 133. S. z.B. BGH, ZIP 2002, 1524 m.Nachw. BGHZ 96, 302, 310.

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»Bindung« an die Tatbestandswirkung ist eine abgeschwächte im Verhältnis zur Bindung an eine prozessuale Urteilswirkung, namentlich die Rechtskraft: Es kann der Kollusionseinwand, der Einwand der Sorgfaltspflichtverletzung aus schuldrechtlicher Sonderverbindung sowie der Einwand der treuwidrigen Herbeiführung der Tatbestandswirkung des Urteils analog § 162 I BGB erhoben werden415. Diesen Einwänden wird man die eigentliche Wirkung eines Gestaltungsurteils gewiss nicht aussetzen wollen.

2. Die Mitwirkungsproblematik Das deutsche gerichtliche Verfahren ist als Zweiparteienprozess konzipiert, daher treten Probleme auf, sobald mehrere Personen an einem Verfahren teilnehmen. Die theoretische Konstruktion steht zwar fest: Es liegen mehrere selbständige Streitgegenstände vor, die lediglich miteinander verhandelt werden – quot socii, tot processus. Diese an sich klare theoretische Trennung lässt sich jedoch in der Praxis nicht so leicht einhalten – insbesondere in den Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen416. Deutlich sichtbar wird die Problematik insbesondere bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen, die nach gesetzlicher Vorgabe entweder gegen mehrere Gesellschafter oder von mehreren Gesellschaftern zu erheben sind, namentlich bei der Auflösungsklage (§ 133 HGB), der Ausschließungsklage (§ 140 HGB) sowie den Klagen auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis bzw. der Vertretungsmacht (§§ 117, 127 HGB). Die nach materiellem Recht erforderliche Teilnahme am Verfahren aller Gesellschafter auf der Klägerseite kann in der Praxis dazu führen, dass eine Klage nicht erhoben werden kann, weil einer der Gesellschafter nicht am Verfahren teilnimmt, entweder weil er das Antragsziel nicht unterstützen will oder weil er einfach die Umständlichkeit und das eventuelle Kostenrisiko417 eines Klageverfahrens nicht auf sich nehmen möchte. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Weigerung der Teilnahme am Verfahren als Druckmittel eingesetzt wird, um (andere) eigene Interessen durchzusetzen. Um dieses praktisch unerwünschte Ergebnis zu 415

Gaul, FS Zeuner, 317, 340ff. S. hierzu näher MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 24ff. 417 Der Gesellschafter kann eventuell nach § 110 HGB Ersatz der Prozesskosten erreichen. Zumindest wird dies gelten für die »Kosten der Vorbereitung einer Abberufung oder Ausschließung geschäftsführender Gesellschafter, denen erhebliche Pflichtverstöße zur Last gelegt werden« (Schlegelberger-Martens, § 110 Rn. 18). Der BGH hat entschieden, dass keine Veruntreuung vorliegt, wenn Gesellschafter Prozesskosten aus dem Gesellschaftsvermögen bezahlen, da sie möglicherweise einen Anspruch aus §§ 110 I, 161 II HGB haben (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1); s. BGHZ 110 (1991), 127, 129; Reichert/Winter, BB 1988, 981, 991. Eindeutig steht jedoch nicht fest, ob und in welchem Umfang der Gesellschafter nicht auch ein eigenes Kostenrisiko trägt. 416

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vermeiden, hat sich eine pragmatische Rechtsprechung entwickelt, die unter bestimmten Voraussetzungen die an sich erforderliche Teilnahme am Verfahren durch eine außerprozessuale »Zustimmung« verzichtbar macht. Man spricht von der erteilten »Zustimmung« der Gesellschafter, die nicht klagewillig sind, ohne allerdings weiter zu präzisieren, wie diese Zustimmung einzuordnen ist bzw. was Gegenstand der Zustimmung ist. Man ist sogar demgegenüber einen Schritt weiter gegangen und hat entsprechende einklagbare Zustimmungspflichten bejaht. Bedauerlich ist, dass die Problematik überwiegend isoliert in der gesellschaftsrechtlichen Literatur behandelt wird, so dass die prozessuale Dogmatik nicht immer hinreichend berücksichtigt wird. Das ist misslich, denn eigentlich ergeben sich zwei grundsätzliche prozessuale Fragen: Zum einen muss geklärt werden, inwiefern die nach dem Gesetz erforderliche prozessuale Teilnahme am gerichtlichen Verfahren durch außerprozessuale Erklärungen überhaupt ersetzt werden kann. Zum anderen ist zu überprüfen, ob die außerprozessuale »Zustimmung« auf dem Klageweg erzwungen werden kann. Dies sind Fragen, die nicht gesellschaftsrechtsspezifisch sind, sondern nur anhand von prozessualen Grundsätzen beantwortet werden können. Es wird sich bei der Untersuchung zeigen, dass die heute vertretenen Lösungen nicht mit der Grundannahme vereinbar sind, dass das Gestaltungsurteil eine prozessuale Gestaltungswirkung erzeugt. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Parallele zur Behandlung der entsprechenden Probleme bezüglich der prozessualen Rechtskraftwirkung zieht. Es wird folgender Prüfungsgang eingehalten: Erst wird untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, durch außerprozessuale Zustimmung die an sich im Gesetz geforderte Verfahrensteilnahme zu ersetzen. Dabei ist zu trennen zwischen einer Zustimmung hinsichtlich des materiellen Ziels (z.B. der Auflösung der Gesellschaft oder der Ausschließung eines Gesellschafters) und der Zustimmung, die sich unmittelbar auf die Prozessführung bezieht. Eine derartige prozessuale Zustimmung ist entweder als gewillkürte Prozessstandschaft oder als Unterwerfung unter die Urteilswirkungen denkbar. In zweiter Stufe wird untersucht, ob der Schritt von der Möglichkeit der freiwilligen Zustimmung zur Zustimmungspflicht gemacht werden kann, wiederum ist zu unterscheiden zwischen der Zustimmung auf materiellrechtlicher Ebene und der prozessualen Zustimmung. Als eine Art erzwungene prozessuale Zustimmung kommt das Modell der gesetzlichen Prozessstandschaft in Gestalt einer actio pro socio in Frage. Zur Abrundung werden die Erklärungsmodelle von Karsten Schmidt und Herbert Roth zu den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen vorgestellt. Schließlich werden die Folgeprobleme angesprochen, die sich bei der heutigen Praxis der Zustimmungsklagen sowie bei der Begründung sekundärer Schadensersatzpflichten ergeben. Auf die entsprechende Problematik bei der Erhebung von Feststellungs- und Leistungsklagen sowie bei einfacher Streitgenossenschaft oder notwendiger

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Streitgenossenschaft nach § 62 I 1. Alt.418 wird nicht weiter einzugehen sein, da sie für diese Arbeit irrelevant ist.

a. Freiwillige außerprozessuale Mitwirkung an der Herbeiführung des Gestaltungserfolgs: Bestandsaufnahme Heute entspricht es allgemeiner Ansicht, dass der Gesellschafter, der die Auflösung der Gesellschaft begehrt, darauf verzichten kann, diejenigen Mitgesellschafter mitzuverklagen, die sich mit der Auflösung der Gesellschaft einverstanden erklärt haben419. Unklar ist allerdings, wie diese außerprozessuale Mitwirkung genauer zu qualifizieren ist – die höchstrichterliche Rechtsprechung ist insoweit widersprüchlich. Der Bundesgerichtshof erwähnte zwar in seinen ersten Urteilen zur Ersetzung der Teilnahme am Verfahren das Institut der Prozessstandschaft, begründete dies jedoch nicht näher und verneinte später diese Einordnung – wiederum ohne Begründung420. Wenn überhaupt, dann befasst man sich heute mit der Frage, ob die Klage auf »Zustimmung« einzelner Gesellschafter mit der Gestaltungsklage verbunden werden kann. Dabei wird meist die vorgreifliche grundsätzliche Frage übersprungen, ob überhaupt die »Zustimmung« eines Gesellschafters die an sich vom Gesetz vorgesehene Teilnahme am Verfahren verzichtbar machen kann. Dies ist jedoch methodisch besonders fragwürdig, denn »die Fiktion einer Willenserklärung nach § 894 ZPO kann nichts bewirken, das nicht auch die Willenserklärung selbst bewirken könnte«421. Daher muss erst überprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die außerprozessuale Willenserklärung eines Gesellschafters seine Teilnahme am Verfahren ersetzen kann. Dabei muss die Antwort auf die Frage nach der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren nicht notwendig gleich

418 Außerhalb der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen entsteht kein akutes Problem, weil die gemeinsame Klageerhebung nicht obligatorisch ist, so dass von der Möglichkeit der mitwirkungsersetzenden Zustimmung lediglich die Bindung des Zustimmenden abhängig ist und nicht auch das Schicksal der tatsächlich erhobenen Klage, wie dies bei der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen der Fall ist. 419 S. z.B. BGH, LM Nr. 3 § 133 HGB; Blomeyer, ZPR, § 94 II 3 (S. 500); Henckel, Parteilehre, S. 104; Heymann-Emmerich, § 133 Rn. 16; Koller/Roth/Morck-Koller, § 133 Rn. 3; Schlegelberger-Geßler, HGB4 (Vorauflage), § 133 Rn. 19; Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 15; Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 133 Rn. 53; a.A. im älteren Schrifttum Bellwinkel, S. 47f., der andererseits annimmt, dass die Auflösungsklage »gegenstandslos wird ... in dem Falle, dass der Beklagte den Anspruch anerkennt«; Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 10: »Dass ein Gesellschafter sich außergerichtlich mit der Auflösung einverstanden erklärt hat, kann seine Beteiligung an dem Urteilsakt selbst nicht ersetzen. Die Zustimmung könnte ja auch mittlerweile zurückgezogen oder angefochten sein.«; Ritter, § 133 Anm. 2 a: Zustimmende Gesellschafter müssen entweder mitklagen oder haben »die Folgen ihrer Verurteilung mit Recht zu tragen«. 420 Dazu s. ausführlich weiter unten, S. 112. 421 Schlegelberger-K. Schmidt, § 140 Rn. 45.

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ausfallen, je nachdem, ob die Teilnahme auf der Kläger- oder auf der Beklagtenseite vorgeschrieben ist. i. Außerhalb des Gesellschaftsrechts Liegen die Voraussetzungen einer notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 I, 2. Alt. vor, ist die Klage des Einzelnen unzulässig422. Der eigentliche Grund für die Verpflichtung zur gemeinsamen Klageerhebung liegt zwar im materiellen Recht, ihm entspricht jedoch die prozessuale Vorgabe des § 62 I, 2. Alt., so dass sich auch die prozessuale Rechtsfolge der Unzulässigkeit ergibt. Auch auf der Beklagtenseite müssen alle notwendigen Streitgenossen nach § 62 I, 2. Alt. gemeinsam verklagt werden, weil ansonsten die Klage unzulässig ist423. Die Tatsache, dass die Klage auch unbegründet sein würde, wäre sie zulässig, hat keine weiteren Auswirkungen, da bei Unzulässigkeit der Klage gar keine Sachprüfung stattfinden wird424. Die Problematik stellt sich hauptsächlich bei der notwendigen Streitgenossenschaft auf der Aktivseite. Im Gegensatz zur notwendigen Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite, wo es der Kläger selbst in der Hand hat, alle übrigen Mitgesellschafter zu verklagen, ist er hier auf die Bereitschaft seiner notwendigen Streitgenossen, Klage zu erheben, angewiesen, um das Rechtsschutzziel zu erreichen. Auf der Beklagtenseite dagegen stellt sich die Frage nach der Ersetzbarkeit der Teilnahme am Verfahren nur, um den Kläger zu erleichtern bzw. dem Beklagten die Teilnahme am Verfahren zu ersparen – besonders der zweite Zweck erinnert an eine Unterwerfung unter die Urteilswirkungen. Trotz der größeren Behinderung in der Rechtsausübung bei notwendiger Streitgenossenschaft auf Klägerseite scheint es leichter zu fallen, auf die Teilnahme auf der Beklagtenseite zu verzichten, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden.

422 H.M., s. z.B. BGHZ 92 (1985), 351, 353; Gottwald, JA 1982, 64, 70; Jauernig, ZPR, § 82 I (S. 340); Lindacher, JuS 1986, 379, 381; Serwe, S. 131; Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 25; Winte, S. 84ff.; Zöller-Vollkommer, § 62 Rn. 11; a.A. (für Abweisung als unbegründet mangels Sachlegitimation) Baumbach-Hartmann, § 62 Rn. 6 [s. allerdings hierzu ablehnend BGHZ 36 (1961), 187, 192]; Staub-Fischer, GroßKomm HGB3, § 117 Rn. 16: Die Klage ist »als unbegründet, nicht als nur prozessrechtlich unzulässig abzuweisen«; weiterhin MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 47 und Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 25: Abweisung als unbegründet, wenn der Kläger/Beklagte vorträgt, materiellrechtlich allein berechtigt/verpflichtet zu sein. – Auch im Verwaltungsprozess ist eine Klage, die nicht von allen notwendigen Streitgenossen i.S.d. § 62 I, 2 Alt. erhoben wird, unzulässig und wird durch Prozessurteil abgewiesen, s. z.B. BVerwG, NJW 1983, 1133 (Verpflichtungsklage auf Änderung des gemeinsamen Ehenamens). 423 Differenzierend Lüke, FS Sturm, 1045, 1048: nur auf Klägerseite Abweisung als unzulässig, auf Beklagtenseite als unbegründet; – In der älteren Rechtsprechung findet sich vereinzelt die Formulierung, es handele sich um die materielle Frage nach der Passivlegitimation, s. z.B. RGZ 93 (1918), 292, 293; RGZ 111 (1926), 338, 339, 340; noch BGHZ 36 (1961), 187, 192. 424 Zutreffend Serwe, S. 132; Winte, S. 85f.

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(1) Ersetzung der Teilnahme bei Leistungsklagen Die Rechtsprechung lässt es bei Leistungsklagen seit langer Zeit aus prozesswirtschaftlichen Gründen zu, gegen einzelne Streitgenossen nach § 62 I 2. Alt. vorzugehen, wenn die übrigen zuvor erklärt haben, zu der mit der Klage begehrten Leistung verpflichtet und bereit zu sein425. Der Bundesgerichtshof hat dies 1962 wie folgt zusammengefasst: »Die Rspr. hat unter Billigung des Schrifttums Klageerhebung nur gegen einzelne notwendige Streitgenossen zugelassen, wenn die übrigen vor Klageerhebung erklärt hatten, zu der mit der Klage begehrten Leistung verpflichtet und bereit zu sein. In einem solchen Falle laufe die Einbeziehung der leistungswilligen Streitgenossen in den Rechtsstreit gegen die übrigen, eine Leistungspflicht bestreitenden Streitgenossen auf eine unnötige und Kosten verursachende Formalität hinaus«. Ein Festhalten an dem Gebot der einheitlichen Entscheidung würde zu einer »unnötigen Überspitzung einer Verfahrensregel führen und dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit widersprechen«426. Auf die Mitverklagung eines notwendigen Streitgenossen kann bei Leistungsklagen womöglich verzichtet werden, wenn die – teilbare – Leistung bereits außerprozessual erbracht wurde, wie dies z.B. bei der Abgabe einer Willenserklärung der Fall sein kann427. Gleichwohl wird die Rechtskraft des Urteils diese Person nicht binden, so dass sie das Geleistete z.B. wegen ungerechtfertigter Bereicherung vom Kläger zurückverlangen könnte, ohne dass prozessual etwas im Wege stünde. Aus diesem Grund ist der Kläger gut beraten, seine Klage gegen sämtliche aus materiellrechtlichen Gründen notwendige Streitgenossen zu richten. Denkbar wäre, die Leistungsbereitschaft durch eine entsprechende vollstreckbare Urkunde zu sichern428, die jedoch auch nicht zu einer Rechtskraftbindung führen kann. Selbst bei Leistungsklagen wird die bloße Leistungsbereitschaft kei-

425 BGH, NJW-RR 1991, 333, 334; BGH, NJW 1982, 442 (allerdings lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, welche Anforderungen an die Leistungsbereitschaft gestellt werden; die Klage war auf eine Umschreibungsbewilligung gerichtet); BGH, NJW 1962, 1722; unklar BGH, NJW 1992, 1101, 1102: die Leistungsverpflichtung (es ging um die Beseitigung der Störung bei einer Grunddienstbarkeit) wird darin gesehen, dass die Ehefrau des Klägers ihm ihre »Miteigentümerposition ... abgetreten und dadurch der Geltendmachung des Abwehranspruchs zugestimmt hat«. 426 BGH, NJW 1962, 1722f. (bereits abgegebene Auflassungserklärung) mit Hinweis auf RGZ 112 (1926), 129, 132 und RGZ 111 (1926), 338, 339f.; RG, WarnR 1926 Nr. 93 a.E.; bezüglich der Zulässigkeit eines Teilurteils bei Leistungsbereitschaft auch BGH, NJW 1975, 1457, 1459. 427 S. BGH, NJW 2004, 1797 zu einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung gegen mehrere Mieter sowie die in der vorausgegangenen Fn. genannten Entscheidungen sowie Henckel, Parteilehre, S. 55f. zur Leistungsklage gegen die Erbengemeinschaft: »Ausnahmsweise brauchen einzelne Miterben nicht mitverklagt zu werden, nämlich wenn etwa die begehrte Verfügungserklärung von einem der Miterben bereits abgegeben oder dieser schon im Einzelprozess rechtskräftig verurteilt wurde«. 428 MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 34.

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nesfalls geeignet sein, der Klage das Rechtsschutzbedürfnis zu nehmen429. Denn durch die bloße Bereitschaftserklärung wird das Rechtsschutzziel noch nicht erreicht, da die Mitwirkung nicht gesichert ist430. (2) Ersetzung der Teilnahme auch bei Gestaltungsklagen? Das Gesagte gilt jedoch nur für Leistungsklagen. Bei den Gestaltungsklagen liegt der Fall anders. Hier kann der Klagegegner nicht freiwillig »vorleisten«, wie dies ja auch immer wieder betont wird, um das Vorhandensein eines privaten Gestaltungsrechts zu leugnen. Daher fehlt der Klage gegen die zustimmenden Gesellschafter keinesfalls das Rechtsschutzbedürfnis431. Es fällt auf, dass bei Gestaltungsklagen außerhalb des Gesellschaftsrechts im entsprechenden Fall der notwendigen Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite die Möglichkeit der Zustimmung gar nicht diskutiert wird, sondern nur davon ausgegangen wird, dass die Klage unzulässig ist, wenn sie nicht gegen sämtliche notwendige Streitgenossen gerichtet ist. So wurde z.B. eine Kündigungsschutzklage gegen mehrere Arbeitgeber, die zu einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen sind, als unzulässig angesehen, wenn sie sich nicht gegen sämtliche Gesellschafter richtet432. Bei den Statusklagen kann das Problem nur ausnahmsweise vorkommen bei der Klage auf Aufhebung der Ehe, wenn sie von der zuständigen Verwaltungsbehörde erhoben wird: Nach § 631 III muss der Antrag gegen beide Ehegatten gerichtet sein, was zu einer Streitgenossenschaft nach § 62 I, 2. Alt. führt, die sich nicht lediglich aus dem materiellen Recht ergibt, sondern ausdrücklich durch § 631 III eingeführt wird. Hier ist erst recht – und zu Recht – keine Rede von einer teilnahmeersetzenden Zustimmung des einen Ehegatten. Wenn schon auf der Beklagtenseite Bedenken gegen eine Übertragung der für Leistungsklagen entwickelten Grundsätze auf Gestaltungsklagen bestehen, ist die entsprechende Praxis auf der Klägerseite überhaupt nicht zu rechtfertigen. Auf der Klägerseite besteht nämlich selbst bei der Leistungsklage nicht die Möglichkeit, das Verfahren durch vorprozessuales Verhalten gegenstandslos zu machen: Die Entscheidung des potentiellen Klägers, Klage zu erheben oder nicht, ist frei, es liegt ein Unterschied vor im Verhältnis zur Bereitschaft des potentiellen

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A.A. BGH, NJW 1975, 1457, 1459; Henckel, Parteilehre, S. 104. MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 34; a.A. Schwab, FS Lent, 271, 288f. 431 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 69f.; Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 133 Rn. 53; a.A. wohl Hueck, § 25 III 3. 432 LAG, MDR 1998, 293. Allerdings ist wohl irrtümlich die Rede von einer notwendigen Streitgenossenschaft aus § 62 I, 1. Alt. – Nach der neuen Rechtsprechung, die der GbR Teilrechtsfähigkeit zuspricht, muss davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter nach außen hin keine notwendige Streitgenossen sind, s. BGHZ 146 (2001), 341, sowie OLG Frankfurt, ZIP 2001, 1884. 430

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Beklagten, den Klageanspruch zu erfüllen, so dass die Klage gegen ihn als nicht mehr nötig erscheinen mag. Dieser Unterschied zwischen notwendiger Streitgenossenschaft auf Klägerund auf Beklagtenseite wird oft nicht berücksichtigt und es wird allgemein von der Verzichtbarkeit der Teilnahme am Verfahren gesprochen, wenn auch die erläuternden Formulierungen darauf hin deuten, dass die Ersetzung der Teilnahme auf der Beklagtenseite gemeint ist. Denn überwiegend wird als Voraussetzung für die Nichtteilnahme die Verpflichtung zur Leistung genannt, die logischerweise nur die Teilnahme des Beklagten am Verfahren betreffen kann, und zwar bei einer Leistungsklage. Außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen wird soweit ersichtlich in der Tat nicht von der Ersetzbarkeit der Teilnahme am Verfahren auf Klägerseite gesprochen. Das mag allerdings auch daran liegen, dass außerhalb des Gesellschaftsrechts Gestaltungsklagen meist auch in Einzelprozessführung erhoben werden können, so z.B. die Klage auf Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1495 BGB) durch jeden anteilsberechtigten Abkömmling oder die Klage auf Erklärung der Erbunwürdigkeit (§ 2341 BGB) durch jeden, dem der Wegfall des Erbunwürdigen als Erben zustatten kommt. Damit tritt in diesen Fällen das hier besprochene Problem nicht auf433. ii. Im Gesellschaftsrecht (1) Ersetzung auf der Beklagtenseite Im Gesellschaftsrecht taucht die Frage nach der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren auf Beklagtenseite hauptsächlich bei der Auflösungsklage nach § 133 HGB 433 Soweit man vor der Schuldrechtsmodernisierung die Klage auf Wandelung [»Die Eingliederung des Gewährleistungsrechts in das allgemeine Leistungsstörungsrecht führt dazu, dass an die Stelle des Ausdrucks »Wandelung« der Ausdruck »Rücktritt« treten muss. (Begr RegE, BTDrucks. 14/6040, S. 94) ... Als Rücktritt ist das Recht des Käufers zur Aufhebung des Vertrags – anders als die Wandelung – ein Gestaltungsrecht (S. 221).«] als Gestaltungsklage betrachtet hatte [so Bötticher, Wandlung, S. 44ff.; wohl auch Herberger, S. 124; Larenz, Schuldrecht II/1, § 41 II a (S. 55f.); aus österreichischer Sicht Fasching, östJBl. 97, 505, 507, 515; ablehnend MünchKommWestermann3 (Vorauflage), § 462 BGB Rn. 6; BGHZ 85 (1983), 367, 372: Das Gesetz habe die Wandlung nicht als Gestaltungsrecht, sondern als Anspruch ausgestaltet. Die Wandelung komme entweder durch Einigung der Parteien oder durch Richterspruch zustande. Damit nimmt jedoch das Urteil, das die Wandelung ausspricht, tatsächlich die Funktion der Zwangsvollstreckung dieses »Anspruchs« ein.], lag eine notwendige Streitgenossenschaft vor [Henckel, Parteilehre, S. 103 zur passiven Prozessführungsbefugnis; Rosenberg/Schwab/Gottwald15 (Vorauflage), § 49 III 2 (S. 255); Schwab, FS Lent, 271, 297f.; Winte, S. 67f.; wohl auch BGH, NJW 1990, 2688, 2689. Im konkreten Fall wurde allerdings das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft verneint, da nicht auf Wandelung, sondern direkt auf Rückerstattung des Kaufpreises geklagt wurde, so dass die Wandelung nur inzident geprüft wurde; a.A. MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 27, »weil nur die materiell-rechtliche Ausübung des Gestaltungsrechts eine gemeinsame Erklärung erfordert, ohne dass aber eine Gestaltungsklage vorläge«.], so dass hier in der Tat die Frage hätte auftauchen können, ob eine Klageerhebung aller Berechtigter notwendig ist oder nicht.

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auf. Es wird meist angenommen, dass der Kläger seine Klage nicht gegen diejenigen Gesellschafter richten muss, die sich rechtsverbindlich mit der Auflösung einverstanden erklärt haben434. Jedoch kann die Frage nach der Ersetzung der Teilnahme auf der Beklagtenseite auch bei einer Ausschließungsklage aufkommen, wenn mehrere Gesellschafter auszuschließen sind. Normalerweise müsste gegen jeden einzelnen auszuschließenden Gesellschafter Klage erhoben werden, und was von allen übrigen Gesellschaftern. Dies bedeutet, dass am Verfahren auch diejenigen Gesellschafter teilnehmen müssten, die in den anderen Verfahren ausgeschlossen werden sollen. Dies allein würde dem Grundsatz Rechnung tragen, dass die einzelnen Verfahren auch bei Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen ihre Selbständigkeit beibehalten. Gleichwohl wird es nach gefestigter Praxis zugelassen, dass die auszuschließenden Gesellschafter auch bei den anderen Verfahren nicht als Kläger auftreten435. Damit werden im Ergebnis zwei »Gruppen« bzw. Pools gebildet: die der Kläger und die der Gesellschafter, die ausgeschlossen werden müssen. Zur Problematik der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren auf Beklagtenseite durch außerprozessuale Zustimmung hatte sich bereits das Reichsgericht geäußert436. Obwohl es dabei um eine Ausschließungsklage nach § 140 HGB ging, bei der gemeinschaftliche Klageerhebung erforderlich ist, bezog sich das Urteil nicht auf die außerprozessuale Mitwirkung auf der Kläger-, sondern auf der Beklagtenseite. Das Reichsgericht stellte fest, dass derjenige von den auszuschließenden Gesellschaftern, der sich verbindlich verpflichtet, bei Erfolg der Klage aus der Gesellschaft auszuscheiden, nicht am gerichtlichen Verfahren teilzunehmen brauche. Die Besonderheit, die der Sachverhalt aufwies (dass es sich um einen der auszuschließenden Gesellschafter handelte und dass er sich mit obigem Inhalt verpflichtend geäußert hatte), wurde allerdings später vernachlässigt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1958 verallgemeinernd den Satz aufgestellt, dass diejenigen Gesellschafter sich nicht an einer Auflösungsklage nach § 133 HGB beteiligen müssen, »die mit der Auflösung der Gesellschaft ohnehin einverstanden sind«, da § 140 HGB und § 133 HGB insoweit gleich zu behandeln seien437. Wieso die beiden Konstellationen insoweit gleich zu behandeln seien, hat der BGH allerdings nicht weiter ausgeführt. 434

S. Nachweise in Fn. 419. Allg. M., s. BGHZ 64 (1975), 253, 255; BGHZ 68 (1977), 81, 83f. sowie die Kommentarliteratur. – Speziell, wenn mehreren Gesellschaftern die Geschäftsführung zu entziehen ist (§ 117 HGB) wurde vereinzelt angenommen, dass die Möglichkeit, auf die Mitwirkung der übrigen Geschäftsführer zu verzichten, nur bestehe, wenn die Ausschließungsgründe zusammenhängen. Bei Diversität der Entziehungsgründe müssten dagegen bei der Klage gegen jeden Gesellschafter alle übrigen mitwirken, Hueck, § 10 VII 4 (S. 149f.); a.A: Fischer, NJW 1959, 1057, 1059; Staub-Fischer, GroßKomm HGB3, § 117 Anm. 17, allerdings mit fragwürdiger Begründung. 436 RGZ 146 (1934), 169ff. 437 BGH, LM Nr. 3 zu § 133 HGB = NJW 1958, 418. 435

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Zur Ausschließungsklage gegen mehrere auszuschließende Gesellschafter wird – im Einklang mit der genannten reichsgerichtlichen Entscheidung – auch in der Literatur vertreten, dass auf die Teilnahme eines auszuschließenden Gesellschafters am Verfahren verzichtet werden könne, wenn sich dieser bindend zum Austritt verpflichtet, sobald das Urteil gegen den anderen Gesellschafter rechtskräftig wird. Begründet wird dies damit, dass der Gesellschafter als Beklagter auf sein Recht auf rechtliches Gehör in Form des Bestreitens des Ausschließungsgrundes verzichten könne438. (2) Ersetzung auf der Klägerseite Für die Ersetzung der prozessualen Beteiligung durch rechtsgeschäftliche Erklärung auf der Klägerseite bietet die Ausschließungsklage bei den Personengesellschaften des Handelsrechts (§ 140 HGB) das Paradebeispiel. Hier lautet die Vorgabe des materiellen Rechts, dass die Klage gegen den auszuschließenden Gesellschafter von allen übrigen Gesellschaftern gemeinsam zu erheben ist. Ansonsten – wenn man die außerprozessuale Zustimmung der nicht klagenden Gesellschafter nicht ausreichen lässt – ist die Ausschließungsklage unzulässig439. Es ist auch nicht möglich, im Gesellschaftsvertrag abweichend von der zwingenden Vorschrift des § 140 HGB mehrheitliche Klageerhebung vorzusehen440. In den Materialien wird bei der Ausschließungsklage – anders als bei der Auflösungsklage441nicht der rechtspolitische Grund für die Wahl des rechtstechnischen Mittels erwähnt. Jedoch ist als Zweck auch – um nicht zu sagen hauptsächlich – der Schutz des Gesellschafters, der ausgeschlossen werden soll, zu sehen. Es soll nicht nur Rechtsgewissheit erzeugt, sondern der beklagte Gesellschafter soll vor Klagen einzelner Mitgesellschafter geschützt werden.

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Ulmer, FS Geßler, 269, 280. A.A. Breit, JR 1926, Sp. 761, 779: »Noch weniger hat das Gericht von Amts wegen die Nichtbeteiligung von Gesellschaftern am Prozesse zu beanstanden«. 440 So aber Weipert, GroßKomm HGB2, § 127 Anm. 15 a.E.: »Im Gesellschaftsvertrage kann vereinbart werden, dass die Klageerhebung durch Mehrheitsbeschluss beschlossen werden kann und dass nur die Mehrheit die Klage zu erheben braucht«. S. allerdings auch § 140 Anm. 16: »... kann die Antragstellung mit Mehrheit beschlossen werden. Liegt ein rechtswirksamer Beschluss dieser Art vor, so sind auch die überstimmten Gesellschafter verpflichtet, bei der Antragstellung mitzuwirken« sowie § 117 Anm. 13: Die überstimmten Gesellschafter müssen ebenfalls Prozessvollmacht erteilen; ähnlich Ulmer, § 140 Rn. 53: Klageerhebung in Prozessstandschaft für die überstimmten Gesellschafter; a.A. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 247: Es müsse entweder Einverständnis mit dem Klageziel vorliegen oder »vorherige Ermächtigung der jeweiligen Gesellschaftermehrheit durch die Minderheit«; vgl. auch weiter oben, Fn. 404. 441 Bei der Auflösungsklage wird in den Materialien angemerkt, dass »zum Schutze der übrigen Gesellschafter im Interesse der Verkehrssicherheit ausdrücklich eine die Auflösung aussprechende richterliche Entscheidung (verlangt wird)«, s. Hahn/Mugdan, HGB, S. 270; ähnlich Denkschrift HGB, S. 98. Es handelt sich jedoch nicht um ein öffentliches Interesse, wie die Möglichkeit zeigt, die Auflösung durch Gesellschaftsbeschluss herbeizuführen. 439

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Als Grundsatzentscheidung im Bereich des § 140 HGB wird, wie weiter oben erwähnt wurde, eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1934 angeführt442. Darin wurde entschieden, dass »derjenige von mehreren Auszuschließenden, der das Vorhandensein eines wichtigen Grundes in seiner Person anerkennt, in seine Ausschließung einwilligt und sich auch noch besonders zum Ausscheiden gleichzeitig mit den Verklagten verpflichtet, weder den Antrag gegen die übrigen Auszuschließenden zu stellen braucht noch mitverklagt werden muss«443. Diese Besonderheit, dass auch in der Person des fernbleibenden Gesellschafters ein Ausschließungsgrund vorlag, und dass er sich zum anderen dazu verpflichtet hatte, bei Erfolg der Klage selbst aus der Gesellschaft auszuscheiden (bzw. im konkreten Fall zum stillen Gesellschafter zu werden), wurde bislang nicht hinreichend berücksichtigt444. Diejenigen, die auf die Besonderheit der Fallkonstellation in RGZ 146, 169 hinweisen, beschränken sich auf das letzte Merkmal, nämlich dass sich der Gesellschafter verpflichtet hatte, bei Erfolg der Klage selber auszuscheiden. Hier drängt sich eine Parallele zur Rechtsprechung bei den Leistungsklagen auf, wo bei Leistungsbereitschaft des potentiellen Beklagten auf seine Teilnahme am Verfahren verzichtet werden kann. Die wahre Besonderheit lag jedoch darin, dass der Gesellschafter, hätte er am Verfahren teilgenommen, gar nicht auf der Kläger-, sondern auf der Beklagtenseite gestanden hätte, nach dem wiederum durch die Rechtsprechung geschaffenen Konstrukt des Kläger- und Beklagtenpools445. Somit hatte die Einverständniserklärung nicht die Beteiligung auf der Klägerseite ersetzt, um die es normalerweise bei § 140 HGB geht. Das Reichsgericht hatte seine Aussage darüber hinaus noch weiter relativiert, indem es ausführte, dass »gegen eine solche Vereinbarung ... jedenfalls in der Regel nichts einzuwenden (ist), wenn ein einseitiges Kündigungsrecht dieses Gesellschafters besteht, die übrigen ihn also doch nicht in der Gesellschaft festhalten können«446. Dann könnte man die Erklärung des Gesellschafters als bedingte Kündigung447 bzw. als vorweggenommene Ausscheidensvereinbarung448 auffassen, zumindest jedoch als Versprechen der »Erfüllung« des Klagebegehrens. 442

Z.B. Schlegelberger-K. Schmidt, § 140 Rn. 50. RGZ 146 (1934), 169, 174f. 444 Vgl. immerhin K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 81, der allerdings diesen Punkt nur streift: »Was die herrschende Auffassung auf dieser Basis inzwischen entwickelt hat, ist aus den Gründen nicht abzulesen; der Grundsatz nämlich, dass die Beteiligung am Ausschließungsprozess allgemein – vor allem auch auf der Klägerseite – durch eine Zustimmung ersetzt werden kann« (Hervorhebung von Verf.). 445 S. weiter oben, S. 97. 446 RGZ 146 (1934), 169, 175. 447 Eine derartige bedingte Kündigung ist ausnahmsweise zulässig, weil – ähnlich wie bei der Eventualaufrechnung im Prozess – keine schädliche Unsicherheit für den Gegner entsteht, da der Eintritt oder Ausfall der Bedingung im Prozess geklärt wird. 448 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 66f., 81. 443

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Das Reichsgericht hat aber in seinem Urteil gerade nicht den Grundsatz aufgestellt, dass jede bindende Einverständniserklärung eines Gesellschafters seine Teilnahme am Prozess verzichtbar macht449 – dies geschah erst durch BGHZ 64, 253, wo der BGH – bemerkenswerterweise ohne Erwähnung der reichsgerichtlichen Entscheidung – den Grundsatz aufstellte, dass die nach § 140 HGB erforderliche Beteiligung der übrigen Gesellschafter an der Ausschließungsklage durch ein Urteil ersetzt werden kann, das den widerstrebenden Gesellschafter zur Zustimmung verurteilt450. Die hier besprochene Problematik begegnet einem auch bei den §§ 117, 127 HGB, die anordnen, dass die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsmacht von allen übrigen Gesellschaftern zu erheben ist. Ähnlich wie zu § 140 HGB wird auch hier angenommen, dass diejenigen Gesellschafter am Verfahren nicht teilnehmen müssen, die sich mit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsmacht einverstanden erklärt haben451. Das Problem stellt sich naturgemäß nicht, wenn nach der Ausschließung nur ein Gesellschafter verbleibt (§ 140 I 2 HGB), da hier begriffsnotwendig nur ein klagender Gesellschafter vorhanden ist452.

b. Dogmatische Herleitung Bislang wurde lediglich festgestellt, dass die Praxis einen Verzicht auf die Teilnahme am Verfahren der Gesellschafter zulässt, die außerprozessual ihre »Zustimmung« erteilt haben, somit stellt sich die Frage, ob sich diese Praxis in den Fällen notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen (§ 62 I, 2. Alt.) auch dogmatisch rechtfertigen lässt. In der Regel wird die Rechtsnatur der Zustimmungserklärung überhaupt nicht thematisiert, sondern man geht direkt zu der Frage über, ob sie die Teilnahme am Verfahren ersetzen bzw. ob sie gerichtlich erzwungen werden kann oder nicht. Dies entspricht leider einer verbreiteten Vorgehensweise bei Problemen der Gestaltungsklage, die letztlich auf der vorherrschenden Sicht beruht, die die umfassende Bindung an Gestaltungsurteile als selbstverständlich hinnimmt. 449

Zutreffend K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 66, 80f. BGHZ 64 (1975), 253, 259. 451 Fischer, NJW 1959, 1057, 1059; Staub-Fischer, GroßKomm HGB3, § 117 Anm. 17; Ulmer, FS Geßler, 269, 280; Baumbach/Hopt-Hopt, § 117 Rn. 7 verlangt »bindende Einverständniserklärung mit Klageerhebung ... (gewillkürte Prozessstandschaft)«; ähnlich Westermann, Hdb. Teil I, Rn. 414; Hueck, § 10 VII 4 (S. 149 und dort Fn. 92), allerdings lediglich »in schweren Fällen, in denen erhebliche Interessen der Gesellschaft auf dem Spiel stehen«; a.A. K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 107. 452 Wie bei der Übernahmeklage nach § 142 HGB a.F., bei der es auch lediglich um die Ausschließung der übrigen Gesellschafter ging (genau wie bei § 140 HGB), der Übergang der Aktiva und Passiva ergab sich als Tatbestandswirkung aus dem Gesetz, s. K. Schmidt, GesR3 (Vorauflage), § 50 III 2 b (S. 1454); K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 7, 98. 450

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Die denkbaren Möglichkeiten, die »Zustimmung« einzuordnen, sind begrenzt. Als erste und nahe liegende Erklärung ist die Einverständniserklärung des Gesellschafters materiellrechtlich zu qualifizieren: Der Gesellschafter erklärt sich einverstanden mit der Auflösung der Gesellschaft oder der Ausschließung eines Mitgesellschafters. Wenn angenommen wird, dass der zustimmende Gesellschafter sein Augenmerk bereits auf die gerichtliche Durchsetzung des Auflösungs- oder Ausschlussbegehrens gerichtet hat und seine Zustimmung hierauf bezieht, dann eröffnen sich zwei Möglichkeiten der Einordnung: Zum einen kann die Zustimmung als Ermächtigung zur Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft gedeutet werden, zum anderen kann der Gesellschafter sich den künftigen Urteilswirkungen im Voraus unterwerfen wollen. i. Einverständniserklärung mit dem materiellen Ziel (1) Realitätsnahe Auslegung der Zustimmung Als erste Alternative drängt sich ein materiellrechtliches Verständnis der Zustimmung auf. Der Gesellschafter will zum Ausdruck bringen, dass er damit einverstanden ist, dass die Gesellschaft aufgelöst wird, ein Gesellschafter ausgeschlossen oder ihm die Geschäftsführungsbefugnis/Vertretungsmacht entzogen wird. Wenn er demnach seine »Zustimmung« erteilt, bezieht sich diese letztlich auf das materielle Ziel. Tatsächlich wird die Einverständniserklärung der Gesellschafter überwiegend materiellrechtlich gedeutet453. Dies wird daraus ersichtlich, dass die Rede von der Zustimmung zum Klageziel ist, z.B. zur Auflösung oder zum Ausschluss454. Zur materiellrechtlichen Einordnung der Zustimmung werden zum Teil unterschiedliche Begründungen angeführt. Für diejenigen Autoren, die in der Gestaltungsklage die Geltendmachung eines materiellen Anspruchs des Klägers gegen den Beklagten sehen, ist die Zustimmung materiellrechtlich zu deuten, da sie die Erfüllung dieses Anspruchs bedeutet455. Teilweise wird die materiellrechtliche Natur der Zustimmung auch darauf gestützt, dass der Ausschluss auch durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss der übrigen Gesellschafter456 erfolgen könne457. Einige Autoren sind sogar so weit gegangen, die Zustimmung als Stimmabgabe für einen Beschluss auf Auflösung i.S.d. § 131 Nr. 2 HGB zu deuten458. Sehr 453

Baumbach/Hopt-Hopt, § 140 Rn. 17; Blomeyer, ZPR, § 94 II 3 (S. 500); Henckel, Parteilehre, S. 104; Lindacher, FS Paulick, 73, 74. 454 So bereits Kohler, NJW 1951, 5 m.Nachw. zum Stand in der älteren Literatur (dort Fn. 2). 455 Breit, JR 1926, Sp. 761, 772: durch die Zustimmungserklärung sei der Anspruch auf Auflösung erfüllt; ähnlich Lüke, FS Sturm, 1045, 1052: Erfüllung des Anspruchs auf Ausschluss. 456 Zum Ausschluss des Gesellschafters aus der Willensbildung wegen Interessenkollision s. weiter oben, Fn. 125. 457 Mayer, BB 1992, 1497, 1499; so auch letztens Strohn, EWiR 1997, 181, 182. 458 Bellwinkel, S. 45.

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deutlich hat dies Breit formuliert: »Ueber den Kopf aller übrigen Gesellschafter kann nicht durch Anerkenntnis des Klageanspruches seitens des Beklagten F. die Gesellschaft zur Auflösung gebracht werden. Kein Zweifel – das rechtskräftige Urteil löst in einem solchen Falle allein die Gesellschaft nicht auf, der Tenor mag geförmelt sein wie er will. Nur wenn die übrigen Gesellschafter ihre Zustimmung zur Auflösung bereits außergerichtlich erklärt haben, sonach zum Auflösungsbeschlusse allein noch die Zustimmungserklärung des F. fehlt, wird mit Rechtskraft des Urteils die Gesellschaft aufgelöst. Liegen die Zustimmungserklärungen der übrigen Gesellschafter dagegen noch nicht vor, so ist das Urteil tatsächlich nur ein die spätere Auflösung der Gesellschaft vorbereitender Akt. In diesem Falle kommt eben die wahre Natur des Auflösungsurteils zum Durchbruch: es ist Ersatz der Zustimmungserklärung des verklagten Gesellschafters zur Auflösung«459. Diese Betrachtungsweise verquickt jedoch unzulässig die zwei Möglichkeiten der Herbeiführung der Gestaltung. Das Gesetz sieht alternativ die Auflösung durch einstimmigen Gesellschafterbeschlusses oder durch gemeinschaftliche Klageerhebung vor. Wenn eine der möglichen Alternativen verfolgt wird, müssen ihre Voraussetzungen erfüllt sein. Ein Urteil, das sich auf die eine Alternative bezieht, kann nicht derart umgedeutet wird, dass es eine fehlende Voraussetzung der anderen Alternative ersetzt. Die materiellrechtlich gedeutete »Zustimmung« ist jedenfalls keine Zustimmungserklärung i.S.d. §§ 182f. BGB, denn diese Vorschriften beziehen sich auf den Fall, dass ein Vertrag oder ein einseitiges Rechtsgeschäft von der Zustimmung eines Dritten abhängt. Bei der Auflösungs- und der Ausschließungsklage dagegen wird die »Zustimmung« nicht von einem Dritten, sondern von einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter erteilt. Vielmehr könnte eine materiellrechtliche Ermächtigung analog § 185 BGB vorliegen, ähnlich einer Einziehungsermächtigung, gerichtet auf das materielle Ziel, das durch die Gestaltungsklage erreicht werden soll. Die Annahme einer Ermächtigung ist deswegen nahe liegend, weil diese Rechtsfigur am ehesten der gegenstandsbezogenen Zustimmung des Gesellschafters entspricht. Sie würde den Ermächtigten dazu befähigen, alle notwendigen materiellen Rechtsgeschäfte vorzunehmen, um das Ziel zu erreichen. (2) Erfüllung der Vorgaben der §§ 133, 140 HGB? Wenn die realitätsnahe Auslegung der Zustimmung des Gesellschafters ihre materiellrechtliche Einordnung, und zwar als eine Art Ermächtigung nahe legt, ist zu prüfen, ob dann die Vorgaben der §§ 133, 140 HGB erfüllt werden, die eine Klageerhebung gegen alle oder durch alle Gesellschafter vorschreiben. Es ist noch einmal daran zu erinnern, dass an dieser Stelle nur die klageweise Durchsetzung der 459

Breit, JR 1926, Sp. 761, 776 (Hervorhebung im Original).

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Auflösung oder Gesellschafterausschließung geprüft werden soll und nicht die zweite Möglichkeit, das materielle Ziel zu erreichen, nämlich der einstimmige Gesellschafterbeschluss. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn die Gestaltung durch Gesellschafterbeschluss erfolgen soll, kann hier offen gelassen werden. (a) Grundsätzliche Bedenken Die materiellrechtliche Einordnung gerät bereits in Konflikt mit den ansonsten angenommenen Grundsätzen in Bezug auf die Gestaltungsklage und das Gestaltungsurteil. So ist die Einräumung der Möglichkeit, dass der Beklagte durch materielle Einverständniserklärung dem Prozess z.B. auf Auflösung der Gesellschaft fernbleibt, nicht ohne weiteres mit der vielfach vertretenen Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts als Grundlage der Gestaltungsklage vereinbar. Es sei daran erinnert, dass diese Ansicht darauf gestützt wird, dass der Beklagte dem Klagebegehren nicht abhelfen könne460. Wenn der Gesellschafter jedoch durch seine außerprozessuale Handlung die Klageerhebung gegen ihn entbehrlich, oder sogar mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig machen kann, dann hilft er der Sache nach dem Klagebegehren ab461. Es ist daher unter dem Blickwinkel der Verneinung eines materiellen Gestaltungsrechts inkonsequent, die Einverständniserklärung des Mitgesellschafters ausreichen zu lassen, denn man kann sich zwar auch wirksam verpflichten, selbst wenn man nicht erfüllen kann. Dies hat dann aber nicht das gewünschte Ergebnis zur Folge, sondern lediglich die Entstehung sekundärere Ansprüche ohne primäre Leistungspflicht. Daher können lediglich diejenigen Autoren, die der Gestaltungsklage eine Art Anspruch zugrunde legen462, ohne Vorwurf der Inkonsequenz die Verzichtbarkeit der Teilnahme am Verfahren annehmen463. Zum Teil wird die Ersetzbarkeit der Teilnahme am Verfahren durch außerprozessuale, materiellrechtliche Einverständniserklärung damit gerechtfertigt, dass die Bindung des am Prozess nicht Beteiligten an das rechtskräftig ergangene Gestaltungsurteil ohnehin außer Frage stehe464. Mit dieser Argumentation müsste allerdings streng genommen nicht einmal eine außerprozessuale Zustimmung notwendig sein, denn auch dann würde nach heutiger Handhabung die Bindung an das Gestaltungsurteil eintreten. Abgesehen davon tritt nach der hier vertretenen 460

S. weiter oben, S. 12f. S. weiter oben, S. 101. 462 S. weiter oben, Fn. 7. 463 Nach Lüke (FS Sturm, 1045, 1051) erledigt sich sogar die Klage in der Hauptsache insoweit, als ein Gesellschafter während des Auflösungsprozesses der Auflösung verbindlich zustimmt. Ähnlich ist auch die Position von Serwe (S. 129), dass »die beklagte Partei das zu begehrende Recht durch ihr Einverständnis gegenstandslos machen kann, soweit sie selbst betroffen ist«. 464 Mayer, BB 1992, 1497, 1499. 461

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These eine prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil nur im Rahmen seiner Rechtskraft ein, so dass eine Ersetzung der Teilnahme am Verfahren nur möglich ist, wenn eine prozessuale Bindung an die Rechtskraft erzeugt werden kann. Nur am Rande sei angemerkt, dass heute auch die Ansicht vertreten wird, dass ein Gestaltungsurteil Gestaltungswirkung entweder allen gegenüber oder gar keine Gestaltungswirkung entfalte. Ein Gestaltungsurteil, das gegen die falsche Partei ergangen ist, entfalte demnach überhaupt keine Gestaltungswirkung465. Das gelte auch für den Fall, dass sich die Klage nicht gegen alle notwendigen Streitgenossen nach § 62 I, 2. Alt. richtet, z.B. bei der Auflösungsklage nicht gegen alle Gesellschafter, die ihre Zustimmung verweigert haben466. Damit wird nach dieser Betrachtungsweise die oben genannte Begründung hinfällig: Wenn überhaupt keine Gestaltungswirkung eintritt, weil nicht alle verklagt wurden, dann kann man die Möglichkeit einzelner Gesellschafter, dem Verfahren fernzubleiben, nicht mit dem Eintritt der Gestaltungswirkung auch ohne ihre Teilnahme begründen, weil dieser überhaupt nicht stattfinden würde. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Bedenken entstehen in der Praxis bei – an sich treffender – materiellrechtlich eingestufter Zustimmungserklärung auch weitere Probleme. Es ist nicht einmal geklärt, wie die Zustimmung nachzuweisen ist, obwohl es sich um eine Frage mit großer praktischer Reichweite handelt, da nicht ausgeschlossen ist, dass nachträglich behauptet wird, es hätte gar keine Zustimmung vorgelegen. Es ist auch auf die Gefahr hinzuweisen, dass der Gesellschafter – unter Umständen sogar nach Eintritt der Rechtskraft des Gestaltungsurteils – seine Zustimmung widerruft oder anficht467. Die Parallele ist hier zu ziehen zur materiellrechtlichen Ermächtigung analog § 185 BGB. Nur die nachträgliche Genehmigung ist unwiderruflich468, die vorherige Ermächtigung ist in der Regel frei widerruflich469. Jedoch wird man auch hier richtigerweise annehmen müssen, dass ein Widerruf nur bis zum Zeitpunkt möglich ist, in dem der Ermächtigte in vollem Umfang Gebrauch von der Ermächti465 Jauernig, ZZP 101, 361, 370ff.; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 74; nach eigener Angabe wurde dieser Punkt nicht hinreichend berücksichtigt bei Schlegelberger-K. Schmidt, § 133 Rn. 46 a.E.: »Hat das Gericht der Klage trotz fehlender Zustimmung oder Beteiligung eines Gesellschafters stattgegeben, so hindert dies ... nicht den Eintritt der Gestaltungswirkung«. Jedoch räumt K. Schmidt (S. 74) ein, dass der Dritte durch seine außerprozessuale Zustimmung die Gestaltungswirkung eintreten lassen könne. 466 Eine Ausnahme (d.h. ein wirksames Gestaltungsurteil) gelte allerdings für den Fall, dass das Gericht die Prozessführungsbefugnis ausdrücklich geprüft und aus rechtlichen Gründen bejaht hat (anders bei einer Verkennung von Tatsachen, hier bleibe es bei der Unwirksamkeit des Gestaltungsurteils gegenüber allen), Jauernig, ZZP 101, 361, 370ff. 467 Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 10: »Dass ein Gesellschafter sich außergerichtlich mit der Auflösung einverstanden erklärt hat, kann seine Beteiligung an dem Urteilsakt selbst nicht ersetzen. Die Zustimmung könnte ja auch mittlerweile zurückgezogen oder angefochten sein. 468 Flume, Rechtsgeschäft, § 56 (S. 900). 469 BGHZ 84 (1982), 283, 290; MünchKomm-Schramm, § 185 Rn. 40, vor § 164 Rn. 38.

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gung macht, das heißt bis der rechtliche Erfolg eintritt, für den die Ermächtigung erteilt wurde. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die Zustimmung zum Ausschluss eines Gesellschafters könnte diese bis zum Eintritt der Gestaltung widerrufen werden. Ein Widerruf wäre auch nicht an sich schon treuwidrig, da es die Rechtsordnung grundsätzlich zulässt, dass die Parteien ihre Rechtsansichten ändern470. Nach dem genannten Grundsatz wäre ein Widerruf nur bis zum Eintritt der Gestaltung und damit nach allgemeiner Praxis bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich. Selbst wenn man die Möglichkeit des Widerrufs der Zustimmung des Gesellschafters bereits nach Rechtshängigkeit verneinen wollte, wäre damit nicht das gesamte Problem beseitigt, denn damit wäre noch nicht die Anfechtung wegen Willensmängeln ausgeschlossen471. Insbesondere ist zu überprüfen, ob auch eine Anfechtung wegen Willensmängeln selbst nach Eintritt der Rechtskraft möglich ist. Aus materiellrechtlicher Sicht bestehen keine grundsätzliche Bedenken gegen eine Anfechtung der Ermächtigung, da Gegenstand der Anfechtung jedes Rechtsgeschäft sein kann, damit auch eine einseitige Willenserklärung, wie es die Ermächtigung ist. Nach § 143 III BGB wäre die Anfechtung an den ermächtigten Gesellschafter zu erklären, allerdings binnen kurzer Ausschlussfristen. Im Falle der Irrtumsanfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) nach Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund, jedenfalls innerhalb von 10 Jahren (§ 121 II BGB). Die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung muss innerhalb eines Jahres nach Entdeckung der Täuschung oder Beendigung der Zwangslage stattfinden, jedenfalls innerhalb von 10 Jahren (§ 124 II, III BGB). Da diese Ausschlussfristen kenntnisabhängig sind und die Maximalfrist von 10 Jahren zwar durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erheblich kürzer als zuvor, jedoch immer noch recht lang ist, kann die Anfechtung der materiellrechtlichen Zustimmung durchaus erfolgen, nachdem das Gestaltungsurteil rechtskräftig geworden ist. Die Anfechtungserklärung wäre auch nicht auf irgend eine Weise präkludiert. Um einen klassischen Fall der Präklusion, die auf die materielle Rechtskraft zurückzuführen ist, könnte es sich hier nicht handeln, da der zustimmende Gesellschafter gerade nicht am Verfahren teilgenommen hat und ihn damit auch nicht die materielle Rechtskraft des Urteils erfasst. Damit steht fest, dass der zustimmende Gesellschafter grundsätzlich mit einer Anfechtungserklärung nicht im herkömmlichen Sinne prozessual präkludiert wird. Die einzige Möglichkeit, in diesem Fall eine prozessuale Präklusion zu konstruieren, wäre, wenn man die vermeintliche prozessuale Natur der Gestaltungswirkung heranzöge. In diesem Fall würde sich erneut zeigen, dass dann kein qualitativer, sondern lediglich ein quantitativer Unterschied zur materiellen Rechtskraft bestünde, nämlich hinsichtlich 470 471

Schütz, S. 161 mit Hinweis auf Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 55. K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 68f.

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der subjektiven Grenzen. Jedoch wäre der Gesellschafter selbst bei dieser Sichtweise nicht gehindert, nachträglich seine Zustimmung anzufechten, da es bei der Präklusion von Gestaltungsrechten nach richtiger Ansicht auf die Gestaltungserklärung und nicht auf die Gestaltungslage ankommt472. Die Folge wäre, dass bei konsequenter Weiterführung der materiellrechtlichen Einordnung der Zustimmung diese rückwirkend angefochten werden könnte mit der Folge, dass sie als nicht abgegeben gelten würde, so dass das Gestaltungsurteil im Ergebnis auf eine unzulässige Klage hin ergangen wäre. In Ermangelung eines Restitutionsgrundes würde das rechtskräftige Gestaltungsurteil nicht unmittelbar berührt. Karsten Schmidt nimmt für den Fall, dass ein Gesellschafter nachträglich vorträgt, dass seine Zustimmung nicht vorhanden gewesen oder diese aus Rechtsgründen unwirksam sei, an, dass das ohne die gebotene Drittbeteiligung ergangene Urteil der Gestaltungswirkung unfähig sei, denn die Gestaltungswirkung trete entweder mit Wirkung inter omnes oder sie trete überhaupt nicht ein. Dagegen solle Rechtskraft inter partes eintreten473. Diese Lösung scheint einfach und einleuchtend zu sein, sie verursacht jedoch größere Probleme, als sie löst. Wenn nämlich nachträglich die Zustimmungserklärung angefochten wird oder es sich herausstellt, dass sie von Anfang an nicht wirksam vorgelegen hatte, dann wäre man erst davon ausgegangen, dass die Gestaltungswirkung mit Rechtskraft des Urteils eingetreten ist, was sich aber im Nachhinein und rückwirkend als falsch erweisen würde, womit sich die Frage ergäbe, wie Dritte zu behandeln wären, die vom Eintritt der Gestaltungswirkung ausgegangen sind. Wegen der erwähnten Beständigkeitsdefizite einer materiellrechtlichen Zustimmung erscheint eine solche somit nicht geeignet, gegen den eindeutigen Wortlaut von §§ 133, 140 HGB die Teilnahme am Verfahren zu ersetzen. Allerdings ist der Einwand, der auf die Ergebnisoffenheit des Prozesses abstellt, etwas überspitzt. Hintergrund war, in die materiellrechtlich verstandene Einverständniserklärung auch die Prozessführung einzubeziehen, obwohl der Gesellschafter regelmäßig die Einwilligung auf das durch die Klage positiv verfolgte materielle Ziel bezieht, z.B. den Ausschluss des Mitgesellschafters. Aus diesem Grund könne die Zustimmung schon gar nicht die Prozessführung in dem Fall decken, dass das Klageziel verfehlt werde474. Somit stehe in den meisten Fällen genau genommen die Verzichtbarkeit der Teilnahme am Verfahren und damit auch die Zulässigkeit der Klage unter der Bedingung, dass der Klage stattgegeben wird. Ob diese Bedingung erfüllt wird, könne sich jedoch erst herausstellen, wenn der Urteilsin472 S. eingehend Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 V 2 b (S. 625ff.) zur Präklusion nach § 767 II; Gaul, FS Nakamura, 137, 165; jüngst Staudinger (FS Kollhosser I, 347ff.), der aufzeigt, dass im Rahmen einzelner EG-Richtlinien § 767 II ZPO auch so ausgelegt werden muss und dass dies eventuell zu einer Ausweitung auch auf die sonstigen Gestaltungsrechte führen könnte. 473 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 74. 474 Zutreffend Berger, S. 170.

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halt feststeht. Dann müsste noch zu diesem Punkt die Klage als unzulässig abgewiesen werden, weil mangels Begründetheit des Klagebegehrens die Zustimmung nicht die Prozessführung deckte und somit die Klage von allen Gesellschaftern hätte erhoben werden müssen. Dieser Einwand ist zwar genau genommen zutreffend, jedoch wie bereits angedeutet etwas überspitzt. In der Tat wird zwar der Gesellschafter selten ausdrücklich die Ergebnisoffenheit seiner Ermächtigung hervorheben. Ihm geht es um die Erreichung des materiellen Ziels, darauf wird er sich auch in aller Regel beziehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass seine Zustimmung eine bedingte sei. Die Argumentation ist bereits im Ansatz verfehlt: Wenn die Einverständniserklärung des Gesellschafters auch die Prozessführung deckt, dann ist in ihr eine (eventuell zusätzliche) Prozessführungsermächtigung zu sehen, die in der Tat nur ergebnisoffen erteilt werden kann. Ob eine derartige Prozessführungsermächtigung möglich ist, wird nachstehend zu prüfen sein. Die Konstruktion der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren durch rechtsgeschäftliche Einverständniserklärung mag praktikabel erscheinen, dogmatisch ist sie nicht zu rechtfertigen. Wenn man mit der geschilderten Ansicht Ernst machte, müsste man auch in sonstigen Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft auf die Teilnahme am Verfahren der Personen verzichten können, die sich im Voraus mit dem Klageziel einverstanden erklärt haben. Das wird aber auf Klägerseite außerhalb des Gesellschaftsrechts soweit ersichtlich nicht vertreten, und das zu Recht, denn eine materiellrechtliche Bindung kann nicht die Wirkungen erzeugen, die einem Urteil durch Gesetz beigelegt werden. Die Mitwirkungskonstruktion der h.M. ist schon deswegen zweifelhaft, weil sie zunächst einige Umwege beschreiten muss, bevor das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann, wie Karsten Schmidt plastisch geschildert hat: »Zunächst muss die herrschende Meinung aus einer Mitwirkungspflicht, die das Faktum der Mitwirkung – also der Prozessbeteiligung als Kläger – schwerlich ersetzen kann, eine bloße Zustimmungspflicht machen und die nach § 894 ZPO nur noch fingierte Zustimmung zu einem Ersatz für die Mitwirkung am Prozess erklären«475. Man kann das als wünschenswert erscheinende Ergebnis auch nicht damit rechtfertigen, dass das Rechtsschutzziel auch durch einvernehmliches rechtsgeschäftliches Handeln in Form der Abgabe von Willenserklärungen erreicht werden kann. Es handelt sich um zwei alternativ bestehende Möglichkeiten der Herbeiführung der Gestaltung, die sich nicht miteinander vermengen lassen. Wird – aus welchen Gründen auch immer – der Klageweg eingeschlagen, dann müssen die Erfordernisse der Klageerhebung eingehalten werden. Allerdings schießt der Einwand über das Ziel hinaus, wenn eine materiellrechtliche Einverständniserklärung für ausreichend erachtet wird, werde der Sinn und Zweck des § 133 HGB konterkariert, im bewussten Gegensatz zu § 723 I 2 BGB ein 475

K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 85 (Hervorhebungen im Original).

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prozessuales Verfahren vorzusehen476: § 133 HGB beschreibt lediglich eine zulässige Alternative, eine offene Handelsgesellschaft aufzulösen. Ausdrücklich ist dies auch möglich durch Beschluss der Gesellschafter (§ 131 I Nr. 2 HGB) sowie durch Kündigung (arg. § 131 III Nr. 3, 4 HGB). Nach der HGB-Reform von 1998 führt zwar die Kündigung eines Gesellschafters mangels abweichender Bestimmung im Gesellschaftsvertrag nicht mehr automatisch zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters (§ 131 III 3 HGB). Der Gesellschaftsvertrag kann aber zusätzlich zur Auflösungsklage und zum Auflösungsbeschluss die Möglichkeit außerordentlicher Kündigung vorsehen, die die Auflösung zur Folge hat (sog. Auflösungskündigung)477. Daher ist auch nach der HGB-Reform nicht davon auszugehen, dass eine offene Handelsgesellschaft lediglich durch Gestaltungsurteil aufgelöst werden kann, so dass kein argumentum a contrario im Hinblick auf § 723 I 2 BGB gezogen werden kann. Abschließend kann ein Punkt aus der Diskussion der Frage, ob eine Klage zur Feststellung von Drittschuldverhältnissen zulässig ist478, für die hiesige Zustimmungsproblematik fruchtbar gemacht werden, unabhängig davon, ob die so genannten Feststellungsklagen über Drittschuldverhältnisse tatsächlich diese zum primären Streitgegenstand haben479: Bei der (vermeintlichen) Feststellung von Drittrechtsverhältnissen wird vereinzelt als Argument für die Zulässigkeit vorgebracht, dass anzunehmen sei, dass sich auch die Dritten, die nicht Parteien der Feststellungsklage sind, in ihrem Verhältnis zueinander dem Urteil beugen werden480. Dagegen hat sich Michaelis zu Recht gewandt, seine Einwände lassen sich ohne weiteres auch auf die Problematik der Zustimmung bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen übertragen: »Auf welchem prozessualen Wege soll auch festgestellt werden, ob der Dritte zustimmt? ... Wer gewährleistet, dass eine etwaige Anerkennung später nicht bestritten oder wegen Irrtums, veränderter Umstände und dergl. widerrufen wird? Gewiss bestätigt die Lebenserfahrung, dass die Menschen nicht alles bestreiten, was sie bestreiten können. Aber darin liegt schwerlich eine geeignete Grundlage für einen prozessualen Rechtssatz«481. Dieser Aussage kann voll und ganz zugestimmt werden, sie hat auch Gültigkeit für die hiesige Problematik: Die außerprozessuale Einverständniserklärung eines 476 H. Roth, FS Großfeld, 915, 921 mit Hinweis auf Ulmer, FS Geßler, 269, 277ff., der allerdings § 737 S. 2 BGB lediglich als materiellrechtliche Parallele des Erfordernisses der gemeinsamen Klageerhebung hinzuzog. 477 BGHZ 31 (1960), 295, 299f.; BGH, WM 1957, 1406, 1407; Baumbach/Hopt-Hopt, § 133 Rn. 18; Röhricht/v. Westphalen-von Gerkan, § 133 Rn. 24; K. Schmidt, GesR, § 52 IV d (S. 1519), sogar anstelle der Auflösungsklage, weil das Auflösungsrecht nicht beschränkt, sondern vereinfacht werde; Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 133 Rn. 48, 74. 478 Diese Problematik wird auch weiter unten relevant sein im Rahmen der Ermittlung der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach hiesiger Auffassung, S. 216ff. 479 Dazu, dass das Drittrechtsverhältnis nur als Vorfrage relevant wird und nicht zum eigentlichen Streitgegenstand der Gestaltungsklage gehört, s. weiter unten. S. 217. 480 RGZ 128 (1930), 92, 94. 481 Michaelis, FS Larenz II, 451, 460.

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Gesellschafters, insbesondere bei zutreffender materiellrechtlicher Einordnung, ist wegen ihrer vielfachen Beständigkeitsdefizite nicht geeignet, die klare gesetzliche Anordnung zur Teilnahme am Verfahren zu ersetzen. (b) Differenzierung je nach Parteirolle Es wurde bereits erwähnt, dass oft nicht gebührend berücksichtigt wird, dass die Gerichtsentscheidungen, die zur Begründung der These der Verzichtbarkeit der Teilnahme am Verfahren »kooperativer« Gesellschafter angeführt werden, zu Konstellationen ergangen sind, bei denen ein potentieller Streitgenosse auf der Passivseite die außerprozessuale Einverständniserklärung abgegeben hatte482. Dass die Ersetzung der Teilnahme am Verfahren auf Kläger- und auf Beklagtenseite nicht notwendig gleich beurteilt werden muss, zeigt sich auch daran, dass in der Literatur die Frage, ob auf Klägerseite die Teilnahme am Verfahren ersetzt werden kann, im Rahmen des § 140 HGB umstritten ist, während zu § 133 HGB (Ersetzung der Teilnahme auf Beklagtenseite) die entsprechende Frage weniger Widerspruch findet. Ulmer z.B. hat eine Gleichbehandlung von §§ 133 und 140 HGB bezüglich der Teilnahme aller Gesellschafter abgelehnt483: Seiner Ansicht nach liegt der Grund für das Erfordernis der Beteiligung aller Gesellschafter bei der Auflösungsklage in der Wahrung ihres Rechts auf rechtliches Gehör, um ihre Einwände gegen eine Auflösung, die sie selbst betreffen wird, vorbringen zu können484. Damit könne der Gesellschafter auf den zu seinem Schutz aufgestellten Grundsatz der Beteiligung Aller verzichten485. Bei der Ausschließungsklage sei jedoch der mit ihr verfolgte Zweck der Schutz des auszuschließenden Gesellschafters als Beklagten, und nicht der Schutz der Kläger. Damit könne ein Gesellschafter, der auf der Klägerseite stehen müsste, auch nicht auf die Beteiligung am Verfahren verzichten486. Die Parallele zur BGB-Gesellschaft zeige, dass der Ausschließungsklage als prozessualer Entsprechung der materiellrechtlichen Regelung des § 737 S. 2 BGB ein gemeinschaftlich auszuübendes Gestaltungsklagerecht zugrunde liege487. Und auch Schütz lehnt zwar eine Ersetzung der Verfah482

Darauf hatte bereits Serwe, S. 129, hingewiesen. Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 140 Rn. 32; Ulmer, FS Geßler, 269, 277ff. 484 So auch Wieser, JuS 2000, 997, 999. 485 Ulmer, FS Geßler, 269, 275; Wieser, JuS 2000, 997, 1000: »Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch zwanglos die Ausnahme, dass Gesellschafter, die zwar nicht selbst klagen, aber mit dem Klageziel einverstanden sind, nicht verklagt zu werden brauchen«; dagegen Roth, FS Großfeld, 915, 926. 486 Ulmer, FS Geßler, 269, 277. 487 Roth, FS Großfeld, 915, 921 im Anschluss an Ulmer, FS Geßler, 269, 277f. Allerdings wurde mittlerweile die Rechtsprechung zur Zustimmungspflicht im Rahmen des § 140 HGB auch auf den Ausschließungsbeschluss nach § 737 BGB übertragen, s. Erman-Westermann, § 737 Rn. 4; Mayer, BB 1992, 1497, 1498; MünchKomm-Ulmer, § 737 Rn. 3, 13; Palandt-Sprau, § 737 Rn. 3 (gestützt auf § 242 BGB); einschränkend Soergel-Hadding, § 737 Rn. 10 (Ausschluss auch der sich weigernden Gesellschafter). 483

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rensteilnahme durch Einverständniserklärung in den Fällen der §§ 117, 127, 140 HGB ab488, bejaht sie jedoch aus prozessökonomischen Gründen bei § 133 HGB, weil hier ein Individualklagerecht vorgesehen ist und die übrigen Gesellschafter das Urteil lediglich dulden müssen489. In der Tat ist die Ersetzung der Teilnahme am Verfahren auf Klägerseite durch materiellrechtliche Zustimmung sehr bedenklich: Das Gesetz sieht ausdrücklich eine gemeinsame Klageerhebung vor, um zu gewährleisten, dass ein Gesellschafter nicht leichtfertig mit einer Ausschließungsklage überzogen wird. Auch dient die Teilnahme aller Gesellschafter am Verfahren ihrer Bindung an die prozessualen Wirkungen des Urteils. Man mag diese gesetzliche Regelung für mehr oder weniger sinnvoll oder gar für impraktikabel halten, sie ist jedoch geschriebenes Recht, das sich nicht durch Dekretierung rechtspolitisch wünschenswerter Rechtsfolgen überwinden lässt490. Daher reichen Praktikabilitätserwägungen nicht aus, um die heutige Praxis zu rechtfertigen491, denn dogmatisch lässt sich bei materiellem Verständnis der Zustimmung die Ersetzung der Teilnahme am Verfahren auf der Klägerseite nicht rechtfertigen. Zutreffend ist auch der erwähnte Einwand von Ulmer, dass die gemeinsame Klageerhebung dem Schutz des beklagten auszuschließenden Gesellschafters dient, so dass es nicht auf den Willen der Kläger ankommen könne, am Verfahren teilzunehmen oder nicht. Eher kann auf die Beteiligung eines Gesellschafters auf der Beklagtenseite verzichtet werden. Zwar sollte richtigerweise auch hier diese Möglichkeit nur dann eröffnet werden, wenn eine prozessuale Bindung erzeugt wird, was bei einer materiellrechtlichen Zustimmung gerade nicht der Fall ist. Jedoch kann hier die Parallele zur Leistungsbereitschaft bei Leistungsklagen gezogen und eine teilnahmeersetzende Zustimmungserklärung zugelassen werden. Dieser Weg ist insbesondere dann eröffnet, wenn man der Gestaltungsklage mindestens ein materielles Gestaltungsklagerecht, gerichtet gegen die Beklagten, zugrunde legt. So gesehen wäre in der außerprozessualen materiellrechtlichen Zustimmung eine Erfüllung dieses Gestaltungsklagerechts zu sehen. (3) Ergebnis Durch eine rein rechtsgeschäftliche Zustimmungserklärung kann somit richtigerweise die vom Gesetz geforderte Teilnahme am Verfahren weder auf der Kläger-492 noch auf der Beklagtenseite493 ersetzt werden, da eine derartige Zustim488

Schütz, S. 156 Schütz, S. 157f. 490 Säcker, JZ 1967, 51, 53 zur Problematik der Klagerücknahme bei notwendiger Streitgenossenschaft. 491 S. auch Nickel, JuS 1977, 14, 18. 492 OLG Nürnberg, WM 1958, 710, 712; Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 140 Anm. 7; Hueck, § 29 I 2 c d (S. 443); H. Roth, FS Großfeld, 915, 920; Schlegelberger-K. Schmidt, § 140 Rn. 52 (wer nicht klagt, wird verklagt); K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 82, 90; Ulmer, FS 489

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mungserklärung keine prozessuale Bindungswirkung erzeugen kann. Eine gewisse Resignation in diese Richtung ist der Aussage zu entnehmen, man könne vom Erfordernis des gemeinsamen Prozesses absehen, »wenn sich die Nichtbeteiligten dem Prozessergebnis im Voraus unterworfen haben, so dass sie an die Entscheidung wenigstens schuldrechtlich gebunden sind«494. Diese Formulierung bringt das Problem genau auf den Punkt: Durch die außerprozessuale Einverständniserklärung kann lediglich eine schuldrechtliche Bindung erzeugt werden. Das bedeutet, dass – abgesehen von einer nur ausnahmsweise eintretenden Verwirkung sowie dem Ablauf von Anfechtungsfristen –, der Erklärende nicht endgültig und unabhängig z.B. von Willensmängeln an seine Willenserklärung gebunden ist. Die grundsätzliche Widerruflichkeit materiellrechtlicher Ermächtigungen analog § 185 BGB steht hier dagegen nicht im Wege, da sie richtigerweise ihre zeitlichen Grenzen am Eintritt der Gestaltung findet495. Das Hauptproblem liegt darin, dass eine schuldrechtliche Verpflichtung nur denjenigen Personen bindet, gegenüber denen sie eingegangen wurde: Unter sich verpflichten sich die Gesellschafter, sich so behandeln zu lassen, als ob die im Urteil festgestellte Rechtslage bestünde, falls diese nicht ohnehin schon so bestand496. Diese schuldrechtliche Wirkung inter partes stünde sogar im Widerspruch zu der gängigen Ansicht, dass eine inter-omnes-Wirkung bei Gestaltungsurteilen begriffsnotwendig sei, denn Dritte könnten von der schuldrechtlichen Verpflichtung zwischen den Gesellschaftern nicht erfasst werden. Nach geltendem Recht bleibt somit festzuhalten, dass prinzipiell alle übrigen Gesellschafter die Ausschließungsklage erheben müssen bzw. die Auflösungsklage gegen alle übrigen Gesellschafter erhoben werden muss. Darauf könnte nur verzichtet werden, wenn eine prozessuale Bindung an das Verfahren herbeigeführt werden kann. Im Hinblick auf die Ausschließungsklage hat dies Herbert Roth treffend formuliert: »§ 140 HGB (fordert) – wenigstens – eine der gemeinschaftlichen Klage der nicht auszuschließenden Gesellschafter gleichwertige prozessuale Entsprechung«497. Es kommt entweder die Rechtsfigur der gewillkürten Prozessstandschaft oder eine prozessuale Unterwerfung unter die künftigen Urteilswirkungen in Frage. Beide Rechtsfiguren sind darauf hin zu überprüfen, ob sie eine Ausnahme aus dem Grundsatz der gemeinsamen Klageführung rechtfertigen.

Geßler, 269, 278; – a.A. wohl BGH, ZIP 1997, 1919, da sowohl die Einstufung als gewillkürte Prozessstandschaft als auch als Unterwerfung unter die Urteilswirkungen verneint wurde. Somit bleibt lediglich die materiellrechtliche Deutung. 493 H. Roth, FS Großfeld, 915, 926. 494 Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 14 (Hervorhebung von Verf.). 495 S. weiter oben, S. 104. 496 Schütz, S. 168f. mit Hinweis auf Bork, ZGR 1991, 125, 137. 497 H. Roth, FS Großfeld, 915, 921. Zu seinem eigenen Lösungsvorschlag s. weiter unten, S. 155ff.

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ii. »Zustimmung« bzgl. des prozessualen Erfolges (1) Gewillkürte Prozessstandschaft Wenn Personen, die Rechtsinhaber und damit prozessführungsbefugt sind, die gerichtliche Geltendmachung ihrer Rechte anderen Personen überlassen, kommt die prozessuale Rechtsfigur der gewillkürten Prozessstandschaft in Betracht. Das gilt auch für die hier besprochenen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen. Wie bereits aufgezeigt, kann eine materiellrechtliche Einverständniserklärung nicht dem Erfordernis der Teilnahme am Gestaltungsklageverfahren genügen, so dass die Rechtsfigur der Prozessstandschaft die einzige dogmatische Erklärung für die Konstruktion der Rechtsprechung darstellen könnte, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind498. In der Tat ist die heutige Praxis nur zu begründen, wenn eine Art Prozessstandschaft vorliegt499. Auch der Bundesgerichtshof sprach früher von einer Klageerhebung in Prozessstandschaft500, ohne jedoch diese Aussage näher zu begründen bzw. zu präzisieren. Vielmehr hatte sowohl der Bundesgerichtshof als auch die ihm folgenden Literaturstimmen501 stillschweigend auf die Prüfung der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen der gewählten Rechtsfigur verzichtet. Indessen ging es der Sache nach nie um das Institut der gewillkürten Prozessstandschaft, sondern dieser Begriff hatte wohl lediglich dazu gedient, die Verlegenheit der dogmatischen Erklärung des praktisch wünschenswerten Ergebnisses (Erleichterung der Klageerhebung) zu verdecken. Später wies der BGH ausdrücklich darauf hin, dass durch die Zustimmung keine Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft stattfinde502, und zwar bemerkenswerterweise ohne Bezugnahme auf die früheren Urteile sowie auf die entsprechenden Stimmen in der Literatur. Die an Stelle der gewillkürten Prozessstandschaft als Begründung vorgeschlagene Verlegenheitsfloskel der Prozessökonomie schnitt die Praxis von jeglicher dogmatischen und systematischen Begründung ab. Aus diesem Grund kann trotz der Beteuerung des BGH, dass keine Prozessstandschaft vorliegt, nicht auf eine Untersuchung der Zulässigkeit dieser Rechtsfigur verzichtet werden. Entgegen der bisher üblichen Sichtweise muss auch hier danach differenziert werden, ob die Prozessstandschaft auf Klägeroder auf Beklagtenseite stattfinden soll. Als erste soll die einfachere Spielart ge-

498

Ulmer, FS Geßler, 269, 278f. Berger, S. 170f.: Rechtsfortbildung praeter legem (zur Auflösungsklage); Heymann-Emmerich, § 140 Rn. 25; Kollhosser, NJW 1976, 144; Merle, ZGR 1979, 67, 68; Pabst, BB 1978, 892; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 70; a.A. Holtkamp, S. 63ff.; Röhricht/v. Westphalen-von Gerkan, § 117 Rn. 11, § 127 Rn. 6; Serwe, S. 131ff. (zur Entziehungsklage). 500 BGHZ 64 (1975), 253, 259; bestätigt in BGHZ 68 (1977), 81, 83. 501 S. Belege in Fn. 499. 502 BGH, ZIP 1997, 1919. 499

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prüft werden, dass die Prozessführung in Prozessstandschaft auf der Klägerseite stattfinden soll. (a) Auf der Klägerseite Problematisch erscheint bereits, ob Gestaltungsklagen überhaupt in Prozessstandschaft erhoben werden können. Insbesondere macht sich die h.M. auch hier mit der Verneinung eines subjektiven privaten Gestaltungsklagerechts selbst Schwierigkeiten503. Allerdings wird heute überwiegend angenommen, dass auch Gestaltungsklagen in Prozessstandschaft erhoben werden können, solange das Gestaltungsklagerecht wenigstens zur Ausübung überlassen werden kann504. Henckel stellt bei den Gestaltungsklagen, deren Urteil »unmittelbar verfügend in die Rechtsstellung des aktiv an dem gestalteten Rechtsverhältnis Beteiligten eingreift«, d.h. verfügungsähnliche Wirkung entfaltet, auf die Übertragbarkeit der Verfügungsbefugnis ab505. Berger hat diese Aussage erweitert, um auch die Fälle zu erfassen, in denen keine verfügungsähnliche Wirkung erzeugt wird: Die Erhebung einer Gestaltungsklage in Prozessstandschaft sei prinzipiell möglich, wenn der Prozessstandschafter in einer Rechtsbeziehung stehe, die die Fremdausübung rechtfertige506. Entgegen Ulmer wird durch eine Prozessstandschaft bei Gestaltungsklagen nicht die systemimmanente Entscheidungsfreiheit für oder gegen die Gestaltung gefährdet507, da die Prozessführungsermächtigung die Entscheidung für die Gestaltung ausdrückt und lediglich ihre Herbeiführung dem Prozessstandschafter überlässt. 503 Mit dieser Begründung verneinte z.B. Roquette, DRZ 1949, 481, 483 die Möglichkeit der gewillkürten Prozessstandschaft bei Gestaltungsklagen. Allerdings war seine Schlussfolgerung, dass sonst auch die Erhebung der Ehescheidungsklage in gewillkürter Prozessstandschaft möglich sein müsste, nicht korrekt, da hier der höchstpersönliche Charakter des Gestaltungsklagerechts entgegen stehen würde. 504 Z.B. Henckel, Parteilehre, S. 115; Rosenberg, § 45 II 2c (S. 196); Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 62; LG Saarbrücken, NJW-RR 1992, 781, 782: gewillkürte Prozessstandschaft bei jeder Klageart, auch bei Gestaltungsklagen. Die Ermächtigung könne auch stillschweigend erfolgen, müsse jedoch in der Regel nach außen hin erteilt werden. Ein internes Einverständnis genüge nicht, s. BGH, NJW 1985, 2825, außer der Prozessstandschafter hat sowieso (zusätzlich) kraft Gesetzes Einzelprozessführungsbefugnis, wie z.B. im Fall des § 1011 BGB. Etwas anderes soll nur bei der stillen Sicherungszession gelten, wo eine gewillkürte Prozessstandschaft des Zedenten angenommen wird ohne Ermächtigung nach außen, z.B. BGH, NJW 1989, 1933; kritisch Grunsky, FS BGH, 109, 114ff., der die Offenlegung der Ermächtigung nicht für notwendig hält, da das ergangene Urteil den Rechtsinhaber nur binden wird, wenn tatsächlich die Voraussetzungen für die Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft vorlagen, was durch das erste Urteil sowieso nicht rechtskräftig festgestellt werden könne und in einem eventuellen zweiten Prozess erneut überprüft werde. 505 Henckel, Parteilehre, S. 115; ihm folgend Schlosser, S. 321ff., der allerdings – anders als Henckel – nicht auf die Möglichkeit der Prozessstandschaft eingeht, sondern lediglich auf die Frage, ob bei der Gesamthand auch ein Einzelner allein klagen kann. 506 Berger, S. 166, 168. 507 Ulmer, FS Geßler, 269, 278.

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Der Gestaltungscharakter der hier untersuchten Klagen steht somit der Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht grundsätzlich entgegen. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Voraussetzungen für eine Prozessführung aus fremdem Recht im eigenen Namen erfüllt sind. (i) Ermächtigung. Als erste Voraussetzung muss überhaupt der Wille zur Ermächtigung vorliegen, die durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Berechtigten erfolgt508. Es handelt sich um eine Prozesshandlung509. Dabei muss man sich mit der Verfahrensführung allgemein einverstanden erklären, nicht lediglich mit dem Klageziel510. In der Regel wird sich der Gesellschafter mit dem materiellrechtlichen Ziel einverstanden erklären, ohne Erwähnung einer prozessualen Ermächtigung. Allerdings kann die prozessuale Ermächtigung auch konkludent in der materiellrechtlichen Zustimmung liegen. Zum Teil wird sogar die Möglichkeit einer isolierten Prozessführungs- ohne entsprechender materieller Ermächtigung verneint511. Die beiden Ermächtigungen sind zwar rechtlich zu trennen, können jedoch auch in einem erteilt werden, dann kann der Prozessstandschafter Leistung an sich verlangen512. Der Umfang der Ermächtigung ist durch Auslegung zu ermitteln, oft wird eine umfassende Ermächtigung erteilt513. Es liegt auch kein Problem vor im Hinblick auf die Voraussetzung der Ergebnisoffenheit der Ermächtigung514. Es wurde zwar eingewandt, dass bei Umdeutung der Zustimmung des Gesellschafters z.B. zum Ausschluss eines anderen Gesellschafters in eine Ermächtigung zur Prozessführung, diese bedingt für den Fall der erfolgreichen Klage erteilt wäre. Eine derartig bedingte Prozessführungsermächtigung sei jedoch nicht zulässig. Zum einen würde die Bedingung nicht im Rechtsverhältnis Rechtsinhaber/Ermächtigter eintreten, zum anderen würde bei Nicht-Eintritt nachträglich dem gesamten Verfahren die Grundlage entzogen. Allerdings ist dieser Einwand – wie bereits dargelegt wurde – überspitzt. Wenn man in der Zustimmung des Gesellschafters auch eine Prozessführungsermächtigung sieht, dann wird diese ergebnisoffen sein, auch wenn der Gesellschafter dies nicht ausdrücklich erwähnt. Trotzdem ergibt sich im Hinblick auf die Ermächtigung noch eine Frage, die sich bislang soweit ersichtlich keiner der Befürworter des Modells der gewillkürten Prozessstandschaft gestellt hat. Es muss nämlich be508

Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 60. S. nur BGH, NJW 1989, 1932, 1933; Wieser, S. 121; a.A. Lüke, ZZP 76, 1, 30: mit der materiellrechtlichen Ermächtigung ist im Zweifel auch die Übertragung der Prozessführungsbefugnis verbunden; Grunsky, Veräußerung, S. 179 und dort Fn. 252. 510 Berger, S. 171. 511 Stathopoulos, S. 135; ähnlich Enneccerus/Lehmann, § 79 und dort Fn. 28, der allerdings nicht wie Stathopoulos die Unzulässigkeit, sondern die Unbegründetheit der Klage folgert. 512 Henckel, FS Larenz, 643, 645; Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 63. 513 Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 63 m.Nachw. 514 S. weiter oben, S. 106. 509

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stimmt werden, wer konkret Prozessstandschafter des fernbleibenden Gesellschafters wird, wenn mehr als ein Gesellschafter die Klage erheben. Man wird nicht so weit gehen können bzw. wollen, eine kollektive Prozessstandschaft aller aktiv klagenden Gesellschafter anzunehmen, denn damit würde man die strikte theoretische Trennung der einzelnen Prozessrechtsverhältnisse aufgeben und sich einem Mehrparteienprozess nähern. (ii) Verfügungsbefugnis. Das nächste Problem ergibt sich im Hinblick auf eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft, nämlich die Verfügungsbefugnis515. Um ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu einem Erfinderbenennungsrecht zu zitieren: »Die seinem Wesen entsprechende Unübertragbarkeit eines Rechts kann nicht auf seinen sachlichen Bereich beschränkt werden, da die Möglichkeit, seine gerichtliche Geltendmachung einem Dritten im eigenen Namen zu überlassen, dazu im Widerspruch stünde. Der Ermächtigte tritt bei der Prozessstandschaft wie ein Rechtsinhaber auf. Bereits das verträgt sich nicht mit dem Wesen eines höchstpersönlichen Rechts. Es ist unwesentlich, ob die Bekl. ein eigenes Interesse im Sinne eines Rechtsschutzinteresses an der Rechtsverfolgung ... hat. Diese Voraussetzungen ... müssen in jedem Falle einer Prozessstandschaft darüber hinaus vorhanden sein«516. Bei der Frage nach der Verfügungsbefugnis ist zu unterscheiden zwischen der Verfügung über den Gesellschaftsanteil im Ganzen und der Übertragung einzelner Befugnisse aus der Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft an sich ist selbst in der Personengesellschaft nicht ein grundsätzlich unübertragbares Recht. Um die Mitgesellschafter zu schützen, muss jedoch ihre Übertragung im Gesellschaftsvertrag zugelassen sein, oder es müssen ihr die übrigen Gesellschafter zustimmen517. Bei der Frage nach der Ausübung des Ausschließungsrechts geht es jedoch nicht um die Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils selbst, sondern die Befugnis, die Ausschließung eines Mitgesellschafters zu verlangen, entspringt lediglich dem Mitgliedschaftsrecht der Gesellschafter. Damit ist die Frage, ob die Ausübung einzelner Befugnisse aus dem Mitgliedschaftsrecht übertragen werden darf. Dem steht das Abspaltungsverbot entgegen, das eine Trennung der Mitgliedschaftsrechte von der Mitgliedschaft verbietet, mit

515 MünchKommZPO-Lindacher, vor § 50 Rn. 64; Ulmer, FS Geßler, 269, 279; Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 140 Rn. 32; Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 60. Auch im Verwaltungsrecht wurde eine Verpflichtungsklage auf Änderung des gemeinsamen Ehenamens, die nur von einem Ehegatten erhoben wurde, abgewiesen, obwohl die Ehefrau und die Tochter mit der Prozessführung seitens des Mannes einverstanden waren. Das BVerwG verneinte die Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft, weil das Namensrecht ein höchstpersönliches Recht sei, BVerwG, NJW 1983, 1133 mit Verweis auf BGH, MDR 1978, 1019 (Anspruch auf Erfinderbenennung). 516 BGH, MDR 1978, 1019f. 517 S. nur K. Schmidt, GesR, § 45 III 2 b (S. 1322f.) m.Nachw.

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Ausnahme bereits entstandener vermögensrechtlicher Ansprüche518. »Die Verwaltungsrechte sind ... mit dem Gesellschafteranteil notwendig verbunden und können von ihm nicht losgelöst und selbständig übertragen werden«519. Ausgeschlossen ist unter anderem die isolierte Übertragung von Stimmrechten, Klagrechten, Informationsrechten auf ein Nichtmitglied520, sowie – außerhalb positiver gesetzlicher Regelung wie z.B. in § 129 III AktG – die Ermächtigung zur Ausübung dieser Rechte im eigenen Namen521. Damit ist zwar nicht das Mitgliedschaftsrecht an sich höchstpersönlich, man kann jedoch sagen, dass seine Ausübung eine höchstpersönliche und somit unübertragbar ist, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht522. In diesem Sinne ist z.B. die Aussage zu verstehen, der für die gewillkürte Prozessstandschaft geforderten Einräumung materieller (Allein-) Verfügungsbefugnis über das eingeklagte Recht stünde »grundsätzlich (der) höchstpersönliche Charakter der Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter entgegen, der ihre Übertragung oder ihre Überlassung zur Ausübung nicht nur an einen Dritten, sondern regelmäßig auch an einen Mitgesellschafter hindert«523. Die fehlende Verfügungsbefugnis über das Ausschließungsrecht kann auch nicht durch die Zustimmung des beklagten Gesellschafters ersetzt werden, wie dies Ulmer vorschlägt524, denn die Zustimmung (nur) des auszuschließenden Gesellschafters kann nicht zur Übertragbarkeit der Ausübung einzelner Mitgliedschaftsrechte und demnach auch nicht zur Bejahung der Verfügungsbefugnis und damit zur Zulässigkeit der Prozessstandschaft führen. Entgegen Ulmer525 verbietet das Abspaltungsverbot allerdings lediglich die isolierte Übertragung der Befugnisse aus der Mitgliedschaft an Nichtgesellschafter – einer Überlassung zur Ausübung unter den Gesellschaftern selbst steht es

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K. Schmidt, GesR, § 19 III 4 a (S. 560). BGHZ 3 (1951), 354, 357. 520 Vgl. mit sehr unterschiedlichen Begründungen BGHZ 3 (1951), 354, 357; BGH, NJW 1987, 780; Flume, Personengesellschaft, § 14 IV (S. 220f.); Huber, S. 50ff.; Wiedemann, Übertragung, S. 283ff.; Teichmann, S. 221ff.; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 396f. 521 BGH, JZ 1952, 114 mit zust. Anm. Hueck; Staudinger-Schilken, vor § 164 Rn. 72; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 401f. 522 Staub-Fischer, GroßKomm HGB3, § 109 Anm. 7, 19; Hueck, § 18 III 3 (S. 270); Schlegelberger-Martens, § 109 Anm. 14; Ulmer, FS Geßler, 269, 279; Westermann, Hdb. Teil I (Neubearbeitung) Rn. 490; gegen die Bedenken insbesondere Ulmers bezüglich der Verfügungsbefugnis Merle, ZGR 1979, 67, 68f., weil der höchstpersönliche Charakter des Ausschlussrechts nicht hindere, die Ausübung dieses Rechts den Mitgesellschaftern zu überlassen. 523 Ulmer, FS Geßler, 269, 279; – Allerdings hat Staub-Ulmer (GroßKomm4, § 109 Rn. 28) mittlerweile eingeräumt, dass eine Überlassung zur Ausübung an Dritte dann nicht dem Abspaltungsverbot entgegensteht, wenn »die Mitgesellschafter zustimmen und die abgeleitete Natur des zur Ausübung überlassenen, weiterhin der Disposition des überlassenden Gesellschafters unterliegenden Rechts außer Frage steht«. 524 Ulmer, FS Geßler, 269, 279. 525 Fn. 548. 519

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nicht entgegen526. Es wird zugelassen, dass die vertretungsberechtigten Gesellschafter den nicht vertretungsberechtigten Gesellschafter ausdrücklich zur Klageerhebung ermächtigen527, eine derartige Prozessführungsermächtigung kann auch bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten sein. Dies wird sogar für die Fälle der §§ 117, 127, 140 HGB zu empfehlen sein, um eine Weigerung der Teilnahme am Verfahren wegen Kostenerwägungen vorzubeugen528. Für die Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft reicht es schon aus, wenn der Gesellschaftsvertrag die Ausübung von Gesellschaftsrechten durch die Mitgesellschafter zulässt529. Zu weit geht allerdings das VG Berlin, das die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage in gewillkürter Prozessstandschaft ablehnt, weil § 42 VwGO die Verletzung eigener subjektiver Rechte vorsieht und ein wirtschaftliches Interesse an der Prozessführung nicht ausreiche530. Die Verletzung eigener Rechte als Voraussetzung für eine gewillkürte Prozessstandschaft zu machen, ist widersinnig, denn wenn eigene Rechte verletzt werden, handelt es sich um die reguläre Prozessführungsbefugnis. Damit wäre eine gewillkürte Prozessstandschaft in keinem Fall möglich. Erforderlich ist lediglich ein eigenes berechtigtes (schutzwürdiges) Interesse an der Prozessführung in Prozessstandschaft. Insofern ist dem VG Recht zu geben, dass ein wirtschaftliches Interesse an der Prozessführung nicht ausreicht. Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Klageführung steht § 42 II VwGO einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht im Wege. (iii) Schutzwürdiges Interesse. Nach überwiegender Meinung wird ein schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an eigener Prozessführung gefordert531. Aus der wirksamen materiellen Ermächtigung könne dieses Interesse nicht hergeleitet werden, da sonst diese Voraussetzung ihre Schutzfunktion für den Gegner verlieren würde532. Allerdings hat der BGH neuerdings beiläufig – gleichwohl ohne ausdrückliche Nennung der Problematik des rechtlichen Interesses – bemerkt, dass »nur durch die rechtliche Möglichkeit, die Klage zu erheben, ... die Einziehungsermächtigung die ihr zukommende Bedeutung (erlangt)«533, so dass an sich kein weiteres Interesse an der Klageerhebung gefordert werden sollte. Es spricht in der Tat einiges gegen das Erfordernis eines besonderen Interesses des Ermäch526

Teichmann, S. 225; a.A. Huber, S. 54. BGH, NJW 1988, 1585, 1586f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1985, 1000 (Weigerung der Klageerhebung nur wegen des Kostenrisikos); dazu ablehnend Diederichsen, EwiR 1985, 765f. 528 Schütz, S. 187; – offensichtlich anhand eines Druckfehlers bezieht er sich zwar unter anderem auf § 120 BGB, gemeint ist aber offensichtlich § 127 HGB. 529 Ulmer, FS Geßler, 269, 279. 530 VG Berlin, ZOV 2000, 277. 531 Seit RGZ 91 (1918), 390, 396ff. 532 OLG Oldenburg, NdsRpfl. 1979, 36; LG Berlin, NJW 1967, 397, 398; Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 64; Staudinger-Schilken, vor § 164 Rn. 68 zur Vermeidung von Missbrauch. 533 BGH, ZIP 2002, 1462, 1464. 527

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tigten534. Insbesondere ist Rüßmann Recht zu geben, dass die Diskussion um die Frage der Klagebefugnis im Zusammenhang mit einer materiellen Ermächtigung »unter einer kaum vorstellbaren Begriffsverwirrung (leidet)«535. Zu Unrecht nehme man Rekurs auf das Rechtsschutzbedürfnis »als einem bewährten Rettungsanker. Das Rechtsschutzbedürfnis wird einmal mehr einem ungelösten Problem des Zivilprozesses zum Unterschlupf«536. Trotz dieser Bedenken entspricht es heute gefestigter Rechtsprechung, ein besonderes Interesse des Prozessstandschafters an der Rechtsverfolgung zu fordern537. Daran soll hier festgehalten werden, insbesondere da sich im hier besprochenen Fall der Ausschließungsklage in der Praxis keine Probleme ergeben. Der klagende Gesellschafter ist von der Ausschließung eines Mitgesellschafters persönlich betroffen, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern in seiner rechtlichen Position als Gesellschafter, da die Zusammensetzung in der Personengesellschaft ihre Grundlagen betrifft538. Damit würden sich im Hinblick auf das eigene schutzwürdige Rechtsverfolgungsinteresse des klagenden Gesellschafters keine Probleme ergeben. Anders wäre dies jedoch in dem Fall, dass ein Dritter, der nicht selbst Gesellschafter ist, gewillkürter Prozessstandschafter werden soll. Diese Frage hat freilich eher akademischen Wert, weil bereits das Abspaltungsverbot entgegenstünde539, wird jedoch zur Abrundung angerissen. Sie ist im Recht der Personenhandelsgesellschaften restriktiver zu handhaben als bei den Kapitalgesellschaften, da hier der Gesellschaftsanteil und nicht der Gesellschafter im Vordergrund steht. Einige relevante Ausführungen finden sich im Aktienrecht zur Frage, ob bei Verlust der Aktionärseigenschaft eine bereits erhobene Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nach § 265 fortgeführt werden kann. Im früheren Schrifttum wurde dies verneint und ein Verlust des Prozessführungsrechts angenommen540. Neuerdings wird zumindest für die Anfechtungsklage eine Anwendung des § 265 befürwortet541. Der BGH hat § 265 bei der Abtretung des Geschäftsanteils in der GmbH angewandt542.

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Diederichsen, ZZP 76, 400, 420: Die Prozessführungsbefugnis bei Prozessstandschaft ist einfach die Folge einer allgemeinen sachlichen Befugnis zur selbständigen Geltendmachung fremder Rechte; Henckel, FS Larenz, 643, 654f.; Larenz; Schuldrecht I, § 34 V c (S. 600); Lüke, ZZP 76, 1, 29 wegen der dienenden Funktion des Prozessrechts; Rosenberg, JZ 1952, 137, 138; Rüßmann, AcP 172, 420, 523ff.; Schumann, FS Larenz, 571, 578f.; Stathopoulos, S. 130; Wieser, S. 117ff., insbes. 122. 535 Rüßmann, AcP 172, 520, 522. 536 Rüßmann, AcP 172, 520, 522. 537 BGHZ 125 (1995), 197, 199; BGHZ 119 (1993), 237, 242; BGHZ 108 (1990), 52, 56. 538 S. weiter oben, S. 34. 539 S. weiter oben, S. 145. 540 S. Nachweise bei BGHZ 43 (1965), 261, 266. 541 Hüffer, AktG, § 245 Rn. 8 m.Nachw. 542 BGHZ 43 (1965), 261, 267f.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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Interessant ist im Zusammenhang mit der hier gestellten Frage insbesondere die frühere Auffassung im Aktienrecht, die nach Verlust der Aktionärseigenschaft nicht einmal die Fortsetzung einer bereits erhobenen Anfechtungsklage gestattete. Vielmehr dürfte eine Prozessführung einer Person, die niemals Gesellschafter gewesen ist, unzulässig sein, erst recht in der Personenhandelsgesellschaft. Aus den sich im Vordringen befindlichen Ansichten zu § 265 im Kapitalgesellschaftsrecht lässt sich auch nicht zwingend das Gegenteil herleiten. Zum einen steht wie erwähnt in der Personenhandelsgesellschaft die Person des Gesellschafters im Vordergrund, zum anderen lässt sich die Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft durch eine außenstehende Person nicht ohne weiteres mit der bloßen Fortführung einer einmal begründeten Prozessführungsbefugnis vergleichen. In diesem Rahmen ist kurz ein Zitat aus einem BGH-Urteil zu erwähnen, dessen eingehende Untersuchung einem eigenen Beitrag vorbehalten sein soll. Obwohl es sich um einen Fall der Universalsukzession während einer Anfechtungsklage handelte, wird die Problematik einer Unterbrechung bzw. Aussetzung des Verfahrens nach §§ 239, 246 nicht einmal erwähnt, sondern die Anwendbarkeit des § 265 (!) geprüft und verneint. Der BGH stellt darauf ab, dass das Mitgliedschaftsrecht in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) mit dem Tod des Mitglieds nicht auf den Erben übergeht, sondern erlischt. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 265 heißt es: »Es geht daher nicht um die Fortführung eines in derselben Person einmal als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts begründeten Rechts nach Beendigung der Mitgliedschaft, sondern um die Frage, ob das erloschene Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsrecht von jemandem fortgeführt werden kann, der es nie besessen und auch nicht – im Wege der Universalsukzession – erworben hat. Dies ist zu verneinen«543. Diese Entscheidung ist wegen der besagten Ungenauigkeit nur unter recht großen Vorbehalten heranzuziehen. Jedoch scheint es dem BGH in der Sache darum gegangen zu sein, dass eine Person, die weder Gesellschafter ist noch früher war, nicht durch Ihre Prozessführung Einfluss auf die Rechtsbeziehungen auch der übrigen Gesellschafter nehmen sollte, insbesondere im Hinblick auf die inter-omnes-Wirkung des Anfechtungs- und Nichtigkeitsurteils. Dieser Grundgedanke lässt sich wiederum auf die Frage übertragen, ob eine Person, die nicht selbst Gesellschafter ist, ein schutzwürdiges Interesse haben kann, um eine Ausschließungs- oder Auflösungsklage in gewillkürter Prozessstandschaft zu erheben: das schutzwürdige Interesse wäre zu verneinen. Insgesamt ist die Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft – wenn überhaupt – nur durch Mitgesellschafter zuzulassen. (iv) Würde eine gewillkürte Prozessstandschaft das Problem lösen? Es stellt sich noch die grundsätzliche Frage, ob die Annahme einer gewillkürten Prozessstand543

BGH, ZIP 1999, 23.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

schaft bei der Ausschließungsklage überhaupt zu einem befriedigenden Ergebnis in der Form einer umfassenden prozessualen Bindung aller Gesellschafter führen würde. Im Hinblick auf die Rechtskraft des Ausschließungsurteils wäre tatsächlich Rechtssicherheit erzeugt. Man ist sich heute darüber einig, dass bei gewillkürter Prozessstandschaft eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsinhaber, der die Ermächtigung zur Prozessführung erteilt hat, stattfindet544. Damit wäre das Gestaltungsurteil prozessual gesichert545 und in dieser Hinsicht wäre nichts gegen die heutige Praxis einzuwenden. Allerdings ergibt sich bei dieser Konstruktion ein zusätzliches Problem: Die Ermächtigung zur Prozessführung muss bis zur letzten mündlichen Verhandlung fortbestehen546. Zu prüfen ist daher, ob und bis wann die Ermächtigung zurückgenommen werden kann. Materiellrechtliche Ermächtigungen nach § 185 BGB sind in der Regel frei widerruflich, nur die nachträgliche Genehmigung ist unwiderruflich547. Die Widerrufbarkeit der prozessualen Ermächtigung wird jedoch meist eingeschränkt. Bereits Hellwig nahm an, dass die Zustimmung zur Prozessführung »unwiderruflich (ist), sobald mit ihr der Prozess begonnen ist«548. Auch zu den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen wird teilweise angenommen, dass die Ermächtigung lediglich bis zur Klageerhebung und damit bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit widerrufen werden kann549. Im Regelfall der Kombination von materieller und prozessualer Ermächtigung wäre die materielle Ermächtigung auch während des Prozesses frei widerruflich, dies hätte jedoch auf die Zulässigkeit der Klage keine Auswirkung, da die prozessuale Ermächtigung weiterhin bestehen bliebe. Allerdings wäre die Klage ab dem Widerruf der materiellen Ermächtigung unbegründet, soweit Leistung an den Kläger begehrt wird. Der Klageantrag müsste vielmehr auf Leistung an den Rechtsinhaber umgestellt werden. 544 Unterschiedlich sind nur die Begründungen, z.B. nimmt Lüke, ZZP 76, 1, 30 eine Rechtskrafterstreckung kraft Vereinbarung an; nach Rüßmann, AcP 172, 420, 537f. ergibt sich die Bindung des Rechtsträgers unmittelbar aus § 325, der richtigerweise im Sinne des materiellen Parteibegriffs zu verstehen sei; a.A. Serwe, S. 139, weil die Gestaltungswirkung ohnehin für jeden Dritten eintrete. Für klageabweisende Urteile nimmt er eine Rechtskrafterstreckung an (S. 134). 545 Schütz, S. 187. 546 Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 133 Rn. 53. 547 S. weiter oben, Fn. 468f. 548 Hellwig, Lehrbuch, § 53 III (S. 531). 549 RGZ 164 (1940), 240, 242; wohl Baumbach/Hopt-Hopt, § 133 Rn. 13; Gottwald, JuS 1986, 715, 716f.; MünchKommZPO-Lindacher, vor § 50 Rn. 56 mit Verweis auf BGH, NJW-RR 1986, 158, wo allerdings von der jederzeitigen Rücknehmbarkeit der Ermächtigung die Rede ist, jedoch sei der Eigenklage des Rechtsinhabers der Einwand der Rechtshängigkeit bzw. der Rechtskraft entgegenzuhalten; Serwe, S. 135 und dort Fn. 1 unter der Prämisse, dass die Zustimmung der Gesellschafter eine Ermächtigung zur Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft darstellt; Rosenberg, § 45 II 2c (S. 196) allgemein für jeden Fall der Ermächtigung zur Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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Nach anderer Ansicht sind »Widerruf, Bedingungseintritt, Abtretung, Anfechtung usw. nach Rechtshängigkeit ... nicht ohne weiteres unwirksam, führen nach § 265 jedoch regelmäßig keinen Parteiwechsel im bereits schwebenden Prozess herbei«550. Das würde jedoch zur merkwürdigen Situation führen, dass derselbe (!) Gesellschafter nunmehr als gesetzlicher Prozessstandschafter des ehemals gewillkürten Prozessstandschafters handelt und den Prozess entgegen dem Interesse des Rechtsinhabers weiterführen könnte551. Erwägenswert ist eine analoge Anwendung von § 265 allenfalls für den Fall, dass der Rechtsinhaber die Forderung abtritt, zu deren Geltendmachung er den Prozessstandschafter ermächtigt hatte552. Jedoch geht es zu weit, § 265 auch im Fall des Rücktritts oder der Anfechtung der Ermächtigungserklärung analog anwenden zu wollen, denn dadurch wird deutlich, dass nach dem Willen des Rechtsinhabers der bisherige gewillkürte Prozessstandschafter gerade nicht mehr als solcher auftreten soll: Rücknahme und Anfechtung der Ermächtigung richten sich – anders als z.B. eine Veräußerung – gezielt gegen seine Prozessführungsmacht, während die ausnahmsweise erlaubte Übertragung der Mitgliedschaftsrechte553 neutral ist. Richtigerweise ergibt sich die Antwort auf die gestellte Frage aus der Rechtsnatur der Ermächtigung zur Prozessführung. Es handelt sich hierbei nämlich um eine Prozesshandlung554. Damit ist bereits geklärt, dass keine Anfechtung wegen Willensmängeln möglich ist555. Prozesshandlungen sind zwar nicht grundsätzlich unwiderruflich, Bewirkungshandlungen können jedoch nur begrenzt widerrufen werden, wo das Gesetz dies vorsieht – für die Prozessführungsermächtigung findet sich keine ausdrückliche Regelung. Zu erwägen ist eine analoge Anwendung von § 269 über die Klagerücknahme, so dass ein Widerruf der Prozessermächtigung ab dem Beginn der mündlichen Verhandlung an von der Einwilligung des Beklagten abhängt. Allerdings spricht gegen diese Konstruktion, dass eine Rücknahme analog § 269 im Verfahren zu erfolgen hätte, und zwar von einer Person (den Rechtsinhaber), die am Verfahren gar nicht teilnimmt. Richtigerweise ist daher mit Hellwig anzunehmen, dass die Prozessführungsermächtigung nur bis zur Klageerhebung widerrufen werden kann. 550 Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 62 mit Hinweis auf BGH, NJW 1989, 1932, wo es allerdings darum ging, dass die Forderung, für die der Zedentin und Klägerin die Ermächtigung zur Prozessführung erteilt worden war, von der Zessionarin weiter abgetreten worden war. 551 Vgl. dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 46 Rn. 49ff. 552 Wie dies der Fall war bei BGH, NJW 1989, 1932, s. Fn. 534. 553 Zur Unterscheidung der Übertragung des Mitgliedschaftsrechts insgesamt und der wegen des Abspaltungsverbots unzulässigen Übertragung einzelner daraus fließender Verwaltungsrechte s. weiter oben, S. 115. 554 S. weiter oben, S. 114. 555 Allg. M., s. statt aller Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 65 Rn. 46; a.A. insoweit nur Arens, S. 205ff., 119ff. bzgl. Geständnis, Anerkenntnis und Verzicht einerseits, Klageerhebung und Rechtsmitteleinlegung andererseits; dagegen Gaul, AcP 172, 342ff.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

(v) Zusammenfassung. Es ist festzuhalten, dass sich die heutige Praxis der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren einzelner Gesellschafter auf der Klägerseite – trotz der gegenteiligen Aussage des BGH – durchaus mit dem Modell der Ermächtigung zur Prozessführung in Prozessstandschaft erklären lässt, wenn die »Zustimmung« der Gesellschafter korrekt ausgestaltet wird. Insbesondere liegt kein Problem hinsichtlich des Abspaltungsverbots vor, da dieses nur eine Übertragung oder Überlassung zur Ausübung an Nichtgesellschafter verbietet. Allerdings kann die Prozessführungsermächtigung der dem Verfahren fernbleibenden Gesellschafter nicht pauschal an die klagenden Gesellschafter erteilt werden, sondern es müsste der eingesetzte Prozessstandschafter konkretisiert werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Formulierung des BGH, dass sowohl bei der Auflösungs- als auch bei der Ausschließungsklage »weder eine gewillkürte Prozessstandschaft auf der Klägerseite noch eine Unterwerfung einer Nicht-Prozesspartei unter die Gestaltungswirkung in Betracht käme«556, besonders unglücklich. Statt dessen sei die von der Rechtsprechung zur Auflösungsklage entwickelte Möglichkeit der außergerichtlichen Unterwerfung gleichwohl »im Interesse der Prozessökonomie als Ergebnis einer Rechtsfortbildung« zu begrüßen557. Es spreche »nichts dagegen, dem Gedanken der Prozessökonomie auch im Rahmen des § 140 HGB den Vorrang einzuräumen, zumal § 140 Abs. 1 HGB zwar von einem Recht der ›übrigen Gesellschafter‹ spricht, aber nicht ausdrücklich vorschreibt, wie die gemeinsame Wahrnehmung dieses Rechts sicherzustellen ist«558. In diesen Ausführungen ist in mehrfacher Hinsicht kein Fortschritt zu sehen, da ohne weitere Begründung eine dogmatisch tragfähige Konstruktion zugunsten von Praktikabilitätserwägungen aufgegeben wird. Das zeigt sich auch an der zur Rechtfertigung herangezogenen Grundlage: dem »Gedanken der Prozessökonomie«. »Prozessökonomie und Zweckmäßigkeit sind (aber) keine absolut vorrangigen Werte, die ihnen entgegenstehende Rechtsnormen derogieren, sondern Ordnungsprinzipien, die sich nur im Rahmen der bestehenden Normen durchsetzen«559. In der deutschen Rechtsordnung fehlt dem Richter die Legitimation, aufgrund rechtspolitischer Erwägungen Rechtsfortbildung zu betrei-

556

BGH, ZIP 1997, 1919 = NJW 1998, 146; dazu Lüke, FS Sturm, S. 1045ff. BGH, ZIP 1997, 1919, die Formulierung wurde übernommen von Schlegelberger-K. Schmidt, § 133 Rn. 46, s. allerdings K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 70 und dort Fn. 40, der diese Aussage anzuzweifeln scheint, indem er das Wort »muss« aus dem genannten Zitat mit einem Fragezeichen versehen hat: »Diese Unterwerfung muss (?) im Interesse der Prozessökonomie ... anerkannt werden«. – Nach Lüke, FS Sturm, 1045, 1051 erklärt sich die Konstruktion aus dem Gedanken, dass im Grunde genommen ein Auflösungsanspruch geltend gemacht wird. »Mit Prozessökonomie und richterlicher Rechtsfortbildung hat die zitierte h.M. ... nichts zu tun«. 558 BGH, ZIP 1997, 1919. 559 Säcker, JZ 1967, 51, 53. 557

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ben560. Eine Entscheidung contra legem bedarf besonderer, im Sinnganzen der Rechtsordnung gelegener Gründe, um ausnahmsweise gerechtfertigt zu sein. Dafür reicht nicht aus, dass dabei vielleicht eine sachgemäße oder praktikable Lösung erzielt würde – Zweckmäßigkeitsüberlegungen vermögen die richterliche Rechtsfortbildung nicht zu legitimieren561. (b) Auf der Beklagtenseite Zur Abrundung soll auf einen weiteren Aspekt hingewiesen werden, der die Tendenz deutlich macht, bei den Gestaltungsklagen die angewandten Lösungen nicht auf ihre Vereinbarkeit mit den prozessualen Grundsätzen zu überprüfen: Die Aussagen zur Ersetzung der Teilnahme am Verfahren durch außerprozessuale Zustimmungserklärung beziehen sich hauptsächlich auf die Ersetzung der Teilnahme auf der Beklagtenseite. Dabei wurde sowohl früher vom BGH als auch heute von den Literaturstimmen, die von einer Prozessführung in Prozessstandschaft sprechen, nicht thematisiert, dass die Zulässigkeit einer Prozessstandschaft auf Beklagtenseite nicht abschließend geklärt ist. So wird in der Lehre die Möglichkeit der Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft auf Beklagtenseite überwiegend abgelehnt, weil es am schutzwürdigen Eigeninteresse des Ermächtigten fehle562. Die Unzulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft auf Beklagtenseite wird teilweise über den Vergleich mit einer materiellrechtlichen Verpflichtungsermächtigung hergeleitet563, die als unzulässig erachtet wird564. Allerdings ist diese Parallele nicht ganz zutreffend: Während durch eine Verpflichtungsermächtigung dem Rechtsinhaber neue Pflichten auferlegt würden, die zuvor materiellrechtlich nicht bestanden, würde ein gegen den gewillkürten Prozessstandschafter ergangenes Urteil keine neuen materiellen Pflichten entstehen lassen, sondern – zumindest bei den Feststellungs- und Leistungsklagen – lediglich zu einer verbindlichen Feststellung der materiellen Rechtslage führen565. Der Prozessstandschafter auf Beklagtenseite wird durch die Prozessführungsermächtigung keinesfalls ermächtigt, neue Verpflichtungen einzugehen. 560

Langenbucher, S. 22ff. Larenz, S. 427, 428 am Beispiel der Zuerkennung der aktiven Parteifähigkeit der Gewerkschaften. 562 V. Brunn, S. 78ff.; Goldschmidt, Der Prozess, S. 329f. und dort Fn. 1681; Jauernig, ZPR, § 22 IV (S. 78); Schilken, ZPR, Rn. 275; Zöller-Vollkommer, vor § 50 Rn. 43; a.A. van Zwoll, S. 164ff., insbes. S. 196ff.; Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 56, wenn die Prozessstandschaft erkennbar und dem Prozessgegner zumutbar ist sowie eine Bindung des Rechtsinhabers besteht (entgegen früheren Auflagen). 563 V. Brunn, S. 79f.; Zöller-Vollkommer, vor § 50 Rn. 43. 564 BGHZ 114 (1992), 96, 100; BGHZ 34 (1961), 122, 125; Flume, Rechtsgeschäft, § 57 1 d (S. 905ff.); Palandt-Heinrichs, § 185 Rn. 3, 13; Staudinger-Schilken, vor § 164 Rn. 70 f. 565 Gegen diese Parallele auch Schütz (S. 72) mit Hinweis auf Hellwig (Anspruch, S. 211) und Sinaniotis (ZZP 79, 78, 84), weil der Zivilprozess der Rechtsvergewisserung diene. 561

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In der Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich bislang noch nicht grundsätzlich geklärt worden. Die wenigen Urteile, die zur Frage ergangen sind, betrafen nicht verallgemeinerungsfähige Sachverhalte, und es wurde darauf hingewiesen, dass jeweils eine Einzelfalllösung aufgestellt wurde. Im ersten Urteil des BGH war die Beklagte mit der gesamten Geschäftsbearbeitung von weiteren Versicherungsgesellschaften betraut, die laut dem Versicherungsvertrag zwischen Kläger und Beklagter Versicherer waren. Alle Erklärungen und Anzeigen waren an die Beklagte zu richten. Der BGH sah offensichtlich das hauptsächliche Problem bei der Prozessstandschaft auf der Beklagtenseite in den »Gefahren, die den Gläubigern des Prozessstandschafters aus einer möglichen Vollstreckung des Urteils gegen diesen erwachsen mögen«566. Im konkreten Fall hatte das Gericht nämlich keine Bedenken, da kein Anlass bestünde, daran zu zweifeln, dass die Rechtsinhaber (die Versicherungen) die der Beklagten durch Urteil auferlegte Zahlung gegebenenfalls selbst erbringen würden. Wenig später hat sich das OLG Frankfurt mit der Frage nach der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft auf Beklagtenseite befasst. Als Voraussetzung nahm der Senat an, dass auch der »wirkliche Schuldner« an das Ergebnis des Rechtsstreits gebunden ist567. Im konkreten Fall lag jedoch keine Ermächtigung des Rechtsinhabers vor, sondern lediglich eine Erklärung des Prozessstandschafters selbst, so dass eine Bindung des eigentlichen Schuldners an das Ergebnis des Rechtsstreits nicht zu rechtfertigen sei. Auf das vorgenannte Urteil des BGH könne nicht zurückgegriffen werden, weil die Beklagte (auch eine Versicherungsgesellschaft) einen eigenen umfangreichen Geschäftsbereich habe und nur ausnahmsweise für andere Versicherer tätig werde. Einige Jahre später hat sich der BGH erneut mit der Frage befasst und sie ausdrücklich offen gelassen: »Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten den Rechtsstreit als Prozessführungsermächtigte der Mutter geführt haben, so dass es der Prüfung, ob eine gewillkürte Prozessstandschaft auf Seiten der beklagten Partei überhaupt möglich ist ... nicht bedarf«568. Die obigen Ausführungen wurden zu Leistungsklagen gemacht. Die Frage ist, ob eine gewillkürte Prozessstandschaft auf der Beklagtenseite bei Gestaltungsklagen nicht erst recht zu verneinen ist. Z.B. kann hier tatsächlich eine Parallele zur unzulässigen Verpflichtungsermächtigung gezogen werden, denn der Zivilprozess dient hier – anders als bei den Feststellungs- und Leistungsklagen – der Änderung von Rechtsverhältnissen. Dies spräche gegen die Zulässigkeit der passiven gewillkürten Prozessstandschaft. Bei Anwendung der Grundsätze der vorgenannten Entscheidungen dagegen könnte man zur Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft auf Beklagtenseite gelangen: Wenn man die Zustimmung der 566 567 568

BGH, VersR 1977, 174. OLG Frankfurt, VersR 1982, 706. BGH, NJW 1983, 684, 685.

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fernbleibenden Gesellschafter als Prozessführungsermächtigung deuten darf, wird sie zu einer Bindung des Rechtsinhabers führen. Wenn eine derartige prozessuale Bindung gewährleistet ist, entfällt gerade bei den Gestaltungsklagen ein Problem der Leistungsklagen, nämlich die Ungewissheit des Erfolgs der zwangsweisen Durchsetzung der Forderung. Damit kann festgehalten werden, dass bei Gestaltungsklagen eine passive gewillkürte Prozessstandschaft nicht bereits per se unzulässig ist. Auch hier ist das Abspaltungsverbot zu beachten, so dass als Prozessstandschafter lediglich ein Mitgesellschafter in Frage kommt. Sonstige Bedenken entstehen jedoch nicht, solange die Rechtskrafterstreckung an den Rechtsinhaber gewährleistet ist. Damit kann das Modell der gewillkürten Prozessstandschaft auch für die Auflösungsklage fruchtbar gemacht werden. Voraussetzung ist auch hier die korrekte, ergebnisoffene Ausgestaltung der »Zustimmung« als Prozessführungsermächtigung sowie die Konkretisierung des Prozessstandschafters. (2) Unterwerfung unter die Urteilswirkungen Obwohl sich die Rechtsfigur der gewillkürten Prozessstandschaft als tragfähig erwiesen hat, ist auch der Aspekt der Unterwerfung unter die Urteilswirkungen zu behandeln. Diese Untersuchung drängt sich geradezu auf, da die heutige Praxis im Ergebnis auf eine Unterwerfung einer Nicht-Prozesspartei unter das Gestaltungsurteil hinausläuft569. Auch der BGH hat dies bestätigt. Erst heißt es zwar, dass bei §§ 133, 140 eine Unterwerfung eigentlich nicht in Betracht käme, weil es sich hierbei um Gestaltungsklagen handele. Gleichwohl sei eine Unterwerfung im Interesse der Prozessökonomie sowohl bei der Auflösungs- als auch bei der Ausschließungsklage zu bejahen570. Bei den in diesem Abschnitt behandelten Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts stellt sich die Problematik der Unterwerfung unter die Urteilswirkungen in doppelter Hinsicht, nämlich sowohl bezüglich der materiellen Rechtskraft des Auflösungs- oder Ausschließungsurteils als auch bezüglich der »Gestaltungswirkung«. Die Möglichkeit der Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft ist von Interesse wegen der Vorgaben von §§ 133, 140 HGB571: Sie sehen die Teilnahme aller Gesellschafter am Verfahren vor, um durch die erzeugte prozessuale Bindung Rechtsunsicherheit vorzubeugen. Wenn eine derartige prozessuale Bindung auch ohne Teilnahme am Prozess erzeugt werden kann, ist in der Tat nichts dagegen einzuwenden, dass einige Gesellschafter nicht am Verfahren teilnehmen. 569

Zu Recht Schlegelberger-K. Schmidt, § 133 Rn. 46; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 52 III

7c. 570

BGH, ZIP 1997, 1919. Die Frage nach der Zulässigkeit der Unterwerfung unter die prozessualen Urteilswirkungen eines Gestaltungsurteils stellt sich selbstverständlich auch außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsurteile. 571

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Zur Unterwerfung unter die Gestaltungswirkung finden sich im Schrifttum keine Ausführungen. So nimmt z.B. Wagner die Gestaltungswirkung ausdrücklich aus seiner Untersuchung aus572. Die Abwesenheit einer Diskussion zur Möglichkeit der Unterwerfung unter die Gestaltungswirkung eines Urteils ist nicht weiter verwunderlich, sie ist vielmehr eine Folge der gängigen Annahme, dass Gestaltungsurteile naturgemäß eine prozessuale Bindung inter omnes erzeugen. Die Problematik der Unterwerfung unter prozessuale Urteilswirkungen wird daher nur bezüglich der Rechtskraft diskutiert, was im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter schädlich ist, da nach hier vertretener Ansicht die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils lediglich auf seiner materiellen Rechtskraft beruht. Die (noch?) ganz h.M. lehnt eine vertragliche Erweiterung der subjektiven oder objektiven Grenzen der Rechtskraft ab573. Insbesondere könne die Möglichkeit der Parteidisposition über die Rechtskraft nicht aus der Privatautonomie abgeleitet werden, denn die Rechtskraft schneide die Anwendung der Instrumente des materiellen Rechts gerade ab574. Ausschlaggebend für die Ablehnung einer Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft soll der öffentlichrechtliche, prozessuale Charakter der Rechtskraft sein575. Neuerdings hat Wagner allerdings die Ansicht vertreten, dass Prozessverträge, die die Rechtskraftgrenzen erweitern, sogar dem »öffentlichen Interesse an kostengünstiger Zivilrechtspflege« dienen576. Er rechtfertigt die Unterwerfung unter die Rechtskraft im Sinne einer Präjudizialbindung mit der Beobachtung, dass dadurch die Parteien »lediglich denjenigen Zustand (herstellen), der einer materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie entsprechen würde«577. Ähnlich schrieb Jauernig früher, dass sich unter Zugrundelegung der materiellen Rechtskrafttheorie die Frage nach einer vertraglichen Rechtskrafterstreckung grundsätzlich erst gar nicht stelle578. Beides träfe jedoch nur dann zu, wenn nicht § 325 im Wege stünde, an dem auch die materielle Rechtskrafttheorie nicht vorbei kam bzw. kommt. Allerdings ist in Anbetracht der Bedenken, die gegen eine materiellrechtliche Rechtskrafttheorie sprechen579, fraglich, ob eine Parallele hierzu die Akzeptanz für die Unterwerfung unter die Rechtskraft fördert. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass sich die Figur der gewillkürten Prozessstandschaft in großer Nähe zur Unterwerfung unter die Rechtskraft befindet, denn auch sie basiert auf privatautonomem Handeln und führt trotzdem zu einer Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger580. Dagegen ist eingewandt worden, 572 573 574 575 576 577 578 579 580

Wagner, S. 711. S. nur Gaul, FS Zeuner, 317, 344; Jauernig, ZZP 64, 285ff.; neuerdings Jacoby, S. 69ff. Häsemeyer, ZZP 85, 207, 221. S. die Nachweise bei Wagner, S. 720. Wagner, S. 726. Wagner, S. 726 (Hervorhebung von Verf.). So z.B. Jauernig, ZZP 64, 285, 293. S. dazu weiter oben, S. 82. Goldschmidt, Der Prozess, S. 198: »Zustimmung« zur Prozessführung sei auch die nach-

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dass die Rechtskrafterstreckung nicht primäres Ziel der Prozessführungsermächtigung sei, sondern zwangsläufige Folge dieses Instituts, die auch gegen den Willen der Kontrahenten eintrete581. Dies trifft mit Sicherheit zu: Die Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsinhaber ist als Korrektiv, fast schon als der »Preis« für die Möglichkeit zu verstehen, einen Prozess durch eine andere Person führen zu lassen. Außerdem findet die Rechtskrafterstreckung hier auf den Rechtsinhaber statt, d.h. auf die Person, die sonst klagen müsste und daher sowieso an die Rechtskraft gebunden wäre. Somit kann aus der Möglichkeit der Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft nicht unmittelbar auf die Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Erweiterung der Rechtskraftgrenzen geschlossen werden. Wenn man die Zulässigkeit der Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft bejaht, stellt sich als nächste die Frage nach dem Ausmaß dieser Unterwerfung. Konkret fragt sich, ob eine Rechtskrafterstreckung stattfindet, die auch eine Vollstreckungsmöglichkeit eröffnet. Diesen Schritt machen auch die Verfechter einer Unterwerfung unter die Rechtskraft nicht. Vielmehr wird einschränkend eingeräumt, dass eine entsprechende Vereinbarung wegen des numerus clausus der Vollstreckungstitel (§ 794) sich nur auf die positive Bindungswirkung der Rechtskraft beziehen könne582; die Erweiterung der Vollstreckungsfunktion könne auch nicht durch Prozessvertrag zulässig sein583. Allerdings würde bei einer Unterwerfung unter die Rechtskraft kein neuer Titel außerhalb des § 794 geschaffen, es würde lediglich das Anwendungsfeld der §§ 727ff. erweitert, so dass aus dem vorhandenen Titel auch gegen andere Personen vollstreckt werden könnte. Bei den hier besprochenen Gestaltungsurteilen spielt eine derartige Einschränkung sowieso keine Rolle, da hier keine Zwangsvollstreckung im technischen Sinne stattfindet, denn die Bedeutung des Gestaltungsurteils liegt vielmehr in seiner positiven Bindungswirkung. Unter Zugrundelegung der Zulässigkeit einer Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft ist ferner zu untersuchen, ob die Zustimmung im Fall der Auflösungs- oder Ausschließungsklage überhaupt als Unterwerfung gedeutet werden kann. Dann muss ein entsprechender Prozessvertrag vorliegen, der auf die Unterwerfung gerichtet ist. Dabei ist als erstes zu beachten, dass Prozessverträge Verträge mit gewollter prozessrechtlicher Wirkung sind584, womit ein Problemträgliche Genehmigung; erst recht müsse die Unterwerfung unter die Rechtskraft durch Vertrag möglich sein; Wagner, S. 725; wohl Schiedermair, S. 111; – Lüke, ZZP 76, 1, 30 will das Institut der gewillkürten Prozessstandschaft sogar über die Möglichkeit der vereinbarten Rechtskrafterstreckung begründen. Zu Recht weist jedoch Rüßmann (AcP 172, 520, 534f.) darauf hin, dass sich die Vertragsparteien selten Gedanken über den Rechtskraftumfang eines möglichen Prozesses machen werden. 581 Jauernig, ZZP 64, 185, 302f. 582 Wagner, S. 721f.; vgl. zu Vollstreckungsverträgen, die gegen den Typenzwang in der Zwangsvollstreckung verstoßen Rosenberg/Gaul/Schilken, § 33 IV 1b (S. 515f.). 583 Wagner, S. 721. 584 Schiedermair, S. 42.

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punkt angesprochen ist, denn in der Regel erteilt der Gesellschafter seine Zustimmung zum materiellen Ziel, nämlich zur Auflösung der Gesellschaft oder zur Ausschließung eines Gesellschafters. Selbst wenn die Gesellschafter auch eine Klageerhebung vorhersehen, werden sie sich in den meisten Fällen kaum Gedanken über den Umfang der Rechtskraft machen585. Dieser Einwand entsteht jedoch lediglich aus der empirischen Beobachtung und kann durch entsprechende Gestaltung der Zustimmung entkräftet werden. Festzuhalten bleibt, dass sich die Ersetzung der Teilnahme am Verfahren zustimmender Gesellschafter durch eine Unterwerfung unter die prozessualen Urteilswirkungen dogmatisch begründen lässt, wenn man eine derartige Unterwerfung insgesamt für zulässig hält, wofür einiges spricht, und die Möglichkeit einer Unterwerfung mit der Folge der präjudiziellen Bindungswirkung bejaht586. In diesem Fall sollte darauf geachtet werden, die Zustimmung als entsprechenden Prozessvertrag auszugestalten, er wäre dann nicht widerrufbar, jedoch anfechtbar nach den materiellrechtlichen Grundsätzen über Willensmängel587. Auch auf diese Art könnte die Mitwirkungsproblematik innerhalb der Gesellschaft dogmatisch tragfähig erklärt werden. Für diejenigen Autoren, die eine Gleichstellung von Tatbestands- und Gestaltungswirkung befürworten, ist auch die heutige Praxis bei den Gestaltungsklagen leichter zu erklären, denn eine privatautonome Vereinbarung des Eintritts einer Tatbestandswirkung ist auf jeden Fall zulässig588. Dies ist auch nicht weiter zu beanstanden, da es sich bei der Tatbestandswirkung um keine Urteilswirkung handelt, schon gar nicht um eine prozessuale. Zwar kann eine Tatbestandswirkung auch auf einer prozessualen Entscheidungsnorm beruhen589, dadurch wird sie jedoch nicht zur prozessualen Urteilswirkung im herkömmlichen Sinne. Trotzdem würde diese Vorgehensweise an den Vorgaben der §§ 133, 140 HGB scheitern, denn sie kann gerade nicht die prozessuale Bindungswirkung erzeugen, die diese Vorschriften durch die Teilnahme aller Gesellschafter am Verfahren intendieren.

585 Rüßmann, AcP 172, 520, 534f. zur Frage, ob bei der gewillkürten Prozessstandschaft eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsinhaber kraft Vereinbarung angenommen werden kann (so der Vorschlag von Lüke, ZZP 76, 1, 30) 586 Es ist darauf hinzuweisen, dass auch die Unterwerfung unter die Urteilswirkungen eines Gestaltungsurteils nicht die Gestaltungswirkung heutiger Prägung ersetzen würde, denn gebunden werden können jedenfalls nur die Parteien der Unterwerfungsvereinbarung, nicht Dritte (Wagner, S. 450 zu den Musterprozessabreden). 587 S. eingehend Wagner, S. 293ff. 588 Gaul, FS Zeuner, 317, 323f., 341 m.Nachw. 589 S. Gaul, FS Zeuner, 317, 329f.

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iii. Folgerungen Die Teilnahme an einem gerichtlichen Verfahren kann demnach nicht durch eine materiellrechtliche Einverständniserklärung mit dem Klageziel ersetzt werden, insbesondere nicht in den Fällen notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen. Dies würde auch dem Sinn der notwendigen Streitgenossenschaft widersprechen, nämlich sicherzustellen, dass sich die materiellrechtliche Vorgabe der gemeinsamen Rechtsausübung im Verfahrensrecht wieder findet und gerade nicht, dass Einer den Prozess alleine führt. Wenn man hingegen eine außerprozessuale materielle Einverständniserklärung statt der Teilnahme am Prozess genügen lässt, dann müsste dies konsequent auch gelten, wenn keine Streitgenossenschaft vorliegt, denn auch bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen verlieren die Verfahren nicht ihre Eigenständigkeit. Wenn man den Grundsatz der Eigenständigkeit der Verfahren stringent anwendet, besteht kein Unterschied zu sonstigen Zweiparteienprozessen ohne notwendige Streitgenossenschaft. Das bedeutet, dass die Ersetzung der Teilnahme am Prozess durch materiellrechtliche außerprozessuale Einverständniserklärung unabhängig von einer notwendigen Streitgenossenschaft gelten müsste. Diese Konsequenz wird man – zu Recht – nicht ziehen wollen. In der Abgabe der rechtsgeschäftlichen Zustimmungserklärung kann man lediglich eine außerprozessuale schuldrechtliche Verpflichtungserklärung sehen, die keine prozessuale Bindungswirkung entfaltet, und somit nicht den Anforderungen von §§ 133, 140 HGB gerecht wird. Eine Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils käme in Frage und könnte ihrer Zielsetzung nach die Teilnahme am Verfahren verzichtbar machen, ohne die gesetzlichen Vorgaben zu untergraben. Bislang hat sich die Möglichkeit der Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft noch nicht durchgesetzt, jedoch ist die Entwicklung in diesem Bereich noch nicht als abgeschlossen anzusehen. Jedenfalls lässt sich trotz der gegenteiligen Aussage des BGH die heutige Praxis dogmatisch durchaus als Prozessführung in Prozessstandschaft begründen. Voraussetzung ist der erkennbare Wille zur ergebnisoffenen Prozessführungsermächtigung sowie die Konkretisierung der Person des Prozessstandschafters. Das Urteil wirkt Rechtskraft auch für und gegen den zustimmenden Gesellschafter, so dass die Vorgaben des § 140 HGB bzw. der §§ 117, 127 HGB erfüllt werden.

c. Erzwungene Mitwirkung auf der Klägerseite, Mitwirkungspflicht Nachdem untersucht wurde, unter welchen Umständen ein Fernbleiben einzelner Gesellschafter, die der Prozessführung zustimmen, vom Verfahren in Übereinstimmung mit den prozessualen Grundsätzen möglich ist, wird in Folge untersucht, ob auch eine erzwungene teilnahmeersetzende Mitwirkung möglich ist, die

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prozessual fundiert ist und auch den Anforderungen der §§ 140, 117, 127 HGB genügt. i. Die dogmatische Unhaltbarkeit der heutigen Verbindung von Ausschließungs- und Zustimmungsklage Nach h.M. kann die Zustimmung des Gesellschafters, der nicht am Verfahren teilnehmen will, durch Klage auf Abgabe einer Willenserklärung erzwungen werden, mit ihrer Rechtskraft gilt die Willenserklärung als abgegeben (§ 894). Bis zur Rechtskraft der Zustimmungsanordnung ist damit die Ausschließungsklage unzulässig, sie kann eigentlich erst danach erhoben werden, schon gar nicht dürfte eine Sachprüfung stattfinden, insbesondere da das Zustimmungsurteil nicht ex tunc wirkt590. Und aus einem anderen optischen Blickwinkel müsste der ganze Gestaltungsprozess im Rahmen des Zustimmungsprozesses vorweggenommen werden, da eine Zustimmungspflicht nur bestehen kann, wenn auch ein Gestaltungsklagegrund vorhanden ist591. Dieser Weg wäre langwierig und er würde zu einer erheblichen Verzögerung der Rechtsdurchsetzung führen. Aus diesem Grund gilt es seit BGHZ 68, 81ff. als zulässig, die Ausschließungsklage mit der Klage auf Zustimmung derjenigen Gesellschafter zu verbinden, die nicht auf der Klägerseite auftreten wollen592. Dabei verhält man sich in der Praxis, als würde die Zustimmung entgegen § 894 schon vor Erhebung der Gestaltungsklage ersetzt. Es handelt sich bei der Anmeldung von Bedenken gegen diese Praxis nicht um eine »logizistische Übertreibung«, wie dies Fischer für den entsprechenden Fall der Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis monierte593, denn es kann durchaus der Fall eintreten, dass das Gestaltungsurteil in Rechtskraft erwächst, während die Mitwirkungsklage noch in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist594. Wenn das Leistungsurteil auf Mitwirkung letztendlich keinen Erfolg hat, wird auf eine unzulässige Klage hin ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil ergangen sein595. 590

Aus diesem Grund gegen die Verbindung Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 140 Rn. 35. K. Schmidt, FS Beys, 1485, 1493. 592 BGHZ 68 (1977), 81, 83; offen gelassen in BGHZ 64 (1975), 253, 259; Kohler, NJW 1951, 5, 6; Koller/W.-H. Roth/Morck, § 140 Rn. 3; Mayer, BB 1992, 1497, 1499; dagegen Weipert, GroßKomm HGB2, § 117 Anm. 13: wenigstens vorläufig vollstreckbares Urteil erforderlich. 593 Fischer, NJW 1959, 1057, 1060; Staub-Fischer, GroßKomm HGB3, § 117 Rn. 19. 594 Der Hinweis Serwes, S. 139, dass Gestaltungsurteile ihre Gestaltungskraft erst mit Eintritt der Rechtskraft entfalten, ändert daran nichts. 595 Serwe, S. 139 nimmt dies hin, da seiner Ansicht nach der Gesellschafter, dessen Zustimmungspflicht verneint wurde, nicht von der Rechtskraft des stattgebenden Gestaltungsurteils erfasst wird. Da er jedoch an anderer Stelle annimmt, dass jedermann von der Gestaltungswirkung erfasst wird (S. 134), verweist er den Gesellschafter im Ergebnis lediglich auf Sekundäransprüche, die ihm ein schwacher Trost sein werden. 591

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Auch die umgekehrte Konstellation kann und ist auch bereits eingetreten. Es handelt sich um den Fall, der der Grundsatzentscheidung BGHZ 64 (1975), 253 zugrunde lag. Hier wurde die Ausschließungsklage abgewiesen, nachträglich wurde in der Revisionsinstanz die Zulässigkeit der in den Vorinstanzen abgewiesenen Anträge auf Zustimmung in die Ausschließung anerkannt. Leider ist dem in BGHZ abgedruckten Sachverhalt nicht unmissverständlich zu entnehmen, welche Streitgegenstände genau wie beschieden wurden. Tatsache ist, dass am Ende des Urteils erwähnt wird, dass nur noch die Mitwirkungsklage anhängig war596. Dem muss man entnehmen, dass die Ausschließungsklage rechtskräftig abgewiesen wurde und der Mitwirkungsklage erst zu spät stattgegeben werden konnte (nach der Rückverweisung zur Tatsachenaufklärung). Damit erwies sich das erste Urteil im Nachhinein als falsch, das nachträglich ergangene Zustimmungsurteil lieferte jedoch weder einen Nichtigkeits- noch einen Restitutionsgrund (§§ 579f.). Es müsste also erneut eine Ausschließungsklage erhoben werden. Die Rechtskraft des ersten Urteils wäre dadurch nicht tangiert, weil durch das nunmehr vorliegende Zustimmungsurteil eine neue Sachlage entstanden ist, so dass die zeitlichen Schranken der Rechtskraft eingreifen. Gleichwohl muss die doppelte Klageerhebung als unbefriedigend angesehen werden, da sie zu unnötiger Verzögerung sowie zu unnötigen Kosten führt. Der Bundesgerichtshof hat das Problem bei der Verbindung der zwei Klagen zwar abstrakt gesehen, jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der zur Zustimmung Verurteilte »dem Auszuschließenden unter Einlegung eines Rechtsmittels als Streithelfer beitritt (§ 66 ZPO)«597. Das rechtliche Interesse hierzu ergebe sich daraus, »dass sich das Ausschließungsurteil, auch wenn es ihm gegenüber keine Rechtskraftwirkung haben würde, mit seiner Gestaltungswirkung auf ihn auswirken und seinen Anspruch auf unveränderten Fortbestand der personellen Zusammensetzung der Gesellschaft beeinträchtigen würde«598. Selbst wenn man die Zustimmungsklage als eine Klage auf Abgabe einer Genehmigung i.S.d. § 185 BGB, die Rückwirkung entfaltet (§ 184 BGB), deuten wollte, wäre das Problem nicht gelöst, denn als materiellrechtliche Genehmigung wäre sie nicht geeignet, die Erfordernisse des § 140 HGB zu erfüllen599, als Genehmigung der Prozessführungsbefugnis könnte sie nicht erzwungen werden, weil dem die Dispositionsmaxime entgegenstünde600. Dieser Aspekt der zeitli596

BGHZ 64 (1975), 253, 259. BGHZ 68 (1977), 81, 85; dagegen Pabst, BB 1978, 892. 598 BGHZ 68 (1977), 81, 85; zu weiteren Möglichkeiten, die jedoch auch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen (Aussetzung nach § 148, aufschiebend bedingtes Ausschlussurteil, Analogie zu § 280), s. Grunewald, S. 105. 599 S. weiter oben, S. 102ff. 600 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 V 2 c (S. 631) und dort Fn. 241a zur Frage, ob zur Vermeidung der Präklusion der Ausübung von Gestaltungsklagerechten nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils ein Zwang zur Widerklage oder zur Klageerhebung in einem zweiten Prozess unter Aussetzung des ersten Prozesses angenommen werden kann. 597

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chen Priorität wird an dieser Stelle nicht weiterverfolgt601, insbesondere weil durch die Anwendung der Rechtsfigur der actio pro socio, die nachstehend entwickelt wird, auf die Ausschließungsklage die Möglichkeit besteht, ohne unnötige Verdoppelung der Klagen sowohl die Ziele des § 140 HGB zu respektieren als auch zu einer praktikablen Lösung zu gelangen. ii. Dogmatische Herleitung einer erzwungenen Mitwirkung Weiter oben wurde dargelegt, dass eine materiellrechtliche Einverständniserklärung ohne Prozessführungsermächtigung nicht geeignet ist, die vom Gesetz vorgeschriebene Teilnahme am Verfahren zu ersetzen. Aus diesem Grund kann auch die gerichtliche Erzwingung der Zustimmung nicht zu dem erwünschten Ergebnis führen, denn »die Fiktion einer Willenserklärung nach § 894 ZPO kann nichts bewirken, das nicht auch die Willenserklärung selbst bewirken könnte«602. Darüber hinaus ist jedoch zu prüfen, ob eine Pflicht zur prozessualen Mitwirkung aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht hergeleitet werden kann. Dazu muss erst ermittelt werden, ob überhaupt die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch die Pflicht beinhaltet, die Auflösung der Gesellschaft, den Ausschluss eines Gesellschafters oder den Ausschluss aus der Geschäftsführung oder Vertretung zu fördern, auch gegen seinen ausdrücklichen Willen. In zweiter Stufe muss dann geprüft werden, ob diese Pflicht zur materiellrechtlichen Mitwirkung (z.B. durch Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung) zu einer Pflicht auf prozessuale Mitwirkung verdichtet werden kann. (1) Mitwirkungspflicht bzgl. des materiellrechtlichen Ziels Die Frage, inwieweit aus dem Dauerrechtsverhältnis, das der Gesellschaft zugrunde liegt, überhaupt Vertragsänderungspflichten, z.B. zur Mitwirkung bei der Ausschließung eines Mitgesellschafters, erwachsen können, ist umstritten. Von gewichtigen Stimmen in der Literatur werden derartige Mitwirkungspflichten verneint603, jedoch ist mit der h.M. davon auszugehen, dass derartige Pflichten auf 601 S. z.B. den Vorschlag Merles, ZGR 1979, 67, 78ff., die Rechtskraft des Ausschließungsurteils bis zur Rechtskraft des Zustimmungsurteils in Analogie zu den §§ 280 II 2, 304 II ZPO aufschiebend zu bedingen; dagegen H. Roth, FS Großfeld, 915, 921 und dort Fn. 27, weil sich dieser Vorschlag zu sehr vom Gesetz entferne. 602 Schlegelberger-K. Schmidt, § 140 Rn. 45. 603 Flume, [Personengesellschaft, § 15 III (S. 275f.)] z.B. verneint überhaupt eine derartige Pflicht, weil dadurch die Personen-Bezogenheit der Personengesellschaft gestört werde; gegen eine Zustimmungspflicht zur Abänderung des Gesellschaftsvertrags entschieden auch Kollhosser, FS Westermann, 275, 284. Lüke möchte getrennt für jeden einzelnen Gestaltungsfall prüfen, ob auch eine Mitwirkungspflicht des Gestaltungsgegners besteht (JuS 1969, 301, 306), und verlagert somit das Problem auf die hier nicht zu untersuchende materiellrechtliche Ebene und die Frage, welche Treue- und Mitwirkungspflichten aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis entstehen. – Zur Problematik s. neuerdings Lettl, AcP 202, S. 3ff. – Es ist noch auf den zutreffenden Ein-

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Unterstützung des materiellen Rechtsziels bestehen604. Vor kurzem wurde entschieden, dass in Ausnahmefällen in der OHG sogar eine Pflicht zur Zustimmung zu einem Wechsel des Gesellschafterbestands bestehen kann605 Im Gesellschaftsrecht stellt sich die Frage nach der Mitwirkung zur Erzielung des Gestaltungserfolgs sowohl in der BGB-Gesellschaft, in der die Änderungen durch Gesellschafterbeschluss erwirkt werden, als auch bei der Geltendmachung durch Gestaltungsklage in der offenen Handelsgesellschaft. Die Problematik wurde bislang meist im Rahmen der Geltendmachung sekundärer Ansprüche relevant. Für die BGB-Gesellschaft hat das Reichsgericht die Schadensersatzpflicht nach verweigerter Mitwirkung bei der Ausschließung eines Mitgesellschafters restriktiv auf die Fälle begrenzt, in denen eine gröbliche Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht vorliegt, wobei eine Mitwirkung bei der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis den Mitgesellschaftern eher zuzumuten sei606. Es wurde betont, dass eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Gestaltungsklage nicht grundsätzlich, sondern nur ausnahmsweise bestehe607. Jedoch zeigt die gerichtliche Praxis, dass dieser Grundsatz nicht eingehalten wird. Teilweise wird sogar eine Mitwirkungspflicht immer dann bejaht, wenn ein Grund z.B. zur Ausschließung des Gesellschafters oder zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis/ Vertretungsmacht vorliegt608. Allerdings lässt sich eine Pflicht, ein konkretes materielles Ziel herbeizuführen, z.B. einem Ausschließungsbeschluss zuzustimmen, nicht ohne weiteres auf die wand von H. Roth (FS Großfeld, 915, 919) hinzuweisen, dass auch eine materiellrechtliche Treupflicht zur Unterstützung des auszuschließenden Gesellschafters gegeben sein kann, wenn in seiner Person in Wahrheit kein wichtiger Grund zur Ausschließung vorliegt. – Nach Schlosser ist außerhalb des § 574a BGB und des Verwaltungsrechts zwar kein Mitwirkungsanspruch gesetzlich vorgesehen, dessen »Vollstreckung« die Gestaltungsklage dienen könnte, dies liege jedoch nur an der mangelnden praktischen Notwendigkeit hierzu. An der grundsätzlichen Struktur (Gestaltungsklage als Verwirklichung des Vollstreckungsanspruchs) sei damit nichts geändert (S. 372f.). Ein isolierter Vollstreckungsanspruch ohne zu vollstreckendem Anspruch ist allerdings ein recht eigenartiges dogmatisches Gebilde. 604 OLG Hamm, NZG 2000, 252; BGH, NJW 1987, 952, 953 (Wechsel im Gesellschafterbestand); BGH, NJW 1985, 974; BGH, NJW 1970, 706; BGHZ 44 (1966), 40, 41; BGH, NJW 1961, 724. 605 BGH, NJW-RR 2005, 263: Der Gesellschafter einer OHG könne aufgrund seiner gesellschafterlichen Treuepflicht gehalten sein, der von einem Mitgesellschafter aus Alters- oder Krankheitsgründen gewünschten Vorwegnahme einer im Gesellschaftsvertrag für den Fall seines Todes getroffenen Nachfolgeregelung zuzustimmen, wenn die Vorsorge für die Zukunft des Gesellschaftsunternehmens dies erfordere. 606 RGZ 162 (1940), 388, 396f.: Es bedürfe »einer sorgfältigen Abwägung der berechtigten Belange der beteiligten Gesellschafter nach allen Richtungen und unter Berücksichtigung aller Umstände«. 607 RGZ 162 (1940), 388, 396. 608 Z.B. BGH, ZIP 1983, 1066; Kohler, NJW 1951, 5, 6 bei Erwiesenheit des Ausschlussgrundes; Röhricht/v. Westphalen-von Gerkan, § 117 Rn. 12 zur Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 28: »Der für die Verurteilung wichtige Grund ist also nicht wesensverschieden von einem Mitwirkungsanspruch«.

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Erhebung der Ausschließungsklage übertragen. Abgesehen davon würde durch eine derartige Betrachtungsweise die gesetzliche Vorgabe der gemeinsamen Klageerhebung konterkariert: Das Vorliegen eines Gestaltungsgrunds ist Voraussetzung für den sachlichen Erfolg der Klage, d.h. für ihre Begründetheit, und hat mit der Verpflichtung zur gemeinsamen Klageerhebung, die bereits im Vorfeld als Zulässigkeitsvoraussetzung gegeben sein muss, zunächst nichts zu tun. Sonst wird die Vorgabe der gemeinschaftlichen Klageerhebung bedeutungslos und man könnte auch eine Individualklage zulassen, da sie sowieso auch nur Erfolg haben wird, wenn sie begründet ist, d.h. wenn ein Gestaltungsgrund vorliegt, so dass die Klage auf Mitwirkung bzw. Zustimmung zu einem bloßen Ritual verkümmert609, dessen einziger Vorteil darin liegt, dass auch die übrigen Gesellschafter bezüglich des Gestaltungsbegehrens gehört werden. Jedoch wäre dies auch ohne die fragwürdige Zustimmungskonstruktion möglich. Schließlich könnte die materiellrechtliche Mitwirkungspflicht nur dann zu einer Pflicht zur Mitwirkung bei der Gestaltungsklage verdichtet werden, wenn auch ein materielles Gestaltungsrecht, gerichtet gegen den Gestaltungsklagegegner, als Grundlage der Gestaltungsklage bejaht werden kann610, denn wenn kein derartiges Recht bestehen sollte, dann kann auch keine Pflicht des Gegners bejaht werden, es zu »erfüllen« bzw. seine Ausübung zu ermöglichen. Wenn es sich bei der Gestaltungsklage lediglich um eine prozessuale Befugnis ohne privatrechtliche Berechtigung handeln sollte, dann kann die Mitwirkungspflicht an der Gestaltungsklage nicht – wie überwiegend angenommen wird – die Erfüllung einer Pflicht sein, die auf der materiellen gesellschaftsrechtlichen Treupflicht basiert. Zuallerletzt ist zu erwähnen, dass ein Mitwirkungsanspruch nur von der Gesamthand und nicht von einzelnen Gesellschaftern geltend gemacht werden könnte. In den Personengesellschaften des Handelsrechts entstehen zwar Treuepflichten sowohl im Verhältnis zur Gesellschaft als auch unter den Mitgliedern selbst611, so dass zu ermitteln ist, wer Schutzobjekt der Treuepflicht ist, die z.B. auf die Ausschließung eines Mitgesellschafters gerichtet ist. Der BGH hat zwar den Anspruch des Gesellschafters auf Zustimmung zur Ausschließung als Individualanspruch eingeordnet612, dieser Einordnung ist jedoch nicht zu folgen, sie war auch eher zweckorientiert, um überhaupt die intendierte Einzelprozessführung zu ermöglichen. Tatsache ist, dass die Treuepflicht im Verhältnis zur Gesellschaft selbst erst später in das Bewusstsein der Rechtswissenschaft gedrungen ist als die Pflichten unter den Gesellschaftern. Richtigerweise ist der Anspruch auf Mitwirkung bei der Ausschließung eines Gesellschafters der Gesamthand zuzuordnen. Die Aus609 610 611 612

K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 88. Zu dieser Frage s. weiter oben, S. 20ff. K. Schmidt, GesR, § 20 IV 1 c (S. 589). BGHZ 64 (1975), 253, 256.

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schließung eines Gesellschafters bezieht sich nämlich nicht auf die schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander, sondern auf die Zusammensetzung der Gesellschaft und somit auf die Gruppe der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit. Bereits das Recht auf Ausschließung ist kein Individualrecht des einzelnen Gesellschafters613. Auch der Zustimmungsanspruch muss demnach ein Anspruch sein, der der Gesamthand zusteht, denn nur dem Rechtsinhaber gegenüber kann man verpflichtet sein, die Rechtsverfolgung nicht zu vereiteln. Dem BGH ging es offensichtlich darum, eine Einzelklagebefugnis des Gesellschafters zu begründen. Dieses Ergebnis ließe sich jedoch – ihre Anwendbarkeit vorausgesetzt – auch über die Konstruktion der actio pro socio erzielen. Diese Möglichkeit wird noch eingehend zu untersuchen sein614. (2) Pflicht zur prozessualen Mitwirkung Nach allen Erkenntnissen wird sich die Verurteilung zur Mitwirkung auf die prozessuale »Beteiligung« beziehen müssen, soll die Vorgabe des § 140 HGB erfüllt werden. Auch zu den §§ 117, 127 HGB wird angenommen, dass nicht klagewillige Gesellschafter zur Mitwirkung gezwungen werden können615. Damit stellt sich die Frage, ob in der deutschen Rechtsordnung eine einklagbare Pflicht zur Ausübung prozessualer Befugnisse besteht. Die hier interessierende Problematik ergibt sich selbstverständlich nur auf der Klägerseite, da man die Teilnahme am Verfahren auf der Beklagtenseite ohne weiteres durch Klageerhebung und ordnungsgemäße Zustellung erzwingen kann. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine Verurteilung nach § 894 die gemeinsame Klageerhebung ersetzen kann. Nach § 894 kann prinzipiell auch die Verpflichtung zur Abgabe einer prozessualen Erklärung erzwungen werden, worunter auch die Stellung von Prozessanträgen fallen kann616. Als Beispiele werden meist die Rücknahme von Klagen617, Anträgen der freiwilligen Gerichtsbarkeit618 sowie Strafanträgen619 genannt. Meist wird die Frage, ob auch die Erhebung einer Klage erzwungen werden kann, gar nicht angesprochen, nur vereinzelt finden sich Stimmen, die die Erzwingung

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S. bereits weiter oben, S. 33. S. 138ff. 615 Weipert, GroßKomm HGB2, § 117 Anm. 11, wenn die Verweigerung der Mitwirkung einen Rechtsmissbrauch darstellt; a.A. Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 117 Anm. 6: »Die Weigerung eines Gesellschafters, sich an der Klage zu beteiligen, schließt die Entziehung aus. Auf seine subjektiven Beweggründe kommt es nicht an« (Hervorhebung im Original). 616 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 72 I 1 (S. 980); a.A. Blomeyer, ZwR, § 90 III 1 (S. 430); eingehend zum Begriff »Willenserklärung« in § 894 neuerdings Grau, S. 58ff. 617 Baumbach-Hartmann, § 894 Rn. 8; MünchKommZPO-Schilken, § 894 Rn. 2; MusielakLackmann, § 894 Rn. 5; Zöller-Stöber, § 894 Rn. 2. 618 RGZ 133 (1931), 128, 133. 619 BGH, NJW 1974, 900; dagegen Meyer, NJW 1974, 1325 wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses. 614

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der Klageerhebung nach § 894 ausdrücklich ablehnen620. Ihnen ist zuzustimmen, denn als allgemeiner Grundsatz gilt im deutschen Prozessrecht: »Nemo ad agendum compellitur«. Es beruht auf freier Willensentschließung, ob jemand eine Klage erheben will621. Dies gilt selbst in den Fällen notwendiger Streitgenossenschaft, die Klagenhäufung an sich kann im Regelfall nicht prozessual erzwungen werden622. »Die notwendige Streitgenossenschaft bedeutet in keinem Fall eine prozessrechtliche Notwendigkeit in dem Sinn, dass die Beteiligung der nicht auftretenden Personen am Rechtsstreit erzwungen werden könnte (...). § 62 hat vielmehr zur Voraussetzung, dass eine Streitgenossenschaft durch eine Mehrheit von Klägern oder Beklagten bereits besteht«623. Der notwendige Streitgenosse aus materiellrechtlichen Gründen kann sogar nachträglich die bereits erhobene Klage zurücknehmen, mit dem Erfolg, dass die Klagen der übrigen notwendigen Streitgenossen unzulässig werden624. Die Dispositionsfreiheit besteht damit auch bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen fort. Soweit ersichtlich wird außerhalb des Gesellschaftsrechts die Möglichkeit der Erzwingung der Teilnahme am Verfahren bzw. einer Ersatzhandlung auf Klägerseite bei notwendiger Streitgenossenschaft nicht diskutiert. Dies ist inkonsequent und müsste zumindest gerechtfertigt werden, denn ein offensichtlicher Unterschied besteht insoweit nicht: In allen Fällen der notwendigen Streitgenossenschaft kann der klageunwillige Streitgenosse die Klageerhebung blockieren. Jedoch ist dies keine zufällige, unvorher620 Ausdrücklich Stein/Jonas-Brehm, § 894 Rn. 7; im Ergebnis auch Bruns/Peters, § 46 II 2, weil die Verurteilung »den erstrebten Enderfolg nicht gewährleistet, vielmehr weitere Tätigkeiten des Schuldners voraussetzt (§ 894 also ausscheidet) ...«; unklar Rosenberg/Gaul/Schilken, § 72 I 1 (S. 980): Stellung oder Rücknahme von Anträgen, Klagen; s. jedoch MünchKommZPOSchilken, § 894 Rn. 2; – Grau (S. 84) scheint zwar anzunehmen, dass auch die Klageerhebung erzwungen werden kann, jedoch ohne weitere Auseinandersetzung mit den entstehenden Fragen: »Bei den Erklärungen, die nur in ihren rechtlichen Folgen für den Gläubiger von Interesse sind, ist angesichts der Indizien für ein weites Verständnis des Begriffs Willenserklärung entweder eine direkte oder jedenfalls eine analoge Anwendung des § 894 möglich«. 621 Bornhak, ZZP 48, 38, 44; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 V 2 c (S. 631) und dort Fn. 241a zur Frage, ob zur Vermeidung der Präklusion der Ausübung von Gestaltungsklagerechten nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils ein Zwang zur Widerklage oder zur Klageerhebung in einem zweiten Prozess unter Aussetzung des ersten Prozesses angenommen werden kann. 622 Stein/Jonas-Bork, vor § 59 Rn. 4, § 62 Rn. 2. 623 Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 2 (Hervorhebungen im Original), vor § 59 Rn. 4. 624 Str., OLG Rostock, NJW-RR 1995, 381, 382, das allerdings eine Pflicht zur Klageerhebung im Innenverhältnis zu bejahen scheint; nach BGH, NJW 1962, 1722, 1723 soll im Falle der Leistungsbereitschaft einzelner Streitgenossen eine (teilweise) Klagerücknahme möglich sein, ohne dass die Zulässigkeit der noch anhängigen Klage berührt werde; Gottwald, Jura 1982, 64, 70; MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 49; Musielak-Weth, § 62 Rn. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 49 Rn. 39 entgegen der 14. Auflage; Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 35; Winte, S. 176f. zur handelsrechtlichen Gestaltungsklage a.A. (gegen die Möglichkeit der Klagerücknahme bei der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen) Baumbach-Hartmann, § 62 Rn. 20; Jauernig, ZPR, § 82 IV 3 (S. 343); Säcker, JZ 1967, 51, 54f. bei Pflichtverstoß im Innenverhältnis; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 142; Zöller-Vollkommer, § 62 Rn. 25.

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sehbare Widrigkeit, sondern die prozessuale Entsprechung der materiellen Vorgabe der notwendig gemeinsamen Rechtsausübung. Das eigentliche Ziel, nämlich dass alle Gesellschafter die Klage gemeinsam erheben, lässt sich somit nicht prozessual erzwingen. Dem steht die Dispositionsmaxime entgegen. Die Klagebefugnis ist ein Privileg, eine Möglichkeit, das subjektive Recht durchzusetzen – oder es auch nicht zu tun. Es handelt sich nicht einmal um eine prozessuale Obliegenheit. Nicht einmal die Streitverkündung verpflichtet direkt zur Teilnahme am Verfahren, sondern löst lediglich die Interventionswirkung aus. Zwar wird gelegentlich für die Übernahme des Modells der notwendigen Beiladung aus dem Verwaltungsprozessrecht plädiert625. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber die »zwangsweise Zuziehung eines Dritten zur Theilnahme an einem anhängigen Rechtsstreite« in Gestalt einer »Beiladung« ausdrücklich 1877 verworfen hatte626, ist es bedenklich, jemanden zur Teilnahme an einem Prozess zu zwingen und ihm das entsprechende Kostenrisiko aufzunötigen627. Selbst wenn bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen die Teilnahme am Verfahren erzwungen werden könnte, würde dies nicht weiter nützen, da es der Streitgenosse in der Hand hätte, die Klage zurückzunehmen, auch wenn dadurch die anderen Verfahren unzulässig werden628. Darüber hinaus würde man bei einer erzwungenen Klageerhebung außer Acht lassen, dass der Gestaltungsklage ein Recht des rechtlichen Könnens, nicht ein Recht des rechtlichen Müssens zugrunde liegt629. Die h.M. zwingt den Gesellschafter daher auch nicht, am Verfahren teilzunehmen – wie es eigentlich nahe liegen würde – sondern sucht seine »Zustimmung« zu erzwingen. Damit wird die Entfernung von der gesetzlichen Vorgabe immer größer: Um zum erwünschten Ergebnis zu gelangen, muss zunächst auf der ersten Stufe überhaupt die Möglichkeit der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren bejaht werden. Meist reicht jedoch diese erste Konstruktion nicht aus, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Dann wird auf der zweiten Stufe diese an sich schon bedenkliche Ersatzhandlung gerichtlich erzwungen, wobei die Erzwingung der Ersatzhandlung leichter akzeptiert zu werden scheint. Zu bedenken ist jedoch, dass die ursprüngliche Handlung, die ersetzt werden soll, die Klageerhebung selbst ist. Da man zur Klageerhebung nicht gezwungen werden kann, leuchtet nicht ein, dass man ihre Ersatzhandlung sollte erzwingen können. Treffend formuliert denn auch Karsten Schmidt: »Zunächst muss die herrschende Meinung aus einer Mitwirkungspflicht, die das Faktum der Mitwirkung – also der Prozess625

S. dazu Vollkommer, FS BGH, 127, 137ff. sowie die Nachweise weiter unten, Fn. 742. Hahn, Materialien CPO, S. 184. 627 Serwe, S. 128. 628 S. die Nachweise in Fn. 624. 629 Aus diesem Grunde ist korrekterweise auch bei der Frage nach der Präklusion von Gestaltungsrechten auf die Erklärung und nicht auf das Entstehen des Gestaltungsgrundes, sprich auf die Gestaltungslage, abzustellen, s. Fn. 497. 626

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

beteiligung als Kläger – schwerlich ersetzen kann, eine bloße Zustimmungspflicht machen und die nach § 894 nur noch fingierte Zustimmung zu einem Ersatz für die Mitwirkung am Prozess erklären«630. (a) Zwang zur Prozessführungsermächtigung Weiter oben wurde ermittelt, dass sich die gängige Praxis der Ersetzung der Teilnahme am Verfahren einzelner Gläubiger am ehesten mit der Rechtsfigur der Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft dogmatisch untermauern lässt631. Allerdings gilt dies nicht für den Fall, dass die Ermächtigung zur Prozessführung nicht mehr freiwillig erfolgt. Von einer erzwungenen »gewillkürten« Prozessstandschaft zu sprechen, mutet geradezu paradox an. Zudem wird bei der gewillkürten Prozessstandschaft im eigentlichen Sinne eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsinhaber deshalb bejaht, weil dieser bewusst die Rechtsverfolgung in fremde Hände gelegt hat632. Davon kann jedoch nicht die Rede sein, wenn die Ermächtigung erzwungen wird. Auch sonst ist eine erzwungene Ermächtigung zur Prozessführung im Ergebnis mit der Erzwingung der Klageerhebung gleichzusetzen. Somit ist auch dieses Erklärungsmodell nicht mit der Dispositionsfreiheit des deutschen Zivilprozessrechts vereinbar. (b) Zwang zur Unterwerfung Bereits die einverständliche Unterwerfung unter die künftigen Urteilswirkungen hat sich – zumindest nach jetzigem Stand der Dinge – als ungeeignetes Mittel der Erstreckung der prozessualen Wirkungen des Gestaltungsurteils erwiesen633. Das Problem verschärft sich noch, wenn man den unwilligen Gesellschafter zu dieser Unterwerfung zwingen wollte. Selbst wenn man die Unterwerfung unter künftige Urteilswirkungen für einen an sich geeigneten Weg hielte, wird man keine Pflicht konstruieren können, eine derartige Unterwerfung einzugehen, denn eine derartige Aufopferung der prozessualen Selbstbestimmung zu Gunsten eines effektiven und kostengünstigen Prozesswesens wird man keinem Rechtsteilnehmer zumuten können. (3) Gesetzliche Prozessstandschaft, insbesondere actio pro socio Falls sich eine Prozessführungsermächtigung bereits aus dem Gesetz ergeben sollte, wäre dies eine Art erzwungene Mitwirkung der Gesellschafter, die keine »Zustimmung« i.S. einer Prozessführungsermächtigung erteilen wollen. Sie würde nicht gegen die Dispositionsmaxime verstoßen, da nicht die Klageerhebung er630 631 632 633

K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 85 (Hervorhebungen im Original). S. weiter oben, S. 112ff. H.M., s. z.B. Stein/Jonas-Bork, vor § 50 Rn. 54; Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn. 62. S. weiter oben, S. 125ff.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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zwungen wird, sondern lediglich der einzelne Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigt wird, die Rechte der Gesamthand alleine zu verfolgen. Bemerkenswert ist, dass Gottwald zu den Fällen gesetzlicher Prozessstandschaft teilberechtigter Personen auch folgenden zählt: »Bei Ausschließungsklagen gegen einen Gesellschafter haben die klagenden Gesellschafter Prozessführungsbefugnis für die untätigen Gesellschafter, wenn diese zur Zustimmung zur Ausschließung verurteilt sind. ... Alle unter 1 und 2 genannten Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass den prozessführungsbefugten Parteien vom Gesetz eine materiellrechtliche Verfügungsmacht eingeräumt ist. Sie kann umfassend sein, wie z.B. in den Fällen der Parteien kraft Amtes, sie kann aber auch nur beschränkt sein und sich nur auf die Geltendmachung eines zum Vermögen des Rechtsträgers gehörenden Anspruchs beziehen«634. Allerdings gibt nach obigem Zitat nicht das Gesetz den Gesellschaftern die Möglichkeit, allein zu klagen, sondern das Zustimmungsurteil. Bei richtiger Betrachtung konterkariert diese Vorgehensweise sogar die gesetzliche Vorgabe des § 140 HGB, indem sie die Anordnung der gemeinsamen Klageerhebung umgeht. Aus diesem Blickwinkel liegt somit grundsätzlich kein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft vor, denn dem Gesetz ist die Möglichkeit der Klageerhebung in Prozessstandschaft nicht zu entnehmen. Eine Analogie zu anderen Fällen der gesetzlichen Prozessstandschaft verbietet sich, da es an einer Regelungslücke fehlt635. Es ist allerdings zu prüfen, ob das gewünschte Ergebnis des Verzichts auf die Teilnahme aller Gesellschafter bei der Ausschließungsklage mit dem Modell der actio pro socio erklärt werden kann. Die Auflösungsklage kommt nicht als Anwendungsfall der actio pro socio in Betracht, da hier ein Individualanspruch vorliegt und die Verfahrensteilnahme auf der Beklagtenseite in Frage steht, während die actio pro socio eine Konstruktion zur Vereinfachung der Klageerhebung ist. Zwar können mehrere auflösungswillige Gesellschafter gemeinsam die Klage erheben, sie sind dann allerdings – anders als bei der Ausschließungsklage – notwendige Streitgenossen aus prozessualen Gründen nach § 62, 1. Alt. Damit ist eine gemeinsame Klageerhebung nicht Zulässigkeitsvoraussetzung, so dass es der Konstruktion einer actio pro socio nicht bedarf. Die Gesellschafter, die sich nicht am Prozess beteiligen möchten, können diesen nicht blockieren, da sie der Kläger ohne weiteres als Beklagte in den Prozess hineinziehen kann. Deswegen ist das Hauptaugenmerk auf die Ausschließungsklage zu richten. Wenn tatsächlich eine actio pro socio zulässig ist, könnte sogar auf die Zustimmungsklage und ihre Verbindung mit der Ausschließungsklage verzichtet werden. Vereinzelt begegnet man tatsächlich dem Begriff der actio pro socio in Verbindung mit den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen. Nach Westermann

634 635

Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 46 Rn. 28, 30. Ulmer, FS Geßler, 269, 278.

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z.B. wäre die isolierte Zustimmungsklage eine actio pro socio636. Auch Breit schrieb bereits 1926 zur Problematik der materiellrechtlichen Grundlage der Gestaltungsklage: »Sowohl der Auflösungsklage wie der Ausschließungsklage liegt ein subjektiver Auflösungsanspruch zugrunde. Der Anspruch ist in jedem Falle ein gesellschaftlicher Anspruch des einen Gesellschafters gegen andere Gesellschafter, eine actio pro socio. ... Der Anspruch ist auf die Abgabe einer Willenserklärung mit bestimmtem Inhalte gerichtet«637. Die Ähnlichkeit der beiden rechtstechnischen Instrumente, der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung und der Gestaltungsklage, wurde weiter oben angesprochen638, so dass dieser Aspekt der zitierten Aussage hier nicht weiter relevant ist. Da jedoch weder Westermann noch Breit sich näher mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob die Rechtsfigur der actio pro socio, so wie man sie heute kennt, tatsächlich auch auf die Situation bei der Ausschließungsklage639 anwendbar ist, ist diese Prüfung hierbei nachzuholen. Die Rechtsfigur der actio pro socio ist in mehrfacher Hinsicht nicht abschließend geklärt. Die meisten Probleme jedoch sind im Rahmen dieser Arbeit ohne Relevanz, z.B. ist die Frage, ob auch Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte von einzelnen Gesellschaftern geltend gemacht werden können640, hier nicht weiter zu erörtern. Da die Anwendbarkeit dieser Rechtsfigur auf die Klagen nach §§ 140, 117, 127 HGB überprüft werden soll, liegt es nahe, erst die actio pro socio in der Personengesellschaft des Handelsrechts zu untersuchen. (a) actio pro socio in der Personengesellschaft des Handelsrechts Wörtlich ist der Begriff der actio pro socio mit »Handeln als Gesellschafter« zu übersetzen641. Der Begriff actio pro socio ist heute642 ein Sammelbegriff für verschiedene Gesellschafterklagen. Gemeinsamer Nenner ist, dass bei einer Personenvereinigung eines oder mehrere der Mitglieder die Möglichkeit erhält, alleine Klage zu erheben, obwohl ihm bzw. ihnen eigentlich keine Einzelklagebefugnis 636

Westermann, Hdb. I, Rn. 334. Breit, JR 1926, Sp. 761, 772. 638 S. weiter oben, S. 22. 639 Mutatis mutandis auch bei den Klagen auf Entziehung der Vertretungs- bzw. Geschäftsführungsbefugnis. 640 S. Leitsatz 1 von BGHZ 102 (1988), 152: »Ist zwar im allgemeinen der Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts allein nicht berechtigt, eine der Gesamthand zustehende Forderung gegen einen Dritten im eigenen Namen geltend zu machen, kann er jedoch immer dann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist«. – Für Handelsgesellschaften wird eine derartige Klagemöglichkeit einzelner Gesellschafter verneint, s. K. Schmidt, GesR, § 21 IV 7 b (S. 643) m.Nachw. 641 Flume, Juristische Person, § 8 V (S. 301). 642 Zur actio pro socio im römischen Recht s. Hadding, S. 17ff. und dazu die Buchbesprechung von Diederichsen, ZHR 132 (1969), 290ff. 637

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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zustünde. Die actio pro socio ist nicht lediglich auf die Gesamthand beschränkt, sondern kann in jedem Personenverband Anwendung finden643. Sie ist ein Instrument, um die so genannten Sozialansprüche geltend zu machen. Diese und die entsprechenden Sozialpflichten werden in der Personengesellschaft in Abgrenzung zu Individualansprüchen bzw. Individualpflichten definiert. Sozialansprüche sind Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, d.h. Ansprüche gegen die Gesellschaft bzw. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder aus der Mitgliedschaft, während Individualansprüche unter den Gesellschaftern selbst bestehen644. Meist geht es bei der actio pro socio um die Erfüllung der Beitragszahlungspflicht, bzw. um Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung von Geschäftsführungspflichten645. Zwar beschränkt sich das Anwendungsfeld nicht auf die Geltendmachung von Geldforderungen, sondern erstreckt sich auf jeden Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter und umgekehrt. Nach Hadding sind Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis außer den Ansprüchen auf Leistung in das Gesellschaftsvermögen (u.a.) auch Ansprüche auf Erfüllung der Verpflichtung zur Geschäftsführung, auf Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen (auf Stimmabgabe), auf Erfüllung der Treuepflicht646. Damit werden jedoch zwei verschiedene Fallgruppen unter den Begriff actio pro socio zusammengefasst. Zum einen geht es um die Fälle, in denen der Gesellschafter statt der Gesellschaft selbst klagt und direkt Leistung an die Gesellschaft beantragt. Davon unterscheiden sich jedoch die letztgenannten Fälle: bei den Ansprüchen auf Erfüllung der Verpflichtung zur Geschäftsführung, auf Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen oder auf Erfüllung der Treuepflicht handelt der Gesellschafter nicht selbst anstelle der berechtigten Organe oder Gesellschafter, sondern will diese lediglich mittelbar zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Pflichten zwingen. In eine ähnliche Richtung geht auch die Aussage Flumes, die actio pro socio sei besonders wichtig als »Untätigkeitsklage«, z.B. um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die für die Gesellschaft Handelnden zu erzwingen647. Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, weil eigentlich gerade die unmittelbare Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einen der klassischen Anwendungsfälle der actio pro socio im erstgenannten Sinne darstellt, so dass einer »Untätigkeitsklage« das Rechtsschutzbedürfnis fehlen müsste, da der Gesellschafter bei Vorliegen der Voraussetzungen direkt auf Zahlung der Schadensersatzansprüche an die Gesellschaft klagen könnte. Festzuhalten bleibt gleichwohl, dass man auch eine Klage, die die vertretenden Organe zu einem bestimmten Handeln zwingen will, als actio pro socio einstufen 643

K. Schmidt, GesR, § 21 IV 1 a (S. 629f.) K. Schmidt, GesR, § 19 III 2 b (S. 556); kritisch zum Begriff Sozialanspruch Hadding, S. 11, der von Ansprüchen »aus dem Gesellschaftsverhältnis« spricht. 645 S. z.B. MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 204. 646 Hadding, S. 10 mit Verweis auf Hueck, OHG, § 18 II 1 (S. 259), § 13 I (S. 192ff.). 647 Flume, Personengesellschaft, § 10 IV (S. 144f.). 644

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kann. Damit können mit der actio pro socio zum einen Sozialansprüche bzw. Forderungen der Gesamthand geltend gemacht werden, zum anderen sonstige Rechte der Gesamthand gegenüber den Gesellschaftern oder ihren Organen. Die nächste Frage, die sich stellt, ist diejenige nach der Grundlage der actio pro socio. Grundsätzlicher Streit besteht um die Frage der Rechtsinhaberschaft der Ansprüche, die mit der actio pro socio geltend gemacht werden. Aus materiellrechtlicher Sicht besteht entweder die Möglichkeit, in der Handlungsbefugnis des einzelnen Gesellschafters ein eigenes materielles Recht des Einzelmitglieds zu sehen648, das auf dem Gesellschaftsvertrag basiert, oder eine Einziehungsermächtigung649. In prozessualer Hinsicht entspräche dies entweder einer regulären Sachlegitimation oder einer Prozessführungsbefugnis in Prozessstandschaft. Mit der in der Praxis ganz überwiegend vorkommenden Variante werden durch die actio pro socio Sozialansprüche geltend gemacht. Es ist heute unstreitig, dass Sozialansprüche dem Verbandsvermögen zuzuordnen sind650. Damit ist jedenfalls der Verband Anspruchsinhaber, es wäre widersinnig, noch einen gleichgerichteten eigenen materiellen Anspruch des Gesellschafters anzunehmen. Dem Gesellschafter kann allenfalls eine Kontrollkompetenz zur Einhaltung der Gesellschafterpflichten zugesprochen werden, diese ist jedoch von der Inhaberschaft des Sozialanspruchs selbst zu trennen. Es handelt sich um die Geltendmachung fremder Ansprüche im eigenen Namen und damit prozessual um einen Fall der Prozessstandschaft651. Das gilt auch für die Fälle, in denen der Einzelgesellschafter nicht Geldforderungen, sondern sonstige Rechte der Gesamthand gegenüber einzelnen Gesellschaftern geltend macht. 648 So Flume, Personengesellschaft, § 10 IV (S. 142); Huber, S. 24; Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 9ff.; s. jedoch Flume, Juristische Person, § 8 V 1 (S. 301): »Die actio pro socio gründet sich nach h.L. bei der Personengesellschaft auf den Gesellschaftsvertrag und das durch ihn begründete Schuldverhältnis der Gesellschafter zueinander, indem die Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag sich einander gegenseitig verpflichten (§ 705 BGB). Diese dogmatische Einordnung der actio pro socio ist überkommen von dem rein schuldrechtlichen Sozietätsvertrag des gemeinen Rechts; danach verfolgt der Gesellschafter mit der actio pro socio aufgrund des Gesellschaftsvertrages seinen eigenen schuldrechtlichen Anspruch gegen seinen Mitgesellschafter. Die actio pro socio dagegen, mit welcher der Gesellschafter der Gesamthandspersonengesellschaft nach geltendem Recht in Hinsicht auf einen Anspruch der Gesellschaft ein eigenes Klagerecht auf Leistung an die Gesellschaft ausübt, ist dogmatisch der Mitgliedschaft an der Gesellschaft zuzuordnen. Die actio pro socio ist als Gesellschafterklage Mitgliedschaftsklage«. 649 Indirekt BGH, NJW 2000, 505, 506: Der gerichtlichen Geltendmachung von Sozialansprüchen stehe nicht der Einwand entgegen, der Kläger selbst sei Schuldner vergleichbarer Forderungen der Gesamthand. Mangels Gegenseitigkeit bestehe kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB; Berger, ZHR 149 (1985), 599, 604; Grunewald, GesR, 1. B. Rn. 26 i.V.m. 1. A. Rn. 64; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 12ff., 49; Hadding, S. 101; Hassold, JuS 1980, 32; MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 208f.; K. Schmidt, GesR, § 21 IV 4 a (S. 636f.); Schütz, S. 34ff.; Wiedemann, ZGR 1996, 286, 291 – Zur dogmatischen Grundlage der Einziehungsermächtigung als Institut richterlicher Rechtsschöpfung s. ausführlich Rüßmann, JuS 1972, S. 169ff. 650 S. Nachweise bei MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 166 und dort Fn. 480. 651 Esser2, § 176, 1 d (S. 725), aufgegeben in der 3. Auflage 1969 (§ 95 IV 3 [S. 289f.]); MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 172 mit zahlreichen Nachweisen.; a.A. z.B. Huber, S. 24.

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Umstritten ist weiterhin, ob eine gewillkürte oder eine gesetzliche Prozessstandschaft vorliegt. Von der actio pro socio zu unterscheiden ist jedenfalls die »echte« gewillkürte Prozessstandschaft, wenn die vertretungsberechtigten Gesellschafter den nicht vertretungsberechtigten Gesellschafter ausdrücklich zur Klageerhebung ermächtigen652 oder eine derartige Prozessführungsermächtigung bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten ist. Diese Form der Rechtsverfolgung in fremdem Namen ist also nicht gemeint. Die Rechtsfigur der actio pro socio zieht man heran, wenn gerade wegen der Untätigkeit der übrigen Gesellschafter oder der Gesellschaftsorgane eine Einzelrechtsverfolgung ermöglicht werden soll. Trotzdem ist die Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht ausgeschlossen. Die Ermächtigung könnte nämlich in einer stillschweigenden oder durch ergänzende Vertragsauslegung zu gewinnenden Einräumung im Gesellschaftsvertrag liegen653. Dies ist jedoch zu verneinen. Wenn tatsächlich dem Gesellschaftsvertrag eine Ermächtigung zur Einzelprozessführung zu entnehmen ist, wird es sich in der Tat um einen Fall gewillkürter Prozessstandschaft handeln. In diesem Fall wird eine actio pro socio überhaupt nicht erforderlich sein. Richtigerweise handelt es sich bei der actio pro socio um einen Fall gesetzlicher Prozessstandschaft des klagenden Gesellschafters für die übrigen Gesellschafter in ihrer Verbundenheit654. Damit stellt sich die Frage nach ihrer gesetzlichen Grundlage. Es ist eingewandt worden, dass es »keinen Rechtssatz (gibt), der besagen würde, dass der einzelne Gesellschafter dann, wenn die Willensbildung der Gesellschaft aus organisatorischen Gründen oder aus bösem Willen versagt, aus eigener Machtvollkommenheit (kraft eines weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehenen »Mitverwaltungsrechts«) für die Gesellschaft handeln dürfte«655. Es ist zwar zutreffend, dass kein diesbezüglicher ausdrücklicher Rechtssatz besteht. Richtigerweise ist die actio pro socio gleichwohl im Kern auf gewohnheitsrechtliche Anerkennung zurückzuführen und entspricht daher der gesetzlichen Prozessstandschaft656. Von der Frage nach der Anspruchsinhaberschaft ist die Frage zu trennen, ob die actio pro socio ein Hilfsrecht des Einzelgesellschafters für Ausnahmefälle oder eine generelle, uneingeschränkte Befugnis jedes Gesellschafters ist. In der Recht652 BGH, NJW 1988, 1585, 1586f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1985, 1000 (Weigerung der Klageerhebung nur wegen des Kostenrisikos); dazu ablehnend Diederichsen, EWiR 1985, 765f. – Eine Prozessführungsermächtigung von Mitgesellschaftern verstößt nicht gegen das Abspaltungsverbot, s. weiter oben, S. 115f. 653 So z.B. Erman-Westermann, § 705 Rn. 57; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 13f.: es werde dem Willen der Beteiligten wohl am ehesten gerecht, wenn man eine Einzelklagebefugnis anerkennt; Schütz, S. 42. 654 K. Schmidt, GesR, § 21 IV 4 a (S. 636); a.A. Bork/Oepen, ZGR 2001, 515, 525f. 655 Huber, S. 28. 656 Maino, S. 90; MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 209: quasigesetzliche Befugnis kraft ungeschriebenen (Gewohnheits-)Rechts; ohne Begründung Berger, ZHR 149 (1985), 599, 604; zweifelnd, ob bereits von Gewohnheitsrecht gesprochen werden kann Grunewald, Gesellschafterklage, S. 13.

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sprechung wird heute überwiegend die Einzelklagebefugnis des Gesellschafters bejaht, wenn keine überwiegenden Interessen der Gesellschaft gegen die Klageerhebung sprechen657. Richtigerweise ist die actio pro socio jedoch keine uneingeschränkte Kontrollkompetenz, sondern eine Ersatzzuständigkeit für die Fälle, in denen der einzelne Gesellschafter sonst machtlos den vertretenden Organen oder den übrigen Gesellschaftern ausgeliefert wäre. Bei den Sozialansprüchen handelt es sich zwar um Ansprüche der Gesellschaft, die jedoch indirekt auch die einzelnen Gesellschafter betreffen. Die Alternative zu einer actio pro socio wäre, die Vertretungsorgane auf pflichtgemäße Geltendmachung der Forderung zu verklagen. Zu Recht wird die eigene Geltendmachung in Hilfszuständigkeit als einfacherer, schnellerer und effizienterer Weg angesehen658. In der organisierten Personengesellschaft, die Regeln über die Vertretung und die Prozessführung kennt, verfolgt die actio pro socio den Zweck, dass die einzelnen Gesellschafter handeln können, wenn die Vertretungsorgane aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht tätig werden. Auch Flume, der ein eigenes materielles Recht des Gesellschafters und damit eine reguläre Sachlegitimation bejaht, räumt ein, dass – wenn man eine Prozessstandschaft annimmt – sich »allerdings die Ansicht vertreten (ließe), dass die actio pro socio nur ein ergänzender Notbehelf ist und einer besonderen Rechtfertigung bedarf oder nur zulässig ist, wenn der Prozess der Gesamtwillensbildung in der Gesellschaft nicht funktioniert«659. Bei der actio pro socio handelt es sich also richtigerweise um eine Ersatz- bzw. Notzuständigkeit660. Die Einzelklagebefugnis besteht nicht parallel zur Klagebefugnis der Vertretungsorgane661, sondern nur, wenn die reguläre Vertretung versagt. Bezüglich der Behauptungs- und Beweislast bedeutet dies, dass der klagende Gesellschafter darlegen muss, dass die reguläre Vertretung ohne stichhaltige Gründe gemeinsamen Interesses nicht funktioniert662. Freilich sind daran keine 657 BGHZ 25 (1958), 47, 50; s. allerdings BGH, NJW 1974, 1555, 1556 a.E.: die Anspruchsverfolgung durch die Gesellschafter ist lediglich ein Hilfsrecht. 658 K. Schmidt, GesR, § 21 IV 4 b (S. 637f.). 659 Flume, Personengesellschaft, § 10 IV (S. 142). 660 BGH, NJW 1974, 1555, 1556 a.E.: die Anspruchsverfolgung durch die Gesellschafter ist lediglich ein Hilfsrecht; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 14; Hadding, S. 25ff., 57ff., 99; Lutter, AcP 1980, 84, 133f.; Nitschke, ZHR 128 (1966), 48, 90f., 96f.; Reinhardt/Schultz, Rn. 162; K. Schmidt, GesR, § 21 IV 4 (S. 636ff.). 661 So aber Berger, ZHR 149 (1985), 599, 607; Hassold, JuS 1980, 32, 35 in der Zuversicht, »dass die Gesellschafter ihre Bedürfnisse am besten kennen und nicht ohne Not auf eigenes Risiko prozessieren«; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, 1, 39f.; Wiedemann, I, § 8 IV 1 c) aa) (S. 460) sowie konsequent die Vertreter der Ansicht, dass der Gesellschafter mit der actio pro socio ein eigenes materielles Recht geltend macht, s. Fn. 673. 662 Erman-Westermann, § 705 Rn. 59; Lutter, AcP 180, 84, 134; MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 210; Nitschke, ZHR 128 (1966), 48, 92; Reinhardt/Schultz, Rn. 162; a.A. die h.M., z.B. BGH, ZIP 1985, 1137, 1138: Die actio pro socio kann nur durch einstimmigen Beschluss ausgeschlossen werden; BGHZ 25 (1958), 47, 50; Flume, Personengesellschaft, § 10 IV (S. 143); Staudinger-Ha-

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allzu hohen Anforderungen zu stellen, damit die Notzuständigkeit des Gesellschafters nicht unnötig erschwert wird: Es genügt »der schlüssige Vortrag, dass der Gesellschaft ein durchsetzbarer Anspruch gegen den oder die verklagten Mitgesellschafter zusteht und dass die Aufforderung an die Geschäftsführer, den Anspruch geltend zu machen, erfolglos oder – wegen deren eigener Betroffenheit – nicht Erfolg versprechend war«663. Damit wäre auch der Einwand Hubers entschärft, es sei »ein Unding, die Frage, ob eine dritte, am Prozess nicht beteiligte Person sich pflichtwidrig verhalten hat, zur Voraussetzung der Entscheidung darüber zu erheben, ob der klagende Gesellschafter ein Klagrecht hat, also mit seiner Klage vom Gericht überhaupt gehört wird, oder nicht«664. Freilich wurde dieser Sinn von einer – allerdings vereinzelt gebliebenen – Entscheidung des Reichsgerichts geradezu umgekehrt: Darin wurde entschieden, dass ein einzelner Gesellschafter einer OHG nur dann eine actio pro socio erheben kann, wenn alle übrigen Gesellschafter der Klageerhebung zustimmen, es sei denn die Ablehnung sei rechtsmissbräuchlich665. Diese Entscheidung ist jedoch vereinzelt geblieben und wurde sowohl von der Literatur als auch von der Rechtsprechung zu Recht abgelehnt666. Nachdem die actio pro socio bei der Personengesellschaft kurz vorgestellt wurde, ist ihre Anwendbarkeit auf die Ausschließungsklage zu prüfen. Ein Berührungspunkt dürfte sein, dass mangels einer actio pro socio der Gesellschafter gegen die übrigen Gesellschafter klagen müsste, so dass man sich an die Zustimmungsklage erinnert sieht. Andererseits hat der BGH wie bereits erwähnt den Anspruch des Gesellschafters auf Zustimmung zur Ausschließung als Individualanspruch eingeordnet, während die actio pro socio zur Durchsetzung von Ansprüchen und Rechten der Gemeinschaft konzipiert ist. Zum einen wurde jedoch bereits aufgezeigt, dass diese Ansicht verfehlt ist und der Mitwirkungsanspruch – wenn er überhaupt besteht – der Gesamthand zusteht667. Darüber hinaus bedarf es bei Anwendung der Grundsätze der actio pro socio überhaupt nicht eines Mitwirkungsanspruchs, denn der klagende Gesellschafter macht direkt den Ausschließungsanspruch geltend, und der steht der Gesamthand zu668. Damit kommt eine actio pro socio in Betracht, wenn die Klageerhebung nach den Vorgaben des

bermeier, § 705 Rn. 47 (schlüssiger Vortrag, dass die Aufforderung an die Geschäftsführer, den Anspruch geltend zu machen, erfolglos war). 663 MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 211, der auf den Charakter als Minderheitsrecht abstellt (Rn. 210). 664 Huber, S. 26. 665 RGZ 171 (1944), 51, 56. 666 Repräsentativ BGHZ 25 (1958), 47, 50; Flume, Personengesellschaft, § 10 IV (S. 140): »Die Entscheidung ist ... geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie richterliche Entscheidungen nicht sein sollten«. 667 S. weiter oben, S. 134. 668 S. weiter oben, S. 33.

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§ 140 HGB, der bei der Zustimmungsklage als lex specialis die Vertretung regelt, nicht möglich ist. (b) Absicherung: actio pro socio bei der nicht organisierten Gesamthand Da § 140 HGB die Klageerhebung durch alle Gesellschafter vorsieht, sieht man sich an die Situation bei der Gesamthand, die nicht organisiert ist, sondern von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich repräsentiert wird, erinnert, denn auch hier ist eine Klage nur bei Teilnahme aller Gesellschafter möglich. Daher ist zur endgültigen Absicherung zu prüfen, ob die Grundsätze zur actio pro socio bei der nicht organisierten Gesamthand herangezogen werden können. In dem Fall der Erbengemeinschaft sieht § 2039 BGB ausdrücklich eine Einzelklagebefugnis der Erben vor, und zwar eine uneingeschränkte, d.h. keine Notzuständigkeit. Prozessual ist hier die Einzelklagebefugnis als Prozessführung in gesetzlicher Prozessstandschaft einzuordnen669. Allerdings ist diese Regelung nicht verallgemeinerungsfähig, da es sich bei der Erbengemeinschaft – im Gegensatz zur Personengesellschaft – nicht um einen freiwilligen Zusammenschluss handelt670. Die Klageerhebung durch einzelne Gesellschafter der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts bei der Geltendmachung von Gesellschaftsansprüchen gegen Dritte setzt voraus, dass die Mitgesellschafter die Mitwirkung am Prozess vertragswidrig ablehnen671. Fraglich ist, ob diese Einschränkung auch für die Geltendmachung von Sozialansprüchen der Gesellschaft gilt672. Dafür sprechen die gleichen Argumente, die zur Begründung des Ersatz- bzw. Notzuständigkeitscharakters der actio pro socio bei den Personengesellschaften des Handelsrechts angeführt wurden. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass gerade keine organisierte Vertretung vorgesehen ist. Es trifft allerdings nicht zu, dass keine Regelung bezüglich der Vertretung vorhanden ist. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass alle Gesellschafter gemeinsam die Gesellschaft vertreten, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, der nicht ohne Not unterlaufen werden sollte. Deswegen ist die Rechtsprechung zur Geltendmachung von Gesellschaftsansprüchen gegen Dritte auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen, die gegenüber der Gesamthand bestehen, zu übertragen: Eine Einzelklagebefugnis des Gesellschafters besteht nur, wenn die übrigen Gesellschafter die gemeinsame Klageerhebung vertragswidrig verweigern. Dies muss dann vom klagenden Gesellschafter dargelegt werden, wobei auch hier keine überspitzten Anforderungen an diese Voraussetzung gestellt werden sollten.

669 670 671 672

Wohl RGZ 149 (1936), 193, 194: § 2039 BGB sieht Einziehungsbefugnis vor. Strittig, s. Nachweise bei MünchKomm-Dütz, § 2039 Rn. 34f. Z.B. BGHZ 102 (1988), 152, 155. Dagegen K. Schmidt, § 21 IV 3 (S. 636).

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Zu beachten ist, dass ein großer Teil der Problematik der actio pro socio bei der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts durch die neue Rechtsprechung des BGH zur Rechts- und Parteifähigkeit dieser Personengesellschaft673 entfallen ist, allerdings wird die hier beschriebene Problematik nicht berührt, denn die erwähnte Rechtsprechung wurde entwickelt, um den Auftritt der Gesellschaft nach außen hin im Rechtsverkehr (Dritten gegenüber) zu regeln. Ausgangspunkt war, dass »nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ... die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (kann) ... Soweit sie in diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB674)«675. Daraus wurde dann die prozessuale Konsequenz gezogen: »Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozess, die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen werden«676. Bei der hier besprochenen Variante der actio pro socio zur Geltendmachung von Sozialansprüchen findet die neue Rechtsprechung daher keine Anwendung677, denn hier tritt die Gesellschaft nicht im Rechtsverkehr nach außen auf, sondern es handelt sich um eine interne Angelegenheit, nämlich um die Geltendmachung der Rechte und Ansprüche der Gesamthand gegen einzelne Gesellschafter678. Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze für eine actio pro socio bei der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts bleibt es demnach für die Ausschließungsklage dabei, dass der klagende Gesellschafter darlegen muss, dass die Weigerung der übrigen Gesellschafter, an der Ausschließungsklage teilzunehmen, treuwidrig sei, was nicht deckungsgleich ist mit dem Vorhandensein eines Ausschlussgrundes. Es wird das Ausschließungsrecht geltend gemacht, das den übrigen Gesellschaftern zur gesamten Hand zusteht679.

673

BGHZ 146 (2001), 341ff. § 14 Abs. 2 n.F. BGB: »Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen«. 675 BGHZ 146 (2001), 341, 343. 676 BGHZ 146 (2001), 341, 347. 677 A.A. Pohlmann, WM 2002, 1421, 1424, davon ausgehend, dass nunmehr die Sozialansprüche nicht mehr den Gesamthändern als Gruppe, sondern der Gesellschaft selbst zustehen. 678 Diese Aussage darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass es sich dann nicht mehr um eine Außen-, sondern lediglich um eine Innengesellschaft handelt. Denn eine Außengesellschaft liegt bereits vor, wenn Rechtsbeziehungen zwischen der Gesamthand und den Gesellschaftern begründet sind, s. Flume, Personengesellschaft, § 1 III 1 (S. 6). 679 S. weiter oben, S. 33; a.A. (Schütz, S. 165), weil es sich bei der Ausschließungsklage um eine Grundlagenstreitigkeit handele, die – anders als bei den Sozialverbindlichkeiten – jeder Gesellschafter nicht als Vertreter der Gesellschaft führe, sondern eigenständig im eigenen Interesse. 674

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

(c) Actio pro socio und Ausschließungsklage Die Rechtsfigur der actio pro socio kann bei der Ausschließungsklage nur fruchtbar gemacht werden, wenn sie eine der Teilnahme am Verfahren gleichwertige prozessuale Bindung erzeugt, das heißt, wenn eine Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschafter stattfindet, die nicht am Verfahren teilgenommen haben. Wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – annimmt, dass mit der actio pro socio der klagende Gesellschafter nicht einen Anspruch der Gesellschaft, sondern einen eigenen materiellen Anspruch gegen den beklagten Gesellschafter geltend macht, dann kann das Urteil aufgrund der Einzelklage keine Rechtskraft gegenüber der Gesellschaft entfalten680, weil keine Identität der Streitgegenstände vorliegt. Jedoch wurde aufgezeigt, dass der Gesellschafter richtigerweise das Ausschließungsrecht, das ein Recht der Gesellschaft bzw. der Gesamthand darstellt, als gesetzlicher Prozessstandschafter geltend macht. Es gibt keine allgemeine Regel, ob bei gesetzlicher Prozessstandschaft eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsinhaber stattfindet. Man geht zumindest dann von einer Rechtskrafterstreckung aus, wenn der Rechtsträger von der eigenen Prozessführung ausgeschlossen ist681. Wenn eine mehrfache Verfolgung möglich ist, soll zumindest die abweisende Entscheidung keine Rechtskraft zuungunsten des Rechtsträgers entwickeln682. Bei der actio pro socio teilen sich die Ansichten. Einige Autoren fordern eine Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter, und zwar sowohl hinsichtlich des stattgebenden als auch des abweisenden Urteils683. Allerdings nimmt hauptsächlich die Rechtsprechung an, dass bei abgewiesener actio pro socio das Urteil weder gegenüber anderen Gesellschaftern noch gegenüber der Gesellschaft selbst rechtskräftig wird684. Daraus wird vereinzelt geschlossen, dass dasselbe auch für das stattgebende Urteil gelten müsse685. Zwar wird oft geschrieben, dass sich die Frage nach der Rechtskrafterstreckung nur beim klageabweisenden Urteil stelle, weil die Gesellschaft durch Genehmigung

680

So konsequent Flume, § 10 IV (S. 143). MünchKommZPO-Gottwald, § 325 Rn. 38 m.Nachw.; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 404f., der die Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger geradezu als Existenzbedingung für die Prozessstandschaft bezeichnet und in § 2039 BGB ein »abschreckendes Gegenbeispiel« sieht (S. 404). 682 BGHZ 79 (1981), 245, 247f., im konkreten Fall ging es um § 1011 BGB; a.A. Berger, S. 277ff. 683 Hadding, S. 105f., der allerdings die Parallele zur gewillkürten Prozessstandschaft zieht, dort Fn. 23; aus diesem Grund auch Grunewald, Gesellschafterklage, S. 57f.; Schütz, S. 42; Wiedemann, § 8 VI 1 c) aa) (S 461). 684 H.M., s. z.B. BGHZ 79 (1981), 245, 247f. m.Nachw. zu § 1011 BGB; Maino, S. 94f. (außer es klagen nacheinander alle übrigen Gesellschafter). 685 Maino, S. 95. 681

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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eine Rechtskrafterstreckung des günstigen Urteils an sie erwirken könne686. Henckel hat sogar gefolgert, dass ohne Gefahr eine generelle Rechtskrafterstreckung zugunsten der Gemeinschaft angenommen werden könne, »zumal die Mitberechtigten stets in der Lage wären, die Wirkungen eines günstigen Urteils, das einer von ihnen als Prozessstandschafter für die Gemeinschaft erstritten hat, durch Zustimmung auf sich zu ziehen«687. Damit wird die Rechtskrafterstreckung auf die übrigen Gesellschafter davon abhängig gemacht, ob das ergangene Urteil »günstig« ist für sie oder nicht. Diese Eigenschaft, die eindeutig zu ermitteln ist, wenn z.B. Geldbeträge Gegenstand der Klage gewesen waren, ist allerdings bei der Ausschließungsklage als actio pro socio weniger eindeutig. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der prozessuale Anspruch der actio pro socio mit demjenigen einer möglichen Klage der übrigen Gesellschafter identisch ist, da der Gesellschafter nach richtiger Auffassung nicht einen Individualanspruch, sondern das Ausschließungsrecht der Gesamthandsgemeinschaft geltend macht. Es herrscht somit Streitgegenstandsidentität, da nicht die formellen Parteien den Streitgegenstand bestimmen, sondern die behaupteten Subjekte des streitigen Rechtsverhältnisses688. Bei der Erhebung einer Ausschließungsklage als actio pro socio ist von einer Rechtskrafterstreckung auszugehen, die darauf zurückzuführen ist, dass der Gesellschafter nicht ein eigenes Recht geltend macht, sondern »kommissarisch« ein Recht der Gesamthand. Dies würde in einer Linie mit der Ansicht stehen, dass bei gesetzlicher Prozessstandschaft eine Rechtskrafterstreckung stattfindet, wenn der Prozessstandschafter ausschließliche Prozessführungsbefugnis hat689. Denn bei der actio pro socio handelt es sich nicht um eine generell vorhandene Einzelklagebefugnis des Gesellschafters, so dass auch mehrere Klagen parallel erhoben werden können. Im Gegenteil, es gehört geradezu zu den Voraussetzungen für die actio pro socio als Notzuständigkeit, dass die übrigen Gesellschafter nicht willens sind, Klage zu erheben. Wenn die Voraussetzungen für eine actio pro socio vorliegen, findet also richtigerweise eine Rechtskrafterstreckung auch auf die übrigen Gesellschafter, die nicht am Verfahren teilgenommen haben, statt, so dass die Vorgabe des § 140 HGB, der eine prozessuale Bindung aller Gesellschafter beabsichtigt, erfüllt wird und die Rechtsfigur der actio pro socio für die Ausschließungsklage fruchtbar gemacht werden kann. Damit ist die actio pro socio ein geeignetes Mittel, die Ausschließung eines Gesellschafters zu erreichen, auch wenn die übrigen Gesellschafter an der Klageerhebung nicht teilnehmen. Ihnen steht die Möglichkeit offen, sich als Nebenintervenienten des Beklagen am Rechtsstreit zu beteiligen, wenn sie dies möchten. Erwägenswert erscheint, ob nicht aus Art. 103 GG eine 686 Blomeyer, ZPR, § 92 I 3 (S. 512); Maino, S. 95; MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 214; ZöllerVollkommer, vor § 50 Rn. 38. 687 Henckel, Parteilehre, S. 214. 688 Henckel, Parteilehre, S. 141. 689 S. oben, S. 148.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

Pflicht des Gerichts erwächst, die »übergangenen« Gesellschafter vom Prozess zu benachrichtigen690. Falls mehr als ein Gesellschafter klagen wollen, werden sie bestimmen müssen, wer sowohl in seiner Eigenschaft als Teilrechtsinhaber als auch als Prozessstandschafter die Klage erhebt. Der Vorteil einer actio pro socio gegenüber der heutigen Praxis wäre, dass die Ausschließung direkt »in einem Durchgang« erzielt werden könnte. Da die actio pro socio richtigerweise ein prozessualer Notbehelf ist und für ihre Zulässigkeit dargelegt werden muss, dass die übrigen Gesellschafter gegen die Interessen der Gesellschaft inaktiv sind, ist auch kein Missbrauch der Einzelklagebefugnis zu befürchten. (4) Kein Schadensersatz bei Weigerung zur Mitwirkung Wenn wie hier vorgeschlagen die Ausschließungsklage als actio pro socio geltend gemacht werden kann, werden keine Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschafter gegeben sein, die nicht an der Klageerhebung teilnehmen wollten. Dies ist zu begrüßen, denn die bisherige Praxis hatte die Dispositionsfreiheit untergraben, denn durch einen Schadensersatzanspruch wegen Weigerung der Mitwirkung bei der Klageerhebung wurde im Ergebnis sanktioniert, dass nicht auf dem Klageweg ein Urteil herbeigeführt wurde. Eine Sanktion für das Unterlassen einer Handlung jedoch, zu der der Anspruchsgegner nicht verpflichtet ist, ist entschieden abzulehnen. Dies schien auch einigen Autoren ein gewisses Unbehagen verursacht zu haben, denn hauptsächlich früher wurde vertreten, dass beim Anspruch auf Schadensersatz wegen Weigerung zur Mitwirkung bei der Gestaltungsklage nicht das Klagerecht verletzt werde, sondern das Recht auf Herbeiführung der Gestaltung durch Beschluss. Wenn später durch das stattgebende gerichtliche Urteil festgestellt werde, dass ein wichtiger Grund zur Gestaltung bestanden hatte, würden bezüglich dieses Rechts auf rechtsgeschäftliche Mitwirkung die allgemeinen Verzugsregeln gelten691. Ähnlich war die Ansicht, dass bei unberechtigter Weigerung zur Teilnahme an der Ausschließungsklage Schadensersatz wegen Vertragsverletzung zu leisten sei692. Dabei handelte es sich um Verlegenheitslösungen, die nur davon ablenken, dass die als Obstruktionsverbot getarnte Mitwirkungspflicht in der bisherigen Handhabung in Wahrheit ein positives Kooperationsgebot darstellt, welches wiederum außerhalb der ausnahmsweise zulässigen actio pro socio nicht mit der Dispositionsfreiheit vereinbar ist. Dass sich die Bejahung einer schadensersatzbewehrten Mitwirkungspflicht nicht mit der Verneinung eines subjektiven materiellen Gestaltungsklagerechts 690 691 692

Zu ähnlichen Benachrichtigungspflichten bei Drittbetroffenheit s. Schultes, S. 95ff. Bellwinkel, S. 66f.; Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 133 Anm. 17. Weipert, GroßKomm HGB2, § 140 Anm. 15.

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verträgt, wurde bereits mehrfach hervorgehoben und wird hier nur zur Abrundung erneut erwähnt693: Da die Mitwirkungspflicht nur materiellrechtlich sein kann, muss es ein entsprechendes Recht auf Mitwirkung geben. Bei Anwendung der Grundsätze zur actio pro socio dagegen entfällt die Notwendigkeit – aber auch die Möglichkeit – Schadensersatzansprüche der besprochenen Art zu prüfen. Wenn sich einzelne Gesellschafter treuwidrig und ohne schutzwürdige überwiegende eigene Interessen weigern, an der Klageerhebung teilzunehmen, wird die Ausschließungsklage nicht blockiert, sondern kann von einem Gesellschafter in gesetzlicher Prozessstandschaft erhoben werden. Die übergangenen Gesellschafter können gegebenenfalls ihre Interessen durch Beitritt als streitgenössische Nebenintervenienten des Beklagten (§ 69) wahren. iii. Ergebnis Die heute praktizierte Lösung dient offensichtlich dem Zweck zu vermeiden, dass einzelne Gesellschafter durch ihre Weigerung der Klageerhebung diese auch für die übrigen unmöglich machen. Im Ergebnis geht es darum, auch einzelnen Gesellschaftern die gerichtliche Durchsetzung von Gestaltungsklagerechten zu ermöglichen. Damit wird jedoch die ratio der Vorschriften, welche die gemeinsame Klageerhebung vorsehen, unterlaufen. Sie ist eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes, »dass materiellrechtlich alleine die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit zur Austragung der Streitigkeiten über die Grundlagen der Gesellschaft berufen sind«694. Die heutige Praxis ist mit diesem Grundsatz um so mehr nicht vereinbar, als der aufgestellte Grundsatz, dass Mitwirkungsansprüche nur ausnahmsweise zu bejahen sind695, in der Praxis nicht eingehalten wird. In Wirklichkeit wird nämlich eine Mitwirkungspflicht immer dann angenommen, wenn ein Gestaltungsgrund vorliegt. Damit wird die Anordnung der gemeinsamen Klageerhebung sinnentleert, denn das praktische Ergebnis ist gleichzusetzen mit der Einräumung einer Einzelprozessführungsbefugnis. Nicht umsonst verlangt jedoch das Gesetz bereits für die Zulässigkeit einer Ausschließungsklage, dass alle übrigen Gesellschafter mitwirken. Daher würde es auch nichts nützen, aus dem gesellschaftsrechtlichen Treuegebot eine Duldungspflicht abzuleiten, wie dies Lindacher tat: »Der klagunwillige Gesellschafter ist gegebenenfalls gehalten, um die Fortsetzung der Gesellschaft zu ermöglichen, den Ausschluss dessen, in dessen Person der Grund für die Un-

693

S. weiter oben, S. 103. Schütz, S. 156, a.A. Ulmer, FS Geßler, 269, 273, weil der Zusammenhang zwischen Sachlegitimation und Verfügungsbefugnis nur für Leistungs-, nicht dagegen für Gestaltungsklagen gelte. 695 S. weiter oben, Fn. 606. 694

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

zumutbarkeit der Gesellschaftsfortführung in der bisherigen personellen Zusammensetzung liegt, hinzunehmen«696. Trotzdem lässt sich die heutige Praxis der freiwilligen Zustimmung durch die Rechtsfigur der Prozessstandschaft erklären. Zum einen können die Gesellschafter, die nicht am Verfahren teilnehmen wollen, aber das materielle Ziel unterstützen, ihre Ermächtigung zur Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft erteilen. Es ist darauf zu achten, dass diese korrekt gestaltet wird, d.h. zum einen ergebnisoffen erteilt wird, zum anderen den Prozessstandschafter präzisiert. Da es sich bei dieser Ermächtigung um eine Prozesshandlung handelt, ist ihre Anfechtung wegen Willensmängeln ausgeschlossen und ihr Widerruf ist nur bis zur Klageerhebung möglich697. Den Vorgaben der §§ 140, 117, 127 HGB wird Rechnung getragen, da eine Rechtskrafterstreckung stattfindet. Die Rechtsfigur der Unterwerfung unter die prozessualen Wirkungen des Gestaltungsurteils könnte auch die heutige Zustimmungspraxis dogmatisch tragen. Allerdings entspricht es zum jetzigen Zeitpunkt (noch?) herrschender Ansicht, dass prozessuale Urteilswirkungen der Parteidisposition entzogen sind. Dieses Erklärungsmodell, dessen sich auch der BGH im Namen der Prozesswirtschaftlichkeit bedient hat, ist im Hinblick auf eine künftige Entwicklung bei der Unterwerfung unter Urteilswirkungen im Auge zu behalten. Es kann allerdings lediglich die Lösung zur Mitwirkungsproblematik bei den Klagen der §§ 133, 140, 117, 127 HGB liefern, die Auseinandersetzung mit der subjektiven Reichweite des Gestaltungsurteils, insbesondere gegenüber außenstehenden Dritten, bleibt erforderlich. Für den Fall, dass einzelne Gesellschafter keine Prozessführungsermächtigung erteilen wollen, kann die Prozessführung in gesetzlicher Prozessstandschaft in Form einer actio pro socio in Frage kommen, die die heute erforderliche separate Zustimmungsklage und die damit einhergehenden dogmatischen Probleme entbehrlich macht. Der klagende Gesellschafter muss als Zulässigkeitsvoraussetzung darlegen und beweisen, dass sich die übrigen Gesellschafter treuwidrig weigern, an der Klageerhebung mitzuwirken. Richtigerweise findet auch hier eine Rechtskrafterstreckung auf die übrigen Gesellschafter statt, so dass den Vorgaben der §§ 140, 117, 127 HGB genügt wird. 696 Lindacher, FS Paulick, 73, 78 (Hervorhebung im Original); ablehnend BGHZ 64 (1975), 253, 257; ähnlich K. Schmidt, GesR3 (Vorauflage), § 50 III 1 c bb (S. 1452): »Aus der angeblich einklagbaren Mitwirkungspflicht der untätig bleibenden Gesellschafter wird eine schlichte Duldungspflicht im Rahmen der Gestaltungsklage. Die gegen sie gerichtete Klage zielt nicht darauf, dass sie sich auf der Klägerseite am Prozess beteiligen sollen, sondern schlicht darauf, dass sie die Rechtsgestaltung hinnehmen müssen«. In der aktuellen 4. Auflage ist diese Passage leicht abgewandelt, angepasst an die Konstruktion des Mehrparteienprozesses mit einheitlichem Streitgegenstand. Hier heißt es, dass aus der angeblich einklagbaren Mitwirkungspflicht »eine schlichte Einbeziehung in den auf alle Gesellschaftsverhältnisse einwirkenden Prozess« wird (S. 1465, Hervorhebung von Verf.). 697 S. weiter oben, S. 120.

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iv. Weitere Erklärungsmodelle für die Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts (1) Der Mehrparteienprozess mit einheitlichem Streitgegenstand nach Karsten Schmidt Die Problematik der Verfahrensbeteiligung bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen bietet immer wieder Anlass zu kritischer Auseinandersetzung, da die herkömmliche Handhabung zu recht nicht zu befriedigen vermag. Grundlegend hat sich mit der Thematik Karsten Schmidt698 auseinandergesetzt. Er vertritt die Ansicht, dass bei den Mehrpersonen-Prozessen des Gesellschaftsrechts ein einheitlicher Streitgegenstand vorliegt, der durch die beantragte Gestaltung bestimmt wird699. Das bedeutet, dass eine Ausschließungsklage gegen einen Gesellschafter nur einen Streitgegenstand hat, unabhängig von der Anzahl der Kläger oder Beklagten. Sollen jedoch zwei Gesellschafter ausgeschlossen werden, liegen zwei Streitgegenstände vor, weil auch zwei Gestaltungen vorgenommen werden sollen: Allein die Zahl der begehrten Gestaltungen entscheide über die Einheit oder Mehrheit der Streitgegenstände700. Der Prozess sei einheitlich, gegen jeden der auszuschließenden Gesellschafter werde geklagt auf seine Ausschließung und auf die Ausschließung des zweiten Gesellschafters. Auch wenn nach heutiger Praxis die Ausschließungsklage mit einer Mitwirkungsklage gegen den Gesellschafter, der nicht am Verfahren teilnimmt, verbunden wird701, liege ein einheitlicher Verfahrensgegenstand vor702. Die Mitwirkungsklagen seien »nichts anderes als rechtskonstruktive Provisorien ..., mit denen die herrschende Meinung Lücken im Rechtsbild des mehrseitigen Gestaltungsprozesses einstweilen zu schließen sucht«703. Gleichwohl sollen mehrere Anträge vorliegen und nicht eine Kollektivpartei mit nur einem Antrag704. Diese Konzeption von Karsten Schmidt hat sich nicht durchsetzen können. Eine gewisse Annäherung seiner Sichtweise zur h.M. besteht allerdings im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Streitgegenstandidentität und Parteiengleichheit. Z.B. ist weithin anerkannt, dass für eine notwendige Streitgenossenschaft notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung die Identität des Streitgegenstandes ist705. Auch hier wird also von einem Streitgegenstand trotz Parteienmehrheit gesprochen. Auch sonst wird teilweise von der Identität des ob698 Mehrseitige Gestaltungsprozesse bei Personengesellschaften (1992); vgl. im Ansatz zuvor auch Lindacher, FS Paulick, 73, 78ff. 699 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 95f., 129ff. 700 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 130. 701 Zu dieser Möglichkeit s. weiter oben, S. 129ff. 702 Begrüßenswert findet auch Lüke, FS Sturm, 1045, 1050 die Reduzierung des Streitgegenstandes auf den Ausschließungsgrund, wendet jedoch ein, dass es zweifelhaft sei, ob sie auf dem von K. Schmidt vorgeschlagenen Weg erreicht werden kann; so auch in JuS 1998, 594, 595. 703 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 13, 83. 704 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 127, 191. 705 S. z.B. MünchKommZPO-Schilken, § 62 Rn. 12; Stein/Jonas-Bork, § 62 Rn. 5, 9.

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jektiven Streitgegenstands gesprochen706, im Gegensatz zur Parteienidentität. Dahinter steht der Grundgedanke, dass nicht die formellen Parteien den Streitgegenstand individualisieren, sondern die behaupteten Subjekte des streitigen Rechtsverhältnisses707, so dass durchaus verschiedene Personen um ein und denselben Streitgegenstand prozessieren können708. Allerdings sollte richtigerweise bereits bei Parteienmehrheit nicht von einer Streitgegenstandsidentität gesprochen werden. Denn wenn man annimmt, dass der Streitgegenstand einer Klage durch Antrag und Lebenssachverhalt individualisiert wird, dann bestehen immer mehrere Streitgegenstände, wenn mehr als zwei Parteien existieren, denn jede Partei stellt nach heutigem Verständnis eigene Anträge. Wenn demnach für die Streitgegenstandsidentität auch Identität der Anträge erforderlich ist und mehrere Parteien auch mehrere – wenn auch inhaltsgleiche – Anträge stellen, dann ist die Identität der objektiven Streitgegenstände nicht abzugrenzen von der Parteienmehrheit: Immer, wenn mehr als zwei Parteien an einem Verfahren teilnehmen, liegen auch mehrere Streitgegenstände vor. Die gängige Praxis bei der Mitwirkungskonstruktion zeigt auch in anderer Hinsicht Berührungspunkte mit dem Mehrparteienprozess von Karsten Schmidt: Nach allgemeiner Meinung muss der Mitwirkungsanspruch nicht wie die Ausschließungsklage von allen übrigen Gesellschaftern gemeinsam geltend gemacht werden, sondern ist ein Individualanspruch des jeweiligen Gesellschafters709. Wenn jetzt mehr als ein Gesellschafter die Ausschließungsklage erheben, wird von den Befürwortern des Mitwirkungsanspruchs nicht danach gefragt, welcher Gesellschafter auch den Mitwirkungsanspruch geltend macht, sondern er wird stillschweigend der Klägerseite kollektiv zugeordnet. Als der BGH darüber hinaus früher davon sprach, dass die klagenden Gesellschafter als Prozessstandschafter der übrigen, zustimmenden, klagen710, hat er auch nicht präzisiert, wer Prozessstandschafter des zustimmenden Gesellschafters sein sollte. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Konstruktion des Mehrparteienprozesses würde den Rahmen dieser Arbeit deutlich sprengen. Tatsache ist, dass sich die Prozessrechtsdogmatik schwer tut, sobald das Gesetz eine gemeinsame Klage vorschreibt. Schwab hat sogar – über die Konzeption von Karsten Schmidt hinaus, der keine Kollektivpartei, sondern lediglich einen einheitlichen Streitgegenstand annimmt711, – geschrieben, dass »überall da, wo das Gesetz eine gemeinsame Klage vorschreibt, ... der Unterschied zur gemeinsamen Streitpartei nur noch gering (ist)«712. Schwab hat damit eine »einheitliche Streitpartei«, ähnlich 706 707 708 709 710 711 712

Gottwald, JA 1982, 74, 67. Henckel, S. 141. Nikisch, AcP 154, 271, 298. BGHZ 64 (1975), 253, 256; Schlegelberger-Martens, § 117 Rn. 29. S. weiter oben, S. 112. K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 191. Schwab, FS Lent, 271, 276.

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dem österreichischen Recht, vorgeschwebt. Und auch in der heutigen Praxis nähert man sich zum Teil sehr einer Kollektivpartei. Gemeint ist folgender Fall: Oft sind mehr als ein Gesellschafter auszuschließen. Das führt zu einer sehr komplizierten Lage, denn eigentlich müsste die Klage gegen jeden auszuschließenden Gesellschafter von allen übrigen Gesellschaftern erhoben werden – auch von denjenigen, die ebenfalls ausgeschlossen werden sollen. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Gesellschafter, der weiß, dass er selbst ausgeschlossen werden soll, sich solidarisch mit den anderen auszuschließenden Gesellschaftern zeigt und die Teilnahme an der Ausschließungsklage bzw. die Zustimmung verweigert. Dies ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn die Ausschließungsgründe gegen beide Gesellschafter identisch sind. Um dieses obstruktive Verhalten zu vermeiden, wird es als zulässig angesehen, dass alle auszuschließenden Gesellschafter auf der Beklagtenseite stehen713. Hier scheint sogar eine kollektive Klägerpartei einem Beklagtenkollektiv gegenüberzustehen. Allerdings ist in einem Fall der Argumentation von Karsten Schmidt nicht zu folgen. Er weist darauf hin, dass die h.M. »eine Pflicht des Mitgesellschafters zur Prozessbeteiligung auf der Klägerseite begründen muss, wo es der Sache nach nur darum geht, den Mitgesellschafter auf der Beklagtenseite in den Prozess hineinzuziehen«714. In Wirklichkeit verhält es sich jedoch geradezu umgekehrt: Obwohl die Beteiligung auf der Klägerseite erzielt werden müsste, weil das Gesetz dies verlangt, führt die Konstruktion der h.M. zu einer Beteiligung auf der Beklagtenseite. Entgegen Karsten Schmidt ist es nicht eine Verlegenheitslösung, dass die h.M. die Pflicht zur Prozessbeteiligung begründet, sondern umgekehrt, es ist nicht befriedigend, dass der gesetzlichen Vorgabe der Beteiligung auf der Klägerseite nicht entsprochen wird. (2) Das Modell von Herbert Roth Auch Herbert Roth hat sich mit der Problematik der Ausschließungsklage auseinandergesetzt715, wobei ihm die vorstehend behandelte Schrift Karsten Schmidts zum Mehrparteienprozess als Grundlage gedient hat. Aus dem von Karsten Schmidt entwickelten Modell hat er zwei Punkte besprochen, nämlich die Verbin713 S. bereits weiter oben, S. 97; – Wenn freilich das Ausschließungsbegehren gegen einen der auszuschließenden Gesellschafter unbegründet ist und die Klage diesbezüglich abgewiesen wird, bleibt dieser in der Gesellschaft, so dass seine Mitwirkung im Ausschließungsprozess gegen die übrigen Gesellschafter nicht (mehr) entbehrlich ist, was die entsprechende Klage unzulässig macht [BGHZ 64 (1975), 253, 255]. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, wird es teilweise zugelassen, dass neben dem Ausschließungsantrag hilfsweise ein Antrag auf Einwilligung in die Ausschließung des jeweiligen anderen Gesellschafters gestellt wird (Kollhosser, Anm. zu BGHZ 64, NJW 1976, 144f.; Schlegelberger/K. Schmidt, § 140 Rn. 50 unter Zugrundelegung der h.M.). 714 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 86. 715 Zweiparteiensystem und mehrseitige Gestaltungsklagen im Personengesellschaftsrecht, FS Großfeld, S. 915ff.

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dung von Ausschließungs- und Zustimmungsklage und die Möglichkeit der Gesellschafter, dem Verfahren fernzubleiben. An dem Modell von Karsten Schmidt empfindet er »als störend, dass zunächst einmal jeder prozessunwillige Gesellschafter als Beklagter in den Ausschließungsprozess gezwungen werden muss, selbst wenn er in der Sache möglicherweise auf Seiten des Klägers steht und sich einem positiven Prozessergebnis von vornherein nicht zu widersetzen wünscht«716. Er geht von dem zutreffenden Grundsatz aus, dass die Vorgabe des § 140 HGB auch nicht durch ein materiellrechtliches Einverständnis mit dem Klageziel erfüllt werden kann717, sondern dass es mindestens einer »der gemeinschaftlichen Klage der nicht auszuschließenden Gesellschafter gleichwertige(n) prozessuale(n) Entsprechung« bedarf718. Mit anderen Worten muss jede Konstruktion, die die Teilnahme am Prozess verzichtbar macht, die Zwecke erfüllen, die § 140 HGB mit der Vorgabe der gemeinsamen Klageerhebung verfolgt. Das sind insbesondere die Gewährleistung einer einheitlichen Entscheidung und rechtlichen Gehörs, die Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen sowie einer missbräuchlichen Ausübung des Ausschließungsrechts719. Zur Erreichung dieses Ziels schlägt Roth die analoge Anwendung der Beilademöglichkeit mit Rechtskrafterstreckung des § 856 vor720. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass mehrere Gläubiger z.B. dieselbe Geldforderung des Schuldners gegen einen Drittschuldner gepfändet haben (§ 853)721. Jeder einzelne der Gläubiger, dem die Forderung überwiesen wurde, kann gegen den Drittschuldner Klage erheben, mit der er die Hinterlegung des geschuldeten Betrags verlangt (§ 856 I i.V.m. § 853), es ist insbesondere keine gemeinsame Klageerhebung vorgeschrieben. Allerdings führt die erhobene Klage eines Gläubigers dazu, dass selbständige Klagen anderer Gläubiger unzulässig werden722. Die übrigen Gläubiger haben die Möglichkeit, diesem Rechtsstreit als Streitgenossen beizutreten (§ 856 II). Damit erlangen sie – anders als im Fall der streitgenössische Nebenintervention nach § 69 – Parteistellung. Der Drittschuldner wird angehalten zu veranlassen, dass die übrigen Gläubiger, falls sie nicht von sich aus dem Rechtsstreit beigetreten sind, 716

H. Roth, FS Großfeld, 915, 921. S. weiter oben, S. 101ff. 718 H. Roth, a.a.O. 719 H. Roth, a.a.O. 720 Auch Marotzke, ZZP 100, 164, 172 hatte eine Wirksamkeitsbeschränkung analog § 856 bei Gestaltungsklagen, insbesondere bei der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG, erwogen, jedoch die Antwort hierzu offen gelassen: Dagegen spreche die inter-omnes-Wirkung der Gestaltungsurteile, dafür die vergleichbare Wertung des § 640h a.F. bei einem Urteil mit Rechtskraft inter omnes sowie die Ansicht, dass die Gestaltungswirkung zu beschränken ist, wenn ein unmittelbar betroffener Dritte nicht gehört wurde. 721 § 856 findet auch Anwendung bei einer mehrfachen Pfändung eines Anspruchs auf bewegliche Sachen (§ 854) bzw. auf Grundstücke (§ 855). 722 In der Sache besteht weitgehende Einigkeit, es variieren lediglich die Begründungen, s. Stein/Jonas-Brehm, § 856 Rn. 2 m.Nachw. 717

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zur mündlichen Verhandlung geladen werden (§ 856 III). Diese Pflicht wird ihm auferlegt, weil nur er alle pfändenden Gläubiger kennt. Wenn er nicht die Beiladung veranlasst, kann er sich gegenüber den Gläubigern, die nicht geladen wurden, nicht auf eine ihm günstige Entscheidung berufen (§ 856 V)723. Eine Entscheidung zu seinen Lasten dagegen kann ihm von allen Gläubigern entgegengehalten werden (§ 856 IV i.V.m. § 856 V). Die Rechtskrafterstreckung nach § 856 IV auf die beigeladenen Gläubiger rechtfertigt sich nach der Ansicht von Häsemeyer wohl aus einer Art gesetzlicher Prozessstandschaft724. Es ist zu beachten, dass sich die Frage nach der Rechtskrafterstreckung in § 856 nur auf den geltend gemachten prozessualen Anspruch bezieht, nämlich auf die Pflicht zur Hinterlegung bzw. zur Herausgabe an einen Sequester. Obwohl der Drittschuldner auch Einwände gegen den Bestand der Forderung erheben kann725, da die Hinterlegungspflicht keine von einer Leistungspflicht unabhängige Verfahrenspflicht darstellt726, bildet die Entscheidung über diese nur eine Vorfrage bei der Prüfung der Hinterlegungspflicht, so dass diesbezüglich keine rechtskräftige Feststellung ergeht. Damit ist die Bedeutung der Rechtskrafterstreckung nach § 856 recht gering, denn die Feststellung der Hinterlegungspflicht ist nicht der wesentliche Punkt bei der Forderungsvollstreckung. Das für den Drittschuldner »günstige« Urteil nach § 856 V wird lediglich die Hinterlegungspflicht verneinen, das ihm »ungünstige« wird die Hinterlegung anordnen. Praktisch wirkt sich dies hauptsächlich darin aus, dass analog § 727 aus dem Urteil auch Gläubiger vollstrecken können, die nicht am Verfahren teilgenommen hatten727. Im ersten Fall eines dem Drittschuldner günstigen Urteils besagt somit die Rechtskrafterstreckung gegen die beigeladenen, aber nicht erschienenen Gläubiger lediglich, dass sie nicht nochmals die Hinterlegung bzw. Herausgabe verlangen können. Dieses Modell will Herbert Roth auf die Ausschließungsklage nach § 140 HGB (sowie auf die Fälle der §§ 117, 127 HGB728) übertragen. Den Berührungspunkt sieht er darin, dass es in beiden Fällen um materiellrechtlich abhängige Rechtsverhältnisse geht729. Es handele sich »um eine teleologische Reduktion des § 140 HGB, die immer die potentielle Prozessbeteiligung aller Gesellschafter mit

723 Ob der Beigeladene Partei wird oder nicht, wird in der Regel nicht erörtert. Roth (FS Großfeld, 915, 924) meint dass dies nicht der Fall ist und verweist auf Grunsky, Grundlagen, S. 295, 297, der allerdings nicht § 856 behandelt, sondern generell die Möglichkeit einer notwendigen Beiladung im Zivilprozessrecht, die er nur dann als zulässig ansieht, wenn der Dritte nicht auf anderem Wege Partei werden kann. 724 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 405. 725 Stein/Jonas-Brehm, § 856 Rn. 6. 726 MünchKommZPO-Smid, § 856 Rn. 9. 727 OLG Saarbr., NJW-RR 1990, 1472; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 16 V 2 a aa) (S. 269). 728 Roth, FS Großfeld, 915, 925. 729 Roth, FS Großfeld, 915, 921, 922.

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A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

stets eintretender Rechtskrafterstreckung sichert«730. Jeder Gesellschafter soll auch allein die Ausschließungsklage erheben können. Die übrigen Gesellschafter hätten die Möglichkeit, sich freiwillig am Verfahren als Partei zu beteiligen, wären allerdings nicht dazu verpflichtet. Ihre Beiladung könnten – insoweit abweichend von § 856 III – nicht nur der Beklagte Auszuschließende, sondern auch die übrigen klagenden Gesellschafter anregen. Diese Abweichung sei auf die Interessenlage zurückzuführen731. Selbst beigeladene Gesellschafter seien nicht verpflichtet, prozessual tätig zu werden, würden jedoch von der Rechtskraft des Urteils analog § 856 V, IV erfasst. Der klagende Gesellschafter handele als eine Art gesetzlicher Prozessstandschafter für die beigeladenen, aber nicht erschienenen Gesellschafter: »Das nach § 140 HGB, § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO von allen nicht auszuschließenden Gesellschaftern grundsätzlich gemeinsam auszuübende Gesamtprozessführungsrecht geht in analoger Anwendung des § 856 ZPO kraft Gesetzes auf die prozesswilligen Gesellschafter über, sofern sich die Beigeladenen nicht am Prozess beteiligten«732. »In Fortbildung des § 856 Abs. 2 ZPO« solle der geladene Gesellschafter auch die Möglichkeit haben, auf der Seite des auszuschließenden Beklagten am Prozess teilzunehmen, wenn er das Vorhandensein eines Ausschließungsgrunds bestreite. Dann werde der Gesellschafter jedoch nicht Streitgenosse des Beklagten, sondern lediglich streitgenössischer Nebenintervenient nach § 69733. Auch solle er die Möglichkeit haben, von der Beklagten- auf die Klägerseite zu wechseln734. Wegen der Möglichkeit, die übrigen Gesellschafter analog § 856 III beizuladen, verneint Roth das Rechtsschutzbedürfnis für eine Zustimmungsklage735. Die Regelung des § 856 soll analog auch auf die Auflösungsklage nach § 133 HGB anwendbar sein. Allerdings gelte dies nur für eine Beiladung zum Beitritt auf der Klägerseite. Wer der Auflösung in der Sache nicht zustimme, sei zu verklagen, da sonst die Auflösungsklage eventuell ohne Beklagten bliebe736. Nur nachträglich hätte ein Gesellschafter die Möglichkeit, sich auf die Seite des Beklagten als streitgenössischer Nebenintervenient i.S.d. § 69 zu begeben737. Bemerkenswert ist, dass Herbert Roth in seiner Schlussbemerkung in der Festschrift für Großfeld ausdrücklich hervorhebt, dass sein Beiladungsmodell eine allseitige Rechtskrafterstreckung gewährleistet738. Das wäre jedoch dann praktisch unerheblich, wenn es tatsächlich eine prozessuale Gestaltungswirkung gäbe, die jedermann erfasst. Tatsächlich spricht Roth auch wiederholt von der materiel730 731 732 733 734 735 736 737 738

Roth, FS Großfeld, 915, 925. Roth, FS Großfeld, 915, 923. Roth, FS Großfeld, 915, 925. Roth, FS Großfeld, 915, 924. Roth, FS Großfeld, 915, 924f. Roth, FS Großfeld, 915, 925. Roth, FS Großfeld, 915, 927. Roth, FS Großfeld, 915, 927. Roth, FS Großfeld, 915, 928.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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len Gestaltungswirkung bzw. der materiellrechtlichen Wirkung des Ausschließungsurteils739. Der Erklärungsansatz von Herbert Roth verfolgt mit seinem Modell ein nachvollziehbares und begrüßenswertes Ziel: Einerseits soll im Geiste der §§ 133, 140 HGB die prozessuale Bindung aller Gesellschafter an das Urteil gewährleistet werden, andererseits sollen auch einzelne Gesellschafter in der Lage sein, Klage zu erheben. Die übrigen Gesellschafter hätten dann die Möglichkeit, entweder doch am Verfahren teilzunehmen, oder es nicht zu tun, allerdings mit der Folge, dass sie an das Urteil prozessual gebunden sind. Ähnliche Gründe liegen auch der Zustimmungskonstruktion in der Gerichtspraxis zugrunde. Der Vorzug des Erklärungsversuchs von Roth liegt darin, dass er sich nicht lediglich von Praktikabilitätsgründen leiten lässt, sondern sich um eine prozessual korrekte Lösung bemüht. Allerdings ist fraglich, ob der Fall, der § 856 zugrunde liegt, ohne weiteres mit der Situation der §§ 133, 140 HGB verglichen werden kann. Wie bereits hervorgehoben wurde, ist der Streitgegenstand der Klage nach § 856 begrenzt auf die Frage, ob den Drittschuldner eine Hinterlegungs- oder Herausgabepflicht trifft. Dabei handelt es sich um eine Verfahrenspflicht, die zwar den materiellen Bestand der gepfändeten Forderung voraussetzt, diese jedoch nicht unmittelbar berührt. Die eigentliche Kernfrage des Vollstreckungsverfahrens nach der gepfändeten Forderung wird nicht rechtskräftig entschieden. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zu der Auflösungs- oder der Ausschließungsklage, die keine Nebenaspekte betreffen, sondern zu einem rechtskräftigen Ausspruch über das eigentliche materielle Ziel führen, und eine (analoge) Anwendung des § 856 erscheint nicht angebracht. Außerdem spricht ein gewichtiges – wenn auch heute weithin vergessenes – Argument gegen eine Analogie, nämlich dass der Gesetzgeber die »zwangsweise Zuziehung eines Dritten zur Theilnahme an einem anhängigen Rechtsstreite« in Gestalt einer »Beiladung« ausdrücklich 1877 verworfen hatte740. Die Motive zur CPO hatten der Frage, ob nach dem Vorbild der französischen »intervention forcée« die »Beiladung« eingeführt werden sollte, einen ganzen Abschnitt gewidmet und schließlich betont, dass abgesehen von den dort genannten Sonderfällen (darunter auch der heutige § 856 ZPO) »die Beiladung nur in der Form der Streitverkündung statthaft« sein sollte741. (3) Übernahme der notwendigen Beiladung des Verwaltungsrechts? Um den Problemen zu begegnen, die sich bei gerichtlichen Verfahren ergeben, die die subjektiven Rechte mehrerer Personen betreffen, wird immer wieder gefordert, das Modell der notwendigen Beiladung aus dem Verwaltungsrecht 739 740 741

Roth, FS Großfeld, 915, 923, 926, 924 (Hervorhebung von Verf.). Hahn, Materialien CPO, S. 184. Hahn, Materialien CPO, S. 184.

160

A. Herkömmliche Behandlungen der Gestaltungsklagen und -urteile

(§ 65 II VwGO) zu übernehmen und auch im Zivilprozessrecht anzuwenden742. Eine Lösung der Problematik der Ausschließungs- und Auflösungsklage wäre jedoch auch dadurch nicht zu erzielen, denn die Beiladung verschafft dem Beigeladenen nicht die Parteistellung, so dass sie auch nicht die Unzulässigkeit heilen kann, wenn nicht alle notwendigen Streitgenossen gemeinsam klagen oder verklagt werden743. Im Verwaltungsprozess führt sie zwar nach § 121 VwGO zur Rechtskraftbindung, im Zivilprozessrecht müsste jedoch dazu § 325 entsprechend erweitert werden. Da jedoch über die Anwendung der Grundsätze der actio pro socio eine befriedigende Lösung mit den prozessualen Bordmitteln erreicht werden kann, ist eine Übernahme der notwendigen Beiladung in den Zivilprozess zumindest was den hier besprochenen Problemkomplex angeht nicht erforderlich.

d. Zusammenfassung Die Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts sind besonders gut geeignet, um Schwachstellen in der gängigen Dogmatik der Gestaltungsklagen aufzuzeigen. Zuerst erweist sich die Verneinung eines privaten Gestaltungsrechts als unvereinbar mit der Annahme einer Mitwirkungspflicht: Es wird eine schadensersatzbewehrte materiellrechtliche Pflicht zur Mitwirkung an der Erfüllung eines Rechts angenommen, das angeblich keinem Berechtigten zusteht. Noch größere Bedenken bestehen bezüglich der Rechtsnatur der Gestaltungswirkung. Wenn es sich dabei nämlich – wie von der h.M. angenommen wird – um eine prozessuale Urteilswirkung handeln sollte, liefe die gängige Rechtspraxis auf eine rechtsgeschäftliche Unterwerfung unter eine prozessuale Urteilswirkung hinaus. Die Möglichkeit der Unterwerfung unter die materielle Rechtskraft wird jedoch heute ganz überwiegend im Hinblick auf ihren öffentlichrechtlichen Charakter abgelehnt. Die Zustimmung der dem Prozess fernbleibenden Gesellschafter lenkt die Gedanken eher auf die Rechtsfigur der gewillkürten Prozessstandschaft. Bei sinnvoller Ausgestaltung der »Zustimmung« werden auch die von Rechtsprechung und Lehre für eine Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft entwickelten Voraussetzungen erfüllt sein. Ist die freiwillige Ersetzung der Teilnahme am Verfahren dogmatisch zu begründen, so gilt das noch nicht auch für die Möglichkeit der Annahme einer er742 Dimaras, S. 92; Grunsky, § 25 II 3 (S. 231), § 30 III 1 (S. 296f.); Schlosser, S. 213f.; Schlosser, JZ 1967, 431, 435; Vollkommer, FS BGH, 127, 137ff.; ähnlich Bettermann, JZ 1962, 675, 677; a.A. Schultes, S. 109ff.; nach Ansicht von K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 38 ist auch in BVerfGE 60 (1982), 7, 13 eine Sachnähe zur notwendigen Beiladung im Verwaltungsprozess festzustellen. »Dieser besondere Schutz ist aber im GmbH-Recht nur deshalb erforderlich, weil hier den Gesellschaftern die Last erspart wird, den Prozess von vornherein als Mehrparteienprozess unter Beteiligung aller zu führen«. 743 Bettermann, ZZP 90, 121, 123f.

II. Inkonsequenzen bezüglich der Wirkung des Gestaltungsurteils

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zwingbaren Mitwirkungspflicht. Wenn sie der gesetzlichen Vorgabe der gemeinsamen Klageerhebung genügen soll, dann muss sie entweder darauf lauten, tatsächlich am Verfahren teilzunehmen oder Prozessführungsermächtigung zu erteilen. Beide Möglichkeiten sind nicht mit der Dispositionsmaxime vereinbar. Auch eine Pflicht zur Unterwerfung unter die Urteilswirkungen kann nicht zum gewünschten Ergebnis führen, da bereits die Möglichkeit einer einvernehmlichen diesbezüglichen Einigung zumindest nach jetzigem Stand zu verneinen ist. Wenn aber bereits eine eigenverantwortlich und vom freien Willen getragene Unterwerfung nicht als zulässig erachtet wird, muss dies umso mehr für eine erzwungene Unterwerfung gelten. Aus der Sicht der hier vertretenen Ansicht sind die Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts folgendermaßen zu behandeln: Ihnen liegt ein materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde. Wenn mit der h.M. materielle Mitwirkungspflichten zur Gestaltung angenommen werden, dann können sich diese nur auf die rechtsgeschäftliche Gestaltung durch Gesellschafterbeschluss beziehen. Eine Pflicht zur Teilnahme an einem Prozess ist außerhalb der vorhandenen Beilademöglichkeiten, die im Zivilprozessrecht auch nicht das Problem zu lösen vermögen, ausgeschlossen. Insbesondere kann das Institut der gewillkürten Prozessstandschaft zwar die freiwillige Nichtteilnahme am Verfahren rechtfertigen, nicht jedoch in eine erzwungene Prozessstandschaft verwandelt werden. Die verbreitete Praxis, die Teilnahme einzelner Gesellschafter unter Umständen auch gegen ihren Willen für entbehrlich zu halten, lässt sich nur unter Anwendung der Grundsätze der actio pro socio rechtfertigen. Sie ist richtigerweise als eine Prozessführung in gesetzlicher Prozessstandschaft zu qualifizieren, die jedoch nur als Notbehelf zulässig ist. Wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind, führt sie zu einer Rechtskrafterstreckung auf die dem Verfahren ferngebliebenen Gesellschafter. Damit kann eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleistet werden, ohne dass die Vorgabe der §§ 140, 117, 127 HGB missachtet wird. Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschafter, die sich weigern, an der Klageerhebung teilzunehmen, sind durch diese Betrachtungskonstruktion nicht erforderlich, aber auch nicht zulässig.

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes Durch das Gestaltungsurteil findet eine materiellrechtliche Änderung statt. Damit sind die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Bindung an das Gestaltungsurteil vorprogrammiert, insbesondere unter der in Deutschland vorherrschenden prozessualen Betrachtungsweise im Hinblick auf die Bindung an ein gerichtliches Urteil. Die Versuchung ist groß, die Lösung der Bindungsproblematik so anzugehen, als gäbe es ein »objektive« materielle Rechtslage. Nicht nur muss es jedoch eine derartige geben, wenn sie die universelle Breitenwirkung rechtfertigen soll, sie muss auch ihren authentischen Ausdruck im Gestaltungsurteil gefunden haben. Allerdings wäre beides ein Idealzustand, der nicht zwingend der Realität entspricht. Man könnte bereits anzweifeln, ob man von einer objektiven, sozusagen der einzig wahren, materiellen Rechtslage sprechen kann, da es keinen objektiven Betrachter gibt, sondern immer nur die subjektive Beurteilung der subjektiv wahrgenommenen »Tatsachen«1. Es ist eine Errungenschaft der prozessualen Betrachtungsweise der Bindungsproblematik, dass man sich bewusst ist, dass diese »objektive Rechtslage« nicht zwingend mit einem entsprechenden gerichtlichen Urteil übereinstimmen muss, und dies gilt auch für das Gestaltungsurteil. Es wurde bereits aufgezeigt, dass die Tatsache der materiellrechtlichen Gestaltung an sich noch zu keiner Antwort auf die Frage nach der prozessualen Bindungswirkung führt2. Besonders deutlich wird dies, wenn nach einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung ein Feststellungsurteil erstritten wird, das nur innerhalb der subjektiven Rechtskraftgrenzen prozessual verbindlich wirkt, so dass widersprüchliche Urteile durchaus denkbar sind, obwohl es um dieselbe materiellrechtliche Gestaltung geht3. Aus diesem Grund kann eine umfassende prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass andernfalls die Autorität des Richterspruchs leiden würde: Wenn unterschiedliche Feststellungen bezüglich derselben Gestaltung denkbar sind, ohne dass die Autorität des Richterspruchs leidet, muss dies auch für die Gestaltung durch Urteil gelten4. Die weiter oben bei der Diskussion der verschiedenen Erklärungsmodelle für die Bindungswirkung des Gestaltungsurteils ermittelten Ergebnisse lassen sich 1 2 3 4

S. bereits weiter oben, S. 4. S. weiter oben, S. 76ff. S. weiter oben, S. 83ff. S. weiter oben, S. 88.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

163

wie folgt zusammenfassen: Soweit der Umfang der Bindung an das Gestaltungsurteil aus der Parallele zur materiellen Gestaltung hergeleitet wird, basiert dies auf einer Verkennung des Unterschieds zwischen materiellen Auswirkungen und prozessualer Bindungswirkung. Damit ist nachfolgend die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils ohne das Vorverständnis der »naturgemäßen« Breitenwirkung zu überprüfen, insbesondere die objektive und subjektive Reichweite seiner materiellen Rechtskraft.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils 1. Die prozessuale Bindung des Richters an das Gestaltungsurteil Bei der Diskussion um die Tragweite des Gestaltungsurteils darf nicht vergessen werden, dass die rechtliche Lösung stets »vom Normalfall, von der Norm und insofern von der Regel auszugehen und erst dann den abnormen Fall ins Auge zu fassen (hat). Das gilt schon grundsätzlich als allgemeines methodisches Prinzip, aber gerade auch für die Erklärung der Bindung an den Urteilsspruch und seine Rechtskraft«5 – und es muss auch für die Bindung an das Gestaltungsurteil gelten. Wenn es nun einen objektiven Betrachter gäbe und dieser feststellen könnte, dass der Rechtsstreit ursprünglich »richtig« entschieden wurde, dann wäre es im Ergebnis unerheblich, ob der Sachverhalt erneut überprüft wird oder nicht. Unter der genannten – utopischen – Prämisse des objektiven Betrachters ist die prozessuale Bindung inter omnes oder inter partes nur dann entscheidungserheblich, wenn ein Urteil »falsch« war. Jedoch gibt es keinen der menschlichen Erkenntnis zugänglichen objektiven Betrachter, so dass es verkürzt ist anzunehmen, die Frage nach der subjektiven Bindungswirkung stelle sich ausschließlich im Ausnahmefall fehlerhafter Gestaltungsurteile6. Jedes Urteil kann nämlich aus der Sicht eines – freilich in Wirklichkeit nicht existierenden – objektiven Betrachters fehlerhaft sein, und zwar sowohl das erste, präjudizielle Gestaltungsurteil, als auch nachfolgende Entscheidungen, so dass bei Verneinung der Bindungswirkung auch des ersten – »richtigen« – Urteils der Entscheidungseinklang nicht garantiert ist. Dies wird verkannt, wenn geschrieben wird, dass sich Probleme mit der absoluten Gestaltungswirkung dann, und nur dann, ergeben, wenn das Gestaltungsurteil unrichtig war7. Es sei noch einmal ein Zitat aufgegriffen, das weiter oben8 angeführt wurde: »Es muss ... der materiellrechtlichen Theorie zugegeben werden, dass sie dort, wo eine Rechtskrafterstreckung nicht in Frage kommt, eine einheitliche Entschei5 6 7 8

Gaul, FS Schwab, 111, 130; Gaul, AcP 168, 27, 58f.; Gaul, FS Flume, 443, 458. So z.B. Dimaras, S. 65. So z.B. Grunsky, Grundlagen, S. 296ff. S. weiter oben, S. 78.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

dung aber gleichwohl praktisch erwünscht ist, die Nachteile unrichtiger Urteile auszugleichen vermag. ... Die zwanglose, elegante Lösung solcher Einzelfälle, zu der die materiellrechtliche Theorie befähigt, darf nicht wundernehmen, wenn man beachtet, dass sie auf solche Fälle zugeschnitten wurde. Sie bildet auch keinen Beleg für die Richtigkeit der bekämpften Theorie, die sich doch gegenüber dem richtigen Erkenntnis bewähren müsste«9. Diesen Einwand kann man ohne weiteres auf die Lehre von der Wirkung inter omnes der Gestaltungsurteile übertragen: Wo eine einheitliche Entscheidung rechtspolitisch und praktisch wünschenswert erscheint, braucht man sich nach heutiger Handhabung nicht mehr mit der Fehlerhaftigkeit des Gestaltungsurteils zu beschäftigen, denn es hat ja jedenfalls die materielle Rechtslage geändert. Man geht sogar zum Teil soweit, die Rechtsnatur als Gestaltungsurteil aus der Notwendigkeit herzuleiten, eine Bindung inter omnes zu erzeugen. So wurde im Hinblick auf die Rechtsnatur der Erbunwürdigkeitserklärung argumentiert, dass die Deutung als Gestaltungsurteil vorzugswürdig sei, »weil dadurch überzeugender zu erklären ist, weshalb sich die Wirkung der (auch sachlich falschen) Erbunwürdigkeitserklärung auf dritte, am Prozess nicht beteiligte Personen (insbesondere Nachlassgläubiger) erstreckt«10. Nichts könnte deutlicher machen, wie zweckorientiert im Gegensatz zu systematisch hergeleitet das Dogma der allgemeinen prozessualen Verbindlichkeit von Gestaltungsurteilen ist. Es geht hier allein um die prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil. Das bedeutet, dass in der Regel auch in einem Folgeprozess außerhalb der Rechtskraftgrenzen die materielle Rechtslage zugrunde gelegt werden wird, die zwischen den Parteien durch das Gestaltungsurteil und seine Einwirkung auf das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis entstanden ist. Jedoch wird dies nicht automatisch aufgrund der vermeintlichen Gestaltungswirkung des Urteils geschehen, sondern nach erneuter Prüfung der Sachlage. Diese Prüfung wird in den meisten Fällen zum gleichen Ergebnis führen wie das Gestaltungsurteil11, da das richtige Urteil als die Regel anzusehen ist und das falsche als die Ausnahme. Das Gestaltungsurteil spricht idealerweise lediglich Rechtsfolgen aus, für die die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Und auch das spätere Urteil, für das die Gestaltung vorgreiflich war, befindet dann idealerweise, dass die Gestaltung auch im Verhältnis zu Dritten als erfolgt anzusehen ist. So betrachtet findet – beim richtigen Urteil – eine Unterwerfung unter einen fremden Willen statt (dem des Klägers oder Antragstellers), wie sie dem rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrecht eigen ist12. Lediglich beim unrichtigen Urteil findet ein Zustand der öffentlich9

Hofmann, S. 19f. MünchKomm-Frank, § 2342 Rn. 7; ähnlich Palandt-Edenhofer, § 2342 Rn. 1: Wirkung für und gegen jedermann. »Wegen derieser Wirkung ist sie liegt Gestaltungsurteil Gestaltungsklage, nicht Feststellungsurteil vorklage«. 11 Dazu, dass dies nicht garantiert ist, s. S. 163. 12 Dazu Bötticher, FS Dölle, 41, 56; Bötticher, Unterwerfung, passim. 10

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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rechtlichen Unterworfenheit unter die Gerichtsgewalt statt, genau wie beim unrichtigen Leistungs- und Feststellungsurteil auch13. Vereinzelt wurde schon in der Vergangenheit der richtige Ansatz gesehen, als z.B. Ring bemerkte, dass Gestaltungsurteile gemischte Wirkungen erzeugen: eine materiellrechtliche, die in der Rechtslagenänderung liegt, und eine prozessuale, die besagt, dass jedermann an den konkreten Urteilsinhalt gebunden sei14. Die hier für erforderlich gehaltene Korrektur bezieht sich auf das Ausmaß der subjektiven prozessualen Bindung. Fasching hat zwar auch einen richtigen Ansatz zur Differenzierung materieller und prozessualer Wirkungen des Gestaltungsurteils gefunden, diesen jedoch nicht konsequent durchgeführt. Er geht davon aus, dass die Gestaltungswirkung eine materielle Wirkung ist, die an sich mit einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung vergleichbar ist. »Den hoheitsrechtlichen Charakter des Urteilsspruches und seine damit verbundene Maßgeblichkeit und Unzweifelhaftigkeit des Inhaltes ... kann niemals die materielle Rechtsordnung verleihen, sondern das ist die Folge der prozessualen Rechtskraft«15. Und zu den unechten Gestaltungsurteilen: »Ob und inwieweit Dritte dieses Urteil rechtlich gegen sich gelten lassen müssen, bestimmt sich hier ausschließlich aus dem Umfang der materiellen Rechtskraft. Diese wirkt in aller Regel nur zwischen den Parteien«16. Diesen Ausführungen kann bedingungslos zugestimmt werden (mit einziger Ausnahme der Beschränkung auf unechte Gestaltungsurteile). Jedoch widerspricht sich Fasching unerwartet selbst und nimmt an, dass bei den unechten Gestaltungsurteilen Dritte doch das Urteil »rechtlich gegen sich gelten lassen müssen«, so dass der Dritte das Ausschließungsurteil »wohl als Faktum zur Kenntnis nehmen muss, aber seinerseits noch immer behaupten könnte, der Ausschluss sei nicht berechtigt und zu seinem Nachteile und um ihn zu schädigen erfolgt«17. Es schimmert wohl auch hier die körperweltliche Sicht der Dinge durch, die die »Anerkennung« einer Gestaltung zu diktieren scheint, weil man nicht leugnen könne, dass das Gestaltungsurteil ergangen ist18.

a. Wird die Gestaltung von einer Vollstreckungswirkung herbeigeführt? Früher wurde die Gestaltung durch Urteil als Vollstreckung im weiteren Sinne verstanden19. Konsequenz dieser Einordnung war, dass vereinzelt angenommen 13

Staab, S. 98f. Ring, S. 71f. 15 Fasching, östJBl. 97, 505, 519. 16 Fasching, östJBl. 97, 505, 519. 17 Fasching, östJBl. 97, 505, 520. 18 S. weiter oben, S. 56. 19 Flechtheim, FS Zitelmann, S. 15: Das Gestaltungsurteil trage die Vollstreckungsfunktion in sich, ähnlich wie ein Urteil nach § 894; Hellwig, System, § 105 II (S. 276); Hellwig, Klagrecht, S. 16 und dort Fn. 1, S. 62 und dort Fn. 14; Hellwig, Wesen, S. 2; Kuttner, Nebenwirkungen, S. 9; 14

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

wurde, dass ein ausländisches Gestaltungsurteil im Inland nur dann Gestaltungswirkung entfalten könne, wenn ein rechtskräftiges Vollstreckungsurteil nach § 722f. ZPO vorliege20. Heute geht man überwiegend von der Wesensverschiedenheit von Gestaltungs- und Vollstreckungswirkungen aus21. Allerdings wird weiterhin zuweilen die »Gestaltungswirkung« als Vollstreckungswirkung im weiteren Sinne verstanden22. Dies wäre in der Tat denkbar, denn Gestaltung und Vollstreckung werden zum Teil selbst im Gesetz nicht auseinander gehalten. Die Patentnichtigkeitsklage sowie die Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz nach § 81 PatG werden z.B. nach einhelliger Meinung als Gestaltungsklagen eingestuft. Gleichwohl ist in § 85 VI PatG die Rede von vorläufiger Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung sowie vom Ersatz des Schadens, der durch die »Vollstreckung« des Patentnichtigkeitsurteils entsteht. Die Anordnung vorläufiger Vollstreckbarkeit bezieht sich hier nicht auf die Kosten, sondern auf das Hauptsacheverfahren23. Dies bedeutet, dass der Kläger berechtigt ist, die Erfindung in dem durch das Urteil gestatteten Umfang zu benutzen24. Und mit dem Schaden »durch die Vollstreckung« ist der Schaden gemeint, der durch die dem Urteil entsprechende Benutzung der Erfindung entsteht25, mit anderen Worten, der Schaden durch die Gestaltung (Nichtigerklärung), die die Benutzung möglich gemacht hat. Die Sachnähe zwischen Gestaltungs- und Vollstreckungswirkung könnte kaum eindrucksvoller dokumentiert werden. Für die Einordnung der Gestaltung als Vollstreckung scheint zu sprechen, dass die Wirkung eines Urteils nach § 894 heute unstreitig als Vollstreckungswirkung eingestuft wird, denn ein sachlicher Unterschied besteht insofern nicht: Die vom Urteil angeordnete Wirkung tritt in beiden Fällen ohne weitere äußere Hilfe von selbst mit Eintritt der Rechtskraft ein26. Der verurteilte Beklagte hat nicht einmal die Möglichkeit, freiwillig zu leisten27. Die Sachnähe und rechtspolitische Austauschbarkeit von Klage auf Abgabe einer Willenserklärung und Gestaltungsklage als rechtstechnische Mittel der Grundlagenänderung wurde schon weiter oben Wurzer, JherJahrb. 70 (1921), 187, 195, der allerdings daraus merkwürdigerweise den Ausschluss der Wiederaufnahmeklage gegen das Scheidungsurteil folgerte; dagegen zutreffend Rüßmann, AcP 167, 410, 412f. 20 Hellwig, Anspruch, S. 477f.; Hellwig, Lehrbuch, S. 395; heute wird lediglich eine Vollstreckbarerklärung im Kostenpunkt verlangt, s. MünchKommZPO-Gottwald, § 722 Rn. 16; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 2 (S. 138) m.Nachw. 21 S. z.B. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 10 I 2 (S. 99); Stein/Jonas-Münzberg, vor § 704 Rn. 47a. 22 Rüßmann, AcP 167, 410, 412; Schlosser, S. 266; vgl. allerdings ders., FS Nakamura, 515, 518; Wieser, ZZP 102, 261, 263 der diese Aussage auf die Ausnahmefälle beschränkt, dass die Gestaltungswirkung schon mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils eintritt. 23 BPatGE 32, 184, 199. 24 Benkard-Schäfers, § 85 PatG Rn. 11. 25 Benkard-Schäfers, § 85 PatG Rn. 12. 26 Rödig, S. 78f.; Schlosser, S. 35. 27 S. auch weiter oben, Fn. 68.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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aufgezeigt28. Diese Austauschbarkeit kann interessanter weise sogar in zweierlei Hinsicht herangezogen werden: Zum einen ist sie ein Indiz für die Sachnähe zwischen Gestaltung und Vollstreckungswirkung, zum anderen zeigt sie an, dass die Gestaltung gerade keine »volle« Vollstreckungswirkung sein kann, denn auch die Vollstreckungswirkung des Urteils nach § 894 ist eine verkürzte. Auch die Regelung des § 708 Nr. 7 betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils ohne Sicherheitsleistung weist in diese Richtung: Es werden (unter anderem) erfasst Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume z.B. wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund des § 574a BGB. Es handelt sich hierbei um ein Gestaltungsurteil, das nicht nur bezüglich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt wird, sondern auch in der Hauptsache. Darüber hinaus wird vorläufige Vollstreckbarkeit auch bei einer Reihe von prozessualen Gestaltungsurteilen angeordnet, auch hier betreffend den gestaltenden Hauptausspruch des Urteils, z.B. beim zurückverweisenden Berufungsurteil mit Folge der Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung (§ 775 Nr. 1)29 bzw. bei der Vollstreckungsgegenklage (§ 767) oder der Drittwiderspruchsklage (§ 771). Auch die Tatsache, dass die Gestaltung immer an den Eintritt der Rechtskraft gekoppelt wird30, selbst wenn das Gesetz diesbezüglich schweigt, wäre mit der These zu vereinbaren, dass die Gestaltung eine Art Vollstreckung ist. In dieselbe Richtung weist auch die Handhabung der Gestaltungsklagen, welche durch Schiedsverfahren ersetzt werden können (z.B. Auflösungsklage). Hier wird angenommen, dass die Auflösung erst mit der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs erfolgt31. Diese Behandlung der gestaltenden Schiedssprüche wurde früher ausdrücklich mit dem Vollstreckungscharakter der Gestaltung begründet: Die Rechtsänderung durch das rechtskräftige Urteil »vollzieht sich von selbst. Es trägt in sich Vollstreckungsfunktion. ... Die Entscheidung kann auch durch Schiedsspruch erfolgen. Dieser besitzt aber nicht auch die konstitutive Kraft der richterlichen Entscheidung. Der Schiedsspruch kann ja auch sonstige Vollstreckungswirkungen nicht auslösen. Er muss vielmehr durch das Gericht rechtskräftig für vollstreckbar erklärt sein«32. Eine ähnliche Aussage findet sich 28

S. 22ff. S. dazu Schlosser, FS Nakamura, S. 515ff. 30 RGZ 123 (1929), 151, 153; Baumbach/Hopt-Hopt, § 133 Rn. 15, § 117 Anm. 4 A, § 142 Anm. 1 D Blomeyer, ZPR, § 94 I (S. 496), § 86 III 2 (S. 428); Hueck, FS Heymanns, 287, 302; Jauernig, ZPR, § 65 I 2 (S. 269); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 13; Stein/Jonas-Schumann, vor § 253 Rn. 61; einschr. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 14: in der Regel, wenn auch nicht begriffsnotwendig. 31 Dazu s. auch weiter unten, S. 255. 32 Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 117 Anm. 6 (Hervorhebung von Verf.). Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass diese Aussage Flechtheims zur Klage auf Entziehung der 29

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

bei Bellwinkel: »Nach der h.A. wird es als zulässig erachtet, zu vereinbaren, dass an die Stelle des ordentlichen Gerichts ein Schiedsgericht treten soll. Jedoch hat der hiernach ergehende Schiedsspruch nur die Bedeutung, dass er das materielle Recht auf Rechtsänderung feststellt. Da der Schiedsspruch infolgedessen die dem Urteil innewohnende, konstitutive, Vollstreckungsfunktionen auslösende Kraft nicht besitzt, so bedarf es bei einer diesbezüglichen Abmachung gemäß § 1042 ZPO noch der Erwirkung eines Vollstreckungsurteils«33. Auch heute wird das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung des Auflösungsurteils mit dem Charakter der Gestaltungswirkung begründet: Die »Gestaltung entspricht in ihrer Bedeutung der Vollstreckung und setzt daher rechtskräftige Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ZPO voraus«34. Allerdings wird die Gestaltung gerade nicht als Vollstreckungswirkung im technischen Sinne eingestuft, sondern es wird lediglich die Entsprechung der Funktionen festgestellt, was der dieser Arbeit zugrunde liegende Wertung entspricht, wie im Anschluss an die Bestandsaufnahme auszuführen sein wird35. Auch die Problematik um die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen rechtsgestaltende Verwaltungsakte zeigt, dass man durchaus die Gestaltung als eine Art Vollstreckung erfassen kann36, denn nach § 80 I S. 2 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung aufschiebende Wirkung. Wenn man die Gestaltung als Vollstreckung im technischen Sinne einstufen wollte, wäre sogar die Unantastbarkeit des Gestaltungsurteils herleitbar, wenn man den Eintritt der Gestaltung als originären Rechtserwerb deuten würde, der nicht mehr rückgängig zu machen sei, auch wenn er materiell nicht gerechtfertigt war, ähnlich dem originären Eigentumserwerb in der Zwangsvollstreckung. Die oben aufgezählten Punkte zeigen, dass zumindest eine große Sachnähe besteht zwischen Gestaltung und Vollstreckung. Gleichwohl basiert die Gestaltung nicht auf einer Vollstreckung im technischen Sinne. Während die Gestaltung nämlich eine materiellrechtliche ist, die sich auf der ideellen Ebene vollzieht und somit jedes weitere staatliche Handeln unnötig macht bezüglich der Hauptsache, ist die Zwangsvollstreckung lediglich das Instrument, das dem Gläubiger zur Verwirklichung seines Anspruchs verhelfen soll. Anders formuliert ist die Gestaltung bereits die materiellrechtliche Verwirklichung des Urteils, die sonst bei den Geschäftsführungsbefugnis im Widerspruch zu seinen Aussagen zum insofern vergleichbaren Auflösungsurteil nach § 133 HGB steht: »Die Wirkungen des konstitutiven Urteils sind keine eigentlichen Vollstreckungswirkungen. Sie beruhen nicht auf der Vollstreckbarkeit des Urteils« (§ 133 Anm. 14). 33 Bellwinkel, S. 73 mit Hinweis auf Hellwig, Anspruch, S. 478. 34 Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh/Fastrich, § 61 Rn. 23. 35 S.S. 169. 36 Dazu Bengel, S. 144; Daumann, S. 20ff.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

169

Leistungsurteilen durch die Vollstreckung herbeigeführt wird. Auch Schlosser betont wieder stärker den Unterschied zwischen Vollstreckungswirkungen und Gestaltungswirkungen: In der Festschrift Nakamura schreibt er, »dass Vollstreckungswirkungen und Gestaltungswirkungen zwei grundverschiedene Urteilswirkungen sind«37. Er lässt allerdings das Verhältnis der beiden Wirkungen offen: »Wie es um die gelegentliche Verquickung von Vollstreckungs- und Gestaltungswirkung auch immer bestellt sein mag ...«38. Nicht zu verkennen ist trotzdem, dass sowohl die Vollstreckungs- als auch die Gestaltungswirkung diejenigen Wirkungen eines Urteils sind, die zum Eintritt der angeordneten Rechtsfolge unabhängig vom Willen der unterlegenen Partei führen: Die Vollstreckung ist das Mittel zu dem angeordneten materiellrechtlichen Zweck, die Gestaltung ist bereits dieser materiellrechtliche Zweck. Somit handelt es sich bei der Gestaltung schon um eine Art Vollzug des Gestaltungsurteils, ohne jedoch eine Vollstreckungswirkung im technischen Sinne zu sein. Deswegen sollten jedenfalls nicht automatisch die Grundsätze über die Vollstreckungswirkung auf die Gestaltung angewandt werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Gestaltung eine materiellrechtliche Urteilswirkung ist, die in der Funktion der Vollstreckungswirkung sehr nahe steht, jedoch dem Wesen nach von dieser zu unterscheiden ist. Die funktionelle Sachnähe allein kann jedoch nicht selbst zu Einzellösungen führen, sondern kann eventuell nur unterstützend herangezogen werden um die Plausibilität anderweitig ermittelter Lösungen zu unterstützen.

b. Die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils Da also die Gestaltung nicht als die Vollstreckung des Gestaltungsurteils anzusehen ist und bevor man eine eigenständige prozessuale Gestaltungswirkung annimmt, ist eine eingehende Auseinandersetzung mit der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils erforderlich. Nur wenn diese nicht geeignet ist, die prozessuale Bindung zu erklären, besteht das Bedürfnis bzw. ist es überhaupt zulässig, eine daneben stehende prozessuale Gestaltungswirkung anzunehmen. Dieser Weg wurde bislang nicht begangen, im Gegenteil, es entsprach sogar früher ganz h.M., dass Gestaltungsurteile keine materielle Rechtskraft erzeugen, weil hierfür über die Gestaltungswirkung hinaus keine Notwendigkeit bestand39. Das ist 37

Schlosser, FS Nakamura, 515, 518. Schlosser, FS Nakamura, 515, 518. 39 Z.B. Bötticher, Kritische Beiträge, S. 24ff., der jedoch diese Ansicht später aufgegeben und die Nützlichkeit der Rechtskraft in dem Fall erkannt hat, dass Gefahr besteht, dass ein aufgehobener Rechtsakt wiederholt werde (FS 100 DJT, 517, 539f.; FS Dölle, 41, 59); ablehnend auch Lent, ZZP 61, 279ff.; Rosenberg, § 87 I 3 (S. 412). Noch weiter in der Vergangenheit, im römischen Recht, wurde umgekehrt angenommen, dass Statusurteile ausnahmsweise Rechtskraft inter omnes erzeugen, s. weiter unten, S. 210f. 38

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass selbst die Einordnung der Gestaltungsurteile in die streitige Zivilgerichtsbarkeit angezweifelt wurde (und zum Teil immer noch in Frage gestellt wird)40. Aber auch unter den Autoren, die schon früher die materielle Rechtskraftfähigkeit der Gestaltungsurteile annahmen, geschah dies teilweise auf recht eigene Weise. So vertrat Dölle, dass der Nachweis der Unrichtigkeit des Urteils dem Dritten nur dann etwas nützen werde, »wenn er darauf ein Wiederaufnahmeverfahren gründen und vermittels seiner das Gestaltungsurteil aus der Welt schaffen könnte«41. Ein Wiederaufnahmeverfahren kann jedoch nur durch eine der Parteien des vorangegangenen Verfahrens bzw. deren Gesamtrechtsnachfolger eingeleitet werden, und nicht durch Dritte42. Heute ist wenigstens dieser Punkt nicht mehr umstritten und es entspricht zu Recht allgemeiner Meinung, dass Gestaltungsurteile in materielle Rechtskraft erwachsen – daran soll auch keinesfalls gerüttelt werden. Im Gegenteil: Hier wird die Ansicht vertreten, dass die materielle Rechtskraft das Gestaltungsurteil hinreichend prozessual sichert und dass es darüber hinaus keiner weiteren prozessualen Gestaltungswirkung bedarf. Die Untersuchung der Rechtskraft des Gestaltungsurteils nach heutigem Verständnis muss mit einer Feststellung beginnen: Sowohl bei den subjektiven Grenzen der Rechtskraft als auch bei der Gestaltungswirkung, wie sie heute verstanden wird, geht es um die Frage, inwieweit das Urteil die prozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter zu beeinflussen vermag. »Dabei ist es dem Dritten gleichgültig, auf welchem Weg ihm sein Vorbringen abgeschnitten wird, das Urteil sei unrichtig. Von der Interessenlage her ist es gleichgültig, warum die Rechtsstellung des Dritten präjudiziert wird; entscheidend ist allein, dass dies geschieht«43. Hofmann hat die Situation der Dritten bei Zugrundelegung der heutigen Praxis treffend geschildert: »Der Umstand, dass der Dritte der Rechtskraft nicht unterliegt, befreit ihn ... nicht von jeder Urteilswirkung, die Gestaltungswirkung bleibt, und die Beschränkung der Rechtskraftwirkung ist für den Dritten praktisch ziemlich wertlos«44. Auch diese Erkenntnis, dass das für den Bürger spürbare Ergebnis bei Bindung an die materielle Rechtskraft und an die Gestaltungswirkung das Gleiche ist, verpflichtet dazu, die angebliche Eigenständigkeit der beiden Urteilswirkungen und vor allem die Privilegierung des Gestaltungsurteils, was die subjektive prozessuale Breitenwirkung angeht, in Frage zu stellen. Gerade im Hinblick auf die oft nicht nachvollziehbare gesetzgeberische Wahl der Rechtsschutzform erscheint es somit als bedenklich, wenn allein »von der gesetzgeberischen Ausgestaltung als

40 41 42 43 44

S. weiter oben, S. 47ff., 49ff. Dölle, ZZP 62, 281, 287f. S. nur Stein/Jonas-Grunsky, § 578 Rn. 10. Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 553), Hervorhebung im Original. Hofmann, S. 6 (Hervorhebung von Verf.).

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

171

Gestaltungs- oder Feststellungsakt« abhängt, »ob Dritte ohne weiteres gebunden werden oder nicht«45. Die heute vorgenommene Trennung von Gestaltungswirkung inter omnes und Rechtskraft inter partes scheint zwar auf den ersten Blick die Lösung aller Probleme zu sein: Man kann guten Gewissens (vor allem im Hinblick auf das Recht auf rechtliches Gehör) eine Gestaltungswirkung inter omnes annehmen, da Dritten nicht jeder Einwand gegen das Gestaltungsurteil abgeschnitten wird, da sie nicht gehindert sind, die »Rechtswidrigkeit« des Gestaltungsurteils vorzutragen. Mit anderen Worten wäre die Rechtskraft inter partes das »Korrektiv« zur angeblichen Gestaltungswirkung inter omnes, da Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche Dritter nicht von dieser erfasst werden. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Zum einen sind materiellrechtliche Ausgleichsansprüche kein Ersatz für die Gewährung rechtlichen Gehörs, denn sonst wäre weder eine Verfassungsbeschwerde noch die Gegenvorstellung nach § 321a erforderlich. Zum anderen finden sich keine Urteile, die Dritten Schadensersatz oder Herausgabe der Bereicherung zusprechen, weil die Gestaltung zu Unrecht ergangen ist. Dies liegt zum Teil mit Sicherheit daran, dass unmittelbar von der Gestaltung betroffen die Parteien des Gestaltungsprozesses selbst sind, so dass ohnehin die engere Rechtskraftbindung maßgeblich ist. Jedoch werden in der Folge Beispiele genannt, in denen Dritte mittelbar durch die Gestaltung betroffen sind, wenn diese vorgreiflich ist für eigene Rechtspositionen. Lediglich im Bereich des Amtshaftungsrechts kann Schadensersatz verlangt werden, weil ein mittlerweile bestandskräftiger Verwaltungsakt zu Unrecht erlassen wurde. Hier sei nur die Gültigkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts »bindend«46. Solange kein rechtskräftiger Ausspruch eines Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ergangen ist, könne das Zivilgericht diese eigenständig überprüfen47. Dabei ist jedoch eher die Eigenart der materiellen Bestandskraft von Verwaltungsakten ausschlaggebend: Die Frage, die sich – unabhängig von den subjektiven Grenzen – stellt ist, inwiefern die materielle Bestandskraft in ihrer objektiven Ausprägung eine Aussage über die Rechtmäßigkeit enthält – und zwar auch gegenüber dem Adressaten des Verwaltungsakts, d.h. es geht nicht um die persönlichen, sondern um die sachlichen Grenzen der Bestandskraft. Außerdem ist § 839 BGB zu beachten48. Eingehender wird auf die Problematik der Vorgreiflichkeit bei Amtshaftungsansprüchen weiter unten eingegangen, bei der Bindung an gestaltende Verwaltungsakte49. 45

Seibert, S. 103. S. dazu z.B. BGHZ 113 (1991), S. 17ff. 47 Ossenbühl, IX 2 (S. 122f.); zur Entwicklung des Staatshaftungsrechts in der BGH-Literatur s. Ossenbühl, FS BGH, S. 887ff. 48 Zum Verhältnis der Streitgegenstands- und der Amtshaftungsproblematik s. Detterbeck, S. 165ff. 49 S. weiter unten, S. 270ff. 46

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Es finden sich auch Fälle, in denen zwischen denselben Parteien des Vorprozesses Schadensersatz in Durchbrechung der Rechtskraft eines Gestaltungsurteils nach § 826 BGB verlangt wird50. Auch hier ist jedoch der Schadensersatzanspruch nicht die Kompensation für die Rechtskraftbindung eines Dritten, der von der angeblichen Gestaltungswirkung erfasst wird. i. Heutiger Stand Die materielle Rechtskraft von Gestaltungsurteilen beschränkt sich nach h.M. auf das Bestehen des Gestaltungsgrundes, d.h. des Rechts des Klägers auf Herbeiführung der Gestaltung51. Mit anderen Worten sage die Rechtskraft aus, dass das Begehren des Klägers zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung52 begründet war53. Somit bezieht sich die Rechtskraft des Gestaltungsurteils auf die Rechtmäßigkeit der Gestaltung54. Damit wird die Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils auf die Rechtsfolge reduziert, dass die Richtigkeit des Urteils nicht mehr angezweifelt werden kann. Dies ist jedoch eine Selbstverständlichkeit, die nicht wesentlicher Inhalt der Feststellungswirkung, sondern deren logische Folge ist: Hauptgegenstand der rechtskräftigen Feststellung ist nicht, dass das Urteil zu Recht ergangen ist, sondern dass das eingeklagte private Recht des Klägers besteht oder nicht besteht. So muss es auch bei den Gestaltungsurteilen sein: Hier ist Inhalt der rechtskräftigen Feststellung, dass der Kläger ein subjektives privates Gestaltungsrecht gegen den Beklagten hat. Die vage Formulierung der h.M. ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass man insgesamt zögert, der Gestaltungsklage ein subjektives privates Gestaltungsrecht zugrunde zu legen55: Was nicht einmal Streitgegenstand gewesen sein soll, kann auch nicht rechtskraftfähig festgestellt werden. Damit wird jedoch der Inhalt der rechtskräftigen Feststellung gegenüber Leistungs- und Feststellungsurteilen unnötig eingeschränkt. Aber auch sonst schränkt die h.M. die Funktion der Rechtskraft bei Gestaltungsurteilen stillschweigend56 und ohne ausreichende Begründung ein: Die materielle Rechtskraft soll lediglich Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche ausschließen. Einem späteren Verfahren auf Schadensersatz oder auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung mit der Begründung, das Gestaltungsurteil

50

Dazu s. weiter unten, S. 233ff. W. Lüke, ZPR, Rn. 328. 52 Gaul, FamRZ 1957, 237, 239f. 53 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 15. 54 Hellwig, Anspruch, S. 479. 55 Dazu s. weiter oben, S. 10ff. 56 Mit einigen Ausnahmen: Schilken, ZPR, Rn. 195 z.B. räumt ein, dass der Rechtskraft bei Gestaltungsurteilen »geringere Bedeutung als bei Leistungs- und Feststellungsurteilen zukommt«; ihm folgend Grau, S. 361, der von einer untergeordneten Rolle der materiellen Rechtskraft bei den Gestaltungsurteilen spricht. 51

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

173

sei nicht zu Recht ergangen, stünde der Einwand der Rechtskraft entgegen57. Dabei geht es um Ansprüche, die unmittelbar damit begründet werden, dass das Gestaltungsurteil nicht hätte ergehen dürfen und nicht um die präjudizielle Bindung an ein Urteil, das z.B. das Eigentum an einer Sache festgestellt hat in einem späteren Schadensersatzprozess, weil die Sache zerstört wurde. Der Erlass des Urteils selbst ist das schadensauslösende Ereignis bzw. die »ungerechtfertigte« Bereicherung. Damit handelt es sich um das so genannte kontradiktorische Gegenteil des Gestaltungsurteils, das nach h.M. zu einer Abweisung der Schadensersatz- bzw. Bereicherungsklage als unzulässig führt58. Wenn man diese Betrachtungsweise zugrunde legt, kommt der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils überhaupt keine positive Rechtskraftwirkung zu! Allerdings ist die genannte Betrachtungsweise verfehlt, richtigerweise handelt es sich bei dem so genannten kontradiktorischen Gegenteil um einen Fall der Präjudizialität59, so dass Sachabweisung erfolgen müsste. Die Anträge sind nämlich unterschiedlich – inwiefern der neue Antrag im Ergebnis genau das Gegenteil des ursprünglichen Klageantrags begehrt, lässt sich nur ermitteln, nachdem der Anspruchsgrund geprüft wird, bei der Klage auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung z.B. das Tatbestandsmerkmal »ohne rechtlichen Grund«. Auch wenn man allerdings von dieser richtigen Erfassung des kontradiktorischen Gegenteils ausgeht, bleibt die Frage, ob das Gestaltungsurteil im Übrigen positive Rechtskraftwirkung entfaltet. Damit ist der Fall gemeint, dass die Gestaltung präjudiziell ist für daraus entstehende Rechte und Pflichten Dritter. Dass dieser Aspekt nicht diskutiert wird, liegt vermutlich daran, dass von Anfang an die Fragestellung die falsche war: Man ging davon aus, dass Gestaltungsurteile keine Rechtskraft erzeugen, weil hierzu kein Grund bestehe, da es die Gestaltungswirkung gebe. Die Gestaltungswirkung wurde nicht in Frage gestellt, sondern man hat lediglich nach einer Funktion gesucht, welche die Rechtskraft über sie hinaus einnehmen könnte. Hätte man ohne dieses Vorverständnis die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils in ihrer negativen wie positiven Funktion geprüft, gäbe es heute vielleicht gar nicht die prozessuale Gestaltungswirkung. Wenn man die Ausführungen zur Gestaltungswirkung betrachtet, wird deutlich, dass es im Grunde genommen nicht um die vorhin erwähnten vermeintlichen Unterschiede zwischen materieller Rechtskraft in ihrer positiven Ausprägung und Gestaltungswirkung geht, sondern um die subjektive Reichweite der prozessualen Bindung. Manchmal wird dies sogar ausdrücklich zugestanden. So schreibt Brehm: »Die Gestaltungswirkung erzeugt eine Bindung wie die materiel57

S. Gaul, FamRZ 1957, 237ff.; Gaul, FS Zeuner, 317, 335 m.Nachw. Allgm. M., BGH, NJW 2000, 2022, 2023; BGHZ 83 (1982), 278, 280; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 153 Rn. 4f.; ähnlich Koussoulis, S. 231f., der einen Fall des unechten kontradiktorischen Gegenteils annimmt. 59 Gaul, JuS 1962, 1, 7f.; Reischl, S. 210f.; Zeiss/Schreiber, Rn. 560 (S. 215); Zeuner, S. 14, 55, der aber bemerkt, dass dieser Fall sachlich demjenigen kontradiktorischer Urteile entspricht. 58

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

le Rechtskraft, jedoch in weiterem Umfang: Die Rechtsgestaltung wirkt inter omnes, während die Rechtskraft auf die Beteiligten beschränkt ist«60. Dies stellt die angebliche Eigenständigkeit der Gestaltungswirkung als von der Rechtskraft zu unterscheidender prozessualer Urteilswirkung in Frage, die auch daraufhin umformuliert werden kann, ob denn ein Apfel nur deshalb kein solcher mehr sei, weil er von sich behauptet, eine Birne zu sein61. In seinem Versuch, die Gestaltungswirkung von der materiellen Rechtskraft abzugrenzen, führt Nicklisch auf, dass diese auf der Bindung des Richters an das Recht, jene aber auf der generellen Anordnung des § 322 beruhe62. Durch die materielle Rechtskraft sei der Richter in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, durch die Gestaltungswirkung nicht. Im ersten Fall dürfe der Zweitrichter den Sachverhalt nicht erneut überprüfen, im zweiten schon63, denn der Richter sei völlig frei in der Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Dies beziehe sich jedoch nicht auf die Frage der Gestaltung, deren Rechtmäßigkeitsüberprüfung selbst Nicklisch nicht zulässt. Damit wird auch der schwache Punkt in seiner Argumentation erkennbar: Uneingeschränkt in der Beurteilung der Rechts- und Tatsachenlage ist der Richter nach seiner Konzeption nur, soweit im zweiten Prozess der Tatsachenstoff über den Gestaltungsakt hinausgeht. Die Tatsachen, die mit der Rechtmäßigkeit der Gestaltung zusammenhängen, kann der Richter auch nach der Ansicht von Nicklisch nicht erneut prüfen und anders würdigen. Insofern besteht keine andere Situation als bei der präjudiziellen Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils. Diese Kognitionssperre erklärt Nicklisch mit dem Umstand, dass die Gestaltung von der maßgeblichen Norm nicht an den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern an den (wirksamen) Gestaltungsakt gekoppelt sei. In diesem Fall bestehe gar keine Notwendigkeit, den dem Gestaltungsakt zugrunde liegenden Sachverhalt erneut zu untersuchen. Demnach sei der Richter prinzipiell nicht an einer Prüfung des Sachverhalts gehindert, diese sei einfach nicht erforderlich für seinen neuen Subsumtionsschluss. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen: Ob eine Kognitionssperre vorliegt oder nicht, beurteilt sich danach, ob der Sachverhalt, der zur Gestaltung geführt hat, noch einmal überprüft werden darf oder nicht. Und gerade an einer erneuten Prüfung mit eventuell anderer Würdigung soll der Richter auch nach der Ansicht von Nicklisch gehindert sein. Dass diese Prüfung lediglich »nicht erforderlich« sein solle, ist ein Euphemismus, der die Tatsache verdeckt, dass der zweite Richter, selbst wenn er das ursprüngliche Urteil für fehlerhaft hält, sich trotzdem nach seinen Vorgaben richten muss. Somit stimmt es nicht, dass der Richter

60 61 62 63

336f.

Brehm, Rn. 461; ähnlich W. Lüke, ZPR, Rn. 347; Kuschmann, S. 8. In anderem Zusammenhang Pfeiffer, JuS 2004, 282, 285, mit Hinweis auf Mankowski. Nicklisch, S. 154f. Nicklisch, S. 155f.; ähnlich Bötticher, FS DJT 1960, 511, 522; dazu Gaul, FS Zeuner, 317,

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

175

bezüglich der Gestaltung keiner Kognitionssperre unterliegt, wie dies Nicklisch behauptet, und auch dieser Abgrenzungsversuch erweist sich als nicht fruchtbar. Die von Nicklisch vorgenommene Differenzierung hätte nur Bestand, wenn die Gestaltung eine echte Tatbestandswirkung wäre. Das klingt auch an, wenn Nicklisch voraussetzt, dass die Rechtsordnung »an einen bestimmten gestaltenden Staatsakt als Tatbestandsmerkmal Rechtsfolgen knüpft«64. Dass jedoch keine echte Tatbestandswirkung vorliegt65 und auch keine vergleichbare Situation66, wurde bereits weiter oben aufgezeigt. ii. Neue Ermittlung der Rechtskraftgrenzen Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Gestaltungswirkung »scharf« von der Rechtskraftwirkung zu trennen sei67. So selbstverständlich wie dieser Satz auch klingt, muss er doch – insbesondere nach den vorstehenden Feststellungen – auf seine Richtigkeit hin überprüft werden. Hauptsächlich sieht man den Unterschied zwischen Gestaltungs- und Rechtskraftwirkung im zeitlichen Moment: »Begrifflich schließen sich Feststellung und Gestaltung aus. Das Gericht, welches anordnet, dass die Ehe in Zukunft aufgelöst sein soll, kann nicht feststellen, dass die Ehe aufgelöst ist«68. Dieser Einwand basiert jedoch auf dem Vergleich zweier ungleicher Komponenten, nämlich der Feststellung mit der Gestaltungsanordnung, so dass ein Vergleich sogar einen logischen Fehler darstellt. Darüber hinaus kann er nur das reine Feststellungsurteil betreffen – für eine Abgrenzung zum Leistungs- und Gestaltungsurteil ist er nicht geeignet. Der korrekte Vergleich muss zwischen Gestaltungsanordnung und Leistungsbefehl stattfinden69. Dieser Vergleich bietet sich auch insofern an, als die Gestaltungswirkung als die Verwirklichung des Gestaltungsurteils viele Parallelen zur Vollstreckungswirkung aufweist70. Bei einem derartigen Vergleich ergibt sich folgendes Bild: Ähnlich wie z.B. das Leistungsurteil feststellt, dass ein Anspruch vorhanden ist, und seine zeitlich versetzte Durchsetzung anordnet, stellt das Gestaltungsurteil fest, dass ein Gestaltungsrecht existiert und ordnet seine zeitlich versetzte Verwirklichung an. Dass die Gestaltungswirkung keine reine Vollstreckungswirkung ist, wurde weiter oben aufgezeigt71. Es wurde allerdings auch herausgearbeitet, dass gewichtige Parallelen bestehen und dass die Vollstreckungsund die Gestaltungswirkung in dem Sinne vergleichbar sind, dass sie diejenigen 64

Nicklisch, S. 156. S. weiter oben, S. 69ff. 66 S. 74ff. 67 S. z.B. Gaul, FamRZ 1957, 237, 239; W. Lüke, S. 95. 68 Jauernig, ZPR, § 65 I 3 (S. 269) – so bereits Lent, ZPR9, § 65 I 1, 3; Kuschmann, S. 10. 69 Der Leistungsbefehl des Urteils ist nicht zu verwechseln mit dem Leistungsbefehl der Rechtsordnung, der hinter allen Titeln denkbar ist, s. dazu Rosenberg/Gaul/Schilken, § 1 I 1 (S. 2). 70 S. dazu S. ff. 71 S. weiter oben, S. 165ff. 65

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Wirkungen eines Urteils sind, die zum Eintritt der angeordneten materiellrechtlichen Rechtsfolge unabhängig vom Willen der unterlegenen Partei führen. Auf dieser Basis besteht kein Unterschied zwischen Gestaltungs- und Leistungsurteil: Sowohl das Gestaltungs- als auch das Leistungsurteil entfalten ihre wesentliche Bindungswirkung erst mit Eintritt der Rechtskraft, obwohl sich die Feststellung, auf der sie beruhen, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bezieht. Beim Leistungsurteil wird in dem zeitlichen Auseinanderklaffen zwischen Rechtskrafteintritt und endgültiger Durchsetzungsmöglichkeit kein dogmatisches Problem gesehen, da die Möglichkeit der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage existiert, um materielle Einwände geltend zu machen, die nach der letzten Tatsachenverhandlung entstanden sind. Auch die Möglichkeit der Anordnung vorläufiger Vollstreckbarkeit, die sogar in der Praxis den Regelfall bildet, ändert nichts an diesen Feststellungen, denn zum einen gilt es auch hier, die Zeitspanne zwischen letzter mündlichen Verhandlung und Erlass des Urteils, mit dem die vorläufige Vollstreckbarkeit eintritt, zu überbrücken, wenn auch diese Zeitspanne meist kürzer ist als zwischen der letzten mündlichen Verhandlung und dem Eintritt der materiellen Rechtskraft. Zum anderen ist die Anordnung vorläufiger Vollstreckbarkeit ein Ergebnis der Abwägung zwischen den Interessen des Gläubigers und des Schuldners und keine dogmatische Notwendigkeit. Insbesondere soll der Schuldner nicht bloß zur Hinausschiebung der Zwangsvollstreckung Rechtsmittel einlegen, auch sollen durch die Dauer des Rechtsmittelzugs nicht die Befriedigungschancen des Gläubigers geschmälert werden72. Die heutige fast routinemäßige Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist danach ein Produkt der Interessenabwägung. Außerdem dürfen alle Urteile, außer den in § 708 aufgezählten, nur gegen Sicherheitsleistung für vollstreckbar erklärt werden, die sich nach dem aus der Zwangsvollstreckung anzudrohenden Schaden richtet. Dogmatisch hindert nichts daran (es spricht sogar einiges dafür!), künftig das Interesse an Rechtssicherheit höher zu bewerten und zum theoretischen Grundsatz zurückzukehren, nämlich dass die Zwangsvollstreckung prinzipiell nur aus rechtskräftigen Urteilen erfolgen sollte. Tatsächlich wird dies für Ehe- und Kindschaftssachen vom Gesetz selbst bezüglich der Vollstreckung wegen der Kosten angeordnet (§ 704 II). Auch die ZPO-Reform führt im Ergebnis in eine solche Richtung, da die Erwachsenheitssumme auf 600 angehoben wurde und ansonsten nur eine Zulassungsberufung statthaft ist (§ 511 II). Dadurch wird zunehmend eine Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen Urteilen erfolgen, wenn zunehmend nur eine Tatsacheninstanz gegeben ist. Es wird als Unterschied zwischen Gestaltungs- und Leistungsurteil auch hervorgehoben, dass ein rechtskräftiges Urteil unrichtig sein könne, weil die Feststellung mit der wahren Rechtslage nicht übereinstimme, jedoch ein Gestaltungsur72

S. nur Rosenberg/Gaul/Schilken, § 14 I 1 (S. 196).

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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teil niemals unrichtig sein könne in dem Sinne, dass die angeordnete Rechtsfolge nicht eintrete73. Auch in dieser Aussage wird der gleiche logische Fehler begangen, denn auch hier werden unterschiedliche Komponenten der entsprechenden Urteile miteinander verglichen, nämlich die Gestaltungsanordnung mit der Feststellung. Wenn man richtigerweise die Feststellung des Leistungsurteils mit der Feststellung des Gestaltungsurteils vergleicht, wird deutlich, dass das Urteil in beiden Fällen unrichtig sein kann. Und bei korrektem Vergleich der Gestaltungsanordnung mit dem Leistungsbefehl stellt sich heraus, dass beide nicht unrichtig sein können: Im einen Fall lautet der Befehl darauf, zu leisten, im anderen wird die Gestaltung »befohlen«. Auch der Leistungsbefehl, der auf falsche Voraussetzungen gestützt wurde, ist an sich nicht unrichtig in dem Sinne, dass seine angeordnete Rechtsfolge nicht eintreten würde: Wenn der rechtskräftig verurteilte Schuldner nicht leistet, solange der Leistungsbefehl (noch) besteht, werden die Folgen eintreten, die das Gesetz bei Missachtung des Leistungsbefehls des Urteils vorsieht, und zwar unabhängig davon, ob der Leistungsbefehl auf einer zutreffenden oder unzutreffenden Feststellung der materiellen Rechtslage beruht74. Mangels eines objektiven Betrachters ist der Leistungsbefehl des Urteils maßgeblich, der Leistungsbefehl der Rechtsordnung besteht immer – aber auch nur dann – wenn die materiellen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, und zwar unabhängig von einem gerichtlichen Erkenntnisakt75. Es ist klarzustellen, dass daran festzuhalten ist, dass die Vollstreckungswirkung von der materiellen Rechtskraft zu unterscheiden ist76, da Rechtskraft ohne Vollstreckbarkeit, aber auch Vollstreckbarkeit ohne Rechtskraft denkbar ist77. Allerdings ist beim Leistungsurteil die (endgültige) Vollstreckbarkeit doch die wichtigste Auswirkung der Rechtskraft78, denn die Zwangsvollstreckung findet ihre endgültige Rechtfertigung nur in der Rechtskraft79. Das ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen Möglichkeiten, sich gegen die Zwangsvollstreckung zu wehren, je nachdem, ob aus einem rechtskräftigen Urteil oder aus einem sonstigen 73

Jauernig, ZPR, § 65 I 1 (S. 268). Ohne dass damit impliziert werden soll, die Zwangsvollstreckung hätte pönalen Charakter, s. dazu Gaul, ZZP 112, 135, 150; zur privatrechtlichen Ausrichtung der Zwangsvollstreckung ferner Gaul, Rpfleger 1971, 1, 7f. 75 S. bereits weiter oben, Fn. 69. 76 S. nur Rosenberg/Gaul/Schilken, § 11 II 2 (S. 122); Gaul, ZZP 112, 135, 181 und dort Fn. 205. 77 Wie z.B. die Möglichkeit der Vollstreckung aus notariellen Urkunden zeigt, § 794 I Nr. 5; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 5 I 2 a), b) (S. 46f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 149 Rn. 4. 78 Walker, FS BGH, 367, 371: »Mit der Vollstreckbarkeit entfällt ... eine wesentliche Rechtsfolge der Rechtskraft eines Leistungsurteils (§ 704 ZPO)«, so dass § 765a zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft führen könne; kritisch Gaul, DikeIntern 1996, 27, 44f.; Rosenberg/ Gaul/Schilken, § 43 III 4 (S. 714f.): Die Anwendung des § 765a darf nicht die Rechtskraft antasten oder auch den Titel inhaltlich aushöhlen. 79 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 14 I 1 (S. 196); Gaul, AcP 168, 27, 53ff., 61; Schilken, JuS 1990, 641. 74

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

vollstreckbaren Titel vollstreckt wird (vgl. § 767 II i.V.m. § 797 IV). Auch die Rechtsprechung zur »prozessualen Gestaltungsklage analog § 767« bei einem nicht rechtskraftfähigen Urteil zeigt, dass bei materiell rechtskraftfähigen Titeln die materielle Rechtskraft sozusagen den »rechtlichen Grund« für das Fortbestehen der Vollstreckbarkeit bildet: Gegen ein Urteil, das wegen mangelnder Bestimmtheit nicht der materiellen Rechtskraft fähig, aber wegen Verurteilung zu einer bestimmten Geldsumme vollstreckbar ist80, wird eine Klage zugelassen, mit der aus diesem Grund dem »wirkungsgeminderten« Titel rechtskräftig die Vollstreckbarkeit genommen werden kann81. Dies muss auch für die Gestaltung gelten, die zwar keine Vollstreckung im technischen Sinne darstellt, jedoch eine Art Vollzug des Urteilsinhalts darstellt. Durch die Widerlegung der oben genannten zwei Argumente wurde bislang nur dargelegt, dass die endgültige Rechtfertigung für die Gestaltung in der materiellen Rechtskraft zu finden ist, wie dies auch für die Vollstreckbarkeit des Leistungsurteils gilt. Im zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob darüber hinaus auch die Gestaltung durch das rechtskräftige Gestaltungsurteil festgestellt wird. Es ist daher an der Zeit, die Rechtskraftwirkung der Gestaltungsurteile zu ermitteln unter der Prämisse, dass es keine prozessuale Gestaltungswirkung gibt, die als Auffangbecken für die prozessuale Breitenwirkung des Gestaltungsurteils dienen könnte. (1) Die positive Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils Um die Reichweite der Rechtskraftwirkung der Gestaltungsurteile zu bestimmen, muss zuerst der Streitgegenstand der Gestaltungsklage ermittelt werden. (a) Der Streitgegenstand der Gestaltungsklage Die Bestimmung des Streitgegenstands ist besonders wichtig bei der Gestaltungsklage, insbesondere, wenn mehrere Gestaltungsgründe vorliegen, die auf dieselbe Gestaltung gerichtet sind. Denn wenn man annimmt, dass nur der vorgetragene Gestaltungsgrund den Streitgegenstand der Gestaltungsklage bildet, kann nach ihrer rechtskräftigen Abweisung ein weiterer Antrag auf die gleiche Gestaltung, gestützt auf einen anderen Gestaltungsgrund, gestellt werden. Die Bestimmung des Streitgegenstandes ist letztlich eine rechtspolitisch motivierte Wertungsfrage82: Rechtlich vertreten lässt sich vieles83, wofür man sich im Endeffekt entscheidet, hängt davon ab, welches Ergebnis man anstrebt und ob man eher einer schnellen und umfassenden Streiterledigung oder dem Interesse 80

Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 11 2 b (S. 123f.). BGHZ 124 (1994), 164, 170ff.; s. ausführlich dazu Lange, FS Egon Müller, S. 147ff. 82 Es ist klarzustellen, dass damit die Rechtskraft nicht zur bloßen »Zweckmäßigkeitsmaßregel« degradiert werden soll, dazu s. Gaul, Jahrbuch, 9, 13f.; Gaul, FS Flume, 443, 451 m.Nachw. 83 Vgl. Gaul, FS Lüke, 81, 103 m.Nachw. 81

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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des Klägers, in möglichst geringem Umfang mit seinem Vorbringen präkludiert zu werden, den Vorrang gibt84. Es wird zwar zu Recht angemahnt, den Begriff des Lebenssachverhalts nicht vollständig von der Anspruchsnorm abzukoppeln, um eine willkürliche Streitgegenstandsbestimmung zu vermeiden85. Gleichwohl bleibt das Ausmaß, in dem man sich am materiellen Recht orientiert, abhängig von den eben erwähnten rechtspolitischen Tendenzen. Wie wenig die Antworten in diesem Bereich schon vorgegeben sind, zeigt sich ganz besonders bei der Ermittlung des Streitgegenstandes der Gestaltungsklagen, wo eine Tendenz deutlich ist, den Streitgegenstand möglichst breit zu erfassen, selbst bei Autoren, die bei Leistungsklagen den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff anwenden. Vereinfacht lässt sich feststellen, dass drei Hauptrichtungen anzutreffen sind: Viele Autoren befassen sich überhaupt nicht mit dem Streitgegenstand der Gestaltungsklage oder verweisen lediglich darauf, dass sich für Gestaltungsklagen keine Besonderheiten ergeben. Teilweise wird wiederum für die Gestaltungsklagen eine spezielle Streitgegenstandsbestimmung vorgenommen86, mit der deutlichen Tendenz einer Streitgegenstandserweiterung87. Auch die Rechtsprechung befasst sich nicht oft mit dem Streitgegenstand der Gestaltungsklage. Unter den wenigen Ausnahmen ist BGHZ 85, 367ff. zu nennen, wo eher beiläufig im Hinblick auf ein die Minderung aussprechendes Urteil entschieden wurde, »... dass Gestaltungsurteile – eine derartige Gestaltungswirkung unterstellt – zwar über die Parteien, aber nicht über den Streitgegenstand hinaus wirken. Streitgegenstand ... aber war der Rückzahlungsanspruch der Kläger wegen der bereits geleisteten Zahlungen gerade nicht«88. Es handelte sich um eine Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung zur Eintreibung der Kaufpreisforderung. Sie wurde abgewiesen, weil Minderung ausgesprochen wurde und danach kein zu zahlender Restbetrag mehr bestand. Später wollte der Käufer einen Teil des bereits Geleisteten zurückfordern; die eigentliche Problematik war ähnlich wie bei der Teilklage. Leider hat der BGH nicht eine positive Aussage über die Streitgegenstandsbestimmung getroffen, sondern lediglich im konkreten Fall entschieden, was nicht zum Streitgegenstand gehört hatte. Was dieses Urteil jedoch – bislang unerkannt – besonders wertvoll erscheinen lässt, ist die Koppelung der Gestaltungswirkung an den Streitgegenstand, worauf anschließend zurückzukommen sein wird89.

84

S. Jauernig, ZPR, § 37 VII 2 (S. 158f.). Gaul, FS Lüke, 81, 103. 86 So Blomeyer, ZPR, § 40 V (S. 201, 203); Henckel, Parteilehre, S. 281. 87 Becker, AcP 188, 24, 51 und dort Fn. 80: »Im Ergebnis hat für Gestaltungs- und Feststellungsklagen angesichts der am Beispiel der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG aufgezeigten Vertauschbarkeit dieser Klagearten der globale Streitgegenstandsbegriff zum Zwecke der Rechtskraftreichweite zu gelten«. 88 BGHZ 85 (1983), 367, 372 mit Nachweisen zur Problematik im Rahmen des § 465 BGB. 89 S. weiter unten, S. 188. 85

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Bei zwei weiteren BGH-Entscheidungen, in denen der Streitgegenstand der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen thematisiert wurde, geht es darum, inwiefern das angestrebte Rechtsschutzziel (Feststellung bei der Nichtigkeits-, Gestaltung bei der Anfechtungsklage) streitgegenstandsbestimmend ist. Im ersten Urteil geht es um die Frage, ob sich das Revisionsgericht mit der Anfechtungsklage befassen durfte, obwohl das Berufungsgericht nur die Nichtigkeitsklage beschieden hatte90. Die Streitgegenstandsproblematik wird nur im Hinblick auf die zwei verschiedenen Rechtsschutzformen behandelt, »soweit ihnen wie im vorliegenden Fall ... derselbe Streitgegenstand zugrunde liegt«. Damit ist in diesem Urteil keine Antwort auf die Frage zu finden, wann derselbe Streitgegenstand vorliegt, denn sowohl bei der Nichtigkeits- als auch bei der Anfechtungsklage wurde als Klagegrund derselbe Verstoß gegen die Satzung vorgebracht. Dieses Urteil wurde später durch eine weitere BGH-Entscheidung weitergeführt, die eventuell aufschlussreicher sein könnte, denn hier waren mehrere Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe vorgetragen worden. Ausgangslage war, dass mehrere Kläger gemeinsam Klage erhoben hatten, wobei sich einige auf Nichtigkeit, hilfsweise auf Anfechtbarkeit beriefen, andere umgekehrt auf Anfechtbarkeit, hilfsweise auf Nichtigkeit. Es wurde das Berufungsurteil aufgehoben, das im Wege des Teilurteils die Klagen, die im Hauptantrag auf Nichtigkeit abzielten, abwies. Da das Rechtsschutzziel nicht streitgegenstandsbestimmend sei, müsse der Richter ohne Bindung an die Bezeichnung eines Klagegrunds durch den Kläger als Anfechtungs- oder als Nichtigkeitsgrund alle Gründe im Hinblick auf die Subsumtion als Nichtigkeitsgründe hin überprüfen, so dass eine Teilung des Streitgegenstandes danach, ob der Sachvortrag die Voraussetzungen der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit erfüllt, ausscheide91. Auch in dieser Entscheidung ging es hauptsächlich darum, dass man der Frage, ob Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit vorliegt, keine streitgegenstandsentscheidende Bedeutung beilegen darf. Die hier interessierende Frage jedoch, ob zwei Anfechtungsgründe, die sich jeweils aus unterschiedlichen, abgeschlossenen Lebenssachverhalten ergeben, auch zwei Streitgegenstände erzeugen, ist damit nicht beantwortet. Neuerdings ist allerdings ein BGH-Urteil ergangen, das den Streitgegenstand der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage ausdrücklich sehr weit gefasst hat, indem angenommen wurde, dass alle Mängel erfasst werden, die dem Beschluss anhaften und die zur Klärung seiner Nichtigkeit durch das Gericht führen: »Aus dem diese Elemente umfassenden Klagegrund der Mangelhaftigkeit des Beschlusses und dem prozessualen Begehren ihrer Klärung durch richterliche Entscheidung setzt sich der Streitgegenstand der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage der §§ 241f., 243ff. AktG zusammen92«. Mit anderen Worten sei Streitgegenstand der 90 91 92

BGHZ 134 (1998), 364, 366f. BGH, NJW 1999, 1638; kritisch dazu Jauernig, ZPR, § 37 VIII 2 (S. 160). BGH, NJW 2002, 3465, 3466; ablehnend Bork, NZG 2002, 1095f.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage »die fehlende Übereinstimmung des gefassten Beschlusses mit Gesetz und Satzung hinsichtlich Beschlussgegenstand, -inhalt und -verfahren«. Im Vordergrund standen Erwägungen der Rechtssicherheit, damit – insbesondere bei der Nichtigkeitsklage, die nicht befristet ist – verhindert wird, dass derselbe Aktionär die Gesellschaft mehrfach mit einer gegen denselben Beschluss gerichteten Klage überzieht. Allerdings wird auch mit dieser weiten Streitgegenstandbestimmung nicht verhindert, dass ein anderer Aktionär entsprechende künftige Klagen erhebt, denn nur das stattgebende Urteil entfaltet erweiterte Rechtskraftwirkung (§ 248 AktG), während das abweisende den Sachverhalt nur zwischen dem Kläger und der beklagten Gesellschaft unstreitig stellt. Diese Entscheidung hat im Ergebnis die Gestaltbarkeit schlechthin zum Streitgegenstand gemacht. Da die Gestaltbarkeit bei erhobener Gestaltungsklage zwangsläufig zur Gestaltung führt, wird damit die Gestaltung insgesamt zum Streitgegenstand gemacht. Im Schrifttum ist die Frage nach dem Streitgegenstand der Gestaltungsklage nicht abschließend geklärt. Selten finden sich diesbezügliche eingehende Untersuchungen. Selbst die Arbeit von Helmut Köhler, die den einschlägigen Titel »Der Streitgegenstand bei Gestaltungsklagen« trägt, entwickelt nicht eine spezielle Dogmatik der Streitgegenstandsbestimmung bei der Gestaltungsklage, sondern wendet lediglich die vorhandenen Streitgegenstandstheorien auf die verschiedenen Gestaltungsklagen und die verschiedenen Stadien des Verfahrens an, um im Einzelfall diejenige Theorie zu bevorzugen, die zu dem seiner Ansicht nach sachgerechtesten Ergebnis gelangt93. Eine derartige Einzelfallmethode sollte jedoch im Dienste der Rechtssicherheit nur als letztes Refugium eingesetzt werden, wenn sich eine allgemeine Streitgegenstandsbestimmung als unmöglich erweist. Früher wurde teilweise angenommen, dass Streitgegenstand der Gestaltungsklage der (privatrechtliche) »Gestaltungsanspruch« sei94. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, inwiefern bei mehreren Gestaltungsgründen auch mehrere »Gestaltungsansprüche« vorliegen. Nikisch geht z.B. davon aus, dass mehrere Gestaltungsgründe auch mehrere »Gestaltungsansprüche« liefern, denn einer Klage, welche »dieselbe Rechtsgestaltung auf Grund eines anderen Sachverhalts« beantragt, stehe die Rechtshängigkeit nicht entgegen, weil der Anspruch durch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen individualisiert werde95. Somit würde die Bestimmung des Gestaltungsanspruchs davon abhängen, welche Tatsachen in den Prozess eingeführt wurden: Wenn nämlich die Tatsachen zu sämtlichen Gestaltungsgründen in einen Prozess eingebracht werden, liegt ein 93

Helmut Köhler, passim. So z.B. Nikisch, AcP 154 (1955), 269, 281ff.; ähnlich Rosenberg, § 87 I 2 (S. 411), der allerdings in § 88 II 1 c ß (S. 419) als Streitgegenstand das Begehren auf Änderung des Rechtsverhältnisses angibt; ihm folgend Niese, S. 36. 95 Nikisch, AcP 154 (1955), 269, 293. 94

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

»Gestaltungsanspruch« im Sinne von Nikisch vor. Wenn demgegenüber die Tatsachen zu unterschiedlichen Gestaltungsgründen in zwei Prozesse eingebracht werden, liegen zwei »Ansprüche« vor. Dies ist ein unbefriedigendes Ergebnis, das eine Häufung von Prozessen wegen der gleichen Gestaltung in die Disposition des Klägers stellt. Weiterhin hindert auch die rechtskräftige Abweisung einer Gestaltungsklage nicht eine neue Klage, die auf einen anderen Gestaltungsgrund gestützt wird. Auch Nikisch hielt eine Häufung von Prozessen für unerwünscht und sprach der zweiten Klage das Rechtsschutzbedürfnis ab96. Im Ergebnis führte somit auch diese Ansicht zu einer Streitgegenstandsbestimmung, für die lediglich der Antrag maßgeblich ist bzw. die Gestaltung an sich. Als Streitgegenstand des Gestaltungsprozesses wird vielfach das behauptete Recht auf Rechtsänderung angenommen97, das, was Habscheid die allgemeine Rechtsfolgenbehauptung nannte98. In der Regel wurde darin aber kein privates, sondern ein öffentliches Recht gesehen99, ein öffentlichrechtlicher Anspruch auf Gestaltung100. Dieser Ansicht stehen die Bedenken entgegen, die weiter oben zur Annahme eines publizistischen Rechts auf Gestaltung dargelegt wurden101. Henckel hat darauf hingewiesen, dass man nicht notwendig das Gestaltungsrecht zur Individualisierung des Streitgegenstands heranziehen müsse, um diesen auf das konkrete Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu begrenzen. »Sieht man ein materielles Gestaltungsrecht als Streitgegenstand an, so wird dieser durch die Subjekte jenes Rechts individualisiert. Wird der Streitgegenstand lediglich durch das Begehren des Klägers festgelegt, das Gestaltungsrecht aber für den Streitgegenstand als belanglos erklärt, so sind die subjektiven Grenzen des Streitgegenstandes offen. Jedes auf dieselbe Gestaltung gerichtete Begehren hat denselben Streitgegenstand, gleichgültig, zwischen welchen Parteien der Prozess geführt wird. Nur mittelbar ergibt sich aus den objektiven Elementen des Streitgegenstandes eine Abgrenzung. Denn um ein und dasselbe Begehren kann es sich nur handeln, wenn es dieselbe Gestaltung desselben Rechtsverhältnisses betrifft«102. Allerdings ist diese Argumentation lediglich eine Hilfskonstruktion, die nur dann notwendig wird, wenn ein privates Gestaltungsrecht als Grundlage der Gestaltungsklage verneint wird.

96

Nikisch, AcP 154 (1955), 269, 294. Blomeyer, ZPR, § 94 IV 1 (S. 504); Dölle, ZZP 62 (1941), 281, 285; schon Hellwig, Lehrbuch, S. 394; Hellwig, Klagrecht, S. 62f.; Hellwig, System, § 228 III (S. 773). 98 In Abgrenzung zur konkreten Rechtsfolgenbehauptung, die dem Kläger die Möglichkeit geben soll, bei einer Mehrzahl materieller Rechte, die in ihren Auswirkungen verschieden sind, einzelne materiellrechtliche Grundlagen aus der rechtlichen Prüfung herauszunehmen, s. Habscheid, Streitgegenstand, S. 176ff. zum Eheauflösungsprozess. 99 So ausdrücklich Ring, S. 65. 100 Schlosser, S. 381: Anspruch auf Vornahme einer Amtshandlung. 101 S. weiter oben, S. 17ff. 102 Henckel, Parteilehre, S. 35f. 97

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Überwiegend wird auch für die Gestaltungsklage angenommen, dass der Streitgegenstand durch Antrag und Lebenssachverhalt bestimmt wird103. Damit stellt sich allerdings die Folgefrage nach der Abgrenzung des Lebenssachverhalts bei der Gestaltungsklage, so dass die Problematik lediglich verlagert, nicht aber beseitigt wird. Habscheid geht von der Prämisse aus, dass im Regelfall durch das Gestaltungsurteil alle möglichen Gestaltungsgründe erfasst werden, denn das Vorbringen neuer Gestaltungsgründe sei präkludiert. Speziell für den Eheauflösungsprozess und das Mietaufhebungsverfahren nimmt er jedoch an, dass der Kläger den Streitgegensand dadurch beschränken könne, dass er ausdrücklich nur eine von mehreren möglichen Rechtsfolgen aus seinem Tatsachenvorbringen beantragt (»konkrete Rechtsfolgenbehauptung«)104. Es liegt seiner Ansicht nach ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis dazu vor, wenn »die allgemeine Rechtsfolgenbehauptung in ihren Auswirkungen quantitativ verschiedene materielle Rechte« umfassen würde105. Es ist zwar zutreffend, dass der Kläger durch sein Vorbringen den Streitgegenstand bestimmt, dieser demnach insofern in seiner Disposition liegt. Zum einen gilt dies jedoch nicht unbegrenzt, da der Kläger auch mit nicht vorgetragenen Tatsachen präkludiert werden kann, wenn sie zu demselben Lebenssachverhalt gehören, d.h., wenn sie im Zusammenhang mit dem Prozessstoff des ersten Prozesses stehen106, d.h. »bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtung zu dem durch ihren Sachvortrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört hätten«107. Zum anderen kann der Kläger nicht nach seinem Gutdünken die Bedeutung und Tragweite der von ihm vorgetragenen Tatsachen einschränken: Wie die vorgebrachten Tatsachen bezüglich der Streitgegenstandbestimmung rechtlich einzuordnen sind, entzieht sich seines Einflusses108. Nach wiederum anderer Ansicht wird der Lebenssachverhalt durch den Gestaltungsgrund ersetzt und der Streitgegenstand wird durch Antrag und Gestaltungsgrund individualisiert: Verschiedene Gestaltungsgründe ergeben somit in der Regel mehrere Streitgegenstände109. Dem stehen auch nicht die weiter oben 103

S. zuletzt Bork (NZG 2002, 1094, 1095) in seiner kritischen Auseinandersetzung mit BGH, NJW 2002, 3465. 104 Habscheid, Streitgegenstand, S. 180ff.; so auch Blomeyer, ZPR, § 40 V 1 (S. 202f.) für die Leistungsklage. Das Vorbringen anderer, vom Kläger ausgeschlossener Ansprüche sei diesem jedoch in der Berufung oder in einem neuen Rechtsstreit nicht mehr gestattet; – Nikisch, AcP 154 (1955), 169, 292f. nimmt für den Scheidungsantrag die Möglichkeit einer Eventualstellung in den Fällen an, in denen das Vorbringen verschiedener Scheidungsgründe nicht gleichwertig sei. 105 Habscheid, Streitgegenstand, S. 183. 106 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 155 Rn. 7. 107 BGH, NJW 1995, 967, 968 mit zahlreichen Nachweisen. 108 Henckel, Parteilehre, S. 272f., 287 unten. 109 Blomeyer, ZPR, § 40 V 3 (S. 203); Henckel, Parteilehre, S. 287; Für die Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in der GmbH bzw. AG: Hachenburg-Raiser, Anh. § 47 Rn. 234; K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 55; Scholz-K. Schmidt, § 45 Rn. 177; a.A.

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erwähnten Entscheidungen entgegen, die sich auf die Problematik beschränkt haben, inwiefern das Rechtsschutzziel der Nichtigkeits- und der Anfechtungsklage zu unterschiedlichen Streitgegenständen führt110. Damit soll in der Terminologie der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandslehre jeder Gestaltungsgrund einen anderen Lebenssachverhalt bilden. Sehr weit fällt nach dieser Ansicht der Streitgegenstand aus, wenn das Gesetz als Gestaltungsgrund generalklauselartig das Vorliegen eines »wichtigen Grundes« vorsieht111. Mehrere Gestaltungsgründe sollen ausnahmsweise dann einen Lebenssachverhalt und damit einen einheitlichen Streitgegenstand bilden, wenn sich ihre wesentlichen Tatbestandselemente decken112. Soweit eine Individualisierung des Streitgegenstands über Antrag und Gestaltungsgrund vorgenommen wird, soll auch dann ein einheitlicher Streitgegenstand vorliegen, wenn mehrere verschiedene Tatsachen vorgebracht werden, die zeitlich und inhaltlich auseinander liegen, die jedoch alle unter einen Gestaltungsgrund zu subsumieren sind113, und zwar meist den »wichtigen Grund«. Das bedeutet, dass zusätzliches Tatsachenvorbringen, das denselben Gestaltungsgrund stützt, keine Klageänderung darstellt114. Es fehlen auch bei den Gestaltungsklagen nicht die Stimmen, die einen eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff befürworten. Namentlich nach Schwab wird bei Gestaltungsklagen (wie bei Leistungs- und Feststellungsklagen) der Streitgegenstand nur durch den Antrag bestimmt115. Nach anderer Ansicht muss danach differenziert werden, welcher Verfahrensgrundsatz anwendbar sei. Wenn für das Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt, werde der Streitgegenstand nur durch den Antrag bestimmt116. Die Konsequenz sei in diesem Fall, dass sämtliche Gestaltungsgründe miterfasst werden117. Bei Verfahren mit Geltung der Verhand-

Baumbach/Hueck-Zöllner, Anh. § 47 Rn. 83166f.; Kölner Komm. AktG-Zöllner, § 246 Rn. 47. K. Schmidt geht sogar noch weiter: Seiner Ansicht nach sind die Streitgegenstände unterschiedlich, wenn aus demselben Tatsachenstoff in Klage und Widerklage jede Partei einen jeweils in der Person des Prozessgegners liegenden wichtigen Grund zur Auflösung der Gesellschaft erblickt (Gestaltungsprozesse, S. 55). 110 S. weiter oben, S. 164. 111 Henckel, Parteilehre, S. 180. 112 Henckel, Parteilehre, S. 287. 113 Henckel, Parteilehre, S. 288. 114 Henckel, Parteilehre, S. 288. 115 Schwab, Streitgegenstand, S. 95ff. für das Scheidungsverfahren, dem auf S. 98 auch die Gestaltungsprozesse des Gesellschaftsrechts gleichgestellt werden. Für einen eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff auch Beys, ZZP 105, 145, 177. 116 Jauernig, ZPR, § 37 VIII 2 (S. 161); Jauernig, Verhandlungsmaxime, S. 55ff. für den Ehenichtigkeitsprozess; a.A. Baumgärtel, JuS 1974, 69, 72f.; Grunsky, Grundlagen, § 5 III 2 (S. 38); Habscheid, FamRZ 1971, 297ff.; Habscheid, FS Schwab, 181, 189; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 28; Yoshimura, ZZP 83, 245ff., der sich prinzipiell gegen einen globalen Streitgegenstandsbegriff wendet und auf die materiellen Interessen der Parteien abstellt. 117 Bruns, Rn. 310 b zum Ehenichtigkeitsprozess.

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lungsmaxime werde der Streitgegenstand durch Antrag und Sachverhalt individualisiert118. Es wird auch vertreten, dass in der Entscheidung über »das Begehren« des Klägers auf Gestaltung rechtskräftig entschieden werde in dem Sinne, dass festgestellt wird, dass das Begehren zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung begründet war119. Hierin befindet sich eine Annäherung an die Streitgegenstandsbestimmung bei der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage: Sie wird individualisiert durch den Antrag auf Beseitigung des Verwaltungsakts sowie den Klagegrund, der in der Rechtswidrigkeit und der Verletzung eigener Rechte des Klägers liegt120. Darauf hat sich auch das neue Urteil zum Streitgegenstand der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im Aktienrecht bezogen121, das den Streitgegenstand bestimmt hat durch den Antrag auf Gestaltung sowie die Rechtswidrigkeit des Beschlusses, unabhängig davon, ob ein Anfechtungs- oder ein Nichtigkeitsgrund vorlag. Übertragen auf die sonstigen Gestaltungsklagen würde dies bedeuten, dass der Streitgegenstand aus Antrag und Klagegrund in Form der Gestaltbarkeit bestehen würde. Henckel hat den Streitgegenstand durch das materielle Verfügungsobjekt eingegrenzt122. Der Kläger kann danach den Streitgegenstand nicht enger gestalten als die materiellrechtliche Verfügung ausfallen würde. Für den Ehenichtigkeitsprozess des früheren Rechts, der sich der Disposition der Parteien entzog, führte diese Ansicht dazu, dass sich der Streitgegenstand nicht auf die vom Kläger vorgebrachten Nichtigkeitsgründe begrenzte123. Bötticher erwog eine Differenzierung zwischen Gestaltungsurteilen, welche die Rechtslage fortentwickeln, und solchen, die eine vom Gegner vorgenommene Gestaltung rückgängig machen wollen124. In letzterem Fall sei Streitgegenstand nicht die (Gegen-) Gestaltungsbefugnis des Klägers, sondern die ursprüngliche Gestaltungsbefugnis des Beklagten: Gegenstand der Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung sei somit die »Befugnis der beklagten Aktiengesellschaft zu der vorangegangenen Gestaltung, wie sie sich in dem Beschluss der Hauptversammlung manifestiert«125. Bötticher schlug eine Zweiteilung der Gestaltungsklagen vor. »Bei der einen Kategorie wäre Streitgegenstand ein Gestaltungsrecht des Klägers, das aus Sachverhalten erwächst, die nur um dieses Gestaltungsrechts willen juristische Tatsachen darstellen (Mietaufhebungsgründe, Scheidungsgründe und dergl.). Bei der anderen Kategorie ficht der Kläger 118

Jauernig, ZPR, § 37 VIII 2 (S. 160). Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 15. 120 BVerwGE 91 (1993), 256, 257; Eyermann/Fröhler-Rennert, § 121 Rn. 25. 121 S. weiter oben, S. 180; dagegen Bork, NZG 2002, 3465, 3465, der auf die Eigenart des Verwaltungsprozesses mit seiner Untersuchungsmaxime hinweist. 122 Henckel, Parteilehre, S. 277; Henckel, Prozessrecht, S. 126. 123 Henckel, Prozessrecht, S. 126; Jauernig, Verhandlungsmaxime, S. 55ff. 124 Bötticher, FS Dölle, 41, 59ff. 125 Bötticher, FS Dölle, 41, 60. 119

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

eine ihn bedrückende Rechtslage, insbesondere eine gegen ihn vorgenommene Gestaltung aus Gründen an, die in einem Mangel dieser Gestaltung, insbesondere in fehlender Berechtigung des Aktsetzers bestehen«126. Hier liege eine rechtsmittelähnliche Situation vor. Die materielle Berechtigung des Klägers liege darin, dass er »es in der Hand hat, ob er den Unwirksamkeitsgrund aktivieren will oder nicht«127. Allerdings ist es generell ein Wesensmerkmal der Gestaltung, ob rechtsgeschäftlich oder durch Urteil herbeigeführt, dass es dem Berechtigten überlassen wird, ob er einen Gestaltungspunkt »aktivieren« will, so dass die von Bötticher unternommene Zweiteilung der Gestaltungsklagen nicht zur Lösung der Streitgegenstandsproblematik beitragen dürfte. Schumann wiederum sah speziell bei den Gestaltungsklagen und -urteilen einen Unterschied zwischen dem Streitgegenstand des Verfahrens und dem Urteilsgegenstand: Während des Verfahrens werde der Streitgegenstand einer Gestaltungsklage nach der eingliedrigen Theorie bestimmt, d.h. maßgeblich sei nur der Antrag128: Liege ein Antrag vor, der auf mehrere Sachverhalte gestützt wird, bestehe ein einheitlicher Streitgegenstand. Nach Ende des Prozesses solle der Urteilsgegenstand nach der zweigliedrigen Lehre nach Antrag und Lebenssachverhalt bestimmt werden129. Diese Differenzierung nahm Schumann aus Zweckmäßigkeitsgründen vor: Die eingliedrige Bestimmung während des Verfahrens schütze vor mehreren gleichzeitig anhängigen Prozessen auf dieselbe Gestaltung. Warum der Urteilsgegenstand zweckmäßiger nach Antrag und Lebenssachverhalt bestimmt werden sollte, wird allerdings nicht erwähnt, vermutlich war die Vermeidung einer Rechtsschutzverkürzung der Beweggrund. Eine derartige Inkongruenz von Verfahrens- und Urteilsgegenstand in Form eines deutlich umfassenderen Verfahrens- als Urteilsgegenstands sieht auch sowohl die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtshängigkeitssperre im Rahmen des EuGVÜ/der EuGV-VO130 als auch die neuerdings in Kraft getretene Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (EheGVVO)131 vor. Rechtspolitisch dürfte hinter einer derartigen Differenzierung die Hoffnung stehen, dass – nachdem ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist und der Kläger anhand des nunmehr maßgeblichen Urteilsgegenstands an sich noch die Möglichkeit hätte, eine neue Klage aufgrund eines anderen Sachverhalts zu erheben – er dies dann doch nicht mehr tun wird. Falls er jedoch immer noch nicht »zufrieden« ist, soll ihm nicht länger die Möglichkeit verweigert werden, eine neue Klage zu erheben.

126 127 128 129 130 131

Bötticher, FS Dölle, 41, 63f. Bötticher, FS Dölle, 41, 65 (Hervorhebung im Original). Stein/Jonas-Schumann, vor § 253 Rn. 59. Stein/Jonas-Schumann, vor § 253 Rn. 59. Dazu eingehend weiter unten im internationalen Teil, S. 333ff. Dazu eingehend weiter unten im internationalen Teil, S. 346ff.

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Die Vielfalt der Ansichten, die zum Streitgegenstand der Gestaltungsklage vertreten werden, ist charakteristisch für die Sonderstellung, die den Gestaltungsklagen eingeräumt wird. Die Tendenz geht – anders als bei den Leistungsklagen – auch bei der Frage nach der objektiven Reichweite der Rechtskraft hin zu einer möglichst weiten Bindung. Sie wurde kürzlich wieder durch das oben erwähnte BGH-Urteil bekräftigt, das für die Nichtigkeitsklage des Gesellschaftsrechts den prozessualen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ablehnte, zur Förderung der Rechtssicherheit132. Die Untersuchung des Streitgegenstands der Gestaltungsklage133 kann nicht auf die Frage reduziert werden, ob man der ein- oder der zweigliedrigen Streitgegenstandslehre folgen sollte, denn auch wenn man sinnvollerweise auch bei der Gestaltungsklage den traditionellen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zugrunde legt, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, wie der Lebenssachverhalt einzugrenzen ist. Sinnvolles Kriterium um zu beurteilen, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt, ist bei Gestaltungsklagen die Frage, ob sich die mehreren Gestaltungsgründe zu einem Oberbegriff zusammenfassen lassen. So lassen sich die Gestaltungsgründe des § 1469 BGB in der Sache darin zusammenfassen, dass ein »wichtiger Grund« vorliegt, die Gütergemeinschaft zu kündigen, weil durch konkrete Tatsachen oder Handlungen das dazu erforderliche Vertrauensverhältnis »zerrüttet«, die Zusammenarbeit »gescheitert« ist. Die in § 1469 BGB aufgezählten einzelnen Gestaltungsgründe bilden lediglich eine Konkretisierung des wichtigen Grundes. Bei der Auflösung der OHG durch gerichtliche Entscheidung (§ 133 HGB) findet dieses Verhältnis von Streitgegenstand als Oberbegriff (wichtiger Grund) und konkreten Gestaltungsgründen als seine Konkretisierung Ausdruck im Gesetzeswortlaut. Dieses Kriterium zur Bestimmung des Lebenssachverhalts und somit auch des Streitgegenstands gilt für alle negativen Gestaltungsklagen, mit denen ein vorhandenes Rechtsverhältnis aufgehoben werden soll. Es gilt auch für die positiven Gestaltungsklagen (§§ 315 III, 343 BGB), hier sieht sogar meist das Gesetz selbst lediglich eine Generalklausel vor. Nur im Ergebnis deckt sich die hiesige Streitgegenstandsbestimmung mit der Ansicht, der Streitgegenstand werde durch die Begründetheit des Gestaltungsbegehrens und damit durch die Gestaltbarkeit individualisiert134, wie sie das BGHUrteil zur Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im Aktienrecht vertreten hat, das den Streitgegenstand bestimmt hat durch Antrag und Rechtswidrigkeit des Versammlungsbeschlusses, in anderen Worten durch Antrag und Gestaltbarkeit. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich nämlich hierbei um eine Tautologie: Ich bean132

S. weiter oben, S. 180. Zur Erläuterung der folgenden Einstellung zum Streitgegenstand der Gestaltungsklage muss darauf hingewiesen werden, dass tendenziell auch für die Leistungsklagen ein weiterer Streitgegenstandsbegriff befürwortet wird, als er heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre angenommen wird, so dass auch der Streitgegenstand der Gestaltungsklage weiter ausfällt. 134 S.S. 185. 133

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

trage die Gestaltung, weil das Rechtsverhältnis gestaltbar ist. Nach hier vertretener Ansicht dagegen heißt es: Ich beantrage die Gestaltung, weil die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegende Beziehung zerrüttet ist. Nur damit wird der Streitgegenstand auch materiellrechtlich eingegrenzt. Da jedoch das Ergebnis wie erwähnt das gleiche ist, erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Urteil. Damit ist jedoch die Prüfung des Streitgegenstands der Gestaltungsklage noch nicht abgeschlossen. Zu prüfen ist noch, ob darüber hinaus auch die Gestaltung selbst Verfahrens- und auch Urteilsgegenstand ist. Das muss sogar so sein, denn sonst wäre auch die umfassende Gestaltungswirkung nicht zu erklären. Dass die Gestaltungswirkung in Relation zum Streitgegenstand zu erfassen ist, hat bereits der BGH ausdrücklich hervorgehoben, indem er entschieden hat, »dass Gestaltungsurteile ... zwar über die Parteien, aber nicht über den Streitgegenstand hinaus wirken« können135. Damit wird mehr als deutlich, dass bei gebotener prozessualer Betrachtungsweise die Erweiterung der subjektiven Grenzen nichts nützen würde, wenn nicht aus objektiver Sicht der Streitgegenstand auch die Gestaltung umfasst. Dies ist in der Tat der Fall, da die beantragte Gestaltung eine im materiellen Recht vorgesehene Folge der rechtskräftigen Feststellung des Gestaltungsklagerechts ist. Dies ist nicht dahingehend zu missverstehen, dass in der Gestaltung eine Tatbestandswirkung zu sehen ist, wie bereits weiter oben ausgeführt wurde136. Die Gestaltung ist keine Rechtsfolge, die – unabhängig vom ursprünglichen Prozess und unbeabsichtigt von den Parteien – erzeugt wird, sondern sie ist das antragsgemäße Ziel des Gestaltungsklageverfahrens. Auch Karsten Schmidt geht offensichtlich indirekt davon aus, dass die Gestaltung den Streitgegenstand bestimmt, denn im Mehrparteienprozess nimmt er an, dass allein die Zahl der begehrten Gestaltungen über die Einheit oder Mehrheit der Streitgegenstände entscheide137. Und Smid schreibt ausdrücklich, dass das Feststellungsmoment einer Klage nach § 133 HGB »nicht allein das Recht des Kläger(s) zur Kündigung (erfasst), sondern darüber hinaus die Feststellung, dass mit dem Urteil die Rechtsverhältnisse der Parteien durch diese Kündigung gestaltet sind«138. Übrigens ist anzumerken, dass auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vereinzelt angenommen wird, dass die Gestaltung Verfahrensgegenstand ist139. Dies gilt auch für die Gestaltungsklage, die ohnehin Berührungspunkte zum Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aufweist140. 135

BGHZ 85 (1983), 367, 372; s. dazu bereits weiter oben, S. 179. S. weiter oben, S. 47ff. 137 S. weiter oben, S. 69ff. 138 Smid, S. 200 (Hervorhebungen im Original). Allerdings scheint hier die Lehre vom Doppeltatbestand durchzuschimmern. 139 Munding, S. 23. 140 S. weiter oben, S. 47ff. 136

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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(b) Die Reichweite der positiven Rechtskraftbindung Der Streitgegenstand bestimmt auch die objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils. Er ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, auch wenn diesbezüglich oft unscharf formuliert wird. Gegenstand der Rechtskraft ist nicht der Streitgegenstand, sondern die gerichtliche Entscheidung hierüber141. Damit erklärt sich, warum der Rechtskraftgegenstand immer eine Feststellung ist, auch wenn der Klageantrag nicht auf Feststellung gelautet hatte. Damit ist festzuhalten, dass Verfahrens- und Urteilsgegenstand zwar nicht identisch, aber aufeinander bezogen sind und die Entscheidung hierüber den Rechtskraftgegenstand und damit die objektive Reichweite der Rechtskraft ergibt, die wiederum bei Präjudizialität maßgeblich wird. Für das Gestaltungsurteil bedeutet dies, dass festgestellt wird, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ein materiellrechtliches Gestaltungsklagerecht bestand142. Bis hierhin dürfte Einigkeit bestehen. Im Folgenden ist zu überprüfen, welche Auswirkung diese rechtskräftige Feststellung hat bzw. im Anschluss daran, ob darüber hinaus noch eine weitere Feststellung der Gestaltung an sich stattfindet. (i) Ausschluss der Klagen nach §§ 823, 812 BGB. Unumstritten im Hinblick auf die positive Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils ist der Ausschluss von Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen143. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Aussage, das Begehren sei begründet gewesen, nicht den Hauptgegenstand der rechtskräftigen Feststellung bildet, sondern dessen logische Folge144. Eine nachträgliche Klage auf Schadensersatz oder aus ungerechtfertigter Bereicherung, gestützt auf die Behauptung, das Urteil sei zu Unrecht so ergangen, wird keinen Erfolg haben. Das ist bei den Leistungsurteilen unstreitig145, wenn auch umstritten ist, ob eine Prozessabweisung oder eine Sachabweisung wegen Präjudizialität stattfinden muss146. Dies ist jedoch für den Zweck dieser Arbeit unerheblich, der maßgebliche Befund lautet, dass der Ausschluss eines materiellrechtlichen Ausgleichs auf die materielle Rechtskraft zurückzuführen ist. Diese Überlegungen gelten auch für das Gestaltungsurteil, es entspricht mitunter gefestigter Ansicht, dass die materielle Rechtskraft späteren Schadensersatzund Bereicherungsklagen im Wege steht. »Nur durch die Annahme der materiellen Rechtskraft kann vermieden werden, dass der Beklagte des Gestaltungsprozesses den Kläger auf Schadensersatz verklagt mit der Behauptung, das Recht auf 141

Eckardt, bei Fn. 134f. mit umfangreichen Nachw. Ähnlich Goldschmidt, AcP 117, 1, 19, der jedoch dieses Gestaltungsklagerecht als den Rechtsschutzanspruch des Klägers auf Erlass des Gestaltungsurteils verstand mit komplementärem Recht des Staates auf Erlass desselben. 143 S. Gaul, FamRZ 1957, 237ff.; Gaul, FS Zeuner, 317, 335 m.Nachw. 144 Vgl. weiter oben, S. 172. 145 Seit RGZ 1 (1880), 94, 95f. ständige Rspr., s. dazu Gaul, JuS 1962, 1ff. 146 S. weiter oben, S. 172ff. 142

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

die Gestaltung habe nicht bestanden«147. Gemeint kann nur der Fall sein, dass der Erlass des Gestaltungsurteils selbst das schadensauslösende Ereignis bzw. die ungerechtfertigte Bereicherung darstellt148, so dass die Schadensersatz- oder Bereicherungsklage die unmittelbare Infragestellung des Gestaltungsurteils darstellt bzw. die vermögensrechtliche Ausgleichung der Gestaltung. Dies wird auch in folgender Aussage deutlich, nämlich dass derlei Ansprüche »durch die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils ebenso ausgeschlossen sein (müssen) wie etwa die Rechtskraft des Leistungsurteils einer Rückforderung oder einem Schadensersatzanspruch wegen Nichtbestehens der Schuld entgegensteht«149. Ob überhaupt inter partes – wenn nicht die materielle Rechtskraft entgegen stünde – materiellrechtliche Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche bestünden, ist bereits fraglich. In der Regel wird bereits eine Rechtsgutverletzung i.S.d. § 823 I BGB fehlen, z.B. wenn der ehemalige Ehegatte durch das falsche Scheidungsurteil sein gesetzliches Erbrecht verloren hat, da das Erbrecht kein absolutes Recht, auch keine rechtlich geschützte Anwartschaft darstellt150. Ein Vermögensschaden allein rechtfertigt aber nicht die Schadensersatzpflicht nach § 823 I BGB151. Zwar könnte ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens über § 826 BGB erstrebt werden, der jedoch aufgrund der strengen subjektiven Voraussetzungen in den seltensten Fällen durchsetzbar sein wird. An der Beweisbarkeit des subjektiven Tatbestands wird in der Regel auch ein Anspruch nach § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB in der Form des Prozessbetrugs scheitern. Unterstellt, es sei nachweisbar gegen § 138 ZPO, der die Wahrheitspflicht im Zivilprozess vorsieht, verstoßen worden, hat dies außerhalb des § 826 BGB oder des Prozessbetrugs nach § 263 StGB i.V.m. § 823 II BGB152 keine materiellrechtlichen Folgen, da § 138 nach h.M. kein Schutzgesetz153 i.S.d. § 823 II BGB ist154. Interessant ist allerdings, dass gerade die Gestaltungsklagen die These von Hopt bestärken könnten, dass ein Verstoß gegen § 138 ZPO eine Schadensersatzpflicht nach § 823 II BGB auslösen könnte. Wenn man nämlich die Gestaltungsklagen in die Nähe der freiwilligen Gerichtsbarkeit155 oder gar der Verwaltungstätigkeit156 rückt, dann könnte man meinen, dass nicht mehr der Kampf der Parteien mit allen Mitteln im Vordergrund steht, sondern die gemeinsame Bemühung um die Wahr147

Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 91 Rn. 15. S. weiter oben, S. 172ff. 149 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 66 (Hervorhebung von Verf.). 150 BVerfG, NJW 2000, 2496. 151 S. nur BGHZ 41 (1964), 123, 127; MünchKomm-Wagner, § 823 Rn. 176. 152 Nicht jeder Verstoß gegen § 138 ZPO kann als strafrechtlich relevanter Prozessbetrug eingestuft werden. 153 Zur Schutzgesetzeigenschaft einer verletzten Norm s. MünchKomm-Wagner, § 823 Rn. 340ff. 154 A.A. Hopt, S. 271ff. 155 S. weiter oben, S. 47f. 156 S. weiter oben, S. 49f. 148

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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heit mit Pflichten gegenüber der anderen Partei, was nach Hopt gerade für seine These spricht157. Sie könnte noch unterstützt werden durch die Mitwirkungspflichten im Gesellschaftsrecht, die – in Abkehr von der Dispositionsmaxime – sogar zur Teilnahme am Verfahren auf Klägerseite zwingen sollen158. Gleichwohl wäre eine derartige Betrachtung der Gestaltungsklagen verfehlt: Die Annäherung an die freiwillige Gerichtsbarkeit oder gar die Verwaltungstätigkeit ist nicht nur unzutreffend, sondern sogar gefährlich, indem sie den Blick für die prozessualen Probleme verklären kann. Auch die Annahme von Mitwirkungspflichten, insbesondere bei der Klageerhebung, ist dogmatisch nicht zu rechtfertigen159. Und die Annahme, bei der Gestaltungsklage stehe nicht ein erbitterter Kampf im Vordergrund, sondern die gemeinsame Suche nach der Wahrheit, entpuppt sich allenfalls als desideratum, wenn man sich vor Augen führt, mit welcher Erbitterung oft Scheidungsanträge oder gesellschaftsrechtliche Ausschließungsklagen geführt werden. Aus diesen Gründen ist auch bei der Gestaltungsklage daran festzuhalten, dass § 138 kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 BGB darstellt, so dass der Vermögensschaden, der eventuell durch ein in wahrheitswidriger Prozessführung entstandenes »falsches« Gestaltungsurteil verursacht wurde, in der Regel auch nach materiellem Schadensersatzrecht nicht ersatzfähig ist160. Dies gilt auch für den Fall, dass durch die Scheidung der Anspruch auf ehelichen Unterhalt (§§ 1360, 1361 BGB) einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt (§ 1569 BGB) weicht. Allenfalls käme ein Schadensersatzanspruch in Frage bei einem Eigentumsverlust, wenn in Folge der Scheidung im Hausratsverfahren ausnahmsweise eine Eigentumsübertragung stattgefunden hat (§§ 8 III, 9 II 2 HausratsVO). (ii) Weiterreichende Präjudizialität. Der Ausschluss von Schadensersatz- oder Bereicherungsklagen, die sich unmittelbar auf den Erlass des Gestaltungsurteils als Schaden bzw. ungerechtfertigte Bereicherung beziehen (sog. »kontradiktorisches Gegenteil«), ist zwar richtigerweise161 eine Ausprägung der positiven Funktion der Rechtskraft, jedoch nicht die einzige. Und wenn man die h.M. zugrunde legt, handelt es sich gar nicht mal um eine positive Rechtskraftwirkung. Daher muss untersucht werden, ob die richterliche Gestaltung – an dieser Stelle immer noch innerhalb der subjektiven Rechtskraftgrenzen – positive Funktion in Form eines allgemeinen Widerspruchsverbots entfalten kann und zwar in dem Sinne,

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Vgl. Hopt, S. 271. S. weiter oben, S. 129. 159 S. ausführlich weiter oben, S. 90ff., insbes. S. 129ff. 160 Inter partes steht selbstverständlich noch die Rechtskraft des vorangegangenen Gestaltungsurteils einer Prüfung entgegen. 161 Dazu weiter oben, S. 172f. 158

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

dass die geänderte Rechtslage aufgrund der materiellen Rechtskraft prozessual feststeht. Eine derartige positive Präjudizialbindung der Gestaltungsurteile wird überhaupt nicht diskutiert, was auch verständlich ist, da nach gängiger Doktrin eine umfassende prozessuale Bindung über die Gestaltungswirkung erreicht werden soll. Dies zeigt deutlich folgendes Zitat: »Die Präjudizialitätswirkung der Rechtskraft wird durch die Gestaltungswirkung überlagert. Für eine (grundsätzlich nur inter partes wirkende) rechtskräftige Feststellung bleibt daher nur noch, dass das Recht der einen Partei gegen die andere auf die vollzogene Gestaltung festgestellt wird, z.B. das Recht des einen Ehegatten auf Scheidung«162. Eigentlich sollte der Spieß umgedreht werden und man sollte sich folgende Frage stellen: Wenn die Sicherung der Berücksichtigung des Gestaltungsurteils über die Figur der materiellen Rechtskraft möglich ist (denn nur dann kann von einer Überlagerung gesprochen werden), wozu braucht man dann eine prozessuale Gestaltungswirkung? Dies gilt insbesondere, da die Bindung an die »Gestaltungswirkung« und an die materielle Rechtskraft als austauschbar und rechtspolitisch gleichwertig angesehen werden163. Die Antwort lautet: Um eine größere subjektive Breitenwirkung zu erreichen. Wobei sich dann allerdings die Folgefrage stellt, warum dies nicht systemkonform durch eine Rechtskrafterstreckung erzielt werden kann. Nach heutiger Handhabung dagegen wird die vermeintliche prozessuale Gestaltungswirkung als eine Art »Superrechtskraft«164 neben die Rechtskraft gestellt. Bemerkenswert ist z.B. folgende Aussage von Braun, die sich zwar primär auf die Frage nach der subjektiven Reichweite des Gestaltungsurteils bezieht, jedoch auch im Hinblick auf den Bindungsgrund aufschlussreich ist: »Soll ›Wirkung für und gegen Dritte‹ ... heißen, dass das so genannte Gestaltungsurteil im Prozess mit einem Dritten von Amts wegen zu beachten ist, ... so wird man eine solche Wirkung ... konstruktiv wohl nur dadurch erklären können, dass man der rechtskräftigen Feststellung des mit der Klage ausgeübten Gestaltungsrechts Wirkung inter omnes beimisst«165. Abgesehen von der Frage der Wirkung für und gegen Dritte scheint Braun davon auszugehen, dass die Wirkung des Gestaltungsurteils auf der Feststellung des ausgeübten Gestaltungsrechts beruht. Eine unbewusste Zurückführung der »Gestaltungswirkung« auf die materielle Rechtskraft lässt sich immer wieder den Ausführungen der verschiedensten Autoren entnehmen. Z.B. wurde gegen die Deutung der klageweisen Geltendmachung der Wandlung des früheren Rechts als Gestaltungsklage vorgebracht, dass sich diese Theorie »mit der Erfassung der verteidigungsweise erhobenen Wandlungseinrede schwerer (tut), da sie in der Klageabweisung eine richterliche Umgestaltung des Kaufvertrages sehen muss, obwohl das Urteil hinsichtlich erhobener 162 163 164 165

Habscheid, § 28 II 3 (S. 205) zur streitigen Gerichtsbarkeit. S. weiter oben, S. 25. Begriff bei Oberhammer, S. 99. Braun II, S. 322 (Hervorhebung im Original).

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Einreden gewöhnlich keine Rechtskraft bewirkt«166. Der Rückschluss lautet eigentlich, dass die Gestaltung auf der Rechtskraft beruht. Zumindest ist dieser Aussage zu entnehmen, dass nur die rechtskraftfähigen Aussagen des Urteils auch Gegenstand der Gestaltungswirkung sein können. In diese Richtung deutet auch die Beobachtung, dass nach h.M. die Gestaltung ohne weitere Begründung immer an den Eintritt der Rechtskraft gekoppelt wird167. Tatsächlich wird dies vom Gesetz nur bei den familienrechtlichen Gestaltungsurteilen angeordnet – für die übrigen Gestaltungsurteile, insbesondere des Gesellschaftsrechts, wird im Gesetz nichts erwähnt, so dass die Gestaltung schon vor Eintritt der Rechtskraft eintreten müsste. Für die grundsätzliche zeitliche Anknüpfung der Gestaltung an die Rechtskraft über die im Gesetz genannten Fälle hinaus sind nach heutigem Stand zwei Erklärungen möglich: Zum einen dominieren bei fast jeder Untersuchung der Gestaltungsurteile die Statusurteile, und davon insbesondere die Eheauflösungsurteile, bei denen der Eintritt der Gestaltung ausdrücklich an die Rechtskraft des Urteils geknüpft wird. Aus der Regelung dieser Sondermaterie werden oft Rückschlüsse allgemeiner Art gezogen168. Oder man zieht den Grundsatz heran, dass in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit der Grundsatz gilt, dass Urteilswirkungen erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft entfaltet werden169. Nach Becker rechtfertigt die: »Vertauschbarkeit der Urteilsformen170 ... eine Vereinheitlichung bezüglich der Urteilswirkungen«171. Dabei bezieht sich Becker jedoch primär auf die Streitgegenstandsproblematik, namentlich geht es ihm darum, dass Gestaltungsrecht oder Gestaltungsgründe der Rechtskraftpräklusion unterliegen172. Er hat aus seiner Aussage nicht die Konsequenz gezogen, auch die subjektive Tragweite des entsprechenden Urteils zu problematisieren. Im Gegenteil, an anderer Stelle stellte er die »Überlegenheit« des Gestaltungsurteils gegenüber einem (vollstreckten) Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung fest, da ersteres »eine größere Reichweite seiner Rechtskraft als die nach § 894 ZPO vollstreckte Willenserklärung (erzielt), weil dort die Urteilswirkungen nur für und gegen die Verfahrensbeteiligten eintreten«173. Leider wird auch aus den weiteren Ausführungen nicht deutlich, ob Becker tatsächlich die prozessuale Wirkung des Gestaltungsurteils auf seine Rechtskraftwirkung zurückführt. Die Prüfung, in welchem Ausmaß die Gestaltung bereits durch die materielle Rechtskraft gedeckt wird, ist auch insofern unerlässlich, als »es ... nicht (angeht), 166 167 168 169 170 171 172 173

MünchKomm-Westermann3 (Vorauflage), § 462 Rn. 6 (Hervorhebung von Verf.). S. Nachweise in Fn. 30. S. auch bereits die diesbezügliche zutreffende Mahnung Grunskys, S. . Schlosser, FS Nakamura, 515, 517. Gestaltungsurteil/Leistungs- bzw. Feststellungsurteil (Anm. der Verf.). Becker, AcP 188, 24, 55. Becker, AcP 188, 24, 52f. Becker, AcP 188, 24, 31f. und dort Fn. 26.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

dass der Gesetzgeber die engen Grenzen, die ihm der verfassungsrechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs bei Erstreckung der materiellen Rechtskraft steckt dadurch missachtet, dass er dasselbe Ergebnis mittels Gestaltungsurteil anstrebt«174. Am Rande sei auch erwähnt, dass sich eine erfreuliche Tendenz abzeichnen dürfte, doch lieber in den sicheren Hafen der Rechtskraft zu segeln, als auf den offenen Gewässern der Gestaltungswirkung die Gefahr einzugehen, die prozessuale Richtung zu verlieren. Das zeigt sich z.B. darin, dass es als Vorzug eines Modells angepriesen wird, dass es zu einer Rechtskraftbindung führt175. Es ist also zu untersuchen, ob durch das Gestaltungsurteil tatsächlich auch die Gestaltung rechtskräftig festgestellt werden kann, wie die angeführten Aussagen vermuten lassen. Dieser Schritt wird nötig, weil im deutschen Recht die materielle Rechtskraft mit der Feststellungswirkung gleichgesetzt wird. Dass dies nicht zwingend ist, hat zwar Liebmann dargestellt176. Seiner Ansicht nach ist die Rechtskraft keine Urteilswirkung, sondern eine Eigenschaft des Urteils und seiner Urteilswirkungen, nämlich die Unabänderlichkeit dieser Urteilswirkungen. Daher sichere die Rechtskraft nicht lediglich die Feststellungswirkung, sondern »alle Urteilswirkungen und diese alle direkt und in demselben Maße«177. Wenn man dieser Sichtweise folgt, die allerdings in Deutschland keinen Anklang gefunden hat, entfällt die Problematik, ob die Gestaltung Feststellungsgegenstand des Gestaltungsurteils sein kann, denn jedenfalls basiert ihre Unabänderlichkeit auf der materiellen Rechtskraft. Weiter oben wurde aufgezeigt, dass zum Streitgegenstand der Gestaltungsklage nicht nur das Gestaltungsklagerecht gehört, sondern auch die Gestaltung selbst178. Auch Kisch sah in dem gestalteten »Rechtszustand« den Feststellungsgegenstand des Gestaltungsurteils179. Hellwig meinte allerdings, die Rechtsänderung sei lediglich das Ziel des Prozesses, genau wie die Verurteilung das Ziel einer Leistungsklage darstellt180 – das Rechtsverhältnis selbst werde auf keinen Fall rechtskräftig festgestellt181. Richtigerweise beinhaltet die rechtskräftige Feststellung des Gestaltungsurteils, dass ein Gestaltungsrecht vorliegt, automatisch auch die Aussage, dass gestaltet werden wird. Die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils erschöpft sich nicht in der Feststellung, dass ein Gestaltungsgrund gegeben ist, sondern sie bestärkt die Gestaltung und löst sie von den Gestaltungsgründen, sie hat die Ge174

Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 553); ähnlich Bettermann, S. 99. Z.B. H. Roth, FS Großfeld, 915, 928, der die analoge Anwendung der Beilademöglichkeit mit Rechtskrafterstreckung des § 856 im Gesellschaftsrecht vorschlägt, dazu s. weiter oben, S. 155. 176 Liebmann, ZZP 91, 449ff.; s. dagegen Mitsopoulos, ZZP 91, 113, 129ff. 177 Liebmann, ZZP 91, 449, 453. 178 S. weiter oben, S. 188. 179 Kisch, Beiträge, S. 74f. 180 So Hellwig, Klagrecht, S. 62f. und dort Fn. 14. 181 Hellwig, Lehrbuch, S. 394. 175

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staltung zum Objekt182. »Rechtskraftwirkung ist die unmittelbare Wirkung, die ein materiell rechtskräftiges Urteil ... bestimmungsgemäß auf das induzierte Rechtsverhältnis ausübt. Sie ist bei den Feststellungsurteilen i.w.S. Feststellung, bei den Rechtsgestaltungsurteilen Gestaltungswirkung«183. Dies bedeutet auch, dass sich die Bindung an das Gestaltungsurteil, wenn die Gestaltung präjudiziell z.B. für aus dem gestalteten Rechtsverhältnis entspringende Ansprüche ist, aus der positiven Auswirkung der materiellen Rechtskraft ergibt184. Zusammengefasst stellt das rechtskräftige Gestaltungsurteil fest, dass ein Gestaltungsklagerecht besteht und dass die Gestaltung mit Rechtskraft des Urteils eintreten wird. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass gegenstand der Rechtskraft der Subsumtionsschluss ist, nämlich die Entscheidung über den erhobenen Anspruch (§ 322 I). Die Entscheidung über das Gestaltungsklagerecht hat nach materiellem Recht zur Folge den Eintritt der Gestaltung, so dass auch diese von der in der Entscheidung vorzunehmenden Subsumtion erfasst wird und somit Gegenstand der Rechtskraft ist. In dem Rahmen, in dem also festgestellt wurde, ob ein Gestaltungsklagerecht besteht, wird notwendig auch geprüft, ob die Gestaltung stattfinden wird. Insofern ist auch die Argumentation nicht stichhaltig, die Gestaltungswirkung könne nicht durch die Rechtskraft »ersetzt« werden, da dies bedeuten würde, dass durch das Scheidungsurteil die Ehe bereits seit dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung aufgelöst wäre185. Der Gegenstand der rechtskräftigen Feststellung lautet, dass heute die Voraussetzungen für die Scheidung vorliegen und dass mit Eintritt der Rechtskraft die Scheidung stattfinden wird186. Bereits 1903 schrieb Kisch: »Sodann wird durch das konstitutive Urteil für die Zukunft in bindender Weise ein bestimmter Rechtszustand festgelegt. Dieser hat von nun an in der Weise zu gelten, wie er durch den Richter fixiert worden ist. Auch darin könnte, wenn man den Ausdruck in einem weiteren Sinne gebraucht, eine ›Feststellung‹ gefunden werden. Dieselbe hätte indessen hier einen ganz besonderen Sinn. Sie würde die Rechtsfolge ... als eine erst durch den Richter geschaffene konstatieren. Der in dem Urteil geregelte Rechtszustand gilt nämlich ..., weil er durch die Entscheidung überhaupt begründet worden ist. Er wird durch diese nicht bloß ›befestigt‹, sondern geschaffen und erst hiermit ›festgelegt‹, d.h. für die Zukunft in eine endgültige, sichere, ›feste Stellung‹ gebracht«187. 182

Krusch, S. 46, 50f. Pagenstecher, RabelsZ 15 (1949/50), 189, 198 und dort Fn. 1 (Hervorhebung im Original). 184 S. weiter oben, S. 192. 185 Calavros, S. 129. 186 So zum griechischen Recht Calavros, ElD 1987, 1185, 1187f., der noch weiter geht und die Feststellung des Gestaltungsklagerechts lediglich als Vorfrage ansieht, die allerdings im griechischen Recht an der Rechtskraft teilnimmt (§ 331 grZPO). 187 Kisch, Beiträge, S. 74f. (Hervorhebungen im Original). 183

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

In dem Sinne kann auch der Aussage zugestimmt werden, die Gestaltungswirkung beruhe nach Grund und Grenzen auf der materiellen Rechtskraft188: Zum einen bildet die materielle Rechtskraft die endgültige Rechtfertigung für das Bestehenbleiben der Gestaltung, zum anderen sichert sie die Gestaltung prozessual, indem sie in einem späteren Prozess außer Frage steht. In ursächlichem Zusammenhang basiert die Gestaltung jedoch – ähnlich wie die Vollstreckungswirkung auf dem Leistungsbefehl beruht – auf der Gestaltungsanordnung189. (2) Ergebnis zur positiven Rechtskraftwirkung Somit ist die positive Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils viel weiter als bisher angenommen wurde190 und sie macht eine prozessuale Gestaltungswirkung entbehrlich191. Unter Zugrundelegung der absolut herrschenden Betrachtungsweise, die die Rechtskraftwirkung als Feststellungswirkung versteht192, die den Subsumtionsschluss beinhaltet, ist folgender objektiver Rechtskraftinhalt des Gestaltungsurteils zu bejahen: Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten ein materielles Gestaltungsklagerecht hat. Darüber hinaus wird auch die Gestaltung selbst rechtskräftig festgestellt, und zwar in der Form, dass sie eintreten wird, sobald das Urteil rechtskräftig wird. Damit wird zwar in der Tat nicht festgestellt, dass die Ehe geschieden ist193, sondern dass sie mit Eintritt der Rechtskraft geschieden sein wird. Damit ergibt sich auch, dass daran festzuhalten ist, dass die Gestaltung erst mit Erlangung der Rechtskraft eintritt. Innerhalb der subjektiven Rechtskraftgrenzen wird durch die rechtskräftige Entscheidung sowohl die Begründetheit des Klagebegehrens in Form des Gestaltungsklagerechts als auch die Gestaltung selbst unstreitig gemacht. Wo inter partes das Gestaltungsurteil später in Frage gestellt wird, wird allein die materielle Rechtskraft weitere Prüfungen abschneiden in ihrer negativen Form oder die Grundlage für spätere weitere Prüfungen bilden als Folge der positiven Präjudizialbindung. (3) Einfluss auf die Dreiteilung der Klage- und Urteilstypen? Bevor die Untersuchung weitergeführt wird, stellt sich die Frage, ob durch die Feststellung der Sachnähe zwischen Leistungs- und Gestaltungsklage einerseits 188 Häsemeyer, AcP 188, 140, 153; Kargados, S. 113; gegen die Ansicht, dass die Gestaltungswirkung auf die Rechtskraft zurückzuführen ist Stein/Jonas-Pohle, ZPO18, § 322 II 1: »mindestens theoretisch zweifelhaft«; Mendelssohn-Bartholdy, 475. 189 Zu dieser Parallele s. weiter oben, S. 165ff. 190 Bzw. sie ist überhaupt vorhanden, wenn man das kontradiktorische Gegenteil als Fall der negativen Rechtskraftwirkung auffasst, s. dazu weiter oben, S. 172f. 191 Was die objektiven Bindungsgrenzen angeht, die Problematik der subjektiven Reichweite der prozessualen Bindung an das Gestaltungsurteil wird im Anschluss bearbeitet. 192 Zur insoweit davon abweichenden Konzeption von Liebmann s. weiter oben, S. 194. 193 Dazu s. weiter oben, S. 175.

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und der Ermittlung des Feststellungsgegenstands des Gestaltungsurteils andererseits die traditionelle Dreiteilung der Urteilsarten angetastet wird194. Schon die Motive zum BGB teilten die Urteilswirkungen in regelmäßig deklarative, ausnahmsweise »rechtsschöpferische«195. Ursprünglich wurde jedoch die Gestaltungsklage als eine Art Leistungsklage eingestuft, die keiner Vollstreckung bedarf196. Es wurde bereits erwähnt, dass das Ergebnis, das mit der Gestaltungsklage angestrebt wird, genauso gut auf dem Weg einer Leistungsklage, insbesondere auf Abgabe einer Willenserklärung, zu erreichen wäre197. Die Sachnähe zwischen dem Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung und einem Gestaltungsurteil wird schon dadurch ersichtlich, dass die Rechtsnatur des Urteils aus § 894 lange Zeit umstritten war. Heute kann es zwar als allgemeine Meinung angesehen werden, dass das Urteil des § 894 ein Leistungsurteil ist, dessen Zwangsvollstreckung durch Fiktion stattfindet198. Gleichwohl wird diesem Leistungsurteil nach verbreiteter Meinung eine rechtsgestaltende Wirkung zuerkannt199, die es jedoch nicht zum Gestaltungsurteil mache, da sie nur Wirkung und nicht Inhalt des Urteils sei200. Es soll sich um eine nicht »aus dem Inhalt des Urteils fließende«, sondern »von außen her beigelegte«201 bzw. unmittelbar vom Gesetz ausgehende202 Wirkung handeln. Es ergeben sich bei der Einordnung der Wirkung des § 894 als Vollstreckung durch Fiktion auch weitere Besonderheiten, die eine Ähnlichkeit mit der Wirkung von Gestaltungsurteilen aufweisen. So hat dem Gesetzeswortlaut nach der verurteilte Schuldner nicht einmal die Möglichkeit, sich dem rechtskräftigen Ur-

194 Hier soll nicht auf weitere Feinheiten der Systematik der Klage- und Urteilstypen eingegangen werden. Insbesondere sei dahingestellt, ob außer den drei »großen« Klage- und Urteilstypen auch andere herauszuarbeiten sind, wie z.B. die Anordnungsurteile von Kuttner. 195 Mugdan, Bd. I, S. 553f. 196 Z.B. Weismann, § 18 V (S. 61); nach Kleinfeller, § 75 II 3 (S. 265f.), ist die Gestaltungsklage eine Art der Leistungsklage, die jedoch über die »normale« Leistungsklage hinaus gehe, indem sie »noch auf etwas anderes als auf Leistung des Gegners gerichtet« sei [§ 75 II (S. 263)]. 197 S. z.B. K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 26: »vertypte Leistungsklagen«; Wieczorek, § 253 Bem. C I b. 198 MünchKommZPO-Schilken, § 894 Rn. 1; Stein/Jonas-Brehm, § 894 Rn. 3; BaumbachHartmann, § 894 Rn. 2?; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 9 IV 1 (S. 97), § 10 I 2 (S. 99f.), § 72 vor I (S. 979) m. Nachw.; insbes. jetzt eingehend Grau, S. 299ff.; a.A. Bötticher, Wandlung, S. 33; Langheineken, S. 256: Das Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung »enthält keinen Urteilsbefehl (denn die hier erwähnte ›Verurteilung‹ ist, wie bereits hervorgehoben, eine reine Formalität), folglich giebt es hier eine Vollstreckbarkeit im Sinne von Zwangsvollstreckbarkeit nicht ...«; Larenz, NJW 1951, 497, 499: der Sache nach Gestaltungsurteil, der Form nach Leistungsurteil; differenzierend Wieser, Freundesgabe für Alfred Söllner, 629, 641ff. 199 Statt aller MünchKommZPO-Schilken, § 894 Rn. 1; s. weitere Nachweise bei Grau, S. 355f. 200 BayObLG, MDR 1953, 561, 562; MünchKommZPO-Schilken, § 894 Rn. 1; MusielakLackmann, § 894 Rn. 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 10 I 2 (S. 99), § 72 vor I (S. 979); Stein/JonasBrehm, § 894 Rn. 3. 201 Stein, ZZP 38 (1909), 271, 287. 202 Jaeger, ZZP 40 (1910), 123, 136.

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teil freiwillig zu beugen203. Nichts anderes gilt für § 895, denn hier handelt es sich nicht um eine Erfüllungsfiktion im Hinblick auf die Hauptsache, sondern um eine engere Fiktion des Inhalts, dass vom Schuldner die Eintragung von Sicherungsmitteln in das Grundbuch bewilligt ist. Dabei liegt eine Sicherungsmaßnahme vor, die wiederum durch die (zweite) Fiktion der Abgabe der Einwilligungserklärung des Schuldners bewirkt wird204. Auch wird – außer die Abgabe der Willenserklärung wurde von einer Gegenleistung abhängig gemacht (§ 894 Abs. 1 S. 2) – keine Vollstreckungsklausel erteilt. Das Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung ersetzt einen rechtsgeschäftlichen Akt des Schuldners, wie dies auch bei den meisten Gestaltungsurteilen der Fall ist. Bei einem positiven Gestaltungsurteil, das z.B. die Höhe der Vertragstrafe festsetzt205, ergibt sich das von selbst. Bei den negativen wird zwar kein rechtsgeschäftlicher Akt des Klägers allein ersetzt, jedoch wäre auch hier prinzipiell – mit Ausnahme von der Disposition entzogener Rechtsverhältnisse – die Gestaltung durch rechtsgeschäftliches Gestaltungsrecht, ausgeübt durch eine Willenserklärung, oder durch einvernehmliches Handeln denkbar206. Die Ähnlichkeit zwischen Gestaltungs- und Leistungsklage und -urteil wird dadurch bekräftigt, dass heute die Tendenz dahin geht, einen Anspruch auf Mitwirkung zur Herbeiführung der Gestaltung anzunehmen, wobei die materielle Mitwirkungspflicht auf die Herbeiführung der Rechtslage zielt, auf die auch die Gestaltungsklage gerichtet ist. In diesen Fällen ist die Funktion des Gestaltungsurteils der Sache nach im Ergebnis identisch mit einer Verurteilung zur Erfüllung dieser Mitwirkungspflicht nach § 894: Wenn die Mitwirkungspflicht z.B. auf die Auflösung einer Gesellschaft lautet und das Gestaltungsurteil die Auflösung zwangsweise herbeiführen kann, ist dies der Sache nach eine Erfüllung der Mit203 Dies betont Langheineken, S. 252f.; so auch Kipp, Kieler FG Jhering, 41, 54f.; Rüttinger, S. 29; a.A. Grau, S. 351 vor Eintritt der Rechtskraft. Auch der grundsätzliche Ausschluss freiwilliger Leistung nach Rechtskrafteintritt spreche nicht gegen die Annahme, dass es sich bei § 894 um den Vollzug des Leistungsbefehls handele, da durch eine freiwillige Leistung weder Gläubiger noch Schuldner einen Vorteil hätten (S. 354f.); nach Larenz, NJW 1951, 497, 499 hat die Verurteilung bei § 894 nur »fiktive Bedeutung«, während in der Sache eine Gestaltung durch Urteil vorgenommen wird; Esser, Rechtsfiktionen, S. 39 und dort Fn. 5 geht offensichtlich davon aus, dass eine freiwillige Abgabe der Willenserklärung zwischen Urteilserlass und Rechtskrafteintritt möglich ist. 204 S. eingehend Grau, S. 481ff., allerdings im Hinblick auf die Problematik, ob die vorläufige Vollstreckung von Urteilen auf Abgabe einer Willenserklärung zulässig ist; zur Frage, wann bei der Vollstreckung nach § 894 materiell der Erfüllungserfolg eintritt s. Kerwer, S. 60ff. 205 Es handelt sich um ein Gestaltungsurteil, s. MünchKomm-Gottwald, § 343 Rn. 1 m.Nachw. 206 Die Tatsache, dass das positive Recht einige Bereiche der Privatautonomie entzieht, wie z.B. bei der Scheidung, ändert nichts an der Feststellung. Es geht hier nur darum, dass – solange keine konkreten Verbote vorliegen – die Herbeiführung des materiellen Ergebnisses auch durch rechtsgeschäftliches Handeln systematisch denkbar ist. Dies wird im Bereich der Scheidung dadurch deutlich, dass in einigen Rechtsordnungen eine rechtsgeschäftliche Scheidung vorgesehen ist.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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wirkungspflicht. Auch bezüglich der Urteilswirkungen besteht kein qualitativer Unterschied: Die vom Urteil angeordnete Wirkung tritt in beiden Fällen ohne weitere äußere Hilfe von selbst mit Eintritt der Rechtskraft ein207. Daher muss besonders gerechtfertigt werden, warum im einen Fall eine Vollstreckungswirkung angenommen wird, die nur im Rahmen der materiellen Rechtskraft prozessuale Relevanz erlangt, im anderen Fall eine Gestaltungswirkung, die jedermann binden soll208. Bemerkenswert und bezeichnend für die tatsächliche Sachnähe von Leistungsund Gestaltungsklage ist auch, dass der BGH in einem Fall, in dem das Gesetz eigentlich einen Anspruch auf Einwilligung vorsieht, eine inzidente vertragliche Anpassung und damit eine Gestaltung vorgenommen hat. Es handelte sich um die Frage der Anpassung der Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung: § 12 VI ArbEG sieht folgendes vor: »Arbeitgeber und Arbeitnehmer können voneinander die Einwilligung in eine andere Regelung der Vergütung verlangen, wenn sich Umstände wesentlich ändern, die für die Feststellung oder Festsetzung der Vergütung maßgebend waren«. Der BGH hat § 12 VI ArbEG als Ausprägung des § 242 BGB verstanden und aus diesem Gesetzeszweck abgeleitet, dass der Arbeitgeber nicht auf eine separate Klage auf Einwilligung verwiesen werden müsse, sondern dass er den Anspruch auch verteidigungsweise geltend machen könne, wenn der Arbeitnehmer auf Zahlung der Vergütung klagt209. Nach neuem Schuldrecht scheint man zwar davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Vertragsanpassung besteht210. Allerdings wird in der Gesetzesbegründung eine Seite zuvor die Richtigkeit der früheren Ansicht angezweifelt, die u.a. auch eine Gestaltung verneint hatte. Hingewiesen wurde insofern auf BGH, NJW 1952, 137, wo die Rede davon war, dass die Verträge neu gestaltet werden211. Richtigerweise handelt es sich bei der Anpassung des Vergütungsanspruchs (§ 313 I 1 BGB) um ein Gestaltungsklagerecht, ähnlich dem Recht auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe (§ 343 BGB). Damit wird deutlich, dass sich Gestaltungs- und Leistungsklage nicht völlig unversöhnlich gegenüberstehen. Man kann – je nach gewünschtem Ergebnis – auch Ansprüche konstruieren, die eine Gestaltungsklage ersetzen können. Habermeier z.B. zieht eine analoge Anwendung von § 2039 BGB auf alle Gestaltungsklagen in Erwägung, weil der Gesetzgeber diese durch eine auf Abgabe ei-

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Rödig, S. 78f.; Schlosser, S. 35. Freilich ist diese Bindung von »jedermann« eher ein Denkmodell, denn zum Tragen kommt sie nur bei Personen, die entweder selbst Klagebefugnis besitzen (so Joeres, S. 72 und dort Fn. 118) oder deren eigene Rechtsposition materiellrechtlich von der Rechtsposition einer der Parteien abhängt. Die »Bindung« von Verwaltungsbehörden etc. muss nicht zwingend auf einer prozessualen Urteilswirkung beruhen, dazu s. weiter unten, S. 239ff. 209 BGH, NJW 1975, 390. 210 S. z.B. Palandt-HeinrichsGrüneberg, § 313 Rn. 4129 sowie BT-Drucks. 14/6040, S. 176. 211 BT-Drucks. 14/6040, S. 175. 208

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

ner Willenserklärung gerichtete Leistungsklage ersetzen könne212. Im Falle des § 343 BGB könnte durchaus ein Anspruch auf Herabsetzung der Vertragsstrafe gedacht werden213. Statt einer Gestaltungsklage negativen Inhalts ist wiederum ein Beseitigungs- bzw. ein Duldungsanspruch denkbar214. Dem geschriebenen Gesetz entsprechen jedoch diese denkbaren Alternativen nicht. Die Tatsache, dass rechtstechnisch dasselbe Ergebnis auch durch einen Leistungsanspruch erzielt werden könnte, ändert daran nichts. Die Konsequenz allerdings, die aus der Feststellung der Verwandtschaft der beiden Klageformen gezogen werden muss, ist dass Sonderregeln für die Gestaltungsklage nicht als selbstverständlich hingenommen werden dürfen, sondern im Hinblick auf die grundsätzliche Austauschbarkeit der Klagetypen besonders gerechtfertigt werden müssen. Wo eine Nähe zum Leistungsurteil besteht, ist der Abstand zum Feststellungsurteil auch nicht groß. So wird immer wieder die Ansicht vertreten, dass Gestaltungsurteile keine eigenständige Gruppe bilden und lediglich Feststellungsurteile seien215. Dazu ist Folgendes anzumerken: Im Gestaltungsurteil wird tatsächlich eine Feststellung hinsichtlich des streitbefangenen Rechtsverhältnisses vorgenommen216. Bruns hat darauf hingewiesen, dass sich sogar die Gestaltungsanordnung eines Gestaltungsurteils als Feststellung erfassen ließe217. Zumindest wurde weiter oben herausgearbeitet, dass das Gestaltungsurteil auch eine rechtskräftige Feststellung enthält, dass die Gestaltung mit Eintritt der materiellen Rechtskraft eintreten wird218. Damit besteht auch eine Ähnlichkeit zwischen Gestaltungsund Feststellungsklage, wie auch die Fälle zeigen, in denen die Rechtsnatur einer Klage streitig ist. Historisch gesehen liegt die »Entdeckung« des rechtsgeschäftlich ausgeübten Gestaltungsrechts zeitlich nach derjenigen des rechtsgestaltenden Urteils219. 212

Habermeier, ZZP 105, 187, 198ff., letztlich verneinend. Bzw. eine ipso iure eintretende Folge der Unangemessenheit der Vertragsstrafe, ähnlich der Minderung alten Kaufrechts, s. auch Blomeyer, AcP 151, 97, 119. 214 Zu dieser von Lindacher vertretenen Ansicht s. weiter oben, S. 151f. 215 So Kohler, RheinZ 1 (1909), S. 39ff.; Rödig, S. 103f.; eher kritisch dazu Röhl, ZZP 88, 350, 351; ähnlich Smid, S. 200f., 453; für das einer verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage stattgebende Aufhebungsurteil Martens, DöV 1970, 476, 478, allerdings mit der fragwürdigen Begründung, dass festgestellt wird, »dass die streitige Rechtsfolge zu dem im Verwaltungsakt genannten Zeitpunkt entgegen der Ansicht der Behörde nicht eingetreten ist«. Die Rechtsfolge ist aber eingetreten, lediglich durch rechtswidrigen Vorgang, der nunmehr der Aufhebung unterliegt. 216 Becker, AcP 188, 24, 54f. 217 Bruns, ZZP 78, 264, 283. 218 S. weiter oben, S. 188ff., 194ff. 219 Dölle (42. DJT II, B S. 1, 10ff., 12) spricht von einer »juristischen Entdeckung« Seckels, da die Wissenschaft dadurch »in den Stand gesetzt (wurde), mit einem besseren systematischen Überblick und mit richtigen dogmatischen Fragestellungen die vielfältigen juristischen FormElemente zu handhaben, die wir zu einer ordnungsgemäßen Bewältigung des sozialen Lebens jedenfalls auch brauchen«. 213

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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Noch 1874 entschied das Reichsoberhandelsgericht, dass »das richterliche Urteil nicht Recht schafft, sondern nur über streitige Rechtsverhältnisse entscheidet«220. Es ging zwar um die Kündigung einer stillen Gesellschaft, die nach heutigem Verständnis tatsächlich durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung erfolgt, zu deren Wirksamkeit ein reines Feststellungsurteil ergehen würde. Das ROHG wollte jedoch die Auflösung durch Gestaltungsklage herbeiführen, was ihm nachträglich die Kritik einbrachte, dass es ein Problem sah, wo keines war (Auflösung der stillen Gesellschaft durch Kündigung und nicht durch Klage), und dass es das Problem unter Zuhilfenahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu lösen versuchte, den es nicht gibt (Gerichtsurteile hätten nur feststellende und keine gestaltende Wirkung)221. Trotzdem kann die Aussage des Reichsoberhandelsgerichts, dass eine Gestaltungswirkung Gerichtsurteilen fremd sei, durch diese Kritik nicht aus der Welt geschaffen werden. Seckel, der den Gestaltungsrechten ihren Namen gab, wies am Anfang seiner Schrift ausdrücklich darauf hin, dass er mit dem Namen »Gestaltungsrecht« bewusst Anschluss an das Rechtsgestaltungsurteil der Prozessualisten (das er Gestaltungsurteil nannte) genommen habe222. Zuvor hatte Wach die Urteile aufgeteilt in Feststellungs-, Leistungsurteile und in solche, die »sofort den beanspruchten Erfolg ohne Vollstreckungshandlung mit dem Eintritt der Rechtskraft (aussprechen)«223. Von Schrutka-Rechtenstamm bemerkte in seiner Besprechung dieser Arbeit: »Es gibt auch Klagen ..., die nicht eigentlich auf Feststellung des bestehenden Rechtszustandes, sondern auf Umänderung, Umgestaltung desselben durch das Gericht gehen. Die Function des Richters ist hier eine ganz andere, er declarirt nicht was Rechtens ist, sondern er constituirt neues Recht. ... Allerdings wird hier festgestellt, dass eine Ehe vorhanden sei, und dass bestimmte Thatsachen (z.B. Ehebruch) vorliegen, an welche das Recht den Anspruch des Ehegatten auf Scheidung knüpft. Mit diesen Feststellungen allein ist jedoch dem Kläger noch nicht geholfen, er verlangt geradezu, dass das Gericht auf Grund derselben auch noch ausspreche, die Ehe werde geschieden. ... Man könnte solche Klagen vielleicht Rechtsgestaltungsklagen nennen ...«224. Das Verständnis der Gestaltungsklage hat sich nicht sofort durchgesetzt. So schrieb v. Hahn in seinem Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch zu Art. 125 ADHGB225 (entspricht § 133 HGB), dass nicht der Richter220

ROHGE 12, 98, 101; zustimmend Goldmann, § 133 Rn. 16 (S. 591). K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 15. 222 Seckel, S. 12. 223 Wach, Feststellungsanspruch, S. 11f. 224 V. Schrutka-Rechtenstamm, GrünhutsZ 16 (1889), 617, 619. 225 Art. 125 ADHGB: Abs. 1: Ein Gesellschafter kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei Gesellschaften von unbestimmter Dauer ohne vorgängige Aufkündigung verlangen, sofern hierzu wichtige Gründe vorhanden sind. Abs. 2: Die Beurtheilung, ob solche Gründe anzunehmen sind, bleibt im Fall des Widerspruchs dem Ermessen des Richters überlassen. ... 221

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

spruch die Gesellschaft auflöse, sondern dass dieser lediglich über die Wirkung der Auflösungserklärung erkenne, d.h. entscheide, »ob der Auflösungsgrund vorhanden und ob er in gehöriger Weise geltend gemacht ist. ... Das Erkenntnis geht daher auch nicht dahin, die Gesellschaft werde aufgelöst oder werde nicht aufgelöst, sondern die Gesellschaft sei mit Recht, oder sie sei mit Unrecht für aufgelöst erklärt. ..., so ist es immer nicht der Richterspruch, welcher die Gesellschaft auflöst, sondern es wird auch nach dieser Richtung nur über die Wirkung der Auflösungserklärung erkannt«226. Allerdings hielt auch v. Hahn diesen Grundsatz nicht ausnahmslos aufrecht. Er ließ es nämlich zu, dass ein Gesellschafter sich vor Abgabe der Auflösungserklärung an das Gericht wendet, um sich zu vergewissern, ob eine Auflösung wegen des von ihm angegebenen Grundes zulässig ist. Unabhängig von der Frage, ob für eine derartige Klage ein Feststellungsinteresse bzw. gar ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt, war es inkonsequent, dass v. Hahn annahm, dass »in diesem Fall ... die Auflösung unter den Parteien mit der Rechtskraft des Erkenntnisses ein(tritt)«227. Ungefähr zeitgleich mit von Schrutka-Rechtenstamm hatte aus materiellrechtlicher Seite als erster Enneccerus zu den sog. Erwerbsberechtigungen dargetan, dass sie nicht in die damals anerkannten Klassen der Rechte passten228. Danach entwickelte Zitelmann den Begriff »Rechte des rechtlichen Könnens« bzw. »Kann-Rechte«229. Ihm schloss sich Hellwig an230. Freilich zählten die Autoren nicht immer dieselben Rechte zu den Gestaltungsrechten, was jedoch an dieser Stelle nicht von weiterer Bedeutung ist. Ob die Entwicklung eines eigenständigen Gestaltungsklagetypus ein segensreicher Schritt war231, oder ob man nicht besser bei der Wach’schen Unterscheidung zwischen Urteilen auf Feststellung und solchen auf Verurteilung geblieben wäre232, soll hier dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass sich die Dreiteilung durchgesetzt hat und in Anbetracht der Besonderheiten der Gestaltungsklage auch beibehalten werden sollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass Leistungs- und Gestaltungsklage völlig wesensverschieden wären, wie oft behauptet wird. Dass die zwei Urteilsarten viele Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte aufweisen, wurde bereits herausgearbeitet233. Damit wird deutlich, dass – entgegen dem ers226 V. Hahn, ADHGB, Art. 125 § 5; auch zur Ausschließungsklage vertrat er die Ansicht, dass nicht das Urteil die Ausschließung bewirke, Art. 128 § 4. 227 V. Hahn, Art. 125 § 5. 228 Enneccerus, S. 600f. 229 Zitelmann, S. 32ff., 42ff. 230 Hellwig, Lehrbuch, S. 215, 230ff. 231 Kritisch im Bereich der Drittwiderspruchsklage gegen die Figur der »prozessualen Gestaltungsklage« z.B. Picker, S. 30ff., insbes. 32, 37, 495ff., 499: Verfälschung der materiellen Wertungen der Rechtsordnung; dagegen Gaul, FS BGH, 521, 530 und dort Fn. 55. 232 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 20 hält letzteres für erwägenswert, allerdings wegen der Gefahr terminologischer Verwirrung nicht für sinnvoll. 233 S. weiter oben, S. 197.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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ten Anschein – keine unüberbrückbare Kluft zwischen Leistungs- und Gestaltungsurteil liegt. Die Probleme, die bei der Abgrenzung auftauchen, könnten daran liegen, dass die beiden Klagearten genau genommen auf zwei unterschiedlichen Konzeptionen der materiellen Rechtsordnung beruhen: § 194 BGB und die dazugehörigen Leistungsklagen beruhen auf der punktuellen Anspruchskonzeption Windscheids. Bei den Feststellungsklagen und den Gestaltungsklagen steht eher das Rechtsverhältnis im Vordergrund, d.h. die Konzeption von Savigny. Dies wird auch in der Aussage Borks deutlich, Gestaltungsrechte seien »nicht personenbezogen (von dem anderen Teil wird gerade keine Mitwirkung verlangt), sondern objekt-, nämlich auf ein Rechtsverhältnis bezogen«234. Nur am Rande sei angedeutet, dass sich die Rechtsprechung des EuGH darauf auswirken könnte, dass eine Rückbesinnung auf das Rechtsverhältnis stattfindet235, denn durch seine Kernpunkttheorie bezüglich der Identität des Streitgegenstands stellt der EuGH nicht mehr auf den punktuellen Anspruch ab, sondern auf das Rechtsverhältnis als solches236. Bei einer derartigen Sichtweise wird auch die Kluft zwischen Gestaltungsklage und Leistungsklage kleiner. Was die Ansicht betrifft, dass es nur Feststellungsurteile gebe237, muss angemerkt werden, dass auch damit die Dreiteilung der Urteile nicht gänzlich aufgehoben wäre: Es gäbe danach reine Feststellungsurteile, Feststellungsurteile mit Vollstreckungsmöglichkeit und Feststellungsurteile mit Gestaltungscharakter238. In der Sache bliebe dadurch die Dreiteilung unter anderer Bezeichnung erhalten239. Auch aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, dieser Frage weiter eingehend nachzugehen. Darüber hinaus tritt durch die Dreiteilung der Klage- und Urteilstypen die unterschiedliche instrumentale Zielsetzung besser hervor240. Immerhin sei angemerkt, dass selbst der moderne Gesetzgeber Gestaltungsund Feststellungs- bzw. Leistungsurteile nicht immer korrekt auseinander hält. So heißt es in der amtlichen Begründung zum Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997241, dass auch »schiedsgerichtliche Entscheidungen mit rechtsgestaltender Wirkung« erfasst werden. Dies wird mit dem Beispiel einer »Rechtsstreitigkeit über die Wirksamkeit einer Vertragskündigung« untermauert242, die unbestritten durch eine Feststellungs- und nicht durch eine Gestaltungsklage ausgetragen wird!

234

Bork, Rn. 297. Rüßmann, ZZP 111, 399, 421, der jedoch von einem Weg zurück zu Savigny abrät; vgl. dazu Gaul, Jahrbuch, 9, 30. 236 Dazu s. weiter unten, im internationalen Teil, S. 334. 237 Nachweise in Fn. 215. 238 Röhl, ZZP 88, 350, 351. 239 So auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 89 Rn. 12f. 240 Bruns, ZZP 78, 264, 282f. 241 BGBl. 1997 I, S. 3214. 242 BT-Drucks. 13/5274, S. 35; dazu kritisch Gaul, FS Sandrock, S. 285ff. 235

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

(4) Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Gestaltungsurteils Die Frage nach den subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Gestaltungsurteils ist die wichtigste überhaupt bei der Bindung an das Gestaltungsurteil. Der Wunsch nach einer großen Breitenwirkung des Gestaltungsurteils ist auch die Antriebsfeder gewesen für die bisherige eher diffuse Rechtsfigur der prozessualen Gestaltungswirkung. Besonders deutlich wird dies zum Ausdruck gebracht, wenn das Pferd von hinten aufgezäumt wird und die Rechtsnatur der Erbunwürdigkeitserklärung aus dem (vermeintlichen) Bedürfnis nach einer prozessualen Bindungswirkung inter omnes hergeleitet wird243. Es wurde bereits bei der Prüfung der objektiven Rechtskraftgrenzen aufgezeigt, dass die Bindung an das Gestaltungsurteil nicht einer separaten Gestaltungswirkung bedarf, sondern dass die objektiven Grenzen der Rechtskraft auch die Gestaltung selbst außer Frage stellen und nicht nur das Gestaltungsklagerecht feststellen, wie herkömmlich angenommen wird. Braun hat dies auf die subjektive Breitenwirkung des Gestaltungsurteils ausgeweitet: »Soll ›Wirkung für und gegen Dritte‹ ... heißen, dass das so genannte Gestaltungsurteil im Prozess mit einem Dritten von Amts wegen zu beachten ist, ... so wird man eine solche Wirkung ... konstruktiv wohl nur dadurch erklären können, dass man der rechtskräftigen Feststellung des mit der Klage ausgeübten Gestaltungsrechts Wirkung inter omnes beimisst«244. Bei der Untersuchung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft muss bei der Tatsache angesetzt werden, dass die Gestaltungsklage mit Ausnahme vornehmlich der Statussachen durch rechtsgeschäftliche Handlung ersetzt werden kann. Wenn dabei der Gestaltungserfolg umstritten ist, muss eine Feststellungs- oder Leistungsklage erhoben werden, mit Bindungswirkung inter partes. Die Bindung an eine Gestaltung darf aber nicht davon abhängen, ob die Parteien den rechtsgeschäftlichen Weg mit anschließendem gerichtlichem Feststellungsverfahren oder direkt den Klageweg gewählt haben. Soweit der gleiche Sachverhalt entweder durch Gestaltungs- oder durch Feststellungsurteil gerichtlich geklärt werden kann, kann das Gestaltungsurteil nicht stärker binden als das entsprechende Feststellungsurteil245, denn sonst könnten z.B. die Gesellschafter mittelbar bestimmen, welche Bindung Dritten gegenüber eintritt246! Dies gilt, zumal in diesen Fällen kein Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Klärung der Sachlage besteht, denn sonst dürften die Gesellschafter die Gestaltungsklage nicht z.B. durch ein einseitiges Kündigungsrecht oder durch einvernehmliches Parteihandeln ersetzen.

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S. weiter oben, S. 164. Braun II, S. 322 (Hervorhebungen im Original). Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 552). Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 552).

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Es wurde bereits in der Einleitung erwähnt, dass sich in der Vergangenheit immer wieder Stimmen gegen die Annahme einer allumfassenden Gestaltungswirkung erhoben haben247. Teilweise wurde eine relative Wirkung auf diejenigen Gestaltungsakte beschränkt, denen ein relatives Gestaltungsrecht zugrunde lag248. Aber selbst mit dieser Einschränkung wird deutlich, dass eine relative Bindungswirkung eines Gestaltungsurteils nicht bereits sachlogisch ausgeschlossen ist, wie überwiegend angenommen wird. Sehr bemerkenswert ist, dass selbst Hellwig, der eigentlich ein Vertreter der Wirkung inter omnes der Gestaltungsurteile war, in einem praktischen Beispiel die absolute Gestaltungswirkung im Ergebnis geleugnet hat249: Es ging um den Fall, dass ein Nachlassschuldner an einen nicht durch Erbschein legitimierten Erben geleistet hatte, welcher später rechtskräftig für erbunwürdig erklärt wurde. Seiner Meinung nach brauche der Nachlassschuldner nicht noch einmal an den wahren Erben zu leisten, wenn er dartun könne, dass die Erbunwürdigkeitserklärung zu Unrecht erfolgt sei; insofern sei er nicht an das Urteil zwischen den beiden Erben gebunden, denn die Anfechtbarkeit der Erbenstellung wurde zwar im Erbunwürdigkeitsurteil festgestellt, doch nicht dem Dritten gegenüber. Wenn er nachweise, dass die Erbenstellung in Wahrheit nicht anfechtbar gewesen war, könne er nicht genötigt werden, noch einmal zu leisten250. Damit ist mit anderen Worten der Dritte nicht an das Erbunwürdigkeitsurteil gebunden, auch wenn Hellwig in seinen grundsätzlichen Ausführungen das Gegenteil lehrte. Auch Goldschmidt vertrat die Ansicht, dass die Nachlassgläubiger durch ein den Erben für erbunwürdig erklärendes Urteil nicht stärker gebunden sein sollten als durch ein das Nichtbestehen des Erbrechts feststellendes Urteil251 (dasselbe gilt für Nachlassschuldner). Andererseits wurde auch darauf hingewiesen, wie sehr die Behandlung des Erbunwürdigkeitsurteils vom rechtspolitischen desideratum, nämlich der umfassenden subjektiven Bindungswirkung, beherrscht wird: Einige Autoren stufen das Erbunwürdigkeitsurteil als Gestaltungsurteil ein, weil es Wirkung inter omnes haben sollte bzw. »weil dadurch überzeugender zu erklären ist, weshalb sich die Wirkung der (auch sachlich falschen) Erbunwürdigkeitserklärung auf dritte, am Prozess nicht beteiligte Personen (insbesondere Nach247

Z.B. Kisch, S. 79; Husserl, S. 157. Pohle, ZfgG Bd. 3 (1953), 335, 339; ähnlich Nicklisch, S. 90, der jedoch trotzdem davon ausgeht, dass jedermann die Gestaltung »anerkennen« müsse, S. 129ff.; dagegen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 204 mit der zutreffenden Bemerkung, dass der Geltungskreis des gestalteten Rechts nichts darüber aussagt, inwieweit es bei einer Vorfragenprüfung auch die Rechtsbeziehungen Dritter berührt. 249 Hellwig, System, § 228 III 1 (S. 774); s. dazu z.B. Bachmann, S. 38f. 250 Dagegen Bötticher, Kritische Beiträge, S. 26f.; Dölle, ZZP 62, 281, 287. 251 Goldschmidt, ZPR, S. 211f.; zum gleichen Ergebnis wird die Mindermeinung gelangen, die im Erbunwürdigkeitsurteil ein Feststellungsurteil sieht, z.B. RGRK-Kregel, § 2342 Rn. 2; Planck-Greiff, § 2342 Anm. 1, wenn auch die entsprechende Klage als »sog. Rechtsgestaltungsklage« bezeichnet wird. 248

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

lassgläubiger) erstreckt«252. Noch bemerkenswerter ist die Aussage des BGH, es sei »von untergeordneter Bedeutung, ob man ... das der Klage stattgebende Urteil als ein Gestaltungsurteil ansieht oder als ein Feststellungsurteil, weil bereits die Klage gestaltende Wirkung äußere. Die Erbunwürdigkeitsklage führt dazu, dass der Erbunwürdige schlechthin seine Erbenstellung einbüßt«253. Dölle, der in seinem Aufsatz in der ZZP 62 eine Bindung an die richterliche Gestaltung unabhängig von den subjektiven Grenzen der Rechtskraft annahm254, stellte in demselben Beitrag die These auf, dass die Ehefrau ein Gestaltungsurteil, das ihr Ehemann trotz § 1380 a.F. BGB255 ohne ihre Zustimmung erwirkt hatte, »deswegen ... ignorieren darf, weil ihr gegenüber die sachlich-rechtskräftige Feststellung des Gestaltungsgrundes nicht wirkt«, da sich sonst ein »gar nicht zu rechtfertigender Unterschied ergeben (würde), je nachdem, ob ein Leistungsoder Feststellungsurteil oder ein Gestaltungsurteil das Ergebnis der ehemännlichen Prozessführung war«256. Damit hat er allerdings seine These von der Gestaltungswirkung inter omnes selbst widerlegt, denn Konsequenz der Annahme einer Gestaltungswirkung inter omnes soll gerade bislang gewesen sein, dass für die Bindungsfrage die Rechtsnatur des Urteils als Gestaltungsurteil hinreichender rechtfertigender Grund sei. Diese Beispiele, bei denen selbst Verfechter der Wirkung inter omnes der Gestaltungsurteile sich gezwungen sahen, ihre Ansicht zu modifizieren, oder dies einfach nur aus Unachtsamkeit getan haben, bezeugen, dass man sich mit der These von der relativen prozessualen Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils auf dem richtigen Weg befindet. Auch sonst finden sich häufig Aussagen, die in die hier eingeschlagene Richtung gehen, die jedoch nicht konsequent zu Ende geführt wurden. So schreibt z.B. Bettermann, dass »keine grundsätzliche Verschiedenheit zwischen Feststellungs- und Gestaltungsurteilen (besteht), soweit es sich um die subjektiven Grenzen ihrer Wirkung handelt«257.

252 MünchKomm-Frank, § 2342 Rn. 7; ähnlich Palandt-Edenhofer, § 2342 Rn. 1: Wirkung für und gegen jedermann. »Wegen dieser Wirkung ist sie Gestaltungsklage, nicht Feststellungsklage, liegt Gestaltungsurteil, nicht Feststellungsurteil vor«. 253 BGH, NJW 1970, 197 (Hervorhebung von Verf.) unter Aufgabe von BGH, LM Nr. 16 zu § 3 ZPO stand = MDR 1959, 922. Allerdings ging es dabei um die Bestimmung des Streitwerts und der Rechtsmittelwerts, konkreter darum, dass dieser durch die Beteiligung des Beklagten am Nachlass zu bestimmen sei. 254 Dölle, ZZP 62, 281, 287f. 255 § 1380 a.F. BGB: Der Mann kann ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Ist er befugt, über das Recht ohne Zustimmung der Frau zu verfügen, so wirkt das Urteil auch für und gegen die Frau. 256 Dölle, ZZP 62, 281, 291. 257 Bettermann, S. 98, der allerdings annimmt, dass sich »der subjektive Umfang der Wirkung von Gestaltungsurteilen nach dem Ausmaß der Abhängigkeit (richtet), in welcher Dritte zu einer der beiden Parteien oder zu beiden stehen«.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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Erwähnenswert ist auch die Ansicht von Häsemeyer, der jedoch nicht auf das Prozessrecht, sondern auf das materielle Recht abstellt258. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die Differenzierung, ob die Rechtsverhältnisse der Partei, zu Gunsten derer das Urteil ergangen ist, und Dritter materiellrechtlich voneinander getrennt (auch wenn sachlogische Zusammenhänge bestehen) oder voneinander abhängig sind. Im ersten Fall sei die subjektive Reichweite des Urteils zwischen den Parteien für den Dritten unerheblich, weil er materiellrechtlich kein unmittelbares Recht gegen die begünstigte Partei besitze. Er müsse sein Recht gegenüber seinem eigenen Partner suchen259, wobei eine mittelbare Beeinflussung vorliegen könne, z.B. in der Frage, ob der Zweitmieter nach erfolgreicher Räumungsklage des Vermieters gegen den Erstmieter vom Vermieter Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann260. Häsemeyer nimmt an, dass die Diskussion über die subjektive Reichweite der Urteilswirkungen nur relevant wird, wenn der Dritte materiellrechtlich die Möglichkeit hätte, selbst eine Entscheidung über die Sache herbeizuführen, d.h. wenn er selbst Prätendent ist261. In allen anderen Fällen unterscheide sich diesbezüglich eine inter partes Wirkung nicht von einer Wirkung inter omnes262. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Zum einen ist die Unterscheidung je nachdem, ob die Rechtsverhältnisse materiellrechtlich abhängig oder voneinander getrennt sind, eher willkürlich. Es könnte sich sogar um einen Zirkelschluss handeln: Keine Drittbetroffenheit sei vorhanden, wo der Dritte nicht betroffen sei263. Zum anderen kann die Reichweite der Rechtskraft durchaus auch für Personen erheblich sein, die nicht vorgeben, selbst prozessführungsbefugt zu sein, nämlich im Rahmen der Vorfragenbindung. Wenn der Dritte die Rechtmäßigkeit der im ersten Urteil entschiedenen Frage bestreiten und daraus selbst rechtliche Positionen ableiten kann, ist für ihn die subjektive Reichweite der Urteilswirkung entscheidend geworden, auch wenn es sich nur um Teilidentität der Streitgegenstände handelt. Die Tatsache, dass die Erfüllung der im zweiten Rechtsstreit bejahten Pflicht unmöglich sein kann, weil ihr das erste Urteil entgegensteht, wie in dem von Häsemeyer genannten Fall, wo die Pflicht des Mieters, dem Untermieter die Mietsache zu überlassen, wegen der erfolgreichen Räumungsklage des Eigentümers gegen den Mieter nicht erfüllt werden kann, ist eine materiellrechtliche Frage, die nicht mit den Urteilswirkungen des ersten Urteils zu verwechseln ist. Allerdings ist Häsemeyer uneingeschränkt darin zuzustimmen, dass es keine prozessuale Gestaltungswirkung gibt: »Wer von den Wirkungen eines Gestal-

258 259 260 261 262 263

Häsemeyer, ZZP 101, 385ff. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 389f. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 388. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 396. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 397. Zutreffend Oberhammer, S. 57.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

tungsurteils betroffen wird, bestimmt sich allein nach dessen Rechtskraft«264. »Auch den Gestaltungsurteilen eignet nur eine auf begrenzter menschlicher Erkenntnis beruhende prozessuale Verbindlichkeit. ... Auch die Gestaltungswirkung muss auf die Rechtskraft zurückgeschnitten werden, wenn ein Gestaltungsurteil auf unzureichender Grundlage ergeht«265. Die »Bindung« Dritter, deren materiellrechtliche Rechtsposition nur sachlogisch von der Rechtsposition der am Verfahren beteiligten Parteien abhängig ist, ist keine Urteilswirkung im prozessualen Sinn266. Auch die Aussage, Dritte werden von Urteilswirkungen nur betroffen, soweit auf sie die Rechtskraft erstreckt wird267, kann so stehen bleiben. Allerdings nicht in dem Sinne, dass sich die Frage nach einer zwingenden oder optionalen Beteiligung am ursprünglichen Prozess nur stellt, wenn eine Rechtskrafterstreckung stattfinden wird, sondern in dem Sinne, dass für alle anderen das Urteil – auch das Gestaltungsurteil – nicht verbindlich ist, so dass eine erneute Prüfung des Sachverhalts unter neuen Parteien möglich ist, meist im Rahmen der Vorfragenprüfung. Brox plädierte bereits 1963 für eine relative Gestaltungswirkung des Urteils gegenüber Dritten, die nicht gehört wurden. Insbesondere sollte seiner Ansicht nach die Wirkung des Erbunwürdigkeitsurteils relativiert werden268. Allerdings ist seine Berufung auf den »Geist des Art. 19 IV GG«269 nur als letzter Rechtfertigungsgrund zu verstehen, denn das gewünschte Ergebnis ist bereits aus den prozessualen Grundsätzen, die in Konkretisierung dieser Norm entwickelt wurden, herzuleiten. Fischer270 ging wohl von einer regelmäßig relativen prozessualen Wirkung der Gestaltungsurteile aus, denn er stellte fest, dass bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen »die Rechtskraft gegen alle Gesellschafter sichergestellt sein muss«271. Auch die Vorschriften, die die Rückwirkung des Urteils gegenüber bestimmten Personen ausschließen, werden zuweilen als relative Gestaltungswirkung gedeutet272. Allerdings geht es hier nicht um die Frage, ob Dritte an ein Gestaltungsur264

Häsemeyer, ZZP 101, 385, 398. Häsemeyer, ZZP 101, 385, 399. 266 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 388, 398f. 267 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 403. 268 Brox, FamRZ 1963, 392, 397f.; dagegen Calavros, S. 154ff.; Schack, NJW 1988, 865, 866. 269 Brox, FamRZ 1963, 392, 397. 270 Fischer, NJW 1959, 1057ff. 271 Fischer, NJW 1959, 1057, 1059. An anderer Stelle (S. 1057) spricht er davon, dass ein Gestaltungsurteil »Rechtskraft gegenüber allen Gesellschaftern haben muss«. Wenn jedoch die Gestaltungswirkung tatsächlich bewirken sollte, dass auch die nicht am Verfahren teilgenommenen Gesellschafter das Gestaltungsurteil hinnehmen müssen, wäre eine Bindung gerade über die Rechtskraft nicht notwendig. 272 Bettermann, 96f.; wohl Bettermann, FS Baur, 273, 375; Kargados, S. 76 und dort Fn. 28; dagegen Calavros, S. 137: hinsichtlich dieser Personen trete gar keine materiellrechtliche Gestaltung ein. 265

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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teil gebunden sind, das zu Unrecht ergangen ist, sondern um die allgemeine Frage, ob ein – auch zu Recht ergangenes! – Gestaltungsurteil Dritte in bereits erworbenen Rechtspositionen beeinträchtigt273. Dies wird z.B. nicht berücksichtigt von Brox, der von entsprechenden Vorschriften auf die grundsätzliche »Drittwirkung« der entsprechenden rechtsgestaltenden Entscheidungen schloss, weil es sonst einer Schutzbestimmung nicht bedurft hätte274: Der Ausschluss der Rückwirkung gilt nämlich auch dann, wenn das zweite Gericht in der Vorfragenprüfung die Richtigkeit des Gestaltungsurteils festgestellt hätte, was sogar der Regel entsprechen dürfte oder zumindest sollte. Insofern kann von einem Grundsatz die Rede sein, dass rückwirkende Gestaltungsurteile zumindest nicht die bereits abgewickelten vermögensrechtlichen Rechtsgeschäfte mit dritten Personen berühren sollten275. Der Ausschluss der Rückwirkung gegenüber Dritten dient dem Schutz des Rechtsverkehrs und des Dritten276. Dies ist auch oft ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, z.B. in § 1318 BGB (die vermögensrechtlichen Folgen der Eheaufhebung bestimmen sich nach den Vorschriften über die Scheidung) sowie bei der Regelung der Folgen der Nichtigerklärung einer Gesellschaft oder Genossenschaft, §§ 277 II AktG (nach Eintragung der Nichtigkeit Abwicklung wie bei Auflösung), 77 II GmbHG (Wirksamkeit der Geschäfte mit Dritten wird nicht berührt), 97 II GenG (gleiche Regelung). Nicht beizupflichten ist auch der Ansicht, dass die Beschränkung der Rückwirkung des Gestaltungsurteils auf bestimmte Personen keine Relativierung der Gestaltungswirkung, sondern »lediglich eine Einschränkung der materiellrechtlichen Gestaltung« bedeute277, denn damit wird die materielle Gestaltung an sich, die das Gestaltungsurteil bewirkt, mit ihrer Verbindlichkeit bzw. »Entgegenhaltbarkeit« Dritten gegenüber verwechselt. Die relativen Verfügungsverbote nach §§ 136 i.V.m. 135, § 883 II BGB, § 7 KO278 werden bezeichnenderweise als Beleg genannt sowohl für die Ansicht, dass die Gestaltungswirkung absolut sei, als auch für die Ansicht, dass sie relativ sei bzw. sein könne. Im ersten Sinne wird behauptet, es handele sich um eine Ausnahme, die den Grundsatz der absoluten Wirkung von Gestaltungsakten bestätige: Hier werde gestaltend in ein absolutes Recht eingegriffen, die Wirkung erstre-

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Schlosser, S. 227. Brox, FamRZ 1963, 392, 393. 275 Flechtheim, FS Zitelmann, 16ff.; dagegen Hueck, Anfechtbarkeit, S. 199ff.; Hellwig, FS Jur. Fakultät Gießen, 21, 44, 72ff., sogar für den Fall der Aufhebung eines Scheidungsurteils im Wiederaufnahmeverfahren nach Wiederverheiratung des anderen Ehegatten (S. 70f.); dazu Schlosser, S. 224ff. 276 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 393. 277 Calavros, S. 136f. 278 Im heute geltenden § 81 InsO ist nicht mehr die Rede von der Unwirksamkeit »den Insolvenzgläubigern gegenüber«. 274

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

cke sich jedoch ausnahmsweise nicht auf jedermann279, ohne die gesetzliche Regelung müsste angeblich auch hier die Gestaltung absolut wirken. Das habe der Gesetzgeber jedoch nicht hinnehmen wollen und habe deswegen diese Ausnahmevorschriften vorgesehen. Es handelt sich um die Antwort von Nicklisch auf die These von Goldschmidt280 und Jesch281, dass die Fälle relativer Unwirksamkeit wie § 135 BGB beweisen, dass eine relative Gestaltung durchaus rechtlich denkbar sei282. Dabei darf man nicht außer Augen lassen, dass sich die genannten Vorschriften auf Verfügungen beziehen. Zwar findet durch eine Verfügung eine unmittelbare Einwirkung auf das Recht in Form einer Übertragung, Belastung, inhaltlichen Änderung oder Aufhebung statt, und somit liegt ein Gestaltungsakt vor. Doch wird auch durch jeden schuldrechtlichen Vertrag ein Rechtsverhältnis, aus dem Forderungen entstehen, begründet, so dass auch jeder Vertrag bzw. jedes einseitige Rechtsgeschäft nicht minder einen Gestaltungsakt darstellt283. Bei der Überprüfung der Wirksamkeit eines Vertrags hat jedoch bisher soweit ersichtlich niemand ernsthaft behauptet, dass der Richter außerhalb der Rechtskraftgrenzen einer Kognitionssperre unterliege. Die genannten Vorschriften können lediglich die Annahme erschüttern, eine Gestaltung sei begriffsnotwendig allen Rechtssubjekten gegenüber gleich zu beurteilen. Soweit die h.M. die Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils aus dem materiellen Recht folgert, kann in der Tat mit diesen Vorschriften argumentiert werden. Richtigerweise besagen sie jedoch nichts – weder in die eine noch in die andere Richtung – im Hinblick auf die prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil. Allerdings zeigen sie auch, dass »das geltende Recht flexibel genug ist, selbst die ›absolute‹ Güterzuordnung relativ zu gestalten«284, so dass eine relative Gestaltungswirkung nicht mehr per se als untragbar angesehen werden kann. Die Römer sprachen den Statusurteilen Rechtskraft inter omnes zu285. Freilich kann man aus dieser Tatsache lediglich die Konsequenz ziehen, dass die Römer 279

Nicklisch, S. 90. Goldschmidt, AcP 117, 1, 22f. 281 Jesch, S. 97f. 282 Zu unterscheiden ist der Fall der relativ wirkenden Verfügung von der neuerdings von Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz (1998) entwickelten Figur der personalen Relativierung der Nichtigkeit: »Die hier erarbeitete personale Relativierung der Nichtigkeit bezweckt nicht, den nur eine Partei schützenden Nichtigkeitsgrund nur für und gegen diesen wirken zu lassen und gegenüber Dritten – seien es der Vertragspartner oder sonstige Dritte – zu ignorieren. Im Gegenteil: Der Nichtigkeitsgrund soll –je nach dem Willen des Geschützten – entweder für und gegen jedermann gelten oder mit Wirkung gegenüber allen Rechtsteilnehmern ausgeschaltet werden« (S. 410). 283 S. bereits weiter oben, S. 38. 284 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 204. 285 Auf der den Statusurteilen ausnahmsweise zugebilligten Rechtskraft inter omnes stammt der Satz Ulpians »res iudicata pro veritate accipitur«, den Savigny, Bd. VI, § 282 (S. 272ff., 277ff.) überdies auf alle Urteile als positive Funktion der Rechtskraft ausgedehnt hat, dazu s. Brinz, § 99 280

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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davon ausgingen, dass das Statusurteil prozessual gegenüber allen wirken sollte. Die Gestaltungswirkung so wie wir sie heute verstehen, wurde erst später »entdeckt«286. Auch sonst wurde vereinzelt früher, vor der »Entdeckung« der Gestaltungswirkung angenommen, dass Gestaltungsurteile generell – auch wenn das Gesetz diesbezüglich keine spezielle Regelung trifft – materielle Rechtskraft für und gegen alle entfalten287. Ähnliches hat Dölle für die Gestaltungsurteile, die nach einem Verfahren mit Untersuchungsmaxime ergangen sind, vertreten: »Diese Normen (ergänze: §§ 636a, 643) haben ... paradigmatische Bedeutung; Rechtskraftwirkung inter omnes ist daher bei allen Gestaltungsurteilen anzuerkennen, die auf Grund eines der Untersuchungsmaxime unterworfenen Verfahrens ergehen, während es bei Verfahren, die vom Verhandlungsgrundsatz beherrscht werden, bei der üblichen Wirkung inter partes bleiben muss«288. Auch Goldschmidt nahm an, dass ein Verfahren mit Untersuchungsmaxime ein Urteil mit Rechtskraft inter omnes erzeuge, so insbesondere das Scheidungsurteil289. Allerdings zeigt bereits der Verwaltungsprozess sowie die übrigen Verfahrungsordnungen, die auf der Untersuchungsmaxime aufgebaut sind (VwGO, FGO, SGG), dass dieser Grundsatz nicht zwingend ist290: Die Rechtskraft bindet nach § 121 VwGO nur die beteiligten Personen, und das zu Recht, denn das verwaltungsgerichtliche Urteil muss – trotz Untersuchungsgrundsatz – »nicht der objektiven Wahrheit entsprechen, so dass es bereits aus diesem Grunde Geltung gegenüber allen beanspruchen könnte«291. Die Geltung der Offizialmaxime rechtfertigt noch nicht an sich die Vernachlässigung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, wie auch die Regelungen zeigen, die im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Beiladung Dritter Betroffener anordnen292. Darüber hinaus hat Oberhammer zu Recht darauf hingewiesen, dass in Konsequenz dieser Betrachtungsweise selbst erwogen werden müsste, bei Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz überhaupt unter Ausschluss der Parteien zu verhandeln oder diese nur als »Beweismittel« heranzuziehen293. Fischer könnte in die Richtung missverstanden werden, er hätte eine Rechtskrafterstreckung der Gestaltungsurteile auf alle materiell Beteiligten angenom(S. 348ff.); Gaul, Jahrbuch, 9, 16; Gaul, FS Flume, 443, 466, 495 (iudex ius facit). Allerdings meint Kaser/Hackl, § 55 III 2 (S. 381), § 74 III 2 und dort Fn. 48 (S. 500), § 94 II 2 (S. 616), dass der Satz nicht zwingend als Bindung gegenüber jedem Dritten zu verstehen ist, s. auch Hackl, S. 304ff., 316. 286 S. bereits weiter oben, S. 200. 287 S. die Nachweise bei Krusch, S. 56 und dort Fn. 177; wohl auch E. Wolff, S. 37; Nachweise zur entsprechenden Ansicht im österreichischen Recht bei Fasching, östJBl. 97, 505, 518 und dort Fn. 106; für die echten Gestaltungsurteile Fasching, östJBl. 97, 505, 519. 288 Dölle, ZZP 62, 281, 293. 289 Goldschmidt, AcP 117, 1, 40. 290 S. Calavros, S. 119 und dort Fn. 48. 291 Joeres, S. 71. 292 Dazu s. Brox, FamRZ 1963, 392, 393 293 Oberhammer, S. 60.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

men und daraus eine notwendige Streitgenossenschaft abgeleitet. Er sprach jedoch lediglich davon, dass ein Gestaltungsurteil »Rechtskraft gegenüber allen Gesellschaftern haben muss«294 (und nicht hat), weiter unten stellte er fest, dass »die Rechtskraft gegen alle Gesellschafter sichergestellt sein muss«295. Auch Flechtheim bemerkte: »Das unter allen Gesellschaftern bestehende Vertragsverhältnis kann nur durch einen allen Gesellschaftern gegenüber wirksamen Rechtsspruch geändert werden (§ 322)«296. Er ging demnach gerade nicht davon aus, dass dem ohne Beteiligung aller Gesellschafter am Rechtsstreit so sei. Genau dies ist auch der richtige rechtspolitische Ansatz: In einigen Fällen der Gestaltungsklage sollte in der Tat eine prozessuale Bindung aller eintreten. Dies kann jedoch nur durch eine Rechtskrafterstreckung gewährleistet werden, bzw. durch das Erfordernis gemeinsamer Prozessführung, das zur Rechtskraftbindung führt. Von den Fällen, in denen das Gesetz ausdrücklich eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte (nicht notwendig auf jedermann) vorsieht, gehört ein großer Teil zu den Gestaltungsurteilen297. In anderen Fällen, in denen vom Gesetz eine Wirkung für und gegen alle angeordnet wird, ist umstritten, ob es sich um Feststellungsoder um Gestaltungsurteile handelt. Das gilt z.B. für § 640h, soweit die Wirkung des Vaterschaftsfeststellungsurteils betroffen ist298 sowie für den aufgehobenen § 636a (Ehenichtigkeitsurteil), der durch das EheschlRG299 nicht in §§ 631f. n.F. übernommen und damit ersatzlos gestrichen wurde300. In den Fällen, in denen nach h.M. ein Gestaltungsurteil vorliegt, handelt es sich bei der angeordneten Wirkung für und gegen alle um die Rechtskraftwirkung301, obwohl vereinzelt auch angezweifelt wird, ob »Normen, die eine Urteilswirkung für und gegen alle statuieren, nicht statt der Rechtskraft in Wahrheit die Gestaltungswirkung meinen«302. Dies ist allerdings zu verneinen, da die erweiterte 294

Fischer, NJW 1959, 1057 (Hervorhebung von Verf.). Fischer, NJW 1959, 1057, 1059. 296 Düringer/Hachenburg-Flechtheim, § 117 Anm. 6. 297 Z.B. § 1496 S. 2 BGB: Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft; §§ 248, 275 AktG: Anfechtung eines Haupt- bzw. Generalversammlungsbeschlusses, Nichtigerklärung einer AG; § 75 II GmbHG: Nichtigerklärung einer GmbH; §§ 51 V, 96 GenG: Beschlussanfechtung, Nichtigerklärung einer Genossenschaft. 298 Zur Frage, ob die positive Vaterschaftsfeststellungsklage eine Gestaltungs- oder eine Feststellungsklage ist, s. Nachweise bei MünchKommZPO-Coester-Waltjen, § 640 Rn. 19 und dort Fn. 28; gegen die Annahme eines Gestaltungsurteils entschieden Gaul, FS Nakamura, 138, 145f. 299 EheschlRG v. 4. 5. 1998, BGBl. I, S. 833. 300 Die Streichung dieser Vorschrift hat nichts zu tun mit der Tatsache, dass die Aufhebung nur noch ex nunc wirkt (so aber Musielak-Borth, § 631 Rn. 2). Dies führt in der Praxis dazu, dass nach abgewiesener Aufhebungsklage z.B. die zuständige Behörde erneut Klage erheben darf, die auf demselben Aufhebungsgrund basieren kann. 301 S. z.B. für § 644 a.F. Gaul, FamRZ 1959, 334, 338; MünchKommZPO-Gottwald, § 325 Rn. 49ff. 302 Gehrlein, AG 1994, 103, 104; Heim, S. 73: das Gesetz spreche für das stattgebende Urteil lediglich eine Selbstverständlichkeit aus; Holzhammer, S. 113: »überflüssiger Hinweis auf die generelle Gestaltungskraft«; dagegen Winte, S. 35. 295

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Rechtskraftwirkung auch für klageabweisende Urteile gilt303, die jedenfalls keine Gestaltungs-, sondern Feststellungsurteile sind. (a) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach heutiger Auffassung Da auch nach heutiger Ansicht die umfassende Gestaltungswirkung nicht ausschließt, dass Dritte Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche mit der Begründung geltend machen können, das Gestaltungsurteil sei zu Unrecht ergangen, muss überprüft werden, inwiefern diese auch heute theoretisch vorhandenen Möglichkeiten eine halbwegs akzeptable Kompensation für die prozessuale Bindung an ein Urteil, dessen Entstehung nicht beeinflusst werden konnte, bieten. Dies ist nicht zuletzt aus dem Grund unerlässlich, dass soweit ersichtlich keine Entscheidungen vorliegen, die tatsächlich Dritten Schadensersatz oder den Ausgleich der Bereicherung zugesprochen hätten. Gestaltungsurteile können in vielerlei Hinsicht Dritte beeinflussen, insbesondere in ihrer erb- oder unterhaltsrechtlichen Stellung: Ein relativ oft vorkommendes Beispiel ist, dass der Dritte auf eine Erbschaftsforderung hin an einen nicht durch Erbschein legitimierten Erben geleistet hat, der später für erbunwürdig erklärt wurde und im Anschluss vom neuen Erben erneut in Anspruch genommen wird. Außerdem verliert der Gläubiger einer Erbschaftsschuld durch die Erbunwürdigkeitserklärung die Möglichkeit, auch in das Privatvermögen des Erbunwürdigen zu vollstrecken. Dasselbe passiert dem Gläubiger, der den Lohnanspruch pfänden will, nach einer ungerechtfertigten Auflösung nach § 9 KSchG. Aber auch sonst ziehen Gestaltungsurteile mitunter weite Kreise: Bei der Ausschließung eines Gesellschafters verlieren seine Privatgläubiger Haftungssubstrat, da sie nicht mehr in seinen Gesellschaftsanteil vollstrecken können. Und wenn noch dazu im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass eine erfolgreiche Ausschließungsklage die Folge haben wird, dass der ausgeschlossene Gesellschafter ein Auseinandersetzungsguthaben z.B. nur in halber Höhe erhält, sind die Folgen des Ausschließungsurteils für die Gläubiger noch gravierender304. Eine Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeiten tritt auch für Gesellschaftsgläubiger ein bezüglich von Forderungen, die erst nach der Ausschließung begründet werden, so dass nicht die Gesellschafternachhaftung nach § 160 HGB greift. Und auch die Änderung des Güterstandes von Eheleuten kann die Vollstreckungsmöglichkeiten Dritter Gläubiger beeinflussen. 303 Wieser, NJW 1998, 2023, 2025; Baumbach-Albers, § 640h Rn. 1; auch sonst wird angenommen, dass § 640h für alle Sachurteile gilt, nur Prozessabweisungen sollen nicht darunter fallen, so z.B. MünchKommZPO-Coester-Waltjen, § 640h Rn. 2; Stein/Jonas-Schlosser, § 640h Rn. 1. 304 Oberhammer, S. 29 weist darauf hin, dass diese Folge sogar durch den Gesellschafter gesteuert werden kann, indem er im Ausschließungsprozess ein Anerkenntnis abgibt.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

(i) Schadensersatz als Kompensation für die Bindung an die Gestaltungswirkung? Durch diese Beispiele ist allerdings bislang lediglich belegt, dass ein fehlerhaftes Gestaltungsurteil durchaus auch für Dritte spürbare Folgen haben kann. Ob sich diese zu materiellrechtlichen Ausgleichsansprüchen verdichten können, ist im Folgenden zu prüfen, zuerst für den Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB. Wie bereits bei der Überprüfung der objektiven Rechtskraftgrenzen erwähnt wurde, ist dabei der Fall gemeint, dass das vermeintlich fehlerhafte Gestaltungsurteil selbst das schadensauslösende Ereignis darstellt305. Im Gegensatz zur Schadensersatzproblematik zwischen den anfänglichen Parteien des Gestaltungsklageverfahrens306 spielt es gegenüber Dritten keine Rolle, dass das schadensauslösende Verhalten gerade in der Durchführung eines Verfahrens der Rechtspflege besteht, denn die verfahrensrechtliche Legalität überlagert als Legalitätsvermutung die Rechtswidrigkeit nur, wo durch § 823 BGB geschützte Rechtsgüter desjenigen beeinträchtigt werden, der selbst (in der Regel als Gegner) an dem Verfahren förmlich beteiligt war, während Dritte uneingeschränkten Rechtsgüterschutz nach § 823 BGB beanspruchen können307. Damit ist der Weg frei, zu prüfen, ob ein Schadensersatzanspruch gegeben sein kann. Stellvertretend für die eingangs erwähnten Fälle, in denen Dritte von einem Gestaltungsurteil betroffen sein können, kann die Ausschließungsklage nach § 140 HGB als Beispiel dienen: Ein Gesellschafter ist privat hoch verschuldet, er lässt sich kollusiv von den anderen Gesellschaftern auf Ausschließung verklagen und gibt ein Anerkenntnis ab – in Folge des erfolgreichen Ausschließungsurteils tritt die Regelung des Gesellschaftsvertrags in Kraft, dass ihm bei erfolgreicher Ausschließungsklage ein Auseinandersetzungsguthaben lediglich in halber Höhe zusteht. Der Privatgläubiger verliert die Möglichkeit, in den Gesellschaftsanteil zu vollstrecken und das Auseinandersetzungsguthaben in halber Höhe reicht nicht aus, um seine Forderungen zu decken. Das kollusive Handeln kann er zwar nicht nachweisen, wohl aber, dass kein Ausschließungsgrund bestand. Eine Rechtsgut- oder Rechtsverletzung i.S.d. § 823 I BGB liegt nicht vor und auch keine Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 II BGB308. Es verbleibt allein die Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatzklage nach § 826 BGB, mit der selbst inter partes die Rechtskraft durchbrochen und mit der auch ein reiner Vermögensschaden geltend gemacht werden kann309. Allerdings werden die Anforderungen hierzu so gut wie nie gegeben sein, insbesondere müsste der Dritte nachweisen, dass der ursprüngliche Kläger das Gestaltungsurteil sittenwidrig erschlichen hat. Abgesehen davon ist der Dritte auch dann schutzwürdig, wenn 305

S. weiter oben, S. 172f. S.S. 191. 307 BGHZ 118 (1993), 201, 206; kritisch Grunsky, EwiR 1992, 977, 978. 308 S. dazu bereits weiter oben, S. 190. 309 Die allerdings von der Lehre fast einhellig abgelehnt wird, s. nur Gaul, Wiederaufnahmerecht, S. 99ff.; ders., Rechtskraftdurchbrechung, S. 39ff. 306

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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das falsche Gestaltungsurteil nicht erschlichen wurde, sondern dem Dritten nur Fahrlässigkeit oder gar kein Verschulden anzulasten ist310, so dass gar keine Haftung aus § 826 BGB entstehen kann311. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Hinweis in der prozessualen Literatur, Dritte wären wegen der auch für Gestaltungsurteile geltenden Rechtskraftgrundsätze nicht gehindert, eine Schadensersatzklage zu erheben, sich außer im Fall des schwer zu beweisenden § 826 BGB aus materiellrechtlichen Gründen als Sackgasse erweist, so dass der Erklärungsdruck hinsichtlich der vermeintlichen allumfassenden prozessualen Gestaltungswirkung steigt. (ii) Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil das Gestaltungsurteil zu Unrecht ergangen ist? Auch unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten erweisen sich die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter als höchst problematisch. Die größte typisierte Gruppe wird wieder das entgangene Haftungs-/Vollstreckungssubstrat sein312. In Frage käme nur die Nichtleistungskondiktion des § 812 I 1, 2. Alt. BGB »in sonstiger Weise«, denn es hat keine Leistung, d.h. keine »bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens« und auch keine Zuwendung, vom maßgeblichen Standpunkt des Empfängers aus gesehen313, stattgefunden. Eine Eingriffskondiktion kommt nicht in Frage, da keine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt verletzt wird, ebenso wenig eine Rückgriffs- oder Verwendungskondiktion. Daher verwundert es nicht weiter, dass bislang soweit ersichtlich noch kein einziges Urteil einem Dritten einen Bereicherungsanspruch zugesprochen hätte, weil das Gestaltungsurteil nicht rechtmäßig war. (iii) Schlossers Vorschlag: Verfassungsbeschwerde. Schlosser hat für den Fall, dass ein durch ein Gestaltungsurteil betroffener Dritter verfahrensfehlerhaft nicht beigezogen wurde314, dem Dritten als Rechtsbehelf eine Verfassungsbeschwerde an310

Darauf hat bereits Brox, FamRZ 1963, 392, 397 hingewiesen. Und selbst, wenn Schädigungsvorsatz vorliegt, ist umstritten, wie weit der Kreis der Geschädigten und damit Anspruchsberechtigten gefasst werden darf, s. aus verschiedenen Blickwinkeln einerseits Jauernig-Teichmann, § 826 Rn. 9, andererseits Wolf, NJW 1967, 709ff.; vgl. auch BGH, DB 1979, 1078. 312 Nur am Rande ist anzumerken, dass bei der Erbunwürdigerklärung und der Ausschließung eines Gesellschafters die Besonderheit besteht, dass auch die im Gestaltungsprozess unterlegene beklagte Partei »bereichert« sein kann (im untechnischen Sinne). Am Beispiel der Ausschließungsklage z.B. der ausgeschiedene Gesellschafter dadurch, dass er nicht mehr für neue Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Dabei ist nicht die Haftung für zum Zeitpunkt der Ausschließung bereits begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten gemeint, denn insofern besteht eine fünfjährige Nachhaftung (§ 160 HGB). Vielmehr ist der Fall angesprochen, dass ein persönlich haftender Gesellschafter »zu Unrecht« ausgeschlossen wurde und damit den Gläubigern künftiger (nach seinem Ausscheiden entstandener) begründeter Forderungen zusätzliche Haftungsmasse entgeht. 313 BGHZ 40 (1963), 272, 277. 314 Schlosser, JZ 1967, 431, 437. 311

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geraten. Sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Dritten tatsächlich vorgekommen, brauche das Verfassungsgericht das Gestaltungsurteil nicht insgesamt aufzuheben, sondern könne ihm einfach nur die den Dritten erfassende Wirkung nehmen315. Allerdings stünde das im Widerspruch zu der gängigen Annahme, die auch Schlosser teilt, dass Gestaltungsurteile »ihrer Natur nach« für und gegen alle wirken316. Folgt man dagegen der hier vertretenen Ansicht von der Relativität der Gestaltungswirkungen, ist der Umweg über das Verfassungsgericht nicht erforderlich: Da der Dritte bei Bedarf nachweisen kann, dass ihm gegenüber die Gestaltung als nicht erfolgt zu behandeln ist, wird sein rechtliches Gehör nicht beschnitten. (iv) Ergebnis. Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass zwar aus prozessualer Sicht Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche Dritter theoretisch möglich wären, diese jedoch aus materiellrechtlichen Gründen bereits auf der Schlüssigkeitsebene scheitern werden. Die Tatsache, dass Dritte – außer im Fall des § 826 BGB – auch nicht durch Sekundäransprüche geschützt werden, erhöht die rechtspolitische Verpflichtung, die angebliche umfassende prozessuale Bindungswirkung des Gestaltungsurteils in Frage zu stellen, denn die Beschränkung der Rechtskraft auf die Parteien ist nicht geeignet, die Beeinträchtigung aus einer inter omnes geltenden Gestaltungswirkung aufzuwiegen bzw. zu rechtfertigen. Auch der Weg über die Verfassungsbeschwerde ist keine Lösung des Problems, schon gar nicht in dem Fall, dass das Gestaltungsurteil gänzlich aufgehoben werden sollte. Falls allerdings nur eine Einschränkung der subjektiven Reichweite der Urteilswirkungen vorgenommen werden soll, wie dies Schlosser vorschlägt, wird auf Anhieb deutlich, dass das Gestaltungsurteil nicht naturgemäß für und gegen jeden wirken muss, und in diesem Fall ist der Umweg über das Verfassungsgericht erst recht unnötig. (b) Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter nach hier vertretener Ansicht – Parallele zur so genannten Feststellung von Drittrechtsverhältnissen Nach hier vertretener Ansicht ist dem Gestaltungsurteil keine eigenständige prozessuale Gestaltungswirkung eigen, sondern die prozessuale Bindung ergibt sich lediglich aus der materiellen Rechtskraft, insbesondere aus der Feststellungswirkung des Urteils. Der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils kommt damit eine deutlich wichtigere Funktion zu als nach herkömmlicher Auffassung. Es wurde bereits aufgezeigt, dass ein vermögensrechtlicher Ausgleich an den Voraussetzungen der §§ 823, 812 BGB scheitert –dies gilt selbstverständlich weiter315

Stein/Jonas-Schlosser, vor § 606 Rn. 20. Stein/Jonas-Schlosser, § 636a Rn. 1; s. allerdings Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 223ff., der eine relative Wirkung des Gestaltungsurteils für durchaus theoretisch denkbar hält, diese jedoch ablehnt, um eine verwickelte Rechtslage zu vermeiden. 316

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hin, ist jedoch nach hier vertretener Ansicht nicht weiter schädlich, weil der Dritte die Rechtswidrigkeit des Gestaltungsurteils dort geltend machen kann, wo sie relevant wird, nämlich, wenn die Gestaltung präjudiziell ist für eigene Rechte und Ansprüche. Beispiele für Fälle, in denen die Gestaltung auch Rechte und Pflichten Dritter beeinflusst, die nicht von der Rechtskraft erfasst werden, wurden bereits weiter oben erwähnt317. Sobald die Gestaltung präjudiziell wird für die Entstehung von Rechten oder Pflichten Dritter, wird eine neue Prüfung ohne Bindung an das Gestaltungsurteil stattfinden können. Dadurch wird eventuell, wenn auch nicht zwingend, von der rechtskräftigen Feststellung des Gestaltungsurteils, dass gestaltet wird, abgewichen, nicht anders, als wenn außerhalb der subjektiven Rechtskraftgrenzen von einer früheren sonstigen rechtskräftigen Feststellung abgewichen wird. Zur Veranschaulichung der Rechtslage bei dem Gestaltungsurteil lassen sich die Grundsätze heranziehen, die zur Zulässigkeit der Feststellungsklage bezüglich von Rechtsverhältnissen Dritter entwickelt wurden. Die Situation ist nämlich absolut vergleichbar, wie sogleich zu zeigen sein wird. Regelmäßig findet sich sowohl in wissenschaftlichen Werken als auch in Leitsätzen gerichtlicher Entscheidungen der Satz, Gegenstand einer Feststellungsklage können auch Drittrechtsverhältnisse sein318. Diese Formulierung ist jedoch falsch und damit irreführend, denn Streitgegenstand der Feststellungsklage ist nicht die Feststellung des Drittrechtsverhältnisses, sondern ein Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem, für das ein Drittrechtsverhältnis lediglich vorgreiflich ist319. Das zeigt sich auch aus folgendem Zitat aus einer BGH-Entscheidung: »Ein zwischen der Klägerin und einem Dritten abgeschlossener Vertrag kann Gegenstand der negativen Feststellung gegen das beklagte Land sein, wenn die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts die Rechtsbeziehungen zwischen den Prozessparteien berührt«320. Daher kann man auch nicht sagen, dass eigene Rechte oder Interessen auch dadurch geschützt werden könnten, dass ein Rechtsverhältnis zu Dritten außer Streit gestellt wird. Zum einen erwächst die Entscheidung über das Drittrechtsverhältnis als Vorfrage für den eigentlichen Streitgegenstand der Feststellungsklage nicht in Rechtskraft, so dass das Drittrechtsverhältnis nicht einmal unter den Parteien außer Streit gestellt wird, geschweige denn unter den Partnern des Drittrechtsverhältnisses. Zum anderen wird nicht in absoluter Form über das Drittrechtsverhältnis entschieden, 317

S. 213. S. Fundstellen bei Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 37; vgl. auch die Gedanken bei Zöllner, AcP 1990, 471, 490ff. 319 S. dazu Michaelis, FS Larenz II, 451, 453ff. sowie Trzaskalik, S. 156ff.; Bauer (S. 24f.) meint allerdings, dass ein derartiges Rechtsverhältnis konstruiert wurde, weil man irrtümlich geglaubt hatte, § 256 ZPO setze ein unter den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis voraus. 320 BGH, NJW 1984, 2950. 318

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

sondern nur, soweit der Kläger oder der Beklagte daraus eigene Rechtspositionen gegen die andere Partei herzuleiten meint. Damit ist es auch verfehlt, für die Beurteilung der Zulässigkeit der Feststellung danach zu fragen, ob der Dritte durch das Feststellungsurteil gebunden sein wird oder nicht. Z.B. wird vertreten, dass das rechtliche Interesse zu verneinen sei, wenn der Dritte durch das erstrebte Urteil nicht gebunden wird, also eine Rechtsgewissheit über die Drittrechtsbeziehung nicht erreicht werden könne321: Eine Rechtsgewissheit i.S. der rechtskräftigen Feststellung wird – wenn keine Zwischenfeststellungsklage erhoben wird – in keinem Fall erzielt, weder inter partes und schon gar nicht dem Dritten gegenüber. Wo ein Drittrechtsverhältnis vorgreiflich ist, sind auch keine besonderen Überlegungen zum Feststellungsinteresse erforderlich oder auch nur zulässig322, denn das Feststellungsinteresse muss bezüglich der gerichtlichen Klärung des primären Streitgegenstands der Feststellungsklage vorhanden sein, und das Drittrechtsverhältnis ist gerade nicht Streitgegenstand der zweiten Klage, sondern lediglich Vorfrage. »Das ›Drittrechtsverhältnis‹ ist also in dem Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, integriert. Der Feststellungsstreit betrifft auch in einem solchen Fall die Rechtsbeziehung zwischen Kläger und Beklagtem«323. Die gleiche Situation ergibt sich bei der Beurteilung der Rechtsposition Dritter, wenn diese durch die anderweitig erfolgte Gestaltung beeinflusst wird: Das zu beurteilende Drittrechtsverhältnis ist hier das gestaltete oder nicht gestaltete Rechtsverhältnis des ehemaligen Klägers und Beklagten im Gestaltungsklageverfahren. Unerheblich ist, ob es sich bei der neuen Klage um eine Feststellungsoder um eine Leistungsklage handelt – soweit der Dritte nicht durch die Rechtskraft in seinem Vorbringen präkludiert wird, kann er das Drittrechtsverhältnis in Frage stellen. Falls er nachweisen kann, dass die Gestaltung rechtswidrig war, wird der Beklagte ihm gegenüber so zu behandeln sein, als wäre die Gestaltung nicht erfolgt324. Die ursprüngliche(n) Partei(en) der Gestaltungsklage werden von diesem neuen Urteil nicht tangiert. Damit ist festzuhalten, dass die Gestaltung prozessual nicht weiter reichen darf als die Rechtskraft325: Der Eintritt der Gestaltung hängt – im Unterschied zur Tatbestandswirkung – außerhalb der Rechtskraftgrenzen davon ab, dass das Gestal321

Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 38. S. z.B. BGH, NJW 1990, 2627, 2628 323 Trzaskalik, S. 166. 324 So auch Oberhammer, S. 100. 325 So schon Goldschmidt, AcP 117, 1, 18f.; Goldschmidt, Der Prozess, S. 205 und dort Fn. 1138; Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 552f.). Leider hat Goldschmidt, einer der entschiedensten Verfechter der relativen Wirkung von Gestaltungsurteilen, seine These dadurch geschwächt, dass er darauf hinwies, dass sich eine inter omnes-Bindung an die Gestaltung nicht mit der gleichzeitigen Annahme einer regelmäßig eingreifenden Rechtskraftwirkung inter partes vereinbaren ließe (S. 21). Dies trifft nicht zu, sofern man die Gestaltungswirkung als eigene Urteilswirkung einstuft, die unabhängig von der Rechtskraft eintritt. 322

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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tungsurteil »rechtmäßig« ergangen ist: »So wenig eine Kündigung oder Anfechtung wirksam sind, wenn kein Kündigungs- oder Anfechtungsrecht bestand, so wenig wirkt ... die Auflösung eines privaten Rechtsverhältnisses durch richterliches Urteil, wenn dem Staate kein Recht zur Herbeiführung dieser Rechtsänderungen zustand. Dass der staatliche Gestaltungsakt erging, kann ein Dritter freilich ebenso wenig bestreiten, wie, dass die private Kündigungs- oder Anfechtungserklärung abgegeben wurde; wohl aber, dass jener, wie diese rechtswirksam seien«326. Goldschmidt spricht von »Rechtswirksamkeit«, in dem Sinne, dass die Gestaltung dem Dritten gegenüber rechtswirksam ist. Mit anderen Worten leugnet er die Rechtswirksamkeit einer hoheitlichen Gestaltung Dritten gegenüber, wenn diese nachweisen können, dass diese rechtswidrig ergangen ist. Wenn man die Wirkung des Gestaltungsurteils auf die Rechtskraftgrenzen reduziert, wird auch die Diskussion über das rechtliche Gehör Dritter vereinfacht. Die Fülle der Abhandlungen und der differenzierten Ansichten über die Problematik des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Gestaltungsklage ist frappierend327. Diese Konstruktionen werden nicht mehr benötigt, folgt man der hier vertretenen Ansicht über die prozessuale Bindungswirkung der Gestaltungsurteile. Es ist außerdem als großer Vorteil anzusehen, dass nach hier vertretener Ansicht das Problem der Bindungswirkung immer nur dort aufkommt, wo es anfällt, nämlich, wenn tatsächlich Präjudizialität besteht328. Dagegen muss bei der Beiladungslösung rein vorbeugend ermittelt werden, wer potentiell durch das Gestaltungsurteil präjudiziell betroffen sein könnte, und im Anschluss muss diese Person beigeladen und gehört werden, auch wenn in einer Vielzahl der Fälle später keine Präjudizialitätsproblematik entstanden wäre. Auch ist es vorzugswürdig, bei den zivilprozessualen Bordmitteln zu bleiben, auch wenn dies natürlich kein Selbstzweck sein kann. Durch die Beschränkung der Bindungswirkung des Gestaltungsurteils auf seine Rechtskraftgrenzen wird dieses auch nicht in Frage gestellt. Wenn z.B. die Aufhebung der Gütergemeinschaft einem Gläubiger nicht entgegengehalten werden kann, so dass er weiterhin in alle Vermögenswerte vollstrecken kann, die zum Gesamtgut gehört hätten, ändert dies nichts daran, dass die Eheleute zueinander und auch im Verhältnis zu jedem Dritten, der nicht die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsurteils nachweisen kann, in Gütertrennung leben. Die Relativierung der Gestaltung durch Urteil bedeutet somit, dass sie Dritten nicht entgegengehalten werden kann, aber auch nur, wenn diese nachweisen können, dass sie rechtswidrig erfolgt ist. Dies wird mit Sicherheit nicht dadurch erleichtert, dass im zweiten Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils Vorfrage ist, keine 326

Goldschmidt, AcP 117, 1, 16f. (Hervorhebung im Original). Einen guten Überblick findet man bei Oberhammer, S. 31ff. 328 Das Recht auf rechtliches Gehör kann gewahrt werden entweder durch Anhörung im ersten Verfahren oder durch Relativierung der Entscheidungswirkungen im Hinblick auf einen zweiten Prozess, s. Oberhammer, S. 63, Rechberger/Oberhammer, ZZP 106, 347, 353. 327

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Mitwirkungspflichten der ehemaligen Partei bestehen, insbesondere keine Auskunftspflichten. Allerdings kann der Dritte als Zeuge geladen werden und unterliegt dann einem Zeugniszwang. Zu beachten ist auch eine gewisse Kollusionsproblematik, wenn im neuen Prozess, in dem die durch das Gestaltungsurteil veränderte Rechtslage präjudiziell ist, die Parteien Tatsachen unstreitig stellen, die als Rechtsfolge die Fehlerhaftigkeit des Gestaltungsurteils haben. Damit könnten sie indirekt über das Gestaltungsurteil »verfügen«. Dies wird auf jeden Fall nicht möglich sein, wenn das Gestaltungsurteil ursprünglich in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz ergangen ist. Hier wird auch die Vorfrage der Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils im Untersuchungsgrundsatz zu entscheiden sein. Etwas problematischer erweist sich die Konstellation, dass das Gestaltungsurteil nach einem Verfahren mit Verhandlungsgrundsatz ergangen war, wie das z.B. bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsurteilen der Fall ist. Soweit jedoch der Dritte den Beklagten des ehemaligen Gestaltungsklageverfahrens in Anspruch nimmt, weil ihm durch das Gestaltungsurteil Haftungssubstrat entgangen ist, wird dieser auch kein Interesse daran haben, Tatsachen zuzugestehen, die dazu führen würden, dass er nunmehr haftet. Da insgesamt die Interessen der Parteien des neuen Verfahrens immer gegenläufig sein werden, wenn die Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils vorgreiflich ist für die neue Klageforderung, ist auch diesbezügliche eine Kollusion nicht zu befürchten. Damit bestehen auch keine Bedenken, dass das Ansehen der Rechtsprechung leiden könnte. (c) Die »tritanakop3« und die »tierce opposition« Einige Rechtsordnungen kennen im Zivilprozessrecht eine Anfechtungsmöglichkeit Dritter, die rechtswidrig in ihren Rechten verletzt werden, durch eine Anfechtungsklage. Es handelt sich um die »tierce opposition« des französischen (§ 582ff. NCPC)329 oder die »tritanakop3« des griechischen Rechts, (§ 583ff. grZPO für die streitige Zivilgerichtsbarkeit, § 773 grZPO für die freiwillige Gerichtsbarkeit). Durch diese Rechtsbehelfe such das französische und das griechische Recht einen Kompromiss zwischen dem Bestandsschutz des Gestaltungsurteils und dem Rechtsschutz Dritter. Insbesondere die Widerspruchsklage des griechischen Rechts hat als Hauptanwendungsfeld das Gestaltungsurteil330. Durch diesen Rechtsbehelf können sich Dritte nachträglich rechtliches Gehör verschaffen331. Das Urteil wird in seiner Wirkung Dritten gegenüber relativiert, zwischen den Parteien gilt es weiterhin, nur ausnahmsweise wird es gänzlich aufgehoben, wenn »es sich um ein unteilbares Recht handelt« (§ 590 grZPO). Ob die Widerspruchsklage gegen ein Gestal329 330 331

S. dazu Dimaras, S. 94ff.; Spellenberg, ZZP 106, 283, 295ff. Calavros, ElD 1987, 1185, 1198. Calavros, ElD 1987, 1185, 1199.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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tungsurteil generell zur Aufhebung und nicht lediglich zur Wirksamkeitseinschränkung führt, ist im griechischen Recht noch nicht geklärt. Zweiteres ist korrekt, denn sonst verschiebt sich die Problematik des rechtlichen Gehörs in den Widerspruchsprozess, da das Gestaltungsurteil als Ganzes in Abrede stünde, so dass zumindest auch die andere Partei im ursprünglichen Gestaltungsprozess einzubeziehen wäre, eigentlich sogar auch jede weitere Person, die durch die Aufhebung in ihren Rechten betroffen sein könnte. Bei der tierce opposition des französischen Rechts ist es lange Zeit ungewiss gewesen, ob überhaupt Gestaltungsurteile durch sie angreifbar seien. Das wurde mit der Frage nach ihrer subjektiven Rechtskraftweite verknüpft332. Heute sieht die neue französische Prozessordnung vor, dass gegen jede gerichtliche Entscheidung Widerspruchsklage erhoben werden kann, wenn nicht Gegenteiliges im Gesetz vorgesehen wird333. Manchmal wird die Widerspruchsklage gesetzlich auf die Fälle kollusiver Herbeiführung der Entscheidung beschränkt, wie z.B. bei der Adoption (Art. 353–2 CC)334. Trotzdem wird jedoch allgemein – wenn auch ohne nähere Begründung – insbesondere zum Scheidungsurteil von der Rechtsprechung seit jeher vertreten, dass eine Widerspruchsklage nicht statthaft sei. Zuletzt wurde – wenn auch ziemlich lapidar und ohne jeglichen Beleg – in einem Urteil des Kassationshofs entschieden, dass die tierce opposition nicht anwendbar sei auf das Scheidungsurteil und auch nicht auf seine rechtlichen Folgen335. Im konkreten Fall ging es um Unterhaltsansprüche der Mutter der Ehemannes. Kurz nachdem er und seine Ehefrau zur Unterhaltszahlung verurteilt worden waren, ließen sie sich einvernehmlich scheiden, und direkt im Anschluss beantragte der Ehemann die Herabsetzung der Unterhaltspflicht, weil sich seine Einkünfte in Folge der Scheidung verringert hätten. Die geschiedenen Eheleute haben auch weiterhin zusammen gelebt, so dass die Vermutung sehr nahe lag, dass die einvernehmliche Scheidung lediglich zum Zweck der Verminderung der Unterhaltspflicht erfolgt war. Interessant ist, dass Art. 1104 NCPC vorsieht, dass bei einer Scheidung die Gläubiger der ehemaligen Eheleute die gerichtlich bestätigte Scheidungsfolgenvereinbarung (convention homologuée) durch Widerspruchsklage als ihnen gegenüber unwirksam erklären können. Bei der französischen einvernehmlichen Scheidung, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfindet (Art. 1088 NCPC) müssen die Eheleute unter anderem auch einen Vereinbarungsentwurf vorlegen, der eine abschließende Regelung der Scheidungsfolgen 332 S. z.B. Roland, Rn. 380f.; vgl. allerdings auch Vincent/Guinchard, Rn. 1488 (S. 990), die darauf hinweisen, dass gerade bei Rechtskraft inter omnes eine größere Schutzbedürftigkeit der Dritten besteht. 333 »Tout jugement est susceptible de tierce opposition si la loi n’en dispose autrement«. 334 Diese Konstellation lässt an eine prozessuale Entsprechung der Gläubigeranfechtung denken. 335 Cass. civ. – 7 mars 2002, BICC n° 556 du 15 mai 2002 n°494.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

vorsieht (Art. 1091 II, 1997 II NCPC). Die Vereinbarung wird »homologiert«, d.h. gerichtlich bestätigt, außer sie wahrt nach Ansicht des Richters nicht hinreichend die Interessen der Kinder oder eines Ehegatten, in welchem Fall die Scheidung vertagt werden kann, bis eine neue Vereinbarung vorgelegt wurde, die diesen Anforderungen genügt (Art. 1100 NCPC). Die bestätigte Scheidungsfolgenvereinbarung ist vollstreckbar wie eine gerichtliche Entscheidung und kann auch nur durch Rechtsbehelfe angegriffen werden, die für solche vorgesehen sind336. Sehr plastisch wird dies in den Worten einer Entscheidung des Kassationshofes beschrieben: Die Bestätigung der Vereinbarung durch den Richter, die untrennbar mit dem Scheidungsurteil verbunden ist, verleiht ihr einen Rechtsprechungscharakter (»caractère juridictionnel«)337. Und gegen diese Scheidungsfolgenvereinbarung sieht Art. 1104 NCPC ausdrücklich die Widerspruchsklage der Gläubiger vor. Wäre demnach der Unterhaltsanspruch der Mutter des Ehemannes durch eine derartige Scheidungsfolgenvereinbarung der geschiedenen Eheleute vertraglich gekürzt worden, wäre die Widerspruchsklage unzweifelhaft statthaft, so dass sich die Frage stellt, ob überhaupt und wie die unterschiedliche Handhabung der zwei Konstellationen zu rechtfertigen ist. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Kassationshofes war offensichtlich, dass die Kürzung des Unterhaltsanspruchs als rechtliche Folge des Scheidungsurteils erfolgte. Allerdings wird der Verdacht der Begriffsjurisprudenz erweckt, wenn – insbesondere bei der einvernehmlichen Scheidung – der Gläubiger rechtsschutzlos gestellt werden soll, nur weil die Kürzung des Unterhaltsanspruchs nicht (zusätzlich) von den ehemaligen Eheleuten geregelt wurde338. Richtigerweise hätte auch in diesem Fall die Widerspruchsklage statthaft sein müssen. Das konkrete Beispiel zeigt auch deutlich auf, dass damit nicht die Scheidung als solche in Gefahr gebracht wird. Denn durch die erfolgreiche Widerspruchsklage hätte die Mutter lediglich erreicht, dass im Hinblick auf die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs Bemessungsgrundlage weiterhin beide Einkommen der geschiedenen Eheleute bleiben würden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der vom Kassationshof aufgestellte Grundsatz absolute Geltung beanspruchen kann, oder ob er zu relativieren ist. Mit anderen Worten ist die Frage zu beantworten, ob jede Widerspruchsklage gegen eine Scheidung ausgeschlossen ist. Konkretisiert wird die Problematik bei dem Verständnis des Begriffs der »rechtlichen Folgen« der Scheidung. Insbesondere fragt sich, ob auch Scheidungsfolgen ohne Widerspruchsmöglichkeit hinzunehmen sind, die – insbesondere bei der streitigen Scheidung – im Scheidungsurteil vom Richter ausgesprochen werden. Oft geht es dabei um einzelne Punkte, in denen 336

Cass. civ. – 25 Nov 1999; Bulletin 1999 II N° 177 p. 121. Cass. civ. Nr. 97–10335 vom 26. 4. 2000. 338 Hauser (RTDciv. 2002, 275, 276) weist darauf hin, dass im konkreten Fall ein Missbrauch des Instituts der Scheidung zu erwägen gewesen wäre, denn diese verfolgt nach Art. 227 CC ein einziges Ziel, nämlich die Auflösung der Ehe. 337

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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sich die Parteien einig sind, und die unverändert vom Richter aufgenommen werden. Damit kann z.B. das Umgangsrecht der Großeltern zu vorhandenen Kindern verletzt werden, etwa durch die Vereinbarung des Wohnorts des Kindes nach der Scheidung. Gegen diese Bestimmung haben die Großeltern dann ein Widerspruchsrecht, auch wenn sie gerichtlich erfolgt ist339. Damit bezieht sich die Verneinung der Widerspruchsklage durch den Kassationshof nur auf die Scheidung als solche sowie auf alle Folgen, die sich unmittelbar und abschließend aus dem Gesetz daraus ergeben, ohne dass entweder die Parteien oder der Richter ihren Inhalt gestalten. Das gilt z.B. nicht für die Bestimmung des Zugewinnausgleichs zwischen den Ehegatten, die nicht nur dann durch Widerspruchsklage angegriffen werden kann, wenn sie in der bestätigten Scheidungsvereinbarung enthalten ist, sondern auch, wenn sie vom Richter getroffen wurde340. Es wurde entschieden, dass auch ein Urteil, durch das die Vaterschaft des ehemaligen Ehegatten angefochten und die Vaterschaft des neuen Ehegatten statuiert wurde, nicht durch eine tierce opposition angegriffen werden kann, weil Art. 318–1 CC das ausschließliche Recht der Ehefrau und ihres neuen Ehegatten zur Anfechtung vorsieht341. Allerdings ist die Aussage der Entscheidung zu pauschal, dass die tierce opposition nicht statthaft sei, sobald das Gesetz bestimmte Personen als klagebefugt bezeichnet 342, denn sie steht im Widerspruch zu Art. 585 NCPC und auch zu Art. 311–10 CC, der vorsieht, dass Entscheidungen in Kindschaftssachen für und gegen Dritte gelten, diese jedoch Widerspruchsklage erheben können343. Sogar in Verfahren, die die Staatsangehörigkeit betreffen, ist eine tierce opposition möglich, wenn auch zeitlich befristet: »Les jugements et arrêts rendus en matière de nationalité française par le juge de droit commun ont effet même à l’égard de ceux qui n’y ont été ni parties, ni représentés. Tout intéressé est recevable cependant à les attaquer par la tierce opposition à la condition de mettre en cause le procureur de la République«344. Dasselbe gilt grundsätzlich für Entscheidungen, die Persönlichkeitsrechte betreffen, z.B. eine gerichtliche Namensänderung345. Derartige Widerspruchsklagen, wie sie das griechische und das französische Recht vorsieht, schließen – ungeachtet der einzelnen umstrittenen Punkte – einen 339

Gaboriau, JCP 2003, 566, 568 m.Nachw. Cour d’Appel de Versailles du 25. 9. 1997 (arrêt); Gaboriau, JCP 2003, 566, 568; H. PoiveyLeclercq, Les créanciers face à la fraude des époux, Dr. et patrimoine sept. 1995, S. 20. 341 Cour de Cassation 93–16089 v. 6. 7. 1995, Bulletin 1995 I N° 237 p. 167. 342 »Mais attendu que la voie de recours de la tierce opposition n’est pas ouverte lorsque la décision qu’elle prétend critiquer a été rendue à la suite d’une action dont la loi réserve l’exercice à certaines personnes qu’elle désigne ...«. 343 »Les jugements rendus en matière de filiation sont opposables même aux personnes qui n’y ont point été parties; mais celles-ci ont le droit d’y former tierce opposition«. 344 Art. 29–5 CC. 345 Cass.civ. Nr. 74–13874 vom 6. 7. 1977. 340

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Kompromiss zwischen den gegenläufigen Bedürfnissen zum einen nach einer weitgehenden Beständigkeit der Gestaltungsurteile und zum anderen nach dem Rechtsschutz Dritter, die vom Gestaltungsurteil betroffen werden. Darüber hinaus zeigen die genannten Widerspruchsklagen, dass auch eine relative prozessuale Wirkung von Gestaltungsurteilen keine logische Ungeheuerlichkeit und auch kein Nonsens ist346. Denn diese Rechtsbehelfe setzen geradezu die (latente) Relativität der Urteilswirkungen bereits voraus. Diese Relativität ist lediglich schwebend, bis sie durch den konkreten Rechtsbehelf aktiviert wird347. Gegenüber der hier vertretenen Ansicht von der prozessualen Bindungswirkung des Gestaltungsurteils ergibt sich also folgender Unterschied: Während bei der »tritanakop3« und auch der tierce opposition der Dritte einen speziellen Rechtsbehelf hat, kann er nach hier vertretener Ansicht die Rechtswidrigkeit des Gestaltungsurteils auch inzident behaupten und nachweisen, in einem anderen Rechtsstreit, in dem die Gestaltung als Vorfrage erheblich ist. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile: Grundsätzlich ist die Relativität des Gestaltungsurteils mit inzidenter Prüfung der Rechtmäßigkeit vorzuziehen, weil sie kein zusätzliches Verfahren benötigt und die Vorfrage dort entschieden wird, wo sie anfällt. Und vor allem auch nur dann, wenn sie tatsächlich anfällt – im Gegenteil ist eine Widerspruchsklage auch zulässig, wenn das Gestaltungsurteil potentiell die Rechte Dritter gefährden könnte, so dass vorbeugende Widerspruchsklagen nicht zu vermeiden sind. Vorzugswürdig ist eine Widerspruchsklage allerdings in dem Fall, dass z.B. die gestaltende Entscheidung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen ist. Auch ihre Überprüfung sollte dann in diesem Verfahren stattfinden. Richtiger Rahmen wäre der § 18 FGG, allerdings mit weitaus extensiverem Anwendungsgebiet als bisher. (5) Antwort auf Einwände Gegen eine relative Gestaltungswirkung wurden bislang Einwände erhoben, die sich jedoch überwiegend nicht auf dogmatische Argumente stützen, sondern meist auf rechtspolitische oder praktische Bedenken. Einige der wichtigsten Einwände wurden bereits an anderen Stellen widerlegt348, hier sollen noch weitere genannt werden. Es wurde z.B. eingewandt, dass »damit ... das Urteil auf die Ebene einer privaten Gestaltungserklärung herabgedrückt, die allerdings nur in Verbindung mit dem Gestaltungsgrund wirkt, und das Ordnungsziel verfehlt (würde), welches das Gesetz mit dem Gestaltungsurteil als Akt zur Herbeiführung einer jedem

346 347 348

Entgegen Bachof und Stein (Fn. 288). Richtig Oberhammer, S. 54 und dort Fn. 110. So z.B. der Einwand, der sich auf das zeitliche Moment stützt, dazu s. weiter oben, S. 175.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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Zweifel entzogenen definitiven Rechtsänderung verfolgt«349. Dieses Ordnungsziel wird jedoch nicht notwendigerweise verletzt, wenn eine relative Gestaltungswirkung angenommen wird: Primär erfolgt durch das Gestaltungsurteil eine unter den Parteien definitive Rechtsänderung. Wenn der Gesetzgeber diese Wirkung auch Dritten gegenüber als definitiv festlegen möchte, dann steht ihm die Möglichkeit offen, eine Rechtskrafterstreckung vorzusehen, wie dies bei einigen Gestaltungsurteilen bzw. den entsprechenden aberkennenden Feststellungsurteilen auch der Fall ist, oder eine Beteiligung bereits im Klageverfahren. Dafür müssen dann sachliche Gründe vorgewiesen werden, die höher zu bewerten sind als das Interesse Dritter, nicht durch »fremde« Urteile gebunden zu werden. Ein derartiger Legitimationsgrund für eine Gehörbeeinträchtigung wird bei den Gestaltungsurteilen über den Personenstand vorhanden sein. Dies kann jedoch nicht pauschal für alle Gestaltungsurteile angenommen werden, was sich bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen schon in der Tatsache zeigt, dass im Gesellschaftsvertrag die Gestaltungsklage durch rechtsgeschäftliche Kündigungsrechte ersetzt werden kann, über deren wirksame Ausübung350 rechtskräftige Urteile ergehen, die nur innerhalb der subjektiven Rechtskraftgrenzen prozessual binden. Es wird auch oft eingewandt, dass die Annahme einer relativen Gestaltungswirkung ernste Schwierigkeiten bereiten würde. »Sollte z.B. der für erbunwürdig erklärte Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern weiterhin als Erbe gelten und wird er auf Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit belangt, kann er dann den der Verbindlichkeit zugrunde liegenden Vertrag anfechten, im Falle eines Kaufvertrages wandeln, mit einer Nachlassforderung aufrechnen? Und wenn man ihm diese Möglichkeit gibt, kann der unterlegene Nachlassgläubiger eine in den Nachlass erbrachte Gegenleistung herausverlangen und von wem? Es liegt ... auf der Hand, dass jede Variation dieses Falles die Rechtslage noch komplizierter machen kann«351. Für die Antwort auf diese Fragen muss man sich wiederum des Grundsatzes besinnen, dass man vom Normalfall auszugehen hat: Wenn tatsächlich die Voraussetzungen vorliegen, die zur Erbunwürdigkeit führen, wird das zweite Gericht auch vorgreiflich feststellen, dass die beklagte Person nicht Erbe ist und somit die Klage abweisen. Wenn allerdings nach Ansicht des zweiten Gerichts die Voraussetzungen für die Erbunwürdigkeitserklärung nicht vorliegen, dann wird es außerhalb der Rechtskraftgrenzen dem Nachlassgläubiger gegenüber den Beklagten wie einen Erben behandeln müssen352. In dem eher unwahrscheinlichen 349

Gaul, FS Zeuner, 317, 335 mit Hinweis auf den ähnlichen Standpunkt Böttichers. Freilich ist diese Formulierung ungenau, da zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage in Verbindung mit der Ausübung von rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechten nicht die Rechtmäßigkeit der Ausübung selbst, sondern nur das nach der Gestaltung entstandene bzw. geänderte Rechtsverhältnis sein kann, dazu s. weiter oben, S. 83ff. 351 Calavros, S. 156, in fast wörtlicher Übereinstimmung mit Schlosser, S. 229. 352 A.A. BGH, NJW 1970, 197: Wird der Erbunwürdigkeitsklage eines Miterben stattgege350

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Fall, dass der Nachlassgläubiger den Erbunwürdigen in Anspruch nimmt, wird dieser als Beklagter selbstverständlich alle Einwendungen vorbringen können, die er als Erbe hätte bzw. hat. Und da er im Verhältnis zum Nachlassgläubiger als Erbe zu behandeln ist, wird er auch – sofern materiellrechtlich begründet – Gestaltungsrechte ausüben können. Falls es sich dabei um einen Rücktritt handelt353, wird ein Rückabwicklungsverhältnis nach §§ 346ff. BGB begründet. In diesem Rahmen wird der Nachlassgläubiger selbstverständlich wiederum eine erbrachte Gegenleistung vom ursprünglichen Erben zurückverlangen können (§ 346 I BGB). Handelt es sich dabei um Geld, ist dies schon im Voraus unproblematisch. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall ist, wird der für erbunwürdig Erklärte in erweiternder Anwendung des § 326 II Nr. 3 BGB Wertersatz zu leisten haben, wie wenn der empfangene Gegenstand untergegangen wäre354. Nach einer Irrtumsanfechtung wiederum wird gegebenenfalls die Schadensersatzpflicht des § 122 BGB ausgelöst. Die Lage ist demnach zumindest nicht unlösbar kompliziert. Darüber hinaus kann die Tatsache allein, dass eine relative Wirkung des Gestaltungsurteils zu einer komplizierten Lage führen würde, vielleicht ein Indiz dafür sein, dass in diesem Fall eine Erweiterung der Rechtskraftgrenzen erforderlich ist, sie ist jedoch keine dogmatische Rechtfertigung für eine umfassende prozessuale Gestaltungswirkung, und man sollte nicht der Versuchung unterliegen, den bequemen Weg einzuschlagen und den Problemen auf vermeintlich eleganter Art aus dem Weg zu gehen. Zu Recht betont Bachmann, dass es richtig ist, »dass eine solche Regelung, die eine Rechtswirkung auf bestimmte Personen beschränkt ... theoretisch und praktisch sehr erheblichen Schwierigkeiten begegnet... Aber die Kompliziertheit einer Rechtsfigur ist kein Einwand gegen ihre Verwendung, solange diese juristische Kompliziertheit nur das Spiegelbild der entsprechenden Lebenskompliziertheit ist«355. Diese komplizierte Lage nimmt man auch bei Feststellungsurteilen hin, selbst bei der Feststellung absoluter Rechte, so dass sie allein nicht die umfassende prozessuale Bindung an Gestaltungsurteile rechtfertigen kann. Im Bereich des Gesellschaftsrechts lautet der überwiegende Einwand, dass eine auf die Parteien beschränkte Wirkung z.B. des Urteils, das nach einer Anfech-

ben, so wirkt der Erfolg der Anfechtung zugunsten aller Anfechtungsberechtigten. Jedoch ging es hier der Sache nach um die Streit- und Rechtsmittelwertbestimmung, die nach der Beteiligung des Beklagten am Nachlass erfolgen soll. 353 Ein derartiger Rücktritt des Erbunwürdigen gegenüber dem Nachlassgläubiger ist natürlich wegen der Unteilbarkeit des Rücktrittsrechts (§ 351 BGB) nur möglich, wenn nur ein Erbe vorhanden ist und lediglich die Frage ist, ob dies der Erbunwürdige oder eine andere Person ist. 354 S. nur Palandt-GrünebergHeinrichs, § 346 Rn. 7, 9: erfasst werden alle Fälle, in denen der Schuldner zur Rückgewähr der empfangenen Leistung außerstande ist, Nr. 3 erfasst alle Fälle von Unmöglichkeit der Herausgabe. 355 Bachmann, S. 37 zu § 135 BGB, den er als Anwendungsfall beschränkter Rechtsgeltung auffasst.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

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tungsklage einen Beschluss der Gesellschafterversammlung für nichtig erklärt356, in der Mehrzahl der Fälle zu unlösbarem Wirrsal führen würde357. Es sei unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und -klarheit untragbar, wenn ein Beschluss im Verhältnis zu einem einzigen Verbandsmitglied als nichtig zu behandeln, gegenüber allen anderen aber verbindlich wäre358. Der Hauptversammlungsbeschluss einer AG könne nicht einzelnen Aktionären gegenüber als gültig, anderen gegenüber als nichtig behandelt werden359. Allerdings ist mit §§ 249, 248 AktG, die analog auch im GmbH-Recht angewandt werden, das Problem ein solches der Rechtskrafterstreckung und nicht der »Gestaltungswirkung«. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Nichtigkeitsklage im Gesellschaftsrecht nach h.M. anders als die Anfechtungsklage keine Gestaltungsklage ist360. Abgesehen davon widerspricht die Ansicht, dass eine konkrete Fallkonstellation nur einheitlich beschieden werden darf, nicht dem Grundsatz, dass das Gestaltungsurteil lediglich innerhalb seiner Rechtskraftgrenzen wirken darf. Vielmehr müssen dann – wie z.B. in § 248 AktG – die Rechtskraftgrenzen erweitert werden. Darüber hinaus wird bei Personengesellschaften die Möglichkeit divergierender Urteile hingenommen, soweit laut Gesellschaftsvertrag die Gestaltungsklagen durch rechtsgeschäftliche Handlung ersetzt werden dürfen – über die Gültigkeit dieses Beschlusses kann Feststellungsklage erhoben werden. Dabei sei es – anders als zu § 140 HGB – »nicht geboten, dass ... alle Gesellschafter beteiligt sind ..., weil es sich insoweit nicht um ein rechtsgestaltendes, sondern um ein feststellendes Urteil handelt, das nicht zugleich auch in die Rechtsverhältnisse der übrigen Gesellschafter unmittelbar eingreift«361. Damit werden auch nicht alle Gesell356 Hier geht es lediglich um die subjektive Reichweite des Urteils, nicht um die Streitgegenstandsproblematik, dazu s. weiter oben, S. 180. 357 RGZ 85 (1915), 311, 313. Bemerkenswert an diesem Urteil ist, dass das Reichsgericht die angebliche Gestaltungswirkung des Nichtigkeitsurteils, das auf die Anfechtungsklage hin erging, zumindest nicht ausdrücklich erwähnt, sondern im Leitsatz die Frage aufgeworfen wird, ob das Urteil nur zwischen den Parteien »Rechtskraft schafft« oder ob es auch für und gegen die Gesellschafter wirkt, die nicht Parteien sind. Andererseits wird mit dem Inhalt und Zweck der Anfechtungsklage für die Notwendigkeit einer umfassenden Urteilswirkung argumentiert. 358 BGHZ 70 (1978), 384, 388. Daraus wird gefolgert, dass neben der Nichtigkeitsklage keine allgemeine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit zulässig ist. 359 Calavros, S. 155 mit Hinweis auf Hueck, Anfechtbarkeit, S. 195; Dimaras, S. 63f., der jedoch davon ausgeht, dass es möglich ist, dass eine »GmbH gegenüber den Parteien des Auflösungsprozesses nicht mehr existiert und gleichzeitig gegenüber anderen Personen als eine bestehende Rechtspersönlichkeit behandelt wird«. 360 S. z.B. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 Rn. 33; Gehrlein, AG 1994, 103, 105; GeßlerHüffer, § 249 Rn. 3, der trotzdem eine Geltung inter omnes befürwortet, die über das Maß des § 248 AktG hinausgeht, d.h. jeden Dritten ergreift und nicht nur die in § 248 AktG aufgeführten Personen (Rn. 21); Henckel, Parteilehre, S. 201; Hueck, Anfechtbarkeit, S. 234ff.; Hueck, FS Heymanns Verlag, 287, 291; Renkl, S. 117f.; Vogel, S. 215f.; a.A. K. Schmidt, GesR, § 15 II 2 a (S. 445), § 21 V 2 (647); K. Schmidt, FS Kollhosser II, 679, 688; K. Schmidt, JZ 1988, 729ff; ScholzK. Schmidt, § 45 Rn. 45; K. Schmidt, JZ 1977, 769ff.; MünchKommAktG-Hüffer, § 249 Rn. 4 361 BGH, WM 1957, 1406, 1407; s. allerdings BGHZ 70 (1978), 384, 388, wo neben der Nich-

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schafter von der Rechtskraftbindung erfasst. Die Rechtsordnung nehme die Gefahr sich widersprechender Urteile als Ausdruck der subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft hin und begnüge sich mit einer Klärung der Rechtslage unter den am Feststellungsstreit beteiligten Personen362. Erst recht sind divergierende Feststellungsurteile bezüglich der Auflösung einer Gesellschaft möglich, soweit der Gesellschafter (§ 132 HGB) oder sein Privatgläubiger (§ 135 HGB) kündigt und im Gesellschaftsvertrag darauf nicht sein Ausscheiden, sondern die Auflösung der Gesellschaft vorgesehen ist (§ 131 III Nr. 3, 4 HGB). Auch die grundsätzliche Geltung jedes fehlerhaften hoheitlichen Akts bis er aufgehoben wird363 diktiert nicht eine absolute Bindung an das Gestaltungsurteil und es ist verfehlt, sie in diesem Zusammenhang heranzuziehen. Zum einen ist nach Fallgruppen zu klären, ob der entsprechende Hoheitsakt nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn er unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit wirkt. Der wichtigste Einwand besteht jedoch darin, dass der Grundsatz der Geltung jedes fehlerhaften hoheitlichen Akts für die hiesige Frage nach der prozessualen Bindungswirkung des Gestaltungsurteils irrelevant ist. Während nach diesem Grundsatz nämlich ein fehlerhafter Staatsakt so lange wirksam ist, bis er aufgehoben wird und damit schlechthin unwirksam wird, stellt sich die Frage nach dem Umfang der prozessualen Bindung per se nur beim wirksamen Staatsakt, denn es soll ja nicht das Gestaltungsurteil schlechthin unwirksam werden, auch inter partes, sondern es geht lediglich um die Frage, wer mit dem Vorbringen der Fehlerhaftigkeit präkludiert ist. Mit anderen Worten geht es darum, wie die prozessualen Wirkungen des – wirksamen – Gestaltungsurteils subjektiv einzugrenzen sind364. Auch das Feststellungs- oder Leistungsurteil ist wirksam, bis es durch förmliches Verfahren aufgehoben wird, jedoch ist die in ihm getroffene Feststellung außerhalb der Rechtskraftgrenzen nicht prozessual verbindlich, obwohl das Urteil weiterhin wirksam bleibt. Der Grundsatz der Wirksamkeit auch fehlerhafter Staatsakte wäre nur dann relevant für die Bindungsproblematik, wenn es sich hierbei nicht um eine prozessuale Bindung, sondern um eine reine Tatbestandswirkung handeln sollte, was jedoch nicht der Fall ist365. Es ist ein verbreiteter Trugschluss, dass die Beschränkung der Urteilswirkung das Gestaltungsurteil in seiner Substanz in Frage stellen würde. Ein Gestaltungsurteil, das nicht über seine Rechtskraftgrenzen hinauswirkt, wird weder geändert noch aufgehoben noch wird seine Wirksamkeit in Frage gestellt. Liebmann betigkeitsklage nach § 249 AktG keine Feststellungsklage für zulässig erachtet wird, weil sie nicht zu einer umfassenden Bindung führen würde. 362 K. Schmidt, Gestaltungsprozesse, S. 103. 363 S. insbes. Bötticher, Kritische Beiträge, S. 6ff.; Kuschmann, S. 75; Nicklisch, S. 137; Winte, S. 34. 364 Häsemeyer, ZZP 101, 385, 406 und dort Fn. 104. 365 Insofern ist auch verständlich, dass Nicklisch diesen Grundsatz zur Begründung heranzieht, denn er plädiert für eine Gleichbehandlung von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung, dazu s. weiter oben, S. 74ff.

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merkte zur entsprechenden Problematik bei der Rechtskraft, dass Dritte das Urteil »ausschließlich unanwendbar machen bzw. seine Wirksamkeit ihnen gegenüber lähmen (können)«366. Aber selbst diese Sichtweise ist zu sehr von der Vorstellung beherrscht, ein Urteil müsse im Idealfall so viele Personen wie möglich binden, denn wo keine Rechtskraftbindung besteht, da ist ein »fremdes« Urteil einfach rechtlich irrelevant. Im neuen Prozess außerhalb der Rechtskraftgrenzen wird vielmehr der gleiche Tatsachenstoff erneut einer Prüfung unterzogen und es ergeht ein neues, völlig selbständiges Urteil. Dies mag insgesamt oder in einer Vorfrage mit dem früheren Urteil übereinstimmen, ist jedoch von diesem zu unterscheiden, insbesondere ist das neue Urteil nicht die Anwendung oder Wirkungserstreckung des ersten. (6) Verbleibende Bindungsdefizite? Grundsätzlich bedarf es einer Rechtskrafterstreckung, damit Dritten die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Gestaltungsurteils abgeschnitten wird367. Damit stellt sich die Frage, ob eine derartige relative prozessuale Bindungswirkung nicht bei konkreten Gestaltungsurteilen untragbar wäre. Nach Krusch wirkt selbst das Ehescheidungsurteil nur inter partes368. Dabei handelt es sich mit Sicherheit um die konsequente Fortführung seines dogmatischen Ansatzes, dass sich die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteils nicht in der Feststellung erschöpft, dass ein Gestaltungsgrund gegeben ist, sondern die Gestaltung bestärkt und sie von den Gestaltungsgründen löst369. Wenn man das Beispiel betrachtet, das weiter oben bei der französischen tierce opposition erwähnt wurde370, könnte man durchaus eine relative Wirkung auch des Scheidungsurteils akzeptieren. Andererseits dürften die meisten Fälle, in denen das Gestaltungsurteil vorgreiflich ist, sich nicht so eindeutig präsentieren. Hinzu kommt, dass Urteile über den Personenstand einen derartigen Stellenwert für die betroffenen Personen, aber auch für die Allgemeinheit, einnehmen, dass hier eine grundsätzliche und endgültige Klärung der persönlichen Rechtsposition wünschenswert ist, die dann allerdings eine Rechtskrafterstreckung erfordert. In der Tat ist in einigen Fällen vom Gesetz eine Rechtskrafterstreckung entweder gegenüber jedermann oder auf die Personen, auf deren Rechtsposition sich das Gestaltungsurteil unmittelbar auswirken wird, vorgesehen (z.B. § 640h, § 1496 S. 2 BGB, §§ 248, 275 AktG, § 75 II GmbHG, § 51 V, 96 GenG). In welchen Fällen eine Rechtskrafterstreckung für notwendig erscheint und – im zweiten Schritt – in welchem Umfang sie stattfinden soll, kann hier nicht weiter erörtert 366 367 368 369 370

Liebmann, ZZP 91, 449, 457. So auch Oberhammer, S. 105. Krusch, S. 57; dagegen Lent, ZZP 61, 279ff. Krusch, S. 46, 50f. S. weiter oben, S. 221.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

werden, genauso wenig wie die Frage, ob eine Rechtskrafterstreckung durch Auslegung hier möglich sein könnte oder ob ausschließlich der Gesetzgeber in der Lage ist, eine solche herbeizuführen. Rechtspolitisch wäre zu überdenken, ob die Einführung eines speziellen Rechtsbehelfs sinnvoll wäre, mit dem die Rechtswidrigkeit eines Gestaltungsurteils ausschließlich geltend gemacht werden könnte. Als Vorbild kann zum einen die Anfechtungsklage des Verwaltungsrechts, zum anderen die spezielle Widerspruchsklage des griechischen bzw. französischen Rechts (tritanakop3, tierce opposition)371 dienen. Allerdings wäre damit auch nicht endgültige Rechtssicherheit zu erwarten, sondern lediglich ein formaler Schritt zwischengeschaltet, bevor sich der Dritte darauf berufen könnte, dass kein Gestaltungsgrund vorgelegen war, so dass sich seine Gegenpartei ihm gegenüber nicht auf die Gestaltung berufen könnte. Gegen einen Rechtsbehelf nach dem Modell der Anfechtungsklage spricht, dass diese auf die formelle Aufhebung der Wirksamkeit des Gestaltungsurteils gerichtet wäre, die auch die ursprünglichen Parteien treffen würde, so dass auch diese sowie jeder, dessen Recht auf rechtliches Gehör potentiell verletzt werden könnte, in den Rechtsstreit einzubeziehen wäre, was ihn unnötig verkomplizieren würde. Aus dieser Sicht sind die Widerspruchsklagen, die das Gestaltungsurteil als relativ unwirksam gegenüber dem Kläger erklären würde, vorzugswürdig. Auch hier wären jedoch vorbeugende Widerspruchsklagen nicht zu vermeiden, obwohl es dann nie zu einem Rechtsstreit käme, in dem die Gestaltung Vorfrage ist. Daher sollte es dabei bleiben, dass die Prüfung der Rechtmäßkeit des Gestaltungsurteils dort stattfinden sollte, wo sie angefallen ist, nämlich wenn die Gestaltung konkret in einem Rechtsstreit vorgreiflich ist. Ähnlich wie bei der Feststellung von »Drittrechtsverhältnissen« ist es ausreichend, die Gestaltung im Rahmen der Vorfragenprüfung zu beurteilen. Dadurch wird das Gestaltungsurteil in seiner Geltung den ursprünglichen Parteien (und jedem, der von seiner Rechtskraft erfasst wird) gegenüber nicht in Frage gestellt und gleichzeitig wird das Recht Dritter Betroffener auf rechtliches Gehör gewahrt. (7) Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit? Einige der Autoren, die einer umfassenden prozessualen Gestaltungswirkung kritisch gegenüberstehen, befürworten stattdessen eine Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit. Namentlich Grunsky plädiert zwar (außerhalb der familienrechtlichen Gestaltungsklagen) für eine Gleichstellung von Feststellungs- und Gestaltungsurteil372, geht allerdings davon aus, dass in den meisten Fällen eine Bindung an das Gestaltungsurteil wegen der Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit zu erzielen sei, sofern der Dritte auch eine vertragliche Regelung der Parteien hätte respektieren müssen. Die materiell371 372

S. dazu weiter oben, S. 220ff. Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 552).

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rechtliche Abhängigkeit schneide z.B. dem Gesellschaftsgläubiger G den Einwand ab, das Ausschlussurteil gegen C sei unrichtig, so dass ihm auch sein Privatvermögen wegen Gesellschaftsschulden zur Verfügung stünde373. Die Rechtfertigung für diese Rechtskrafterstreckung sieht Grunsky darin, dass »in fast allen in Betracht kommenden Fallgestaltungen ... die Rechtsfolgen, die der Dritte an den Fortbestand des alten Rechtszustandes knüpfen will, aus einem Sachverhalt folgen, der sich erst nach Erlass des Gestaltungsurteils gebildet hat. Hier kann es dem Dritten zugemutet werden, an das Urteil gebunden zu sein«374. Hiergegen kann Folgendes eingewandt werden: Zum einen sind – wie mehrfach angemerkt wurde – Dritte gerade nicht an materiellrechtliche Handlungen gebunden sind, deren Unwirksamkeit sie nachweisen können. Zum anderen ist es verfehlt, die Bindung an ein Gestaltungsurteil nur dann für untragbar zu halten, wenn es Rückwirkung entfaltet hatte375. Schließlich ist die Konstruktion der Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit generell nicht zu befürworten, denn sie trägt der unterschiedlichen Struktur der privatrechtlichen Betätigung und der Prozessführung nicht genügend Rechnung376. Schon gar nicht kann pauschal angenommen werden, dass bei Gestaltungsurteilen immer eine Rechtskrafterstreckung auf jedermann kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit stattfindet. Soweit diese Rechtsfigur überhaupt akzeptiert wird, wäre – zwar typisierend, aber trotzdem für die Einzelkonstellation – zu prüfen und nachzuweisen, ob tatsächlich eine materiellrechtliche Abhängigkeit vorliegt, die eine Rechtskrafterstreckung rechtfertigt.

c. Durchbrechung der Rechtskraft des Gestaltungsurteils Wenn man mit der h.M. die Gestaltungswirkung als prozessuale Urteilswirkung versteht, stellt sich die Frage, ob sie – ähnlich wie die materielle Rechtskraft – durchbrochen werden kann, entweder durch eine Wiederaufnahmeklage oder durch die Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatzklage nach § 826 BGB. i. Wiederaufnahmeklage Da die Gestaltungsklagen und -urteile insgesamt eine Sonderstellung mit der Tendenz zur gesteigerten Verbindlichkeit genießen, könnte man annehmen, dass eine Wiederaufnahmeklage gegen ein Gestaltungsurteil nicht möglich wäre377. Jedoch 373

Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 553f.). Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 554). 375 Zu dieser Frage s. bereits weiter oben, S. 1, 56, 208. 376 Gaul, FS Schwab, 111, 135. 377 So in der Tat früher Kohler, RheinZ 1 (1909), 39, 49: Richtigerweise könne nur ein Vermögensausgleich stattfinden, da die Gestaltungserklärung ihr Ziel mit Erreichung der Rechtskraft erreicht und erschöpft. 374

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

entspricht es wider Erwarten allgemeiner Meinung, dass eine Wiederaufnahmeklage sogar gegen das klassische Gestaltungsurteil, nämlich das Scheidungsurteil, zulässig ist. Eine erfolgreiche Wiederaufnahmeklage kann sogar dazu führen, dass eine eventuell eingegangene zweite Ehe nachträglich und rückwirkend zur bigamischen Ehe wird378. Hier hat sich ausnahmsweise die richtige Sichtweise durchgesetzt, nämlich dass es keinen Unterschied macht, ob der Richterspruch einen Anspruch zugesprochen oder ein Rechtsverhältnis gestaltet hat: Eine Rückgängigmachung des Urteils ist nicht deswegen leichter hinzunehmen, weil das Urteil »lediglich« z.B. die Eigentümerverhältnisse festgestellt und nicht selbst eine Gestaltung herbeigeführt hat. Dem rechtskräftig festgestellten Eigentümer ist die Aufhebung eines von ihm als endgültig empfundenen Richterspruches nicht eher zuzumuten als z.B. den Gesellschaftern, die davon ausgehen durften, dass ein Mitgesellschafter durch Ausschließungsklage aus der Gesellschaft ausgeschieden ist oder sogar den Eheleuten, die davon ausgingen, geschieden worden zu sein. Wird ein Ausschließungsurteil aufgehoben, kann nunmehr nach der Aufhebung ein neuer Ausschließungsgrund vorliegen, so dass ein erneutes Ausschließungsurteil ergehen kann379. Zwingend ist dies jedoch nicht, denn anders als bei der vollendeten Auflösung der Gesellschaft, die im Anschluss behandelt wird, ist es unproblematisch, die ideelle Gesellschafterstellung wiederherzustellen. Wie mit der ex tunc Aufhebung des ersten Urteils umgegangen werden sollte, zeigt BGHZ 18, 350ff. auf. Dieses Urteil erging im Rahmen einer zweiten Ausschließungsklage und bejahte im konkreten Fall das Vorliegen eines Ausschließungsgrunds, weil der damals ausgeschlossene Gesellschafter und jetziger Restitutionskläger zumindest ab dem Zeitpunkt, zu dem er die Aufhebung des Strafurteils anstrebte, das Grundlage der ersten Ausschließung gewesen war, sich nicht wie ein Nicht-Gesellschafter verhalten durfte: »Die rückwirkende Kraft des Aufhebungsurteils bedeutet also, dass vom Zeitpunkt seines Erlasses ab nunmehr rückwirkend die Verhältnisse im Rechtssinn so angesehen werden, als ob das aufgehobene Urteil niemals bestanden hätte, nicht aber, dass die Beteiligten schon während des Zeitraumes bis zum Erlass des Aufhebungsurteils das aufgehobene Urteil überhaupt nicht zu beachten brauchten und auch nicht beachten durften. Das Aufhebungsurteil gestaltet erst selbst die zurückliegenden Verhältnisse im Rechtssinn und stellt sie nicht etwa in dem Sinn klar, wie sie schon während der ganzen Zeit bestanden hatten. Diese Wirkung des Aufhebungsurteils zwingt bei einer zunächst rechtskräftigen, später aber rückwirkend wieder aufgehobenen Ausschließung eines Gesellschafters dazu, dass bei der Beurteilung von Aus378 BGH, NJW 1976, 1590, 1591; BGH, FamRZ 1963, 131, 132; BGH, NJW 1953, 1263; a.A. Rüßmann, AcP 167, 410, 421ff.; auch Jauernig, ZPR, § 76 VII (S. 325) m.Nachw., sowie OLG Frankfurt, FamRZ 1978, 923 haben wohl Bedenken in dem Fall, dass der Beklagte wieder geheiratet hat und in einer intakten Ehe lebt. 379 So in BGHZ 18 (1956), 350ff.

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schließungsgründen, die in den Zeitraum zwischen dem Erlass des rechtskräftigen Ausschließungsurteils und dem Erlass des Aufhebungsurteils fallen, der Umstand nicht außer Betracht bleiben kann, dass während dieses Zeitraums die Ausschließung zunächst rechtlichen Bestand gehabt hatte«380. Ist ein Wiederaufnahmegrund gegen ein Auflösungsurteil gegeben, können große Schwierigkeiten entstehen, da durch das Auflösungsurteil die Gesellschaft in das Liquidationsstadium übergeht und abgewickelt wird. Aus diesem Grund wird angenommen, dass eine Wiederaufnahme gegen das Auflösungsurteil nur möglich ist, solange die Liquidation nicht beendet und die Firma im Register nicht gelöscht wurde. Solange die Liquidation noch nicht abgeschlossen ist, bewirkt das Aufhebungsurteil, dass die Gesellschaft weiter besteht381. Nach vollendeter Liquidation jedoch sei ein Wiederaufnahmeverfahren nicht mehr möglich382. Dies ist zutreffend und ergibt sich bereits daraus, dass das Wiederaufnahmeverfahren zwischen den Parteien des ursprünglichen Prozesses stattfindet und die Wiederaufnahmeklage von der darin unterlegenen Partei erhoben wird383, d.h. von der aufgelösten Gesellschaft, die nicht mehr existiert, so dass sie auch keine Wiederaufnahmeklage erheben kann. Wird eine Wiederaufnahmeklage vor vollendeter Liquidation gegen das Auflösungsurteil erhoben, wird oft erneut die Auflösung auszusprechen sein, weil nunmehr ein neuer Auflösungsgrund vorliegen wird, da die Gesellschaft so (d.h. mitten in der Liquidation) nicht funktionsfähig ist384. Zum Abschluss sei nur angemerkt, dass eine Situation ähnlich der erfolgreichen Wiederaufnahme auch bei der Aufhebung eines Scheidungsurteils durch das Bundesverfassungsgericht385 entstehen kann bzw. nach erfolgreicher Wiedereinsetzung gegen ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil386. ii. Materiellrechtlicher Ausgleich nach § 826 BGB Als zweite Möglichkeit der Durchbrechung von – ansonsten endgültigen – prozessualen Urteilswirkungen ist heute die Schadensersatzklage nach § 826 BGB ge380

BGHZ 18 (1956), 350, 358. Blomeyer, ZPR, § 106 VI 2a (S. 621). 382 Friedrichs, ZZP 58, 219, 222; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 160 Rn. 34; Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 131 Rn. 126 – s. jedoch die Restgesellschaft, die der BGH fingiert, wenn die ursprüngliche Gesellschaft im Enteignungsstaat aufgelöst wurde und noch Vermögen in Deutschland hat, dazu weiter unten, S. 417. 383 S. nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 160 Rn. 20. 384 Staub-Ulmer, GroßKomm HGB3, § 131 Rn. 126 – Wenn dies nicht der Fall ist, wird die Gesellschaft weiterhin als werbende fortbestehen, wenn nicht zuvor bereits die Abwicklung erfolgt war. 385 S. dazu Engler, Zulässigkeit und Folgen der Aufhebung eines Scheidungsurteils durch das Bundesverfassungsgericht nach Wiederheirat eines der geschiedenen Ehegatten, FS Müller, S. 39ff. 386 BGHZ 98 (1987), 325, 328; die Zulässigkeit bezweifelnd Jauernig, ZPR, § 31 IV (S. 131). 381

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geben387. Vorwegzuschicken ist, dass diese Praxis der Durchbrechung der Rechtskraft nicht nur dogmatisch unzulässig388 sondern auch in sich nicht stimmig389 ist. Dies hat Braun treffend formuliert: »Dabei war § 826 BGB ... kaum mehr als ein verbaler ›Aufhänger‹, der den Schein wahren sollte, als ergäbe sich das, was man praktizierte oder zu praktizieren vorschlug, unmittelbar ›aus dem Gesetz‹«390. Zu § 826 BGB in Verbindung mit Gestaltungsurteilen finden sich hauptsächlich Urteile gegen frühere Scheidungsurteile mit Schuldausspruch391, mit denen als Schaden der Verlust des Unterhaltsanspruchs geltend gemacht wurde392. Hier lag jedoch eine eigenartige Sondersituation vor, bei der der Kläger (meist die Klägerin ...) nicht die Scheidung an sich bedauerte oder gar gern rückgängig gemacht hätte, sondern es ging lediglich um den Unterhaltsanspruch (oder auch um den Verlust des Versorgungsausgleichs393). Insofern sind diese Verfahren der Besonderheit der Folgen des früheren Scheidungsurteils mit Schuldausspruchs zuzurechnen, die keinen zuverlässigen Rückschluss allgemein auf die Gestaltungsurteile zulässt. In diesen Fällen wurde die Schadensersatzklage sogar neben einer möglichen Restitutionsklage zugelassen394. Das Reichsgericht entschied, dass die Scheidungsfolge an sich bestehen bleibe, denn aus der Natur des Scheidungsurteils ergebe sich, dass es – auch wenn es falsch sei – eine Rechtsänderung hervorrufe, und gerade in der Herbeiführung dieser Rechtsänderung liege, wenn sie in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zu Unrecht erwirkt sei, die Schadenszufügung395. Der unmittelbare Schaden, den ein Gestaltungsurteil verursacht, ist aber in der Tat die Gestaltung selbst und erst in zweiter Linie eventuelle sich daraus ergebende Folgeansprüche, so dass eigentlich die Gestaltung im Wege der Naturalrestitution beseitigt werden müsste, denn nur dadurch wäre der Zustand wiederhergestellt, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht 387

S. jüngst die Darstellung von Walker, Beseitigung und Durchbrechung der Rechtskraft, FS BGH, S. 367ff.; sowie eingehend MünchKomm-Wagner, § 826 Rn. 128ff. 388 S. insbesondere Gaul, Wiederaufnahmerecht, S. 99ff.; Gaul, JuS 1962, 1, 2ff.; Gaul, Rechtskraftdurchbrechung, S. 39ff.; zur Frage, ob sich durch die ständige Rechtsprechung Gewohnheitsrecht gebildet hat, Hönn, FS Lüke, 265, 270ff.; dagegen Gaul, Jahrbuch, 9, 27 und dort Fn. 115. 389 S. Braun I, S. 228ff. 390 Braun I, S. 231. 391 Dieses Problem hat sich seit dem 1. 7. 1977 erledigt, denn die Schuldfrage ist für den Unterhaltsanspruch unerheblich. Auch bei sonstigen Gestaltungsurteilen kann ein vermögensrechtlicher Ausgleich über § 826 BGB stattfinden, der z.B. zum Ersatz des Schadens führen kann, der durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Gestaltungsurteil entstanden ist (BAG, JZ 1973, 561). 392 Nach MünchKomm-Wolf, § 1567 Rn. 101 findet § 826 BGB bei Scheidungsurteilen seit Abschaffung des Schuldprinzips keine Anwendung mehr, da bei arglistiger Täuschung die Ehe jedenfalls zerrüttet sei und damit ein Scheidungsgrund bestehe. 393 S. hierzu BGH, NJW 2003, 1326, 1328 und dazu Gaul, JZ 2003, 1088, 1095. 394 BGH, LM Nr. 7 § 826 (Fa) BGB. 395 RGZ 75 (1911), 213, 215, 216; bestätigend BGH, JZ 1964, 514 m.krit.Anm. Gaul.

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eingetreten wäre396. »Eine ›echte‹ Schadensersatzklage müsste es ... ermöglichen, alle Nachteile rückgängig zu machen, die das Urteil für die aus § 826 BGB klagende Partei enthält. Nur dies wäre ›Naturalrestitution‹ im eigentlichen Sinn«. Hätte man den Grundsatz der Naturalrestitution wörtlich genommen, so hätte die Arglistklage vor der Gestaltungswirkung nicht halt machen können397. Es hat daher nicht an vereinzelten Stimmen gefehlt, die aus all dem gefolgert haben, dass der »Schadensersatz« hier richtigerweise durch die Aufhebung des Scheidungsurteils zu erfolgen habe. Andererseits wurde eingewandt, dass sich die Gestaltungswirkung »praktisch ... nicht beseitigen (lässt), ohne dass man zu unhaltbaren Ergebnissen gelangt, z.B. zur Gültigkeit der geschiedenen Ehe, wenn das Scheidungsurteil erschlichen war, was im Falle einer neuen Eheschließung zu unlösbaren Verwicklungen führen müsste«398. Jedoch sind diese Ergebnisse nicht weniger unhaltbar als wenn das Scheidungsurteil aufgrund eines Wiederaufnahmeverfahrens oder der Wiedereinsetzung aufgehoben wird399. Die Scheidung mit Schuldausspruch und entsprechenden unterhaltsrechtlichen Folgen nach früherem Recht war sowieso ein Sonderfall, denn im Regelfall bestand ein erhebliches Bedürfnis nach einem Rechtsbehelf, der es ermöglichte, an der Scheidung selbst festzuhalten und nur die unterhaltsrechtlichen Folgen des unrichtigen Schuldausspruchs zu korrigieren400. So musste die Klägerin im Fall RGZ 75, um zu ihrem Ziel zu gelangen (nämlich Unterhalt einzuklagen) die materielle Rechtskraft des Scheidungsurteils aus dem Weg räumen, denn nur sie konnte ihr die Behauptung abschneiden, der Schuldausspruch sei zu unrecht ergangen und damit im Schadensersatzprozess nicht zu berücksichtigen401. Die Besonderheit der früheren Fallgestaltung wird auch dadurch deutlich, dass schon sehr früh sogar eine Wiederaufnahmeklage zur isolierten Änderung des Schuldausspruchs unter Aufrechterhaltung der Scheidung selbst zugelassen wurde402. Der wesentliche Punkt, der für die Aufrechterhaltung der Gestaltung an sich spricht und lediglich einen materiellrechtlichen Ausgleich erlaubt, ist, dass das ursprüngliche Urteil nicht aufgehoben wird. Man ist sich heute zwar darüber einig, dass die Klage nach § 826 BGB die materielle Rechtskraft des Urteils durchbricht403, jedoch wird das Urteil – anders als nach erfolgreicher Durchführung ei396

Prütting/Weth, Rn. 288. Braun I, S. 228. 398 Jauernig, ZPR, § 64 III (S. 268), der konsequent auch gegen eine Wiederaufnahmeklage gegen Gestaltungsurteile ist, § 76 VII (S. 317f.). 399 Dazu s. weiter oben, S. 231ff. 400 Braun I, S. 229f. mit Nachw. als Erklärung dafür, dass durch die Arglistklage nicht die Gestaltung selbst beseitigt wurde. 401 Wie Gaul, FamRZ 1957, 237, 240 nachgewiesen hat, »verstößt die Begründung des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB damit, dass ›in dem Scheidungsurteil eine unrichtige Schuldfeststellung getroffen worden‹ sei, (in jedem Falle) gegen die materielle Rechtskraft«. 402 RGZ 171 (1944), 39, 42. 403 Anders noch RGZ 78 (1912), 389, 393; RGZ 88 (1917), 290, 293, wo angenommen wurde, dass die Schadensersatzklage den Bestand des Urteils unberührt lässt. 397

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nes Wiederaufnahmeverfahrens – nicht kassiert404. In der Regel (und bei ursprünglichem Leistungsurteil) lautet der Antrag nach § 826 BGB zwar auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels405, so dass im Ergebnis die Vollstreckbarkeit berührt wird. Wenn jedoch bei Leistungsurteilen die Zwangsvollstreckung bereits stattgefunden bzw. der Beklagte »freiwillig« geleistet hat, kann nur noch Schadensersatz in Geld verlangt werden406. Andererseits findet dadurch im Ergebnis eine Rückgängigmachung statt, wenn das ursprüngliche Urteil zu einer Geldleistung verurteilt hatte. Fälle, in denen Schadensersatz in Durchbrechung der Rechtskraft nach einem Urteil auf Herausgabe einer Sache verlangt würde, sind soweit ersichtlich noch nicht entschieden worden, so dass offen bleibt, inwiefern hier primär eine Naturalrestitution angestrebt oder direkt Geldersatz gewährt würde407. Beim Gestaltungsurteil dagegen ist die wesentliche Urteilswirkung die materielle Rechtskraft in ihrer positiven Ausprägung. Da die Klage nach § 826 BGB die materielle Rechtskraft zwar durchbricht, jedoch nicht beseitigt, ist nicht eindeutig408, ob die präjudizielle Bindungswirkung des erschlichenen Urteils weiterhin besteht oder nicht. Insbesondere fehlt für Feststellungsurteile eine Auseinandersetzung von Rechtsprechung und Lehre mit der Arglistklage409. Ginge man – an sich recht formalistisch – davon aus, dass die materielle Rechtskraft zwar durchbrochen, aber nicht beseitigt wird, dann wäre die Gestaltung an sich nicht durch die Arglistklage angetastet, da die prozessuale Verbindlichkeit der Gestaltung auf der positiven Rechtskraftwirkung basiert410. Jedoch wird es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sich eine der Parteien in einem Folgeprozess auf die Präjudizialbindung des ursprünglichen Urteils beruft411. Diesbezüglich besteht aber keine Bindung an die eventuell vorher erhobene erfolgreiche Arglistklage, da die Sittenwidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt wird, sondern als Vorfrage nicht in Rechtskraft erwächst: Die »Rechtswidrigkeit« wird lediglich als Vorfrage geprüft, um zu der Beseitigung der entstandenen oder drohenden Vermögensnachteile zu gelangen412, so dass die Voraussetzungen für die Einrede aus § 242 BGB erneut zu prüfen sind. 404

S. nur MünchKomm-Wagner, § 826 Rn. 133; MünchKommZPO-Braun, vor § 578 Rn. 14. BGHZ 26 (1958), 391, 394 = NJW 1958, 826. 406 BGH, NJW 1986, 1751, 1752; Jauernig, ZPR, § 64 II (S. 265); MünchKomm-Wagner, § 826 Rn. 133; MünchKommZPO-Braun, vor § 578, Rn. 15; Schilken, ZPR, Rn. 1074. 407 Vgl. diesbezüglich BGHZ 50 (1969), 115, 118f., wo der BGH zwischen dem Angriff gegen die formelle Rechtskraft in §§ 578ff. und gegen die materielle durch § 826 BGB unterscheidet. Es wird zwar nicht ausdrücklich der Begriff »formelle Rechtskraft« verwendet, jedoch ist die Rede davon, dass durch die Restitutionsklage das Urteil »formell und materiell beseitigt« werde; dazu kritisch Gaul, Rechtskraftdurchbrechung, S. 42. 408 Darauf hat Zeuner, FS BGH, 337, 342 und dort Fn. 19 hingewiesen. 409 Braun I, S. 228 und dort Fn. 45. 410 S. weiter oben, S. 196ff. 411 MünchKomm-Wagner, § 826 Rn. 133. 412 MünchKomm-Mertens3 (Vorauflage), § 826 Rn. 169. 405

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Eine Naturalrestitution i.S. der Rückgängigmachung der Gestaltung scheitert auch aus materiellrechtlicher Sicht. Es liegt nämlich eine der Amtshaftung nach § 839 BGB vergleichbare Situation vor. Hier wird die Naturalrestitution ausgeschlossen aus dem Grunde, dass die Zivilgerichte in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte eingreifen würden, wenn sie auf diesem Wege Akte der hoheitlichen Verwaltung aufheben würden413. Zwar bliebe man hier in derselben Gerichtsbarkeit, jedoch würde eine Umgehung der sachlichen und funktionellen Zuständigkeitsordnung für die Aufhebung von prozessualen Urteilswirkungen stattfinden. Damit wäre die Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, nicht möglich, so dass der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen hat (§ 251 I BGB). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klage nach § 826 BGB, weil ein Urteil erschlichen oder sittenwidrig ausgenutzt wurde, zwar dogmatisch sehr fragwürdig, jedoch mittlerweile fester Bestandteil der deutschen Rechtsordnung ist414. Gestaltungsurteile unterliegen aus dogmatischer Sicht in dieser Hinsicht keiner speziellen Behandlung gegenüber Leistungsurteilen. Allerdings ist noch zu klären, inwiefern über einen Ausgleich in Geld hinaus auch die präjudizielle Bindungswirkung des Gestaltungsurteils direkt durch die Arglistklage nach § 826 BGB beseitigt werden kann – jedenfalls wird eine Berufung auf das arglistig herbeigeführte Gestaltungsurteil an § 242 BGB scheitern. Was mögliche Ansprüche Dritter angeht, sei auf die früheren Ausführungen verwiesen415.

2. Die Bindung der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten an das Gestaltungsurteil der streitigen ordentlichen Gerichtsbarkeit Bei der Frage nach der gerichtsbarkeitsübergreifenden Bindung an das Gestaltungsurteil ist zu trennen zwischen der grundsätzlichen Bindung und der subjektiven Reichweite dieser Bindung. Während für die freiwillige Gerichtsbarkeit als Unterzweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit416 sowie für die Arbeits- und Verwaltungsgerichtsbarkeit417 die

413 BGHZ 34 (1961), 99, 105f.; die Begründung für den Ausschluss der Naturalrestitution, wenn sie nur durch hoheitliches Handeln bewirkt werden kann, variieren, s. MünchKomm-Papier, § 839 Rn. 295ff. m.Nachw. insbes. auch zur Schuldübernahmekonstruktion; Ossenbühl, S. 11f.. 414 MünchKomm-Wagner, § 826 Rn. 129 weist darauf hin, dass auch kein sachlicher Grund dafür bestehe, diesen Rechtsbehelf zur Korrektur eklatanter Fehlentscheidungen im Interesse der Systemreinheit aufzugeben, da eine hoch selektive und damit maßvolle Durchbrechung stattfinde. 415 S. weiter oben, S. 213. 416 Dafür, dass die freiwillige Gerichtsbarkeit neben der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Bindung an rechtskräftige Entscheidungen des ordentlichen Zivilgerichts unstrittig ist, wird sie verneint für die Strafgerichtsbarkeit als Unterzweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie für die Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit. Ohne den Anspruch erheben zu wollen, die Problematik umfassend darzustellen, sei angemerkt, dass in diesen drei Fällen gleichwohl eine Bindung an gestaltende Entscheidungen angenommen wird. Für Feststellungs- oder Leistungsurteile wird sie jedoch verneint. Im Strafprozess, in dem die Ablehnung der Bindung an Feststellungsurteile mit den unterschiedlichen Grundsätzen und Zielsetzungen des Strafverfahrens (§ 244 II StPO) und der Regelung des 262 I StPO begründet, dass das Strafgericht vorgreifliche bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse nach den Grundsätzen des Strafprozesses prüft, ist allerdings eine – begrüßenswerte – Tendenz zu verzeichnen zu einer größeren Respektierung der Rechtskraft. So wird heute weithin auch eine Bindung des Strafrichters an Urteile mit inter omnes-Wirkung angenommen wie die Feststellung der Vaterschaft nach § 1600a BGB, §§ 640ff. ZPO418 sowie auch an klageabweisende Unterhaltsurteile im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB419. Die Begründung, dass sonst die Rechtskraft des Zivilurteils unterlaufen wäre, gilt gleichermaen für das Urteil des Zivilgerichts, das Unterhalt rechtskräftig zuspricht und die Frage, ob eine »gesetzliche Unterhaltspflicht« besteht420. M.E. ist die Rechtskraft des Zivilurteils grundsätzlich zu respektieren, und zwar sowohl des Gestaltungsurteils (im Ergebnis wie bisher) als auch des Leistungs- oder Feststellungsurteils (s. Klärung der Eigentumsfrage). Konkret bedeutet dies, dass z.B. der Richter im Strafprozess wegen §§ 170f. StGB (Verletzung der Unterhalts- bzw. Fürsorgepflicht) das Scheidungsurteil berücksichtigen muss. Jedenfalls für die Gestaltungsurteile ist diese auch bisher angenommene Bindung für die Gerichte aller Gerichtszweige auf die Rechtskraft zurückzuführen. Vollzieht man diesen Schritt, wird es schwieriger, die Bindung an Feststellungsund Leistungsurteile weiterhin zu verneinen. Tatsächlich ist m.E. nicht nur für die Straf-, sondern auch für die Sozial- sowie die Finanzgerichtsbarkeit richtigerweise eine Bindung auch an rechtskräftige Entscheidungen anzunehmen421.

Strafgerichtsbarkeit richtigerweise als Unterzweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit einzuordnen ist s. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 404 a.E. (S. 262). 417 Die Bindung entspricht heute angesichts des Gleichwertigkeitsgrundsatzes ganz h.M. (vgl. nur BVerwG, NJW-RR 1999, 168 m.Nachw.) und kann nach der Neufassung von § 17 II 1 GVG nicht mehr zweifelhaft sein (vgl. BGH, ZZP 105, 83ff. m.Anm. Schilken). 418 BGHSt. 26, 111 zu Art. 12 § 3 Abs. 1 NEhelG; OLG Stuttgart NJW 1973, 2305. 419 Nachweise bei Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 10 II 2 (S. 69). 420 Anders BGHSt 5, 106; OLG Bremen, NJW 1964, 1286; weitere Nachw. bei KK-StPO-Engelhardt, § 262 StPO Rn. 3. 421 So auch bereits Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 158, 159.

I. Die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils

239

Jedenfalls ist festzuhalten, dass verbindliche rechtskräftige Entscheidungen nicht über die objektiven und subjektiven Rechtskraftgrenzen hinaus binden422. Andernfalls würden die Wertungen, die zu einem eng abgesteckten Streitgegenstand und auch zur subjektiven Präklusionswirkung der Rechtskraft führen, untergraben. Eine Besonderheit ergibt sich in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn nur eine der ursprünglichen Parteien und keine weitere Personen als Beteiligte in Frage kommen: Hier darf der Richter oder Rechtspfleger nicht von einem rechtskräftigen Urteil abweichen. Anders ist dies jedoch, wenn außer dem Beteiligten noch andere Personen am Verfahren beteiligt sind oder als Beteiligte in Betracht kommen, die nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Darüber hinaus wird im Hinblick auf die subjektiven Rechtskraftgrenzen eine Erweiterung der Bindungswirkung angenommen, z.B. gegenüber dem Staat und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts423. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Gestaltungsurteile wie bisher auch die Gerichte der anderen Gerichtsbarkeiten binden, jedoch ist diese Bindung auf die Rechtskraftwirkung zurückzuführen. Darüber hinaus wäre m.E. auch eine Bindung an Feststellungs- und Leistungsurteile wünschenswert.

3. Die Bindung der Verwaltung an das Gestaltungsurteil Die Bindung der Gerichte an das Gestaltungsurteil wurde auf die materielle Rechtskraft zurückgeführt. Diese beinhaltet jedoch Verhaltensnormen, die an einen Richter gerichtet sind. Außerhalb eines zweiten gerichtlichen Verfahrens kann sie nicht unmittelbar die Verbindlichkeit eines Urteils anordnen. Die Problematik stellt sich übrigens gleichermaßen für Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsurteile und kann hier nur gestreift werden. Besonders oft taucht in der Praxis die Frage auf, ob die Finanzämter an rechtskräftige Entscheidungen der Zivilgerichte gebunden sind, ohne dass das hieße, dass die diesbezüglich entwickelten Grundsätze nicht auch für die sonstigen Verwaltungsbehörden gelten. Nach Bettermann bewirkt »die Präjudizialität des Zivilrechts für das Steuerrecht ... noch nicht die Präjudizierung der Steuerverwaltung durch das Zivilurteil«424. Das Zivilurteil sei für die Behörden nur innerhalb der subjektiven und objektiven Rechtskraftgrenzen verbindlich425. Allerdings 422 MünchKommZPO-Gottwald, § 322 Rn. 65; Musielak-Musielak, § 322 Rn. 13; Stein/JonasLeipold, § 322 Rn. 289. 423 Str. und mit unterschiedlicher Begründung MünchKommZPO-Gottwald, § 322 Rn. 72 (Tatbestandswirkung); Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 299; a.A. Zöller-Vollkommer, vor § 322 Rn. 11. 424 Bettermann, FS Baur, 273, 277. 425 Bettermann, FS Baur, 273, 276; s. auch die zu Fn. 1194 angeführten Stimmen.

240

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

scheint er eine Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit anzunehmen: »Wo Dritte die privatautonomen Dispositionen der Parteien gegen sich gelten lassen müssen und/oder sich zunutze machen können, da wirkt auch das von den Parteien erstrittene Urteil für und/oder gegen sie«426. Man wird vielleicht geneigt sein, die Antwort auf die Frage nach der Verbindlichkeit von Urteilen für die Verwaltung in der Gewaltenteilung zu suchen, in der Beziehung zwischen Justiz und Verwaltung427. Im weitesten Sinne wird natürlich diese Beziehung maßgeblich sein, jedoch geht es hier spezieller um die Zuständigkeitszuweisung. Die Vorschriften, die ein Gestaltungsurteil vorsehen, beauftragen die Gerichte mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gestaltung vorliegen – diese Vorgabe muss respektiert werden. Wenn die Verwaltungsbehörden die Möglichkeit hätten, die Rechtmäßigkeit eines ergangenen Gestaltungsurteils zu überprüfen und daraus Rechtsfolgen zu ziehen, würde diese gesetzliche Anordnung konterkariert. Auch für die inhaltliche Infragestellung eines Urteils hält das Prozessrecht Rechtsbehelfe bereit. Die Verwaltungsbehörden sind daher insofern an ein gerichtliches Urteil gebunden, als sie es weder ersetzen können, indem sie selbst prüfen, ob ein Gestaltungsgrund vorliegt, bevor ein Gestaltungsurteil ergangen ist, noch es in Frage stellen dürfen, indem sie prüfen, ob tatsächlich ein Gestaltungsgrund vorgelegen hatte. Sie müssen bestehende Gestaltungsurteile einem Verwaltungsverfahren zugrunde legen, und zwar unabhängig davon, ob eine oder gar beide Parteien des Gestaltungsklageverfahrens Verfahrensbeteiligte im Verwaltungsverfahren sind oder nicht. Dies ist jedoch nicht auf eine Besonderheit des Gestaltungsurteils zurückzuführen, sondern auf die funktionelle Zuständigkeit428 und gilt gleichermaßen für das Leistungs- und das Feststellungsurteil.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte Bislang wurde eingehend Stellung genommen zur prozessualen Verbindlichkeit von Gestaltungsurteilen, die zu einer Privatrechtsgestaltung führen. In die Untersuchung sollen über die zivilgerichtlichen Urteile hinaus auch andere privatrechtsgestaltende Staatsakte einbezogen werden. Es fragt sich, ob und inwiefern die aufgestellte These, dass die prozessuale Verbindlichkeit von Gestaltungsurteilen auf die materielle Rechtskraft zurückzuführen ist, auch für die Verbindlichkeit dieser Akte fruchtbar gemacht werden kann.

426 427 428

Bettermann, FS Baur, 273, 282. Dagegen Bettermann, FS Baur, 273, 281, 284f. S. Schilken, ZPR, Rn. 286, 293.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

241

1. Die Bindung an gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit a. Bestandsaufnahme Als erste sind die Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu untersuchen. Hier wird zwar im öffentlichen Interesse gehandelt, jedoch wird vielfach direkt in private Rechtsverhältnisse eingegriffen. In der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden sich vornehmlich gestaltende Entscheidungen, da ihre Aufgabe »der Hauptsache nach nicht auf die Entscheidung über das Bestehen von Rechten, sondern auf eine Thätigkeit gerichtet ist, durch die Rechtsverhältnisse begründet, abgeändert oder aufgehoben werden sollen«429. Aus diesem Grund wird wohl auch von einigen Autoren vertreten, dass Gestaltungsklagen eigentlich materiell der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehören430. Bei den privatrechtsgestaltenden Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist zu differenzieren zwischen den Fürsorge- und den Streitsachen, die lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen diesem Verfahren zugeordnet sind. Entscheidungen in Streitsachen entfalten materielle Rechtskraft431, so dass diese auch die prozessuale Verbindlichkeit bestimmt. Manchmal bestimmt das Gesetz ausdrücklich die Bindungswirkung, z.B. in § 99 V 2 AktG als Rechtskrafterstreckung: Die Entscheidung wirkt für und gegen alle. § 16 I 2 HausratsVO ordnet an, dass die Entscheidungen des Richters Gerichte und Verwaltungsbehörden binden. Einer besonderen Untersuchung bedürfen allerdings die Entscheidungen der klassischen, fürsorgenden Gerichtsbarkeit. Vorab ist zu bemerken, dass die Bindung an gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit – insoweit ähnlich wie in der streitigen Gerichtsbarkeit – als unproblematisch empfunden und bejaht wird. So entspricht es allgemeiner Meinung, dass gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit außerhalb des Verfahrens derselben inter omnes wirken, weil jedermann an die Änderung der Rechtslage gebunden sei432. Repräsentativ für den bestehenden Meinungsstand sind etwa folgende Äußerungen: »Die Frage einer Bindung an Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist für die meisten der Verfügungen einfach zu beantworten, weil sie gestaltende Wirkung haben. Denn eine Gestaltungswirkung ist ihrer Natur nach von jedermann anzuerkennen, daher auch von jedem Gericht und jeder Behörde«433. »Das FGG regelt, wann eine ›Verfügung wirksam wird‹, d.h. wann die rechtsgestaltende Einwirkung auf die materielle Rechtslage eintritt. Da es selbstverständ429 430 431 432 433

Hahn, Denkschrift FGG, S. 38. S. dazu weiter oben, S. 47ff. Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 31 Rn. 18 a.E. m.Nachw. S. z.B. Baur, § 2 A IV 3a (S. 25), B VI 3 1 a aa (S. 42); Brehm, Rn. 461; Smid, JuS 1996, 49, 50. Habscheid, § 29 II 1 (S. 213), Hervorhebung durch Verf.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

lich ist, dass eine wirklich bestehende materielle Rechtslage von allen – auch Gerichten und Verwaltungsbehörden – geachtet werden muss (ein für volljährig erklärtes Kind kann nicht mehr als minderjährig gewertet werden, ein Elternteil, dem das Sorgerecht übertragen ist, kann nicht als nicht sorgeberechtigt behandelt werden), so bedurfte es eines besonderen Ausspruchs einer dahingehenden Bindung nicht. Wenn man hier überhaupt von einer ›Bindung‹ sprechen will, so ist sie – im Gegensatz zu der prozessualen des ordentlichen Rechtsstreits – materieller Art«434. An dieser Stelle ist klarzustellen, dass im Zusammenhang mit Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit »prozessual« im weiten Sinne als »verfahrensrechtlich« verstanden werden muss, da das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit streng genommen kein Prozess ist. Auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird teilweise die Verbindlichkeit der Entscheidung durch eine Parallele mit der rechtsgeschäftlichen Gestaltung begründet. »V hat nur deshalb Vertretungsmacht, weil der Vormundschaftsrichter in derselben Weise die Rechtsmacht hat, einen Vertreter für M zu bestellen wie z.B. jeder Privatmann die Rechtsmacht hat, für sich selbst einen Vertreter zu bestellen«435. Bezeichnend ist allerdings, dass die universelle Verbindlichkeit der gerichtlichen Gestaltung zuweilen auch umgekehrt als Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung verstanden wird, die nur aus der Autorität des Richterspruchs heraus zu verstehen sei436. Gegen die Ansicht der selbstverständlichen Bindung an gestaltende Entscheidungen in Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten dieselben Einwände, die schon zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit entwickelt wurden. So wird z.B. angenommen, es »verstehe sich von selbst«, dass die nach dem Hausratsverfahren entstehende Eigentumslage von jedermann zu respektieren sei437. Allerdings wird damit der vom Gericht angeordneten Eigentumszuweisung größerer Respekt gezollt als der rechtskräftigen Feststellung der Eigentumsverhältnisse zwischen den Parteien, obwohl in beiden Fällen ein richterliches Erkenntnis über die Eigentumslage ergangen ist. Im Fall der Hausratsverteilung ist freilich die Frage, ob sich dies »von selbst verstehe«, müßig, denn § 16 I 2 HausratsVO ordnet ausdrücklich die Bindung aller Gerichte und Verwaltungsbehörden an die Entscheidungen des Richters an, so dass in der Tat die Eigentumslage nicht mehr bestritten werden kann. Dabei wird zwar nicht ausdrücklich die subjektive Reichweite angesprochen438, die allgemeine Formulierung dieser Vorschrift jedoch weist darauf hin, 434

Münzel, NJW 1952, 721, 723. Pawlowski/Smid, Rn. 337 – Selbstverständlich ist jeder Privatmann gemeint, soweit er Rechtsinhaber ist. 436 Calavros, ElD 1987, 1185, 1187 und dort Fn. 4. 437 Brehm, Rn. 462. 438 Dazu, dass über die Gerichtsbarkeit hinaus eine gewisse Ausweitung der subjektiven Bindungswirkung auf den Staat und die Körperschaften öffentlichen Rechts stattfindet, s. weiter oben, S. 239. 435

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

243

dass eine Wirkung inter omnes intendiert ist. § 16 I 2 HausratsVO hat keinesfalls lediglich deklaratorischen Charakter439. Ähnlich wie zuvor zur Bindung an das Gestaltungsurteil ermittelt wurde, werden auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Aussagen gemacht, die nicht nur als Stütze der angenommenen selbstverständlichen Bindungswirkung gestaltender Entscheidungen versagen, sondern sogar aufzeigen, dass gerade keine prozessuale (oder besser: verfahrensrechtliche) Gestaltungswirkung erzeugt wird, wie folgendes Zitat repräsentativ verdeutlicht: »Man mag dann später bezweifeln, ob die Bestellung des Vertreters rechtsgültig war. Aber diese Zweifel können sich in derselben Weise gegen die Bestellung eines Vormundes richten wie gegen die Bestellung des Vertreters durch eine Privatperson«440. Damit wäre tatsächlich eine konsequente Gleichstellung der Gestaltung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der rechtsgeschäftlichen Gestaltung durchgehalten, auch im Hinblick auf die Frage, ob und durch wen die Rechtmäßigkeit der Gestaltung in Frage gestellt werden darf. Auch ist bemerkens- und erwähnenswert, dass der BGH entschieden hat, dass der Prozessrichter, der die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzweifelt (es handelte sich um die Bestellung eines Vertreters durch den Vormundschaftsrichter) das Verfahren entsprechend § 148 aussetzen müsse und den Vormundschaftsrichter von seinen Zweifeln unterrichten solle, damit dieser die Möglichkeit habe, seine Entscheidung aufzuheben441. Die Pflegerbestellung wäre zwar nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, trotzdem dürfe der Richter nicht über seine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Bestellung Pflegers hinweggehen »und sich auf den Standpunkt stellen, dass die Pflegschaftsanordnung so lange wirksam sei, als sie nicht aufgehoben sei«442. Allerdings wurde nicht weiter erläutert, wie der Prozessrichter zu verfahren habe, wenn der Vormundschaftsrichter trotz dieser Benachrichtigung die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vertritt. Es wäre interessant, ob der BGH in diesem Fall den Prozessrichter an die Vertreterbestellung binden würde. Denn einerseits ist die Rede davon, dass grundsätzlich die Entscheidung der Verwaltungsbehörde oder des Organs der freiwilligen Gerichtsbarkeit »nicht deshalb in Abrede gestellt werden darf, weil sie mit dem materiellen Recht nicht im Einklang« steht, andererseits dürfe wie erwähnt der Prozessrichter auch nicht über Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Pflegerbestellung hinweggehen und sich auf den Standpunkt stellen, dass sie so lange wirksam sei, als sie nicht aufgehoben sei. Wie weit diese Pflicht geht, blieb letztendlich offen. Später allerdings wurde in einem Strafverfahren auf dieses Urteil verwiesen ohne Berücksichtigung seiner Besonderheiten. Hier wurde entschieden: »Selbst 439 440 441 442

A.A. Habscheid, § 29 I 3 (S. 212). Pawlowski/Smid, Rn. 337 (Hervorhebung im Original). BGHZ 41 (1964), 303, 305 = NJW 1964, 1855. BGHZ 41 (1964), 303, 309.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

wenn das Vormundschaftsgericht die Voraussetzungen für die Anordnung dieser Pflegschaft zu Unrecht angenommen haben sollte, war diese wirksam; die Schwurgerichtskammer war daran gebunden«443. In dieser absoluten Form konnte jedoch die zitierte Entscheidung diese Aussage wie aufgezeigt nicht stützen. Da die körperweltliche Betrachtungsweise in dieser Arbeit abgelehnt wird, ist zu fragen, wie die »prozessuale« Verbindlichkeit in der klassischen fürsorgenden Gerichtsbarkeit zu ermitteln ist. Die Tatsache, dass nach § 12 FGG die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werden, kann nicht eine erweiterte Bindungswirkung begründen444. Bei der bisherigen Argumentation in dieser Arbeit stellt sich jedoch die Frage, ob auch in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der materiellen Rechtskraft argumentiert werden kann. Dazu müssen die verschiedenen Konstellationen der Verbindlichkeit der Entscheidungen einzeln betrachtet werden. Vorab stellt sich sogar bereits die Frage, ob und wann formelle Rechtskraft eintritt, die ja Voraussetzung der materiellen Rechtskraft ist. Formelle Rechtskraft tritt nicht ein, solange eine Entscheidung mit Rechtsmitteln angefochten werden kann, zu denen auch die Beschwerde zählt. Das kann in der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedeuten, dass formelle Rechtskraft gar nicht bzw. erst zu einem sehr späten Zeitpunkt eintritt, nämlich wenn die einfache unbefristete Beschwerde gegeben ist. Auch Dritte, nicht formell Beteiligte, die durch eine Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in subjektiven Rechten (§ 20 FGG) oder auch nur in berechtigten Interessen445 (§ 57 FGG) betroffen werden, haben ein eigenes Beschwerderecht. Damit brauchen sie – insoweit ähnlich wie im Verwaltungsrecht – für sie nachteilige Gestaltungen nicht hinzunehmen. Richtigerweise kann Beschwerde nach § 20 FGG nicht nur derjenige einlegen, der in einem eigenen subjektiven Recht verletzt wird, sondern –über den Wortlaut der Vorschrift hinaus und in Anlehnung an die Schutzzwecklehre im Rahmen des § 42 II VwGO – jeder, der ein von der Rechtsordnung als schützenswert anerkanntes Individualinteresse hat446. Allerdings wird die Beschwerdeberechtigung enger gefasst als die Präjudizialität. Es kann nämlich z.B. nicht geleugnet werden, dass bei einem genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft etwa mit einem Minderjährigen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung präjudiziell ist für die Entstehung der wechselseitigen Erfüllungspflichten aus dem Vertrag. Gleichwohl wird dem Vertragspartner die unmittelba-

443 444 445

BHG, MDR 1987, 444. S. dazu bereits weiter oben, S. 211ff. Zum Begriff s. Keidel/Kuntze/Winkler-Engelhardt, § 57 Rn. 37ff. mit zahlreichen Beispie-

len. 446 Baur/Wolf, Grundbegriffe, 2 I 1 b (S. 44); Brehm, Rn. 216; weitere Nachweise bei Keidel/ Kuntze/Winkler-Kahl, § 20 Rn. 8.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

245

re Beschwerdebefugnis versagt, weil er lediglich ein wirtschaftliches Interesse habe447. Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eröffnet § 18 FGG darüber hinaus die Möglichkeit der Abänderung einer Entscheidung, die nachträglich als bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses448 ungerechtfertigt erkannt wird449. Ausgeschlossen ist eine Abänderung, wenn gegen die Entscheidung die sofortige Beschwerde statthaft ist, und zwar unabhängig davon, ob sie eingelegt wurde oder nicht. Im Falle der statthaften einfachen Beschwerde ist eine Abänderung auf jeden Fall möglich, solange keine Beschwerde eingelegt wurde. Aber auch danach und bis zur Entscheidung der Beschwerdeinstanz kann – ungeachtet des Devolutiveffekts der Beschwerde – das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde durch Abänderung der Entscheidung abhelfen. Formelle Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung schließt an sich noch nicht die Abänderbarkeit aus. Eine Abänderung ist noch möglich, wenn die Entscheidung aufgrund des Verzichts auf die Beschwerde formell rechtskräftig geworden ist. Dasselbe gilt, wenn das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig verworfen hat, z.B. weil keine Beschwerdeberechtigung vorlag. Hat dagegen das Beschwerdegericht in der Sache entschieden, indem es die Entscheidung entweder aufgehoben oder bestätigt hat, kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht mehr abgeändert werden. Damit ist auch bei formeller Rechtskraft eine Abänderung nicht ausgeschlossen, solange nicht ein Beschwerdegericht in der Sache entschieden hat. Allerdings ist nach Erlangung der formellen Rechtskraftreife strittig, ob eine Abänderung im ursprünglichen oder in einem neuen Verfahren zu erfolgen hat450. Dies ändert jedoch nichts an der Abänderbarkeit der Entscheidung auch nach formeller Rechtskraft, der Unterschied der beiden Betrachtungsweisen liegt z.B. in der Gerichtsstandsbestimmung (perpetuatio fori oder nicht) oder in der Verwertbarkeit des ursprünglichen Beweisverfahrens sowie in der Fortgeltung von Vertretungsvollmachten sowie der Bewilligung von Prozesskostenhilfe451. Solange keine Sachentscheidung der Beschwerdeinstanz ergangen ist, besteht somit keine endgültige Bindung an eine Entscheidung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. In den Antragsverfahren darf auch die Abänderung nur auf Grund eines Antrags der für die ursprüngliche Entscheidung antragsberechtigten Personen er447

BayObLG, FamRZ 1992, 104 i.V.m. BayObLGZ 1977, 121, 124f. m.w.Nachw. Dagegen z.B. Keidel/Kuntze/Winkler-Schmidt, § 18 Rn. 2 m.Nachw. 449 Eine Abänderung wegen Änderung der Verhältnisse, wie sie z.B. § 17 HausratsVO oder § 1382 V BGB vorsieht, interessiert im Rahmen dieser Arbeit nicht, da es hier nicht um die Überprüfung der ursprünglichen Rechtmäßigkeit geht, die Gegenstand dieser Arbeit ist. 450 So z.B. BGH, NJW 1957, 1067, 1068; Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 31 Rn. 2 m.Nachw. 451 Die aus der Annahme einer Abänderbarkeit in einem neuen Verfahren entstehende Problematik zweier sich widersprechender Entscheidungen bleibt einer späteren eigenständigen Abhandlung vorbehalten. 448

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

folgen (§ 18 I, Halbs. 2 FGG), in den sonstigen Fällen ist das Gericht zur amtswegigen Abänderung befugt, die in der Regel auf Anregung hin erfolgen wird. Bei der Bestandsaufnahme bezüglich der Bindungsproblematik bei Entscheidungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine Auseinandersetzung mit der materiellen Rechtskraft in diesem Bereich unerlässlich. Es ist umstritten, ob Entscheidungen der klassischen freiwilligen Gerichtsbarkeit materielle Rechtskraft entfalten452. Das Problem liegt darin, dass der Eingriff in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach allgemeiner Meinung in der Regel seine Rechtfertigung nicht in den privaten Rechtsbeziehungen der Beteiligten zueinander, über die das Gericht als neutrale Instanz entscheidet, findet, sondern im objektiven Recht, das den Richter zum gestaltenden Eingriff anweist453. Es besteht nach bisher fast allgemeiner Meinung kein subjektives Recht auf Gestaltung z.B. des Kindes gegen die Eltern auf Entziehung der elterlichen Sorge, sondern der Staat hat ein eigenes Eingriffsrecht, das nicht von privaten Rechten der Beteiligten abgeleitet wird454. Da jedoch der Eingriffsakt im Interesse einer Privatperson erfolgt –insbesondere bei den Antragsverfahren – , wird vereinzelt ein Recht auf Erlass einer gestaltenden Verfügung dieser Person angenommen, das allerdings gegen den Staat gerichtet sei455. Diese Argumentation ist zwar in dieser Form nicht ganz stichhaltig, denn auch die Rechte und Ansprüche der streitigen Gerichtsbarkeit finden ihre Rechtfertigung nicht in den privaten Rechtsbeziehungen der Beteiligten zueinander, sondern im objektiven Recht, das diese regelt. Selbst die Vertragsfreiheit ist nicht dem objektiven Recht gegenüberzustellen, sondern sie entspringt diesem lediglich456. Damit wird auch der Unterschied zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit relativiert. Auch hier ist das Gericht in dem Sinne neutrale Instanz, dass es den Anweisungen der Rechtsordnung folgt. Auch wenn eine Entscheidung so ergehen soll, dass sie dem Wohle einer bestimmten Person entspricht, ist der Richter neutrale Instanz – nicht anders als bei der Prüfung eines Widerspruchs gegen eine Kündigung wegen unzumutbarer Härte für den Mieter (§ 574 BGB). Gleichwohl soll die genannte gängige Konzeption zugrunde gelegt werden, insbesondere, da es in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit oft vorkommt, dass nur ein Verfahrensbeteiligter vorhanden ist. Dadurch entsteht jedoch eine Folgeproblematik, denn wenn kein subjektives privates Recht angenommen wird, besteht auch kein rechtskraftfähiger Streitgegenstand457, so dass nach h.M. Entscheidun452 Eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme findet sich bei Lubi´nski, FS Kollhosser II, 381, 382ff. 453 Gaul, FS Habscheid, 99, 106. 454 S. z.B. Brehm, Rn. 32, 465; Kuschmann, S. 29f. 455 Brehm, Rn. 33; Hinz, S. 45; Kollhosser, S. 303. 456 S. bereits weiter oben, S. 65. 457 Das Rechtsverhältnis z.B. zwischen Kind und Eltern wird lediglich als Vorfrage geprüft, so dass nicht darüber rechtskräftig entschieden wird.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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gen der fürsorgenden freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht materiell rechtskraftfähig sind458. Und eine Rechtskraftfähigkeit ohne Anknüpfung an ein subjektives Recht ist abzulehnen459, denn sie öffnet Tür und Tor für eine Verwässerung des Rechtskraftgedankens. Bei einigen der sog. echten Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nimmt allerdings insbesondere die Rechtsprechung materielle Rechtskraftfähigkeit an, wenn besondere Gründe vorliegen, namentlich wenn die Notwendigkeit einer einmaligen Entscheidung bzw. die Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs dies verlangen460. Dabei handelt es sich überwiegend um gestaltende Entscheidungen461. Damit wird jedoch nur die hier vertretene Linie bekräftigt, dass das richtige Medium zur prozessualen Absicherung eines Gestaltungsakts die materielle Rechtskraft ist, und zwar für den rechtsgeschäftlichen gleichsam wie für den gerichtlichen Gestaltungsakt. Auch Autoren, die keine materielle Rechtskraftbindung in Fürsorgeangelegenheiten annehmen, bejahen eine Art eingeschränkte Rechtskraft, die auf ein ne bis in idem hinausläuft und formell über das Rechtsschutzbedürfnis begründet wird462. Allerdings interessiert hier nicht die negative, sondern die positive Ausprägung der materiellen Rechtskraft, so dass auch diese Handhabung die Bindungsfrage nicht löst. Dorndorf hat diesbezüglich den Begriff »materielle Rechtsbeständigkeit« entwickelt: Diese sei eine »Endgültigkeit« der Entscheidung derart, dass sie auch nicht in einem neuen Verfahren abgeändert werden darf, oder lediglich bei objektiv veränderter Rechtslage463. Ob eine derartige materielle Rechtsbeständigkeit bestehe, solle die »rechtsfortbildende Interpretation« der materiellen Rechtsnormen, die die Entscheidung vorsehen, ergeben. Diese Rechtsfigur ist abzulehnen, da sie einen Zirkelschluss darstellt: Unabänderlich soll eine Entscheidung sein, wenn dies die Auslegung ergibt, und die Auslegung wird dies ergeben, wenn Unabänderlichkeit erwünscht wird464. Es wird auch vertreten, dass keine materielle Rechtskraft eintreten kann, solange eine Entscheidung nach § 18 FGG geändert werden kann, da sogar das Gericht selbst nicht an sein eigenes Urteil gebunden ist465. Hier werden zwar zwei unterschiedliche Bindungsfragen unzulässig miteinander verquickt: § 18 FGG entspricht der innerprozessualen Bindung der Gerichte an ihre eigenen Urteile nach 458

Brehm, Rn. 471; Habscheid, § 28 II 3 (S. 205f.). So vertreten in Fällen, in denen ein Bedürfnis an endgültiger und abschließender Klärung bestehe, s. dazu Gaul, FS Habscheid, 99, 105, der auch die Parallele zum Strafprozess zieht, s. dazu ders., FS Fasching, 157, 163ff. 460 S. Nachweise bei Brehm, Rn. 463 und dort Fn. 15; Bärmann, § 22 I 3 (S. 158); Baur, § 25 III (S. 273ff.); Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 31 Rn. 19. 461 Dies monierte Habscheid, § 28 III 2 (S. 208f.) mit Verweis auf Pikart-Henn, S. 99. 462 Z.B. Habscheid, § 28 III 2, 3 (S. 207, 209). 463 Dorndorf, S. 138. 464 Für eine Abänderlichkeit der Entscheidungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit unabhängig von § 18 FGG durch Auslegung des materiellen Rechts auch Schäfer, S. 39. 465 Brehm, Rn. 464, 467; Habscheid, § 28 II 1 (S. 205); Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 31 Rn. 18. 459

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

§ 318 ZPO, die von der Rechtskraft zu trennen ist, die immer in einem neuen Verfahren relevant wird. Allerdings kann dieser Aussage im Ergebnis – als beobachtende Feststellung – zugestimmt werden, denn wenn formelle Rechtskraft, die Voraussetzung für die materielle Rechtskraft ist, durch eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts eingetreten ist, ist eine Abänderungsbefugnis schon aus diesem Grunde nicht mehr vorhanden. Bei formeller Rechtskraft aus anderen Gründen jedoch (z.B. Beschwerdeverzicht, verworfene Beschwerde) ist es wie aufgezeigt umstritten, ob eine Abänderung im selben oder in einem neuen Verfahren stattfinden soll. Geschieht dies in einem neuen Verfahren, wie es wohl überwiegend vertreten wird, entsteht in der Tat eine Rechtskraftproblematik bzw. die Problematik des Verhältnisses zweier sich eventuell inhaltlich widersprechender Entscheidungen. Dieses Dilemma versucht man durch Rechtsfiguren wie die »materielle Rechtsbeständigkeit« zu lösen.

b. Eigene Ansicht Man wird davon ausgehen müssen, dass zumindest ein Teil der Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine materielle Rechtskraft erzeugen. Wo materielle Rechtskraft auch in Angelegenheiten der klassischen freiwilligen Gerichtsbarkeit bejaht wird, wird sich hieraus die prozessuale Verbindlichkeit im genannten Sinne ergeben. Dabei wird sich in subjektiver Hinsicht die Verbindlichkeit auf die formell Beteiligten – und eventuell auf ihre Rechtsnachfolger – beschränken. Unverständlich ist, warum dies als Argument für die Verneinung der Rechtskraftfähigkeit von Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingesetzt wird: »Vor allem aber kann mit der Rechtskraft doch nicht erreicht werden, dass eine Angelegenheit endgültig zum Abschluss kommt, wenigstens solange man nicht zu einer Rechtskraft für und gegen alle seine Zuflucht nimmt. Denn eine auf die Beteiligten beschränkte Rechtskraft kann nicht verhindern, dass von anderer Seite, die bisher am Verfahren weder materiell noch formell beteiligt war, die erledigte Angelegenheit von neuem aufgerollt wird«466. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass gerade in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit das Ziel der materiellen Wahrheitsfindung wenn möglich noch höher aufzuhängen ist als in der streitigen, was sich ja auch in der Regelung des § 18 FGG zeigt, ist die obige Aussage nicht nachvollziehbar. Die Abänderbarkeit nach § 18 FGG hindert nach hier vertretener Ansicht, die in nächster Zukunft ausführlich gesondert entwickelt werden soll, nicht den Eintritt materieller Rechtskraft467. Ausgangspunkt ist, dass eine Abänderung nach § 18 FGG immer nur im selben Verfahren möglich ist, und zwar auch nach Ein466 467

Habscheid, § 18 II 6 (S. 206, Hervorhebung im Original). Zur gegenteiligen Ansicht s. weiter oben, S. 247.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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tritt formeller Rechtskraft ohne Sachentscheidung des Beschwerdegerichts468. Diese hindert dann nicht den Eintritt materieller Rechtskraft, sondern gestaltet ihren Inhalt: Nach außen hin – d.h. im Hinblick auf andere Verfahren – bestimmt die materielle Rechtskraft die Maßgeblichkeit der Entscheidung. Sobald eine Abänderung nach § 18 FGG stattgefunden hat, wird die Entscheidung nunmehr mit diesem abgeänderten Inhalt zugrunde zu legen sein. Ob eine Entscheidung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell rechtskräftig werden kann, ist somit unabhängig von der Abänderbarkeit nach § 18 FGG zu bestimmen. Für die übrigen Entscheidungen, die nicht materiell rechtskraftfähig sind, stellt sich die Frage, ob diese überhaupt eine verfahrensrechtliche Bindung erzeugen in dem Sinne, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht mehr überprüft werden darf. Nur indirekt bzw. im Ergebnis beeinflusst die Abänderbarkeit nach § 18 FGG die prozessuale Verbindlichkeit der Entscheidung, denn die Abänderbarkeit bezieht sich auf den inneren Bestand der Entscheidung, während die prozessuale Verbindlichkeit die Maßgeblichkeit nach außen hin zum Gegenstand hat. Dies wird besonders deutlich bei Entscheidungen, die nur auf Antrag hin erfolgen dürfen, denn dann muss auch für die Abänderung ein entsprechender Antrag der antragsberechtigten Person vorliegen (§ 18 I, 2. Halbs. FGG). Jedoch kann in den übrigen Fällen die Abänderbarkeit eine gewisse »Außenwirkung« erzeugen, denn die Abänderung erfolgt dann amtswegig, sie kann sogar von Dritten angeregt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse haben469. Allerdings ist der Richter nicht verpflichtet, dieser Anregung nachzugehen, so dass § 18 FGG nicht direkt die prozessuale Verbindlichkeit der Entscheidung Dritten gegenüber einschränkt. Auch das eigene Beschwerderecht Dritter, die durch die Entscheidung in berechtigten Interessen betroffen sind, deckt jedoch wie bereits dargestellt nicht jeden Fall von Präjudizialität, insbesondere wo das Beschwerderecht verneint wird, weil nur ein wirtschaftliches Interesse vorliege470. In diesen Fällen stellt sich die Frage, inwiefern die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch inzident angezweifelt werden kann. Der BGH hat – wie bereits erwähnt wurde – entschieden, dass der Prozessrichter, der die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzweifelt, das Verfahren aussetzen und den Vormundschaftsrichter von seinen Zweifeln unterrichten müsse, damit dieser die Möglichkeit habe, seine Entscheidung aufzuheben471. Dies ist mit Sicherheit eine Möglichkeit, beantwortet jedoch nicht abschließend die hier gestellte Frage. Eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist nicht zu befürworten, weil die Zuständigkeit der Or468 Wenn eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ergangen ist, ist keine Abänderung mehr möglich, s. weiter oben, S. 245. 469 S. nur Keidel/Kuntze/Winkler-Schmidt, § 12 Rn. 8 m.Nachw. 470 S. weiter oben, S. 244. 471 S. dazu weiter oben, S. 243.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

gane der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Entscheidung bzw. Regelung gewahrt bleiben sollte. Dies gilt umso mehr, als Gestaltungsentscheidungen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit meist Ermessensentscheidungen sind. In einem nachträglichen Rechtsstreit sollte in der Tat nicht geprüft werden, ob z.B. der eingesetzte Betreuer geeignet ist oder ob die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts, die er erteilt, dem Interesse des Betreuten entspricht. Diese »Bindung« basiert jedoch nicht auf der Rechtskraft oder gar der Gestaltungswirkung, sondern auf der Kompetenzverteilung zwischen Gerichten und Behörden sowie zwischen Gerichten der freiwilligen und der streitigen Gerichtsbarkeit472. Hier muss zum Ausgleich ein spezieller Rechtsbehelf, ähnlich der tritanakop3 des griechischen Rechts oder der tierce opposition des französischen Rechts473, eingeführt werden. Damit wäre ein Gleichgewicht hergestellt zwischen dem Bedürfnis nach Wahrung der genannten Kompetenzverteilung der Gerichte und dem Recht des Dritten auf rechtliches Gehör. Der für die ordentliche streitige Zivilgerichtsbarkeit aufgestellte Satz ist somit an die freiwillige Gerichtsbarkeit anzupassen und lautet folgendermaßen: Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind nur im Rahmen ihrer allgemeinen verfahrensrechtlichen Wirkung verbindlich, wie sie auch z.B. feststellende Entscheidungen entwickeln. Die Tatsache, dass die Entscheidung gestaltenden Charakter hat, ändert nichts an der subjektiven Reichweite dieser Verbindlichkeit. Die erweiterten Möglichkeiten Dritter, die Abänderung nach § 18 FGG anzuregen oder eigene Beschwerde einzulegen, lösen das Problem nicht vollständig, durch diese vorhandenen Möglichkeiten werden allerdings die Fälle, in denen die Problematik aktuell wird, deutlich verringert. Es ist de lege ferenda ein Rechtsbehelf einzuführen, einzulegen bei den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch den der betroffene Dritte die Rechtswidrigkeit der gestaltenden Entscheidung geltend machen kann mit der Folge, dass sie ihm gegenüber als unwirksam erklärt wird. Dieser Rechtsbehelf muss in jedem Fall der Präjudizialität gegeben sein, z.B. auch, wenn es um die Wirksamkeit einer Genehmigung für ein Rechtsgeschäft mit einem Minderjährigen geht. Der Unterschied zur Beurteilung bei der Frage nach der Beschwerdeberechtigung des Geschäftspartners rechtfertigt sich daraus, dass die Beschwerde auf die Beseitigung der Entscheidung als solcher abzielt, während die vorgeschlagene »Widerspruchsklage« lediglich die Wirkung der Entscheidung auf den betroffenen Dritten, der sie erhebt, ausschließt. Sie ist daher ein milderes Mittel, auf das weniger hohe Anforderungen zu setzen sind als auf die Einlegung der Beschwerde, wo bei der Prüfung der Berechtigung das Schreckensbild einer Popularklage mitschwingt. 472

Ähnlich wohl Habscheid, § 29 II 2 (S. 213) a.E.; bemerkenswert ist, dass er das Wort »Gestaltungswirkung« nicht benutzt, jedoch taucht es auf in der Zusammenfassung auf der nächsten Seite. 473 S. hierzu weiter oben, S. 220.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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2. Die Bindung an gestaltende Schiedssprüche In die Betrachtung ist auch der gestaltende Schiedsspruch einzubeziehen, auch wenn er keinen Hoheitsakt im eigentlichen Sinne darstellt, da die Schiedsgerichtsbarkeit keine Ausübung öffentlicher Gewalt ist474. Da jedoch materiell Rechtsprechung vorliegt475 und der Schiedsspruch in seinen Wirkungen dem Urteil gleichgestellt wird (§ 1055 n.F.), ist eine Untersuchung des gestaltenden Schiedsspruchs unerlässlich. Im Rahmen dieser Arbeit stellt sich die Frage, ob gestaltende Schiedssprüche prozessuale Verbindlichkeit erlangen und welcher Art diese ist. Ausgangspunkt der Untersuchung muss sein, dass insbesondere mit der letzten Reform des Schiedsverfahrensrechts476 der Gesetzgeber sogar ausdrücklich die Intention verfolgt hat, den Schiedsspruch als gleichwertige Alternative zum gerichtlichen Urteil vorzusehen. Die Schiedsgerichtsbarkeit sei »als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit« anzuerkennen477. § 1055 n.F. bestimmt, dass der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat478. Damit könnte die Problematik als beendet erachtet werden und die für Urteile entwickelten Lösungen auf die Schiedssprüche übertragen werden. Dass dieser Schluss nicht ausreicht, zeigt bereits die in der amtlichen Begründung geäußerte Ansicht, dass die Rechtskraft des Schiedsspruchs insofern hinter der Rechtskraft des gerichtlichen Urteils bleibe, als sie nur auf Einrede hin beachtet werde479. Für diese Arbeit stellt sich im Vorfeld die Frage, ob Gestaltungsklagen überhaupt schiedsfähig sind. Wenig hilfreich ist der Wortlaut der neuen gesetzlichen Regelung: Nach § 1030 I n.F. ist jeder vermögensrechtliche Anspruch sowie sind »nichtvermögensrechtliche Ansprüche«, sofern sie unter den Parteien vergleichsfähig sind, schiedsfähig. Jedoch sollen nach der amtlichen Begründung auch »schiedsgerichtliche Entscheidungen mit rechtsgestaltender Wirkung« erfasst 474

Stein/Jonas-Schlosser, vor § 1025 Rn. 2. Stein/Jonas-Schlosser, vor § 1025 Rn. 2 m.Nachw. 476 Dazu s. eingehend Gaul, FS Sandrock, S. 285f. 477 BT-Drucks. 13/5274, S. 34. 478 Das gilt auch für den Schiedsspruch mit vereinbartem Inhalt, der nach § 1053 II 2 »dieselbe Wirkung wie jeder andere Schiedsspruch zur Sache« hat. Allerdings nimmt Gottwald, Schiedsvergleich, 31, 40 an, dass die Parteien dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die materielle Rechtskraft abbedingen können, wenn sie ihn ausdrücklich mit der Formulierung »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« versehen. 479 H.M.; BT-Drucks. 13/5274, S. 56f.; Baumbach-Albers, § 1055 Rn. 4; MünchKommZPOMünch, § 1055 Rn. 8; Thomas/Putzo-Thomas/Reichold, § 1055 Rn. 2. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Heute kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Rechtskraft des Urteils von Amts wegen zu beachten ist. Wenn also das Gesetz dem Schiedsspruch Rechtskraftfähigkeit zuspricht, dann wird diese auch von Amts wegen zu beachten sein, s. Gaul, FS Sandrock, 285, 288, 320ff.; Musielak-Voit, § 1055 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 179 Rn. 33; Schwab/Walter, Kap. 21 Rn. 6 m.Nachw.; Walter, RIW 1988, 945, 946; Zöller-Geimer, § 1055 Rn. 8. 475

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

werden, außer »der Staat (hat) sich im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter ein Entscheidungsmonopol vorbehalten«, wie insbesondere in Eheund Statussachen480. Leider wird als Beispiel für eine schiedsfähige Gestaltungsklage gerade die »Rechtsstreitigkeit über die Wirksamkeit einer Vertragskündigung« genannt, die unbestreitbar keine Gestaltungs-, sondern eine Feststellungsklage ist. Damit könnte man bezweifeln, ob tatsächlich auch Gestaltungsklagen durch ein Schiedsverfahren ersetzt werden dürfen. Dies muss grundsätzlich bejaht werden und wird auch insbesondere für die Auflösungsklage des § 133 HGB481 sowie die übrigen Gestaltungsklagen des HGB anerkannt482. Damit stellt sich die Frage nach den Wirkungen einer derartigen gestaltenden Schiedsgerichtsentscheidung. § 1050 n.F. bestimmt in wörtlicher Übereinstimmung mit der früheren Regelung (§ 1040 a.F.), dass der Schiedsspruch »unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils« hat. Die amtliche Begründung dazu lautet: »Hinsichtlich der materiellen Rechtskraft unterscheidet sich die Wirkung eines Schiedsspruchs von der eines rechtskräftigen Urteils lediglich dadurch, dass die Rechtskraft nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede berücksichtigt wird«483. Das spricht dafür, dass auch der gestaltende Schiedsspruch materielle Rechtskraft zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens äußern soll. Soll die Bindungswirkung eines Schiedsspruchs als Rechtskraftbindung erfasst werden, müssen die objektiven Grenzen der Rechtskraft, und hierzu der Streitgegenstand des Schiedsverfahrens ermittelt werden. Auch wenn hier Tendenzen bestehen, zu einer materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie zurückzukehren484, ist richtigerweise auch hier ein prozessualer Streitgegenstandsbegriff zugrunde zu legen485. Allerdings geht der Parteiwille, wie er in der Schiedsvereinbarung festgehalten wurde, vor. Das bedeutet, dass durch die Schiedsklausel einzelne Anspruchsgrundlagen aus dem Streitgegenstand und damit auch aus dem Rechtskraftgegenstand ausgenommen werden können, auch wenn dies die Ausnahme bilden wird486 – anders als bei einer Klage vor der staatlichen Gerichtsbarkeit möglich ist487. Liegt eine derartige Begrenzung des Verfahrensgegenstands vor, wird sie auch für die objektiven Rechtskraftgrenzen des Schiedsspruchs gelten.

480

BT-Drucks. 13/5274, S. 35. RGZ 71 (1909), 254ff. 482 BGHZ 132 (1997), 278, 281; K. Schmidt, AG 1995, 551f. m.Nachw.; s. auch Gaul, FS Sandrock, 285, 286 und dort Fn. 8. 483 BT-Drucks. 13/5274, S. 56f. 484 S. insbesondere Bosch, S. 110f. 485 Vgl. BGH, NJW 1988, 1215; BGH, NJW 1965, 300. 486 Bosch, S. 102ff.; Nelle, S. 538; MünchKommZPO-Münch, § 1029 Rn. 48, s. auch dort Fn. 231. 487 Zur gegenteiligen Ansicht s. weiter oben, S. 183. 481

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Umstritten ist bei den Schiedssprüchen, ob auch die Vorschriften über die Rechtskrafterstreckung (§§ 325ff.) auf das Schiedsverfahren anwendbar sind488. Dieses Problem, das sich auch für die feststellenden und anordnenden Schiedssprüche stellt, ist für diese Arbeit nicht entscheidend und wird daher nicht weiter vertieft. Es soll jedoch auf eine gewisse Inkonsequenz hingewiesen werden, denn eine Vollstreckbarerklärung gegen andere Personen in Analogie zu §§ 727ff. wird bejaht489. Insbesondere entsteht ein Problem in den Fällen, in denen das Gesetz die Rechtskrafterstreckung eines Gestaltungsurteils vorsieht, denn es stellt sich die Frage, ob dies auch für gestaltende Schiedssprüche gilt. Es geht um § 248 AktG, der anordnet, dass das Urteil, welches einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss stattgibt, für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wirkt, auch wenn sie nicht Partei waren. Ursprünglich wurde im Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums vom Februar 1994 zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts erwähnt, dass gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen nach der Tendenz des Entwurfs künftig der Schiedsgerichtsbarkeit zugänglich sein sollten490. In einem späteren Bericht vom 1. 7. 1995 wurde diese Passage gestrichen. Die Frage wurde bewusst offen gelassen und die Regelung »in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls überlassen«491. Die endgültige amtliche Begründung wollte es der Rechtsprechung überlassen, »inwieweit ein Schiedsspruch Rechtsgestaltung (auch) mit Wirkung für und gegen Dritte bewirken« könne492 und hat keine entsprechende Regelung getroffen. Dies ist insofern bedauerlich, als der BGH zuvor in Kenntnis der entsprechenden Begründung des Gesetzesentwurfs die Erwartung ausgesprochen hatte, der Gesetzgeber werde die Streitfrage klären493. Der BGH war davon ausgegangen, dass der Schiedsspruch grundsätzlich Rechtskraftwirkung nur unter den Parteien entfalten könne. Da § 248 AktG einen Sonderfall darstelle, hätte es ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für seine Anwendung auf Schiedssprüche bedurft, ansonsten bleibe es beim Regelfall, dass 488

Eine Anwendbarkeit der §§ 325ff. verneint der BGH [BGHZ 64 (1975), 122, 128] mit Hinweis auf den Wortlaut von § 1055 n.F. (»unter den Parteien«); weitere Nachweise aus der Rspr. bei Gaul, FS Sandrock, 285, 299f.; a.A. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 179 Rn. 31; Schwab/ Walter, Kap. 21 Rn. 2 in den Fällen, in denen Sonderrechtsnachfolger in die Pflichten des Schiedsvertrags eingetreten sind und »unter den Voraussetzungen des § 325«, sonst differenzierend je nach dem Zeitpunkt der Rechtsnachfolge (Rn 3). 489 BGH, MDR 1969, 567. 490 S. 92; dagegen Schwab, FS Henckel, S. 803, 814, Schwab, FS Gaul, 729, 737, weil am Verfahren nicht beteiligte Dritte nicht von der Rechtskraft des Schiedsspruchs erfasst werden können. 491 S. 103. 492 BT-Drucks. 13/5274, S. 35; dazu kritisch Gaul, FS Sandrock, 285, 286. 493 BGHZ 132 (1997), 278, 289 = LM § 238 AktG 1965 Nr. 3 m.Anm. Jänich = JZ 1996, 1019 m.Anm. Schlosser = BB 1996, 1074 m.Aufs. Ebenroth/Bohne, S. 1393 = EWiR 1996, 481 (Timm/ Witzorrek) = DZWiR 1997, 117 m.Anm. Geimer.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

ein Schiedsspruch nur unter den Parteien wirke494. Es fehle an »gesetzlichen Regelungen«, die die bestehenden Unterschiede zur unabhängigen staatlichen Gerichtsbarkeit »überbrücken« könnten. Insbesondere müsse ein Weg gefunden werden, »der nach dem Willen des Gesetzgebers unbedingt auszuschließenden Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen verschiedener Gerichte zu begegnen«495. »Es kann nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, darüber zu befinden, wie das schiedsgerichtliche Verfahren und die Beteiligungsmöglichkeiten der von ihm subjektiv Betroffenen im Einzelnen ausgestaltet sein müssten, um eine tragfähige Grundlage für die analoge Anwendung der bisher einseitig auf die Entscheidungszuständigkeit eines staatlichen Gerichts ausgerichteten Normen der §§ 246ff. AktG auf die Tätigkeit privater Schiedsgerichte zu bieten. Die Schaffung eines solchen Rechtsgefüges würde den Rahmen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sprengen«496. Somit hat der BGH den Gesetzgeber für zuständig erklärt zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen Schiedssprüche auch Wirkungen für und gegen nicht beteiligte Dritte erzeugen können. Es ist jedoch fraglich, ob der Gesetzgeber frei zu einer solchen Entscheidung ist. Das Problem liegt darin, dass ein Schiedsgericht nicht die Garantien der ordentlichen Rechtspflege gewährleisten kann. Die Problematik verdichtet sich auf die Frage, ob eine Schiedsentscheidung mit Wirkung inter omnes das Recht auf rechtliches Gehör der an der Bildung des Schiedsgerichts und am Verfahren nicht beteiligten betroffenen Personen verletzt, die sich zudem nicht der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen haben (Art. 101 I 2 GG). Bei dem entsprechenden Urteil wird dies verneint, bzw. die Gehörverletzung wird als legitimiert angesehen. Die Frage ist daher, ob speziell der Charakter der Entscheidung als solche eines Schiedsgerichts eine abweichende Beurteilung erfordert. Wenn dies der Fall sein sollte, dann kann auch nicht der Gesetzgeber die entsprechenden Schiedsgerichtsentscheidungen mit Wirkung für und gegen alle einkleiden, wie es der BGH annimmt, denn das Recht auf rechtliches Gehör ist garantiert durch die Verfassung497. Bemerkenswert für diese Arbeit ist die Tatsache, dass eine entsprechende Problematik nicht allgemein für alle Gestaltungsurteile besprochen wird, sondern lediglich für diejenigen, deren Rechtskraft nach ausdrücklicher gesetzlicher Anord494 BGHZ 132 (1997), 278, 286; a.A. (für entsprechende Anwendbarkeit von §§ 248f. AktG auf das Schiedsverfahren) Zöller-Geimer, § 1055 Rn. 4, »wenn in der Satzung der Gesellschaft das Schiedsverfahren so ausgestaltet ist, dass die von der Gestaltungswirkung bzw. Rechtskrafterstreckung betroffenen Dritten eine angemessene Möglichkeit haben, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen«, § 1030 Rn. 9 m.Nachw. 495 BGHZ 132 (1997), 278, 287. 496 BGHZ 132 (1997), 278, 289f. 497 Die Frage, ob bezüglich des rechtlichen Gehörs ein Unterschied besteht zwischen Entscheidungen staatlicher Gerichte und privater Schiedsgerichte kann hier nicht weiter vertieft werden. Es ging lediglich darum aufzuzeigen, dass der BGH eigentlich zu Unrecht die Verantwortung auf den Gesetzgeber abgeschoben hat.

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nung auf dritte Personen erstreckt werden soll. Wenn jedoch tatsächlich das Gestaltungsurteil eine Gestaltungswirkung erzeugen sollte, die jedermann bindet, müssten gestaltende Schiedssprüche insgesamt nicht schiedsfähig sein dürfen498. Auch der Wortlaut der amtlichen Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts weist in diese Richtung: Es solle durch die Rechtsprechung geklärt werden »inwieweit ein Schiedsspruch Rechtsgestaltung (auch) mit Wirkung für und gegen Dritte bewirken« kann499. Wobei dies (auch) wieder als Argument für die Möglichkeit relativer Gestaltung fungieren kann, denn es lässt darauf schließen, dass Rechtsgestaltung auch ohne Wirkung für und gegen Dritte erfolgen kann. Als letzte stellt sich die Frage, ob die rechtsgestaltende Wirkung eines Schiedsspruchs mit seiner Rechtskraft eintritt oder erst nach seiner Vollstreckbarerklärung. Es wird oft vertreten, dass die Rechtsgestaltung eines Schiedsspruchs erst zum Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung eintritt500. Diese Ansicht ist jedoch verfehlt, richtigerweise hängt der Eintritt der Gestaltung nicht von der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ab501. Es wurde bereits erwähnt, dass das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung hauptsächlich daraus abgeleitet wird, dass die Gestaltungswirkung der Sache nach eine Art Vollstreckung des Gestaltungsurteils sei502, auch wenn sich bisweilen der Verdacht regt, dass es den Verfechtern des Vollstreckbarerklärungserfordernisses weniger um die dogmatische Einordnung der Gestaltungswirkung geht als um den Wunsch, ein staatliches Gericht zu beteiligen. Wie jedoch Münch im Hinblick auf die Prüfung ausländischer Schiedsentscheidungen hingewiesen hat, hat es die Schiedsgerichtsbarkeit heute nicht mehr nötig, »sich mit dem heimischen Mäntelchen nationaler Vollstreckbarerklärung Absicherung zu verschaffen«503. Dies gilt vielmehr im nationalen Rechtsverkehr. Es wurde bereits ermittelt, dass die Gestaltung zwar im weitesten Sinne eine Art Vollzug des Gestaltungsakts, jedoch keine Vollstreckung im technischen Sinne darstellt. Daher müssen für ihren Eintritt nicht die Voraussetzungen für die 498

Bedenken auch bei Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 273, 274. BT-Drucks. 13/5274, S. 35. 500 BayObLGZ 1984, 45, 47f.; Baumbach-Albers, § 1055 Rn. 7; Baumbach/Hopt-Hopt, § 133 Rn. 19; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh/Fastrich, § 61 Rn. 23 m. Nachw.; Heymann-Emmerich, § 133 Rn. 22; K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 536; K. Schmidt, AG 1995, 551, 554; Thomas/Putzo-Reichold, § 1060 Rn. 7; Wieser, ZZP 102, 261, 270f.; Wieczorek/Schütze, § 1042 a.F. Rn. 9, allerdings unter Rückgriff auf § 894. 501 Hachenburg-Ulmer, § 61 Rn. 42; Loritz, ZZP 105, 1, 18f.; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 273ff.; Lutter/Hommelhoff, § 61 Rn. 6; MünchKommZPO-Münch, § 1060 Rn. 4; Musielak-Voit, § 1055 Rn. 11, § 1060 Rn. 2; bemerkenswert ist, dass Voit die Problematik des Eintritts der Gestaltung als eine Frage des Eintritts der Rechtskraftwirkungen bespricht; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 179 Rn. 36; Schwab/Walter, Kap. 21 Rn. 12; Stein/Jonas-Schlosser, § 1060 Rn. 2; Vollmer, BB 1984, 1774, 1777; Walter, FS Schwab, S. 539ff., 593; Zöller-Geimer, § 1055 Rn. 2, § 1060 Rn. 2. 502 Dazu s. weiter oben, S. 167ff. 503 MünchKommZPO-Münch, § 1061 Rn. 13. 499

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Initiierung eines Vollstreckungsverfahrens erfüllt sein und die Gestaltung findet statt mit Eintritt der Rechtkraft des Schiedsspruchs. Anders ist dies dagegen, bei der Erzwingung der Abgabe einer Willenserklärung durch Schiedsspruch: Hier handelt es sich um eine Vollstreckungswirkung, die wegen § 1060 I erst mit Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs eintreten kann504.

3. Die Bindung an Gestaltungsurteile der Verwaltungsgerichte Im Verwaltungsprozessrecht finden sich in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung deren prozessuale Gestaltungsklagen wieder [z.B. Änderungsklagen (§ 173 VwGO i.V.m. § 323 ZPO), Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 153 VwGO i.V.m. §§ 578ff. ZPO), Vollstreckungsgegenklage (§ 167 VwGO i.V.m. § 767 ZPO)], die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. Die zentrale und wichtigste Gestaltungsklage des Verwaltungsrechts ist selbstredend die Anfechtungsklage. Weitere Gestaltungsklagen sind nicht ausgeschlossen, bedürfen lediglich – wie die Anfechtungsklage selbst – einer gesetzlichen Grundlage505. Eine allgemeine Gestaltungsklage ist im Verwaltungsrecht nicht zulässig506. Auch die Anfechtungsklage als prozessualer Rechtsbehelf mit kassatorischer Funktion gehört eigentlich nicht in diese Arbeit, die zum Ziel hat, die Bindung an privatrechtsgestaltende Urteile und Hoheitsakte zu untersuchen. Gleichwohl ist eine Auseinandersetzung mit ihr unter einem anderen Aspekt ertragreich. Grundlage ist, dass bei kassatorischen prozessualen Gestaltungsurteilen ausnahmsweise eine körperweltliche Betrachtung zutreffend ist, weil das entsprechende Urteil nicht den ideellen Inhalt des Staatsakts modifiziert, sondern eine Stufe vorher auf die formelle und gewissermaßen körperliche Beseitigung des Staatsakts zielt507. Damit hat ein derartiges stattgebendes Anfechtungsurteil eine Wirkung, die über seine Rechtskraftgrenzen hinausgeht – von einer Bindung sollte man hier nicht sprechen. Zutreffend haben dies Kopp/Schenke formuliert: »Faktisch jedoch kommt die Aufhebung gestaltender Verwaltungsakte ..., auch allen sonst in ihren Rechten betroffenen zugute, auch wenn ihnen gegenüber der in Frage stehende Verwaltungsakt bereits Bestandskraft erlangt hatte oder Klagen rechtskräftig abgewiesen worden waren« 508. Für diese Gestaltung, die – da sie nicht den ideellen Bereich der Rechtsverhältnisse betrifft, sondern vorgelagert die physische Existenz des Staatsakts – wurden im Verwaltungsrecht Lösungen er504 S. MünchKommZPO-Schilken, § 894 Rn. 9 m.Nachw.; Musielak-Lackmann, § 894 Rn. 7; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 13 VI 1 (S. 191). 505 Allgemeine Meinung, s. nur Schenke, VerwPR, Rn. 370f. 506 Schenke, Rn. 370f. m.Nachw. auch zur Gegenansicht; eingehend Grupp, FS Lüke, S. 206ff. 507 S. weiter oben, S. 57. 508 Kopp/Schenke, § 121 Rn. 23 mit Verweis auf Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Clausing, Rn. 37.

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mittelt, die auch für die Frage nach der Verbindlichkeit ideeller Gestaltungen fruchtbar gemacht werden können. Aus diesen Gründen soll hier der Meinungsstand zum Anfechtungsurteil dargestellt werden. Besonders instruktiv ist dabei der Fall der Anfechtung eines Verwaltungsakts mit Doppelwirkung, der eine Person belastet, die andere begünstigt. Nach den Grundsätzen, die die h.M. bei den zivilrechtlichen Gestaltungsurteilen anwendet, nämlich dass die Gestaltung jedermann bindet, müsste auch die begünstigte Person, die am Rechtsstreit nicht teilgenommen hat, von der »Gestaltungswirkung« des Urteils erfasst werden – eventuell geschützt lediglich durch eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör. Diese Situation erscheint jedoch untragbar, solange die begünstigte Person nicht notwendig beigeladen wurde, so dass sie von der Rechtskraft des Anfechtungsurteils erfasst würde. Nach dieser Feststellung verbleiben zwei Lösungswege: Nach h.M. entfaltet das Anfechtungsurteil überhaupt keine »Gestaltungswirkung«, auch nicht gegenüber der obsiegenden klagenden Partei509, denn eine Gestaltung hinsichtlich nur der einen Partei sei nicht nur logisch, sondern auch rechtlich nicht denkbar510. Pragmatischer erscheint die Ansicht, dass aus praktischen Gründen keine gespaltene Gestaltungswirkung je nach Rechtskrafterstreckung wünschenswert erscheint, so dass eine Gesamtnichtigkeit des Anfechtungsurteils gefordert wird511. Nach anderer Ansicht dagegen ist diese Rechtslage geradezu ein Paradebeispiel für die Möglichkeit relativer Gestaltung512. Besonders ertragreich für die vorliegende Arbeit ist die Argumentation der h.M., die zur einheitlichen Unwirksamkeit des Anfechtungsurteils gelangt: Es sei eine einheitliche Entscheidung zwischen den Parteien und dem Dritten erforderlich, weswegen der Dritte beigeladen werden müsse. Die Einheitlichkeit der Entscheidung sei nur gewährleistet, wenn der Dritte von der Rechtskraft des Urteils erfasst werde. Dies sei jedoch nur der Fall für die Beteiligten i.S. des § 63 VwGO (§ 121 VwGO). Für den Eintritt der Gestaltungswirkung sei wiederum der Eintritt der Rechtskraft erforderlich513. Auch die Aussage, dass kein Anlass bestehe, 509 BVerwGE 16 (1964), 23; VGH Mannheim, DÖV 1975, 646; Bachof, MDR 1950, 374, 376; Eyermann/Fröhler, § 65 Rn. 19; Kopp/Schenke, § 65 Rn. 43; Redeker/v. Oertzen, § 65 Rn. 22 selbst für den Fall, dass das Urteil »mittelbare« Gestaltungswirkung haben soll, »durch Verpflichtung der Behörde zur Gestaltung durch VA«, d.h. für die Verpflichtungsklage; ders., § 121 Rn. 6; Redeker, DVBl. 1954, 419, 420f.; s. jedoch BVerwG, DVBl. 1974, 235; Hess. VGH, MDR 1950, 374: Der nicht notwendig Beigeladene kann in einem anderen Prozess die Unwirksamkeit des Urteils ihm gegenüber vorbringen; Bettermann, MDR 1967, 951, 952 (Dritter kann ab Bekanntgabe anfechten); wohl auch Bachof, DÖV 1949, 364, 365: Das Urteil übt »gegenüber dem unrichtigerweise nicht beigeladenen ... Dritten überhaupt keine Wirkung aus«; nach Schlosser dagegen (JZ 1967, 431, 437) entfaltet das Urteil inter omnes-Wirkung, auch wenn die notwendige Beiladung unterlassen wurde. 510 Ausführlich Nicklisch, S. 94ff. 511 S. W. Lüke, S. 194f. 512 Jesch, S. 101f.; weitere Nachweise bei Redeker/v. Oertzen, § 65 Rn. 22 a.E. 513 Ule, § 22 III.

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die Wirkungen auf die ursprünglichen Beteiligten zu beschränken, da den Interessen des Dritten durch die Beiladung hinreichend Rechnung getragen werde514, ist bemerkenswert, denn sie geht wie selbstverständlich davon aus, dass sich die Wirkung nur auf die Beteiligten erstrecken kann, auch wenn diese »nur« Beigeladene sind und nicht ursprüngliche Beteiligte. Die Gegenansicht stellt den Dritten, der von einem Verwaltungsakt begünstigt wird und nicht im Aufhebungsverfahren beigeladen wurde, rechtsschutzlos. Ausgangspunkt ist, dass Voraussetzung für den Eintritt der Gestaltungswirkung nicht die materielle, sondern die formelle Rechtskraft sei. Diese trete auch ohne Zustellung an den beizuladenden Dritten ein, während die fehlende Beiladung lediglich den Eintritt der materiellen Rechtskraft gegenüber dem Dritten zur Folge habe. Damit greife die Gestaltung unabhängig von der Rechtskrafterstreckung in die Position des Dritten ein und nehme ihm die durch den Verwaltungsakt gewährte Rechtsposition515. Es wird dann eingeräumt, dass der Dritte »regelmäßig seinerseits hiergegen Klage erheben« könne, »da er gem. § 42 Abs. 2 VwGO in seinen Rechten verletzt ist, doch ändere das zunächst nichts an seinem Rechtsverlust durch ein Verfahren, an dem er nicht teilnehmen konnte«516. Diese Betroffenheit nützt dem Dritten jedoch überhaupt nichts, denn gegen das Urteil im Anfechtungsprozess ist keine Anfechtungsklage gegeben. Damit wäre nach dieser Ansicht der Dritte tatsächlich rechtsschutzlos gestellt, denn die erfolgreiche Anfechtungsklage beseitigt den Verwaltungsakt quasi körperlich517. Allerdings beruht nach hier vertretener Ansicht die Gestaltung nicht auf der formellen, sondern auf der materiellen Rechtskraft, so dass der genannten Ansicht bereits aus diesem Grund nicht zuzustimmen ist. Aber auch sonst ist diese Ansicht im Ansatz verfehlt, denn auch für die formelle Rechtskraft gelten die subjektiven Rechtskraftgrenzen. Die Frage muss also sein, ob die Gestaltung über die Rechtskraftgrenzen hinaus wirken darf und nicht, ob sie auf der formellen oder der materiellen Rechtskraft beruht. Einigkeit besteht darüber, dass Gestaltungsurteile im Falle unterlassener einfacher Beiladung zwischen den Parteien, jedoch nicht in Bezug auf den Dritten Gestaltungswirkung entfalten518. Dabei kann eine einfache Beiladung auch durchaus bei einem Gestaltungsklageverfahren, konkret bei einer Anfechtungsklage, vorkommen, z.B. wenn der durch einen Planfeststellungsbeschluss betroffene Grundstückseigentümer zu der durch einen anderen Grundstückseigentümer er514

Grunsky, Grundlagen, § 48 II (S. 554). W. Lüke, S. 193. 516 W. Lüke, S. 193 und dort Fn. 83 mit Hinweis auf Joeres, S. 51 : »Der Dritte ist nämlich, wenn er nicht durch seine Beiladung gem. § 121 VwGO an die gerichtliche Entscheidung gebunden wird, aufgrund des Eingriffs in seine Rechte gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt und kann somit einen neuen Prozess anstrengen«. 517 S. dazu bereits weiter oben, S. 57. 518 S. nur VerwGH Baden-Württemberg, NVwZ 1986, 141; Kopp/Schenke, § 65 Rn. 43. 515

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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hobenen Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss beigeladen wird519. Die Abgrenzung von notwendiger zu einfacher Beiladung ist nicht einfach. Sie führt jedoch bei unterlassener Beiladung zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Wird die notwendige Beiladung unterlassen, entfaltet das Urteil nach h.M. gar keine Gestaltungswirkung, sonst – bei Einstufung der Beiladung als einfacher – entfaltet es relative Gestaltungswirkung nur zwischen den Parteien. Auch diese Feststellung zeigt, dass Gestaltungsurteile nicht notwendig inter omnes wirken müssen. Zusammenfassend haben sich aus der Betrachtung der Diskussion zur Anfechtungsklage folgende Aspekte gezeigt: Die Konsequenz der Wirkungslosigkeit des Urteils bei Unterlassung der notwendigen Beiladung zeigt, dass die Gestaltung durch ein Urteil nicht von der Rechtskraft abgekoppelt werden darf, mit anderen Worten, dass eine Gestaltung nur diejenigen Personen erfassen darf, auf die sich die Rechtskraft erstreckt. Die Gegenansicht ist bereits in ihren Prämissen verfehlt. Die weiterhin gezogene Konsequenz, dass das Anfechtungsurteil dann völlig wirkungslos sein soll und nicht lediglich relativ wirkt, widerspricht den hier gewonnenen Ergebnissen, ist allerdings auf die kassatorische Funktion des Anfechtungsurteils zurückzuführen, auch wenn die entsprechende Behandlung bei der einfachen Beiladung auch hier eine relative Gestaltung nahe läge.

4. Die Bindung an privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte Die Begründung, die für die relative Bindungswirkung von Gestaltungsurteilen ermittelt wurde, ist zumindest nicht unmittelbar übertragbar auf die Fälle, in denen keine materielle Rechtskraft erzeugt wird, wie dies heute für die Verwaltungsakte anerkannt wird520. Jedoch drängt sich die Frage auf, ob nicht die Lösung in der materiellen Bestandskraft der Verwaltungsakte zu suchen ist. Das gilt umso mehr, als die materielle Bestandskraft oft als die Bindungswirkung des Verwaltungsakts verstanden wird. Es wird zu prüfen sein, inwiefern bezüglich der Bindungsproblematik ein Vergleich mit der materiellen Rechtskraft angebracht ist. Auszugehen ist vom Verwaltungsakt, der gegenüber seinem Adressaten bestandskräftig geworden ist, d.h. der nicht mehr im Widerspruchsverfahren oder durch Anfechtungsklage angefochten werden kann. Ein besonders wichtiger und klärungsbedürftiger Fall liegt vor bei den gestaltenden Verwaltungsakten. Da Gegenstand dieser Arbeit die Gestaltung privater Rechtsverhältnisse durch Hoheitsakt ist, wird auch hauptsächlich auf den privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt eingegangen. Wie gestaltende Verwaltungsakte, die öffentlichrechtliche Positionen regeln, zu beurteilen sind, kann hier nicht 519 520

Beispiel bei Schenke, VerwPR, Rn. 467. S. dazu BVerwGE 48 (1976), 271, 274f.; Erichsen/Ehlers-Badura, § 38 Rn. 45.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

untersucht werden, damit ist auch nicht etwa auf den Fall der Einbürgerung einzugehen. Denn die Einbürgerung beeinflusst zwar auch den privaten Status, schwerpunktmäßig begründet sie jedoch die öffentlichrechtliche Zugehörigkeit zu einem Staat. Hier wird dagegen auf die privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakte einzugehen sein. Der Begriff »privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt« ist zurzeit mit keiner allgemein gültigen Definition belegt, insgesamt hat sich die Wissenschaft lange Zeit schwer getan mit seiner begrifflichen Abgrenzung521. Auch heute ist der Begriff nicht eindeutig geklärt, es lässt sich lediglich der gemeinsame Nenner ermitteln, dass es sich um einen gestaltenden Verwaltungsakt handelt, der auf die private Rechtslage einwirkt. Gestaltende Verwaltungsakte allgemein sind z.B. behördliche Genehmigungen, Erlaubnisse, Verleihungen, Konzessionen sowie deren Widerruf. Privatrechtsgestaltend sind sie dann, wenn sie entweder unmittelbar in Rechtsverhältnisse des Privatrechts eingreifen, indem sie ein privatrechtliches Rechtsgeschäft unmittelbar wirksam oder unwirksam machen oder ein privates Recht zu- oder aberkennen, ändern oder aufheben, oder eine notwendige Voraussetzung bilden für ein Rechtsgeschäft (Genehmigungen)522. Der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt ist das hauptsächliche Instrument der Verwaltung, um in private Rechtsverhältnisse einzugreifen523. Ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt kann zum einen privatrechtsalleingestaltend sein, d.h. er zielt selbst und unmittelbar auf die Gestaltung und entspricht in dieser Form dem klassischen Gestaltungsurteil. Im Vordergrund steht – ähnlich wie bei den Gestaltungsurteilen – die negative Gestaltung in Form der hoheitlichen Vernichtung privatrechtlicher Vereinbarungen524. Auch die Ausübung des Vorkaufsrechts einer Gemeinde nach §§ 24ff. BauGB525 ist entgegen dem ersten Anschein im Wesentlichen ein negativer Gestaltungsakt, der dem Käufer das vertragliche Recht auf Eigentumsverschaffung entzieht526. Darüber hinaus existiert eine große Anzahl von Verwaltungsakten, die nicht unmittelbar in private Rechtsverhältnisse eingreifen, sondern eine – allerdings unverzichtbare – Voraussetzung für eine weitere Gestaltung bilden. Es handelt sich um die Genehmigungen zur Ausübung privatrechtlichen Handelns – sie sind privatrechtsmitgestaltend527. Zu nennen ist z.B. die Bodenverkehrsgenehmigung nach § 19 BBauG, die Genehmigung der Auflassung oder Teilung eines Grundstücks (§ 19 BBauG)528, die Genehmigung der Kündigung eines Schwerbehinder521 522 523 524 525 526 527 528

S. z.B. Wertenbruch, GS R. Schmidt, 89, 100ff. zugleich mit Nachw. zur älteren Literatur. Manssen, S. 32. Ossenbühl, DVBl. 1990, 963, 965. Manssen, S. 286. Hess. VGH, NJW 1989, 1626. BVerwG, BRS 39, Nr. 96; Hess. VGH, NJW 1989, 1626. Manssen, S. 32, 284. Wertenbruch, GS R. Schmidt, 89, 107.

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ten (§ 15 SchwbG) sowie die Genehmigung der Mieterhöhung bei öffentlich gefördertem Wohnraum (§ 8a IV WoBiG)529. Die Baugenehmigung ist dagegen nach wohl h.M. kein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, weil sie unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt werde530. Dies gilt auch für die Gewerbeerlaubnis531. In der Tat sind sowohl Baugenehmigung als auch Gewerbeerlaubnis richtigerweise nicht als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte im engeren Sinne anzusehen, denn sie stecken lediglich den Rahmen und die Grenzen für weiteres privatrechtliches Handeln ab und ersetzen dies nicht unmittelbar. Im Kartellrecht wird diskutiert, ob in Fällen, in denen eine kartellrechtliche Verfügung eine Vereinbarung erlaubt oder verbietet, »das, was der Verwaltungsakt im Verhältnis der Vertragspartner zueinander erlaubt oder verbietet, ... im Verhältnis zu außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten gleichwohl verboten oder erlaubt bzw. gültig sein (kann)«532. Allerdings geht es hierbei nicht um die privatrechtsgestaltende, sondern um die vorgreifliche feststellende Komponente, nämlich, dass eine spezielle Vereinbarung rechtswidrig ist und die weitere Problematik, ob das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer kartellrechtlichen Verfügung eine Voraussetzung für Schadensersatzansprüche bei Verletzung eines Schutzgesetzes (z.B. nach § 33 GWB oder nach § 823 II BGB) sein kann und auch noch, ob dies nur für den Adressatenkreis oder auch darüber hinaus gilt. Dieser Problemkreis ist hier nicht weiter zu verfolgen, da nicht eine Privatrechtsgestaltung, wie sie hier verstanden wird, in Abrede steht. Zwar kann durch eine kartellbehördliche Erlaubnis ein ansonsten vorhandener Schadensersatzanspruch untergehen oder durch das Verbot ein sonst nicht gegebener Anspruch begründet werden. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, da nicht in jedem Fall der Erlaubnis sonst ein Schadensersatzanspruch gegeben wäre, denn diese kann auch lediglich deklarativen Charakter haben. Entsprechendes gilt auch für ein Verbot, wie sich ganz deutlich aus der Diskussion rund um die Frage zeigt, ob ein Schadensersatzanspruch nicht auch gegeben ist, wenn ein Verbot zwar nicht ergangen ist, aber hätte ergehen müssen533. Daher werden kartellrechtliche Verfügungen und Verbote in dieser Arbeit nicht als privatrechtsgestaltend eingestuft534. Privat529

Vgl. BVerwGE 39 (1972), 135, wo darauf hingewiesen wurde, dass die Genehmigung für eine Mieterhöhung bei öffentlich gefördertem Wohnraum die Mieter nur mittelbar und privatrechtlich betreffe, so dass sie nicht beizuladen seien; dagegen Lorenz, § 8 Rn. 29. 530 Ausführlich und mit Nachw. Manssen, S. 44ff. 531 S. z.B. Wertenbruch, GS Schmidt, 89, 11; a.A. jedoch (privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt) z.B. Bürckner, S. 25. 532 Manssen, S. 310; vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 603. 533 S. dazu eingehend m.Nachw. Manssen, S. 315ff. 534 S. mittlerweile auch Art. 1 I der VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. Nr. L 1 vom 4. 1. 2003, S. 1ff.: Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung sind ohne weitere Entscheidung verboten, außer sie erfüllen die Voraussetzungen des Art. 81 III EGV, in welchem Falle sie ohne weitere Entscheidung erlaubt sind.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

rechtsgestaltung der hier verstandenen Art findet dagegen statt, wenn die Kartellbehörde eine Vereinbarung für unwirksam erklärt nach § 16 GWB. Hier wird angenommen, dass diese Unwirksamkeitserklärung Wirkung für und gegen jedermann hat535.

a. Die Erklärungsmodelle in der Verwaltungsrechtslehre Die Bindung an den Verwaltungsakt soll hier unter dem Aspekt der Vorgreiflichkeit in einem Zivilverfahren geprüft werden, und insbesondere als die Frage, ob das Gericht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts prüfen darf536. i. Tatbestandswirkung In der Regel wird eine Bindung an rechtsgestaltende Verwaltungsakte unproblematisch bejaht537. Wie selbstverständlich wird angenommen, dass jeder gestaltende Staatsakt allgemeine Geltung beanspruche538. Zum Teil wird eine Gleichstellung mit den Gestaltungsurteilen vorgenommen539, im verwaltungsrechtlichen Schrifttum wird jedoch für die Erklärung der Bindung an Verwaltungsakte überwiegend der Begriff »Tatbestandswirkung« verwendet. Manchmal wird vom Gesetz selbst angeordnet, dass ein Verwaltungsakt für eine andere Behörde oder für die Gerichte bindend sein soll. In der ersten Variante handelt es sich nicht wirklich um Fälle der Tatbestandswirkung, wie man sie im Zivilprozessrecht versteht, sondern um eine konkrete Erweiterung der materiellen Bestandskraft (ähnlich einer Rechtskrafterstreckung im Zivilprozessrecht). Aber auch in der zweiten Variante ist nur das Ergebnis vergleichbar mit der Tatbestandswirkung des Zivilprozessrechts: Während nämlich dort das Urteil materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal ist, ergibt sich bei Verwaltungsakten in der zweiten Variante die fehlende Überprüfbarkeit aus der Verhaltensnorm, die an den Richter gerichtet ist und ihm die Überprüfung verbietet. Im Verwaltungsrecht wird der Begriff »Tatbestandswirkung« insgesamt in einem weiteren Sinne verwendet als im Zivilprozessrecht, denn abgesehen von dem Fall, dass eine gesetzliche Norm ausdrücklich vorsieht, dass der Erlass des Verwaltungsakts x die Folge y hervorrufen soll, wird auch die Bindung an den bestimmungsgemäßen Inhalt des Verwaltungsakts inbegriffen, nämlich in zivilpro535

S. z.B. Immenga/Mestmäcker-Emmerich, § 16 Rn. 122. Davon zu trennen ist die Problematik der mehrstufigen Genehmigungsverfahren, dazu s. Schmidt-Aßmann, FG BVerwG, S. 569ff.; zur Problematik der Erforderlichkeit mehrerer Genehmigungen für ein Vorhaben s. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen; zu weiteren mehrstufigen Vorgängen, die in einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt gipfeln, s. Manssen, S. 27ff. 537 S. z.B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 14 Rn. 38 m.Nachw.; Stein, Grenzen, S. 104f. 538 Gehrlein, AG 1994, 103, 104. 539 Jellinek, S. 46, 149; Kormann, 217ff.; Randak, JuS 1992, 33, 37. 536

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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zessualer Terminologie die »Gestaltungswirkung«, genereller ausgedrückt die Regelungswirkung des Verwaltungsakts. Dabei ist auffällig, dass nicht gern von einer »Bindung« gesprochen wird, sondern Ausdrücke wie »hinnehmen, berücksichtigen, anerkennen, zugrunde legen« benutzt werden540. Sehr zutreffend hat dies Seibert formuliert: »Der Ausdruck Tatbestandswirkung verdeckt zunächst das eigentliche Begründungsdefizit der herrschenden Meinung für eine behördliche Bindung an Verwaltungsakte anderer Behörden. Er vermittelt insbesondere den unzutreffenden Eindruck, als ergebe sich diese Bindung bereits aus der Tatsache der bloßen Existenz des Verwaltungsakts«541. Wie sehr der Begriff der Tatbestandswirkung instrumentalisiert wird, um eine Bindungswirkung hervorzurufen, zeigt auch folgende »Definition«: Verwaltungsakte haben »Tatbestandswirkung, wenn sie rechtsgestaltende Wirkung haben, die Tatbestandswirkung ... gesetzlich ausdrücklich begründet oder ... die Entscheidung einer anderen Behörde ihrem Sinn nach bei der Beurteilung einer Rechtsfrage durch die zuständige Behörde zugrunde zu legen ist«542. Insbesondere letztere »Voraussetzung« öffnet Tür und Tor, um eine Bindungswirkung immer dann zu bejahen, wenn man es für sinnvoll hält. Vergleichbar ist die Aussage, dass die Bindung an gestaltende Verwaltungsakte zu erklären sei durch »allgemeine, vom Verfahrensrecht vorausgesetzte Rechtssätze, die Verwaltungsakten und Urteilen diese Wirkung zuerkennen«543. Bemerkenswert ist weiterhin, dass sich selbst Autoren, die die Bindung des Adressaten auf die materielle Bestandskraft zurückführen, nicht mit der Frage der Beziehung zwischen materieller Bestandskraft und (angeblicher) Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts befassen544. Unbestritten als Tatbestandswirkung ist selbstverständlich der Fall zu bezeichnen, dass eine Norm in ihren Tatbestandsvoraussetzungen die Tatsache der Existenz eines Verwaltungsakts vorsieht. Es handelt sich somit nicht um eine Wirkung, die der Verwaltungsakt selbst kraft seines Inhalts erzeugt, sondern dieser übernimmt eine passive Funktion als Tatbestandsmerkmal einer positiven Norm des materiellen Rechts. Die Tatbestandswirkung ist somit lediglich ein zufälliges Nebenprodukt des Verwaltungsakts. Wenn der Begriff Tatbestandswirkung richtigerweise in der beschriebenen Ausprägung verstanden wird, dann lässt sich darüber nicht die Verbindlichkeit aller Verwaltungsakte herleiten. Überwiegend wird jedoch in der verwaltungsrechtlichen Literatur unter Tatbestandswirkung auch die Bindung an die sog.

540

Seibert, S. 70 m.Nachw. Seibert, S. 78. 542 BSG, SozR 3–4100 § 62a Nr. 1 = Die Beiträge 1995, 300ff. (Hervorhebung von Verf.). 543 Kopp, DVBl. 1983, 392, 400. 544 S. z.B. Maurer, der einerseits die Deutung der materiellen Bestandskraft als Bindungswirkung für möglich hält (§ 11 Rn. 7), andererseits jedoch die »Tatbestandswirkung« des Verwaltungsakts als Bindungswirkung darstellt (ebenda, Rn. 8). 541

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

»Regelungswirkung«, die vom Inhalt des Aktes ausgeht, subsumiert545, die Verpflichtung aller Staatsorgane, den Verwaltungsakt ihren Entscheidungen zugrunde zu legen546. Dadurch werden allerdings zwei völlig unterschiedliche Tatbestände unter denselben Begriff zusammengefasst: Einmal handelt es sich um eine Bindungsproblematik, das andere Mal wiederum nicht547. Dies ist zwar ein formaler Einwand, der an sich noch nicht zur Lösung der Bindungsproblematik führen kann, jedoch sind auch bei der weiteren Behandlung der Tatbestandswirkung Inkonsequenzen zu verzeichnen. Zu den grundsätzlichen Einwänden zur Gleichstellung oder auch nur zur Gleichbehandlung von Tatbestandswirkung und Bindungswirkung von Gestaltungsakten kann auf die Ausführungen weiter oben zum Gestaltungsurteil verwiesen werden548. Im Verwaltungsrecht fallen noch mehr Besonderheiten auf. Z.B. wird vertreten, dass bei feststellenden Verwaltungsakten die Tatbestandswirkung nur zwischen Behörde und Betroffenem gelten soll549, bei gestaltenden jedoch gegenüber jedermann. In eine ähnliche Richtung geht die Ansicht von Bachof, der eine Tatbestandswirkung in erster Linie den gestaltenden Verwaltungsakten zuspricht, aber zögert, sie auch feststellenden Akten zuzuerkennen, weil dies auf eine materielle Rechtskraftwirkung hinausliefe550. Eine derartige Differenzierung zwischen gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten widerspricht jedoch dem Begriff der Tatbestandswirkung, der gerade unabhängig vom Inhalt des Aktes ist. Da es keine ausdrücklichen Vorschriften gibt, die im einen Fall eine Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten vorschreiben, im anderen nicht, sind die eben genannten Differenzierungen nicht dogmatisch zu rechtfertigen. Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass – ähnlich wie bei der Diskussion um die Bindungswirkung der Gestaltungsurteile – dem rechtspolitischen Ziel einer umfassenden Bindung Dritter der Vorrang vor dogmatischer Untermauerung gewährt wird551. Jedoch wird damit die Vorgehensweise umgekehrt: Statt zunächst zu versuchen, die Phänomene unter Zugrundelegung gesicherter dogmatischer Grundsätze zu erklären, um nur gegebenenfalls als letzte Alternative auf rechtspolitische Erwägungen zurückzugreifen, wird eine dogmatische Untersuchung ganz ausgelassen. 545 Erichsen/Ehlers-Erichsen, § 13 Rn. 4; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185, 189; wohl Maurer, § 11 Rn. 8. 546 Maurer, § 11 Rn. 8; Ule/Laubinger, § 56 Rn. 4; dagegen Jesch, S. 61ff.; ähnlich K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 198: Rechtsfolgenanordnung durch Verfahren. 547 So zu Recht Manssen, S. 327f. mit Hinweis auf Jesch, S. 61ff., insbes. S. 66. Für die Beibehaltung der bisherigen Terminologie plädiert dagegen Peine, JZ 1990, 201, 208. 548 S. weiter oben, S. 69ff. 549 Knack-Meyer, § 43 Rn. 17. 550 Bachof, Verfassungsrecht, S. 255f. 551 So führt Müller-Uri, VR 1982, 246, 247 als Abgrenzungsmerkmal zwischen Tatbestandswirkung und materieller Bestandskraft der Verwaltungsakte an, dass letztere personell begrenzt sei.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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Ähnlich wie im Zivilprozessrecht wird auch im Verwaltungsrecht die Ansicht vertreten, dass die Bindung an den Gestaltungsakt auf der Bindung an Gesetz und Recht beruht, weil sich der Verwaltungsakt immer auf ein ermächtigendes Gesetz stützen müsse (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung)552. Diese letzte Begründung vermag jedoch keine Antwort auf die Bindungsproblematik zu geben, denn einer gesetzlichen Grundlage bedürfen gemäß dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung alle Verwaltungsakte553, ohne dass sie dadurch gleich für und gegen jeden wirken. Zu Recht hat diesbezüglich auch Karsten Schmidt angemerkt, dass die bindende Wirkung eines Staatsakts nicht aus ihm selbst heraus und auch nicht aus der ihm zugrunde liegenden Ermächtigung entnommen werden kann554 – dies gilt auch für das gerichtliche Urteil555. Das zeigt sich z.B. im Verwaltungsrecht auch daran, dass ein Verwaltungsakt, der nicht von einer Ermächtigungsnorm gedeckt wird, d.h. dem die gesetzliche Ermächtigung fehlt, Rechtsfolgen entfaltet, sofern er nicht nichtig ist (§ 43 II, III VwVfG)556. Abgesehen davon bedarf jede Handlung, um rechtliche Wirksamkeit zu erlangen, einer gesetzlichen Grundlage, und wenn es »nur« der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist, da in einer Rechtsordnung jede Wirkung letztlich auf das objektive Recht zurückzuführen ist557. Die Rückführung auf Gesetz und Recht scheint eher eine Begründung für eine bereits als richtig empfundene Lösung zu sein: »Nur dann, wenn man der Rechtsgestaltung von vornherein eine Wirkung gegenüber jedermann unterstellt, lässt sich ohne weiteres aus der Ermächtigungsnorm eine Bindung aller Behörden ableiten. ... In Wirklichkeit sieht die h.M. in der Ermächtigung zu gestaltenden Verwaltungsakten von vornherein eine Ermächtigung zu Akten mit Inter-omnesWirkung. Indem ausdrücklich oder unausgesprochen die Inter-omnes-Wirkung als Wesen der Gestaltung zugrunde gelegt wird, kann aus der Ermächtigungsgrundlage herausgelesen werden, dass die Rechtsfolge (also die Rechtsänderung) auch von anderen Behörden zu beachten ist. Der Zirkelschluss dieser Argumentation tritt offen zutage: Mit der Prämisse einer Inter-omnes-Wirkung jeder Rechtsänderung ist bereits das Ergebnis präjudiziert, das es doch erst aus dem Gesetz zu ermitteln galt«558.

552

Krause, S. 183; Randak, JuS 1992, 33, 37; s. weitere Nachweise bei Nicklisch, S. 70f. A.A. früher für den begünstigenden Verwaltungsakt sowie für den belastenden mit Einwilligung des Betroffenen Otto Mayer, S. 97f. 554 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 198, der dann allerdings (wohl durch Auslegung eben dieser Ermächtigungsnorm) den Eintritt der Rechtsfolge nicht mehr dem Tenor des Verwaltungsakts, sondern dem Gesetz zu entnehmen können glaubt; dieser Aspekt der Problematik wurde nicht ausreichend berücksichtigt bei Nicklisch, S. 131ff. 555 S. Gaul, Fn. 287. 556 Zutreffend Manssen, S. 282; Seibert, S. 115. 557 S. weiter oben, S. 65. 558 Seibert, S. 116f. 553

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Auch der Grundsatz, dass jeder Staatsakt gilt, bis er aufgehoben wird, ist nicht geeignet, um die Bindungsproblematik zu lösen, denn die Wirksamkeit des fehlerhaften Staatsaktes und die Grenzen der Bindungswirkung sind voneinander zu unterscheiden. Der erste Grundsatz besagt lediglich, dass innerhalb der Bindungsgrenzen der fehlerhafte Staatsakt gilt, bis er aufgehoben wird. Wie weit diese Bindungsgrenzen gesteckt werden, das muss anderweitig bestimmt werden559. Abschließend ist nur kurz darauf hinzuweisen, dass zuweilen in der BGH-Judikatur neben dem Begriff der Tatbestandswirkung auch derjenige der Gestaltungswirkung verwendet wird560. Dabei scheint es sich jedoch lediglich um eine Übernahme aus der zivilrechtlichen Terminologie zu handeln, insbesondere ist der BGH in der betreffenden Entscheidung nicht auf den gängigen Sprachgebrauch im Verwaltungsrecht eingegangen, insbesondere auf den Begriff der Tatbestandswirkung, wie er im Verwaltungsrecht verwendet wird. ii. Materielle Bestandskraft als Bindungswirkung Die Frage nach dem Inhalt der materiellen Bestandskraft eines Verwaltungsakts scheint zwar auf den ersten Blick nicht fruchtbar zu sein für diese Arbeit, in der es um die subjektive Reichweite der Bindung geht. Gleichwohl ist sie vorgreiflich für die Frage nach der subjektiven Reichweite der Bindungswirkung eines Verwaltungsakts, denn die Frage nach der subjektiven Reichweite eines Verwaltungsakts stellt sich nur bezüglich der Inhalte, die zum »Verfahrensgegenstand« des Verwaltungsakts gehören561: Was nicht einmal gegenüber dem Adressaten verbindlich wird, kann auch dritte nicht binden. Allerdings wird auch angemahnt, die Grundsätze, die zur Ermittlung der Verfahrensgegenstandsidentität entwickelt werden, nicht auf die Bindungsproblematik zu übertragen562. Die hier zu erörternde Frage wird durch die Tatsache erschwert, dass eine Fülle von Ansichten über die materielle Bestandskraft besteht. Tatsache ist, dass »auf diesem Gebiet so gut wie alles streitig ist«, ein »Labyrinth der Meinungen« existiert563. Auch aus diesem Grund wäre es gefährlich, allein aus einer Definition Rückschlüsse auf die Bindungsproblematik zu ziehen. Trotzdem ist es unerlässlich, die existierenden Ansichten über das Verhältnis von materieller Bestandskraft und Bindung an den Gestaltungsakt zu betrachten.

559

S. ausführlicher weiter oben, S. 228. Z.B. in BGH, NJW 1998, 3055, 3056. 561 Ähnlich wie sich die Frage nach der subjektiven Reichweite des Gestaltungsurteils nur stellt, wenn zum Streitgegenstand der Gestaltungsklage auch die Gestaltung selbst zu zählen ist, s. ausführlich weiter oben, S. 188. 562 So Stelkens-Sachs, § 43 Rn. 121; auch Nierhaus, JZ 1992, 209 im Anschluss an Schröder, DVBl. 1991, 751, 752. 563 Forsthoff, S. 253 zur früher bestehenden Frage, ob Verwaltungsakte materiell rechtskräftig werden können. 560

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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Für die hier untersuchte Problematik ist die Frage nach der Rücknehm- bzw. Widerrufbarkeit von Verwaltungsakten seitens der Behörde unerheblich, deswegen sind auch diejenigen Ansichten unberücksichtigt zu lassen, die den eigentlichen Sinn der materiellen Bestandskraft im Ausschluss oder in der Beschränkung der Rücknahme oder des Widerrufs eines Verwaltungsakts sehen564. Hier wäre die Parallele zu ziehen zur innerprozessualen Bindungswirkung und nicht zur materiellen Rechtskraft565. Richtigerweise ist die Bindungswirkung des Verwaltungsakts mit der materiellen Bestandskraft gleichzusetzen566, denn sie ist dazu berufen, die Maßgeblichkeit des Inhalts des Verwaltungsakts zu sichern, ähnlich wie dies im Zivilprozessrecht die materielle Rechtskraft gewährleistet, ohne dass die materielle Bestandskraft deswegen einen »aus dem Prozessrecht entliehenen Fremdkörper« bilden würde, wie dies zuweilen vertreten wird567. Über die materielle Bestandskraft hinaus kann das Gesetz echte Tatbestandswirkungen568 sowie erweiterte Bindungswirkungen vorsehen. Dies ist die erste Stufe bei der Beantwortung der Bindungsfrage, die unabhängig ist von den subjektiven Grenzen und besagt, in welchem Umfang überhaupt der Verwaltungsakt eine präjudizielle Wirkung entfaltet, auch was den Adressaten betrifft. In zweiter Stufe muss dann geprüft werden, ob über den Adressaten hinaus auch Dritte von dieser Bindungswirkung erfasst werden. Im Verwaltungsprozessrecht ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, wer von der Bestandskraft subjektiv erfasst wird. Es wird jedoch angenommen, dass die Bestandskraft analog § 121 VwGO nur die Beteiligten569, die Behörde und ihre Nachfolger bindet570. In diesem Fall ergibt sich – ähnlich wie im Zivilprozessrecht – dass Dritte nicht von dem Verwaltungsakt gebunden werden. Allerdings wird im Verwaltungsrecht – zu Unrecht – oft auf die Tatbestandswirkung zurückgegriffen, so 564

S. z.B. Knack-Meyer, vor § 43 Rn. 30f. Sauer, DÖV 1971, 150, 157, der trotzdem auch von der »strukturellen Gleichheit« zwischen materieller Rechtskraft und materieller Bestandskraft ausgeht. 566 Berkemann, DVBl. 1986, 183, 184; zust. Broß, VerwArch 1987, 91, 106; Sauer, DÖV 1971, 150, 157 spricht von »struktureller Gleichheit« zwischen materieller Rechtskraft und materieller Bestandskraft. In der Regel wird die materielle Bestandskraft freilich als die Beschränkung der Aufhebbarkeit des Verwaltungsakts durch die Behörde verstanden und entspricht somit der innerprozessualen Bindung des Zivilgerichts an seine Entscheidung, ders., ebenda; vgl. SchmidtAßmann, DVBl. 1987, 218; a.A. Braun, Präjudizielle Wirkung, S. 49; Erichsen/Ehlers-Badura, § 38 Rn. 50. 567 Seibert, S. 180, der die Bindungswirkung einheitlich als die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts definiert (S. 192ff.). 568 Dass der Begriff »Tatbestandswirkung« im Verwaltungsrecht in einem viel weiteren Sinne verwendet wird, der generell die Bindungswirkung gegenüber Dritten umfasst, wurde bereits erwähnt, s. weiter oben, S. 262. 569 Der Begriff des Beteiligten am Verfahren nach § 13 VwVfG entspricht funktionell der Partei im Zivilprozess, ist jedoch weiter, s. Knack-Clausen, § 13 Rn. 2; Kopp/Ramsauer, § 13 Rn. 1; Stelkens-Sachs, § 13 Rn. 3. 570 Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 33. 565

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

dass die subjektive Reichweite der materiellen Bestandskraft unerheblich wird. So wird z.B. vertreten, dass sich die Bestandskraft auf das Verhältnis der Behörde zu den Personen beziehe, die den Verwaltungsakt anfechten können, während die Tatbestandswirkung für »die Bindung nichtbetroffener Dritter, insbesondere anderer Behörden sowie der Gerichte, welche nicht selbst zur Aufhebung des Verwaltungsakts befugt sind«, gelte571. Auch diese Aussage macht die bereits weiter oben abgelehnte Instrumentalisierung des Begriffs Tatbestandswirkung im Verwaltungsrecht deutlich, um das erwünschte Ergebnis der Erweiterung der subjektiven Bestandskraftgrenzen zu erweitern572. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die inhaltliche Maßgeblichkeit des Verwaltungsakts von der materiellen Bestandskraft gesichert wird, und zwar nicht nur gegenüber dem Adressaten, sondern auch im Hinblick auf Dritte. Das bedeutet, dass nur die Beteiligten, die Behörde und ihre Nachfolger gehindert sind, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu bestreiten. iii. Weitere Erklärungsmodelle Zuweilen wird die Bindungsproblematik auch über eine staatsrechtliche Argumentation angegangen. Sehr interessant ist in dieser Hinsicht eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1937573: Erst wurde festgestellt, dass die Gerichte an gestaltende Verwaltungsakte grundsätzlich gebunden seien574. »Von vornherein unbedenklich und einleuchtend« erscheine »eine auch das Gericht bindende Kraft des rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes überall dort, wo die in ihm enthaltene Entscheidung allein auf freiem Verwaltungsermessen beruht«. Allerdings folgt die Einschränkung, dass Zweifel auftauchen, »sobald die Entscheidung die Feststellung und rechtliche Würdigung tatsächlicher Umstände und die Beantwortung von Rechtsfragen erfordert. So liegt es, wenn die Entscheidung von dem Vorliegen eines die Kündigung oder Entlassung allein gestattenden wichtigen Grundes abhängt«575. Das Reichsgericht schloss: »Eine denkgesetzliche Notwendigkeit spricht weder für die Verneinung noch für die Bejahung der Frage. Die Antwort lässt sich nur in sorgfältiger Abwägung der dabei in Betracht kommenden gegensätzlichen Belange der an der Entscheidung des ordentlichen Gerichts beteiligten Parteien finden«576. Allerdings ist die nachfolgende, von der nationalsozialistischen Ideologie geprägte Argumentation mit der Stellung der Belange des Einzelnen, die in den Hintergrund treten müsse im Verhältnis zum Ansehen

571 572 573 574 575 576

Achterberg, S. 174f.; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185, 189; Maurer, § 11 Rn. 8. S. weiter oben, S. 263. RGZ 154 (1937), 193ff. RGZ 154 (1937), 193, 198. RGZ 154 (1937), 193, 199. RGZ 154 (1937), 193, 199.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

269

des öffentlichen Dienstherrn, das »eine besondere Stärkung erfahren« habe577, gänzlich abzulehnen. Tatsache ist, dass manchmal zur Frage der Bindung der Gerichte an Gestaltungsakte – außerhalb der gerichtlichen Überprüfung belastender Verwaltungsakte – das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung herangezogen wird578. Jedoch ist es korrekter, den Grund in der konkreten Kompetenzverteilung zu sehen, in Form der Rechtswegproblematik579. Jesch z.B. nimmt eine Bindung an gestaltende Verwaltungsakte mit der Begründung an, dass die Kontrolle der Verwaltung den Verwaltungsgerichten zugewiesen sei580 – andererseits lehnt er eine Bindung an feststellende Verwaltungsakte ab581, obwohl auch hier der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Somit hat Jesch seinen anfänglichen richtigen Ansatz leider nicht konsequent zu Ende geführt. Seine Rechtfertigung der unterschiedlichen Ergebnisse verträgt sich darüber hinaus nicht mit seiner anfänglichen These, dass es eine verkehrte körperweltliche Denkweise sei, die aus der Veränderung der Rechtslage eine absolute Bindung folgert, durch Übertragung der absoluten Vorgänge in der physischen Welt582. Am besten wird diese Inkonsequenz durch ein wörtliches Zitat demonstriert: »Dieses Ergebnis beeinträchtigt nicht unsere oben dargelegte Ablehnung der Bindung an feststellende Verwaltungsakte. Hier zeigt sich vielmehr der Unterschied zwischen Rechtsfeststellung und Rechtsgestaltung. Der Gestaltungsakt verändert die Rechtslage. ... Aus der Wirksamkeit eines feststellenden Verwaltungsaktes folgt aber nicht die Pflicht zur Übernahme der von der Verwaltungsbehörde geäußerten Rechtsfeststellung. Hier geht es nicht um die Anerkennung einer Veränderung der Rechtslage, sondern um die Übernahme einer Meinung über die unveränderte Rechtslage. Rechtsansichten (!) sind aber nur dann verbindlich, wenn sie als materiell rechtskräftige Feststellungen erfolgen«583. Zu der Frage, warum das Prinzip der Kompetenzverteilung bei feststellenden Verwaltungsakten zu einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte (trotz Anfechtungsmöglichkeit vor den Verwaltungsgerichten) führen soll, bei gestaltenden aber nicht, gibt Jesch keine befriedigende Antwort. Vielmehr liegt der Sinn sowohl des feststellenden, als auch des gestaltenden Verwaltungsakts darin, »die Diskussion über den bestehenden Rechtszustand abzuschneiden«584, so dass kein 577

RGZ 154 (1937), 193, 200. Broß, VerwArch1987, 91; Erichsen/Ehlers-Erichsen, § 13 Rn. 5; ähnlich wird argumentiert bezüglich der umgekehrten Bindung der Verwaltung an Gestaltungsurteile. 579 So z.B. Erichsen/Ehlers-Badura, § 38 Rn. 50: Grund ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichtszweigen. 580 Jesch, S. 115ff., insbes. 129f. 581 Jesch, S. 121. 582 Jesch, S. 96ff., s. auch weiter oben, S. 56. 583 Jesch, S. 130. 584 Ossenbühl, DÖV 1967, 246, 249, jedoch nur für feststellende Verwaltungsakte. Konstitutive Verwaltungsakte bilden seiner Ansicht nach selbst eine materiellrechtliche causa für die von 578

270

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Unterschied bestehen dürfte, außer man kehrt zu der – von Jesch richtig abgelehnten – verkehrten körperweltlichen Betrachtung der ideellen Gestaltung zurück.

b. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts als Vorfrage im Zivilprozess i. Sonderfall: Amtshaftungsansprüche Ein bislang weithin geklärter Fall der hier interessierenden Präjudizialitätsfrage ist derjenige der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen, weil ein rechtwidriger Verwaltungsakt erlassen wurde. Hier entspricht es mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass die materielle Bestandskraft des Verwaltungsakts nicht per se einer präjudiziellen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts entgegensteht, wenn ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wird mit der Begründung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Das gilt nicht nur für Dritte, denen gegenüber der Verwaltungsakt (noch) nicht bestandskräftig geworden ist, sondern auch für den Adressaten selbst und insgesamt für jeden, dem gegenüber der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist, d.h. der auf dem Verwaltungsrechtsweg diesen Verwaltungsakt nicht mehr angreifen könnte. Im Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten darf die Vorfrage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts selbständig überprüft werden, solange noch keine Anfechtungsklage rechtskräftig darüber ergangen ist. Der BGH begründet diese Ansicht damit, dass »zwischen der (unterbliebenen) Anfechtung des belastenden Verwaltungsaktes und der Amtshaftung auch keine Identität des Streitgegenstandes (besteht), die es rechtfertigen könnte, dem Eintritt der Bestandskraft eine über die vorstehend dargelegten Grundsätze hinausreichende Bindungswirkung zuzuerkennen«585. Eine Schranke ergibt sich allerdings aus § 839 III BGB, der zum totalen Verlust der Schadensersatzansprüche führt, wenn der Kläger es schuldhaft unterlassen hat, durch Einlegung eines Rechtsmittels den Schaden abzuwenden. Diese Voraussetzung liegt allerdings nicht vor, wenn der Kläger keinen Grund hatte, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts anzuzweifeln586. Die Amtshaftung ist jedoch ein Sonderfall, der nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig ist, denn die Ansprüche aus § 839 BGB würden leer laufen, wenn keine Möglichkeit bestünde, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts präjudiziell zu prüfen. Soweit Dritte Amtshaftungsansprüche geltend machen, ist es ihnen beabsichtigte Regelung (S. 248). Jedoch ist es richtigerweise auch hier die eigentliche Funktion der materiellen Bestandskraft, »die Diskussion abzuschneiden«. 585 S. BGHZ 113 (1991), 17, 18f. mit zahlreichen Nachweisen, auch zur Gegenansicht (dort S. 21f.); vgl. aber auch BGHZ 98 (1987), 85, 88, wo insbesondere für den Flurbereinigungsplan angedacht wird, ob wegen der Ausgestaltung des Verfahrens, das ihm vorangegangen ist, seine Prüfung im Amtshaftungsprozess nicht generell ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann bzw. muss. 586 S. BGHZ 113 (1991), 17, 26.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

271

selbstverständlich, dass ihnen die materielle Bestandskraft nicht die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abschneiden kann587. ii. Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter: zwei grundverschiedene Wege Im Gegensatz zum gesetzlich geregelten Fall der Präjudizialität bei Amtshaftungsansprüchen gilt es die Fallkonstellation zu erläutern, dass ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt präjudiziell ist für daraus entstehende zivilrechtliche Ansprüche Dritter. Gegenstand der Untersuchung ist wiederum der Gestaltungsakt, der dem Adressaten gegenüber bestandsksräftig geworden ist. Solange er Dritten, die von ihm betroffen sind, nicht amtlich bekannt gegeben wurde, beginnt für sie auch grundsätzlich keine Klagefrist nach § 74 VwGO zu laufen. Etwas anderes kann sich nur unter Heranziehung des Verwirkungsgedankens ergeben, wenn – wie dies im Nachbarrecht praktiziert wird – § 58 II VwGO, der vorsieht, dass die Widerspruchsfrist auf ein Jahr ab Bekanntgabe gestreckt wird, wenn keine Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt war, analog als Klagefrist angewandt wird588. Der Grundsatz bleibt jedoch gleich, nämlich dass niemand automatisch und ohne Verteidigungsmöglichkeit von dem Verwaltungsakt »gebunden« wird, denn auch in diesem Fall beginnt die Klagefrist »von der sicheren Kenntniserlangung oder dem Kennenmüssen« an zu laufen589. Bezüglich der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter haben sich in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung zwei grundverschiedene Wege entwickelt, die nachstehend untersucht werden. (1) Eigene Anfechtungsbefugnis Die erste – und nahe liegende – Rechtsschutzmöglichkeit besteht in der Erhebung einer Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten, denn obwohl privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Privatrechts herbeiführen, ist regelmäßig nicht der Zivilrechtsweg nach § 13 GVG eröffnet. Der Streit um die Rechtmäßigkeit des privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts wird vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen (§ 40 I VwGO). Für Differenzen der Beteiligten, in deren private Rechtsverhältnisse der Hoheitsakt eingegriffen hat, die über die Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts hinausgehen, ist jedoch der Zivilrechtsweg eröffnet. Das ist zwar bedauerlich, da »ein allzu perfekter ›Rechtswegstaat‹, in dem der staatliche Mitgestaltungsakt vor einem Verwaltungsgericht anzugreifen ist und Mängel des privaten Rechtsgeschäfts vor einem ordentlichen Gericht gerügt werden müssen, ... keine befriedigende Rechtssi-

587 588 589

Manssen, S. 334. Ausführlich BVerwGE 44 (1974), 294, 300. BVerwG, NJW 1988, 1806.

272

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

cherheit (schafft), sondern Wirrnisse auf Kosten des Rechtsschutzsuchenden«590, diese Folge liegt jedoch in der Natur des privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts, der auf der Schnittstelle zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht liegt. Damit ist auch bereits angesprochen, dass der Verwaltungsakt unmittelbar durch die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 42 VwGO anzugreifen ist, und zwar auch durch Dritte. Danach kann derjenige, der geltend macht, durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein, Anfechtungsklage erheben. In den Worten des Bundesgerichtshofs kann der Betroffene »den Bescheid ... anfechten« und ist somit »in der Lage, die Tatbestandswirkung des Bescheids zu beseitigen und damit auch die Sperre für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen zu lösen, für die der Inhalt des Bescheides präjudiziell ist«591. Die betreffende Formulierung des § 42 II VwGO zur Begrenzung der Zulässigkeit der Anfechtungsklage zeigt, dass der Grundsatz lauten muss, dass Dritte Verwaltungsakte, die sie rechtlich beeinträchtigen, nicht (endgültig) hinzunehmen brauchen. Nur wenn sie trotz gesicherter Zustellung des Verwaltungsaktes untätig bleiben, tritt eine Präklusion ihrer Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ein. Ab diesem Punkt sind sie dann tatsächlich an den Verwaltungsakt gebunden, denn sie können ihn nicht mehr angreifen. Gleichwohl wird durch die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage für Dritte keine Popularklage eingeführt. Für die Anfechtungsbefugnis Dritter Nichtadressaten ist ein Eingriff entweder in subjektive Rechte oder in normativ geschützte Interessen erforderlich592. Die Voraussetzungen des § 42 II VwGO sind auf jeden Fall erfüllt, wenn die Norm, die z.B. die Genehmigungspflicht einführt, auch zum Schutz der Interessen Dritter gesetzt ist. Es fragt sich, ob darüber hinaus eine Auswirkung auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse eines Dritten seine Anfechtungsbefugnis begründet593. Dazu existieren verschiedene Ansichten, die jedoch – wie zu zeigen sein wird – alle darauf hinauslaufen, dass Dritte, deren private Rechtslage durch einen Verwaltungsakt betroffen wird, nicht zwingend an diesen gebunden sind. Die Problematik konzentriert sich vielmehr auf die Frage, wie dies geltend zu machen ist. Dazu werden zwei unterschiedliche rechtstechnische Mittel eingesetzt. Der erste Weg ist die Bejahung der Klagebefugnis zur Anfechtung und somit Beseitigung des Verwaltungsakts. Das BVerwG hat 1988 entschieden, dass die Auswirkung eines Verwaltungsakts auf privatrechtliche Positionen eines Dritten seine Klagebefugnis begründet, und zwar auch für den Fall, dass der Dritte nicht im Schutznormbereich der Norm, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, aufge-

590

Wertenbruch, GS R. Schmidt, 89, 113. BGH, NJW 1998, 3055, 3056. 592 Zur Nichtadressatenklage im Verwaltungsrecht s. eingehend Skouris, S. 169ff. sowie S. 23ff. 593 Dagegen Kopp/Schenke, § 42 VwGO Rn. 81 m.Nachw. 591

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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nommen ist594. Diese Betrachtungsweise ist zu billigen595. So können z.B. Mieter oder Pächter als enteignungsbetroffene Dritte Anfechtungsklage erheben596, weil das Miet- bzw. Pachtrecht verletzt wird597. Damit wurde die ältere Rechtsprechung abgelöst, die die zweite, direkt im Anschluss zu präsentierende, Rechtsschutztechnik befürwortet hatte. (2) Vorfragenprüfung durch das Zivilgericht Früher hat die Rechtsprechung eine Anfechtungsbefugnis des Drittbetroffenen in den Fällen abgelehnt, in denen er Rechtsschutz vor den Zivilgerichten suchen könne: Hier wurde für die Genehmigung zur Mieterhöhung bei öffentlich gefördertem Wohnraum nach § 8a IV WoBindG entschieden, dass der betroffene Mieter keine Anfechtungsbefugnis habe598. Als Grund wurde angegeben, dass der Mieter Rechtsschutz vor den Zivilgerichten suchen könne, denn diese seien an die Genehmigung zur Mieterhöhung nicht gebunden. Zur Unterstützung wurde auf die entsprechende frühere Rechtsprechung zum Kleingartenrecht und die dortige genehmigungsbedürftige Kündigung verwiesen599. Das BVerwG hatte in diesem Bereich wiederholt der Anfechtungsklage eines Kleingartenpächters das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen, weil die Rechtmäßigkeit der behördlichen Genehmigung auch vom Zivilgericht überprüft werden könnte600. Ähnlich wurde für eine Anfechtungsklage des Drittschuldners gegen die Überleitungsanzeige eines Fürsorgeverbands601 das Rechtsschutzbedürfnis verneint, weil der Drittschuldner im Einziehungsprozess vor den Zivilgerichten das gleiche erreichen könne wie im Verwaltungsprozess: »Sachlich kann der Drittschuldner ... den gleichen Erfolg im Zivilprozess erzielen, denn das Zivilgericht kann der Überleitungsanzeige ungeachtet ihres formellen Bestehenbleibens die rechtliche Wirkung entziehen«602. 594

BVerwG, DVBl. 1988, 446, 447. Manssen, S. 301 und dort Fn. 169; zur historischen Entwicklung des Drittschutzes s. Preu, Peter, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen (ca. 1800–1970), Berlin 1990. 596 BVerwG, NVwZ 1998, 504. 597 Sauthoff, BauR 2000, 195, 203. 598 BVerwG, DÖV 1986, 438, 439. 599 »Diese Rechtslage ähnelt der Rechtslage, die bei der Kündigung von Kleingartenpachtverhältnissen nach der Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften in der Fassung vom 15. Dezember 1944 (RGBl. I S. 347) bestand«. 600 BVerwG, Buchholz 310 § 24 VwGO Nr. 41; BVerwGE 4 (1957), 317, 329; BVerwGE 1 (1955), 134; dagegen Bengel, S. 188f.; Lüke, JuS 1962, 418, 419 und dort Fn. 7; Schröcker, S. 111ff.; ihm zustimmend Schiedermair, JZ 1961, 678, 679. 601 Das Beispiel hatte sich zwischenzeitlich (bis Ende Dezember 2004) durch die Legalzession des § 91 I BSHG überholt, ist aber wieder aktuell, da § 33 I SGB II wieder eine Übernahme durch schriftliche Anzeige des Leistungsträgers vorsieht. 602 BVerwG, ZfSH 1967, 20; BVerwGE 11 (1961), 249 (Hervorhebung von Verf.); ablehnend Lüke, JuS 1962, 418ff.; diese Rechtsprechung wurde mittlerweile aufgegeben, s. BVerwGE 90 595

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

In allen diesen Fällen wurde dem Dritten, dessen private Rechtslage durch den Verwaltungsakt beeinträchtigt wird, nicht der Rechtsschutz versagt, sondern er wurde nur auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die präjudizielle Prüfung vor den Zivilgerichten ist sogar einer Befugnis der Dritten zur Erhebung einer Anfechtungsklage vorzuziehen, denn aus der Sicht des Dritten ist es nicht erforderlich, dass der Verwaltungsakt gänzlich beseitigt wird. Ihm geht es lediglich darum, dass er ihn nicht ohne Überprüfungsmöglichkeit in seiner privatrechtlichen Position beeinträchtigt. Wenn er jetzt in einem Streit um die Mietzinszahlung als Vorfrage die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Mietpreiserhöhung überprüfen lassen darf, ist seinen Interessen hinreichend Rechnung getragen worden, ohne dass die Rechtsstellung des Adressaten beeinträchtigt werden muss. Diese Vorgehensweise widerspricht auch nicht dem Grundgedanken des § 839 BGB, denn ihm liegt die insoweit nicht vergleichbare Situation zugrunde, dass der Verwaltungsakt selbst das schadensauslösende Ereignis ist603, während es hier um weitere Ansprüche geht, die aus dem gestalteten Rechtsverhältnis erwachsen und für die die Gestaltung präjudiziell ist. Wenn allerdings der Dritte tatsächlich den Verwaltungsrechtsweg eingehen möchte mit der Folge der Aufhebung des Verwaltungsakts, sollte ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis hierzu abgeschnitten werden, und insofern ist den genannten Kritikern der besagten Rechtsprechung Recht zu geben604. Man wird vielleicht einwenden wollen, dass Genehmigungen zwar als gestaltende Verwaltungsakte eingestuft werden, jedoch keine »richtige« Gestaltung bewirken wie die klassischen Gestaltungsurteile, denn die Genehmigung ist lediglich die Basis, auf der z.B. die Gestaltung durch Vertrag basiert. Es handelt sich um die so genannten privatrechtsmitgestaltenden Verwaltungsakte605. Darüber hinaus wurde es jedoch auch für möglich angesehen, privatrechtsalleingestaltende Verwaltungsakte, wie die Überleitungsanzeige eines Fürsorgeverbands, als für den Dritten unerheblich erklären zu lassen606. In diesem Fall war es die Gestaltung, die den Dritten unmittelbar in seiner Rechtslage beeinträchtigt hat, die außerhalb der materiellen Bestandskraft erneut überprüft werden durfte. Sofern diese Betrachtungsweise kritisiert wurde607, liegt das an der insoweit gegenläufigen axiomatischen Prämisse, nämlich dass das Zivilgericht nicht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts als Vorfrage prüfen dürfe – warum das so sei, wird nicht näher begründet. (1992), 245 und seitdem ständige Rspr., zuletzt z.B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. November 1995, AZ: L 4 V 15/95, Bibliothek BSG. Allerdings schoss das BVerwG über das Ziel hinaus, als es bemerkte, »nur in dem vorliegenden Rechtsstreit kann der Kläger geltend machen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überleitung fehlen«. 603 Zur vergleichbaren Problematik bei den Gestaltungsurteilen s. weiter oben, S. 172, 214ff. 604 S. weiter oben, Fn. 600. 605 Dazu s. bereits weiter oben, S. 260. 606 S. weiter oben, S. 273. 607 S. die Nachw. in Fn. 600f.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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Zu einer Inzidentprüfung der Zivilgerichte gelangt man auch, wenn und soweit man der Ansicht folgt, dass durch Anfechtungsklage nur die (drohende) Verletzung von öffentlichen Rechten und nicht die Beeinträchtigung privater Rechte geltend gemacht werden darf608, da sonst eine Rechtsschutzlücke entstünde. Allerdings ist hier ausschlaggebend, wie weit die öffentliche Rechte abgesteckt werden, insbesondere wenn die Beeinträchtigung privater Rechte gleichzeitig auch eine Verletzung öffentlicher Rechte beinhaltet, so dass die Unterscheidung lediglich der korrekten begrifflichen Einordnung dient. Aus rechtspolitischer Sicht hat Preu zur Bindungswirkung von Genehmigungen vertreten, dass die Bereitschaft der Annahme einer Bindung an eine Genehmigung im folgenden Leistungsprozess größer sei, wenn durch eine behördliche Genehmigung individualisierte Rechtsverhältnisse betroffen werden, als bei »breitenwirksamen« Genehmigungen, z.B. Tarifgenehmigungen609. Aber auch bei Einzelverhältnissen könne nicht generell von einer Bindungswirkung der behördlichen Genehmigung im Rahmen einer Leistungsklage ausgegangen werden: Der Genehmigung bleibe die Bindungswirkung versagt, »wenn nach dem ... ›Erscheinungsbild‹ der Gesamtregelung die gerichtliche Konfliktentscheidung im konkreten Leistungsstreit zwischen A und B dominieren« solle. Dies sei der Fall im Mietprozess, im Kleingartenpacht-Kündigungsprozess und im zivilgerichtlichen Unterhaltsstreit610.

c. Eigene Ansicht Die zwei weiter oben vorgestellten, an sich völlig unterschiedlichen Lösungswege für den Rechtsschutz Dritter gegen einen rechtswidrigen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt schließen sich nicht zwingend gegenseitig aus. Denkbar ist eine Dualität des Rechtsschutzes: Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht, mit dem Ergebnis der Aufhebung des Verwaltungsakts, oder Vorfragenprüfung im Zivilrechtsstreit, die den Verwaltungsakt an sich bestehen lässt und nur seine Wirkung auf den Dritten ausschließt611. Damit lautet die eigentliche Frage zur »Maßgeblichkeit« der Verwaltungsakte, wie Dritte, die durch den Gestaltungsakt betroffen sind, seine Wirkungen ihnen gegenüber abwenden können. Die hier vertretene These lautet, dass sich die Bindung an gestaltende Verwaltungsakte aus ihrer materiellen Bestandskraft ergibt, die nicht nur mit der innerprozessualen Bindungswirkung des Zivilprozessrechts, sondern mit der materiellen Rechtskraft zu vergleichen ist und somit eine Aussage über die inhaltliche Ver-

608

Kopp/Schenke, § 42 VwGO Rn. 81 m.Nachw. Preu, Drittschutz, S. 101. 610 Preu, Drittschutz, S. 102. 611 An dieser Stelle geht es um die Präjudizialität außerhalb von Amtshaftungsansprüchen, die eine Sonderstellung einnehmen, s. dazu weiter oben, S. 270ff. 609

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

bindlichkeit des Verwaltungsakts beinhaltet und präjudizielle Bindungswirkung erzeugt612. Es wurde zu den Gestaltungsurteilen aufgezeigt, dass die Gestaltungswirkung, wie sie heute verstanden wird, im Ergebnis nichts anderes ist als eine positive Rechtskraftbindung mit erweiterter subjektiver Reichweite613. Ähnliches lässt sich auch bei der hier behandelten »Tatbestandswirkung« des Verwaltungsrechts beobachten: Es soll über sie eine Bindung an den Inhalt erzeugt werden, die eigentlich die Aufgabe der materiellen Bestandskraft wäre – aber unter erweiterter subjektiver Reichweite. Somit scheint auch im Verwaltungsrecht – ähnlich wie im Zivilprozessrecht die »Gestaltungswirkung« – die Tatbestandswirkung eigens dazu gebildet zu sein, eine größere subjektive Reichweite zu schaffen614. Mit Hilfe der Tatbestandswirkung werden somit die subjektiven Grenzen der Bestandskraft gesprengt615. Festzuhalten ist, dass Dritte, die außerhalb der subjektiven Grenzen der materiellen Bestandskraft stehen, die Wirkung des Verwaltungsakts ihnen gegenüber aufheben können. Beide vorgestellten rechtstechnischen Lösungen sind denkbar, beide haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Es handelt sich um dieselben Erwägungen, die auch bei der Entscheidung der (rechtspolitischen) Frage nach der Vorzugswürdigkeit der inzidenten Vorfragenprüfung oder der Widerspruchsklage angebracht wurden616. Darüber hinaus wird als Argument für die Anfechtungsklage die Beziehung zwischen Justiz und Verwaltung617 und damit mit die Gewaltenteilung angebracht. Jedoch wäre dann eher auf die Problematik der Zulässigkeit des Rechtswegs abzustellen, d.h. auf die Beziehung Zivil-/Verwaltungsgerichtsbarkeit. Allerdings besteht bei der Entscheidung zwischen Anfechtungsklage und Vorfragenprüfung ein wesentlicher Unterschied zum Dilemma Widerspruchsklage 612

S. bereits oben, S. 267. S. weiter oben, S. 192. 614 Kopp, DVBl. 1983, 392, 400 hat wohl als einziger die – freilich in die falsche Richtung weisende – Konsequenz gezogen, die Grenzen der materiellen Bestandskraft auszuweiten, damit sie die gesamte öffentliche Hand erfassen. Allerdings greift auch er für die Begründung der Bindung an gestaltende Verwaltungsakte nicht auf die Bestandskraft zurück, sondern auf »allgemeine, vom Verfahrensrecht vorausgesetzte Rechtssätze, die Verwaltungsakten und Urteilen diese Wirkung zuerkennen«. 615 Dies wird deutlich in einer jüngst ergangenen Entscheidung [BGHZ 158 (2005), 19, 22] in der erst – und richtig – festgestellt wird, dass sich die materielle Bestandskraft nur auf die Beteiligten erstreckt. Zur Tatbestandswirkung heißt es in der Folge, dass die Gerichte »die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, das heißt ohne dass sie die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nachprüfen müssten oder dürften, zugrunde zu legen« hätten. Da nochmals hervorgehoben wird, dass »die Tatbestandswirkung ebenso wie die materielle Bestandskraft sachlich nicht weiter reichen kann als die Rechtskraft eines Urteils«, wird deutlich, dass sich die Tatbestandswirkung sachlich mit der Bestandskraft deckt, in personeller Hinsicht aber nicht. 616 S. weiter oben, S. 224. 617 So Jesch, S. 106ff. 613

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oder Vorfragenprüfung, denn anders als bei der Widerspruchsklage wird durch die begründete Anfechtungsklage und das darauf folgende Urteil der Verwaltungsakt nicht lediglich als dem Dritten gegenüber nicht wirksam erklärt, sondern er wird aufgehoben, was Auswirkungen auch auf alle sonstigen Betroffenen hat. Daher ist die Ansicht zu befürworten, die eine inzidente Rechtmäßigkeitsüberprüfung des Verwaltungsakts vornimmt, wenn dieser präjudiziell ist für private Rechte eines Dritten, der nicht durch die materielle Bestandskraft in diesem Vorbringen präkludiert wird. Für eine Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten darüber hinaus wird aber das Rechtsschutzbedürfnis entgegen der älteren Rechtsprechung nur ganz ausnahmsweise fehlen, wenn nämlich die Notwendigkeit der Erhebung der Klage vor den Zivilgerichten erwiesen ist oder gar bereits Klage erhoben wurde und keine weitere geschützte Rechtsposition des Dritten vorgebracht wird, die von dem Verwaltungsakt verletzt wird. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der gestaltende Verwaltungsakt an sich noch keine prozessuale Bindung erzeugt, bis er bestandskräftig wird oder durch das Urteil auf eine erfolglose Anfechtungsklage hin bestätigt. Bis zu diesem Zeitpunkt können sowohl der Adressat als auch Dritte, die in subjektiven Rechten betroffen werden, Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Gestaltung erheben. Nach dem genannten Zeitpunkt werden allerdings diese Einwände präkludiert618. Dritte sind in dieser Hinsicht begünstigt: Ihnen gegenüber tritt materielle Bestandskraft und damit Unanfechtbarkeit nur ein, wenn ihnen der Verwaltungsakt amtlich bekannt gegeben wurde und sie daraufhin keine Maßnahmen ergriffen haben, oder wenn (im Nachbarrecht619) feststeht, dass sie Kenntnis von dem Verwaltungsakt hatten und damit ihr Anfechtungsrecht verwirkt haben. Wenn der Dritte Anfechtungsklage erhebt, wird eine prozessuale Bindung nicht an den Verwaltungsakt, sondern an das Urteil entstehen, und zwar innerhalb der subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft. Bei der hier interessierenden Konstellation, dass der Verwaltungsakt präjudiziell ist für private Rechte eines Dritten, der nicht durch die materielle Bestandskraft des Verwaltungsakts erfasst wird, ist die inzidente Vorfragenprüfung durch ein Zivilgericht der Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 42 II VwGO vorzuziehen. Denn zum einen wird dann die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nur dann geprüft, wenn sie anfällt, und dort, wo sie anfällt, zum anderen hat diese Vorgehensweise den Vorzug, dass sie nicht weitere Kreise zieht als erforderlich, denn der Verwaltungsakt wird nicht aufgehoben, sondern es wird nur seine Wirksamkeit gegenüber dem Dritten im konkreten Rechtsstreit eingeschränkt. Die im Nachbarrecht entwickelte Verwirkung der Anfechtungsbefug618 A.A. Beys, FS Kollhosser II, 49, 63: »Für den Fall nun, dass die Klärung der Sache vor dem anderen Gericht wegen Fristversäumung als aussichtslos erscheint, bleibt dem erkennenden Gericht kein anderer Ausweg, als selbst die präjudiziellen Fragen inzident und ohne Rechtskraftwirkung zu untersuchen«. 619 S. weiter oben, S. 271ff.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

nis gegen eine Baugenehmigung ist nicht auf die hier besprochene Konstellation zu übertragen, da keine Aufhebung des Verwaltungsakts und damit keine Auswirkung auf den Adressaten oder auf weitere Dritte zu befürchten ist. Damit findet eine »Bindung« an den Verwaltungsakt nur im Rahmen der materiellen Bestandskraft statt, die insofern die Funktion der materiellen Rechtskraft übernimmt. Wer von der Bestandskraft nicht erfasst wird, jedoch trotzdem in subjektiven Rechten verletzt wird, kann die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestreiten.

5. Privatrechtsgestaltung durch Enteignung Administrativenteignungen finden – wie die Enteignung durch Gesetz – nicht unmittelbar durch privatrechtsgestaltenden Staatsakt in Folge seiner Regelungswirkung statt, sondern kraft des ermächtigenden Gesetzes620 als dessen materiellrechtliche Folge. Der Verwaltungsakt ist – ähnlich wie der weiter unten zu behandelnde Zuschlagsbeschluss in der Zwangsvollstreckung – richtigerweise lediglich eine materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Enteignung, mit anderen Worten ist die Enteignung ein Eigentumserwerbsgrund, es findet keine Übertragung des Eigentums statt, sondern es entsteht originäres Eigentum. Sehr deutlich wurde dies in einer reichsgerichtlichen Entscheidung formuliert: »Jener Eigentumsverleihungsakt begründet für den Unternehmer vollständig neues, selbständiges, ursprüngliches Eigentum. ... Es findet daher keine Übertragung des Eigentums von dem bisherigen Eigentümer auf den Unternehmer statt, sondern diesem wird vom Staat ›das‹ Alleineigentum an den betreffenden Grundstücken verliehen, woraus sich als notwendige logische Folge ergibt, dass das Eigentum des bisherigen Eigentümers daran erlischt und untergeht«621. Dies wurde auch später durch das OLG Hamm bestätigt, das entschied, dass der Eigentumserwerb durch Enteignung das Grundstück von allen auf ihm ruhenden privatrechtlichen Lasten freimache. »Durch die Entziehung des dinglichen Rechts am Grundstück verliert der bisherige Inhaber dieses Recht. ... Daraus ergibt sich schon, dass diese Wirkung auch eintritt, wenn der wirklich Berechtigte nicht beteiligt und nicht bekannt ist. Die originäre Rechtsnatur des Eigentumserwerbs bedingt, dass der Eigentumsübergang oder sonstige Rechtswirkungen der Enteignung auch dann eintreten, wenn der im Enteignungsverfahren als Eigentümer oder Inhaber des Rechts Auftretende in Wirklichkeit nicht dessen Eigentümer ist; die Enteignung wirkt stets gegen den jeweils Berechtigten«. 20 Jahre später ging auch das OLG Oldenburg von diesem Grundsatz aus, als es bezüglich der Frage der Anwachsung des Eigentums an überfluteten Landflä620 621

Vgl. Art. 14 III 2 GG und dazu Ossenbühl, S. 180f., 203f. RGZ 61 (1905), 102, 106 (Hervorhebung im Original); so auch KG, OLGE 43, 4f.

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

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chen an einer Bundeswasserstraße feststellte: »Dem Bund wird aufgrund hoheitlicher Zuordnung – ähnlich wie im Enteignungs- oder Zwangsversteigerungsverfahren – die uneingeschränkte Eigentümerbefugnis zugewiesen, die in der Regel zum Erlöschen privater Rechte an dem Grundeigentum führt«622. Dem hält Wacke entgegen, dass ein gegen den Buchberechtigten eingeleitetes Enteignungsverfahren nicht gegen den wahren Eigentümer wirke, dem Begünstigten also kein Eigentum nach § 892 BGB verschaffe, auch nicht originär623. Daraus leitet er ab, dass auch durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung kein originäres Eigentum entstehe bei Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuches624. Die Argumentation ist jedoch umzukehren: Da bei der Zwangsversteigerung richtigerweise – und nach ganz überwiegender Meinung – originäres Eigentum entsteht, muss dies um so mehr bei der Enteignung, die zum Wohl der Allgemeinheit geschieht, gelten. Dritte, die durch die Administrativenteignung in ihren privaten Rechtsverhältnissen beeinträchtigt werden, z.B. Mieter oder Pächter eines enteigneten Grundstücks, können Anfechtungsklage erheben625 mit der Folge der Aufhebung des Verwaltungsakts, so dass auch seine vom Gesetz verliehene materiellrechtliche Folge entfällt.

6. Privatrechtsgestaltung in der Zwangsvollstreckung Privatrechtsgestaltung findet auch in der Zwangsvollstreckung durch einzelne Vollstreckungshandlungen statt. Diese sind Prozesshandlungen, die auf das Vollstreckungsverfahren fördernd oder hemmend wirken. Dabei ist die Parteihandlung eine Erwirkungs-, die amtliche Vollstreckungshandlung eine Bewirkungshandlung626. Hier interessieren nur die hoheitlichen Bewirkungshandlungen und die Frage, ob und welche privatrechtsgestaltend sind. Eine separate Prüfung ist erforderlich, da Vollstreckungsakte keine Verwaltungsakte sind: Der Staat wird nicht in eigener Sache tätig, sondern stets in fremder Angelegenheit als unbeteiligter Dritter627. Die drei wesentlichen Vorgänge der Zwangsvollstreckung (die Pfändung, § 803, die Pfandverwertung, §§ 814ff., 825, die Auszahlung des Erlöses an den Gläubiger) erfolgen durch Hoheitsakte628. Dies gilt auch für die Abliefe-

622

OLG Oldenburg, Beschluss vom 17. November 1989, AZ: 5 W 123/89 (aus der juris-Datenbank) 623 MünchKomm-Wacke, § 892 Rn. 32. 624 MünchKomm-Wacke, § 892 Rn. 35. 625 S. weiter oben, S. 273. 626 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 5 III (S. 55). 627 Gaul, Rpfleger 1971, 41, 50; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 2 I 3 (S. 12); Windel, ZZP 102, 175, 188f. 628 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 1 IV (S. 7).

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

rung629, während nach anderer Ansicht ein öffentlich-rechtlicher Übereignungsvertrag zwischen dem Gerichtsvollzieher (bzw. dem Staat) und dem Erwerber stattfindet630. Privatrechtsgestaltung findet statt im Rahmen der Ablieferung der ersteigerten Sache bzw. des Zuschlagbeschlusses (§ 817 ZPO/§ 90 ZVG), der Auszahlung des Erlöses sowie der Überweisung an Zahlungs statt, die die volle Wirkung einer Abtretung hat. Bei der Pfändung an sich und somit auch dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss631 ist das Verfügungsverbot privatrechtsgestaltend. Da es jedoch bereits materiellrechtlich als relatives Verbot entsteht (§§ 135f. BGB), das nur gegenüber dem Gläubiger wirkt, stellt sich nicht weiter die Frage nach der Maßgeblichkeit der Verfügungsbeschränkung. Nach § 825 kann auch eine Eigentumszuweisung an eine bestimmte Person stattfinden – auch hier findet hoheitliche Privatrechtsgestaltung und Eigentumszuweisung durch den Gerichtsvollzieher statt. Dasselbe gilt beim freihändigem Verkauf durch den Gerichtsvollzieher, denn die Übereignung wird nicht durch die Anordnung der anderweitigen Verwertung ersetzt632. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Privatrechtsgestaltung, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung stattfindet, insbesondere die Eigentumszuweisung, von Dritten, die von einem Vollstreckungsakt in ihrer privaten Rechtslage betroffen werden, in Frage gestellt werden kann. Stein schrieb, dass die Versteigerung ein prozessualer Vorgang ist, der rechtsändernd in materielle Rechtsverhältnisse eingreift633. Der BGH formuliert vorsichtiger: Der Zuschlagsbeschluss nach § 90 ZVG habe die Bedeutung eines Richterspruchs, der »bestimmend« sei für die Rechtsstellung des Erstehers und für die Änderungen, die durch den Zuschlag an den Rechten der Beteiligten eintreten634. Das Reichsgericht dagegen meinte, dass durch den Zuschlag in der Immobiliarversteigerung der Richter das Grundstück dem Ersteher überträgt635. Unzweifelhaft findet beim Eigentumserwerb eine Gestaltung der privaten Rechtslage statt. Allerdings ist der Zuschlag bzw. die Ablieferung nur im Ergebnis als privatrechtsgestaltender Hoheitsakt einzustufen636. Genau genommen tritt die Gestaltung nämlich ein, weil eine materielle Entscheidungsnorm dies als ma629 Dies gebietet die prozessuale Betrachtungsweise, die richtigerweise auch in der Zwangsvollstreckung gilt, s. nur Gaul, GS Arens, 89, 115; Stein/Jonas-Münzberg, § 817 Rn. 21 m.Nachw. 630 MünchKommZPO-Schilken, § 817 Rn. 11; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 53 III 1 b (S. 819) m.Nachw. 631 Lüke, FS BGH, 441. 632 MünchKommZPO-Schilken, § 825 Rn. 11f.; Stein/Jonas-Münzberg, § 825 Rn. 15 633 Stein, Grundfragen, S. 66. 634 BGHZ 53 (1970), 47, 50. 635 RGZ 60 (1905), 48, 54 (Hervorhebung durch Verf.) – allerdings ist heute richtigerweise nicht mehr von einer Übertragung, sondern von einer Zuweisung auszugehen. 636 S. jedoch RGZ 60 (1905), 48, 54; Gaul, Rpfleger 1971, 41, 47 und dort Fn. 191; Gaul, GS Arens, 89, 118 und dort Fn. 138.

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teriellrechtliche Folge des Zuschlags/der Ablieferung vorsieht637, sozusagen als atypische »Tatbestandswirkung«. Der Erwerber erlangt nämlich Eigentum auch an schuldnerfremden Sachen, und zwar lastenfrei, unabhängig von gutem Glauben638. Es handelt sich hier um eine besondere Rechtslage: Bereits materiellrechtlich liegt keine Eigentumsübertragung vor, denn das Eigentum des Erstehers wird nicht vom Eigentum des Schuldners abgeleitet und die §§ 929ff. BGB sind nicht Tatbestandsvoraussetzungen, sondern um das originäre Entstehen neuen Eigentums, dessen einzige Tatbestandsvoraussetzungen die wirksam durchgeführte Zwangsversteigerung und Ablieferung sind, unabhängig vom Bestehen der titulierten Forderung und des Pfändungspfandrechts und auch vom Eigentum des Schuldners an der Sache. Dies gilt nicht nur Dritten gegenüber, sondern auch im Hinblick auf den Ersteher, der unter den genannten Voraussetzungen Eigentum erlangt, unabhängig von seiner Gutgläubigkeit. Es wird nicht die rechtsgeschäftliche Übertragung durch den Hoheitsakt ersetzt639, wie sich aus der Tatsache zeigt, dass nicht vorab die Voraussetzungen der §§ 929ff. BGB geprüft und bejaht werden, bevor die Ablieferung/der Zuschlag ergeht, sondern es wird originäres Eigentum verschafft und das bis dahin vorhandene Eigentum geht unter640. Insofern handelt es sich hier nicht um eine Bindungsfrage: Eine Bindungsproblematik hätte nur dann vorgelegen, wenn die §§ 929 BGB vor der Eigentums-zuweisung zu prüfende Voraussetzungen wären und lediglich nach einer bestimmten Frist diesbezügliche Einwände bestimmten Personen abgeschnitten wären. Stattdessen liegt ein selbständiger materiellrechtlicher Eigentumserwerbstatbestand vor, nämlich durch Zwangsversteigerung und Ablieferung, der sogar absolut ist, denn in seiner Folge geht eventuelles sonstiges Eigentum Dritter materiellrechtlich unter641, obwohl es mitnichten »Verfahrensgegenstand« der Vollstreckungshandlung gewesen war. Der Eigentumserwerb ist wenn man so will eine »Tatbestandswirkung« des Hoheitsakts, vorgesehen durch die – bei der Mobiliarvollstreckung ungeschriebene, bei der Immobiliarvollstreckung in § 90 ZVG verbriefte – Entscheidungsnorm, dass durch die Ablieferung originäres Eigentum an der ersteigerten Sache entsteht und jedes andere Eigentum untergeht und dass der Erlös an die Stelle der versteigerten Sache tritt. Es handelt sich dabei um materiellrechtliche Normen des Zivilprozessrechts, d.h. um Entscheidungsnormen642.

637 So bereits Stadlhofer-Wissinger, S. 102ff.: feststellende Wirkung des Zuschlagsbeschlusses, da sich die Rechtsfolgen schon aus dem Gesetz ergeben. 638 S. nur BGHZ 119 (1993), 75, 76f. m.Nachw. auch zur Gegenansicht, die sich gegen einen Erwerb bei Bösgläubigkeit ausspricht. 639 S. jedoch Rosenberg/Gaul/Schilken, § 53 III b (S. 819) mit Nachw.: Bei der Immobiliarvollstreckung liegt ein öffentlich-rechtlicher Übereignungsvertrag analog § 929 S. 1 BGB vor. 640 Zur Gegenansicht s. weiter oben, S. 279. 641 Mutatis mutandis gelten die genannten Grundsätze auch für den Eigentumserwerb am Erlös durch die Auszahlung. 642 Dazu s. bereits weiter oben, S. 6.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Dass es sich nicht um eine Bindungsfrage im prozessualen Sinne handelt, zeigt sich auch daran, dass sich die Klage des Dritten auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung643 nicht auf den Verlust des Eigentums an der versteigerten Sache bezieht, sondern auf den Verlust des Eigentums am Erlös, der an ihre Stelle getreten ist. Dies ist nur dann zu erklären, wenn der Eigentumsverlust an der Sache als materiellrechtliche »Tatbestandswirkung« der Vollstreckungshandlung eingetreten ist, mit anderen Worten wenn für die Vermögensverschiebung die Vollstreckungshandlung als solche (und nicht ihre materiellrechtliche Grundlage) die materielle causa bestand. Denn wenn der Eigentumsverlust aufgrund der »Gestaltungswirkung« eingetreten wäre, müsste sich die Bereicherungsklage gegen den Ersteher richten wegen Verlusts des Eigentums an der versteigerten Sache/ dem Versteigerten Grundstück durch materiellrechtlich ungerechtfertigte Ablieferung/ungerechtfertigten Zuschlagsbeschluss. Nur für das Behaltendürfen des Erlöses wird als zusätzlicher rechtlicher Grund das Pfändungspfandrecht verlangt, das an schuldnerfremden Sachen nicht entsteht644. Unter diesem Blickwinkel ist auch der von Stadlhofer-Wissinger vertretenen These, dass es sich beim Zuschlagsbeschluss um einen feststellenden Akt handelt, weil sich die Rechtsänderung bereits aus dem Gesetz ergibt645, zu folgen. Dies zeigt auch die Tatsache, dass auch ohne besonderen Ausspruch im Zuschlagsbeschluss der Ersteher Eigentum erwirbt, was selbst für die mitversteigerten Gegenstände gilt, die auch nicht nach § 929 BGB übergeben werden müssen (§ 90 II ZVG). All dies lässt sich am besten mit der hier gewonnenen Erkenntnis vereinbaren, dass die Gestaltung nicht aufgrund der Regelungswirkung des Hoheitsakts eintritt, sondern als materiellrechtliche Rechtsfolge einer Entscheidungsnorm. Dass der Eigentumserwerb sich bereits kraft Gesetzes ergibt und nicht als »Gestaltungswirkung« des Vollstreckungsakts, zeigt sich auch in den Fällen, in denen die Ablieferung zwar wirksam ist, jedoch trotzdem kein Eigentumserwerb statt643 Zwar wurde auch die Ansicht vertreten, das Vollstreckungsverfahren führe zu einer endgültigen Erlösverteilung (s. Harald Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materielle Ausgleichsansprüche, Bielefeld 1971; dazu kritisch Gaul, AcP 173, S. 323ff.). Ihm käme eine so genannte Vollstreckungskraft, ähnlich der materiellen Rechtskraft, zu. Diese bewirke, dass die Rechtmäßigkeit des Vollstreckungsverfahrens auch nicht in einem späteren Bereicherungsoder Schadensersatzprozess überprüft werden könne: Dem Vollstreckungsgläubiger könne der ihm von den staatlichen Vollstreckungsorganen ausgehändigte Vollstreckungserlös nicht über eine Bereicherungsklage wieder entzogen werden (Böhm, S. 19, 68, 88; ähnlich Bötticher, ZZP 85, 1, 14; Günther, AcP 178, 456, 463f.). Diese Ansicht hat zu Recht keinen Anklang gefunden. Selbst wenn das Vollstreckungsverfahren eine Vollstreckungskraft, vergleichbar der materiellen Rechtskraft erzeugen sollte – was an sich schon bezweifelt werden kann (s. dazu Gaul, AcP 173, 323, 327; Gaul, FS BGH, 521, 522) – wäre diese nicht geeignet, Dritten, die nicht am Verfahren teilgenommen haben, Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung abzuschneiden [so zu Recht auch BGHZ 119 (1993), 75, 86; Gaul, AcP 173, 323, 328]. 644 S. nur Gaul, ZZP 112, 135, 178. 645 Stadlhofer-Wissinger, S. 102ff.

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findet. Das ist der Fall, wenn zwar Verstrickung vorliegt, jedoch wesentliche Voraussetzungen des Versteigerungsverfahrens verletzt wurden646. Noch deutlicher tritt dies hervor in der Immobiliarvollstreckung, wenn sich der Zuschlag auch auf bewegliche Gegenstände erstreckt hat, die nicht nach § 55 II ZVG mitversteigerungsfähiges Zubehör bildeten, sondern wegen der vorübergehenden Zweckbindung Scheinzubehör sind647. Dasselbe gilt für bereits im Zeitpunkt der Versteigerung des Grundstücks entferntes Fremdzubehör, an dem der Ersteher kein Eigentum erwirbt, auch wenn der Rechtspfleger entgegen § 55 II ZVG die Versteigerung darauf erstreckt hat648. In diesen Fällen erwirbt der Ersteher kein originäres Eigentum, wie dies der Fall wäre, wenn der Eigentumserwerb auf der »Gestaltungswirkung« des Vollstreckungsakts beruhen würde, und dem Dritten ist die Herausgabeklage gegeben649, denn trotz formgerechten Ablieferungsvorgangs ist kein originäres Eigentum entstanden und damit auch nicht das bisherige untergegangen650. Dass gilt sogar dann, wenn die betreffenden Gegenstände fälschlicherweise im Wertgutachten erwähnt sind651. Insgesamt kann von einer prozessualen Bindung an Vollstreckungshandlungen keine Rede sein. Die Vollstreckungsmaßnahme an sich entfaltet noch keine prozessuale Bindungswirkung. Wenn sie in Rechte der Parteien oder Dritter eingreift, können diese eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme mittels der formalisierten Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung herbeiführen. Die gerichtliche Entscheidung, die hierauf ergeht, entfaltet prozessuale Bindungswirkung im Rahmen ihrer Rechtskraft, die subjektive Reichweite bestimmt sich nach §§ 325ff.652. Ansonsten kann die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung theoretisch im Rahmen eines zivilprozessualen Verfahrens inzident überprüft werden. Allerdings wird dies in den seltensten Fällen erfolgreich sein653, da der Grundsatz des materiellrechtlich originären Rechtserwerbs durch die Zwangsvollstreckung entgegensteht. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit dem Prüfungsumfang bei den sogenannten Tatbestandswirkun646 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 53 III 1 b aa (S. 819) m.Nachw.; Jauernig, ZwVR, § 18 IV 1 (S. 85) a contrario: Eigentumserwerb »sofern die wesentlichen Versteigerungsvorschriften eingehalten worden sind«). 647 OLG Düss., v. 24. 11. 1993, AZ 11 U 46/93 – relevant im Hinblick auf Mietereinbauküchen, s. z.B. OLG Düss., NJW-RR 1994, S. 1039ff., insbesondere, wenn sie nicht so speziell für den Raum angefertigt worden sind, dass niemand die »Mitnahme einer solchen Spezialanfertigung« erwartet, AG Linz, ZMR 1996, 269ff. 648 OLGR Rostock 2003, 223f. 649 Zum selben Ergebnis käme man übrigens, selbst wenn man den Eigentumserwerb als Folge eines gestaltenden Charakters der Vollstreckungshandlung einstufen sollte, über den in dieser Arbeit entwickelten Grundsatz über die relative Wirkung von Gestaltungsakten. 650 MünchKommZPO-Schilken, § 817 Rn. 12 m.Nachw. 651 BGH, NJW 1984, 2277, 2278. 652 Z.B. zur Entscheidung über die Erinnerung Rosenberg/Gaul/Schilken, § 17 XI 2 (S. 596). 653 Z.B., wenn wesentliche Vorschriften des Vollstreckungsverfahrens verletzt wurden oder rechtswidrig Scheinzubehör eines Grundstücks mitversteigert wurde, s. weiter oben, S. 282.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

gen, wo sich wie hier keine Frage nach der prozessualen Bindung stellt, sondern die materiellrechtliche Entscheidungsnorm an die Tatbestandsvoraussetzung des Erlasses eines bestimmten Hoheitsaktes eine materiellrechtliche Folge des Privatrechts knüpft. Allerdings würde es sich um eine atypische Tatbestandswirkung handeln. Der Unterschied zu der typischen Form einer Tatbestandswirkung besteht darin, dass dort die materiellrechtliche Wirkung als mehr oder minder zufälliges Nebenprodukt, als Reflexwirkung, entsteht, während hier der einzige Sinn und Zweck der Ablieferung wie auch des Zuschlagsbeschlusses in dem Eigentumserwerb besteht. Damit bildet die Ablieferung und der Zuschlagsbeschluss – ausnahmsweise – einen materiellrechtlich relevanten Gestaltungsgrund. Dies steht zwar der hier für richtig gehaltenen prozessualen Betrachtungsweise entgegen, wird aber gerade in der Zwangsvollstreckung durch rechtspolitische Ziele vorgegeben, denn wenn der Ersteher durch die Zwangsversteigerung kein materiellrechtlich originäres Eigentum erwerben könnte, wäre ihre Attraktivität weitaus geringer mit dem Erfolg viel geringerer Erlöse, was wiederum die Rechtsschutzmöglichkeiten des Gläubigers deutlich einschränken würde. Die Eigenart des Vollstreckungsverfahrens dagegen, in dem keine materiellrechtlichen Voraussetzungen geprüft werden, spräche eher gegen einen originären Rechtserwerb, denn das Eigentum des Dritten geht ohne jegliche Rechtsschutzmöglichkeit endgültig durch ein Verfahren unter, das – von der Möglichkeit der Erhebung der Drittwiderspruchsklage abgesehen, die jedoch oft an der mangelnden Kenntnis des Dritten von der Vollstreckung scheitern wird – die Möglichkeit dieses Eigentumsverlustes ohne entsprechende Garantien »billigend in Kauf nimmt«. Dass der Erlös an die Stelle des versteigerten Gegenstands tritt, ist in dieser Hinsicht kaum ein ausreichender Ausgleich, zum einen angesichts der Tatsache, dass in der Zwangsversteigerung regelmäßig ein unter dem Marktwert liegender Erlös erzielt wird, zum anderen da auch dieser Erlös vom Dritten lediglich durch eine Klage auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden kann. Letztendlich ist daher der materiellrechtliche originäre Eigentumserwerb durch die Zwangsvollstreckung nur durch eine zugunsten des Gläubigers ausgehende Abwägung zu rechtfertigen: Es stehen sich der vom Staat durchzusetzende Anspruch des Gläubigers, der – da er bereits mit einem vollstreckbaren Titel versehen ist – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch besteht, und der Schutz des Dritteigentums gegenüber, der nur ausnahmsweise relevant wird, weil in der Regel keine schuldnerfremden Gegenstände versteigert werden. Zumindest nach heute allgemeiner Sicht überwiegt die effektive Verwirklichung des Vollstreckungsverfahrens – der Ersteher profitiert lediglich als Trittbrettfahrer von dieser rechtspolitischen Wertung. Der Eigentumserwerb in der Zwangsvollstreckung basiert somit – untypisch und eigentlich auch systemwidrig – nur mittelbar auf der Vollstreckungshand-

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lung, die lediglich ein materiellrechtlicher Gestaltungsgrund für die Auslösung der Rechtsfolge originärer Eigentumserwerb ist und kein privatrechtsgestaltender Hoheitsakt. Dies zeigt sich auch darin, dass – wenn auch selten – manchmal trotz wirksamer Ablieferung oder wirksamem Zuschlagsbeschluss kein Eigentumserwerb stattfindet. Dabei handelt es sich zwar um die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften des Vollstreckungsrechts, die jedoch im Hinblick auf den Eigentumserwerb materielle Tatbestandsvoraussetzungen der (bei der Mobiliarvollstreckung ungeschriebenen, bei der Immobiliarvollstreckung ausdrücklich in § 90 ZVG vorgesehenen) Entscheidungsnorm sind, die als Rechtsfolge den Eigentumserwerb vorsieht. Bezeichnend ist auch ein Fallbeispiel, das bei Bruns/Peters entwickelt654 und von Jauernig übernommen wurde: G lässt einen wertvollen Teppich pfänden, von dem er genau weiß, dass er dem S nur in Verwahrung gegeben wurde, und ersteigert diesen selbst. Unter gewissen Umständen soll dann der Erwerb nach § 826 BGB »unbeachtlich sein« bzw. es soll überhaupt kein Eigentum erworben werden655. Dies kann nur bedeuten, dass der Dritte, dem der Teppich ehemals gehörte, auf Herausgabe gegen den Gläubiger/Ersteher klagen kann, und zwar trotz wirksamer Ablieferung! In eine ähnliche Richtung geht auch die Rechtsprechung zum Zuschlagbeschluss in der Immobiliarvollstreckung, dass an Fremdzubehör kein Eigentum erworben wird, selbst wenn die Versteigerung gegen § 55 II ZVG auch darauf erstreckt wurde. Insgesamt liegt dem Eigentumserwerb durch Zwangsversteigerung eine der Enteignung vergleichbare rechtliche Situation zugrunde656. Bei der Forderungspfändung wird zuweilen eine Parallele zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung bemüht. »Liegt ... ein wirksamer – wenn auch fehlerhafter – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (an Zahlungs statt) vor, so muss jeder Richter den dadurch bewirkten Forderungsübergang anerkennen, solange der Beschluss nicht förmlich aufgehoben ist, ebenso wie er eine wirksame – wenn auch durch Irrtumsanfechtung vernichtbare – Zession hinnehmen muss«657. Diese Argumentation ist verfehlt, denn es werden dadurch zwei ungleiche Fälle nicht nur verglichen, sondern fälschlicherweise auch gleichgestellt. Eine materiellrechtliche Zession ist nämlich lediglich dann wirksam, wenn ihre materiellrechtlichen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, während der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, dessen materiellrechtliche Voraussetzungen nicht vorliegen, trotzdem wirksam ist. Korrekt kann also der materiellrechtlich fehlerhafte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch nur mit der materiellrechtlich fehlerhaften Zession vergli654

Bruns/Peters, S. 158. Beide Formulierungen bei Jauernig, ZwVR, § 18 IV 1 (S. 85). 656 S. weiter oben, S. 278 – zur Ansicht Wackes, dass sowohl Zwangsversteigerung als auch Enteignung zu keinem originären Rechtserwerb führen s. weiter oben, S. 279. 657 Nicklisch, S. 140f. 655

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chen werden, und diese ist gerade nicht wirksam, so dass auch kein Richter an sie »gebunden« ist. Nichts anderes gilt, wenn die Zession durch Irrtumsanfechtung angreifbar wäre, denn diese macht sie nicht materiellrechtlich fehlerhaft. Es liegen sämtliche (objektiven) materiellrechtlichen Voraussetzungen vor, es besteht lediglich die Möglichkeit, ausnahmsweise ein subjektives Element geltend zu machen, das sogar der objektiven Lage zuwiderläuft. Diese Möglichkeit, die durch ein Recht des rechtlichen Könnens geltend gemacht wird und damit ein neues Tatbestandsmerkmal setzt, das eine neue rechtliche Folge erzeugen wird, kann nicht in eine präventive negative Wirksamkeitsvoraussetzung uminterpretiert werden der Form, eine Willenserklärung und ein Rechtsgeschäft seien nur dann wirksam, wenn es nicht anfechtbar ist. Damit ist die genannte Schlussfolgerung falsch und der korrekt durchgeführte Vergleich von materiellrechtlich fehlerhafter Zession und materiellrechtlich fehlerhaftem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss führt umgekehrt zu der Schlussfolgerung, dass beide nicht vom Richter berücksichtigt werden dürften. Hier ergibt sich eine Problematik der Privatrechtsgestaltung sowieso nur bei der so gut wie nie vorkommenden Überweisung an Zahlungs statt, da das Verfügungsverbot der Pfändung nach §§ 135f. BGB lediglich ein relatives ist, so dass sich eine Bindungsproblematik erst gar nicht stellt658. Auch die bei der Vollstreckung in körperliche Gegenstände am häufigsten vorkommende Problematik des Eigentumserwerbs stellt sich bei der Forderungspfändung nicht, da die Pfändung einer schuldnerfremden Forderung nach allgemeiner Ansicht ins Leere geht659, so dass der wichtigste Fall der Drittbetroffenheit entfällt. Bereits die Formulierung »geht ins Leere« ist bemerkenswert, denn sie ist hinreichend ungenau, insbesondere wird elegant offen gelassen, ob der Beschluss nichtig sein soll, was sehr beachtenswert wäre, denn es handelt sich um einen ordnungsgemäß ergangenen gerichtlichen Beschluss, der lediglich nicht korrekt ist. Sollte der Beschluss nicht nichtig sein – was zutreffend ist – ist es noch bemerkenswerter, dass die angeordnete Rechtsfolge einfach nicht beachtet wird wegen eines Fehlers, der im Bereich des materiellen Rechts liegt. Dies deutet drauf hin, dass die Gestaltung nicht aufgrund der Regelungswirkung des Beschlusses stattfindet, sondern – insofern wie bei der Sachpfändung – als materiellrechtliche Folge und atypische Tatbestandswirkung desselben, was untypisch ist und mit einer prozessualen Betrachtungsweise nicht vereinbar. Der Unterschied zur Sachpfändung liegt darin, dass durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht auch dann die »Tatbestandswirkung« eintritt, wenn die Forderung schuldnerfremd war. Ähnlich bemerkenswert ist, dass das BAG die Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses annahm, wenn in dem 658

S. bereits weiter oben, S. 280. BGH, NJW 2002, 755, 757; Brox/Walker, Rn. 615 (S. 363) m.Nachw.; Rosenberg/Gaul/ Schilken, § 55 I 3 a aa (S. 850). 659

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Beschluss ein pfändbarer Betrag ohne gesetzliche Grundlage festgesetzt wird660. Es ist jedoch ganz und gar ungewöhnlich und widerspricht der prozessualen Betrachtungsweise, wenn ein gerichtlicher Beschluss als nichtig betrachtet wird, weil er materiellrechtlich nicht »begründet« ist. Allerdings kann es z.B. vorkommen, dass eine unpfändbare (z.B. eine nicht abtretbare) Forderung gepfändet wird (§§ 850ff.). Bei der hier einzig relevanten Pfändung an Zahlungs statt hat der Drittschuldner in diesem Fall auch nicht wie bei der Überweisung zur Einziehung661 die Möglichkeit, Erinnerung einzulegen, da die Vollstreckungsmaßnahme bereits mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses beendet wird662. Daher stellt sich die Frage, inwieweit die Rechtswidrigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im späteren Einziehungsprozess geltend gemacht werden kann. Die Behandlung der Problematik bei der Sachpfändung und der Enteignung legt eine materiellrechtliche Antwort nahe: Durch die wirksame Verwertung durch die Überweisung an Zahlungs statt würde dem Vollstreckungsgläubiger die Forderung ipso iure abgetreten als materiellrechtliche Folge, die als solche nicht mehr rückgängig zu machen ist – die Abtretung im Einziehungsprozess würde dann materiellrechtlich berücksichtigt. Andererseits besteht ein Unterschied zwischen Sach- und Forderungspfändung: Während bei der Sachpfändung schuldnerfremder Gegenstände originäres Eigentum entsteht, wird bei der Pfändung einer schuldnerfremden Forderung angenommen, dass sie ins Leere geht. Auch diese Rechtsfolge zeigt jedoch, dass die Gestaltung nicht auf die Regelungswirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückzuführen ist, sondern eine Art atypische Tatbestandswirkung ist663. In der Rechtsprechung wird bei der Frage nach der Prüfungskompetenz des Prozessgerichts je nachdem differenziert, ob die Forderungspfändung materiellrechtlich rechtswidrig war, oder ob lediglich Vorgaben des Vollstreckungsrechts verletzt wurden und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss anfechtbar ist. In letzterem Fall wird eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verneint. Im ersten Fall dagegen, wenn die Pfändbarkeit nach materiellem Recht zu beurteilen ist, kann das Prozessgericht im Einziehungsprozess die Rechtmäßigkeit voll überprüfen664. Das gilt z.B., wenn eine Forderung gepfändet wurde, die nicht abtretbar ist665. Auch der Einwand, die 660 BAG, NJW 1989, 2148, 2149; ähnlich Henckel, ZZP 84 (1971), S. 447, 453f.: das wünschenswerte Ergebnis, dass die Unpfändbarkeit als Einwendung im Einziehungsprozess vorgebracht werden kann, ist am besten konstruktiv zu erreichen, wenn man schon die Pfändung und demzufolge auch die Überweisung als unwirksam ansieht. 661 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 37 V 3 aa (S. 590). 662 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 55 II 2 (S. 863). 663 S. bereits S.286. 664 BAG, NJW 1977, 75.; a.A. (gegen jegliche Möglichkeit des Vorbringens der Anfechtbarkeit vor dem Prozessgericht) OLG Hamm, FamRZ 1985, 407f.; OLG Hamm, FamRZ 1978, 602f. 665 RGZ 66, 233, 234; deutlicher RGZ 93, 74, 78; LG Koblenz, MDR 1976, 232.

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B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Stammeinlageforderung sei unpfändbar, ist auch im Drittschuldnerprozess zu prüfen, sofern der Drittschuldner ihn erhebt666. Zwar würde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch bei materiellrechtlicher Unpfändbarkeit gegen eine prozessuale Rechtsnorm verstoßen, nämlich gegen § 851 I, wonach eine Forderung der Pfändung nur insoweit unterworfen ist, als sie übertragbar ist. »Die Frage der Übertragbarkeit ist aber eine solche des materiellen Rechts und als solche meist schwierig zu beurteilen; das gilt auch für die nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz zu beurteilende Frage der Pfändbarkeit von Arbeitnehmersparzulagen. Es ist nicht möglich, sie vor Erlass des Pfändungsbeschlusses umfassend zu prüfen«667. Außerdem biete das Erkenntnisverfahren mindestens die gleiche, wenn nicht die größere Garantie für die zutreffende Beurteilung der Rechtslage668. Die Prüfungskompetenz des Prozessgerichts wird damit trotz angenommenen Gestaltungscharakters des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bejaht. Damit wird gleichzeitig deutlich, dass eine inzidente Überprüfung der Rechtswidrigkeit von gestaltenden gerichtlichen Entscheidungen nicht nur nicht denklogisch ausgeschlossen ist, sondern auch dem deutschen Verfahrensrecht – wenn auch eher unbewusst – bekannt. Etwas anderes gelte, was vollstreckungsrechtliche Fragen betrifft, z.B. die Bestimmung der besonderen Pfändungsgrenze nach § 850d669. Auch von der Lehre wird nach h.M. eine ähnliche Differenzierung vorgenommen. Unstreitig kann die Unpfändbarkeit der Forderung aus materiellrechtlichen Gründen, namentlich weil sie nicht abtretbar ist, auch im Einziehungsprozess geltend gemacht werden670. Im übrigen wird von der ganz h.M. der Vortrag der Rechtswidrigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Einziehungsprozess verneint671. Die Begründung ist jedoch nicht eindeutig. Zum einen wird die »Gestaltungswirkung« des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses672 herangezogen, zum anderen die Funktions- bzw. Kompetenzverteilung zwischen Vollstreckungsund Prozessgericht673. Auf die »Gestaltungswirkung« wird man sich jedoch nicht berufen können, denn auch der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der eine 666

OLG Hamm, DB 1992, 1082. BAG, NJW 1977, 75. 668 BGH, NJW 1977, 75. 669 BAG, NJW 1977, 75. m.Nachw. 670 S. nur Rosenberg/Gaul/Schilken, § 55 II 1 cc (S. 863) m.Nachw. 671 Gaul, Kreditinstitute, S. 29f.; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 55 II 1 c cc (S. 863) m.Nachw.; noch restriktiver Blomeyer, ZwR, § 55 IV 1 (S. 233). 672 BGH, NJW 1976, 851f. 673 Gerhardt, § 9 II 1 (S. 130); Lüke, FS BGH, 441, 449; Lüke, JuS 1996, 185, 187; nach Gaul, Kreditinstitute, S. 5, 28f. und Rosenberg/Gaul/Schilken, § 55 II 1 cc (S. 863) findet der Ausschluss »aufgrund der rechtsgestaltenden Wirkung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und vor allem wegen der Funktionsteilung zwischen Vollstreckungsgericht und Prozessgericht« statt (Hervorhebung von Verf.). 667

II. Die Bindung der Gerichte an sonstige privatrechtsgestaltende Hoheitsakte

289

nicht abtretbare und damit unpfändbare Forderung erfasst, ist wirksam und entfaltet »Gestaltungswirkung« und trotzdem ist man sich darüber einig, dass seine Rechtmäßigkeit im Einziehungsprozess geprüft werden darf. Zweiterer Aspekt der Funktionsteilung zwischen Vollstreckungs- und Prozessgericht klingt auch – spiegelbildlich und für die Prüfungsmöglichkeit durch das Prozessgericht – in der oben erwähnten Entscheidung des BAG an: Hier wurde die Prüfungsbefugnis bezüglich der im materiellen Recht begründeten Unpfändbarkeit der gepfändeten Forderung damit untermauert, dass das Vollstreckungsgericht »nicht als die vorrangig sachkundige gerichtliche Instanz« bezeichnet werden könne674. Für die prozessualen Fragen könnte man meinen, dass das Vollstreckungsgericht die vorrangig sachkundige gerichtliche Instanz darstelle. Jedoch ist hier zu beachten, dass die meisten Einschränkungen der Pfändbarkeit ausdrücklich im Gesetz festgelegt werden – zum großen Teil sogar in konkreten Zahlen ausgedrückt675. Darüber hinaus ergeht oft ein Blankettbeschluss, in dem lediglich die Grenzen des § 850c erwähnt werden, was ausdrücklich in § 850c III 2 vorgesehen ist, so dass der Drittschuldner die Berechnung übernehmen muss676. Gerade in diesem Fall wird deutlich, dass die Pfändbarkeit nicht aufgrund der Regelungswirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingeschränkt wird, sondern durch die Rechtsnormen selbst, die sogar eine zahlenmäßige Bestimmung enthalten, so dass der Beschluss insofern keine gestaltende, sondern deklaratorische Wirkung hat. In den Worten Baur/Stürners: Hier »bestimmt« das Gericht nicht, es »rechnet«677. Daher sollte der Drittschuldner auch die diesbezügliche Rechtswidrigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Einziehungsprozess rügen können678. In diese Richtung weist, wenn auch beiläufig, auch eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1983. In der Frage, ob dem Schuldner die Berechnung des angemessenen Unterhalts der Familie des Schuldners aufgebürdet werden könne, wenn keine Bestimmung nach § 850c IV vorliegt, die die unterhaltsberechtigte Person als nicht zu berücksichtigen erklärt, argumentiert das BAG wie folgt: »Im übrigen müssten sie (Drittschuldner und Gläubiger, Anm. der Verf.) damit rechnen, dass ihre Überlegungen in einem Rechtsstreit vor den Gerichten nicht geteilt würden; dadurch würden ihnen unnötige Kosten entstehen«679.

674

BGH, NJW 1977, 75. S. jedoch Gaul, Kreditinstitute, S. 29f.: Die Missachtung der Grenzen der Pfändbarkeit sei nur mit der Erinnerung, nicht im Einziehungsprozess, zu rügen, da die Begrenzung der Pfändbarkeit nicht ex lege stattfinde, sondern erst festgesetzt werden müsse. 676 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 56 VII 1 (S. 880). 677 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 24.36. 678 A.A. Jauernig, ZwVR, § 33 1 J. 679 BAG, ZIP 1983, 1247, 1248f. 675

290

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

Einzig im Fall, dass das Vollstreckungsgericht einen Ermessensspielraum hat, wie z.B. in §§ 850c IV, 850f, könnte man dies anders sehen680. Andererseits wird selbst von Autoren, die die Prüfungskompetenz des Prozessgerichts verneinten, im Fall des § 850h eine Geltendmachung im Einziehungsprozess befürwortet, »weil dort auch das Prozessgericht den unpfändbaren Betrag festsetzen kann und i.d.R. auch festsetzt, so dass diesbezügliche Einwendungen auch gegenüber der Einziehungsklage zuzulassen sind«681. Dies ist insofern bemerkenswert, als § 850h II sogar einen Ermessensspielraum erlaubt, da eine »angemessene Vergütung als geschuldet« gilt, so dass hier das Gericht nicht »rechnet«, sondern »bestimmt«. Allerdings wäre bei einer Verneinung der Prüfungskompetenz des Prozessgerichts der Grund nicht im gestaltenden Charakter des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu sehen, sondern allenfalls in der Kompetenzverteilung zwischen Vollstreckungs- und Prozessgericht. Da jedoch auch im Hinblick auf diese Frage dem Vollstreckungsgericht weder eine größere Sachnähe noch eine größere Fachkompetenz zuzusprechen ist, sollte richtigerweise auch in diesen Fällen eine Überprüfung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Einziehungsprozess möglich sein682.

III. Registerpublizität und Gestaltung Einige von den Gestaltungsurteilen werden in Register eingetragen, die in unterschiedlichem Ausmaß bestimmen, wer sich unter welchen Voraussetzungen auf das eingetragene Urteil verlassen darf, bzw. wem der Inhalt entgegengehalten werden kann683. Einige der Gestaltungsurteile können nämlich gutgläubigen Dritten nur entgegengehalten werden, wenn sie in ein Register eingetragen wurden. Die Beschränkung der Bindung Dritter nur, wenn das Urteil eingetragen wurde, gilt z.B. für das Urteil, das die Gütergemeinschaft aufhebt (§ 1449 II i.V.m. § 1412 BGB) und für das Urteil, das eine OHG auflöst (§§ 143, 15 HGB). Damit wird deutlich, dass das Gestaltungsurteil nicht ohne weiteres gegenüber Dritten wirken muss, wie bislang angenommen wurde, bzw. dass eine relative Geltung eines Gestaltungsurteils durchaus möglich ist, was die hier vertretene These bekräftigt. Da die Vorschriften über die Registereintragung Angaben über die »Bindung« Dritter machen, muss darüber hinaus untersucht werden, ob die Registereintragung – zumindest in einigen Fällen – über die Beschränkung der 680 So z.B. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 24.36, weil hier das Gericht nicht »rechnet«, sondern »bestimmt«. 681 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 55 II 1 c cc (S. 863) m.Nachw., aufgrund eines Druckfehlers wird auf § 850f verwiesen. 682 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 24.36, 25.19, 30.35; Henckel, ZZP 84 (1971), S. 447, 453f. 683 S. eine Übersicht der öffentlichen Register bei Schwaratzki, VR 1991, S. 193ff.

III. Registerpublizität und Gestaltung

291

Wirkung des Gestaltungsurteils hinaus auch eine positive Bindung begründen kann. In einigen der Register werden vornehmlich rechtsgeschäftliche Akte eingetragen, aber auch die sie ersetzenden Gestaltungsurteile. In anderen Fällen wiederum werden nur Gestaltungsurteile eingetragen, weil eine rechtsgeschäftliche Gestaltung gar nicht möglich ist, so z.B. die Eintragung der Scheidung in das Personenstandsregister. Außerdem gibt es Fälle, in denen die Eintragung obligatorisch ist, z.B. für das Urteil, das eine OHG auflöst (§ 143 HGB) und Fälle, in denen eine Eintragung zwar nicht zwingend ist, jedoch erfolgen muss, wenn die Gestaltung gutgläubigen Dritten entgegengehalten werden soll, wie z.B. für das Urteil gilt, das die Gütergemeinschaft aufhebt (§ 1449 II BGB). Die für diese Arbeit interessante Frage lautet, ob die vorhandene Registerpublizität einen ausreichenden Schutz des Rechtsverkehrs und eine ausreichende Sicherung des Bestands des Gestaltungsurteils gewährleisten kann, insbesondere, da sich vereinzelt dahingehende Aussagen finden. So bemerkte Häsemeyer: »Werden Rechtsverhältnisse mit vermögensrechtlichen Folgen voneinander materiellrechtlich getrennt, so wird der Schutz des Rechtsverkehres verwirklicht durch öffentliche Register samt negativer Publizität, sonstige Vertrauensschutzregelungen, amtliche Abwicklungen (Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung) und vornehmlich auch durch den Ausschluss jeder Rückwirkung gegenüber Dritten«684. Um die Beziehung zwischen Entgegenhaltbarkeit der Gestaltung und Registerpublizität zu klären, soll auf die insoweit wichtigsten Register eingegangen werden. Am interessantesten erweist sich das Handelsregister, weil nach § 143 HGB die Auflösung der Gesellschaft sowie das Ausscheiden eines Gesellschafters eingetragen werden müssen. Da die Auflösung der Gesellschaft nach § 131 I Nr. 4 HGB auch durch gerichtliches Urteil erfolgen und das Ausscheiden eines Gesellschafters auch durch Ausschließungsklage gemäß § 140 HGB erzielt werden kann, sind die wohl zwei wichtigsten Gestaltungsurteile des Gesellschaftsrechts eintragungspflichtig685. Das Handelsregister genießt zwar keinen öffentlichen Glauben wie das Grundbuch, führt jedoch zu einer recht umfassenden Bindung an die eingetragenen Rechtsänderungen. Wiederum interessiert hier hauptsächlich die Bindung an eingetragene Gestaltungsurteile. Da die Publizität des Handelsregisters (§§ 143, 15 HGB) den Rechtsverkehr ausreichend schütze, wird es als zulässig erachtet, die Gestaltungsklagerechte im Gesellschaftsvertrag durch private Kündigungs- oder Ausschlusserklärungen zu 684

Häsemeyer, ZZP 101, 385, 393; vgl. dazu Calavros, S. 134ff. Bezeichnend für die Vernachlässigung des Zusammenspiels von Gestaltungswirkung und Registerpublizität ist, dass in der Kommentarliteratur zu § 143 HGB meist das Ausschließungsurteil überhaupt nicht erwähnt wird. Lediglich K. Schmidt erwähnt im Schlegelberger-Kommentar, dass ein »Ausscheiden im technischen Sinne« auch vorliege, wenn der Gesellschafter nach § 140 HGB ausgeschlossen wird (Schlegelberger-K. Schmidt, § 143 Rn. 5). 685

292

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

ersetzen686. Auch sonst wird darauf hingewiesen, dass außerhalb der familienrechtlichen Gestaltungsklagen kein Allgemeininteresse in der Schaffung von Rechtsklarheit bestehe – insoweit reiche die Registerpublizität völlig aus687. Jedoch könnte dieser Schluss voreilig sein und es muss untersucht werden, ob und inwiefern die Eintragung in das Handelsregister tatsächlich die Funktion der Absicherung des Gestaltungsurteils übernehmen kann. Idealerweise soll das Handelsregister die materielle Rechtslage wiedergeben. Hauptsächlich werden rechtsgeschäftliche Akte (z.B. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung) eingetragen, bei denen die Frage nach einer (prozessualen) Bindung gar nicht gestellt wird688. Ob es sich bei der Wirkung der Eintragung um konkreten oder um abstrakten Vertrauensschutz ohne Vertrauen handelt, kann hier dahingestellt bleiben689. Der größte Vorteil des Handelsregisters besteht darin, dass wiederholte Streitigkeiten über die wahren Unternehmensverhältnisse vermieden werden. Auf den ersten Blick scheint tatsächlich eine Sachnähe zur »Gestaltungswirkung« vorzuliegen – der Gesetzestext gibt keinen eindeutigen Aufschluss. Nach § 15 I HGB kann eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache, solange sie nicht eingetragen und bekannt gemacht ist, von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war. Nach § 15 II S. 2 HGB müssen Dritte bei Rechtshandlungen, die in den ersten fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommen werden, eingetragene und bekannt gemachte Tatsachen nicht gegen sich gelten lassen, wenn sie beweisen, dass sie die Tatsache weder kannten noch kennen mussten. Sowohl im Fall des § 15 I HGB (Gestaltungen, die – obwohl eintragungspflichtig – nicht in das Register eingetragen wurden) als auch im Fall des § 15 II S. 2 HGB (erste 15 Tage nach der Bekanntmachung) ist der (fehlende bzw. »frische«) Inhalt des Handelsregisters somit sogar stärker als die materielle Rechtslage: Abgesehen von den Fällen nachgewiesener positiver Kenntnis der materiellen Rechtslage des Dritten wird die Gestaltung, auch wenn sie materiell wirksam erfolgt ist, nicht berücksichtigt. Damit sichert in diesem Fall das Handelsregister nicht die Gestaltung, sondern – im Gegenteil – es schiebt sie sogar beiseite oder auf und demonstriert, dass eine Gestaltung nicht notwendig gegenüber jedermann wirken muss.

686 Ganz h.M., vgl. nur BGHZ 31 (1960), 295, 298, 300; Grunsky, Grundlagen, § 38 II 3 b (S. 376 und dort Fn. 44). 687 Grunsky, Grundlagen, § 38 II 3 b (S. 376 und dort Fn. 44); ähnlich Brox, FamRZ 1963, 392, 393: § 15 HGB biete gutgläubigen Dritten einen Schutz über den Zeitpunkt des Eintritts der Gestaltungswirkung hinaus. 688 Zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs »Bindung« s. weiter oben, S. 50. 689 S. dazu Schilken, AcP 187, 1, 6f.

III. Registerpublizität und Gestaltung

293

Bleibt noch der Fall der unrichtig eingetragenen »Tatsache« von § 15 III HGB690. Ist eine einzutragende Tatsache unrichtig bekannt gemacht, so kann sich nach dieser Vorschrift ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf die bekannt gemachte Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte. »Unrichtig« wird in diesem Zusammenhang bedeuten, dass Eintragung und materielle Rechtslage nicht übereinstimmen, und zwar von Anfang an691. Darunter sind sowohl die Fälle zu subsumieren, in denen die behauptete Gestaltung überhaupt nicht stattgefunden hat, als auch die Fälle, in denen der Unternehmer zwar davon ausgeht, die Gestaltung vorgenommen zu haben, diese jedoch nicht wirksam erfolgt ist692. Man sollte in diesem Zusammenhang besser nicht davon sprechen, dass der Vertrauensschutz der Registereintragung nur zugunsten, nie zu Lasten des Dritten eingreift693, denn da der Dritte in der Regel nicht wissen wird, ob die wahre, von der Registereintragung abweichende, ihm unbekannte Sachlage nicht günstiger für ihn wäre, müsste in jedem Rechtsstreit auch die wahre Sachlage überprüft werden, damit sich der Dritte im Anschluss entscheiden könnte, was für ihn günstiger ist. Die Infragestellung der eingetragenen Tatsache müsste sogar früher ansetzen, wenn es darum geht, ob § 15 II HGB oder § 15 III HGB Anwendung finden soll. Damit würde jedoch eine unnötige Verkomplizierung einhergehen. Konsequenter ist es daher, dem Dritten zwar ein Wahlrecht zwischen der Berufung auf die »wahre« oder die eingetragene Sachlage zu gewähren, soweit er beide kennt, jedoch nicht mehr davon zu sprechen, dass der Vertrauensschutz des Handelsregisters nur zugunsten und nicht zu Lasten des Dritten wirkt694. Da sich also der Dritte bei unrichtiger Eintragung immer auf die wahre Rechtslage und damit auch auf die Fehlerhaftigkeit der Gestaltung berufen kann, wird ihm kein Einwand gegen die eingetragene Gestaltung abgeschnitten, so dass insofern die Eintragung in das Handelsregister nicht eine einer prozessualen »Gestaltungswirkung« vergleichbare Wirkung erzeugt. Nur bei richtiger Eintragung nach § 15 II S. 1 HGB könnte man an eine Art Bindungswirkung in dem Sinne 690 Einzelprobleme des § 15 III, z.B. die Frage, ob auch der Fall erfasst wird, dass sowohl Eintragung als auch Bekanntmachung unrichtig sind, werden hier nicht angesprochen. 691 Canaris, § 5 Rn. 46; MünchKommHGB-Lieb, § 15 Rn. 68; Schlegelberger-Hildebrandt, § 15 Rn. 18. 692 Unklar K. Schmidt, Handelsrecht, der zum einen bemerkt, dass »Unrichtigkeit ... soviel wie Unwahrheit bedeuten (kann) oder so viel wie Fehlerhaftigkeit« (S. 407), auf S. 408 jedoch schreibt, dass das Gesetz eindeutig die Wahrheitswidrigkeit meint. Freilich kann man die Eintragung einer unwirksamen Gestaltung auch als »wahrheitswidrig« bezeichnen, da der materielle Erfolg nicht eingetreten ist, so dass K. Schmidt vermutlich meint, dass z.B. anfechtbare, aber nicht angefochtene wirksame eingetragene Gestaltungen nicht unter § 15 III HGB fallen. 693 BGH, NJW-RR 1990, 737; MünchKommHGB-Lieb, § 15 Rn. 78; Schlegelberger-Hildebrandt, § 15 Rn. 19; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 411. 694 Freilich wäre die Verkehrsschutzfunktion noch größer, wenn das Handelsregister öffentlichen Glauben im Sinne einer Richtigkeits- und Vollständigkeitsgarantie genießen würde, jedoch ist eine derartige Wirkung im Gesetz nicht vorgesehen.

294

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

denken, dass die materielle Rechtslage nicht überprüft zu werden braucht, auch wenn die Überprüfung zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Jedoch kann man nur von einer »richtigen« Eintragung sprechen, wenn man zuvor auch die tatsächliche materielle Sachlage überprüft hat. Damit entfällt auch im Rahmen des § 15 II HGB und 15 Tage nach der Bekanntmachung eine Bindungswirkung der Art, dass die Wirksamkeit der eingetragenen Gestaltung nicht überprüft werden braucht. Die Eintragung in das Handelsregister kann demnach zumindest in der heutigen Ausprägung der Registerpublizität nicht als Argument dafür eingesetzt werden, dass man über die prozessuale Wirkung von Gestaltungsurteilen nicht weiter nachzudenken braucht. Auch ist der weiter oben schon angesprochene Gedankengang nicht überzeugend, dass es zulässig sein müsse, die Gestaltungsklagerechte im Gesellschaftsvertrag durch private Kündigungs- oder Ausschlusserklärungen zu ersetzen, da die Publizität des Handelsregisters (§§ 143, 15 HGB) den Rechtsverkehr ausreichend schütze695, denn auch für die Eintragung rechtsgeschäftlicher Gestaltungen gilt, dass sich der Dritte immer auf die tatsächliche Rechtslage berufen darf. Damit ist – von praktischen Problemen des Informationszugangs abgesehen – dem Dritten eine Überprüfung der Wirksamkeit immer theoretisch möglich, so dass auch hier die Registereintragung keine Bindung erzeugen kann. Von weiterer Bedeutung für die Eintragung von Gestaltungsurteilen sind die Personenstandsbücher sowie das Güterrechtsregister. In die Personenstandsregister kann nur Einsicht genommen werden, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird (§§ 60ff. PStG)696. Die Eintragung gilt als Beweis der familienrechtlichen Veränderung, wobei der Nachweis der Unrichtigkeit zulässig ist. Damit kann auch die Wirkung, die eine Eintragung in das Personenstandsregister erzeugt, nicht mit einer prozessualen Bindungswirkung verglichen werden und ist daher auch nicht geeignet, eine solche zu ersetzen. Auch die Eintragung in das Güterrechtsregister erzeugt gemäß § 1412 BGB keine Bindung an den eingetragenen Gestaltungsakt. Das Güterrechtsregister erzeugt keinen öffentlichen Glauben, seine Funktion beschränkt sich auf die negative Publizität. Die unrichtige Eintragung entfaltet – anders als die unrichtige Eintragung in das Handelsregister – keine Schutzwirkung Dritten gegenüber697. Die Hauptregelung besteht darin, dass Abweichungen vom gesetzlichen Güterstand oder von einem vereinbarten Güterstand, der eingetragen ist, Dritten gegenüber nur eingewandt werden können, wenn sie eingetragen sind oder positive Kenntnis des Dritten nachgewiesen werden kann. Das gilt auch für Änderungen durch

695

S. weiter oben, Fn. 686. Früher machte § 61 PStG die Einsichtnahme von einem berechtigten, d.h. auch wirtschaftlichen, Interesse abhängig, s. Hepting/Gaaz, § 61 Rn. 41ff. 697 Hornung, RpflStud. 1985, 49; Soergel-Gaul, vor § 1558 Rn. 3, § 1414 Rn. 2, allerdings mit Hinweis auf die Möglichkeit der Rechtsscheinhaftung, Rn. 16. 696

III. Registerpublizität und Gestaltung

295

Gestaltungsurteile, z.B. durch das Urteil, das die eingetragene Gütergemeinschaft aufhebt (§§ 1470, 1449 BGB) – insofern besteht eine Parallele zu § 15 I HGB. Dem Güterrechtsregister kommt heute keine große praktische Wirkung zu, denn es besteht keine Eintragungspflicht. Eintragungen in das Güterrechtsregister erfolgen daher selten, noch seltener wird Einsicht genommen698. Bestimmung des Registers ist es zum einen, Dritte vor Einschränkungen der Verfügungs- und damit auch der Prozessführungsbefugnis zu schützen, zum anderen werden jedoch – und sogar hauptsächlich – die Ehegatten selbst geschützt, indem sie Einwendungen aus einer eingetragenen güterrechtlichen Änderung auch gutgläubigen Dritten entgegenhalten können699. Selbst die negative Publizität des Güterrechtsregisters tritt in der Zwangsvollstreckung zurück – hier wird die wahre Güterrechtslage zugrunde gelegt, es werden insbesondere nicht die Befriedigungsmöglichkeiten des Gläubigers erweitert700. Wenn z.B. die Gütergemeinschaft aufgehoben, aber dies nicht eingetragen wurde, hat der Gläubiger eines Ehegatten keinen Zugriff auf einen nach der Aufhebung vom anderen Ehegatten erworbenen Vermögensgegenstand, der bei Fortbestehen der Gütergemeinschaft in das Gesamtgut gefallen wäre. Besonders interessant im Rahmen dieser Arbeit ist die Regelung des § 1412 I Halbs. 2 BGB über die Wirkung von rechtskräftigen Urteilen, die zwischen einem der Ehegatten und einem Dritten ergangen sind: Einwendungen können nur vorgebracht werden, wenn der Ehevertrag eingetragen oder dem Dritten bei Rechtshängigkeit701 bekannt war. Dabei handelt es sich um den Fall, dass der Ehegatte, der nach der tatsächlichen Rechtslage nicht allein prozessführungsbefugt war, allein den Rechtsstreit geführt hat. Das ergangene Urteil wirkt gegen den anderen Ehegatten702, wenn der Ehegatte nach dem eingetragenen Güterstand prozessführungsbefugt wäre und der Dritte nicht positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung hatte. Hier handelt es sich tatsächlich um einen Fall, der einer prozessualen Bindungswirkung vergleichbar ist, da der andere Ehegatte das Urteil hinnehmen muss, unabhängig davon, ob es günstig oder ungünstig für ihn ausgefallen ist. Meist wird es sich dabei jedoch nicht um ein Gestaltungsurteil handeln, wenn dies auch nicht auszuschließen ist. Insbesondere könnte ein positives Gestaltungsurteil vorliegen, z.B. auf Bestimmung der Leistung. Auf weitere Register soll an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden. Es ist als Ergebnis festzuhalten, dass – mit der einzigen eben genannten Ausnahme nach

698

Hornung, RpflStud. 1985, 49, 54. Soergel-Gaul, vor § 1588 Rn. 4. 700 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 20 III 1 (S. 338); Soergel-Gaul, § 1412 Rn. 8. 701 In § 1412 ist zwar – im Gegensatz zu § 1435 a.F. – die Rede von »Anhängigkeit«, hierbei handelt es sich jedoch nur um einen sprachlichen und keinen sachlichen Unterschied, s. SoergelGaul, § 1412 Rn. 10. 702 Jauernig-Chr. Berger, § 1412 Rn. 7. 699

296

B. Entwicklung des eigenen Ansatzes

§ 1412 I Halbs. 2 BGB – nicht von einem Grundsatz die Rede sein kann, dass die Registerpublizität eine prozessuale Urteilswirkung ersetzen kann. Es ist noch darauf hinzuweisen, dass einige ausländische Rechtsordnungen eine konstitutive Eintragung von Scheidungsurteilen in Register vorsehen. Eine derartige Registereintragung ist erforderlich z.B. in Dänemark, Holland (Art. 163 BW), Belgien (Art. 1303 Code judiciaire) und Italien (Art. 10 Scheidungsgesetz). Die eheauflösende Wirkung des Scheidungsurteils tritt erst mit der Eintragung in das Register ein. Nach französischem Recht löst zwar das rechtskräftige Scheidungsurteil die Ehe auf, jedoch kann die neue Rechtslage Dritten gegenüber erst ab der Eintragung geltend gemacht werden (Art. 260, 262 C.C.)703. Auf diese Thematik wird weiter unten, im internationalen Teil der Arbeit, einzugehen sein704.

703 704

Hinweise zu ähnlichen Regelungen bei Hausmann, S. 77 und dort Fn. 50. S. weiter unten, S. 318.

Zweiter Teil

Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsakte Einleitung und Gang der Untersuchung Im ersten Teil wurde dargelegt, dass das Gestaltungsurteil prozessual nur im Rahmen der materiellen Rechtskraft bindet. Dabei wurde unter prozessualer Bindung die Wirkung verstanden, die das Vorbringen von Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils abschneidet, wenn die Gestaltung in einem anderen Rechtsstreit präjudiziell ist1. Von der prozessualen Bindung ist die Frage nach der materiellen Rechtslage zu trennen, die wiederholt gestellt werden kann, solange keine prozessuale Bindung auf Grund einer an den Richter gerichteten Verhaltensnorm eintritt. Jedes Mal werden erneut die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen geprüft, die Ergebnisse dieser Prüfung können sich durchaus gegenseitig widersprechen – müssen es aber nicht, werden es auch in der Regel nicht, da der Fall divergierender Urteile hoffentlich die Ausnahme bildet. Dies wird oft nicht berücksichtigt, wenn die Möglichkeit der erneuten sachlichen Überprüfung eines Gestaltungsurteils als nicht hinzunehmende Horrorvision empfunden wird. Soweit und sobald dagegen eine prozessuale Bindung eintritt, verwehrt sie es dem Gebundenen zugunsten des Rechtsfriedens, die materielle Rechtslage erneut prüfen zu lassen. In Anwendung des Grundsatzes, dass die maßgebliche prozessuale Urteilswirkung des Gestaltungsurteils die materielle Rechtskraft ist, findet die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile einzig nach § 328 statt. Damit ändert sich im Ergebnis nichts an der heute praktizierten Handhabung, es wird jedoch der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile eine stimmige dogmatische Grundlage verliehen. Außerdem bestätigt die Handhabung im internationalen Bereich die Plausibilität der innerstaatlich vertretenen These, da die Bewährung einer dogmatischen Konstruktion im internationalrechtlichen Sektor zwar kein völliger Beweis ist, wohl aber ein entscheidender Hinweis auf deren Richtigkeit2. So zeugt bereits die Tatsache, dass ein ausländisches Scheidungsurteil unter Umständen nicht anerkannt wird, obwohl es zweifelsfrei wirksam ist, von der Möglichkeit einer relativen Gestaltung3. Wenn ein Gestaltungsurteil nämlich be1

Der Fall der negativen Wirkung (ne bis in idem) ist unproblematischer, insgesamt stellt sich hier keine Verwechslungsproblematik mit der angeblichen prozessualen »Gestaltungswirkung«. 2 S. bereits weiter oben, Fn. 1 (S. 7). 3 Reichel, AcP 124, 200, 206f.

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2. Teil: Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsakte

griffsnotwendig und wegen der Natur der Sache von jedermann hingenommen werden müsste, so müsste das auch für ausländische Urteile gelten, insbesondere, wenn die Anerkennung aus »formalen« Gründen versagt wird, z.B. wegen fehlender Gegenseitigkeit4. Richtigerweise gilt dies aber auch darüber hinaus, denn wenn die Bindung an die Gestaltungswirkung aus Grundsätzen abgeleitet wird, die dem Prozessrecht übergeordnet sind, kann für sie auch nicht der (prozessuale) Grundsatz gelten, dass prozessuale Wirkungen mangels gesetzlicher Regelung nicht über die Staatsgrenzen hinaus wirken. Es würde in der Tat verdächtig nach einer Doppelmoral aussehen, wollte man es innerstaatlich als denklogisch unhaltbar erachten, die Gestaltung Dritten gegenüber als nicht vorhanden zu behandeln, während man dies bei einem ausländischen Urteil mit dem Hinweis auf prozessuale Grundsätze hinnimmt, und zwar selbst zwischen den ursprünglichen Parteien. Methodisch werden im zweiten Teil folgende Schwerpunkte gesetzt: Zunächst wird die Diskrepanz zwischen den herrschenden Ansichten im innerstaatlichen und im internationalen Bereich aufgezeigt. Insbesondere wird darzulegen sein, dass die lex causae-Theorie in ihrer reinen Form eigentlich die konsequente Weiterführung der im innerstaatlichen Bereich herrschenden Ansicht wäre, dass die Bindung an das Gestaltungsurteil auf die Änderung der materiellen Rechtslage, ähnlich einer rechtsgeschäftlichen Änderung, zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass die lex causae-Theorie heute von der h.M. abgelehnt wird, legt auch die geringe Plausibilität der entsprechenden Begründung der Wirkung des Gestaltungsurteils im innerstaatlichen Verkehr nahe. Darüber hinaus wird gezeigt, dass selbst die lex causae-Theorien in ihren meisten Varianten nicht ohne prozessuale Elemente auskommen und somit instinktiv in die richtige Richtung der prozessualen Betrachtungsweise abdriften. All dies bekräftigt die hier vertretene These, dass der einzige prozessual saubere Weg darin liegt, die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils lediglich aus der materiellen Rechtskraft abzuleiten. Schließlich wird anhand der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse weiterhin die prozessuale Maßgeblichkeit ausländischer privatrechtsgestaltender Hoheitsakte über die Gestaltungsurteile hinaus in die Betrachtung einbezogen.

4

Zwar wird Gegenseitigkeit nicht gefordert nach § 328 II bei nichtvermögensrechtichen Ansprüchen, jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass nach den deutschen Gesetzen kein Gerichtsstand im Inland gegeben ist oder wenn es sich um eine Kindschafts- (§ 640) oder Lebenspartnerschaftssache (§ 661 I 1, 2) handelt.

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile Bei jeder Anerkennungsproblematik stellt sich vorab die Qualifikationsfrage. Ein ausländisches Gestaltungsurteil, über dessen Anerkennungsfähigkeit in zweiter Stufe nachgedacht werden muss, liegt – unabhängig von der Einordnung im ausländischen Recht – vor, wenn nach deutschem Rechtsverständnis1 das Urteil seiner Funktion in der ausländischen Rechtsordnung nach einem deutschen Gestaltungsurteil entspricht, d.h. primär darauf gerichtet ist, die Rechtslage zu gestalten. Ob es ein korrespondierendes deutsches Gestaltungsurteil gibt, ist unerheblich.

I. Die heutige Handhabung Zur Einleitung soll kurz der Meinungsstand zur Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile wiedergegeben werden. Die Hauptproblematik liegt – wie im nationalen Recht – in der positiven Bindung, wenn die vollzogene Gestaltung Vorfrage in einem späteren Prozess oder einem Verwaltungsverfahren ist. Die Bindungsfrage taucht auf, wenn an die Gestaltung weitere einklagbare Ansprüche geknüpft werden, etwa Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehegatten an eine Scheidung2 sowie die Wiederverheiratungsfähigkeit, Fragen der Erbberechtigung sowie steuer- und sozialrechtliche Ansprüche3. Hier ergibt sich auch eine Problematik, die dem internationalen Privatrecht angehört: Da der Gestaltungsakt kein Selbstzweck ist, sondern vorbereitende Funktion hat, wird durch die Änderung der Rechtslage eine Vielzahl von Regelungen notwendig, die angeben, wie das Rechtsverhältnis von nun an geregelt oder wie es abgewickelt werden soll. Z.B. betrifft bei der Adoption die prozessuale Anerkennung nur die unmittelbare Rechtsfolge selbst, d.h. die Statusänderung an sich, während die weiteren – meist vermögensrechtlichen – Wirkungen nach der lex causae beurteilt werden (z.B. für die Annahme als Kind Art. 22 EGBGB)4. Vom Standpunkt des anwendbaren 1

Die Qualifikation lege fori entspricht h.M., s. z.B. Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 186. Für einen Prozess auf Unterhalt des Kindes nach der Scheidung ist das Scheidungsurteil nicht vorgreiflich, somit stellt sich nicht die Frage nach der prozessualen Bindung, denn für das Eltern/ Kind-Verhältnis ist die Scheidung unerheblich; so für eine ausländische nicht anerkennungsfähige Scheidung Geimer, IZPR, Rn. 3070. 3 Hierzu Hausmann, The European Legal Forum 2000/01, 345, 351. 4 S. Geimer, IZPR, Rn. 2818. 2

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Rechts aus wiederum unterliegen einige Folgen der Gestaltung dem Statut des Gestaltungsaktes, während für andere eine eigenständige kollisionsrechtliche Anknüpfung vorgenommen wird. Nebenfolgen mit selbständiger Anknüpfung werden nach der (aus der Sicht der lex fori anwendbaren) lex causae beurteilt. Bei unselbständiger Anknüpfung werden die Nebenfolgen der Gestaltung nach der lex causae des verursachenden Gestaltungsaktes bestimmt, auch wenn nach deutschem IPR eine andere lex causae berufen wäre5. Dies wird z.B. ausdrücklich vorgesehen in Art. 18 IV EGBGB, der für die Unterhaltspflicht das auf die (anerkannte) Ehescheidung angewandte (materielle) Recht für maßgeblich erklärt. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, nach welchen Grundsätzen die prozessuale Wirkung des primären Gestaltungsakts anerkannt wird. Insbesondere ist die Frage zu beantworten, ob die Gestaltung eines Urteils, dem eine Rechtsordnung X zugrunde gelegt wurde, auch dann berücksichtigt wird, wenn nach dem IPR der (zweiten) lex fori anderes Recht anzuwenden wäre6. Beim Gestaltungsurteil werden ne bis in idem und positive Bindung an den Inhalt des Urteils nach gängiger Auffassung von zwei unterschiedlichen Instituten gewährleistet: Die materielle Rechtskraft sichere, dass das – wie auch immer geartete – Recht auf Gestaltung nicht erneut gerichtlich überprüft werde, und zwar im Rahmen eines Schadensersatz- oder Bereicherungsprozesses7. Positive Funktion in Form der Bindung an den Inhalt des Urteils (und somit an die Gestaltung) könne die materielle Rechtskraft jedoch nicht entfalten, denn zum Zeitpunkt, auf den sich die materielle Rechtskraft bezieht, existiere das gestaltete Rechtsverhältnis noch nicht. Die Einwände gegen diese Betrachtungsweise wurden bereits im ersten Teil herausgearbeitet8, im internationalen Bereich findet sich die Bestätigung der hiesigen Betrachtungsweise.

1. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile Wie auch im innerstaatlichen Bereich deutlich wurde, kommt den Gestaltungsurteilen vielfach eine Sonderbehandlung zuteil. Dies an sich ist noch wertungsfrei – ungünstig für die Einheit der prozessualen Doktrin ist jedoch, dass die Sonderbehandlung wie selbstverständlich und ohne weitere Prüfung hingenommen wird. Wenn überhaupt eine Begründung für die angewandten Regeln gegeben wird,

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Müller, ZZP 79, 199, 225ff. Bejahend BGH, JZ 1983, 903, 904f. m.zust.Anm. Kropholler = NJW 1984, 568 (zum EuGVÜ); Geimer, NJW 1974, 1026, 1027 und dort Fn. 12; Geimer/Schütze I/2, § 187 III, IV (S. 1400f.). 7 Dies wird von der h.M. der negativen Rechtskraftwirkung (ne bis in idem) bezüglich des kontradiktorischen Gegenteils zugesprochen, s. dazu weiter oben, S. 172. 8 S. weiter oben, S. 175ff. 6

I. Die heutige Handhabung

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dann erschöpft sich diese in dem Appell an den »gesunden Menschenverstand«9, meist ohne weitere dogmatische Untermauerung. Bedauerlicherweise wird überhaupt nicht der Versuch unternommen, die Probleme im Hinblick auf die Gestaltungsklagen und -urteile anhand der gesicherten prozessualen Grundsätze zu lösen, so dass sich die Sonderstellung der Gestaltungsurteile auch im internationalen Bereich zeigt. Auch hier werden Grundsätze, die allgemein für die Anerkennung ausländischer Urteile gelten, kommentarlos beiseite geschoben. Dies beginnt schon bei der Anerkennungsfähigkeit. Ein gesicherter prozessualer Grundsatz lautet, dass nur (nach deutscher Qualifikation) prozessuale Urteilswirkungen anerkennungsfähig sind10. Obwohl jedoch von der herrschenden Meinung die Bindung an den Inhalt eines Gestaltungsurteils aus der Parallele zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung und somit aus dem materiellen Recht ermittelt wird, wird die Anerkennung nur nach § 328 befürwortet, da in der Gestaltungswirkung – im Widerspruch zur Haltung im nationalen Bereich – eine anerkennungsfähige prozessuale Urteilswirkung gesehen wird, die – ähnlich wie die materielle Rechtskraft – nach § 328 anerkennungsfähig sei11. Stein dagegen hatte aus dieser – korrekten – Handhabung im grenzüberschreitenden Recht den richtigen Rückschluss gezogen im Hinblick auf die Rechtsnatur der »Gestaltungswirkung«: Sie müsse eine prozessuale Urteilswirkung sein, denn sonst müsste sie (als materiellrechtliche Wirkung) auch im Ausland automatisch anerkannt werden, was nicht der Fall sei12. Weiter geht die Inkonsequenz mit dem Ausmaß der anerkannten Gestaltungswirkung im Inland. Es sollen an dieser Stelle nicht die entsprechenden Theorien im Einzelnen besprochen werden. Es ist von der h.M. auszugehen, dass durch die Anerkennung eine Wirkungserstreckung stattfindet13 und keine Nostrifizierung bzw. Gleichstellung14. 9

S. den Einwand, eine relative Gestaltung sei »Nonsens«, dazu weiter oben, Fn. 263 (S. 58). Allg.M., s. z.B. Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 11. 11 BayObLG, BayOblGZ 1967, 218, 222f., 227; Geimer, Prüfung, S. 32f.; Geimer, IZPR, Rn. 2813f.; Geimer, NJW 1974, 1026, 1026f.; Heldrich, Anm. zu BGH, JZ 1967, 675, 676 zum ähnlich gelagerten Anerkennungserfordernis nach § 606 b Nr. 1 a.F.; Kleinrahm/Partikel, S. 24ff.; Kropholler, EurZPR, vor Art. 33 Rn. 15; Lewald, IPR, S. 125; Linke, IZPR, Rn. 364; Lorenz, FamRZ 1966, 465, 477f.; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 403ff.; Müller, ZZP 79, 199, 216ff., 221; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 147; Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 126; Nussbaum, IPR, S. 428, 438f.; Pagenstecher, RabelsZ 15 (1949–50), 189, 198 und dort Fn. 1; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 156 Rn. 2; Schack, IZVR, Rn. 779; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 144; Stein/ Jonas-Roth, § 328 Rn. 16; M. Wolff, IPR, S. 133, 211; Zitelmann, S. 767ff., 825, 899; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 26, 44ff.; a.A. OLG München, NJW 1963, 1158. 12 Stein, Grenzen, S. 93f. 13 RG, SeuffA 83, Nr. 215; OLG Hamm, FamRZ 1993, 213; OLG Frankfurt, IPRax 1986, 297; OLG Saarbrücken, NJW 1958, 1046; LG Hamburg, IPRax 1992, 251, 254; Geimer, IZPR, Rn. 2776; Nelle, S. 243; Nikisch, ZPR, S. 411; Riezler, S. 512; M. Wolff, IPR, S. 133; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 18 – Nicht zu folgen ist der Ansicht von Spellenberg (Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 163ff.; derselbe, IPRax 1984, 304, 307f.), die objektiven Grenzen der Rechtskraft müssten sich nach dem vom Erstrichter angewandten Sachstatut richten (allerdings sollen die subjektiven 10

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Zu nennen ist die Sonderstellung der Gestaltungsurteile innerhalb der Kumulationstheorie, die eine Abwandlung der Wirkungserstreckung darstellt. Nach dieser Theorie findet durch die Anerkennung eine Wirkungserstreckung statt, die jedoch nach oben hin begrenzt ist durch die Wirkungen eines vergleichbaren inländischen Urteils15. Dabei handelt es sich dem Grunde nach um eine Teilanerkennung, da die Urteilswirkung, wie sie im Urteilsstaat besteht, nicht vollständig anerkannt wird16. Speziell für die Gestaltungsurteile nehmen jedoch selbst die Verfechter der Kumulationstheorie an, dass auch weitergehende Rechtsfolgen anerkannt werden können, als das deutsche Recht kennt. Die Begründung dieser Sonderbehandlung erschöpft sich in dem Satz, dass eine Begrenzung »wenig Sinn« machen würde17. Grenzen wegen der engen Verbundenheit mit dem Rechtsmittelsystem nach der lex fori des Urteilsstaats bestimmt werden, Rn. 169); so auch Grunsky, ZZP 89, 241, 258f. (auch für die subjektiven Grenzen der Rechtskraft sowohl für die Voraussetzungen und den Umfang der Vollstreckbarkeit); RGRK-Wengler, IPR/1, S. 389; Zitelmann, S. 276: maßgeblich ist die engere Rechtskraftwirkung, es werden das Wirkungsstatut und das Recht des Urteilsstaates befragt; dagegen G. Fischer, FS Henckel, 199, 203. 14 Die ausländische Entscheidung entfaltet genau die gleichen Wirkungen wie eine entsprechende inländische. Apodiktisch BGH, NJW 1983, 1976, 1977 = IPRax 1984, 320 m.krit. Aufs. Spellenberg, S. 304, 306; BGH, NJW 1983, 514, 515; Habscheid, FamRZ 1970, 558, 559; Henrich, IPRax 88, 21; König, S. 71ff.; Matscher, FS Schima, 265, 277ff.; Matscher, ZZP 86, 404, 408f.; Matscher, ZZP 103, 294, 307f., der jedoch dem Streit nunmehr nur akademischen Wert einräumt; Reinl, S. 58; Reu, S. 86; so auch die österreichische Lehre, Nachw. bei Musger, IPRax 1992, 108, 111 und dort Fn. 29; Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), § 328 Rn. 3b a.E. sprach zwar von einer Gleichstellung mit den inländischen Entscheidungen, meinte jedoch damit die Gleichwertigkeit. Eine Abwandlung der Gleichstellungstheorie ist die Wirkungsverleihungstheorie, nach der der Zweitstaat der ausländischen Entscheidung die Wirkungen einer inländischen verleiht, Jarck, FamRZ 1956, 296, 298; für das Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG Reinl, FamRZ 1969, 453, 455. Der Grundgedanke der Gleichstellungstheorie ist, der ausländischen Entscheidung die gleiche Durchsetzbarkeit mit einer inländischen zu gewährleisten. Dies führt zwar zu einer gleichen Behandlung innerhalb des Anerkennungsstaats, jedoch zu einer ungleichen in den verschiedenen Ländern, da die anzuerkennende Entscheidung in unterschiedlichen Staaten unterschiedlich behandelt wird, Kerameus, FS Wengler, 383, 393f. Heute wird die Gleichstellungstheorie auch kaum vertreten, allerdings findet – zu Unrecht – im Ergebnis eine solche statt bei der Frage nach der Präklusion und der Abänderbarkeit ausländischer Entscheidungen, s. dazu ausführlicher weiter unten, S. 343. 15 OLG Frankf./M., IPRax 1986, 297; LG Hamburg, IPRax 1992, 251, 254; Hausmann, S. 180f., der die Kumulationstheorie aus dem lex fori-Grundsatz herleitet; Geimer, IZPR, Rn. 2780ff.; Geimer, Anerkennung, S. 88f. = Geimer/Schütze I/2, § 184 II 2 b (S. 1391), jedoch nicht für die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, § 224 V (S. 1701); Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 369, zur Wirkung der Bindung an die Entscheidungsgründe, die er als eine dem deutschen Recht unbekannte betrachtet; Müller, ZZP 79, 199, 206f., der in der Bindung an die Entscheidungsgründe eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs sieht und sich hilfsweise auf einen Verstoß gegen den deutschen ordre public beruft; Schack, IZVR, Rn. 796; zust. Geimer, IPRax 1997, 137, 139. 16 Eine Teilanerkennung liegt auch vor, wenn man zwar der uneingeschränkten Wirkungserstreckungstheorie folgt, die ausländische Entscheidung jedoch Urteilswirkungen erzeugt, die dem deutschen Recht auch nicht der Art nach bekannt und somit nicht anerkennungsfähig sind. 17 Geimer, IZPR, Rn. 2783.

I. Die heutige Handhabung

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Auch Hellwig räumte den Gestaltungsurteilen in der Anerkennungsfrage eine Sonderstellung ein, indem er annahm, dass ein ausländisches Gestaltungsurteil im Inland nur dann Gestaltungswirkung entfalten könne, wenn ein rechtskräftiges Vollstreckungsurteil nach §§ 722f. ZPO vorliege18. Allerdings war diese Sonderbehandlung dogmatisch folgerichtig, dahinter steckte der Gedanke, dass die Gestaltungswirkung eine Art Vollstreckungswirkung sei19. Nach dieser Auffassung käme man zu einer doppelten Vollstreckung desselben Urteils, da schon im Ausland die »Vollstreckung« in Form des Eintritts der Gestaltung stattgefunden haben wird. Darüber hinaus könnte die geänderte Rechtslage erst nach seinem Erlass geltend gemacht werden, da das Vollstreckungsurteil nicht ex tunc wirkt20. Wenn die Gestaltungswirkung eine Vollstreckungswirkung wäre, müsste in der Tat dem ausländischen Gestaltungsurteil konsequent im Inland die Vollstreckbarkeit verliehen werden. Jedoch besteht keine Notwendigkeit, die Gestaltungswirkung als (reine) Vollstreckungswirkung anzusehen21. Es wurde im ersten Teil ermittelt, dass sie eher eine Art Vollzug der Rechtsänderung darstellt, der sicherlich an die Vollstreckungswirkung denken lässt, jedoch auch deutlich von ihr unterschieden werden kann, denn hier geht es nicht darum, dass ein Verhalten des Beklagten erzwungen werden soll. Die Eigentümlichkeit der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils besteht darin, dass sie nicht nur feststellt, dass ein Gestaltungsklagerecht zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung besteht, sondern auch, wie das Rechtsverhältnis mit Eintritt der Gestaltung sein wird. Diese Wirkung bewegt sich im ideellen Bereich und verlangt demnach nicht nach einer zwangsweisen Durchsetzung mit Hilfe staatlicher Organe. Aus diesem Grund bestehen auch keine Bedenken, das ausländische Urteil im Inland ohne Vollstreckbarkeitserklärung zu berücksichtigen. Auf Gestaltungsurteile findet somit § 722 nicht in der Hauptsache, sondern lediglich im Kostenpunkt Anwendung22. Das gilt erst Recht für die Vollstreckung im weiteren Sinne, besonders interessant für die Eintragung in öffentliche Bücher, z.B. die Eintragung einer Ehescheidung in das Familienbuch (§ 14 I 2 PStG). Auch hier ist kein Vollstreckungsurteil nach § 722 erforderlich23, genau so wenig, wie im innerstaatlichen Rechtsverkehr eine Vollstreckungsklausel erforderlich ist24. 18

Hellwig, Anspruch, S. 477f.; Hellwig, Lehrbuch, S. 395. Dazu s. weiter oben, S. 165ff. 20 Pagenstecher, RheinZeitschrift 6 (1914), 489, 298 und dort Fn. 11. 21 S. dazu bereits weiter oben, S. 165ff. 22 MünchKommZPO-Gottwald, § 722 Rn. 16; Stein/Jonas-Münzberg, § 722 Rn. 4. 23 RGZ 88 (1917), 244, 248; Stein/Jonas-Münzberg, § 722 Rn. 5, vor § 704 Rn. 50, weil die Fähigkeit zur berichtigenden Eintragung von Rechtsveränderungen in öffentliche Bücher (z.B. § 14 Nr. 2–4 PStG) nicht einmal Vollstreckbarkeit i.w.S. sei, was jedoch abzulehnen ist; Hubernagel, ZZP 63, 87, 102; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 2 (S. 138); Wieser, ZZP 102, 261, 270, weil es unsinnig sei, »die Gestaltungswirkung selbst ohne Vollstreckungsurteil eintreten zu lassen, für ihre berichtigende Eintragung aber ein Vollstreckungsurteil zu fordern«. 24 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 10 I 3 (S. 100). 19

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

2. Inkonsequenz zwischen den Ansichten im nationalen und im internationalen Bereich Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Behandlung der Gestaltungsklagen und -urteile im innerstaatlichen Rechtsverkehr nicht ihre konsequente Weiterführung im internationalen Bereich findet. Auch hier handelt es sich hauptsächlich um die Frage nach der Grundlage der Gestaltungsklage sowie um die Begründung der Bindung an das Gestaltungsurteil mit materiellrechtlichen Grundsätzen.

a. Öffentliches Recht auf Gestaltung Soweit von gewichtigen Stimmen verneint wird, dass der Gestaltungsklage ein subjektives, privates Recht zugrunde liegt, weil der Klagegegner nicht in der Lage sei, dem Klagebegehren abzuhelfen25, wird daraus nur teilweise und fragmentiert die Konsequenz gezogen im grenzübergreifenden Rechtsverkehr, denn die damit – wenn auch unbewusst – eingeführte isolierte Prozessführungsbefugnis müsste auch im internationalen Bereich Folgen haben. Subjektive publizistische Rechte kann das nationale Recht nämlich nur gegen die innerstaatlichen Gerichte begründen, nicht dagegen auch gegen ausländische26. Dann müsste in einem Sachverhalt mit Auslandsberührung die lex fori Anwendung finden27, was bedeuten würde, dass vor deutschen Gerichten nur dann eine Gestaltungsklage erhoben werden dürfte, wenn das deutsche Recht sie kennt. Dies entspricht zu Recht nicht der heutigen Praxis. Bekanntestes Beispiel einer solchen Gestaltungsklage, die dem deutschen Recht nicht bekannt ist, ist die Klage auf Trennung von Tisch und Bett, die auch in Deutschland erhoben werden kann, wenn das ausländische anwendbare Recht ein entsprechendes materiellrechtliches Gestaltungsklagerecht vorsieht, das auch vor deutschen Gerichten verwirklicht werden kann28. Was das Gestaltungsklagerecht auf Scheidung angeht, wird jedoch genau umgekehrt verfahren, als läge der Gestaltungsklage lediglich eine isolierte Prozessführungsbefugnis zugrunde und es wird nur auf die lex fori abgestellt: § 1564 BGB wird ausgedehnt und zu einem Scheidungsmonopol deutscher Gerichte auf deutschem Boden erhoben, selbst wenn ausländisches Recht anwendbar ist und dies eine Privatscheidung unter Mitwirkung einer Behörde (z.B. Botschaft) zulässt29. Seit 1986 ist dies positiv in Art. 17 II EGBGB ge25

S. weiter oben, S. 13. Becker, ZZP 97, 314, 325 und dort Fn. 37. 27 S. zur entsprechenden Problematik bei der Verbandsklage Lakkis, S. 109. 28 BGHZ 47 (1967), 324. 29 Ein Modell für eine administrative Registerscheidung schlägt Schwenzer, FS Henrich, S. 533ff. de lege ferenda vor; zur einverständlichen Scheidung durch deren Registrierung in China s. Stadtmann, FamRZ 2004, 1775ff. 26

I. Die heutige Handhabung

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regelt30: »Eine Ehe kann im Inland nur durch ein Gericht geschieden werden«. Damit wurde die früher ganz herrschende Meinung31 in das Gesetz aufgenommen. Zweck der Vorschrift ist es, das Scheidungsmonopol deutscher Gerichte auf deutschem Boden sicherzustellen32. Festzuhalten ist somit, dass im internationalen Rechtsverkehr – zu Recht – die materiellrechtliche Grundlage der Gestaltungsklage, die im innerstaatlichen Rechtsverkehr von gewichtigen Stimmen abgelehnt wird, relevant ist. Art. 17 II EGBGB und die vorangegangene entsprechende Auslegung des § 1564 II BGB, die mit einer isolierten Prozessführungsbefugnis als Grundlage der Gestaltungsklage erklärbar wären, sind eben nicht auf eine dogmatische Basis gestützt worden, sondern sie haben das einseitige deutsche Scheidungsmonopol der Gerichte als rechtspolitischen Zweck, so dass kein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz entsteht. Darüber hinaus sind sie als einseitige Kollisionsnormen und somit als der Versuch, die Anwendbarkeit einer deutschen Norm unabhängig vom anwendbaren Recht zu sichern, fragwürdig.

b. Materiellrechtliche Begründung der Bindungswirkung und lex causae-Theorien Im ersten Teil der Arbeit wurde dargestellt, dass die h.M. die Bindung an das inländische Gestaltungsurteil damit begründet, dass die materielle Rechtslage geändert wurde und zwar ähnlich, wie dies bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung geschieht33. Nach anderer verbreiteter Ansicht ergibt sich die Maßgeblichkeit des Gestaltungsurteils als Tatbestandswirkung aus der Rechtsnorm, die das Gestaltungsurteil vorsieht34. Verwandt mit dieser Ansicht ist die Annahme, dass die Bindung an das Gestaltungsurteil auf der Bindung des Richters an Gesetz und Recht basiert35. Die Unhaltbarkeit dieser Betrachtungsweisen wurde bereits im ersten Teil aufgezeigt, sie wird durch die Praxis im internationalen Bereich weiterhin demonstriert, denn alle angeführten herkömmlichen Erklärungen für die Bindungswirkung des Gestaltungsurteils vertragen sich nicht mit der Behandlung ausländischer Gestaltungsurteile. 30 Vor dem 1. 10. 1950 war das Scheidungsmonopol staatlicher Gerichte in § 15 III GVG a.F. verankert, der außer Kraft gesetzt wurde durch das Rechtsvereinheitlichungsgesetz, dazu s. BTDrucks. 1/430, S. 6. 31 BGHZ 82 (1982), 34, 35ff.; ablehnend Kegel, IPRax 1983, 22f. Nur am Rande sei angemerkt, dass – entgegen dem BGH – diese Handhabung durchaus nicht der Vorschrift des § 1564 BGB zu entnehmen ist. Denn der Wortlaut »nur durch gerichtliches Urteil« bezieht sich auf die Form der Auflösung der Ehe nach deutschem Recht und führt nicht unbedingt ein Scheidungsmonopol deutscher Gerichte auf deutschem Boden ein (so auch Kegel, IPRax 1983, 22, 23). 32 Amtl. Begr., BT-Drucks. 10/504, S. 61. Zur Frage, wann eine Inlandsscheidung vorliegt, s. Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 633ff. m.Nachw. 33 S. weiter oben, S. 52ff. 34 S. weiter oben, S. 69ff. 35 S. weiter oben, S. 64ff.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Um den leichteren Einwand vorwegzunehmen: Wenn die Maßgeblichkeit des Gestaltungsurteils tatsächlich als eine Tatbestandswirkung zu verstehen ist, dann ist sie keiner prozessualen Anerkennung zugänglich. Nach allgemeiner Meinung findet keine Anerkennung nach § 328 statt, da die Tatbestandswirkung keine prozessuale Urteilswirkung ist36. Wenn eine Norm des anwendbaren Rechts an den Erlass eines Urteils eine bestimmte Rechtsfolge knüpft, ergibt die Auslegung dieser Norm, ob auch ein ausländisches Urteil ihr Tatbestandsmerkmal erfüllen kann37. Dies ist eine Frage der Substitution, bei der die Begriffe einer inländischen Sachnorm gemäß einer fremden Rechtsordnung ausgefüllt werden38. Wenn also die Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils auf einer Tatbestandswirkung beruhen würde, hätte dies die Folge, dass nur diejenigen ausländischen Gestaltungsurteile berücksichtigt werden könnten, die ihr Gegenstück in der anwendbaren lex causae finden, denn das materielle Recht wird kaum Vorschriften über die Konsequenz aus dem Erlass eines Gestaltungsurteils enthalten, das es konkret nicht kennt. Das hieße, dass die Gestaltung vom Zweitrichter nur dann dem neuen Urteil zugrunde gelegt werden dürfte, wenn er dasselbe Recht anwendet wie im Vorstreit oder wenn das IPR auf eine lex causae verweist, die auch einem Urteil der vorliegenden Art Tatbestandswirkung beimisst39. Diese Konsequenz hat bislang lediglich Raape gezogen, der vertrat, dass bei Anwendung ausländischen Rechts, das zur Herbeiführung der Rechtswirkung einen behördlichen Akt vorsieht, dieser »ohne weiteres« anzuerkennen sei, d.h. ohne Prüfung des § 32840. Dies gelte auch, »wenn der von der ausländischen Sachnorm für die Scheidung geforderte Staatsakt in einem richterlichen Urteil, also einem Gestaltungsurteil, besteht, wie nach den meisten Rechten«41. Ansonsten hat keiner der Verfechter der Gleichsetzung oder zumindest der Gleichbehandlung von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung die an sich gebotene Konsequenz im internationalen Urteilsverkehr gezogen. Nicht diese Feststellung ist jedoch den Autoren, die die Bindung an das Gestaltungsurteil als Tatbestandswirkung erfassen, zum Vorwurf zu machen, sondern umgekehrt die Tatsache, dass sie die Aus-

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MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 154; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 19, jeweils m.Nachw.; a.A. insoweit, aber nur beiläufig BayObLG, NJW-RR 1992, 514. 37 Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 131; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 19 jeweils m.Nachw.; richtigerweise kommt es für die Entfaltung von Tatbestandswirkung nicht einmal auf die Anerkennungsfähigkeit nach § 328 an, so OLG Celle, NJW 1967, 783; a.A. Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 432; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 155; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 156 Rn. 4; nach Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 20 ist dies eine Frage der Auslegung der materiellen Norm, nur im Zweifel ist die Tatbestandswirkung von der Anerkennungsfähigkeit abhängig. 38 Zur Substitution s. Kegel/Schurig, § 1 VIII 2 e (S. 64); Kropholler, IPR, § 33 II. 39 Hausmann, S. 244ff. 40 Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 26; nur im Ansatz Ensslin, S. 34 für ausländische konstitutive Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der trotzdem zu einer Art prozessualer Anerkennung gelangt, S. 127ff. 41 Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 27f.

I. Die heutige Handhabung

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wirkung, die ihre Ansicht auf den internationalen Rechtsverkehr gehabt hätte, nicht zum Anlass genommen haben, sie aufzugeben. Wenn die Bindung an das Gestaltungsurteil auf der Bindung des Richters an Gesetz und Recht beruhen sollte, wie teilweise vertreten wird42, ist die Situation ähnlich, denn gebunden ist der deutsche Richter nur an die deutschen Gesetze und über das deutsche IPR auch an die materiellen Rechtssätze des anwendbaren Rechts. Es gelten mutatis mutandis die zur Gleichstellung mit der Tatbestandswirkung angeführten Einwände. Aber auch aus der insoweit ganz herrschenden Ansicht, welche die Bindung an das Gestaltungsurteil der Bindung an die rechtsgeschäftliche Gestaltung gleichstellt und daraus ihre allgemeine Maßgeblichkeit folgert, wird im internationalen Zivilprozessrecht nicht die richtige Konsequenz gezogen, wie nachfolgend zu zeigen sein wird. Ausgangspunkt ist der Grundsatz, dass nur prozessuale Urteilswirkungen prozessual anerkennungsfähig sind43. Zunächst stellt sich die Frage, wie bestimmt wird, welche Urteilswirkung prozessualer Natur ist, damit sie nach § 328 anerkannt werden kann. Die Zuordnung zum materiellen Recht oder zum Verfahrensrecht ist nämlich noch keine Qualifikation, wie man sie im Internationalen Privatrecht kennt: Internationalprivatrechtliche Qualifikation ist die Einordnung eines Lebenssachverhaltes in die möglichen Systembegriffe der Kollisionsnormen und die Behebung evtl. auftretender Abgrenzungsschwierigkeiten44. Durch die Einordnung der Rechtsfrage oder der Rechtsnorm als prozessualer ist dagegen noch keine Subsumtion unter einen Anknüpfungstatbestand erfolgt, es wird dadurch lediglich das maßgebliche Kollisionsrecht bestimmt: IPR oder IZPR – die eigentliche Qualifikation wird stattfinden bei der Subsumtion der als prozessual erkannten Norm unter eine Anknüpfungsnorm des IZPR45. Seit der 1934 erschienenen Monographie von Magdalene Schoch findet die Einstufung in das materielle oder das Verfahrensrecht nach der lex fori des Gerichts statt, vor dem die Frage nach der Abgrenzung aufkommt46. Nur im Rahmen frü42

S. weiter oben, S. 64ff. Allg.M., s. weiter oben, Fn. 10. 44 S. eingehend zur Qualifikation Kegel/Schurig, § 7 (S. 278ff.) 45 Jaeckel, S. 75; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 431f.; a.A. Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 131, 136: »Eine klassische Qualifikationsfrage ist die Abgrenzung von Prozessrecht und materiellem Recht«. 46 Schoch, S. 155; heute h.M., s. z.B. Geimer, IZPR, Rn. 314, 2787; Jaeckel, S. 60 m.Nachw. in dort Fn. 45; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 373; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 11; Stein/JonasSchumann20 (Vorauflage), § 328 Rn. 5: »überwiegende Gründe sprechen dafür«, jedoch ohne weitere Erläuterung. Die Zuordnung könnte auch nach der lex causae (so Süß, Anm. zu RG, JW 1937, 1974, 1976; Wolff, IPR, S. 54), rechtsvergleichend [Dölle, RabelsZ 16 (1951), 360, 368f.; Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241ff.; Serick, ZZP 68, 278, 286f.; Zweigert, FS Raape, S. 35ff.] oder autonom vorgenommen werden [Kegel/Schurig, § 7 III 3 (S. 293ff.); Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 18, der jedoch im weiteren für die Anwendbarkeit der lex causae nicht mehr die Einordnung zum materiellen (»vorprozessualen«) Recht, sondern die streitentscheidende Qualität der Streit43

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

her des Brüsseler Übereinkommens und heute der EuGV-VO wird eine vertragsbzw. heute eine »verordnungsautonome«47 Einordnung vorgenommen48. Die Frage ist jedoch, ob diese Abgrenzung zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Einordnung für den internationalen Bereich identisch sein muss mit der für das nationale Recht geltenden, oder ob hinsichtlich der Anerkennung eine andere Sichtweise angebracht ist. Der Standort einer vergleichbaren Norm in der ZPO oder im BGB liefert zwar ein Indiz, aber noch keine abschließende Antwort, da sowohl die ZPO materiellrechtliche Regeln beinhalten kann als auch umgekehrt das BGB prozessuale49 (z.B. § 90 ZVG50 einerseits, § 407 II BGB51 andererseits). Der Standort der Norm vermag allenfalls die nicht zwingende Vorstellung des historischen Gesetzgebers bzgl. der Einordnung der Norm wiederzugeben. Die innerstaatliche Einordnung eines Rechtssatzes als materielles Recht oder als Prozessrecht muss in der Tat nicht notwendig identisch sein mit der internationalen52. Es wird gefordert, dass im Zweifel eine Regelung möglichst materiellrechtlich einzustufen ist, damit der Systemgedanke des ausländischen Rechts erhalten bleibt (materiellrechtsfreundliche Qualifikation)53. Auch Niederländer forderte, alle Rechtsnormen, die – unabhängig von subjektiven Momenten auf Seiten des Klägers – streitentscheidend sind, der lex causae zu entnehmen54, da – anders als im internationalen Privatrecht bei übereinstimmenden Kollisionsnormen – eine einheitliche Qualifikation einer Rechtsfrage als prozessualer noch frage als Kriterium einsetzt (S. 39ff.); Radtke, S. 45f. (maßgeblich ist die Zweckverfolgung der inländischen Kollisionsnorm und des ausländischen Sachrechts)]. Es wurde vorgeschlagen, diese ursprüngliche Einordnung zum materiellen Recht oder zum Verfahrensrecht als »Primärqualifikation« zu bezeichnen, Schoch, S. 155f.; wohl auch Jaeckel, S. 57; zu den Abgrenzungsmöglichkeiten aus völkerrechtlicher Sicht Linke, EurIVR, S. 39f. 47 Bezüglich der EuGV-VO passt der Begriff »vertragsautonom« nicht mehr so richtig, da es sich – anders als beim EuGVÜ – um keinen völkerrechtlichen Vertrag handelt. 48 Hier geht es meist um die Einordnung als Zivilsache oder als öffentlichrechtliche Streitigkeit und somit um den Anwendungsbereich des EuGVÜ, s. Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 131, 142; Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. II Rn. 75ff.; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 432f.; Martiny, Hdb. IZVR III/2, Kap. II Rn. 27 mit zahlreichen Nachw. 49 Beys, FS Henckel, 1, 3; Hellwig, System, § 2 III und dort Fn. 7f. (S. 5); Henckel, Prozessrecht, S. 5; Jaeckel, S. 61; Riezler, IZPR, S. 104f.; Roth, FS Stree/Wessels, 1045, 1051. 50 S. dazu weiter unten, S. 281. 51 Mugdan, Bd. 2 (1899), S. 579f.; Hellwig, Wesen, S. 404: Rechtskrafterstreckungsvorschrift. 52 Jaeckel, S. 62; Meier, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1, 41 zum schweizerischen Recht; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 236ff.; Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), Einl. Rn. 739; a.A. Guldener, S. 8f. (für das schweizerische Recht). 53 Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), Einl. Rn. 738; ablehnend Basedow in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 131, 144f.; H. Roth, FS Stree/Wessels, 1045, 1052. Von einer materiellrechtsfreundlichen Qualifikation ist der Grundsatz der materiellrechtsfreundlichen Interpretation zu trennen: Danach soll das Verfahrensrecht so ausgelegt werden, dass es die größtmögliche Effizienz des materiellen Rechts gewährleistet, dazu s. Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), Einl. Rn. 68ff. 54 Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 39ff.

I. Die heutige Handhabung

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nicht gewährleiste, dass immer dasselbe Recht angewandt wird55. Zu Recht weist allerdings Grunsky darauf hin, dass es sich hierbei um einen Versuch handelt, durch die materiellrechtliche Einordnung von ausländischen Vorschriften, die in der inländischen Rechtsordnung eindeutig verfahrensrechtlich verstanden werden, den Grundsatz der Anwendbarkeit der lex fori bzgl. des Verfahrensrechts einzuschränken56. Außerdem führt die materiellrechtliche Einstufung nur dann zur Anwendbarkeit gleichen Rechts, wenn – wie von Niederländer in der Tat vorausgesetzt wurde – die Kollisionsnormen des IPR übereinstimmen, was jedoch nicht zwingend der Fall ist57. Von diesen vereinzelt gebliebenen Ansichten abgesehen wird die Einordnung einer ausländischen Norm nach den gleichen Kriterien vorgenommen wie die einer inländischen. Bereits diese sind allerdings innerstaatlich umstritten, vielmehr kann bezweifelt werden, ob ein allgemeingültiges Kriterium für die Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht im internationalen Zivilprozessrecht entwickelt werden kann58. Wenn man jedoch das herrschende materiellrechtliche Verständnis der Bindung an das Gestaltungsurteil zugrunde legt, müsste die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Gestaltungswirkung grundsätzlich nach § 328 versagt werden, da eine Ableitung aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten keine prozessuale Urteilswirkung nach (richtigem) deutschem Verständnis ist. Die materiellrechtliche Betrachtungsweise verpflichtet zumindest zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den lex causae-Theorien, denn solange die Bindung an das inländische Gestaltungsurteil aus dem materiellen Recht hergeleitet wird, kann die Bindung an das ausländische Gestaltungsurteil nicht ohne jegliche Berücksichtigung des internationalen Privatrechts erklärt werden59. Tatsächlich wird von einigen Autoren vertreten, dass für die Anerkennung eines ausländischen Gestaltungsurteils das nach deutschem IPR anwendbare materielle Recht (die lex causae) herangezogen werden muss. Dies ist der gemeinsame Nenner aller sog. lex causae-Theorien, die allesamt von der h.M. abgelehnt werden, ohne dass begründet wird, warum im nationalen Recht eine materiellrechtliche Komponente herangezogen wird, im internationalen jedoch nicht. Dies ist freilich lediglich ein Beweis für die Inkonsequenz der h.M., der noch nicht die Frage beantwortet, welche Betrachtungsweise die richtige ist. Für den innerstaatlichen Bereich wurde im ersten Teil nachgewiesen, dass die prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil auf seiner materiellen Rechtskraft beruht. Schon daraus ergibt sich, dass bei der Anerkennung ausländischer Urteile 55

Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 18f. Grunsky, ZZP 89, 241, 246. 57 S. jedoch zur erfreulichen Tendenz der Harmonisierung des Kollisionsrechts weiter unten im Ausblick, S. 428. 58 Jaeckel, S. 72; Schlechtriem, S. 43. 59 So z.B. Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 49 und dort Fn. 179. 56

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

lediglich § 328 Anwendung finden muss und keine kollisionsrechtliche Prüfung stattzufinden hat60. Trotzdem soll zur Absicherung noch eine Auseinandersetzung mit den vorhandenen Theorien stattfinden, auch wenn sie keinen Anklang gefunden haben61, denn eigentlich stellen sie die konsequente Weiterführung der im innerstaatlichen Bereich vertretenen Begründung zur Bindungswirkung von Gestaltungsurteilen dar. i. Maßgeblichkeit der lex causae des ersten Prozesses Zunächst ist klarzustellen, dass es mehrere lex causae-Theorien gibt, die jedoch einen gemeinsamen Nenner haben, nämlich die Einbeziehung einer kollisionsrechtlichen Komponente in die Anerkennung von Gestaltungsurteilen62. Danach ist die Anerkennung der Gestaltung von der Haltung der Rechtsordnung der nach deutschem IPR maßgeblichen lex causae abhängig. Dabei ist meist die lex causae gemeint, die nach deutschem Recht auf das ursprüngliche Verfahren, das das Gestaltungsurteil hervorgebracht hat, anzuwenden wäre, und nicht die lex causae des zweiten Verfahrens, in dem die Vorfrage der Anerkennung des ausländischen Gestaltungsurteils auftaucht. Wenn die derart ermittelte erste lex causae auch tatsächlich dem Urteil zugrunde lag oder seine Gestaltung anerkennt, könne es auch in Deutschland anerkannt werden. Ob z.B. eine Scheidung im Inland Geltung erlangt, soll in folgenden logischen Schritten herausgearbeitet werden: Erst werde das maßgebliche Recht nach Art. 17 EGBGB ermittelt. Dann müsse gefragt werden, ob dieses Recht dem in Frage kommenden Scheidungsakt rechtsgestaltenden Charakter zuspricht. Diese lex causae soll sogar darüber entscheiden, ob ein ausländisches Scheidungsurteil materielle Rechtskraft entfalten kann63. Die lex causae-Theorien sind nicht rein materiellrechtliche Theorien. Wenn nämlich danach gefragt wird, ob die nach deutschem IPR berufene Rechtsordnung das ausländische Gestaltungsurteil anerkennt, dann wird auf das Verfahrensrecht dieser Rechtsordnung abgestellt und nicht auf das materielle Recht. Wenn die nach deutschem Verständnis anwendbare lex causae nicht das Recht des 60 Prägnant spricht Spellenberg (FS Geimer, 1257, 1260) vom »kollisionsrechtlichen Desinteresse« des Anerkennungsrechts. 61 Insofern irrig die Annahme von Haas, FamRZ 1993, 610, die von ihm rezensierte Entscheidung des OLG Hamm (FamRZ 1993, 608) sei von der kollisionsrechtlichen Relativität der Gestaltungswirkung ausgegangen. Das OLG Hamm hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen und nur die Ansicht eines Zivilsenats des BGH referiert (BGH, NJW 1972, 1619, 1620), zudem ohne konkrete Fundstellenangabe für die Ansicht eines anderen BGH-Senats zur »internationalen Gestaltungswirkung«. 62 Mit unterschiedlichen Begründungen OLG München, NJW 1963, 1158; Hausmann, S. 243ff.; Jonas, JW 1936, 283; Neuhaus, FamRZ 1964, 18, 22; Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 46ff.; Reinl, S. 90f., 163ff.; Schwarz, S. 9ff.; Süß, FG Rosenberg, 229, 256ff.; zur freiwilligen Gerichtsbarkeit: Dölle, RabelsZ 27, 201, 236ff. 63 Reinl, S. 120.

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Urteilsstaats war, genügt es, wenn sie eine dem § 328 vergleichbare Regelung enthält, die zur Anerkennung des Gestaltungsurteils führt. Schon vor Eintritt in die Prüfung der Stichhaltigkeit der lex causae-Theorien ist darauf hinzuweisen, dass es der Gesetzgeber selbstverständlich in der Hand hat, die Anerkennung eines ausländischen Gestaltungsurteils von einer kollisionsrechtlichen Komponente abhängig zu machen, wie dies z.B. der Fall war bei dem nunmehr aufgehobenen § 328 I Nr. 3 a.F. Nach dieser Vorschrift war die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen, »wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Artikels 13 Abs. 1, 3 oder der Artikel 17, 18, 22 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch oder von der Vorschrift des auf den Artikel 13 Abs. 1 bezüglichen Teiles des Artikels 27 desselben Gesetzes oder im Falle des § 12 Abs. 3 des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4. Juli 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1186) zum Nachteil der Ehefrau eines für tot erklärten Ausländers von der Vorschrift des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch abgewichen ist«64. Auch in Art. 27 Nr. 4 EuGVÜ stand ein kollisionsrechtlicher Vorbehalt, wenn als Vorfrage über (u.a.) den Personenstand entschieden wurde, indem eine andere Rechtsordnung zugrunde gelegt wurde, als das IPR des Anerkennungsstaates vorgeschrieben hätte und deswegen ein abweichendes materielles Ergebnis erzielt wurde. Praktisch hatte diese Vorschrift in Deutschland keine Auswirkung65, der Vorbehalt wurde nicht in Art. 34 der EuGV-VO übernommen. Bei den hier besprochenen lex causae-Theorien geht es darum, ob auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung bei der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile eine kollisionsrechtliche Komponente einbezogen werden muss bzw. darf. Dabei wird sich zeigen, dass einige Ausgestaltungen der lex causaeTheorie nichts anderes sind als die konsequente Weiterführung der innerstaatlich entwickelten Grundsätze zur Dogmatik der Gestaltungsurteile. Zwar hat sich keine der lex causae-Theorien durchgesetzt, sie werden jedoch immer wieder gerade im Bereich der Statusurteile vertreten. Hauptsächlich sind zwei Spielarten der lex causae-Theorie zu erkennen. Die reinste Form will § 328 bei Gestaltungsurteilen grundsätzlich überhaupt nicht anwenden, sondern befragt nur das Sachstatut zu seiner Haltung dem Gestaltungsurteil gegenüber. Nur wenn das Sachstatut deutsches Recht war, finde § 328 Anwendung, und zwar im Rahmen der Prüfung, ob das Sachstatut das Urteil anerkennt. Zitelmann hat die hiesige Beobachtung, dass eine Gleichstellung des Gestaltungsurteils mit der rechtsgeschäftlichen Gestaltung zur Anwendbarkeit einer lex causae-Theorie führen müsse, anschaulich dargestellt: »Diese Urteile wirken also 64 Die Praxis hat allerdings nur selten die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung wegen § 328 I Nr. 3 abgelehnt, s. Basedow, S. 64 mit Statistik. 65 S. nur MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Gottwald, Art. 34 EuGVO Rn. 1.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

gerade so wie private Rechtsgeschäfte, falls sie auf eine derartige Wirkung mit Erfolg gerichtet werden könnten. Damit ist das für ihre Beurteilung maßgebliche Statut von selbst gegeben: es muss immer das Gesetz sein, das eben eine solche Wirkung ihrer Natur nach beherrscht. Das konstitutive Urteil hat die Kraft, die von ihm bezweckte Wirkung herbeizuführen, nur dann und nur soweit, wenn und wie das maßgebende Wirkungsstatut sie ihm zuspricht«66. Zitelmann sah die rein kollisionsrechtliche Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile als internationalprivatrechtlichen Grundsatz an, der jedoch von ausdrücklichen Kollisionsnormen zurückgedrängt werden könne67. »All diese Sätze sind aber doch nur eben vom Standpunkt des völkerrechtlichen IPR aus richtig, kommen also in dem einzelnen Staat nur zur Anwendung, wenn dort keine Kollisionsnormen gelten. Solche gelten aber insbesondere insofern, als es sich um die Gestaltung der Rechtsfolgen durch gerichtliche Urteile handelt«68. Eine derartige Kollisionsnorm sei in § 328 zu sehen. Auch sonst wurde aus der materiellrechtlichen Natur der Gestaltung gefolgert, dass § 328 nicht unmittelbar, zumindest nicht ausschließlich anwendbar sei69. Selbst der ZPO-Entwurf 1931 sah eine kollisionsrechtliche Anerkennung von Gestaltungsurteilen vor. § 335 E 31 hatte folgenden Inhalt: »Ist im Ausland ein Urteil der im § 295 bezeichneten Art (d.h. ein Gestaltungsurteil, Anm. der Verf.) ergangen und handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, auf das nach deutschem Recht das Recht des ausländischen Gerichts anzuwenden war, so ist für die Wirkung des Urteils auf das Rechtsverhältnis auch im Inland nicht § 333, sondern das nach deutschem Recht anzuwendende ausländische Recht maßgebend«. Die Begründung lautete, dass Gestaltungsurteile ihrem Wesen nach »rechtsändernde materiellrechtliche Wirkung ausüben« sollen70. Die so herbeigeführte Rechtsänderung müsse berücksichtigt werden, auch wenn keine Gegenseitigkeit verbürgt sei. Bemerkenswert ist allerdings, dass diese Regelung nur für Gestaltungsurteile gelten sollte, die von den Gerichten des Sachstatuts ergangen waren. Welche Rückschlüsse für Gestaltungsurteile, die in einem anderen Staat ergingen, zu ziehen wären, mag dahingestellt bleiben, da § 335 E 31 niemals geltendes Recht wurde71. 66 Zitelmann, S. 281. Es irritiert jedoch etwas, dass Zitelmann die Änderung der Rechtslage auf die Rechtskraft zurückführt: »Die Rechtskraft des Erkenntnisses, durch das die Wirkung konstituiert wird, bedeutet hier jedenfalls, dass diese Wirkung wirklich eintritt«. Damit verträgt sich die nachfolgende Feststellung, »diese Urteile wirken also gerade so wie private Rechtsgeschäfte«, eigentlich nicht. 67 Zitelmann, S. 770, 825. 68 Zitelmann, S. 829. 69 Jonas JW 1934, 2555, 2556; Jonas, JW 1936, 283: Überschneidung materiellrechtlicher und prozessualer Vorschriften, annehmbares Ergebnis nur durch Vorrang der materiellrechtlichen; Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 49 und dort Fn. 179; Reinl, S. 118ff.; Reinl, FamRZ 1973, 203; – gegen Jonas Lorenz, FamRZ 1966, 465, 477. 70 Erläuterung zu § 335 Entw. 1931, S. 327. 71 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sich der in seiner Anwendbarkeit ausgeschlossene

I. Die heutige Handhabung

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Die Variante, die sich – wenn auch unerkannt – als die konsequente Weiterführung der Haltung im innerstaatlichen Recht erweist, befürwortet eine Trennung der Anerkennung der Rechtskraft von derjenigen der »Gestaltungswirkung«. Es sei daran erinnert, dass nach herrschender Ansicht das Gestaltungsurteil zum einen »Gestaltungswirkung« erzeugen soll, die in der Änderung der materiellen Rechtslage besteht, zum anderen materielle Rechtskraft, die vor späteren Schadensersatz- oder Bereicherungsklagen schützen soll. Die konsequente Weiterführung dieser Aufspaltung im innerstaatlichen Bereich ist international die zweigleisige Anerkennung. Die materielle Rechtskraft wird nach § 328 anerkannt72, während die Gestaltungswirkung als materiellrechtliche Wirkung kollisionsrechtlich »anerkannt« werden soll73. Eine verwandte Theorie will – ohne die ausdrückliche Aufspaltung nach Urteilswirkungen, die der geschilderten Variante zugrunde liegt – die Anerkennungsfähigkeit nach der lex causae zur zusätzlichen Voraussetzung neben denen des § 328 machen, dessen Versagungsgründe somit nicht als numerus clausus verstanden werden74. Nach Frankenstein z.B. hat der § 328 nur eine Auslesefunktion, indem er »nur negativ bestimmt, wann die Anerkennung ausgeschlossen ist, es im Übrigen aber der Wissenschaft überlässt, die Grundsätze zu entwickeln, nach denen die Urteile, deren Anerkennung nicht ausgeschlossen ist, nun auch positiv anerkannt werden dürfen. Dieser Grundsatz ist einfach genug: alle Urteile, deren Anerkennung § 328 nicht verbietet, sind anzuerkennen, wenn die materiell maßgebende Rechtsordnung sie anerkennt«75. Auch Niederländer schrieb: »Die materiellen Wirkungen eines Urteils, namentlich die eines Gestaltungsurteiles, bestimmen sich nach dem Sachstatut; jeglicher Wirkung eines ausländischen Urteils muss die Anerkennung vorausgehen«76. Ob durch diese Handhabung bei Nichterfüllung der zusätzlichen Voraussetzungen der lex causae wenigstens nur die materielle Rechtskraft des ausländischen Gestaltungsurteils nach § 328 anerkannt werden konnte, ist unklar, insbesondere da die materielle Rechtskraft der Gestaltungsurteile lange Zeit verneint

§ 333 E 31 lediglich auf die materielle Rechtskraft bezog, und nicht schlechthin auf die Urteilswirkungen des ausländischen Urteils (wie dies in § 328 ZPO der Fall ist). 72 OLG München NJW 1963, 1158; Süß, FG Rosenberg, 229, 251f., 256. 73 Jonas, JW 1934, 2555, 2556; Jonas, JW 1936, 283: Überschneidung materiellrechtlicher und prozessualer Vorschriften, annehmbares Ergebnis nur durch Vorrang der materiellrechtlichen; Reinl, S. 118ff.; Süß, FG Rosenberg, 229, 256ff. 74 Z.B. OLG München, FamRZ 1964, 43; OLG München, FamRZ 1964, 442; wohl Matscher, FS Schima, 265, 284f.; Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 47: § 328 ZPO sei »im Geiste des Art. 17 (EGBGB) zu lesen, die Anerkennung eines ausländischen Urteils, das von dem Heimatrecht der Eheleute nicht anerkannt wird, verstoße gegen den Zweck des Art. 17 EGBGB und falle damit unter § 328 I Nr. 4« Diese Vorschrift lautete 1943: »wenn die Anerkennung des Urteils gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde«; ähnlich Raape, IPR, § 30 B II 2 (S. 314). 75 Frankenstein, S. 347 (Hervorhebung im Original). 76 Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 49 und dort Fn. 179

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

wurde77 und auch heute noch – zu Unrecht – zwar anerkannt ist, jedoch eine untergeordnete Rolle spielt, ja sogar »verkürzt« ist78. Eine gespaltene Anerkennung ist jedenfalls nicht zu befürworten79, denn durch die selbständige Berücksichtigung von § 328 für die Rechtskraft und von kollisionsrechtlichen Grundsätzen für die »Gestaltungswirkung« sind untragbare Ergebnisse vorprogrammiert. Wenn das Sachstatut die Gestaltung nicht anerkennt, müsste z.B. eine neue Gestaltungsklage erhoben werden (entweder im Staat der lex fori oder der lex causae oder in einem Staat, dessen Urteile die Rechtsordnung der lex causae anerkennt). Dieser erneuten Gestaltungsklage würde jedoch der Einwand der Rechtskraft in Gestalt des Verbotes des ne bis in idem entgegenstehen, wenn die lex fori des zweiten Rechtsstreits wie im Regelfall die materielle Rechtskraft des ersten Gestaltungsurteils anerkennt, was wiederum zu einer Rechtsschutzlücke führen würde80. Allerdings sehen einige Autoren den Sinn der Rechtskraft im internationalen Rechtsverkehr darin, dass der Einwand der Rechtskraft nicht zur Unzulässigkeit einer weiteren Klage führt, sondern lediglich ein zweites abweichendes Urteil verhindert81 –diese Betrachtungsweise wird auch von der Rechtsprechung geteilt82. Unter dieser Betrachtungsweise wäre eine kumulative Berücksichtigung von § 328 und kollisionsrechtlichen Grundsätzen denkbar. Jedoch wird die Form der Geltendmachung der anerkannten Urteilswirkung nach der lex fori bestimmt, so dass richtigerweise die anerkennungsfähige materielle Rechtskraft eines ausländischen Urteils auch das Verbot des ne bis in idem begründet83, so dass eine kumulative Prüfung der Anerkennungsfähigkeit nach prozessualen und materiellrechtlichen Grundsätzen zu untragbaren Ergebnissen führen würde und daher abzulehnen ist. An dieser Stelle ist auch auf die – nicht zutreffende – Ansicht hinzuweisen, dass die im Urteilsstaat tatsächlich angewandte lex causae darüber entscheiden soll, »ob das Urteil und sein Inhalt präjudiziell sein können, und ob es dafür auf rechtskräftige Feststellung ankommt«84. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um die Problematik, welchem Recht die Urteilswirkungen zu entnehmen sind. Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass die Präjudizialwirkung als positive

77

S. weiter oben, S. 169. S. weiter oben, S. 172. 79 Lorenz, FamRZ 1966, 465, 477f. 80 Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 221. 81 Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 13 und dort Fn. 29 m.Nachw. (entgegen der Vorauflage). 82 Vgl. BGH, NJW 1987, 1146f.: Die Rechtskraft stehe der Zulässigkeit einer neuen Klage nicht entgegen, weil sich die Wirkung der Rechtskraft des ausländischen Urteils im Inland nicht ohne weiteres selbst versteht; vgl. auch Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 7 (S. 144); Stein/JonasMünzberg, § 722 Rn. 6 m.w.Nachw. 83 MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 140, weitere Nachw. in Fn. 124. 84 Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 167; ähnlich Reinl, S. 120. 78

I. Die heutige Handhabung

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Rechtskraftwirkung eine prozessuale ist, die gemäß dem Grundsatz der Wirkungserstreckung nach der lex fori des Urteilsstaates zu beurteilen ist. Das spiegelbildliche Beispiel zeigt die Unhaltbarkeit einer derartigen Vorgehensweise: Wenn ein deutsches Urteil unter Anwendung ausländischen materiellen Rechts ergeht, wird man kaum vertreten, dass das ausländische Sachstatut den Umfang der Rechtskraftwirkung vorgibt, wie dies Spellenberg für ausländische Urteile annimmt. Freilich wird man zur Ermittlung des Inhalts der Gestaltung eventuell das angewandte materielle Recht heranziehen müssen, dabei wird jedoch nicht die Tragweite einer prozessualen Urteilswirkung ermittelt, sondern es wird lediglich der Inhalt der Entscheidung konkretisiert. Wie man beim ausländischen Leistungsurteil gegebenenfalls das angewandte Recht heranziehen muss um zu ermitteln, was genau zugesprochen wurde, wird man dies auch tun müssen, um zu bestimmen, wie die Rechtslage umgestaltet wurde. Davon zu trennen ist die Frage, inwiefern eine prozessuale Bindung eingetreten ist, d.h. inwiefern und welchen Personen das Vorbringen von Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Gestaltung in einem späteren Rechtsstreit abgeschnitten wird. Hierbei handelt es sich um eine prozessuale Frage, die nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung vom Prozessrecht der ursprünglichen lex fori beantwortet werden muss. Es ist auch die These aufgestellt worden, dass eine Anerkennung gegen den ordre public verstoße, wenn die nach deutschem Recht berufene lex causae das anzuerkennende Urteil nicht anerkennt85. Jedoch scheitert eine Anerkennung nur an einer Verletzung des deutschen ordre public international86. Dieser wird schwerlich davon berührt, dass eine andere Rechtsordnung eine Entscheidung nicht anerkennt. Es handelt sich wohl eher um eine Verlegenheitsargumentation zu dem Zweck, die kollisionsrechtliche Komponente unter eine der in § 328 aufgezählten Anerkennungsvoraussetzungen unterzubringen. Jonas ging noch einen Schritt weiter, indem er der Anerkennungsfrage eine körperweltliche Sicht zugrunde legte: Bei der Rechtsgestaltung handele es sich um eine Tatsachenfrage87. Art. 7 FamRÄndG habe die – freilich atypische – bindende Feststellung einer Tatsache zum Gegenstand. Sein Gedankengang war folgender: Da die Statusverhältnisse sowohl durch rechtsgestaltende Hoheitsakte als auch durch natürliche Vorgänge wie Geburt und Tod bestimmt werden, müssen beide Fallgruppen gleich behandelt werden88. Demnach sollen Akte, die ein Statusver85

OLG Hamburg, JW 1935, 3488 Nr. 66; kritisch zu der Überprüfung der Einhaltung des ordre public bei Statusverhältnissen, die ausländischem Recht unterstehen Jonas, JW 1936, 283, da sich der deutsche Gesetzgeber durch die Zuweisung des Rechtsverhältnisses dem ausländischen Recht für »desinteressiert erklärt« habe. 86 S. nur BGHZ 48 (1968), 327, 331. Ausführlicher handelt es sich um den deutschen, international durchzusetzenden ordre public in Abgrenzung zum internen ordre public, s. MünchKomm-Sonnenberger, Art 6 EGBGB Rn. 19 m.Nachw. 87 Jonas, JW 1936, 283. 88 Jonas, JW 1936, 283.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

hältnis gestalten, ohne jegliche Anerkennung wirken, weder einer förmlichen noch einer inzidenten. Nach dieser Ansicht findet § 328 bei gestaltenden Statusurteilen überhaupt keine Anwendung. Maßgeblich sei allein die internationalprivatrechtliche Anknüpfung, die auch für die Beurteilung der Statusveränderungen durch Naturereignisse gilt. Das würde bedeuten, dass Urteile, die in einem Staat ergangen sind, dessen Rechtsordnung nach deutschem IPR auf den Rechtsstreit anzuwenden wäre, in Deutschland immer anzuerkennen wären, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 328 erfüllt sind89. Dies wiederum würde in Fällen konkurrierender internationaler Zuständigkeiten zu einer unbegründeten Privilegierung der Entscheidungen der Gerichte des Sachstatuts führen90. Jonas übersah, dass auch bei Geburt und Tod eine »Anerkennungsfrage« entsteht, die sich z.B. auf die Eintragung in das Personenstandsbuch oder in vergleichbare Urkunden bzw. auf die ausländische Todes- oder Verschollenheitserklärung bezieht91, denn Tatsachen oder Rechtsverhältnisse können nicht im technischen Sinne »anerkannt« werden92. Auch die Entscheidung der Landesjustizverwaltung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG bezieht sich nicht auf die Feststellung der Scheidung als Tatsache, sondern darauf, dass der ausländische formelle Scheidungsakt die Voraussetzungen z.B. des § 328 erfüllt. Somit ist auch dieser Ansatz nicht zu befürworten. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass für die Anerkennung unabhängig von der Anerkennungsfähigkeit nach der lex causae auch die bewusste Aufhebung des weiter oben genannten § 328 I Nr. 3 a.F. spreche, der für bestimmte Fälle die Anerkennung von der Beachtung konkreter Vorgaben des deutschen IPR abhängig machte93. Diese Vorschrift wurde durch die IPR-Novelle 1986 gestrichen, weil sonst das Kollisionsrecht bei der Anerkennung fremder Entscheidungen zu sehr in den Vordergrund gestellt würde94. Allerdings war § 328 I Nr. 3 a.F. keine Ausprägung einer lex causae-Theorie, wie sie weiter oben dargestellt wurden. Die lex causae-Theorien wollen die Anerkennung davon abhängig machen, dass entweder das Gestaltungsurteil im Staat des Sachstatuts erlassen wurde oder als ausländisches Urteil von der Rechtsordnung der lex causae anerkannt wird. § 328 I Nr. 3 a.F. fragte dagegen nicht nach diesen Kriterien – Hauptanliegen der Vorschrift war genau genommen, eine inhaltliche Kontrolle des ausländischen Gestaltungsurteils nach deutschem Recht zu ermöglichen. Bezeichnend war, dass als Versagungsgrund ausdrücklich die Abweichung zum Nachteil einer deutschen 89 So zur Maßgeblichkeit des Art. 17 EGBGB unter Verdrängung des § 328 ZPO für Scheidungsurteile Jonas, JW 1936, 283. 90 Geimer, IZPR, Rn. 44. 91 S. Kegel/Schurig, § 17 I 1f. bb) bbb) (S. 484). 92 Neumeyer, S. 295. 93 Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 16; zum § 328 I Nr. 3 a.F. Müller, ZZP 79, 199, 218f. 94 BegrRegE, BT-Drucks. 10/504, 88.

I. Die heutige Handhabung

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Partei vorgesehen war. Somit ging es dem Gesetzgeber nicht um die Anerkennungsfähigkeit des Urteils durch die lex causae, sondern um die Absicherung der Anwendung materieller deutscher Vorschriften gegenüber deutschen Staatsbürgern95. ii. Maßgeblichkeit der lex causae des zweiten Prozesses Keinesfalls sollte die Anerkennung des ausländischen Gestaltungsurteils von der Anerkennungsfähigkeit nach der lex causae des zweiten Rechtsstreits abhängig gemacht werden, d.h. des Verfahrens, in dem die Gestaltung präjudiziell geworden ist. Zum einen widerspricht eine derartige Handhabung dem Grundsatz, dass in verfahrensrechtlichen Fragen auf die lex fori abgestellt wird96. Zum anderen kann durch eine derartige kollisionsrechtliche Anerkennung große Rechtsunsicherheit entstehen, da das Statusurteil in der Regel nur die Grundlage für die Entstehung neuer Rechtsverhältnisse bildet, die zum Teil kollisionsrechtlich unterschiedlich angeknüpft werden97. Wenn jedoch für die Anerkennung des zugrunde liegenden Gestaltungsurteils jedes Mal die lex causae herangezogen wird, die für den Folgeanspruch maßgeblich ist, und durch die unterschiedlichen Anknüpfungen auch unterschiedliche leges causae entstehen, werden divergierende Inzidententscheidungen über die Anerkennungsfähigkeit des Gestaltungsurteils selbst in ein und demselben Staat möglich98. Abgesehen davon wäre es widersinnig, auf die Haltung der maßgeblichen Rechtsordnung im zweiten Rechtsstreit abzustellen, wenn bei der Anerkennung des neuen inländischen Leistungs- oder Feststellungsurteils, für das die Gestaltung präjudiziell war, später richtigerweise lediglich die prozessuale Anerkennungsfähigkeit unabhängig von kollisionsrechtlichen Vorgaben maßgeblich sein wird. Dann kommt es nämlich gar nicht auf die Grundlage an, auf der die Vorfrage beschieden wurde, da bei der Anerkennung des zweiten Urteils keine Inhaltsüberprüfung stattfindet. Für einen Verstoß gegen den ordre public international99 wird es kaum reichen können, dass das deutsche Gericht seine Entscheidung auf ein ausländisches Urteil stützen soll, das die (zweite) ausländische Rechtsordnung nicht anerkannt hätte. Die Haltung der nach deutschem Verständnis berufenen Rechtsordnung im zweiten Prozess, in dem die Frage nach der Anerkennung des ausländischen Urteils im Rahmen der Vorfragenbindung aufkommt, gegenüber der Anerken-

95 Damit handelte es sich um eine rechtspolitisch fragwürdige Exklusivnorm, die regelwidrig die Anwendung des deutschen Rechts ausdehnte, s. dazu Kegel/Schurig, § 6 I 3 (S. 303). 96 Kegel/Lüderitz, FamRZ 1964, 57, 58f.; zust. Ring, S. 81ff. 97 S. weiter oben, S. 299. 98 Lorenz, FamRZ 1966, 465, 478. 99 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315.

318

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

nungsfähigkeit dieses ausländischen Urteils, ist somit unerheblich für die Anerkennungsfähigkeit im Inland. Abgesehen davon entstehen Probleme, wenn die berufene lex causae eine Gestaltung, wie sie durch das Gestaltungsurteil vorgenommen wurde, nicht kennt. Die Annahme, es reiche aus, wenn die lex causae des neuen Prozesses eine ähnliche Gestaltung kennt100 bzw. der Vorschlag, diese »Lücke« durch Auslegung zu schließen101, führt nur zu einer notdürftigen Korrektur einer unbefriedigenden Konstruktion, die nur als ultima ratio ihre Rechtfertigung finden kann. Auch Art. 13 II Nr. 3 EGBGB bestimmt ausdrücklich, dass ein Scheidungsurteil, das entweder in Deutschland ergangen oder hier anerkennungsfähig ist, zur Wiederverheiratungsfähigkeit führt, auch wenn die an sich berufene lex causae es nicht anerkennt102. Diese Vorschrift war notwendig, um die Streitfrage zu klären, ob die im Inland anerkannte Scheidung nicht nur die Ehe aufhebt, sondern auch die Bahn für eine im Inland geschlossene neue Ehe freimacht103. Eine ähnliche Regelung sieht Art. 11 des Haager Übereinkommens vom 1. 6. 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen sowie Trennungen von Tisch und Bett vor104.

c. Registereintragungspflicht nach der lex causae Es gibt Rechtsordnungen, die für den Eintritt der materiellen Gestaltung eine Registereintragung verlangen. So wird in einigen Ländern die Ehe nicht schon durch das Urteil geschieden, sondern erst durch die Eintragung in das entsprechende Personenstandsregister. Das ist z.B. der Fall in Belgien (Art. 1303 Code judiciaire), in Holland (Art. 163 BW) und in Italien (Art. 10 Scheidungsgesetz)105. Das deutsche Recht dagegen bestimmt: »Die Ehe ist mit der Rechtskraft des Urteils aufgelöst« (§ 1564 S. 2 BGB). Aus dieser Vorschrift wird zum Teil hergeleitet, dass das Scheidungsurteil, das im Ausland nach deutschem materiellen Recht ergangen ist – unabhängig davon, ob es eingetragen wurde – gegenüber jedermann verbindlich sei, weil der Richter § 1564 BGB anwenden müsse106. Somit wird § 1564 BGB 100

Hausmann, S. 196ff. Müller, ZZP 79, 199, 232ff. 102 Es muss weiterhin ein Verlobter seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben oder Deutscher sein und es müssen die zumutbaren Schritte zur Erreichung der Anerkennung unternommen werden (Art. 13 II EGBGB), s. Fachausschuss, StaZ 1996, 372f. 103 Verneinend früher z.B. Raape, IPR, § 30 D II (S. 317); a.A. Kegel/Schurig, § 20 IV 1 b) bb) (S. 689): »... dann kommt es nur darauf an, ob das Urteil wirkt. Für ein deutsches Urteil versteht sich das von selbst. Ein ausländisches Urteil wirkt, wenn wir es anerkennen«. 104 »A State which is obliged to recognize a divorce under this Convention may not preclude either spouse from remarrying on the ground that the law of another State does not recognize that divorce«. 105 Information entnommen aus MünchKomm-Winkler v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 128. 106 A.A. MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 148, weil sich der Umfang der Gestaltungswirkung nach dem Recht des Urteilsstaates richtet, so dass sie erst mit der im Ausland erforderli101

I. Die heutige Handhabung

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für die Zwecke der Erklärung der Bindungsproblematik materiellrechtlich eingestuft. In den Materialien liest man, § 1564 BGB habe seinen Standort im materiellen Recht, weil Scheidungsantrag und -ausspruch materiellrechtliche Wirkungen haben107. Die Konsequenz wäre, dass § 1564 S. 2 BGB, nach welchem »die Ehe mit der Rechtskraft des Urteils aufgelöst« ist, keine Anwendung findet, soweit ausländisches Recht anwendbar ist, zumindest wenn man als Grundsatz annimmt, dass keine Bindung an das Gestaltungsurteil eintritt, wenn die lex causae des ersten Prozesses zusätzliche Erfordernisse, wie z.B. Registereintragung, verlangt, die das ausländische Gestaltungsurteil nicht erfüllt108. Die Eheauflösung würde erst durch die Eintragung in das ausländische Register erfolgen109, und zwar selbst bei Urteilen deutscher Gerichte, die ausländisches Recht angewandt haben. In der Tat finden sich vereinzelt Stimmen, die wohl davon ausgehen. Z.B. ergänzte das LG Darmstadt die Urteilsformel eines deutschen Scheidungsurteils durch die Anweisung an den italienischen Standesbeamten, das deutsche Scheidungsurteil einzutragen110, auch wenn es sehr gewagt und wenig aussichtsreich erscheint, dass ein deutsches Gericht eine ausländische Behörde anweisen will. Diese Handhabung kann sowieso eher als Ausnahme angesehen werden, als Regel wird vielmehr nach folgendem Grundsatz verfahren: »In Deutschland kann durch Gestaltungsurteil selbst dann geschieden werden, wenn das für die Scheidung maßgebende Recht außer dem Scheidungsurteil die Eintragung ins Register des Standesamts fordert (streitig). Denn die Eintragung ist ebenfalls nur Verfahrensbestandteil; sie wiegt zudem leichter als das Urteil, und das Bestehen auf Eintragung würde praktisch zu Rechtsverweigerung führen«111. Andererseits tut man sich leichter, einem ausländischen Urteil die »Gestaltungswirkung« abzusprechen, wenn nach ausländischem Recht noch eine Registereintragung nötig ist112, wobei man sich nicht einig ist, welcher Rechtsordnung dieses Erfordernis zu entnehmen ist113.

chen Registereintragung eintreten kann; s. auch weiter oben, S. 304ff. zur Frage des Scheidungsmonopols deutscher Gerichte. 107 BT-Drucks. 7/650, S. 104. 108 Hausmann, S. 48f.; Jansen, FGG, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 10; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 213. 109 Schlosser, S. 314ff.; unklar OLG Bremen IPRspr. 1954/55 Nr. 94 (lux); LG Augsburg IPRspr. 1952/53 Nr. 118 (belg.); beide Entscheidungen behandeln primär die Frage, ob das Erfordernis der Registereintragung im Ausland eventuell der Zulässigkeit einer inländischen Scheidungsklage entgegensteht, nur indirekt ergibt sich daraus, dass wohl die Wirksamkeit der Scheidung von der Registereintragung abhängig gemacht wird. 110 LG Darmstadt, FamRZ 1974, 192 m.Anm. Jayme. 111 Kegel/Schurig, § 20 VII 3 b (S. 749), Hervorhebung im Original. 112 MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 148; Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 212 m.Nachw. 113 Nachweise bei Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 212.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Diese Problematik zeigt Ähnlichkeit mit der Frage, inwiefern § 1564 S. 1 BGB (Scheidung nur durch gerichtliches Urteil) erfüllt sein muss, wenn im Ausland eine Ehe rechtsgeschäftlich geschieden wurde und deutsches Recht Scheidungsstatut ist. Hier wurde vor Einführung der positiven Regelung in Art. 17 II EGBGB der materiellrechtliche Charakter von § 1564 S. 1 BGB hochgehalten mit dem Ergebnis, dass bei Anwendbarkeit deutschen Rechts nur eine gerichtliche Scheidung möglich war114. Jedoch scheint es leichter zu fallen, aus der materiellrechtlichen Natur der Vorschriften, die das Gestaltungsurteil vorsehen, die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu ermitteln, als umgekehrt die Anwendbarkeit ausländischen Rechts. Daher wurde § 1564 S. 2 BGB von der h.M. prozessual eingestuft, so dass diese Vorschrift auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Sachstatuts anwendbar bleibt115. Wiederum zeigt sich, dass im internationalen Bereich oft die richtigen Lösungen gefunden, jedoch nicht immer die entsprechenden Rückschlüsse auf das nationale Recht gezogen werden.

II. Bekräftigung der hier entwickelten Betrachtungsweise Es wurde aufgezeigt, dass die Behandlung der Gestaltungsentscheidungen im innerstaatlichen und im internationalen Rechtsverkehr widersprüchlich ist: Aus der Behandlung der inländischen Gestaltungsurteile müsste als Konsequenz die Anwendbarkeit der lex causae-Theorie folgen, wie Zitelmann zu Recht schon bemerkte. Wenn nämlich die Gestaltungswirkung auf der Änderung des materiellen Rechts basiert, dann wird die Berücksichtigung der ausländischen Gestaltung von der Haltung der materiellen Rechtsordnung abhängig sein, der die Änderung der Rechtslage entnommen wurde. Insbesondere die konsequenteste Weiterführung der innerstaatlichen Betrachtung, nämlich die Aufspaltung der Anerkennung (der materiellen Rechtskraft nach § 328, der Gestaltung nach der lex causae) führt zu unsachgemäßen Ergebnissen und es verwundert nicht weiter, dass diese Konsequenz im internationalen Bereich nicht gezogen wurde, denn die beschriebene Vorgehensweise erscheint einfach unsachgemäß. Bei richtiger innerstaatlicher Betrachtung des Gestaltungsurteils ergibt sich dagegen die reibungslose Umsetzung im internationalen Rechtsverkehr von selbst: Maßgebliche Urteilswirkung des Gestaltungsurteils ist die materielle Rechtskraft, folgerichtig ist sie beim ausländischen Gestaltungsurteil auch einziger Gegenstand der Anerkennung.

114 MünchKomm-Winkler von Mohrenfels, Art. 17 Rn. 354 m.Nachw.; zweifelnd Henrich, IPRax 1995, 86, 89; s. auch weiter oben, S. 304ff. 115 KG, FamRZ 1957, 223; KG IPRspr. 1931 Nr. 79; Kegel/Schurig, § 20 VII 3 b (S. 749).

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse Als unsachgemäß hat sich bereits im innerstaatlichen Rechtsverkehr die Methode erwiesen, sich auf die Untersuchung der gestaltenden Statusurteile zu konzentrieren und lediglich die Ergebnisse auf die übrigen Gestaltungsurteile zu übertragen. Es muss auch hier der umgekehrte Weg gegangen werden: Es ist der dogmatisch korrekte prozessuale Grundsatz für die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile anhand des § 328 zu ermitteln, dann ist die Spezialregelung des Art. 7 § 1 FamRÄndG bzw. der neuen EG-Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen zu untersuchen.

1. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile Im ersten Teil wurde die These entwickelt, dass Gestaltungsurteile nur im Rahmen der materiellen Rechtskraft prozessuale Verbindlichkeit erlangen. Die Gestaltungswirkung i.S.d. Änderung der materiellen Rechtslage lässt sich als eine Art Vollzug des Gestaltungsurteils (allerdings nicht im Sinne einer Zwangsvollstreckung im technischen Sinne) verstehen. Jedoch ist es nicht diese Wirkung des Gestaltungsurteils, die zu seiner Maßgeblichkeit im Folgeprozess führen wird. Zur prozessualen Verbindlichkeit ist vielmehr eine Verhaltensnorm, adressiert an den Richter, erforderlich. Bezüglich der Wiederholung des Prozesses ist diese Verhaltensnorm schon bislang die materielle Rechtskraft in ihrer negativen Ausprägung (ne bis in idem) gewesen, die in der Praxis gerade bei Gestaltungsurteilen eine untergeordnete Rolle spielt. Auch was die Bindung an den Inhalt des Rechtsverhältnisses betrifft, wenn in einem weiteren Prozess die Vorfrage aufkommt, ob und wie die materielle Rechtslage gestaltet wurde, ist – anders als bislang – auf die materielle Rechtskraft zurückzugreifen, und zwar in ihrer positiven Wirkung. Es ist in Kurzform daran zu erinnern, dass – wiederum entgegen herkömmlicher Auffassung – diese Betrachtungsweise nicht daran scheitert, dass die Gestaltung nach h.M. erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils eintritt, während sich die rechtskräftige Feststellung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bezieht. Zum Streitgegenstand der Gestaltungsklage gehört auch die Gestaltung selbst116 und dies spiegelt sich wider in den objektiven Grenzen der Rechtskraft: Festgestellt wird zum einen, dass ein materielles Gestaltungsklagerecht besteht, zum anderen, dass mit Eintritt der Rechtskraft das Rechtsverhältnis gestaltet sein wird. Genau wie die rechtskräftige Feststellung des Leistungsurteils dazu führt, dass die daraus resultierende Leistungsanordnung mit Eintritt der materiellen Rechtskraft endgültig verbindlich und durch116

S. weiter oben, S. 188.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

setzbar wird, führt die rechtskräftige Feststellung des Gestaltungsrechts des Klägers dazu, dass die Gestaltungsanordnung mit Eintritt der materiellen Rechtskraft endgültig wird. Nach dieser kurzen Zusammenfassung des im ersten Teil ermittelten Ergebnisses kann die neue Betrachtungsweise auf den internationalen Teil angewandt werden.

a. Autonomes Recht Auch für den internationalen Bereich gilt: Gestaltungsurteile binden prozessual nur aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft. Gegenstand der Anerkennung ist die materielle Rechtskraft, die Anerkennung richtet sich nach § 328. »§ 328 ZPO gilt auch für ausländische Rechtsgestaltungsurteile. Ihre Rechtskraftwirkung, also ihre rechtsgestaltende Wirkung, wird in Deutschland auch nur anerkannt, wenn die Voraussetzungen des § 328 ZPO vorliegen«117. »Die Scheidung hat zur Hauptfolge die Auflösung der Ehe. Diese Folge tritt ein bei der rechtsgeschäftlichen Scheidung auf Grund des für die Scheidung maßgebenden Rechts. Wird in einem Verfahren geschieden ..., dann folgt die Auflösung der Ehe bei Entscheidungen deutscher Gerichte aus der Rechtskraft, bei Entscheidungen ausländischer Stellen aus der Anerkennung«118. Aus diesem Grund hat das deutsche Urteil gestaltende Wirkung, auch wenn nach der angewandten lex causae eine Registereintragung nötig wäre119. Wenn man nämlich die prozessuale Sicherung der Gestaltung auf die Rechtskraft zurückführt, wird maßgeblich das Recht des Urteilsstaates sein, beim Urteil deutscher Gerichte also deutsches Recht. Eine Eintragungspflicht nach der lex causae ist unerheblich. Wenn allerdings der Urteilsstaat120 zusätzlich zum Eintritt der materiellen Rechtskraft noch eine Registereintragung fordert, dann hat das Urteil noch keine Wirkung entfaltet, die auf das Inland erstreckt werden könnte, so dass sich auch die inländische Maßgeblichkeit nach dem Zeitpunkt der im Ausland erforderlichen Registereintragung richtet121. Dies gilt auch, wenn das ausländische Urteil unter Zugrundelegung deutschen materiellen Rechts ergangen ist. Wenn nach dem Recht des Urteilsstaates Dritte erst nach der Registereintragung Folgeansprüche geltend machen können, steht die fehlende Registereintragung einer

117

Pagenstecher, RabelsZ 15 (1949/50), 189, 198 und dort Fn. 1. Zu beachten ist, dass Pagenstecher hier die Gestaltungsurteile im engeren Sinne meinte und nicht jedes Urteil, das nach der von ihm vertretenen materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie rechtsgestaltende Wirkung hat. 118 Kegel/Schurig, § 20 VII 4 (S. 754). 119 A.A. Riezler, IZPR, S. 249. 120 Zur Registereintragungspflicht, die eventuell die Rechtsordnung der lex causae vorsieht, s. weiter oben, S. 318ff. 121 Dornblüth, S. 65; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 148; s. Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 212 m.Nachw.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Anerkennung nicht grundsätzlich entgegen, lediglich die Präjudizialbindung Dritten gegenüber kann noch nicht »erstreckt« werden122. Nach zutreffender Ansicht erstreckt die ausländische Entscheidung durch die Anerkennung ihre Wirkung auf das Inland123, es findet keine Transformation der ausländischen Entscheidung in ein deutsches Urteil statt, es soll lediglich die Entscheidung so wie sie besteht anerkannt werden. Die innere Rechtfertigung liegt in der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen. Damit stellt sich die Frage, welches Recht zur Bestimmung der aus der Anerkennung resultierenden rechtlichen Auswirkungen der Rechtskraft heranzuziehen ist. Wenn z.B. im Urteilsstaat nicht der Grundsatz des ne bis in idem, sondern nur ein Widerspruchsverbot gilt, wäre es denkbar, diese Frage als Urteilswirkung einzustufen, die nach der lex fori des Urteilsstaates zu bestimmen wäre. Jedoch kann die Anerkennung nicht bedeuten, dass das weitere Verfahren, für welches das ausländische Urteil zu berücksichtigen ist, genauso verläuft wie dies der Fall im Urteilsstaat gewesen wäre. Bei dem Widerspruchsverbot oder dem Grundsatz des ne bis in idem handelt es sich im Grunde nicht um den Umfang der Rechtskraft, sondern darum, wie die prozessuale Wirkung des rechtskräftigen Urteils in einem späteren Rechtsstreit geltend zu machen ist, und das sollte die (neue) lex fori bestimmen124. Eine eventuell nur einredeweise Berücksichtigung der Rechtskraft im ausländischen Prozessrecht125 ist dagegen als engere Urteilswirkung anzusehen, so dass eine zweite Klage in Deutschland nicht von Amts wegen als unzulässig abgewiesen werden darf, sondern nur auf Rüge126. Bei dieser Frage handelt es sich nicht mehr um die Modalität der Geltendmachung der Rechtskraft des anerkennungsfähigen Urteils, die dem Recht des Anerkennungsstaates zu entnehmen wäre, sondern um den Umfang der Urteilswirkung, der dem Recht des Urteilsstaates zu entnehmen ist: Die erzeugte ausländische Wirkung ist nicht die automatische Rechtskraftsperre, sondern die Entgegenhaltbarkeit der Entscheidung, die in der Dispositionsbefugnis der Partei steht. Einzuräumen ist zwar, dass es sehr schwierig sein kann, die beiden Aspekte (Umfang der Urteilswirkung/weitere prozessuale Berücksichtigung) sauber von122

Dornblüth, S. 65; Spellenberg, ZZPInt 6 (2001), 109, 127. S. weiter oben, Fn. 13; zur Gleichstellungstheorie s. weiter oben, Fn. 14. 124 Bungert, IPRax 1992, 225, 227; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Kap I Rn. 392; Matscher, FS Schima, 265, 280, der jedoch sowieso der Gleichsetzungstheorie folgt; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 140; a.A. Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 13; v. Bar, IPR (Vorauflage) Rn. 382, der die Frage, ob ein Wiederholungs- oder bloß ein Widerspruchsverbot entsteht, der lex fori des Urteilsstaates entnimmt (nunmehr aufgegeben in v.Bar/Mankowski, § 5 Rn. 113f.). 125 So z.B. in Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA. 126 Geimer, IZPR, Rn. 2807; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 40; a.A. zum Deutsch-Britischen Abkommen, das vorsieht, dass die anerkannte Entscheidung einredeweise geltend gemacht werden kann Geimer/Schütze II, S. 383: die »Einrede« sei von Amts wegen zu berücksichtigen; M. Koch, S. 160f.; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 392; Schack, IZVR, Rn. 888; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 15. 123

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

einander zu trennen, jedoch führt kein Weg dran vorbei. Was den Umfang der anerkannten Urteilswirkungen im eigentlichen Sinn betrifft, muss der deutsche Richter nach der Wirkungserstreckungstheorie erst erforschen, welche Wirkungen die Entscheidung in dem Staat hat, in dem sie erlassen wurde. Auf das in diesem Rechtsstreit angewandte Recht kommt es nicht an127. Allerdings muss oft das angewandte materielle Recht herangezogen werden, um zu ermitteln, was genau durch das Urteil angeordnet wurde, denn das Urteil darf durch die Anerkennung nicht einen Inhalt erhalten, den es ursprünglich gar nicht hatte. So kann z.B. ein Urteil auf Trennung von Tisch und Bett nicht in Deutschland als Scheidungsurteil anerkannt werden128. Damit ist die materielle Reichweite der Gestaltung, d.h. der Inhalt des Gestaltungsurteils, dem tatsächlich vom ausländischen Richter angewandten Recht zu entnehmen, unabhängig von der nach deutschem IPR anwendbaren lex causae129. Dies ist insofern keine Besonderheit der Gestaltungsurteile, das angewandte materielle Recht wird nur herangezogen, um den genauen Inhalt des prozessualen Anspruchs zu bestimmen. Es dürfen durch die Anerkennung auch nicht weiterreichende prozessuale Wirkungen entstehen, als sie das Urteil im Urteilsstaat hatte130, sonst wären die Auswirkungen des Rechtsstreits unvorhersehbar für die Parteien. Auch wird in der Regel die Ausgestaltung des Verfahrens durch den Gesetzgeber davon abhängen, wie weit die Wirkungen der künftigen Entscheidung reichen werden131. Darüber hinaus besteht allerdings kein Schutz des Vertrauens in die fehlende Anerkennungsfähigkeit132. Ausländische Urteile, die nach inländischer Qualifikation Gestaltungsurteile sind, nach ausländischem Verständnis jedoch als Feststellungsurteile eingestuft werden, können nach hiesigem Verständnis problemlos als Gestaltungsurteile anerkannt werden, da nach hier vertretener Auffassung sowohl das Gestaltungsals auch das Feststellungsurteil nur aufgrund der materiellen Rechtskraft prozessuale Verbindlichkeit erlangen, so dass durch die Anerkennung als Gestaltungsurteil das Urteil nicht weiterreichende Rechtsfolgen erlangen wird, als es im Urteilsstaat hatte. Nach bisheriger Handhabung musste dagegen konsequent an127

A.A. Grunsky, ZZP 89, 248, 258f. OLG Hamburg IPRspr1983, Nr. 184. 129 Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 126 für Statusänderungen; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 145. 130 Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 132; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 10; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 23; so auch das autonome griechische Recht, s. dazu Kerameus, FS Henckel, 423, 425 m.Nachw. 131 Müller, ZZP 79, 199, 204f. 132 BVerfGE 63 (1983), 343, 365: Ein Vertrauen darauf, dass materielles Recht nicht durchgesetzt werde, ist grundsätzlich nicht geschützt; KG, NJW 1988, 649; BayObLG, FamRZ 1975, 215 m.Anm. Geimer; für einen Vertrauensschutz Geimer, NJW 1988, 651; Kohler, ZZP 10, 449, 471: ein während der mangelnden Anerkennungsfähigkeit ergangenes inländisches Urteil geht vor; wohl Krzywon, StAZ 1989, 93, 102; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 7; Stein/JonasSchumann20 (Vorauflage), § 328 Rn. 22. 128

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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genommen werden, dass ein ausländisches Feststellungsurteil nicht als Gestaltungsurteil mit der weiterreichenden »Gestaltungswirkung« anerkannt werden könne133. Der Umfang der Wirkungen des ausländischen Gestaltungsurteils wird demnach vom Recht des Urteilsstaats bestimmt134. Das gilt auch, wenn der Urteilsstaat weitergehende Urteilswirkungen kennt als das deutsche Recht, weil z.B. die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Urteilsstaat weiter sind, etwa weil sich dort (wie z.B. im griechischen Recht) die Rechtskraft automatisch (ohne Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage) auf die präjudiziell geprüften Vorfragen erstreckt. Diese weitergehende Wirkung muss auch in Deutschland anerkannt werden135. Es wird jedoch die Einschränkung gemacht, dass es sich um Urteilswirkungen handeln muss, die das deutsche Recht der Art nach kennt136. Zum Beispiel kennt das deutsche Recht grundsätzlich eine Bindung an präjudizielle Rechtsverhältnisse – wenn auch nur bei Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage137. Derartige Rechtskraftwirkungen, wie sie z.B. im angloamerikanischen (»collateral estoppel-Wirkung«138) und im griechischen Recht (§ 331 grZPO) bestehen, sind daher

133 KG, FamRZ 1976, 353, 354: das jugoslawische Urteil hatte festgestellt, dass die in Hessen geschlossene Ehe wegen Formungültigkeit nicht besteht; Görgens, StAZ 1977, 79; Staudinger/ Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 132, 135; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 10. 134 Zu der Frage, wie insbesondere die objektiven Grenzen der Rechtskraft bestimmt werden, s. nachstehend, S. 329ff. 135 G. Fischer, FS Henckel, 199, 209, sofern die Entscheidungserheblichkeit und die potentielle zukünftige Prozessrelevanz den Parteien erkennbar war, was in den meisten Prozessordnungen der Fall sei; Gottwald, ZZP 103, 257, 262; Riezler, IZPR, S. 520; Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), § 328 Rn. 3b; a.A. OLG Frankf./M., IPRax 1986, 297; LG Hamburg, IPRax 1992, 251, 254; Geimer, IZPR, Rn. 2780f.; Geimer, Anerkennung, 88f. = Geimer/Schütze I/2, § 184 II 2 b (S. 1391); Hausmann, S. 180f., der dies mit dem lex fori-Grundsatz begründet; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 369, der die weitergehende Wirkung der Bindung an die Entscheidungsgründe als eine unbekannte Urteilwirkung erachtet, s. allerdings auch Rn. 382, wo er wohl die Anerkennungsfähigkeit bejaht; Müller, ZZP 79, 199, 206f., der darin eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs sieht und sich hilfsweise auf einen Verstoß gegen den deutschen ordre public beruft; H. Roth, FS Stree/Wessels, S. 1045, 1057, weil der »verfahrensrechtliche Gerechtigkeitsgehalt einer engen Rechtskraftwirkung Respektierung verlangt«; Schack, IZVR, Rn. 796; Schütze, IZPR, S. 133; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 8 (gegen die Vorauflage). 136 MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 4, 123; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 156 Rn 8; Schütze, IZPR, S. 133; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 133; wohl Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 370. 137 Martiny allerdings erachtet die Bindung an die Entscheidungsgründe einiger ausländischer Rechte als eine unbekannte Urteilswirkung (Hdb. IZVR III/1, Rn. 369), befürwortet aber wohl doch ihre Anerkennungsfähigkeit (Rn. 382). 138 Collateral estoppel bedeutet, dass sich die Bindungswirkung der Entscheidung auch auf inzident geprüfte Streitpunkte erstreckt, wenn diese Fragen ebenfalls Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, d.h. wenn eine Sachentscheidung diesbezüglich erfolgt ist (s. Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 359 m.Nachw.). Allerdings erfasst collateral estoppel auch das Tatsachenvorbringen, s. Spellenberg, FS Henckel, 841, 847ff.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

grundsätzlich anerkennungsfähig139. Diese weiteren objektiven Rechtskraftwirkungen könnten bei Gestaltungsklagen bzw. bei Feststellungsklagen nach Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechts140 maßgeblich werden. Weitere Fragen, z.B. ob auch im ausländischen Recht vorgesehene Tatsachenfeststellungen bindend sein können, brauchen hier nicht weiter vertieft werden141. Auch bei weiteren subjektiven Grenzen der Rechtskraft im Urteilsstaat ist die Entscheidung prinzipiell anerkennungsfähig, denn eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte ist dem Grundsatz nach dem deutschen Recht bekannt. Dieser Fall dürfte bei ausländischen Gestaltungsurteilen öfters vorkommen. Problematisch erscheint die Anerkennung jedoch, wenn die Personen, auf die die Rechtskraft nach ausländischem Recht erstreckt wird, nach deutschem Verständnis ein Recht auf rechtliches Gehör hätten. In diesem Fall ist die im Anschluss folgende Frage, ob die Urteilswirkungen eingeschränkt werden sollten, oder ob man die Voraussetzungen des § 328 auch bezüglich des Dritten überprüft. Im ersten Fall gäbe es im Ergebnis keine Rechtskrafterstreckung auf Dritte außerhalb des in Deutschland bekannten Maßes. Bei Anwendung des § 328 auch auf diese Dritten Personen wäre eine Anerkennung nur dann möglich, wenn sie sich auf das Verfahren eingelassen haben. Ist dies erfolgt, ist die Situation unproblematisch. Problematischer wäre es, die Anerkennung zu versagen, weil sich ein Dritter nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Dabei ist zu beachten, dass allein die (künftige) Rechtskrafterstreckung noch kein Recht auf rechtliches Gehör begründet142. Das gilt auch für ausländische Urteile. Hinreichendes Korrektiv ist insofern die Schranke des verfahrensrechtlichen ordre public international143, so dass im Grundsatz davon ausgegangen wer139 Wohl Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 382 (s. jedoch auch Rn. 369f.); Riezler, IZPR, S. 520; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 128. 140 Zu der Frage, was rechtskraftfähiger Gegenstand einer Klage ist, die auf eine rechtsgeschäftliche Gestaltung gefolgt ist, s. weiter oben, S. 83ff. 141 Zu denken wäre wiederum an die »issue-estoppel-Wirkung« des englischen bzw. die »collateral-estoppel-Wirkung« des amerikanischen Rechts (vgl. Spellenberg, FS Henckel, 841, 854ff. Zu beachten ist, dass »collateral« im englischen Recht eine nicht entscheidungserhebliche Feststellung bezeichnet, die gerade keine »issue-estoppel-Wirkung« entfaltet). Die Parteien sind in einem Nachfolgeprozess mit Behauptungen präkludiert, die mit Feststellungen über eine Tatsache oder ein Recht im ersten Prozess unvereinbar sind. Eine derartige Bindung ist dem deutschen Recht fremd und die Urteilswirkung des ausländischen Urteils entsprechend einzuschränken, Geimer, IZPR, Rn. 2782; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 381; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 127; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 8; a.A. G. Fischer, FS Henckel, 199, 209f., wenn im ersten Prozess Erkennbarkeit der Bedeutung der Tatsachenfeststellung für den Nachfolgeprozess bestand, z.B. bei der präjudiziell festgestellten Anfechtbarkeit wegen Irrtums bzgl. einer späteren Klage auf Ersatz des Vertrauensschadens; Lenenbach, S. 156 unter Berufung auf die Zulässigkeit eines Schiedsgutachtens; Dornblüth, S. 32f., im Hinblick auf die Tatsachenfeststellungen, die tatsächlich im Verfahren umstritten waren (anders dagegen für die Tatsachenfeststellungen, die vom Beklagten als Einwendungen hätten erhoben werden können). 142 S. z.B. Jauernig, ZZP 101, S. 361ff. 143 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

327

den kann, dass das ausländische Urteil auch mit seinen weiteren subjektiven Rechtskraftgrenzen anerkannt wird144. Und auch hier ist zu beachten, dass nur dann ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, wenn das Ergebnis der Anerkennung gegen die deutsche öffentliche Ordnung verstößt. Bei ausländischen Scheidungsurteilen, deren subjektive Rechtskraftgrenzen gegebenenfalls über die Eheleute hinausgehen, wäre dies z.B. dann nicht der Fall, wenn auf jeden Fall eine Zerrüttung der Ehe vorliegt145. Das tatsächlich angewandte materielle Recht wird – über eine Konsultation hinaus, wie der Urteilsinhalt zu verstehen ist – nur berücksichtigt, wenn dies das Recht des Urteilsstaates anordnet: Wenn es die Regel beinhaltet, dass die Rechtskraft generell (d.h. nicht nur bei ausländischen Urteilen) nach der lex causae zu beurteilen ist, wird dies auch für die Anerkennung als Wirkungserstreckung gelten146. Allerdings wird nicht die nach deutschem Recht anwendbare lex causae zu befragen sein, sondern die im Urteilsstaat tatsächlich angewandte. Das prozessuale Verständnis der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das IPR für weitere Rechtsverhältnisse, für die der Status vorgreiflich ist, die Maßgeblichkeit einer ausländischen Rechtsordnung vorsieht. Dies gilt z.B. für die Frage, ob die Fähigkeit zur (Wieder-) Verheiratung vorliegt147. Hier kann folgende Situation aufkommen: Ein ausländisches Scheidungsurteil wird in Deutschland anerkannt. Der Geschiedene möchte erneut heiraten, seine Ehefähigkeit richtet sich nach seinem Heimatrecht (Art. 13 EGBGB). Wenn dies das in einem dritten Staat ergangene Scheidungsurteil nicht anerkennt, wird der Ehewillige von seinem Heimatstaat als noch verheiratet angesehen und damit als nicht ehefähig. Bei konsequenter Anwendung zum einen der prozessualen Anerkennungsgrundsätze und zum anderen der Anknüpfungsnorm des deutschen IPR gilt diese Person in Deutschland als geschieden, darf jedoch trotzdem nicht wieder heiraten. Dies ist mit Sicherheit keine befriedigende Situation, sie liegt jedoch in der Natur der Sache, wenn auf sachlich zusammenhängende Sachverhalte verschiedene Rechtsordnungen bzw. Maßstäbe (prozessual/international privatrechtlich) angewandt werden148. Wo dieses Ergebnis 144 Im Einzelfall ist freilich Einiges ungeklärt, z.B. ist umstritten, ob die Wirkungserstreckung der class action per se zu einem Verstoß gegen den ordre public führt (so MünchKommZPOGottwald, § 328 Rn. 101, 150) oder nur im Ausnahmefall (Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 141 m.w.Nachw.: »wenigstens dann, wenn die nicht am Prozess beteiligten Klassenmitglieder nicht ausreichend durch aktive Richterkontrolle geschützt wurden«). 145 Anlässlich einer Privatscheidung, an der sogar der Ehepartner nicht beteiligt worden war, OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 70, 71. 146 Müller, ZZP 79, 199, 208f. und dort Fn. 52; Geimer, IZPR, Rn. 2777; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 22, 66. 147 S. weiter oben, S. 299. 148 Ähnlich Staudinger-Spellenberg, § 328 Rn. 146; Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1988, 341, 342f., der das Problem über die Auslegung der Norm, die auf ein vorgreifliches Rechtsverhältnis verweist, lösen will.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

als besonders hart erkannt wird, verschafft das Gesetz selbst Abhilfe, indem es z.B. auch gegen das Heimatrecht des Geschiedenen auf das anerkannte ausländische Urteil abstellt, wenn der Geschiedene in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 13 II EGBGB). Man könnte meinen, dass die Problematik im Rahmen der Wiederverheiratungsfähigkeit im Prinzip der Frage der selbständigen oder unselbständigen149 Vorfragenanknüpfung im IPR ähnelt150. Dadurch würden jedoch die materielle Frage nach dem anwendbaren Recht und die prozessuale Anerkennung unzulässig miteinander verquickt. Einzuräumen ist, dass sich in Fällen, in denen keine ausdrückliche Regelung wie Art. 13 II EGBGB vorgesehen ist, IPR und internationales Zivilprozessrecht in die Quere kommen können. Dies ist eine grundsätzliche Problematik im Verhältnis der beiden Rechtsgebiete und in der Entscheidung, keinen Gleichlauf von materiellem Recht und Verfahrensrecht vorzusehen, der nicht im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen werden kann151. Zuletzt sei angemerkt, dass es leichter fallen dürfte, ausländischen Urteilen die negative Rechtskraftwirkung in Form des reinen ne bis in idem zuzusprechen, als die positive Funktion der Rechtskraft eines ausländischen Urteils zu berücksichtigen. Das ist durchaus verständlich, denn im Fall der positiven Bindungswirkung kommt der inländische Richter in Berührung mit der Materie und wird in seiner Rechtsfindung eingeschränkt, indem er das Ergebnis des ursprünglichen Rechtsstreits nicht mehr überprüfen darf. Diese Tendenz wird besonders deutlich im französischen Recht, das ausländischen Urteilen nur dann eine positive Bindungswirkung gewährt, wenn zuvor ein formelles Exequaturverfahren durchgeführt wurde152. Sie könnte auch eine Erklärung dafür liefern, dass die Frage der Anerkennung von Gestaltungsurteilen manchmal restriktiv gehandhabt wird: Da Gestaltungsurteile lediglich die Basis bilden für die Entstehung mannigfaltiger Rechte und Pflichten, erscheint die Bindungsfrage meist, wenn die Rechtmäßigkeit der Gestaltung Vorfrage ist für die Entscheidung über Leistungsansprüche. Selten ist die negative Rechtskraftwirkung relevant, meist geht es um die Präjudizialität. Diesem – an sich verständlichen – Impuls darf jedoch keinesfalls nachgegeben werden, negative und positive Bindungswirkung der Rechtskraft sind als gleichwertige Urteilswirkungen anzusehen und auch zu behandeln. Dieser Grundsatz sollte auch nicht durch die Konstruktion einer zusätzlichen Urteilswirkung (der »Gestaltungswirkung«) unterlaufen werden.

149 150 151 152

Oder »abhängigen«, wie sie Kegel/Schurig, § 9 II 1 (S. 326), mit Recht vorzugsweise nennt. S. weiter oben, S. 299. S. dazu z.B. v.Bar/Mankowski, § 5 Rn. 134ff. Beaumont/Moir, European Law Review 1995, 268, 274.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

329

b. EuGV-VO Die »klassischen« Gestaltungsurteile, d.h. diejenigen, die den Personenstand betreffen, sind aus dem Anwendungsbereich der EuGV-VO153 ausgenommen. Gleichwohl werden auch sie – soweit sie in Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangen sind154 – nicht nach den Regeln des autonomen Rechts anerkannt, sondern seit 1. 3. 2001 besteht auch in diesem Fall eine Regelung auf Gemeinschaftsebene, die weiter unten besprochen wird155. Die übrigen Gestaltungsurteile jedoch, insbesondere die gesellschaftsrechtlichen, werden weiterhin nach den Regeln des EuGV-VO beurteilt. Dies gilt (noch) auch für die Entscheidungen, die einen ehelichen Güterstand aufheben oder ändern156 sowie für die Erklärung der Erbunwürdigkeit.

c. Spezialproblem: Die Bestimmung des Streitgegenstands und der objektiven Rechtskraftgrenzen Soll das Ausmaß der erstreckten ausländischen Urteilswirkung ermittelt werden, ergibt sich die Frage, wie der Streitgegenstand und damit auch die objektive Reichweite der ausländischen Rechtskraft zu bestimmen ist. Dieses Problem, das generell für die Anerkennung ausländischer Urteile gilt, sich jedoch bei den Gestaltungsurteilen verschärft, und dessen Tragweite für die Anerkennung ausländischer Urteile meist übersehen wird, soll nachstehend erörtert werden. Die nationalen Rechtsordnungen divergieren in ihrer Bestimmung des Streitgegenstands erheblich voneinander157, daher stellt sich die Frage, welcher Streitgegenstandsbegriff einer anerkennungsfähigen Entscheidung zugrunde gelegt wird. Ausgangspunkt für die Streitgegenstandsbestimmung ist der Grundsatz, dass die Anerkennung als Wirkungserstreckung zu verstehen ist158, so dass die Grenzen der Rechtskraft vom Recht des Urteilsstaats bestimmt werden. Mit Ablehnung der Gleichstellungstheorie hat sich auch die korrespondierende Ansicht, hinsichtlich der anzuerkennenden Urteilswirkungen auf das Recht des Anerken-

153 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1ff. Diese Verordnung gilt nicht für das Königsreich Dänemark, zwischen diesem Staat und den übrigen Mitgliedstaaten findet das EuGVÜ weiterhin Anwendung (Erwägungsgrund Nr. 21f.); s. zur Entstehungsgeschichte auch Kohler, in Revision des EuGVÜ, S. 1ff.; Stadler, ebenda, S. 37ff.; Kerameus, ebenda, S. 75ff.; Micklitz/Rott, EuZW 2001, S. 325ff.; ferner; Fricke, VersR 1999, 1055; Heß, NJW 2000, 23ff. 154 Mit Ausnahme von Dänemark, s. hierzu Kohler, FS Geimer, 461, 468ff. 155 S. weiter unten, S. 346ff. 156 Eine entsprechende Verordnung, inoffiziell »Brüssel III« genannt, ist in Vorbereitung, s. dazu Lagarde, 1, 9f.; Lipp, 21ff.; R. Wagner, 249, 259f. 157 Rechtsvergleichend dazu Habscheid, FS Schnitzer, 179, 190ff. 158 S. weiter oben, Fn. 13.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

nungsstaats abzustellen159, nicht durchsetzen können. Auch der Vorschlag, den Umfang der Urteilswirkungen generell der lex causae zu entnehmen160, ist zu Recht vereinzelt geblieben. Der Satz, dass der Umfang der Urteilswirkungen nach der lex fori des Urteilsstaats bestimmt wird (Wirkungserstreckung) klingt einfacher, als er in Wirklichkeit ist. Das Problem, über das man meist hinwegsieht, ist die Streitgegenstandsbestimmung, denn die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden durch den Streitgegenstand vorgegeben. Zwar müssen die objektiven Rechtskraftgrenzen nicht zwingend genau mit dem Umfang des Streitgegenstands übereinstimmen, z.B. erwächst nach deutschem Recht auch das kontradiktorische Gegenteil der ausgesprochenen Rechtsfolge in Rechtskraft161. Selbst in diesem Fall ist jedoch die objektive Grenze der Rechtskraft abhängig vom Streitgegenstand. Somit stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung für die Ermittlung des Streitgegenstands zuständig ist. Man wird aus Gründen der Praktikabilität geneigt sein, den Streitgegenstand nach der inländischen Lehre zu bestimmen162. Damit wird jedoch der Grundsatz unterlaufen, dass die Anerkennung als Wirkungserstreckung zu verstehen ist, der nur der ordre public als Schranke entgegen steht. Darüber hinaus bilden Praktikabilitätsgründe keine übergeordnete Kollisionsnorm, die die sachlich gebotene Anknüpfung verdrängen könnte163. Im in der Praxis eher unwahrscheinlichen Fall, dass der enge deutsche Streitgegenstandsbegriff doch weiter ist als derjenige des Rechts des Urteilsstaats, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass das ausländische Urteil durch die Anerkennung nicht weiterreichende Wirkungen entfalten darf, als es im Urteilsstaat hatte164. Da somit die anerkennungsfähigen objektiven Grenzen der Rechtskraft vom ausländischen Recht bestimmt werden, muss auch die ausländische Streitgegenstandslehre für die Bestimmung des Streitgegenstands des ausländischen anzuerkennenden Urteils maßgeblich sein. Dieses Problem wird selten angesprochen, außer gelegentlich im Rahmen der Untersuchung der Rechtshängigkeit nach 159

Matscher, FS Schima, 265, 276ff. Grunsky, ZZP 89, 248, 258f. 161 S. bereits weiter oben, S. 172. 162 So wird auch als Argument für die Haltung des BGH in der Frage der Ermittlung der Präklusionswirkung ausländischer Urteile angeführt, dass die Gleichstellung einfach zu handhaben sei, s. z.B. Schack, IZVR, Rn. 793 (Gespür für das Machbare); – zum Heimwärtsstreben, das einsetzt, wenn das ausländische Recht schwer zu ermitteln ist, Heldrich, FS Ferid, 209ff., mit der zutreffenden Bemerkung, dass auch das deutsche Recht manch »wundersame Blüte« enthalte und dass wir das, was wir der Welt zumuten, wir uns auch von ihr gefallen lassen sollten (S. 215); vgl. auch BGH, NJW 1982, 2072. 163 Nelle, S. 242. 164 H.M., s. z.B. MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 3a; Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 111; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 132; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 8; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 23; so auch das autonome griechische Recht, s. dazu Kerameus, FS Henckel, 423, 425 m.Nachw. 160

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

331

27 EuGV-VO (früher Art. 21 EuGVÜ), wo der EuGH eine autonome Auslegung der Identität des geltend gemachten Anspruchs vorgenommen hat165. Nur wenige Autoren behandeln im autonomen Recht die Frage, ob das angewandte Recht auch bei der Bestimmung des Streitgegenstands relevant wird, um sie dann zu verneinen166. Allgemeiner wird der Grundsatz aufgestellt, dass die Anerkennung unabhängig vom angewandten materiellen Recht erfolgt, da materielles Recht und Verfahrensrecht nicht gleichlaufen167. Auch ginge es bei der Anerkennung nicht um Rechtsanwendung, sondern um die Respektierung eines ausländischen Akts, der bereits rechtliche Folgen erzeugt habe168, um die »räumliche Ausdehnung eines bereits dekretierten Rechtszustandes«169. Dies trifft zwar zu, übersieht jedoch die eigentliche Frage, nämlich nach welchen Grundsätzen der Streitgegenstand des ausländischen Urteils bestimmt wird. Selbst die Problematik der »kollisionsrechtlichen Relativität der Rechtskraft« ist eigentlich eine Streitgegenstandsproblematik: Von einer Mindermeinung wird vertreten, dass ein Urteil nur innerhalb der materiellen Rechtsordnung, zu der es ergangen ist, Rechtskraftwirkungen, insbesondere präjudizielle Bindungswirkung, entfalten kann170. Die eigentliche rechtliche Frage – die meist nicht ausdrücklich herausgearbeitet wird – lautet, ob überhaupt Identität der Streitgegenstände vorliegt, wenn den zwei Verfahren unterschiedliche Rechtsordnungen zugrunde gelegt werden. Nach der älteren materiellrechtlichen Streitgegenstandstheorie, die als Gegenstand des Verfahrens den geltend gemachten materiellen Anspruch verstand, müsste das angewandte Recht in der Tat den Streitgegenstand mitbestimmen. Die Frage kann sich aber auch bei der heutigen herrschenden prozessualen Streitgegenstandstheorie stellen, nach der Streitgegenstand der prozessuale Anspruch ist, bestimmt durch Antrag und Lebenssachverhalt, denn dadurch wird der Bezug des Streitgegenstands zum materiellen Recht nicht aufgehoben171. Gleichwohl ist die Streitgegenstandsbestimmung unabhängig vom angewandten Recht vorzunehmen, sonst müsste man z.B. annehmen, dass eine Änderung der kollisionsrechtlichen Einstufung des Rechtsstreits zu einer Klageänderung 165

S. dazu weiter unten, S. 334. Geimer, IZPR, Rn. 2644, 2810; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 386: der Lebenssachverhalt bleibt der gleiche, nur seine rechtliche Beurteilung ist eventuell unterschiedlich; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 155; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 37; a.A. Hoyer, S. 45ff., 48f., 51f.: die Rechtskraft einer Entscheidung, die einen Sachverhalt nach einem bestimmten materiellen Recht entscheidet, wirkt nur innerhalb dieser Rechtsordnung. 167 Geimer, IZPR, Rn. 46; Müller, ZZP 79, 199, 209ff., der die widersprüchlichen Ergebnisse, die sonst entstehen könnten, an Hand eines Beispiels illustriert. 168 Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 125; Vischer, FS Hinderling, S. 315, 325. 169 Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 132. 170 Hausmann, S. 184, 206f.; Hoyer, S. 78; RGRK-Wengler, IPR/1, S. 388; Wengler, RabelsZ 8 (1934), 148, 202f.; Wengler, Anm. zu BGH, JZ 1964, 621, 622; gegen diese Lehre Dohm, S. 281ff. 171 Dohm, S. 79f. 166

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

führt172, die sogar unabhängig vom Willen des Klägers stattfinden würde. Konsequent würde die Koppelung des Streitgegenstands an das angewandte materielle Recht nicht nur zu einer Einschränkung der Berücksichtigung ausländischer, ansonsten anerkennungsfähiger Urteile führen, sondern sogar zur Nichtberücksichtigung im Inland eines inländischen Urteils, das zu ausländischem materiellen Recht ergangen ist! Richtigerweise muss also die Streitgegenstandsbestimmung nach prozessualen Grundsätzen erfolgen, unabhängig vom angewandten materiellen Recht. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, welcher Rechtsordnung die prozessualen Kriterien entnommen werden sollen. Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden. i. Streitgegenstandsbestimmung im autonomen Recht Auch für die Streitgegenstandsbestimmung ist vom Grundsatz der Wirkungserstreckung auszugehen, nach welchem die Streitgegenstandslehre des Urteilsstaats zugrunde gelegt werden muss173. Dies wird sich freilich zuweilen in der Praxis als äußerst problematisch erweisen, denn nicht einmal in der eigenen Rechtsordnung ist abschließend geklärt, wie der Streitgegenstand der Gestaltungsklage genau zu definieren ist. Man kann davon ausgehen, dass auch in den ausländischen Rechtsordnungen keine eindeutige und unproblematische Streitgegenstandsbestimmung die Regel sein wird, darüber hinaus kann es durchaus sein, dass sich die ausländische Rechtsordnung, aus der das Urteil entstammt, gar nicht systematisch mit der Streitgegenstandsproblematik bei Gestaltungsklagen auseinandersetzt. Vielleicht wird aus diesen Gründen oft die nicht näher begründete These aufgestellt, dass der Streitgegenstand eines ausländischen Verfahrens nach der lex fori zu bestimmen sei174. Dabei ist die Anwendbarkeit der lex fori des Gerichts gemeint, das die Frage der Streitgegenstandsidentität zu beantworten hat, im Fall dieser Untersuchung demnach die deutsche lex fori. Mit der Wirkungserstreckung ist aber nur die Streitgegenstandsbestimmung nach der lex fori des Urteilsstaats vereinbar175, da der Streitgegenstand das bestimmende Merkmal des Umfangs der ausländischen Urteilswirkung ist176. Dieser dogmatisch sauberen Lösung stehen zwar besagte praktische Schwierigkeiten 172

So zutr. Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 386. Vgl. BGH, ZIP 2001, 675, 676: Bei der Anwendung ausländischen Rechts hat der Richter auch die landesübliche Auslegung und Rechtspraxis zu ermitteln. Ein Bezug zur hiesigen Problematik besteht, insofern nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung die Grenzen der Urteilswirkung nach dem Recht des Urteilsstaates ermittelt werden sollen. 174 Krause-Ablass/Bastuck, FS Stiefel, S. 445, 450; wohl auch Rauscher, IPRax 1992, 14, 16; Schumann, FS Kralik, 301, 307; Staudinger-Spellenberg, §§ 606ff. ZPO Rn. 440f.; Stein/JonasSchumann, § 261 Rn. 12. 175 OLG Hamburg, FamRZ 1965 151; Dohm, S. 281; Sonnenberger, IPRax 1992, 154, 155. 176 S. bereits weiter oben, S. 189. 173

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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entgegen, die jedoch nicht unüberwindlich sind und in der Natur eines grenzübergreifenden Rechtsverkehrs liegen. ii. Streitgegenstandsbestimmung im Rahmen der EuGV-VO Im Rahmen der EuGV-VO wird die Frage nach der Streitgegenstandsbestimmung beeinflusst (und verkompliziert) durch die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtshängigkeitssperre. Was den Anerkennungsversagungsgrund177 aus Art. 34 Nr. 3178 (vormals Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ) betrifft, wird mit wenigen Ausnahmen179 der Begriff »derselbe Anspruch«180 und somit der Streitgegenstandsidentität nicht thematisiert, da für die Anerkennungsversagung keine Streitgegenstandsidentität erforderlich ist, sondern die »Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen« ausreicht. Hauptsächlich wird danach das Problem der Streitgegenstandsbestimmung im Rahmen der Rechtshängigkeitsregel des Art. 27 (vormals Art. 21 EuGVÜ) und nicht bei der Anerkennung erörtert. Diese Vorschrift liefert selbst keine Antwort darauf, wann zwei Klagen »denselben Anspruch« betreffen und somit die frühere Klage eine Rechtshängigkeitssperre erzeugt. Man muss als erstes davon ausgehen, dass nicht ein materiellrechtlicher Anspruch i.S.d. § 194 BGB gemeint ist, sondern der prozessuale Anspruch und damit der Streitgegenstand181. Vor 1987 ging man – ähnlich wie im nationalen Recht – davon aus, dass der Streitgegenstand nach der lex fori des Anerkennungsstaats ermittelt182, demnach in Deutschland durch Antrag und Lebenssachverhalt individualisiert werde. Das 177 Bemerkenswert ist, dass in dem Kommissionsvorschlag für die Überarbeitung des EuGVÜ von 1997 [Vorschlag für einen Rechtsakt des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, KOM (1997), 609 endg.] die Unvereinbarkeit mit inländischen oder im Inland anerkennungsfähigen Entscheidungen nicht als Anerkennungshindernis, sondern als Hindernis für die Vollstreckbarerklärung ausgestaltet war (Art. 37a I Nr. 3), das sogar nur geprüft werden sollte, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarkeitserklärung eingelegt wurde. Besonders für die Gestaltungsklagen hätte eine derartige Regelung spürbare Auswirkungen, denn diese entfalten ihre primäre Wirkung ohne Vollstreckbarerklärung. Diese Betrachtungsweise, die auch für Leistungsurteile nicht zu befürworten war, ist mit Recht nicht in die Verordnung aufgenommen worden. 178 In diesem Abschnitt sind alle nicht weiter gekennzeichneten Artikel solche der EuGV-VO. 179 Z.B. Schack, IZVR, Rn. 859 für eine vertragsautonome Auslegung, jedoch in engeren Grenzen als unter Art. 27 EuGV-VO (entspricht Art. 21 EuGVÜ). 180 Dabei handelt es sich allerdings um eine Eigenart der deutschen Fassung, die übrigen Fassungen sprechen von Klagen, die denselben Gegenstand und dieselbe Grundlage haben. Diese Feststellung hat den EuGH in seiner Bestimmung des Verfahrensgegenstands beeinflusst (EuGHE 1987, Rs. C 144/86, 4861, 4875). 181 Allg.M.; s. z.B. Isenburg-Epple, S. 131 und dort Fn. 1; Dohm, S. 48f. 182 OLG Hamburg, TranspR 1991, 185, 186; OLG München, IPRax 1988, 164, 166; Schumann, FS Kralik, S. 301, 312; a.A. Schütze, RIW 1975, 78, 79, der unter ausdrücklicher Aufgabe seiner in Geimer/Schütze II (1971), S. 320 für das Deutsch-belgische Abkommen vertretenen Ansicht (Maßgeblichkeit der lex fori des Zweitstaats) für eine Doppelqualifikation plädierte.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

wurde damit begründet, dass die Streitgegenstandsbestimmung nicht im Regelungsbereich der EuGV-VO liege, da der Streitgegenstand das bestimmende Merkmal der Urteilswirkung der materiellen Rechtskraft sei, die nicht vom Übereinkommen geregelt werde183. Seit 1987 ist der Verfahrensgegenstand – zumindest was die Rechtshängigkeitssperre und die Unvereinbarkeit nach Art. 34 Nr. 3 (27 Nr. 3 EuGVÜ) betrifft – vertrags- bzw. mittlerweile verordnungsautonom zu bestimmen. Allerdings muss nicht jede Problematik bezüglich der Rechtshängigkeit grundsätzlich autonom ausgelegt werden, sondern die Frage ist für jeden Teilaspekt gesondert zu beantworten184. In der Entscheidung Zelger ./. Salinitri hatte der Gerichtshof z.B. angenommen, dass der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach nationalem Recht und nicht vertragsautonom zu bestimmen sei185. Für die Frage nach der Identität des Streitgegenstands an sich entschied sich der EuGH jedoch für die autonome Bestimmung186. Der Unterschied zu der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Rechtshängigkeitssperre liege darin, dass es sich hierbei um eine verfahrenstechnische Formalität handele, während die Identität des Anspruchs ein materielles Tatbestandsmerkmal des Art. 27 (vormals Art. 21 EuGVÜ) sei. Unter der Geltung der EuGV-VO wird nunmehr auch der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in Art. 30 verordnungsautonom bestimmt187. Zur Verfahrensidentität im Hinblick auf die Rechtshängigkeitssperre hat sich der EuGH in der bahnbrechenden Entscheidung Gubisch Maschinenfabrik ./. Palumbo188 geäußert. Abweichend von der Handhabung im deutschen Recht ist nach dieser vertragsautonomen Auslegung die Identität der Anträge nicht erfor183

Dohm, S. 77f. EuGHE 1976, Rs. C 12/76, S. 1473, 1485. 185 EuGHE 1984, Rs. C 129/83, S. 2397. 186 Prinzipiell zustimmend (für eine vertragsautonome Bestimmung) Cieslik, S. 103; Geimer/ Schütze, EurZVR, Art. 27 Rn. 29; Isenburg-Epple, S. 212; Jayme, Anm. zu OLG München, IPRax 1994, 308; Koch, S. 67ff.; MünchKommZPO-Gottwald, Art. 21 Rn. 5 i.V.m. MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Gottwald, Art. 27 Rn. 1; H. Roth, IPRax 1992, 67; Schack, IPRax 1989, 139, 140; Schack, IZVR, Rn. 762; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 150. Uneinigkeit besteht jedoch bezüglich der Frage, wie weit der Streitgegenstandsbegriff gefasst werden sollte. Bei einigen findet der weitgefasste Streitgegenstandsbegriff des EuGH Zustimmung (P. Huber, JZ 1995, 603, 605ff.; Schack, IPRax 1989, 139, 140; Schack, IPRax 1991, 270, 272; Schack, ZZP 107, 279, 295f.; wohl auch Rüßmann, IPRax 1995, 76, 79), nach anderer Ansicht führt die Kernpunkttheorie des EuGH zu einem zu weiten Streitgegenstandsbegriff und kann zu einer Einschränkung des Justizgewähranspruchs des Zweitklägers führen (Dohm, S. 89f.); restriktiv auch Geimer/Schütze, EurZVR Art. 27 Rn. 31f.; Isenburg-Epple, S. 212, 259; Linke, Ausgewählte Probleme, 157, 159; Otte, EWiR 1995, 464. 187 S. auch Erwägungsgrund Nr. 15. 188 EuGHE 1987, Rs. C 144/86, S. 4861 = NJW 1989, 665; so auch EuGHE 1994, Rs. C 406/92, S. 5439 = EuZW 1995, 309 m.Aufs. Christian Wolf, S. 365 = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 m.Aufs. P. Huber, S. 603; dem EuGH folgend BGH, EuZW 1995, 378 m.Anm. Geimer = IPRax 1996, 192 m.Aufs. Hau, S. 177; aus der Literatur Huber, JZ 1995, 603, 605ff.; Schack, IPRax 1989, 139, 140; Schack, IPRax 1991, 270, 272; Schack, ZZP 107, 279, 295f.; s. Rüßmann, IPRax 1995, 76ff.; Rüßmann, ZZP 111, 399ff., jeweils mit zahlreichen Nachweisen. 184

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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derlich. Der EuGH stellte ausdrücklich nicht auf die »formale Identität der beiden Klagen« ab189. Er zog das Argument heran, dass »Kernpunkt« beider Rechtsstreitigkeiten die Wirksamkeit des Vertrages sei190. Damit nimmt der EuGH Streitgegenstandsidentität an, wenn zwei Klagen auf demselben Rechtsverhältnis basieren, ohne dass identische Anträge vorliegen191. Nicht einmal formale Parteienidentität soll mehr erforderlich sein, soweit Interessengleichheit vorliege192. Zwar ging es bei der Entscheidung um die ganz spezielle Problematik, wie das Verhältnis von Leistungs- und negativer Feststellungsklage zu bestimmen ist193, jedoch lässt sich die Verfahrensgegenstandsbestimmung verallgemeinern, denn der EuGH hat mit der Vermeidung unvereinbarer Entscheidungen nach Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ argumentiert, und dieser Gedankengang beschränkt sich nicht auf das Verhältnis von negativer Feststellungsklage zur Leistungsklage194. Damit ist jedoch vorerst nur gesagt, dass die Auslegung des Art. 27 nicht enger sein darf als diejenige im Rahmen des Art. 34195, es ist jedoch keineswegs zwingend, die weite Auslegung der Verfahrensidentität zur Bestimmung der Rechtshängigkeitssperre auch für die Frage anzuwenden, wann zwei bereits ergangene Entscheidungen unvereinbar sind. Es ist sogar darauf hinzuweisen, dass der Vergleich des Wortlauts dieser zwei Bestimmungen eher den entgegengesetzten Schluss nahe legt: In Art. 27 wird ausdrücklich gefordert, dass beide Verfahren denselben Anspruch betreffen und somit Streitgegenstandsidentität vorliegt. Dagegen lässt es Art. 34 Nr. 3 genügen, dass die zwei Entscheidungen unvereinbar sind, ohne dass verlangt wird, dass sie denselben Anspruch betreffen. Somit liegt die Auslegung durchaus nahe, dass die Anerkennung auch dann versagt werden kann, wenn keine formelle Streitgegenstandsidentität vorliegt, während für die Rechtshängigkeitssperre Identität des Streitgegenstands erforderlich ist. Auf diesen Unterschied im Wortlaut der beiden Regelungen ist der EuGH gar nicht eingegangen, sondern er hat den autonomen Streitgegenstandsbegriff vornehmlich unter Heranziehen des Art. 34 Nr. 3 ermittelt, um schon im Vorfeld unvereinbaren Entscheidungen vorzubeugen196. Damit stellt sich die Folgefrage, ob die Streitgegenstandsbestimmung bzgl. der Rechtshängigkeitssperre auch für die 189

EuGHE 1987, Rs. C 144/86, S. 4861 (Nr. 17). EuGHE 1987, Rs. C 144/86, S. 4861 (Nr. 16); s. auch neuerdings BGH, NJW 2002, 2795, 2795f. 191 Für die Streitgegenstandsidentität sind jedenfalls nur die Klageanträge und nicht auch die Einwendungen des Beklagten zu berücksichtigen, EuGH vom 8. 5. 2003, Rs. C 111/01 (Gantner Electronic GmbH/Basch Exploitatie Maatschappij BV), NJW 2003, S. 2596f. (Rn. 31f.). 192 EuGHE 1998, Rs. C 51/96, 3075, 3097 (Nr. 19f.) für den Fall Versicherer/Versicherungsnehmer, jedoch ohne Aussage, ob im konkreten Fall Gleichheit der Interessen vorlag. 193 So auch die nachfolgenden Entscheidungen EuGH, Rs. C 406/92, EuZW 1995, 309 m.Aufs. Wolf, S. 365ff.; BGH, NJW 1995, 1758f.; OLGR München 2000, 129f. 194 S. Schlosser, EU-ZPR, Art. 27 EuGVVO Rn. 4 m.Nachw. 195 Zutreffend Lenenbach, S. 124f. 196 Bestätigt in EuGH, Urt. vom 19. 5. 1998, Rs. C 351/96, EuZW 1998, 443 = EwiR 198, 499 (Henssler/Dedek); dazu Jayme/Kohler, IPRax 1998, 417, 421. 190

336

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Ermittlung der objektiven Reichweite der Rechtskraft relevant ist. Dies ist zum einen wichtig für die positive Bindungswirkung, zum anderen – und hauptsächlich – für die Versagung der Anerkennung wegen Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung, die zwischen denselben Parteien in dem Anerkennungsstaat ergangen ist (Art. 34 Nr. 3) sowie wegen Unvereinbarkeit mit einer früheren drittstaatlichen Entscheidung, die in dem Anerkennungsstaat anerkennungsfähig ist (Art. 34 Nr. 4)197. Die Frage ist somit, ob der Verfahrensgegenstand anders zu bestimmen ist als der Urteilsgegenstand im Hinblick auf die Unvereinbarkeit. In zweiter Stufe fragt sich dann, ob die Kernpunkttheorie auch schlechthin für den Urteilsgegenstand der ausländischen Entscheidung gilt, insbesondere für die Ermittlung der objektiven Bindungsgrenzen. Im deutschen Recht ergibt die Entscheidung über den Streitgegenstand die objektiven Grenzen der Rechtskraft, so dass die Kriterien zur Ermittlung der Identität dieselben sind198. Im Bereich der EuGV-VO ist es jedoch z.B. denkbar, die Streitgegenstandsidentität im Bereich der Rechtshängigkeit großzügiger zu behandeln als im Bereich der Anerkennungsverweigerung199. Andere wiederum ermitteln auch im Rahmen der EuGV-VO die Identität des Streitgegenstands in beiden Fällen nach denselben Kriterien200, wobei sie entweder generell von einer restriktiven201 oder von einer großzügigen202 Handhabung ausgehen. Die besseren Argumente sprechen für eine einheitliche Bestimmung. Dabei steht gar nicht einmal im Vordergrund, dass ansonsten die Urteile »in Bruchstücke unterschiedlicher Wirkungen« zerrissen würden203. Weitaus gewichtiger erscheint, dass eine weitere Auffassung des Verfahrensgegenstands als des Urteilsgegenstands keinen Zweck verfolgt, außer die zweite Klage zeitlich nach hinten zu verschieben. Der einzige Fall, in dem eine weite Verfahrensgegenstandsbestimmung die Prozessökonomie fördern könnte, wäre wenn die zweite Klage, die durch die Rechtshängigkeit der ersten gehemmt wird, als Zwischenfeststellungs(wider)klage erhoben wird204.

197

Die Frage, wie ausländische mitgliedstaatliche Entscheidungen zu behandeln sind, wenn eine jüngere anerkennungsfähige drittstaatliche Entscheidung ergeht, wird hier ausgeklammert. 198 S. weiter oben, S. 190 sowie S. 186 zur Gegenansicht. 199 Schack, IPRax 1989, 139, 140 und dort Fn. 28; Schack, IZVR, Rn. 859, allerdings jeweils ohne nähere Begründung; Wolf, FS Schwab, 561, 569ff. 200 Im Prinzip Goetz, S. 174f., der jedoch die Anwendung der Kriterien des EuGH zur Streitgegenstandsidentität für untragbar hält, so dass er im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung gelangt. 201 Leipold, GS Arens, 227, 235 (für einen engen Streitgegenstandsbegriff in beiden Fällen). 202 Koch, S. 73ff., 163 (für einen weiten Streitgegenstandsbegriff in beiden Fällen). 203 So Lenenbach, S. 138. 204 Falls dies überhaupt möglich ist und falls eine derartige Klage erhoben wird, was in der Disposition der Partei liegt. Zusätzlich ist auf das Problem der Hemmung des Verjährungsablaufs in diesem Zusammenhang hinzuweisen, s. Walker, ZZP 111, 429, 453f.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

337

Da der EuGH die Bestimmung des Verfahrensgegenstands bezüglich der Rechtshängigkeitssperre ausdrücklich in Bezug auf Art. 34 Nr. 3 ermittelt hat, wird man annehmen müssen, dass auch für diese Vorschrift und damit den Urteilsgegenstand die Kernpunkttheorie Anwendung finden soll205. Ungeklärt ist, wie Art. 34 Nr. 4 auszulegen ist, der ein Anerkennungshindernis vorsieht, wenn die mitgliedstaatliche Entscheidung und eine frühere Entscheidung aus einem Drittstaat, die im Inland anerkennungsfähig ist, »denselben Anspruch« betreffen. In der Regel wird davon ausgegangen, dass Art. 34 Nr. 4 – anders als Art. 34 Nr. 3206 – Streitgegenstandsidentität zwischen den beiden Entscheidungen erfordert207. Wenn nicht die Rechtsprechung zu Art. 27 EuGVÜ wäre, würde sich diese Differenzierung ohne große Probleme aus der Tatsache ergeben, dass nur in Art. 34 Nr. 4 ausdrücklich gefordert wird, dass die Entscheidung über »denselben Anspruch« ergangen ist. Jedoch wird auch in Art. 27 EuGVÜ dieses Kriterium verwendet, so dass man davon ausgehen muss, dass auch für Art. 34 Nr. 4 EuGV-VO die Unvereinbarkeit extensiv auszulegen ist. Konsequenz wäre, dass Art. 34 Nr. 3 und Nr. 4 insoweit gleich zu behandeln wären208. Zusammenfassend ist der aktuelle Stand zum Verhältnis von Art. 34 Nr. 4 zu Nr. 3 wie folgt zu beschreiben: Art. 34 Nr. 4 verlangt, dass die zwei Klagen denselben Anspruch betreffen, wird jedoch extensiv ausgelegt, so dass die Rechtshängigkeitssperre auch eingreift, wenn keine Streitgegenstandsidentität nach strengen Kriterien vorliegt. Es ist unerheblich, ob diese Behandlung dahingehend interpretiert wird, dass die Streitgegenstandsidentität sehr weit gefasst wird, oder ob man sagt, dass gar keine Streitgegenstandsidentität im engen Sinne vorliegen muss, sondern dass es genügt, dass es in den beiden Verfahren um dasselbe Rechtsverhältnis geht – das Ergebnis ist dasselbe. Art. 34 Nr. 3 dagegen verzichtet auf das Erfordernis, dass derselbe Anspruch strittig sein sollte, ist somit am weitesten gefasst. Trotzdem wird er entweder ähnlich wie Art. 34 Nr. 4 ausgelegt, oder es wird sogar – trotz Wortlaut – seine engere Auslegung gefordert. Die identische Auslegung von Art. 34 Nr. 3 und Nr. 4 wird gefordert, »da beide Normen dieselbe ratio verfolgen, nämlich die Rechtsordnung des Anerkennungsstaates vor schweren, durch miteinander in Widerspruch stehende Entscheidungen verursachte Störungen zu schützen«209. Allerdings ist es eine rechtspolitisch gefärbte Frage, als wie schwer die Störung empfunden wird, insbesondere wäre es 205

Eine andere Frage ist, ob man diese Bestimmung des Verfahrensgegenstands gutheißt oder nicht, dazu s. weiter oben, Fn. 186. 206 Zum vorgeltenden Art. 27 Nr. 3 MünchKommZPO-Gottwald, Art. 27 Rn. 35 i.V.m. MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Gottwald, Art. 34 Rn. 7; Zöller-Geimer, Art. 34 Rn. 41f. 207 S. z.B. Martiny, Hdb. IZVR III/2, Kap. 2 Rn. 148; MünchKommZPO-Gottwald, Art. 27 Rn. 38 i.V.m. MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Gottwald, Art. 34 Rn. 7. 208 Kropholler, EurZPR, Art. 34 Rn. 58. 209 Lenenbach, S. 126.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

nachzuvollziehen, wenn die Anerkennungspolitik bei Entscheidungen aus Drittstaaten weniger großzügig ausginge als bei mitgliedstaatlichen Entscheidungen. Andererseits lässt sich Art. 34 Nr. 3, besonders jedoch Art. 34 Nr. 4, der ausdrücklich das Erfordernis einer Entscheidung über denselben Anspruch vorsieht, nicht ohne Berücksichtigung der Verfahrensgegenstandsbestimmung in Art. 27 auslegen210. Das gilt insbesondere, da eine Differenzierung zwischen Verfahrens- und Urteilsgegenstand nicht zu befürworten ist211. Nach der Feststellung, dass auch im Hinblick auf die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen auf die Kernpunkttheorie zurückzugreifen ist, fragt sich, ob dies auch schlechthin für die Bestimmung des Urteilsgegenstands eines ausländischen, anerkennungsfähigen Urteils gilt. Das Problem liegt darin, dass sich sowohl der EuGH212 als auch ein Teil der Lehre213 bereits zum EuGVÜ für den Grundsatz der Wirkungserstreckung ausgesprochen hatten. Auch im Jenard-Bericht steht, dass durch die Anerkennung Entscheidungen aus anderen Vertragsstaaten »die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind«214. Dafür wird z.T. Art. 65 Abs. 2a215 herangezogen, der die Interventionswirkung der §§ 68, 72–74 ZPO für anerkennungsfähig erklärt216. Dieses Argument kann man jedoch auch umgekehrt dafür einsetzen, dass diese ausdrückliche Vorschrift gerade notwendig war, weil generell keine Wirkungserstreckung über die im Anerkennungsstaat bekannte hinaus stattfinde217. Schack befürchtet, dass eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung aller Wirkungen, die im Urteilsstaat als prozessual eingestuft werden, die Prozessrechtseinheit im Anerkennungsstaat sprengen würde, insbesondere in Fällen der Drittwirkung des Urteils, namentlich der Tatbestandswirkung218. Deshalb sei auch im Bereich des Brüsseler Übereinkommens der Kumulationstheorie zu folgen219. Seine Befürchtung allerdings, durch eine uneingeschränkte Wirkungser210

A.A. Lenenbach, S. 126: »Der Begriff ›desselben Anspruchs‹ in Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ kann ... nicht zur Interpretation des Art. 27 Nr. 3 oder Nr. 5 EuGVÜ herangezogen werden«, da Art. 21, der nur mitgliedstaatliche Entscheidungen betrifft, den Entscheidungskonflikt nach Art. 27 Nr. 5 gar nicht vermeiden kann (S. 192). 211 Dazu s. weiter oben, S. 336. 212 EuGHE 1988 Rs. 145/86 (Hoffmann ./. Krieg), S. 645, 666 (Nr. 11) = IPRax 1989, 159 m.krit. Aufs. Schack, 139 = RIW 1988, 820 m.Anm. Linke. 213 Bungert, IPRax 1992, 225, 227; Geimer, IZPR, Rn. 2784; Geimer, RIW 1976, 139, 141f.; Geimer/Schütze, EurZVR Art. 33 Rn. 1; Jenard-Bericht, ABl.EG 1979 Nr. C 59, S. 42f.; Kropholler, EurZPR, vor Art. 33 Rn. 9; Kropholler, IPR, § 60 V 1 (S. 659); Lenenbach, S. 153ff.; Linke, IZPR, Rn. 332; Martiny, Hdb. IZVR III/1 Rn. 370 a.E., III/2 Rn. 70; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 21; a.A. Schack, IPRax 1989, 139, 142; Schack, IZVR, Rn. 796. 214 Jenard-Bericht, S. 42f. 215 Unter dem Geltungsbereich des EuGVÜ Art. V Abs. 2 des Zusatzprotokolls zum EuGVÜ (Protokoll vom 27. 9. 1968). 216 Martiny, Hdb. IZVR III/2, Rn. 70; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 131. 217 So z.B. Schack, IPRax 1989, 139, 142 und dort Fn. 50; Schack, IZVR, Rn. 796. 218 Schack, IPRax 1989, 139, 142. 219 Schack, IPRax 1989, 139, 142; Schack, IZVR, Rn. 796.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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streckung könne ein Staat »die Anerkennungsverpflichtung anderer Vertragsstaaten einseitig dadurch erhöhen, dass er möglichst umfangreiche prozessuale Urteilswirkungen vorsieht«, und zwar durch Einstufung von Drittwirkungen eines Urteils als prozessual statt als Tatbestandswirkung220, ist nicht gerechtfertigt, da die prozessuale oder materiellrechtliche Qualifikation der Urteilswirkungen nach der lex fori des Anerkennungsstaates vorgenommen wird. Damit wäre eine nach deutschem Verständnis als Tatbestandswirkung einzustufende »Wirkung« nicht anerkennungsfähig, unabhängig von ihrer Einordnung im Urteilsstaat221. Wenn jedoch die im Ausland »Tatbestandswirkung« genannte Wirkung nach deutscher Qualifikation eine prozessuale Urteilswirkung ist, dann wird sie anerkennungsfähig sein, unabhängig von ihrer namentlichen Bezeichnung im Urteilsstaat. Somit kann auch im Bereich der EuGV-VO die Wirkungserstreckungstheorie als maßgeblich betrachtet werden222. Der Vorschlag, den Umfang der materiellen Rechtskraft für alle Urteile gleich zu bestimmen, unabhängig davon, wie die Rechtsordnung des Urteilsstaates die materielle Rechtskraft ausforme223, hat sich nicht durchsetzen können. Ein einheitlicher Urteilsgegenstandsbegriff, gültig für alle Mitgliedstaaten, würde zwar zu einheitlichen objektiven Rechtskraftgrenzen führen224 und erscheint auch auf den ersten Blick verlockend. Allerdings könnte eine derartige Handhabung in Konflikt mit dem Grundsatz der Anerkennung geraten, dass ein Urteil durch die Anerkennung nicht weiterreichende Wirkungen erhalten darf, als es im Urteilsstaat hatte225. Dies könnte vorkommen, wenn der Umfang der materiellen Rechtskraft generell (auch bezüglich der negativen und positiven Bindungswirkung) verordnungsautonom und auch möglichst weit bestimmt wird. Zu Recht ist dies nicht der Fall, jedoch mit dem unbefriedigenden und verwirrenden Ergebnis, dass Rechtshängigkeits- und Rechtskraftsperre nach unterschiedlichen Kriterien ermittelt werden: Bei der Bestimmung des Verfahrensgegenstands findet die Kernpunkttheorie Anwendung, bei der Bestimmung des Urteilsgegenstands dagegen findet eine weitere Aufspaltung statt: Zur Ermittlung der Unvereinbarkeit wird die Kernpunkttheorie herangezogen, zur Ermittlung des eigentlichen Urteilsgegenstands, heißt der Rechtskraftsperre und Präjudizial-

220

Schack, IZVR, Rn. 796. Dazu, dass die Tatbestandswirkung keine prozessuale, ja gar keine Urteilswirkung ist, s. weiter oben, S. 69. 222 § 14 AVAG 2001, der § 767 II ZPO wiedergibt und damit im Hinblick auf materiellrechtliche Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung eine Gleichstellung vornimmt, ist unvereinbar mit der EuGV-VO, wie dies auch für den vorgeltenden § 15 a.F. AVAG galt im Hinblick auf das EuGVÜ. 223 Koch, S. 161f. 224 Zutreffend Otte, S. 198. 225 Darauf weist Lenenbach, S. 139 hin. 221

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

bindung, ist nicht die Kernpunkttheorie des EuGH, sondern die dem § 322 ZPO entsprechende Regelung im Recht des Urteilsstaates maßgeblich226. Diese Divergenz ist rechtspolitisch verfehlt. Sicherlich geht es bei der Frage, ob das Vorhandensein eines Urteils die Anerkennung eines mit ihm unvereinbaren anderen Urteils hindern könnte, nicht um eine Rechtskraftwirkung im eigentlichen Sinn: Es tritt genau genommen weder die negative noch die positive Rechtskraftwirkung ein, es soll lediglich dem Anerkennungsstaat erspart werden, sich mit dem Konflikt zweier Urteile befassen zu müssen, so dass er eines davon ignorieren darf. Streng genommen ist somit die Frage, wie weit das Anerkennungshindernis der Unvereinbarkeit gesteckt wird, von der Problematik, wie weit die prozessualen Wirkungen des ausländischen Urteils bei der Anerkennung reichen, zu trennen227. Andererseits wirkt diese Unterscheidung eher gekünstelt, denn der Sache nach besteht doch ein enger Zusammenhang mit der Rechtskraftwirkung: Wenn Hintergrund des Anerkennungshindernisses die Vermeidung von Rechtskraftkollisionen ist, so ist die Problematik doch eigentlich eine solche der Bestimmung der Rechtskraftgrenzen. Außerdem könnte die künstliche Unterscheidung von Anerkennungshindernis und Bestimmung der Urteilswirkungen bei der Anerkennung zu falschen Rückschlüssen hinsichtlich der Anerkennungsdogmatik führen, wenn man – zu Unrecht – meinen sollte, die im Rahmen des Art. 34 Nr. 3 gezogenen Grenzen bestimmten den Streitgegenstand und seien somit auch für die Anerkennung nach Art. 33 maßgeblich228. Aus diesen Gründen wäre es vorzuziehen, auch im Rahmen der Prüfung von Anerkennungshindernissen den Streitgegenstand nach dem Recht des Urteilsstaates und nicht nach der Kernpunkttheorie zu ermitteln. Den praktikablen Mittelweg begeht, wer die Unvereinbarkeit autonom bestimmt als den Zustand, in dem sich die Wirkungen der Entscheidungen widersprechen, um jedoch diese Wirkungen zu ermitteln, die Wirkungserstreckungstheorie anwendet229, insbesondere auch bei der Frage, ob auch zu den präjudiziellen Punkten eine verbindliche Feststellung vorliegt oder nicht. Festzuhalten ist also, dass sich die Bestimmung der Entscheidungswirkungen nach der Wirkungserstreckung und die weite Auslegung der Unvereinbarkeit nicht unbedingt widersprechen, dass jedoch die besseren Gründe für eine einheitliche Behandlung sprechen, und zwar zugunsten der »Wirkungserstreckung« auch im Hinblick auf die Streitgegenstandsbestimmung. Wie weit die materielle Rechtskraft des ausländischen Urteils nach der Anerkennung reichen wird, das wird das Recht des Urteilsstaats bestimmen, dieses Recht bestimmt auch den 226 Gottwald, Streitgegenstandslehre, 85, 99f. geht allerdings von einer Anwendbarkeit des deutschen § 322 ZPO aus. 227 Zutreffend Leipold, GS Arens, 227, 240f., der daran erinnert, dass eine weite Auslegung des vorgeltenden Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ nicht eine Erweiterung der Rechtskraftgrenzen bzw. die Bildung eines neuen Streitgegenstandsbegriffs bedeutet. 228 So Koch, S. 160. 229 Kropholler, EurZPR, Art 34 Rn. 49 m.Nachw.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

341

sachlichen Umfang der Rechtskraftwirkung230 sowie, ob die Rechtskraft von Amts wegen oder nur auf Einrede hin zu beachten ist231. Wie die Rechtskraftwirkung geltend zu machen ist, als Rechtskraftsperre oder lediglich als Widerspruchsverbot, sollte dagegen nach der lex fori des Anerkennungsstaates bestimmt werden, wie dies bereits für das autonome Recht ermittelt wurde232.

d. Spezialproblem: Unterschiedliche Betrachtungsweisen im Hinblick auf die materielle Rechtskraft von Gestaltungsurteilen In den einleitenden Bemerkungen zum zweiten Teil wurde festgestellt, dass durch die hier vertretene Ansicht keine einschneidenden Änderungen im Vergleich zur gängigen Handhabung eintreten würden. Gleichwohl ergeben sich einige Fragen, die sich bislang nicht in dieser Form gestellt haben. Dabei handelt es sich hauptsächlich um den Fall, dass die ausländische lex fori Gestaltungsurteilen keine materielle Rechtskraft beimisst. Die Rechtskraftfähigkeit von Gestaltungsurteilen wurde früher auch in Deutschland leidenschaftlich verneint. Hierzulande entspricht es zwar mittlerweile allgemeiner Ansicht, dass Gestaltungsurteile materielle Rechtskraft erzeugen, selbst im deutschen Recht ist jedoch – wie weiter oben im ersten Teil erläutert wurde233 – die den Gestaltungsurteilen zugestandene Rechtskraft eine beschränkte, die sich auf den Ausschluss sekundärer Ansprüche reduziert. Daher muss erörtert werden, wie zu verfahren ist, wenn die ausländische lex fori entweder nur eine reduzierte oder überhaupt keine materielle Rechtskraft der Gestaltungsurteile kennt. Oft wird – wenn auch nicht in Bezug auf die hier behandelte Problematik – vertreten, dass nur solche Entscheidungen anerkennungsfähig sind, die materielle Rechtskraft erzeugen234. Andererseits wurde speziell für Gestaltungsentscheidungen, die nach der lex fori des Urteilsstaats keine materielle Rechtskraft entfalten, angenommen, dass sie anerkennungsfähig seien235. Diese Ansicht wurde jedoch unter dem herkömmlichen Verständnis geäußert, dass hauptsächlicher Ge-

230

Gruber, FamRZ 2000, 1129, 1134; Kropholler, EurZPR, vor Art. 33 Rn. 11. S. weiter oben, S. 323. 232 S. weiter oben, S. 323. 233 S. weiter oben, S. 172ff. 234 So z.B. BAG, ZIP 1996, 2031 = DB 1997, 183 = NAZ 1997, 334 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) indirekt: die Anerkennungsfähigkeit von Lohnpfändungsbeschlüssen wird verneint, weil diese – anders als gerichtliche Urteile – nicht der materiellen Rechtskraft fähig sind; materielle Rechtskraftfähigkeit als Anerkennungsvoraussetzung fordern auch Herbert Beck, S. 21; Habscheid, FamRZ 1981, 1142, 1145; Kallmann, S. 15ff.; Stein/Jonas-Schumann20 (Vorauflage), § 328 Rn. 103; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 211. 235 Martiny, Hdb. IZVR III/1 Rn. 490; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 211, wobei er die Frage, ob das ausländische Gestaltungsurteil positive Bindungswirkung entfaltet, nicht nach der ausländischen lex fori beurteilt, sondern nach der tatsächlich angewandten lex causae (Rn. 167). 231

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

genstand der Anerkennung von Gestaltungsurteilen die (prozessuale) »Gestaltungswirkung« sei. Da jedoch herausgearbeitet wurde, dass es eine prozessuale Gestaltungswirkung gar nicht gibt und sich die prozessuale Verbindlichkeit allein auf die materielle Rechtskraft stützen lässt, stellt sich die Frage unter neuen Vorzeichen. Im Hintergrund einer diesbezüglichen Überlegung muss stehen, dass der Entscheidung durch die Anerkennung nicht weitergehende Wirkungen zugestanden werden dürfen, als sie ursprünglich hatte, und zwar unabhängig davon, ob die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung als Gleichsetzung oder als Wirkungserstreckung verstanden wird236, denn sonst wären die Auswirkungen des Rechtsstreits unvorhersehbar für die Parteien, und in der Regel wird die Ausgestaltung des Verfahrens durch den Gesetzgeber danach bestimmt sein, wie weit die Wirkungen der künftigen Entscheidung reichen werden237. Die Lösung ergibt sich aus folgendem Gedankengang: Die Qualifikation der ausländischen Urteilswirkungen findet lege fori im Anerkennungsstaat statt238. Damit bestimmt die Rechtskraft die prozessuale Bindungswirkung des ausländischen Gestaltungsurteils, auch wenn die ausländische Rechtsordnung diese nicht darauf zurückführt. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist lediglich, dass das ausländische Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates prozessuale Verbindlichkeit ähnlich der deutschen materiellen Rechtskraft in dem Sinne erzeugt, dass der Richter im Nachfolgeprozess einer Kognitionssperre unterliegt. Wenn demnach das ausländische Gestaltungsurteil nach der ausländischen Rechtsordnung zu einer Präklusion tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens führt, wird diese Wirkung als der deutschen materiellen Rechtskraft vergleichbare prozessuale Wirkung anerkennungsfähig sein. Diese prozessuale Wirkung ist dann als materielle Rechtskraftwirkung anzuerkennen, unabhängig von ihrer Bezeichnung im Urteilsstaat. Gleichzeitig ist der Grundsatz zu beachten, dass das Urteil durch die Anerkennung nicht weitere Wirkungen erlangen darf, als es im Urteilsstaat entfaltet. Um damit die Frage zu beantworten, ob durch das ausländische Urteil Schadensersatz- und Bereicherungsklagen präkludiert sind, wird man das ausländische Recht heranziehen müssen. Dies mag zwar im Einzelfall mühselig sein, lässt sich jedoch nicht vermeiden. Auch die Präklusionswirkung der Rechtskraft im Hinblick auf Vollstreckungsgegenklagen oder Abänderungsklagen239 ist nach ähnlichen Gesichtspunkten zu

236 Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 132; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 10; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 23; so auch das autonome griechische Recht, s. dazu Kerameus, FS Henckel, 423, 425 m.Nachw. 237 S. weiter oben, S. 324. 238 S. weiter oben, S. 330. 239 Ausführlich hierzu Nelle, S. 244ff., 266ff.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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ermitteln. Die Rechtsprechung wendet zwar seit jeher240 § 767 II ZPO an, spricht sogar von einem »allgemein anerkannten Grundsatz«241. Auch § 14 AVAG242 nimmt diesen vermeintlichen Grundsatz auf und führt in der Sache eine Gleichstellung mit deutschen Urteilen ein, denn er gibt inhaltlich § 767 II ZPO wieder, was dem Prinzip der Wirkungserstreckung in der EuGV-VO widerspricht, so dass § 14 AVAG als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden muss243. Ähnlich verfährt die Rechtsprechung auch bei einer Abänderung der ausländischen Entscheidung244. Das Argument allerdings, dass dies durch das Verbot der révision au fond geboten werde, ist im Kausalzusammenhang verfehlt: Die Frage, die sich hier stellt, ist nicht diejenige nach der inhaltlichen Überprüfung des Urteils, sondern es geht darum, welches Prozessrecht die Präklusionswirkung bestimmt. Daher ist auch das Argument verfehlt, dass das ausländische Recht den Umfang der Rechtskraft und die Abänderbarkeit häufig als eine Frage des materiellen Rechts ansieht245, denn die Primärqualifikation und die Qualifikation der Urteilswirkungen findet lege fori im Anerkennungsstaat statt – die Haltung des ausländischen Rechts ist hierbei unerheblich246. Ob man dabei bei der Qualifikation dieser Urteilswirkung lege fori richtigerweise annimmt, dass die Präklusionswirkung eine Ausprägung der Rechtskraft ist247 oder aber eine von der materiellen Rechtskraft unabhängige Wirkung248, ist unerheblich – denn auf jeden Fall handelt es sich um eine Urteilswirkung, auch wenn diese eigener Art sein sollte249. Damit ist die Präklusionswirkung des ausländischen Urteils richtigerweise nach dem Recht des Urteilsstaates zu bestimmen, auch wenn dies im Einzelfall praktische Schwierigkeiten mit sich bringen sollte. Davon zu trennen ist die Frage, welches Recht bezüglich der Begründetheit nicht präkludierter Einwände anzuwenden ist, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist250. Nur im Ausnahmefall, dass die ausländische Rechtskraftwirkung nach dem Recht des Entscheidungsstaates auch eine Fixierung des anwendbaren 240 Seit RGZ 114 (1927), 171, 173; s. auch BGHZ 59 (1973), 116, 124; BGHZ 84 (1982), 17, 23; jüngst OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1422 m.Anm. Gottwald. 241 BGH, NJW 1993, 1270, 1271. 242 Fassung vom 19. Februar 2001, gültig ab 1. März 2001. Die Vorschrift entspricht wörtlich – bis auf die Ersetzung der Bezeichnung »Schuldner« durch »der Verpflichtete« – dem § 13 AVAG a.F. 243 Eingehend Nelle, S. 272ff., , insbesondere S. 277ff.; s. auch Geimer, IPRax 2003, 337. 244 Offen gelassen in BGH, FamRZ 1992, 1060, 1062; BGH, NJW 1983, 1976, 1977. 245 Spellenberg, IPRax 1984, 304, 307. 246 Zutreffend MünchKommZPO-Gottwald, § 322 Rn. 132; Nelle, S. 240; Zöller-Vollkommer, § 328 Rn. 25. 247 Zu § 767 II: Ernst, NJW 1986, 401, 403; Gaul, FS Henckel, 235, 254; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 15 II 1; Oberhammer, FS Kollhosser II, 501, 516; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 V 2a (S. 624f.). 248 Habscheid, AcP 152, 169, 172f.; Schwab, Streitgegenstand, S. 162; Zeuner, Grenzen, S. 103. 249 S. z.B. ausdrücklich Habscheid, AcP 152, 169, 172f. 250 S. dazu ausführlich Nelle, S. 303ff.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Rechts für nachträgliche Einwände beinhaltet, wird die Wirkungserstreckung auch das anwendbare Recht im neuen Verfahren vorgeben251. Ähnlich gelagert ist die allgemeine Problematik, dass das Recht des Urteilsstaats der materiellen Rechtskrafttheorie folgt. Überwiegend wird angenommen, dass es für die Anerkennung irrelevant ist, welcher Rechtskrafttheorie der Urteilsstaat folgt252. Nach einer vereinzelten Ansicht ist dies unerheblich, da auf jeden Fall die Rechtskraftregelung des ausländischen Rechts maßgeblich sei: Dabei gehe es nicht um die »verpönte Anwendung des ausländischen Prozessrechts«, sondern um die »Anwendung ausländischen materiellen Rechts, das nur anders ausgedrückt ist, als gewöhnliche materielle Rechtsnormen ausgedrückt zu werden pflegen«253. Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen; sie hat auch keinen weiteren Anklang gefunden. Auch diese Frage lässt sich beantworten unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die Anerkennung zu einer Wirkungserstreckung führt254, allerdings nur der Wirkungen, die nach deutschem Verständnis als prozessual einzustufen sind. Demnach muss beim ausländischen Urteil, dessen Rechtskraft materiellrechtlich gedeutet wird, gefragt werden, inwiefern und in welcher Form nach dem ausländischen Recht den Parteien und eventuellen Rechtsnachfolgern die prozessuale Geltendmachung abgeschnitten wird. Dies ist dann die ausländische Urteilswirkung, die anerkannt werden kann. Ob die ausländische lex fori dieses Ergebnis auf eine prozessuale oder eine materiellrechtliche Norm stützt, ist unerheblich.

e. Anerkennungszwang aus dem EGV? Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet nach allgemeiner Meinung nicht die Mitgliedstaaten zur generellen Anerkennung von Rechtsakten der anderen Mitgliedstaaten. Jedoch kann in konkreten, typisierten Fällen eine Anerkennungspflicht aus besonderem Rechtsgrund entstehen255 – eine solche wird insbesondere zu bejahen sein, wenn die mangelnde Anerkennung zu einer Beeinträchtigung der gemeinschaftlichen Grundfreiheiten führen würde. Vor allem handelsrechtliche 251 Dazu Nelle, S. 307ff., auch zur Situation bei Anwendung der Gleichstellungstheorie, S. 308ff. 252 Geimer, IZPR, Rn. 2809; Geimer/Schütze I, 1698, der sich jedoch hauptsächlich auf die Frage der weiteren Behandlung des Urteils bezieht, insbesondere ob der Grundsatz ne bis in idem angewandt wird; Hausmann, S. 175; Martiny, Hdb. IZVR III/1 Rn. 391; a.A. Schnorr von Carolsfeld, FS Lent, 245, 266ff., weil eine materielle Einstufung der Rechtskraft den internationalen Rechtsverkehr vereinfachen würde; s. auch Zitelmann, S. 269ff.: Wenn das Wirkungsstatut der Rechtskraft materielle Bedeutung beimisst, könne der zweite Richter dies nicht ignorieren, auch wenn seine lex fori die Rechtskraft prozessual deute. Er könne nur darüber hinaus dem Urteil prozessuale Erheblichkeit beimessen; dazu Goldschmidt, Der Prozess, S. 175. 253 Neuner, ZZP 54, 217, 236. 254 S. weiter oben, Fn. 13. 255 Beyer, EWS 1999, 12, 14; Bleckmann, JZ 1985, 1072, 1074.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

345

Gestaltungsurteile müssen über die nationalen Grenzen hinaus berücksichtigt werden können, was jedoch bereits durch die EuGV-VO gewährleistet ist.

2. Speziell Personenstandsurteile a. Völkerrechtlicher bzw. verfassungsrechtlicher Anerkennungszwang? Bei Gestaltungsurteilen in Statussachen darf ein zusätzlicher völkerrechtlicher Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: Es besteht zwar nach einhelliger Ansicht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die eine Anerkennungspflicht der Staaten begründet256. Jedoch wird speziell für Entscheidungen, die den persönlichen Status regeln, eine derartige Pflicht aus der Perspektive der Menschenrechte bzw. des Justizanspruchs bejaht257 und z.T. direkt aus Art. 6 EMRK abgeleitet258. Außerdem wird auch im autonomen Recht eine entsprechende verfassungsrechtliche Anerkennungspflicht aus dem Justizgewährungsanspruch abgeleitet259. Aus der Bejahung eines völkerrechtlich bzw. verfassungsrechtlich gesicherten Rechts auf Eheschließung, und zwar nicht nur auf einmalige, folgt somit die völkerrechtliche, zumindest aber die verfassungsrechtliche Pflicht, ein Scheidungsurteil anzuerkennen, das dem internationalen Standard für gerichtliche Verfahren entspricht. Ob diese Aussage allerdings geeignet ist, konkrete Fragen zur Anerkennungsproblematik zu beantworten, kann bezweifelt werden, jedenfalls spricht sie für eine anerkennungsfreundliche Grundhaltung.

b. Gemeinschaftsrecht Personenstandsurteile waren ursprünglich aus dem Geltungsbereich des EuGVÜ ausgeschlossen. Dies gilt auch für die neue EuGV-VO, allerdings wurde durch die EG-Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen auch dieser Bereich positivrechtlich geregelt.

256

S. z.B. Nagel, ZZP 75, 408, 435; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 3. Geimer, ZRvW 33 (1992), 401, 405f.; Koch, AK ZPO § 328 Rn. 2; Matscher, FS Neumayer, 459, 473 und dort Fn. 31; Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 103; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 2; a.A: Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 158; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 1. 258 Beys, Diskussionsbericht von Stadler/Münch, ZZP 103, 350, 351f.; Matscher, ZZP 103 (1990), 294, 318: vertretbar im Rahmen einer evolutiven Interpretation bzw. offener Rechtsfortbildung, jedoch nicht der heutigen Auslegung der Vorschrift entsprechend; Matscher, FS Kollhosser II; 427, 445, scheint neuerdings im geschlossenen System von EuGV-VO und EheGV-VO eine Anerkennungspflicht aus Art. 6 EMRK zu befürworten; Geimer, IPRax 1992, 10 und dort Fn. 80a; a.A. Richardi, S. 29. 259 Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 3; so auch MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 1. 257

346

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

i. Die EG-Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (EheGV-VO) Seit dem 1. 3. 2001 ist der Bereich der Ehesachen und der elterlichen Verantwortung in der EU (außer Dänemark) durch die mittlerweile nicht mehr geltende Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten260 geregelt. Sie wurde 2003 aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000261 (im Folgenden: EheGV-VO262). Die neue Verordnung263 ist in ihren eigentlichen Regelungen seit dem 1. 3. 2005 anwendbar, zum selben Zeitpunkt wurde die erste EheGV-VO aufgehoben264. Hauptsächlich konzentrieren sich die Änderungen bzw. Klarstellungen im Bereich der elterlichen Verantwortung, insbesondere wurde hier der Anwendungsbereich deutlich erweitert265. Die Regelung in Ehesachen wurde im Kern beibehalten, allerdings leider unter einer Verschiebung der Artikelnummerierung. Daher können größtenteils in Ehesachen die Aussagen zur ersten EheGV-VO herangezogen werden. Insgesamt hat die heutige Regelung der Materie eine ungewöhnliche Vorgeschichte: Am 28. 5. 1998 wurde in Brüssel das Übereinkommen aufgrund von Artikel K 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen266 sowie das 260 Abl. EG 2000 Nr. L 160, S. 19ff. Die Verordnung gilt für alle Mitgliedstaaten außer für Dänemark (Art. 1 III EheGV-VO, Erwägungsgrund Nr. 5). Die Durchführungsvorschriften wurden in das Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (AVAG) v. 19. 2. 2001, BGBl. I 2001, 288, 436 integriert, das nicht abgeändert, sondern neu gefasst wurde. Durch die Verordnung (EG) Nr. 1185/2002 der Kommission vom 1. Juli 2002 wurde die Liste der zuständigen Gerichte in Anhang I geändert, ABl. EG L 173 vom 3. 7. 2002, S. 3ff. 261 ABl. EU Nr. L 338 vom 23. 12. 2003, S. 19ff.; s. dazu das Gesetz zum internationalen Familienrecht vom 26. 1. 2005, BGBl. I S. 162, das das Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 5. 4. 1990, BGBl. I, S. 701 ersetzt. 262 Art. ohne besondere Zitierung in diesem Abschnitt sind solche der aktuellen EheGV-VO. 263 Durchführungsbestimmungen zur neuen Verordnung enthält das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz vom 26. 01. 2005, BGBl. I 2005 Nr. 7 v. 31. 01. 2005, S. 162. 264 Sehr missverständlich ist Art. 72 formuliert: »Diese Verordnung tritt am 1. August 2004 in Kraft. – Sie gilt ab 1. März 2005 mit Ausnahme der Artikel 67, 68, 69 und 70, die ab dem 1. August 2004 gelten«. Die genannten Art. 67–70 gehören zu den Schlussbestimmungen und betreffen Angaben der Mitgliedstaaten zu den zentralen Behörden, Gerichten und Rechtsbehelfen. 265 S. Coester-Waltjen, Die Berücksichtigung der Kindesinteressen in der neuen EU-Verordnung »Brüssel IIa«, FamRZ 2005, S. 241ff.; Rausch, FuR 2004, 154, 156. 266 Abl. EG 1998 Nr. C 221, S. 1; erläuternder Bericht Borrás ebenda, S. 27ff. Der ursprüngli-

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Protokoll über die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften von den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet. Das »Brüssel II«267 genannte, eigenständige völkerrechtliche Übereinkommen wurde auf Art. K 3 II c EUV gestützt und den Mitgliedstaaten zur Annahme empfohlen. Das Übereinkommen wurde jedoch nicht von den Mitgliedstaaten ratifiziert, sondern es wurde von der Kommission seine Ersetzung durch eine Verordnung auf der Basis von Art. 61c/65 EGV268 vorgeschlagen, der auch nachgegangen wurde. Dieser Rechtsetzungsakt wurde erst durch den am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam269 ermöglicht, der die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen von der dritten Säule (Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres) in die erste Säule (EG-, EGKS- und EuratomVerträge) überführt hat, so dass an Stelle der völkerrechtlichen Staatsverträge die Setzung von Verordnungen und Richtlinien ermöglicht wurde. Die ursprüngliche EheGV-VO basierte auf Brüssel II, so dass zu ihrer Auslegung auch der Bericht Borrás herangezogen werden konnte, der zu Brüssel II erstellt wurde270. Die EheGV-VO hat – wie auch die EuGV-VO und zuvor das EuGVÜ – einen doppelten Regelungsgehalt, indem sie einerseits die internationale Zuständigkeit regelt, andererseits die Anerkennung und Vollstreckung271. Durch die EheGV-VO wurden ein Teil der Rechtsgebiete erfasst, die in Art. 1 Nr. 1 EuGVÜ ausdrücklich aus dem Anwendungsgebiet des Übereinkommens ausgenommen worden waren272. Im Einzelnen werden geregelt: Verfahren betreffend Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes273 oder Ungültigerklärung einer Ehe. Gleichzeitig werden auch Verfahren erfasst, die »aus Anlass« eines solchen Verfahrens die elterliche »Verantwortung« für gemeinsame Kinder der Ehegatten betreffen. Die Verordnung gilt nicht für die vermögensrechtlichen Folgen einer Scheidung usw. Somit werden Entscheidungen nicht erfasst, die das Ehegüter-

che Entwurf der Europäischen IPR-Gruppe ist in französischer Sprache in IPRax 1994, S. 64ff. abgedruckt. Er umfasste außer dem Familienrecht auch das Erbrecht. 267 In Anlehnung an »Brüssel I«, d.h. EuGVÜ; Hau, FamRZ 1999, 484ff. nannte das Übereinkommen »EheEuGVÜ«. 268 Konsolidierte Fassung, Abl. EG C 325 vom 24. 12. 2002, S. 33ff. 269 Vom 2. 10. 1997, BGBl. II 1998, S. 386ff. 270 Wagner, IPRax 2001, 73, 75. 271 S. ausführlich zur ersten EheGV-VO Hau, FamRZ 2000, 1333ff.; Kohler, NJW 2001, S. 10ff.; speziell zur zentralen Regelung der Rechtshängigkeit Gruber, FamRZ 2000, 1129ff. 272 Das Haager Übereinkommen vom 1. 6. 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen sowie Trennungen von Tisch und Bett wurde von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiziert, so dass in diesem Bereich bislang für Deutschland keine völkerrechtliche Regelung bestand. Zu dem Haager Übereinkommen s. v. Bar, RabelsZ 57 (1993), 62, 79f., 113ff.; CoesterWaltjen, ebenda, 263, 294ff.; Schack, ebenda, 224, 250. Eine nichtamtliche Übersetzung findet sich bei Schwind, FS Schima, 377, 389ff. 273 In der deutschen Fassung von Brüssel II stand in Art. 1 I a Brüssel II versehentlich Trennung oder Auflösung des Ehebandes, dieser offensichtliche Übersetzungsfehler wurde bereits in der Verordnung behoben.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

recht, die Unterhaltspflicht oder sonstige Nebenaspekte regeln, auch wenn sie mit einer anerkennungsfähigen Entscheidung zusammenhängen274. Die Verordnung gilt auch für Verfahren in Ehesachen, die vor den zuständigen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten stattfinden – sie werden einem gerichtlichen Verfahren gleichgestellt (Art. 2 Nr. 1)275. Nicht erfasst werden dagegen Verfahren im Rahmen einer Religionsgemeinschaft276. Das gilt z.B. für die Rabbinatsscheidung, denn es handelt sich beim Rabbiner nicht um eine Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaates277. Ausgenommen sind nach Art. 63 Entscheidungen über die Ungültigkeit der Ehe gemäß den Verträgen mit dem Heiligen Stuhl. Betroffen sind Italien, Spanien und Malta – die betreffenden Entscheidungen werden nach den Vorschriften der EheGV-VO anerkannt. Hier entsteht folgende Problematik: Nach den betreffenden Konkordaten müssen Entscheidungen kirchlicher Gerichte in diesen Staaten auch im Inland gewisse Verfahren und Nachprüfungen durchlaufen. Daher sieht Art. 63 IV vor, dass sie auch bei der Anerkennung in einem dieser Staaten denselben Prüfungen unterzogen werden können278. Damit wird im Prinzip in diesen drei Staaten der Grundsatz der Wirkungserstreckung durchbrochen und im Hinblick auf portugiesische kirchliche Scheidungen eine Gleichstellung vorgenommen, die jedoch fakultativ ist. Soweit keine Anerkennungshindernisse vorhanden sind, werden auch thematisch einschlägige Verwaltungsakte anerkannt, auch wenn ihnen kein justizförmiges Verfahren vorangegangen ist. Der Anerkennungsversagungsgrund des Art. 22 b (rechtzeitige Kenntnisnahme des verfahrenseinleitenden Schriftstücks) wird im Hinblick auf solche Verwaltungsakte anzupassen sein. Da er ein Minimum an Rechtsschutzmöglichkeiten des Gegners gewährleisten soll, wird man auf die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung abstellen müssen. Das bedeutet, dass im Falle, dass der ausländische Verwaltungsakt nicht gerichtlich angefochten wurde, zu prüfen ist, ob eine ausreichende Frist zur gerichtlichen Anfechtung nach der gesicherten Kenntnisnahme des Verwaltungsakts gewährleistet war. Zwar wird bei ausländischen Entscheidungen nicht darauf abgestellt, ob Rechtsbehelfe gegen sie statthaft sind, jedoch bietet das Verwaltungsverfahren weniger Rechtsschutzgarantien, so dass es gerechtfertigt erscheint, auf die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung abzustellen.

274

Erwägung Nr. 10. Zum Vorschlag einer Zuständigkeit des Standesbeamten für einvernehmliche Scheidungen in Deutschland s. Schwenzer, FS Henrich, 533ff.; Otto, StAZ 1999, S. 162ff.; zur entsprechenden Problematik in der Schweiz s. Bräm, FS Hausheer, S. 205ff. 276 Bericht Borrás, Rn. 20. 277 Helms, FamRZ 2001, 257, 260 278 Gaudemet-Tallon, Journal du droit international (Clunet) 2001, 381, 425 und dort Nr. 112 rechtfertigt dies damit, dass es widersinnig sei, die portugiesischen Kirchentscheidungen in diesen Ländern ohne weiteres anerkennen zu müssen und die inländischen einem besonderen Verfahren zu unterwerfen. 275

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

349

Die Gleichstellung der Verwaltungsakte mit ausländischen Urteilen führt dazu, dass die anerkannte Verwaltungsentscheidung hinsichtlich der Anerkennungsfolgen gleich behandelt werden muss wie ein Gestaltungsurteil, auch wenn ihr nicht die rechtsstaatlichen Garantien eines gerichtlichen Verfahrens zugrunde liegen. Insbesondere wird man nicht einen Verstoß gegen den deutschen ordre public international279 allein in der Tatsache erblicken können, dass der Entscheidung kein justizförmiges Verfahren vorangegangen ist, da sonst die Gleichstellung in der Verordnung konterkariert würde. Privatscheidungen ohne jegliche Beteiligung einer Behörde fallen nicht unter die Verordnung280. Problematischer ist die Lage, wenn ein Gericht oder eine Behörde mitgewirkt hat. Insbesondere fragt sich, ob dann je nachdem differenziert werden soll, ob die Mitwirkung konstitutiv oder lediglich beurkundend war. Man ist geneigt, nur erstere Scheidungen in den Anwendungsbereich der EheGV-VO einzubeziehen281. Jedoch dürfte es im Einzelfall sehr schwierig sein, zwischen deklarativer und konstitutiver Mitwirkung zu unterscheiden, so dass die besseren Gründe dafür sprechen, jegliche Scheidung, bei der ein Gericht oder eine Behörde in irgendeiner Form mitgewirkt hat, einzubeziehen282. Die Behörde muss eine mitgliedstaatliche sein, es genügt nicht, dass sie lediglich in einem Mitgliedstaat belegen ist, wie dies z.B. der Fall ist bei den Botschaften von Drittstaaten283. Im Gegenzug muss eine Scheidung unter Mitwirkung der Botschaft eines Mitgliedstaates auch außerhalb der EU von der EheGV-VO erfasst werden. Fraglich ist darüber hinaus, ob eine Privatscheidung, die in eine notarielle Urkunde oder in einen gerichtlichen Vergleich eingebettet wird, in den Anwendungsbereich der EheGV-VO fällt. Art. 46 sieht vor, dass auch öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen wurden und vollstreckbar sind, sowie Vereinbarungen zwischen den Parteien, die in dem Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können. Diese Regelung zielt hauptsächlich auf Sorgerechtsvereinbarungen betreffend die elterliche Sorge284, gleichwohl ist sie auch auf Eheverfahren anwendbar. Die fehlende Vollstreckbarkeit solcher Urkunden ist in dieser Hinsicht kein Hindernis, denn Vollstreckbarkeit ist nur erforderlich, soweit auch eine Zwangsvollstreckung

279

Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315. S. Bericht der Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung vom 4. 5. 1999, KOM (1999) 220 endg., S. 13; kritisch de lege ferenda Helms, FamRZ 2001, 257, 260; Jayme, IPRax 2000, 165, 169f.: dies sei ein anachronistischer Zug, der überholtes Recht zementiert, das für globale Zusammenhänge nicht passt. 281 Spellenberg, ZZPInt 6 (2001), 109, 120, 122. 282 Dornblüth, S. 57; Niklas, S. 55. 283 Dies ist vor allem relevant für die Scheidung durch talaq, wenn die Verstoßung in einer Botschaft erklärt wurde. 284 Insbesondere auf von einer finnischen Behörde genehmigte Sorgerechtsvereinbarungen, s. Bericht Borrás, Rn. 61. 280

350

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

stattfinden soll, bei der Anerkennung in Ehesachen ist sie unerheblich285. Gleichwohl muss eine anerkennungsfähige Wirkung in Form einer »prozessualen« Bindung bestehen. Sie liegt vor, wenn die ausländische Urkunde, die z.B. die Scheidung beinhaltet, nach dem Recht des Errichtungsstaates eine Bindung bezüglich ihres Inhalts erzeugt, d.h. wenn in einem späteren gerichtlichen Verfahren der Richter nicht mehr überprüfen darf, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen. Liegt eine derartige Wirkung vor, ist diese anerkennungsfähig nach der EheGV-VO. Wenn also ein Mitgliedstaat in der Zukunft die Möglichkeit der Scheidung durch öffentliche Beurkundung des Scheidungseinverständnisses der Ehegatten einführt, dann werden die entsprechenden Urkunden anerkennungsfähig sein286. In diesem Fall dürfte der Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden Einlassung derart zu verstehen sein, dass die Wirkung der Urkunde nicht anerkennungsfähig ist, wenn der »Gegner« nicht durch Willensakt bei der Errichtung der Urkunde mitgewirkt hat287. Öffentliche Urkunden könnten bereits unter den Begriff »Entscheidung« zu subsumieren sein: Dies sind Entscheidungen, die von einem »Gericht« erlassen sein müssen, was wiederum auch eine Behörde sein kann, die für Rechtssachen zuständig ist, Art. 2 Nr. 1. Dies gilt insbesondere, wenn man nicht zwischen konstitutiver und registrierender Tätigkeit der Behörde differenziert288. Die Einordnung hat lediglich akademischen Wert, da in beiden Fällen die Anerkennungsfähigkeit nach der EheGV-VO gegeben ist. Fraglich ist, ob die Verordnung (wie auch zuvor Brüssel II) nur für die Anerkennung stattgebender Entscheidungen (einschließlich Verwaltungsakten) gilt und nicht für die Feststellungsurteile, die einen Antrag abgewiesen haben. Dies wurde richtigerweise für die erste Verordnung angenommen289. Zwar ergab es sich nicht zwangsläufig aus dem Text der Verordnung, in dem die Rede war von Entscheidungen, die die genannten Anwendungsgebiete betrafen, es wurde jedoch ausdrücklich in den Erwägungsgrund Nr. 15 der ersten Verordnung aufgenommen: »Der Begriff ›Entscheidung‹ bezieht sich nur auf Entscheidungen, mit denen eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe herbeigeführt wird«290. Im korrespondierenden Erwägungsgrund Nr. 22 der aktuellen Verordnung ist diese Stelle gestrichen. Jedoch findet sich nun in Art. 1 I die Formulierung »Zivilsachen mit Gegenstand die Ehescheidung usw.«. Diese Formulierung scheint zielgerichtet zu sein auf die Herbeiführung der Ehescheidung usw. Somit wird man auch nach der neuen 285

Dornblüth, S. 63. Schlosser, EU-ZPR, Art. 13 Rn. 3; kritisch aus rechtspolitischer Sicht Rauscher-Rauscher, Art. 13 Brüssel II-VO Rn. 22. 287 Dornblüth, S. 126. 288 S. weiter oben, S. 349. 289 Bericht Borrás, Rn. 60; kritisch Hau, FamRZ 1999, 484, 487. 290 Hervorhebung von Verf. 286

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

351

EheGV-VO davon ausgehen müssen, dass sie nur für stattgebende Entscheidungen gilt. Jedenfalls ist diese Begrenzung bedauerlich, da dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, nach rechtskräftiger Abweisung einer Scheidungsklage oder eines Scheidungsantrags eine erneute Scheidungsklage oder einen erneuten Scheidungsantrag in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund desselben Sachverhalts zu erheben/ stellen. Diese Möglichkeit ist durchaus reell, da im Übereinkommen mehr als eine Zuständigkeit für die Erhebung der statusverändernden Klagen eröffnet ist. Da noch kein einheitliches Kollisionsrecht für Ehescheidungen und ähnliche Verfahren besteht291, ist es durchaus möglich, dass eine zweite Scheidungsklage vor einem anderen Forum, das ein anderes Sachstatut anwenden wird, Erfolg hat. In der einseitigen Regelung der EheGV-VO allerdings eine Art indirekter kollisionsrechtlicher Relativität der abweisenden Entscheidung zu sehen292, erscheint etwas überspitzt. Jedenfalls ist die Beschränkung auf stattgebende Entscheidungen nach prozessualen Grundsätzen nicht zu begrüßen, durch die Verordnung ist sie jedoch geltendes Recht. Eine interessante Frage wäre, ob die Anerkennung der abweisenden Entscheidung nach autonomem Recht erfolgen kann. Hier wäre zuerst an eine Art Günstigkeitsprinzip zu denken, wie es richtigerweise auch für die EuGV-VO gilt293. Dem Bericht Borrás ist jedoch zu entnehmen, dass die EheGV-VO absoluten Vorrang beansprucht, selbst wenn das autonome Recht eine anerkennungsfreundlichere Regelung enthält, wie folgende Passage zeigt: »Verworfen wurde der Vorschlag einiger Staaten, eine nur fakultative Anwendung des Übereinkommens im Hinblick auf eines oder mehrere der genannten Übereinkommen vorzusehen, der sogar darauf abzielte, die innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden, sofern diese günstiger sind. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz verlangen die Bestimmung, die schließlich gewählt wurde und die die obligatorische und vorrangige Anwendung dieses Übereinkommens beinhaltet«294. Trotzdem ist die Anerkennung klageabweisender Entscheidungen nach autonomem Recht möglich: Da die Verordnung nicht eine mangelnde Anerkennungs291

S. allerdings für die Zukunft weiter unten, S. 427ff. Kohler, NJW 2001, 10, 14 und dort Fn. 38; ders., Status als Ware, 41, 47 und dort Fn. 19. Selbstverständlich gilt die Regelung auch für den Fall, dass auch das zweite Gericht das gleiche Sachstatut anwenden wird. In einer derartigen Situation wird jedoch die Erhebung einer zweiten Klage weniger verlockend sein, da »richtige« Urteile nicht die Ausnahme, sondern die Regel bilden, und somit für die zweite Klage keine großen Chancen bestünden. Bei neu entstandenen Scheidungsgründen wären sowieso die zeitlichen Rechtskraftgrenzen zu beachten und eine erneute Klage wäre zulässig. 293 Strittig, s. z.B. Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 585; Staudinger-Roth, § 328 Rn. 2; a.A. Geimer, IZPR, Rn. 2767b; Kropholler, EurZPR, Einl. Rn. 19, Art. 32 Rn. 6 bezogen auf den Fall, dass das nationale Recht nicht zur Anerkennung führen würde. 294 Bericht Borrás, Rn. 115; dagegen Helms, FamRZ 2001, 257, 265 auf dem Weg der ausnahmsweisen teleologischen Reduktion im Hinblick auf die Anerkennung einer Entscheidung, die im Entscheidungsstaat bereits Rechtswirkungen entfaltet hat. 292

352

A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

fähigkeit abweisender Entscheidungen anordnet, sondern lediglich diese aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt und somit überhaupt nicht regelt, stellt sich streng genommen nicht die Problematik des Vorrangs der Verordnung. Auch wäre es nicht gerechtfertigt, die Anerkennungsfähigkeit klageabweisender Entscheidungen zu verneinen. Damit wird sich diese nach autonomem Recht bestimmen müssen, d.h. nach § 328 ZPO. In den Anwendungsbereich der EheGV-VO fallen auch Feststellungsurteile, die das Nichtbestehen einer Ehe feststellen (§§ 632, 606 ZPO), da eine große Sachnähe zum Verfahren auf Ungültigerklärung besteht295 und auch sonst nach der hier vertretenen Ansicht die Unterschiede zwischen Feststellungs- und Gestaltungsurteil mehr in der Rechtstechnik als in der Substanz liegen. Entscheidungen, die das Bestehen der Ehe feststellen, fallen dagegen wegen ihrer Parallele zu klageabweisenden Entscheidungen, die auf eine Gestaltungsklage ergehen, nicht unter die EheGV-VO296. Die Anerkennung der stattgebenden Urteile erfolgt automatisch, ohne dass es dazu eines besonderen Verfahrens bedarf (Art. 14 I). Dadurch wird der Anwendungsbereich des Art. 7 § 1 FamRÄndG auf gerichtliche Entscheidungen aus Nicht-Mitgliedstaaten bzw. auf dänische Ehescheidungen beschränkt. Es kann aber nach Art. 21 III auch die Feststellung beantragt werden, dass Anerkennungsfähigkeit vorhanden oder nicht vorhanden ist. Die Feststellung nach Art. 21 III können über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch andere Personen verlangen: »Der Begriff ›Partei, die ein Interesse hat‹ zur Bezeichnung desjenigen, der die Feststellung beantragen kann, dass eine Entscheidung anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist, verlangt eine weite Auslegung in Verbindung mit den geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften, und als solche Partei kann somit auch die Staatsanwaltschaft oder eine andere entsprechende Stelle betrachtet werden, wenn dies in dem Staat, in dem die Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragt wird (ersuchter Staat), dem Verständnis entspricht«297. Damit erstreckt sich das Feststellungsinteresse auf die Personen, deren rechtlicher Status von der Entscheidung abhängt, insbesondere die Kinder298 und neue Partner/Verwandten der geschiedenen Eheleute, aber auch auf andere Personen, die aus der Statusänderung Rechte ziehen, wie z.B. die Erben, aber auch die Sozialversicherungsträger, wenn ihre Leistungsverpflichtung von der Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung abhängt299 sowie die Finanzämter. Ferner im deutschen 295

Dornblüth, S. 60f.; Gruber, FamRZ 2000, 1129, 1130; Hau, FamRZ 2000, 1333; Niklas, S. 31; a.A. Hausmann, The European Legal Forum 2000/01, 271, 273f.; MünchKommZPOGottwald, Art. 1 EheGVO Rn. 2; Spellenberg, FS Schumann, 423, 433; ders., ZZPInt 6 (2001), 109, 125f. 296 Dornblüth, S. 61. 297 Bericht Borrás, Rn. 65. 298 Diesen muss auch eine Rechtsbehelfsmöglichkeit eingeräumt werden, s. Wagner, IPRax 2001, 73, 80. 299 KG, NJW 1970, 2169; Dornblüth, S. 81; Geimer, IZPR, Rn. 3028.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Recht die Verwaltungsbehörden, die befugt sind, einen Antrag auf Aufhebung der Ehe nach § 1316 I 1 BGB zu stellen. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 II ZPO zulässig ist300. Die besseren Gründe sprechen dafür, dass Art. 21 III als spezieller Rechtsbehelf die Zwischenfeststellungsklage verdrängt301. Damit ist auch keine große Verzögerung des Rechtsstreits zu befürchten, da das Feststellungsverfahren der EheGV-VO in erster Instanz einseitig ausgestaltet ist, ohne Anhörung des Gegners, und schriftlich stattfinden kann. Der Grundsatz der automatischen Anerkennung bedeutet, dass jedes Gericht und grundsätzlich auch jede Behörde selbständig die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Eheauflösung beurteilen kann. Letzteres ist zwar nicht unproblematisch, da dafür die Legitimationsgrundlage fehlt. Wollte man jedoch den Behörden die Möglichkeit der inzidenten Prüfung, ob Anerkennungsversagungsgründe vorliegen, versagen, käme dies auf eine Verneinung des Grundsatzes der automatischen Anerkennung ohne vorgeschaltetes Verfahren hinaus, die verordnungswidrig wäre. Auch die weiter unten ausführlicher zu behandelnde entsprechende Kompetenz der LJV zur verbindlichen Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen spricht dafür: Der BGH hat anlässlich der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit nach Art. 7 § 1 FamRÄndG darauf hingewiesen, dass die Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen, die keine Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit der Entscheidung erfordert, weder begriffsnotwendig noch kraft überlieferter Tradition ein Verfahren der bürgerlichen Rechtspflege voraussetze. Vor der Einführung eines Verfahrens zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit durch § 24 4. DVO zum EheG wurde die Beurteilung der Anerkennungsfähigkeit den Gerichten und Behörden überlassen, für deren Verfahren die Frage von Bedeutung war. »Die Anerkennung stand damit seit jeher nicht unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Entscheidung«302. Das Reichsgericht hatte ausdrücklich entschieden, dass der Standesbeamte selbständig zu prüfen habe, ob das ausländische Urteil rechtskräftig sei und ob es den Anforderungen des § 328 ZPO entspreche303. Die Frage nach der Rechtsgrundlage wurde weder vom Reichsgericht noch vom Bundesgerichtshof aufgeworfen, es bleibt jedoch festzuhalten, dass auch Verwaltungsbehörden inzident über die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung urteilen dürfen. Im praktisch besonders wichtigen Fall der beantragten Eintragung in die Personenstandsbücher urteilt der Standesbeamte selbst über die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung. Hat er Zweifel, kann er die Entscheidung des Amtsge300 Bejahend: Hausmann, The European Legal Forum 2000/01, 345, 351; Thomas/PutzoHüßtege, Art. 21 Rn. 13; Vogel, MDR 2000, 1045, 1049. 301 Dornblüth, S. 74. 302 BGHZ 82 (1982), 34, 40f. 303 RGZ 88 (1917), 244, 250.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

richts von sich aus herbeiführen (§ 45 PStG)304. Diese Möglichkeit schließt die Antragsberechtigung des Standesbeamten im Verfahren nach Art. 21 III aus305. Eine kollisionsrechtliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung ist nicht vorgesehen, inhaltliche Abweichungen des angewandten Rechts vom Recht des Anerkennungsstaats berühren nicht die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung (Art. 25), insbesondere begründen sie auch keinen Verstoß gegen den inländischen ordre public306. Auch aus diesem Grund erscheint eine Harmonisierung des Kollisionsrechts innerhalb der europäischen Union sinnvoll307. Grundsätzlich muss die ausländische Entscheidung auch nicht unanfechtbar sein, um anerkennungsfähig zu sein, wie sich aus Art. 27 ergibt, der für den Fall der Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit vorsieht. Eine wichtige Auswirkung ausländischer Statusurteile ist die Eintragung in die Personenstandsbücher. Art. 21 II bestimmt ausdrücklich, dass sie ohne ein besonderes Verfahren durch Vorlage der ausländischen Entscheidung stattfindet, jedoch darf hierfür die Entscheidung nicht mehr durch ordentliche Rechtsbehelfe angreifbar sein308. Dies war in der Vorbereitungsphase ein streitiger Punkt: Es bestand zwar Einigkeit darüber, dass die Anerkennung automatisch erfolgen sollte, jedoch waren – neben den Gründen für die Ablehnung der Anerkennung – »die Folgen der automatischen Anerkennung für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern« strittig309. Im Bericht Borrás wird die ohne weiteres Verfahren erfolgende Eintragung in die Personenstandsbücher als wesentlicher Unterschied im Vergleich zu Art. 26 EuGVÜ hervorgehoben310: Es handele sich »nicht um eine gerichtliche Anerkennung, sondern um eine Anerkennung zwecks Eintragung in den Personenstandsbüchern«311. Die Tatsache, dass die Beischreibung in den Personenstandsbüchern ohne jegliche weitere Entscheidung erfolgt, bedeute gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen »einen erheblichen Fortschritt«312. Al304 So auch Rausch, FuR 2004, 154, 159; a.A. Hub, NJW 2001, 3145, 3149: hierzu fehle des Rechtsschutzinteresse, der Standesbeamte müsse das Verfahren nach Art. 14 III EheGV-VO beschreiten. 305 A.A. Dornblüth, S. 81; Hub, Fn. 1785. 306 Bericht Borrás, Rn. 70, 76; Jayme/Kohler, IPRax 1998, 417, 420. 307 Näheres zu dieser begrüßenswerten künftigen Entwicklung im Gemeinschaftsrecht weiter unten im Ausblick, S. 427ff. 308 In diesem Punkt wurde nicht berücksichtigt, dass nach Art. 13 III öffentliche vollstreckbare Urkunden gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt werden. Das wird darauf zurückzuführen sein, dass derzeit in keinem der Mitgliedstaaten eine Ehescheidung durch vollstreckbare Urkunde möglich ist. Diese Urkunden betreffen meist die elterliche Verantwortung für gemeinsame Kinder. 309 Bericht Borrás, Rn. 17, 62. 310 Bericht Borrás, Rn. 62. 311 Wobei nicht ganz klar ist, was dieser Satz genau bedeutet. 312 Bericht Borrás, Rn. 63.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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lerdings handelt es sich bei der Eintragung in die Personenstandsbücher lediglich um Vollstreckbarkeit im weiteren Sinne313, für die richtigerweise auch innerstaatlich keine Vollstreckbarerklärung nötig ist314, da ihre Ausführung nicht durch Vollstreckungsorgane oder gar durch Ausübung von Zwang, sondern durch Organe der freiwilligen Gerichtsbarkeit geschieht. Dieses Verständnis lag auch dem Bericht Borrás zugrunde, es heißt nämlich hinsichtlich Art. 20 Brüssel II über die vollstreckbaren Entscheidungen: »In Bezug auf Ehesachen bedarf es aufgrund des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und der Tatsache, dass die Anerkennung ohne weiteres die Beschreibung in den Personenstandsbüchern erlaubt, nur einer Regelung für die Anerkennung«315 (und nicht auch für die Vollstreckung). Bemerkenswert ist die Verengung der Rechtshängigkeitssperre in der zweiten EheGV-VO. Geblieben ist die Rechtshängigkeitssperre, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien gestellt werden (Art. 19 I). Der Fall jedoch von Verfahren, »die nicht denselben Anspruch betreffen«, den Art. 11 II der ersten VO vorsah, wurde gestrichen. Erfasst werden nach der Kernpunkttheorie, die der EuGH zur Bestimmung des Streitgegenstands im Rahmen des Art. 21 EuGVÜ entwickelt hat und die weiter oben erwähnt wurde316, alle Klagen, die sich auf ein und dasselbe Eheverhältnis beziehen. Damit führt jede Klage im Anwendungsbereich der Verordnung dazu, dass spätere Klagen oder Anträge317 zunächst nicht verfolgt werden dürfen. Auch in der EheGV-VO ist die Bestimmung der Unvereinbarkeit als Anerkennungshindernis verordnungsautonom und nach der Kernpunkttheorie vorzunehmen318. Dementsprechend verlangt auch Art. 22 Nr. c lediglich, dass die Entscheidung unvereinbar ist mit einer Entscheidung, die »in einem Verfahren zwischen denselben Parteien« ergangen ist bzw. Art. 22 Nr. d nur die Unvereinbarkeit »mit einer früheren Entscheidung« ohne jegliche Angabe zum Streitgegenstand. Somit wird im Gegensatz zur EuGV-VO nicht durch die unterschiedliche Sprachfassung eine künstliche Differenzierung zwischen der Behandlung von inländischen Urteilen und anderen ausländischen Urteilen, die im Inland anerkennungsfähig sind, nahe gelegt: Auch soweit es um die Unvereinbarkeit mit aus313

S. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 10 I 3 (S. 100). Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 2 (S. 138) m.Nachw. 315 Bericht Borrás, Rn. 80 [der Setzfehler (Beschreibung) steht im Original]. 316 S. weiter oben, S. 334. 317 Die zeitliche Priorität wird ausdrücklich geregelt in Art. 11 IV EheGV-VO: maßgeblich ist die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht oder der frühere Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, um es dem Antragsgegner zuzustellen. 318 Auch hier steht die verordnungsautonome Bestimmung der Unvereinbarkeit im Widerspruch zur Bestimmung der Urteilswirkungen nach dem Recht des Ursprungsstaates, s. zur EuGV-VO weiter oben, S. 338. 314

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

ländischen, anerkennungsfähigen Entscheidungen geht, ist lediglich Unvereinbarkeit und keine Identität des Anspruchs erforderlich. Zu berücksichtigen sind lediglich positive Entscheidungen, klageabweisende Entscheidungen in derselben Ehesache bilden kein Anerkennungshindernis319, da ansonsten die Begrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnung unterlaufen würde. Auch kollidierende anerkennungsfähige öffentliche Urkunden320 oder Verwaltungsakte können ein Anerkennungshindernis bilden321, denn soweit sie anerkennungsfähig sind, sind sie einem gerichtlichen Urteil gleichgestellt. Insofern besteht ein Unterschied zur EuGV-VO: Hier werden die öffentlichen Urkunden und Prozessvergleiche nicht einer Entscheidung gleichgestellt, sondern es wird lediglich in den Art. 57ff. EuGV-VO ihre Vollstreckbarerklärung geregelt und sie bilden daher auch kein Anerkennungshindernis nach Art 34 EuGV-VO322. Probleme können allerdings entstehen, wenn das zweite Urteil, dessen Anerkennungsfähigkeit geprüft wird, einen weiteren Gegenstand hat als das frühere, mit dem es unvereinbar ist. Ein Beispiel wäre die Unvereinbarkeit eines Scheidungsurteils mit einem früheren Urteil, das – insofern weniger weit reichend – die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ausgesprochen hat. Auch wenn Ehescheidungsantrag und spätere Klage auf Aufhebung oder Ungültigerklärung der Ehe zusammentreffen323, ergibt sich das Problem. Im Bericht Borrás wird die Unvereinbarkeit derartiger Entscheidungen angesprochen. Als Ausgangsbeispiel dient, dass im Staat A ein Urteil auf Trennung von Tisch und Bett ergangen ist, im Staat B ein Scheidungsurteil. Für diese zwei Urteile wird die Unvereinbarkeit nicht einheitlich beurteilt. Die Anerkennung des Trennungsurteils soll im Staat B wegen Unvereinbarkeit ausgeschlossen sein, diejenige des Scheidungsurteils im Staat A jedoch nicht324. Damit wird das Scheidungsurteil dominant, und zwar selbst im Staat A, in dem das Trennungsurteil ergangen ist! Ausdrücklich begründet Borrás den Vorzug der eben genannten Handhabung wie folgt: »Diese Auslegung hat den Vorteil, dass sie gewährleistet, dass der eheliche Status der Ehegatten in allen fünfzehn Mitgliedstaaten in gleicher Weise gesehen wird. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass Ehegatten möglicherweise in vierzehn Mitgliedstaaten als geschieden und nur im Staat A als getrennt betrachtet werden«325.

319 Dornblüth, S. 140f. m.Nachw. zur Gegenansicht, die einen »Scheidungstourismus« befürchtet. 320 S. weiter oben, S. 350. 321 A.A. Dornblüth, S. 140. 322 Zum Prozessvergleich Kropholler, EurZPR, Art. 34 Rn. 48. 323 S. Bericht Borrás, Nr. 57; Gruber, FamRZ 2000, 1129, 1134f. 324 Bericht Borrás, Rn. 71. 325 Bericht Borrás, Rn. 71.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Wäre diese Ansicht von Borrás, dass das »schwächere« Urteil im Staat des »stärkeren« (und auch in den übrigen Mitgliedstaaten über Art. 22 d, wenn das »stärkere« Urteil früher ergangen war) nicht anerkennungsfähig ist, zutreffend, wäre auch der Vorschlag von Schack nicht zu verwirklichen, die ergangene Entscheidung nachträglich im zweiten Staat um die ex tunc-Wirkung zu »erweitern«, wofür ein zweites Verfahren erforderlich sein werde326. Ähnliches wurde vorgeschlagen, um die weiterführende Wirkung der Auflösung der Ehe herbeizuführen, wenn durch die erste Entscheidung nur die Trennung von Tisch und Bett ausgesprochen wurde327. Aber auch sonst ist das Modell von Borrás bezüglich der Unvereinbarkeit grundsätzlich abzulehnen. Ausgehend vom Grundsatz, dass auch im Hinblick auf die Unvereinbarkeit die Kernpunkttheorie gilt, sind Urteil auf Trennung und Urteil auf Scheidung unvereinbar miteinander, und zwar in beide Richtungen. Eine Anerkennung nach autonomem Recht scheidet aus, denn das Günstigkeitsprinzip gilt in der EheGV-VO – anders als im Rahmen der EuGV-VO328 – nicht, da diese ausweislich des Berichtes Borrás Ausschließlichkeit genießt329. Es ist freilich darauf hinzuweisen, dass durch die Ausgestaltung der Rechtshängigkeitssperre, die eine Unvermeidbarkeit bereits im Vorfeld verhindern soll, das geschilderte Problem in der Praxis selten aufkommen wird, nämlich nur dann, wenn das Gericht keine Kenntnis vom Verfahren im anderen Mitgliedstaat hatte. ii. Anerkennungszwang aus dem EGV? Es wurde weiter oben dargelegt, dass kein grundsätzlicher völkerrechtlicher Anerkennungszwang besteht, dass jedoch teilweise ein solcher angenommen wird, was Personenstandsurteile angeht330. Auch das primäre Gemeinschaftsrecht schreibt keine grundsätzliche wechselseitige Anerkennungspflicht vor. Jedoch kann indirekt im Gemeinschaftsraum eine Anerkennungspflicht entstehen, wenn die primäre Pflicht besteht, die Freiheit des Waren- oder Personenverkehrs zu fördern und Hindernisse für diesen freien Verkehr abzubauen331. Dem Europäischen Gerichtshof wurde die Frage gestellt, ob das Gemeinschaftsrecht die deutschen Behörden verpflichte, ausländische Urkunden und Gerichtsentscheidungen über den Personenstand als verbindlich anzuerkennen332. In der Sache ging es um eine griechische Staatsangehörige, die dem deutschen Versicherungsträger eine gerichtliche Berichtigung ihrer griechischen Ge326 327 328 329 330 331 332

Schack, RabelsZ 65 (2001), 615, 626. Helms, IPRax 2001, 257, 265. Zu seiner Anwendbarkeit im Rahmen der EuGV-VO s. weiter oben, Fn. 293. S. weiter oben, S. 351. S. weiter oben, S. 345. Bleckmann, JZ 1992, 1072, 1074. EuGHE 1997, Rs. C 336/94, S. 6761ff.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

burtsurkunde vorlegte, nach welcher sie älter war als in ihrem Personalausweis angegeben. Die Frage des vorlegenden Gerichts war, ob gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen werde, wenn der Grundsatz angewandt wird, dass nur deutsche Personenstandsurkunden die Vermutung der Richtigkeit tragen (§ 66 i.V.m. § 60 I PStG), während der deutsche Richter ausländische Urkunden nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung beurteilt333. Dieses Urteil sowie insbesondere der entsprechende Schlussantrag des Generalanwalts La Pergola sind bemerkenswert und sollen an dieser Stelle etwas genauer betrachtet werden. Das EuGVÜ selbst gab zur Zeit des Urteilsspruchs diesbezüglich keine Antwort, da Personenstandssachen ausdrücklich aus seinem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Der EuGH stellte fest, dass Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats grundsätzlich nicht verpflichtet seien, »nachträgliche Berichtigungen von Personenstandsurkunden durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats genauso zu behandeln wie derartige Berichtigungen durch die zuständigen Behörden des erstgenannten Mitgliedstaats«334. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht, wenn dadurch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Frage gestellt werde, weil Ansprüche die sich daraus ergeben nur durch die Vorlage von Personenstandsurkunden geltend gemacht werden können. In diesem Fall müssen die Urkunden und ihre Berichtigungen berücksichtigt werden, »sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist«335. Der EuGH ging überhaupt nicht auf die Frage ein, wie das Vorhandensein der griechischen berichtigenden Entscheidung zu bewerten war. Sie war im besonderen Verfahren ergangen, das für den Fall der Zerstörung von staatlichen Archiven und Personenstandsbüchern im Kriege vorgesehen ist. Insbesondere wurde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden, das in Griechenland in den Fällen angewandt wird, in denen das Gesetz die gerichtliche Feststellung einer Tatsache verlangt, damit eine Personenstandsurkunde erstellt oder berichtigt wird. Der EuGH ist überhaupt nicht auf die Frage der Anerkennungsfähigkeit der griechischen gerichtlichen Entscheidung eingegangen, obwohl die Kommission offensichtlich diesen Aspekt vorgetragen hatte. Generalanwalt La Pergola hatte in seinem Schlussantrag die Problematik ausdrücklich für irrelevant erklärt336. Erst referierte er die Ansicht der Kommission: »Der dem Gerichtshof vorgelegte 333

Mittlerweile regelt § 33a SGB I diesen Fall: Das Original der Urkunde, aus der sich das geänderte Geburtsdatum ergibt, muss vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Geburtsdatums liegen, s. dazu LSG Berlin, Urt. vom 19. 1. 2004, Az. L 16 RJ 30/01 (juris-Datenbank). 334 EuGHE 1997, Rs. C 336/94, 6761ff. (Nr. 18); – diesen Grundsatz hat das BSG (vom 31. 1. 2002, Az: B 13 RJ 9/01 R, juris Datenbank) sogar auf eine entsprechende berichtigte türkische Geburtsurkunde angewandt mit dem Hinweis, dass er auch im vorliegenden Zusammenhang Anwendung finde. 335 EuGHE 1997, Rs. C 336/94, 6761ff. (Nr. 19). 336 Schlussantrag zur Rs. C 336/94, EuGHE 1997, S. 6761ff.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Fall berührt in keiner Weise, wie dies die Kommission zu glauben scheint, die schwierige Problematik der automatischen Anerkennung von Urteilen. Die Kommission hat vorgetragen, wenn der deutsche Träger der sozialen Sicherheit der Berichtigung des Alters von Frau Dafeki die gleiche Bedeutung zuerkennen müsste, wie ihr in Griechenland beigemessen werde, so käme dies faktisch einer gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen in Personenstandssachen gleich. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere in der Rechtssache Mund & Fester337 ergebe sich, dass eine solche Anerkennung nur aufgrund entsprechender völkerrechtlicher Verträge stattfinden könne; zwischen Deutschland und Griechenland bestehe aber auf dem fraglichen Gebiet »keinerlei völkerrechtliche Bindung«338. Allerdings besteht kein Grundsatz, dass Personenstandsentscheidungen nur dann anerkennungsfähig seien, wenn eine spezielle völkerrechtliche Bindung bestünde. Es stimmt also bereits der Grundsatz nicht, dass das griechische Urteil nicht anerkennungsfähig gewesen wäre. Ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Griechenland und Deutschland wäre mitnichten nötig, denn das deutsche Recht kennt Anerkennungsregeln, z.B. in Form von § 328 ZPO oder § 16a FGG. Gemeint war wohl Folgendes, wie dies besonders deutlich bei einem Beschluss des BSG zur vergleichbaren Problematik bei einer türkischen Berichtigungsentscheidung hergeleitet wurde: Auch wenn die Berichtigung durch ein deutsches Urteil angeordnet worden wäre, würde dies bei Beachtung der Rechtskraftgrenzen lediglich den deutschen Personenstandsbeamten binden, das Endprodukt, d.h. die Berichtigung im Personenstandsbuch, hätte lediglich Beweiskraft als Urkunde mit zulässigem Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen339. Dieser Gedankengang muss auch Generalanwalt La Pergola vorgeschwebt haben. Allerdings ist dies lediglich die Sichtweise des deutschen Rechts. Nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung, der auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt, wäre zu prüfen, ob die griechische Entscheidung nach griechischem Recht auch lediglich eine Anweisung enthielt oder aber auch eine Bindungswirkung im Hinblick auf die Sache selbst, d.h. eine eigenständige und im Rahmen der prozessualen Bindungswirkung auch nicht mehr überprüfbare Feststellung bzw. Gestaltung. Dabei ist eine Entscheidung des OLG Karlsruhe instruktiv, die eine ausländische Adoption, die gleichzeitig ein neues (späteres) Geburtsdatum bestimmte, für grundsätzlich anerkennungsfähig erklärte, weil die ausländische Entscheidung nicht lediglich die Berichtigung angeordnet, sondern selbst ein neues Geburtsdatum verbindlich gesetzt hatte340. Im Hinblick auch auf dieses neuere Ur337

EuGHE 1994, Rs. C 398/92, Nr. 11. Schlussantrag zur Rs. C 336/94, Nr. 12. 339 BSG, Beschluss vom 16. Juni 1994, Az: 13 RJ 47/93, juris Datenbank; vgl. auch OLG Düss., FamRZ 1997, 1480 m.Anm. Hepting. 340 OLG Karlsruhe, NJW 2004, 516; dagegen (in der Frage, ob die Festsetzung eines anderen 338

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

teil ist auch nicht der Ansicht des BSG zu folgen, dass in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwar der Grundsatz der Wirkungserstreckung gelte, jedoch die Wirkung im Entscheidungsstaat nicht über diejenige einer vergleichbaren Entscheidung eines deutschen Gerichts hinausgehen dürfe341. Ob die Entscheidung in Sachen Dafeki daher richtig war, lässt sich nicht entscheiden ohne die Prüfung der Wirkung der griechischen Entscheidung. Auch die Begründung, mit der Generalanwalt La Pergola die Unerheblichkeit des Urteils demonstrieren wollte, ändert daran nichts. Er meinte, es sei nicht auf das Urteil abzustellen. »Zunächst einmal hat die Betroffene dem deutschen Träger eine berichtigte Geburtsurkunde und nicht ein Urteil vorgelegt. Die Entscheidung des griechischen Gerichts stellte dem Vorlagebeschluss zufolge lediglich den Titel für die Vornahme der fraglichen Berichtigung dar. Auch wenn man aber den hypothetischen Fall annehmen wollte, dass die Betroffene ausschließlich das Berichtigungsurteil vorgelegt hat, könnte meines Erachtens nicht allein deswegen von einer automatischen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen ohne entsprechende Übereinkunft die Rede sein. Das Begehren von Frau Dafeki ist nicht auf Anerkennung des griechischen Urteils in Deutschland gerichtet, d.h. auf Herstellung des durch das Urteil geschaffenen Rechtszustands im Rahmen des deutschen Rechts, sondern auf Ausübung eines Rechts, für das dieser Rechtszustand, wie er tatsächlich eingetreten ist, die Voraussetzung darstellt. Das Urteil ist mit anderen Worten hier nicht in seiner Bedeutung als Rechtsprechungshandlung zu berücksichtigen; vielmehr sind von der deutschen Verwaltung die Bewertungen zu berücksichtigen, die durch das griechische Urteil ins Werk gesetzt wurden«342. Das ist – milde ausgedrückt – eine merkwürdige Betrachtungsweise, die allerdings von folgender Ausführung La Pergolas noch übertroffen wird: »Anders wäre es, wenn die Betroffene sich auf das ausländische Urteil in seiner Bedeutung als Rechtsprechungshandlung berufen würde, was z.B. der Fall wäre, wenn sie in erster Linie die Übertragung der Berichtigung ihres Alters in die deutschen Personenstandsbücher verlangen würde. In diesem Fall wäre mangels entsprechender völkerrechtlicher Übereinkünfte über die automatische Anerkennung solcher Urteile tatsächlich eine Prüfung des ausländischen Urteils oder ein gleichwertiges Verfahren nach deutschem Recht durchzuführen«343. Abgesehen von der bereits erwähnten Unrichtigkeit der These, dass gerichtliche Entscheidungen, die den Personenstand betreffen, nur kraft völkerrechtlichen Vertrags anerkennungsfähig seien, befasst sich die genannte Entscheidung überhaupt nicht mit der Frage nach der Ermittlung des feststellungsfähigen Entscheidungsgegenstands des ausländischen Urteils. Sollte dies nämlich tatsächlich Geburtsdatums ordre public-widrig sei mit der Folge mangelnder Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung, Looschelders, IPRax 2005, S. 28ff.). 341 BSG, Beschluss vom 16. Juni 1994, Az: 13 RJ 47/93, juris Datenbank. 342 Schlussantrag zur Rs. C 336/94, Nr. 12. 343 Schlussantrag zur Rs. C 336/94, Nr. 12.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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das Geburtsdatum bindend festgestellt haben, wäre die Eintragung in das griechische Personenstandsbuch lediglich Vollstreckung im weiteren Sinne, die die gerichtliche Feststellung und ihre Bindungswirkung nicht berühren würde. Dann wäre die Frage, die eigentlich für die Beantwortung des Problems maßgeblich wäre, eigentlich eine solche der Präjudizialwirkung des griechischen Urteils und es ginge lediglich darum, in welchem Umfang der Erlass eines Urteils in einem späteren gerichtlichen Verfahren den Einwand abschneidet, in Wirklichkeit sei der Fall falsch entschieden worden. Das erwähnte EuGH-Urteil ist jedenfalls auch unter Berücksichtigung der angebrachten Einwände fruchtbar zu machen, denn es hat den verallgemeinerungsfähigen Grundsatz aufgestellt, dass die Grundfreiheit der Freizügigkeit eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung mitgliedstaatlicher Rechtsakte außer in begründeten Ausnahmefällen verbietet. Schleierhaft bleibt lediglich, wieso dieser Grundsatz nach Ansicht von Generalanwalt La Pergola nicht gelten sollte, wenn es um die Anerkennung von Urteilen, die den Personenstand betreffen, gehe. Der von ihm lapidar genannte Grund, es bestünden hierzu keine völkerrechtlichen Übereinkünfte, ist in doppelter Hinsicht nicht stichhaltig. Zum einen wurde bereits erwähnt, dass es derartiger völkerrechtlicher Verträge gar nicht bedarf, da das nationale internationale Verfahrensrecht passende Regeln kennt, zum anderen besteht auch bezüglich personenstandsbezogener Urkunden keine derartige völkerrechtliche Übereinkunft. Es lässt sich keine Rechtfertigung ermitteln, im einen Fall das primäre Gemeinschaftsrecht als letztendlich maßgeblich anzusehen, im anderen nicht. Die Lösung dieses konkreten Falls hätte auch nicht auf die viel später erlassene EheGV-VO, die auch öffentliche Urkunden erfasst, gestützt werden können, da es sich ja nicht um eine Ehesache handelte. Daher gelten nach wie vor die vom EuGH aufgestellten Grundsätze. Danach ist im Einzelfall zu überprüfen, ob die Nichtanerkennung eines ausländischen Urteils Unionsbürger in der Ausübung ihrer Freiheiten beeinträchtigen könnte. In diesem Fall gebietet es das primäre Gemeinschaftsrecht, den ausländischen Staatsakt anzuerkennen. Insbesondere die Grundfreiheit des freien Personenverkehrs wird zu einer erheblichen Ausweitung der Anerkennungspflicht führen, da die Nichtanerkennung von Entscheidungen über den Personenstand dazu führen kann, dass eine Wohnortverlagerung in einen anderen Mitgliedstaat für die Unionsbürger uninteressant wird344. 344 Basedow, ZeuP 1994, 197, 199: Wenn etwa ein EG-Land die Adoptionsentscheidungen, Legitimationen oder Ehescheidungsurteile eines anderen Mitgliedstaates nicht anerkennt, beschneidet es die Verkehrsfreiheiten; zustimmend Pintens, Zeup 1998, 670, 673; – Selbst unterschiedliche Güterrechtssysteme führen zu Komplikationen, die eine Harmonisierung zumindest der Kollisionsnormen fordern, s. Henrich, FamRZ 1521ff., 1526; – s. allerdings Pintens, FamRZ 2003, 499, 504, der davor warnt, das Familienrecht zu einer Hilfswissenschaft des Wirtschaftsrechts zu degradieren. Seine Bedenken richten sich jedoch hauptsächlich gegen eine Harmonisierung der materiellen Rechte, nicht der Kollisionsrechte.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

c. Art. 7 § 1 FamRÄndG Seit Inkrafttreten der EheGV-VO am 1. 3. 2001 ist bei Eheauflösungsurteilen aus der Europäischen Gemeinschaft (ausgenommen Dänemark) kein obligatorisches Verfahren zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit mehr zulässig – es gilt die automatische Anerkennung, auch was die Eintragung in Personenstandsbücher betrifft345. Somit wird sich das Anwendungsfeld des Art. 7 § 1346 auf ausländische eheaufhebende Entscheidungen begrenzen, die in Drittstaaten sowie in Dänemark ergangen sind. Nach Art. 7 § 1 werden ausländische Entscheidungen in Ehesachen nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung (LJV) festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. Eine Ausnahme gilt nach Art. 7 § 1 I S. 3 nur für den Fall, dass die Entscheidung im gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten ergangen ist: In diesem Fall findet kein Feststellungsverfahren statt und es gilt der allgemeine Grundsatz der automatischen Anerkennung des § 328 ZPO347. Dies gilt allerdings nur, wenn die Aufhebung im gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten durch ein gerichtliches Urteil stattgefunden hat. Im Fall z.B. einer Privatscheidung im Heimatstaat beider Ehegatten, die von einer Verwaltungsbehörde registriert oder gerichtlich beurkundet wurde, bleibt die Feststellung nach Art. 7 § 1 erforderlich348. Allerdings wird im Fall, dass die Behörde nicht konstitutiv, sondern lediglich beurkundend gehandelt hat, nicht die Anerkennungsfähigkeit des Registrierungsakts der Verwaltung geprüft, sondern die private, rechtsgeschäftliche Scheidung nach IPR-Grundsätzen349. Prüfmaßstab

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S. weiter oben, S. 346ff. Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften vom 11. August 1961, zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 10 Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro (KostREuroUG) vom 27. 4. 2001 (BGBl. I S. 751) (BGBl. I S. 1221), BGBl. III/FNA 400–4. In diesem Kapitel beziehen sich alle Gesetzesangaben ohne weiteren Zusatz auf das FamRÄndG. 347 Möglich ist auch ein freiwilliges Anerkennungsverfahren, wenn dafür Gründe bestehen (vgl. BGHZ 112 (1991), 127, 131; Staudinger-Spellenberg Art. 7 § 2 FamRÄndG Rn. 704. 348 H.M., s. nur Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 193 m.Nachw. – Der Fall, dass eine reine Privatscheidung ohne jegliche Mitwirkung einer Behörde stattgefunden hat, war früher umstritten. Um Ungleichbehandlungen besonders bei nicht obligatorischer behördlicher Mitwirkung zu vermeiden, wurde vorgeschlagen, alle Privatscheidungen, mit Ausnahme der Heimatstaatsscheidungen, dem Anerkennungsverfahren zu unterwerfen, s. Lüderitz, FS Baumgärtel, 333, 343; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 175; Staudinger-Spellenberg, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 674; a.A. Palandt-Heldrich, Art. 17 EGBGB Rn. 36; MünchKomm-Winkler v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 334; Soergel-Schurig, Art. 17 Rn. 114; kritisch Schack, IZVR, Rn 895f.; Jayme, IPRax 2000, 165, 169f. will rechtspolitisch auch Privatscheidungen unter den Anwendungsbereich der EheGV-VO stellen. Mittlerweile liegt eine Entscheidung der Präsidentin des OLG Frankfurt vor, dass auch eine ohne behördliche Beteiligung zustande gekommene Privatscheidung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG anerkannt werden kann (StAZ 2003, 137). 349 OLG Frankfurt a.M., NJW 1990, 646. 346

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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ist also nicht § 328, sondern es wird die Wirksamkeit nach dem von Art. 13, 17 EGBGB anwendbaren Sachrecht ermittelt350. In einigen Ländern wird die Ehe durch Verwaltungsakt aufgelöst, so z.B. in Norwegen, Dänemark (durch königliche Bewilligung), Mexiko und der Volksrepublik China351. Auch diese Scheidungen müssen im Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG auf ihre Anerkennungsfähigkeit hin überprüft werden, sofern sie nicht in den Anwendungsbereich der EheGV-VO fallen. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, nach welchen Grundsätzen die Anerkennungsfähigkeit beurteilt wird. Näheres dazu wird weiter unten auszuführen sein, weil es sich um die Spezialfrage der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte handelt352. Das Verfahren nach Art. 7 § 1 ist ein streitiges Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit353. Es können auch Dritte, die ein berechtigtes Interesse haben, den Antrag stellen (Art. 7 § 1 III), nicht jedoch der Standesbeamte354. Ziel des Verfahrens vor der LJV ist es, divergierende Inzidententscheidungen zur Anerkennungsfähigkeit von Scheidungsurteilen zu vermeiden355, demgemäß ist auch die positive oder negative Entscheidung der LJV bindend für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden (Art. 7 § 1 VIII), insbesondere für den Standesbeamten. Die LJV ist an den erlassenen Bescheid auch selbst gebunden und kann ihn weder ändern noch widerrufen356. Die rechtliche Einordnung der Bindung an die Entscheidung der LJV ist nicht unproblematisch. Nach einer Ansicht handelt es sich um einen Akt auf dem Gebiet der rechtspflegenden Justizverwaltung und damit um einen Verwaltungsakt357, was die universelle Bindung sehr problematisch macht im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie. Nach herrschender Ansicht ist der Feststellungsakt der LJV zwar ein so genannter Zustizverwaltungsakt, jedoch materiell ein Akt der

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Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 189; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 194. S. Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 228. 352 S. weiter unten, S. 410. 353 Daher ist gegen die Entscheidung eine Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft, OLG Frankfurt, JMBl. Hessen 1996, 329ff.; zur Wiederaufnahme in der freiwilligen Gerichtsbarkeit s. Gaul, FS Habscheid, S. 99ff.; Hüttemann, passim. 354 S. Fachausschuss, StAZ 1993, 363, 364. 355 BGHZ 112 (1991), 127, 132. 356 BGH, FamRZ 1958, 182; OLG Bremen, OLGZ 66, 377; OLG München, StAZ 1962, 334; Kleinrahm/Partikel, S. 42; Raape, IPR, S. 310 und dort Fn. 96; Riezler, IZPR, S. 515; Stein/JonasRoth, § 328 Rn. 230 für den Feststellungsbescheid, jedoch differenzierend für den ablehnenden Bescheid (Rn. 231); a.A. BayObLG, StaZ 2000, 77, 78, weil in Statussachen dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme rechtswidriger Anerkennungsentscheidungen der Vorrang vor privaten Vertrauensinteressen einzuräumen sei; Staudinger-Spellenberg, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 724ff.: »vorsichtige Anlehnung an § 48 VwVfG ..., denn in der Sache handelt es sich um einen Verwaltungsakt«. 357 BGH, FamRZ 1958, 180; BVerwG, JZ 1958, 625; BayOLG, MDR 1967, 923; VGH Stuttg., FamRZ 1955, 178; Kleinrahm/Partikel, S. 35; Raape, MDR 1949, 586, 590; Reinl, S. 217; Schütze, S. 45. 351

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Rechtsprechung358. In Folge ergibt sich das Problem der Vereinbarkeit mit Art. 92 GG359, denn das BVerfG hat entschieden, dass dort, wo eine Sache dem Richter zugewiesen ist, weil es sich um Rechtsprechung handelt, der Richter nicht nur das letzte, sondern auch das erste Wort haben müsse, so dass ein Vorschaltverfahren unzulässig sei, auch wenn es auf Antrag in ein gerichtliches Verfahren übergeleitet werden kann360. Die Möglichkeit der Beschwerde zum OLG erfüllt somit nicht die Anforderungen von Art. 92 GG361. Heute geht die Rechtsprechung trotz der Zweifel im Schrifttum von der Verfassungsmäßigkeit des Art. 7 § 1 aus362. Gleichwohl ist nachträglich entschieden worden, dass die Entscheidungen der LJV eine geringere Bestandskraft aufweisen als gerichtliche Entscheidungen und daraus wurde ihre grundsätzliche Rücknahmefähigkeit gefolgert363. Die Bindungswirkung der Entscheidung der LJV bezieht sich auf die Feststellung, dass die Anerkennungsvoraussetzungen bestehen oder nicht bestehen. Nach h.M. gilt Art. 7 § 1 nur für stattgebende, nicht für klageabweisende ausländische Entscheidungen364. Gegenstand der Entscheidung ist somit lediglich die Anerkennungsfähigkeit. Wohl aus diesem Grund wurde der Feststellungsbescheid der LJV vor allem in der Rechtsprechung auch mit der Vollstreckbarkeitserklärung nach § 722 ZPO verglichen365 bzw. es findet sich die Formulierung, es handele sich bei dem Verfahren nach Art. 7 § 1 um ein Exequaturverfahren366. Zwar wurde entgegengehalten, dass dieser Vergleich hinke, da das Vollstreckbarkeitsurteil eine anerkannte Entscheidung voraussetze, während es sich beim Feststellungsbescheid nach Art. 7 § 1 um die Anerkennung selbst handele367. Allerdings ist dies ein Einwand, der formell gewiss richtig ist, jedoch an der Sache vorbeigeht, denn es gilt zwar der Grundsatz der automatischen Anerkennung, je358 BGHZ 20 (1956), 323, 337 = JZ 1956, 496 m.zust. Anm. Beitzke; BayObLGZ 1977, 180, 186; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 190 m.Nachw. 359 BGHZ 20 (1956), 323, 337 = FamRZ 1956, 276, 280 m.Anm. Bosch = JZ 1956, 496 m.zust. Anm. Beitzke; OLG Düss., MDR 1957, 680; BayObLGZ 1977, 180, 186; die Verfassungsmäßigkeit bezweifeln Geimer, NJW 1974, 1630; Geimer, FamRZ 1975, 586, 588f.; Geimer, IZPR, Rn. 264, 3015; Kegel, IPRax 1983, 22, 24; Lauterbach, RabelsZ 17 (1952), 693; Linke, IZPR, Rn. 428 und dort Fn. 217; Neuhaus, FamRZ 1964, 18, 24; Neuhaus, RabelsZ 31 (1967), 578, 580; Neuhaus, RabelsZ 35 (1971), 355, 356; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 190; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 270; a.A. BGHZ 82 (1982), 34, 41; BayObLGZ 77, 186 = FamRZ 78, 243; Kleinrahm/Partikel, S. 57; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 165; MünchKomm-Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 325. 360 BVerfGE 22 (1968), 49, 81. 361 Sturm, FS Beitzke, 787, 803 und dort Fn. 80. 362 S. Nachweise bei Staudinger-Spellenberg, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 651. 363 BayObLG, StAZ 2000, 77, 78. 364 A.A. Staudinger-Spellenberg, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 686 mit Nachweisen zur h.M. in dort Fn. 684; Wieczorek, § 328 Anm. F II a 1. 365 KG, NJW 1957, 1406, 1407; OVG Berlin, DÖV 1954, 668, 669; Jonas, DR 1942, 55, 59. 366 Lorenz, FamRZ 1966, 465, 478: ähnlich dem Verfahren nach §§ 722f. bei vermögensrechtlichen Ansprüchen. 367 Reinl, S. 83.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

365

doch prüft das Gericht im Rahmen der Vollstreckbarerklärung inzident, ob die Anerkennungsvoraussetzungen des § 328 ZPO vorliegen. Damit besteht tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Feststellungsverfahren und Vollstreckbarkeitserklärung. Jedoch ist diese Ähnlichkeit nicht ausreichend, um irgendwelche Rückschlüsse vom einen zum anderen Verfahren zuzulassen. Die Entscheidung der LJV bzw. die eventuell nachfolgende Entscheidung des OLG ist strikt von der Entscheidung zu trennen, deren Anerkennungsfähigkeit überprüft wurde. Das gilt auch bezüglich der subjektiven Rechtskraftgrenzen der Bindung an die ausländische Entscheidung, die ansonsten erhalten bleiben368. Ein als unzulässig abgewiesener Antrag entfaltet keine Bindungswirkung, außer bezüglich der prozessualen Frage der Zulässigkeit. Fraglich ist, ob ein Antrag, der als unbegründet zurückgewiesen wurde, bindend feststellt, dass die ausländische Entscheidung nicht anerkennungsfähig ist. Nach h.M. ist dies nicht der Fall369. Geimer will jedoch Art. 7 § 1 VIII analog anwenden und auch Entscheidungen der LJV, die Anträge als unbegründet zurückgewiesen haben, Feststellungswirkung zusprechen370. Unklar ist der Standpunkt von Kleinrahm/Partikel. Einerseits vertreten die Autoren, dass ein Feststellungsbescheid, der feststellt, dass die Voraussetzungen der Anerkennung nicht vorliegen, Feststellungswirkung dahingehend entfaltet, dass alle Gerichte und Behörden im Inland von dem Weiterbestehen der im Ausland geschiedenen Ehe ausgehen müssen371. Andererseits entwickeln sie die Ansicht, dass Bescheide, die einen Antrag als unbegründet zurückweisen, keine Feststellungswirkung entfalten372. Ein Bescheid jedoch, der feststellt, dass die Voraussetzungen der Anerkennung nicht vorliegen, ist ein Bescheid, der den Antrag als unbegründet zurückweist. Insofern ist nicht ersichtlich, welche ablehnenden Bescheide verbleiben, die keine Feststellungswirkung entfalten sollen. Dem Wortlaut nach verbleiben nur diejenigen, die einen Antrag ablehnen, weil die Ehe im Ausland gar nicht geschieden wurde. Demgegenüber sprechen Kleinrahm/Partikel ausdrücklich dem Bescheid Feststellungswirkung zu, der besagt, dass die Ehe im Ausland zwar geschieden wurde, jedoch mangels Anerkennungsvoraussetzungen keine Wirkungserstreckung ins Inland erfolgen könne, obwohl auch hier der Antrag als unbegründet abgewiesen wurde. Entscheidungen der LJV, die den Antrag als unbegründet abweisen, müssen Festsstellungswirkung entfalten, da sie sonst keinen Sinn machen, denn da das Er368 Dies verkennt Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 242, wenn er bezüglich des Umfangs der Rechtskraft der Entscheidung des OLG nach Art. 7 § 1 VI auf seine Kommentierung zum Umfang der Rechtskraft ausländischer Sachentscheidungen verweist. 369 BGH, FamRZ 1958, 180; KG, FamRZ 1969, 96f.; Jansen, FGG, Art. 7 § 1 FamRÄndG, Rn. 54. 370 Geimer, NJW 1968, 800ff.; Geimer, NJW 1967, 1398, 1399f.; wohl zustimmend BayObLG, NJW 1968, 363: »mit beachtlichen Gründen«; Kleinrahm/Partikel, S. 42; dagegen KG, FamRZ 1969, 96f. 371 Kleinrahm/Partikel, S. 42. 372 Kleinrahm/Partikel, S. 43ff.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

gebnis erst nach der materiellen Prüfung der Anerkennungsfähigkeit feststehen wird, muss der Antrag bei der LJV auf jeden Fall gestellt werden. Wenn die ablehnende Entscheidung keine Feststellungswirkung entfaltet, wäre der einzige Weg, um einen verbindlichen Ausspruch über die Anerkennungsfähigkeit herbeizuführen, negative Feststellungsklage vor den staatlichen Gerichten zu stellen. Dies würde jedoch die Grundidee des Art. 7 § 1 unterlaufen, die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit bei der LJV zu konzentrieren, und könnte darüber hinaus eine unhaltbare Situation entstehen lassen, wenn das Gericht nicht der Ansicht der LJV ist, dass es an der Anerkennungsfähigkeit mangelt. In Fällen, in denen die LJV (noch) nicht mit Bindungswirkung entschieden hat, können die Gerichte auch nicht inzident über die Gültigkeit der ausländischen Entscheidung entscheiden373. Das Gericht darf aber auch nicht verhandeln, als wäre die ausländische Entscheidung rechtlich nicht existent, d.h. als wäre sie nicht ergangen bzw. nicht anerkennungsfähig374. Denn wenn später ein bejahender Anerkennungsbescheid der LJV ergeht, der ja Rückwirkung entfaltet, würde dies zum inhaltlichen Widerspruch mit der Entscheidung führen375. Somit hat das Gericht nicht nur die Befugnis, nach § 148 ZPO von Amts wegen auszusetzen, sondern sogar die Verpflichtung infolge fehlender Vorfragenkompetenz376 – es wird in diesem Fall im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die Parteien auch auf die Notwendigkeit der Antragstellung vor der Landesjustizverwaltung hinweisen377. Problematisch wird die Lage, wenn wider Erwarten keine der Parteien einen entsprechenden Antrag nach Art. 7 § 1 FamRÄndG stellt. Auch dann wird im Regelfall das Verfahren nach § 148 ZPO auszusetzen sein378, wenn jedoch bei Vorliegen offenbarer Anerkennungsunfähigkeit trotz Aussetzung kein Anerkennungsverfahren durch die Parteien eingeleitet wird, soll die Ehe (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) vor den deutschen Gerichten zu scheiden sein379. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Einer derartigen Klage müsste das Rechtsschutzbe373 Kleinrahm/Partikel, S. 46; a.A. KG, FamRZ 1956, 234; Habscheid, FamRZ 1960, 310, 313; wohl Riezler, S. 515, der in diesem Fall eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Feststellung der LJV für »zweckmäßig« hält; ähnlich Beitzke, DRZ 1946, 172, 173f.: das Gericht kann, muss aber das Verfahren nicht aussetzen. 374 So aber die ständige Rechtsprechung in Unterhaltsverfahren, wo von dem Weiterbestehen der Ehe ausgegangen wird, vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1996, 773, 774; s. auch OLG Hamburg, MDR 1965, 828; OLG München, FamRZ 1955, 334; Beitzke, DRZ 1946, 172, 173f. 375 Kleinrahm/Partikel, S. 47; vgl. Geimer, NJW 1968, 801; Scheucher, ZfRV 1967, 157, 165, der jedoch auf S. 167 diesen Gedanken nicht konsequent durchführt. 376 BGHZ 16 (1955), 138ff.; KG, FamRZ 1969, 96ff.; Geimer, NJW 1967, 1398, 1401; Kleinrahm/Partikel, S. 51f.; Reinl, S. 195; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 125 Rn. 10; Stein/JonasRoth, § 148 Rn. 34; Blomeyer, ZPR, § 28 III 2 a (S. 127), § 60 I 1 b (S. 284) zur Aufrechnung mit einer Forderung, für die der Rechtsweg unzulässig sei; vgl. auch Fn. 1854. Zu den Schranken der Aussetzung nach § 148 ZPO und Art. 28 EuGV-VO s. Roth, FS Jayme, S. 747ff. 377 Basedow, IPRax 1983, 278, 281. 378 OLG Köln, NJW-RR 1999, 81, insbesondere wenn nicht offensichtlich mangelnde Anerkennungsfähigkeit besteht. 379 OLG Köln, NJW-RR 1999, 81 = JuS 1999, 822 (LS) m.Anm. Hohloch.

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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dürfnis fehlen, da gerade bei offenbar mangelnder Anerkennungsfähigkeit die Antragstellung bei der LJV der einfachere Weg zum Rechtsschutzziel sein dürfte. Selbst wenn man die h.M. zugrunde legt, dass negative Entscheidungen der LJV keine Bindungswirkung entfalten, wird das Verfahren nicht verzichtbar gemacht, denn es steht nicht im Voraus fest, wie die Entscheidung ausgehen wird. Auch dürfte die Frage, wann »offenbare« Anerkennungsunfähigkeit vorliegt, nicht immer eindeutig zu beurteilen sein. Wollte man dem Gericht diese Prüfung überlassen, würde es eine Aufgabe übernehmen, die eigentlich der LJV im Verfahren nach Art. 7 § 1 zugeteilt ist. Das wiederum würde gegen die vom Gesetzgeber angeordnete Kompetenzverteilung sprechen. Abzulehnen ist auch die Ansicht, es könne ein inländisches Scheidungsverfahren direkt nach dem ablehnenden Bescheid der LJV eingeleitet werden, obwohl er noch durch einen Beschluss des OLG aufgehoben werden könnte380, denn auch hier besteht die Gefahr eines Konflikts mit der eventuellen nachträglichen rückwirkenden Feststellung der Anerkennungsfähigkeit. Umstritten ist auch die Rechtsnatur des Feststellungsbescheids, insbesondere, ob er konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Der Wortlaut des Gesetzes in Art. 7 § 1 Abs. 5 S. 1 (»stellt die LJV fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen«) spricht für einen deklaratorischen Charakter381. Außerdem wird aus Art. 7 § 1 I S. 3 die feststellende Natur gefolgert, denn wenn die Anerkennung seitens der LJV konstitutiven Charakter hätte, würde es keinen Sinn ergeben, in diesem Fall von der formalen Anerkennung abzusehen382. Auch soll die Rückwirkung des Feststellungsbescheids besser mit einem deklaratorischen als mit einem konstitutiven Charakter vereinbar sein383. Doch ist dies kein zwingendes Argument, da auch konstitutive Entscheidungen durchaus mit rückwirkender Wirkung ausgestattet werden können384. Auch die allgemeine Bindung an den Feststellungsbescheid kann nicht als Argument eingesetzt werden – weder für die konstitutive noch für die deklaratorische Rechtsnatur, denn selbstverständlich ist es dem Gesetzgeber möglich, die allgemeine Bindungswirkung auch eines an sich deklaratorischen Akts anzuordnen385. Nach hier vertretener Ansicht kann man aus der Anordnung der allgemeinen Bindungswirkung sowieso keine Rückschlüsse ziehen, weil sowohl deklaratorische als auch konstitutive Entscheidungen bzw. Verwaltungsakte sich bezüglich ihrer prozessualen Verbindlichkeit nicht unterscheiden. 380

BayObLGZ, NJW 1974, 1628 m.Aufsatz Geimer, S. 1026; kritisch aus rechtspolitischer Sicht Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 176. 381 BayVGH, DVBl. 1956, 763 = IPRspr. 1954/1955, Nr. 190; so schon Beitzke, DRZ 1946, 172; Kleinrahm/Partikel, S. 36ff.; MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 198; Reinl, S. 82; Riezler, IZPR, S. 515; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 226. 382 Beitzke, DRZ 1946, 172. 383 Beitzke, DRZ 1946, 172; Riezler, IZPR, S. 515. 384 Kleinrahm/Partikel, S. 36; Schütze, S. 39. 385 So auch Kleinrahm/Partikel, S. 37.

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A. Die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile

Tatsache ist, dass sich die Wirkungen der ausländischen Entscheidung nur durch den Feststellungsbescheid ins Inland erstrecken können, so dass der Gedanke nahe liegt, dass der Feststellungsbescheid auf eine Rechtsänderung gerichtet ist, nämlich auf die Wirkungserstreckung ins Inland386. Dafür spricht auch die große Ähnlichkeit mit einem Vollstreckungsurteil nach § 723 ZPO387. In dem Fall würde es sich nicht um eine materielle, sondern um eine Art prozessualer Gestaltung handeln, da sie nur die prozessuale Frage der Anerkennungsfähigkeit betrifft. Zuweilen wird auch von einer Quasi-Gestaltungswirkung gesprochen388. Unter diesem Begriff sei die Wirkung von Staatsakten zu verstehen, denen kein Begehren zugrunde liegt, das primär auf eine Gestaltung gerichtet ist, sondern die auf eine Feststellung gerichtet sind, die jedoch Voraussetzung ist, damit weitere Rechtsfolgen eintreten (auch – und treffender – »konstitutive Feststellung« genannt). Die Parallele sei zu ziehen zu den Anfechtungsklagen nach altem Recht: zur Ehelichkeitsanfechtungsklage nach § 1593 a.F. BGB389, zur Klage auf Nichtigerklärung der Ehe nach § 23f. EheG sowie zur Erbunwürdigkeitsklage nach § 2340 BGB usw.390. Nach Hellwig hatte z.B. die Ehenichtigkeitsklage rein konstitutiven Charakter, da »eine Ehe, die Jedermann als vollgiltig bestehend behandeln muss und behandeln darf, ... keine nichtige Ehe (ist)«391. Es handele sich um Feststellungsakte, die kraft Gesetzes rechtsändernde Wirkung erzeugen392. Die Gestaltungswirkung dieser Urteile liege darin, dass die vom Urteil »festgestellte« Rechtslage nicht vor Erlass dieses Urteils geltend gemacht werden kann393. Insofern seien die Anfechtungsklagen bei genauer Betrachtung nur insoweit Gestaltungsklagen, als sie die Rechtslage rückwirkend ändern. Bezüglich der Zukunft sprächen sie lediglich die Feststellung der Rechtslage aus394. Zwar ist an der Rechtsnatur der genannten Klagen als Gestaltungsklagen festzuhalten395, jedoch ist nicht zu leugnen, dass bei ihnen das feststellende Element besonders stark hervortritt. Gestaltungsklagen sind sie, weil sie in der ideellen

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Kleinrahm/Partikel, S. 37; Staudinger-Spellenberg, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn 713f. S. weiter oben, S. 364. 388 Nicklisch, S. 117ff. 389 Zur Rechtsnatur der Klage nach § 1593 a.F. BGB s. ausführlich Nicklisch, S. 117ff. 390 Kleinrahm/Partikel, S. 37f.; Nicklisch, S. 122. 391 Hellwig, Anspruch, S. 471f. 392 Nicklisch, S. 118. 393 Blomeyer, ZPR, § 38 I 2 (S. 189f.), der jedoch in § 94 I (S. 496f.) den Anfechtungsurteilen keine Gestaltungswirkung, sondern Tatbestandswirkung zuspricht. 394 Blomeyer, ZPR, § 94 II (S. 496f.). 395 S. Gaul, FS Nakamura, 137, 143f., insbes. zu Fn. 21; Soergel-Gaul, § 1593 Rn. 32ff.; zum Vaterschaftsfeststellungsklage MünchKommZPO-Coester-Waltjen, § 640 Rn. 19; Stein/JonasSchlosser, § 640 Rn. 9; Wieser, NJW 1998, 2023; a.A. (Feststellungsklage) MünchKomm-Seidel, § 1600d Rn. 16f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 168 Rn. 31; Soergel-Gaul, § 1600n Rn. 4; Staudinger-Rauscher, § 1600n Rn. 16; Wieser, NJW 1998, 2023. 387

III. Anwendung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse

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Welt der Rechtsordnung ein Rechtsverhältnis verändern, auch wenn dies nur in Anpassung an die vermeintliche reale Welt geschieht. Die Entscheidung der LJV dagegen ist insgesamt nicht als Gestaltungsentscheidung anzusehen. Insbesondere der Gesetzeszweck spricht für eine deklaratorische Wirkung: Sinn des Verfahrens ist die Erzeugung von Rechtssicherheit bzgl. der Frage der Anerkennungsfähigkeit in dem sehr wichtigen Bereich der ehelichen Statusfragen396. Dies, kombiniert mit der ansonsten automatischen Anerkennung ausländischer Entscheidungen, spricht für die deklaratorische Natur des Bescheids der LJV, denn das deutsche Anerkennungsrecht geht grundsätzlich von der Anerkennungsfähigkeit aus und gibt nur negativ vor, wann diese – ausnahmsweise – nicht gegeben ist. Dieses Negativattest, d.h. dass keine Anerkennungshindernisse vorliegen, ist Inhalt der Entscheidung der LJV und insofern handelt es sich um eine feststellende Entscheidung. Abschließend sei noch einmal auf die körperweltliche Betrachtung von Jonas hingewiesen, der Statusveränderungen durch richterliche Entscheidung als Tatsachen wie Geburt und Tod ansah397. Damit hatte für ihn das Verfahren nach Art. 7 FamRÄndG die – freilich atypische – bindende Feststellung einer Tatsache zum Gegenstand. Doch wurde bereits dargelegt, dass dieser Ansicht nicht zu folgen ist398. Der Entscheid der LJV ist nach Art. 7 § 1 IV, VII richterlicher Nachprüfung durch das Oberlandesgericht unterworfen. Dieses entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es kann eine Parallele zur Anfechtungsklage des Verwaltungsrechts gezogen werden399, die jedoch in Anbetracht der §§ 23ff. GVG als unnötig erscheint.

396 Hausmann, S. 157f., der die Entscheidung der LJV als eine Rechtsbedingung zur Berücksichtigung der Wirkungen des ausländischen Urteils sieht. 397 Jonas, JW 1936, 283. 398 Dazu s. bereits weiter oben, S. 315. 399 Reinl, S. 225.

B. Die Bindung der Verwaltung an ausländische Gestaltungsurteile Wenn ein ausländisches Gestaltungsurteil anerkennungsfähig ist, erstreckt es seine Wirkungen auf das Inland, so dass sich auch die Frage nach seiner Verbindlichkeit für inländische Verwaltungsbehörden stellt. Es gelten diesbezüglich die Grundsätze, die für die Berücksichtigung inländischer Gestaltungsurteile entwickelt wurden1. Das bedeutet, dass die Verwaltung auch das anerkennungsfähige ausländische Gestaltungsurteil hinnehmen muss, denn sie ist nicht zuständig, Sachverhalte zu überprüfen, die den Gerichten zugewiesen sind. Dies ist per definitionem der Fall bei den Gestaltungsklagen, denn hier ordnet das Gesetz gerade an, dass die Gerichte zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Änderung der Rechtslage vorliegen. Problematisch für die inzidente Prüfung der Anerkennungsfähigkeit ist das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage2. Wollte man sie jedoch verneinen, insbesondere ein gerichtliches Verfahren erfordern, würde dies im Ergebnis den Grundsatz der automatischen Anerkennung ohne Anerkennungsverfahren unterlaufen, wie dies bereits weiter oben ausgeführt wurde3.

1 2 3

S. dazu weiter oben, S. 239ff. Zutreffend Kreuzer, IPRax 1990, 365, 367 und dort Fn. 31. S. für den Geltungsbereich der EheGV-VO weiter oben, S. 353.

C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbesondere des Vollstreckungsrechts Als weiterer Punkt soll die Anerkennungsfähigkeit prozessualer Gestaltungsurteile untersucht werden. Das Problem besteht in der Annahme der h.M., dass nur Sachentscheidungen anerkennungsfähig seien1. In der Regel wird erläuternd darauf hingewiesen, dass prozessuale Entscheidungen (bzw. Zwischenurteile) über prozessuale Fragen nicht anerkennungsfähig seien2. Dabei handelt es sich jedoch um Prozessabweisungen und sonstige Entscheidungen über die Zulässigkeit des Verfahrens bzw. allgemein über das procedere des Verfahrens, z.B. in der Zwangsvollstreckung die Klagen auf Erteilung (§§ 731, 738, 742, 744, 745 II, 749, 796f.) oder auf Beseitigung der Vollstreckungsklausel (§§ 768, 797, § 202 InsO) oder die Klage auf Vollstreckungsurteil (§§ 722f.). Diese Art prozessualer Entscheidungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Abschnitts – es handelt sich hierbei um (Zwischen-) Entscheidungen über die Einhaltung prozessualer Verhaltensnormen3. Es besteht auch keine – auch nicht eine rechtspolitische – Notwendigkeit für eine Anerkennung dieser Entscheidungen, da sie lediglich den Gang des ausländischen Verfahrens betreffen und somit nicht in einem inländischen (Vollstreckungs-) Verfahren Relevanz erlangen können. Dies ist insbesondere relevant bei den Klagen im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens, denn hier können, solange noch keine Befriedigung des Gläubigers eingetreten ist, mehrere Vollstreckungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden, die unabhängig voneinander sind, so dass es vor diesem Zeitpunkt unerheblich ist, wie das Vollstreckungsverfahren im Ausland fortschreitet. In dieser Arbeit interessieren dagegen Entscheidungen, die auf einer Entscheidungsnorm basieren, auch wenn diese dem Prozessrecht entnommen wird. 1 Geimer, IZPR, Rn. 2788; Geimer, WM 1986, 117, 122; Geimer/Schütze, I/2, § 192 1 (S. 1415f.); Koch, Anerkennung, 161, 164, wegen der beschränkten Rechtskraftwirkung prozessualer Entscheidungen; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 33. 2 BGH, NJW 1985, 553 = IPRax 1985, 224 m.Aufs. Henrich, S. 207ff.; Zöller-Geimer, § 328 Rn. 28; a.A. wohl Stürner, Anm. zu OLG Düsseldorf, ZZP 109, 221, 228f., der wohl die »antisuit injunction« des englischen Recht mit einem deutschen Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage vergleicht, aber ihre Anerkennungsfähigkeit bejaht; dagegen Geimer, IZPR, Rn. 2792; zweifelnd MünchKommZPO-Gottwald, § 328 Rn. 38 und dort Fn. 37. 3 Zur Abgrenzung zwischen prozessualer Verhaltensnorm und materiellrechtlicher Entscheidungsnorm s. weiter oben, S. 6.

372

C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbes. des Vollstreckungsrechts

Auch die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Rechtsmittelentscheidungen soll ausgeklammert werden. Das Aufhebungsurteil, das auf ein erfolgreiches Rechtsmittel hin ergeht, ist zwar insofern ein prozessuales Gestaltungsurteil, als es das angefochtene Urteil aufhebt und die bislang von ihm erzeugten Urteilswirkungen beseitigt. Eine derartige Aufhebung eines ausländischen Urteils wird im Inland mit Sicherheit zu berücksichtigen sein, denn bei den kassatorischen Rechtsbehelfsentscheidungen ist ausnahmsweise eine körperweltliche Betrachtung zutreffend4. Sowohl von den Entscheidungen, die nur das Verfahren betreffen, als auch von den erfolgreichen Rechtsmitteln unterscheiden sich die Urteile des Vollstreckungsrechts, die auf eine prozessuale Gestaltungsklage hin ergehen, denn sie stützen sich auf Entscheidungsnormen, nicht auf prozessuale Verhaltensnormen. Gemeint sind die Klagen, mit denen materielle Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend gemacht werden. Es handelt sich hierbei um die Vollstreckungsgegenklage (§§ 767, 785) und die Widerspruchsklagen (§§ 771, 774, 810 II, 805). In der Untersuchung des innerstaatlichen Rechtsverkehrs wurden sie ausgeklammert, weil sie nicht zu einer Privatrechtsgestaltung führen und auch keine Bindungsproblematik aufwerfen, da sich ihr rechtskraftfähiger Ausspruch auf die Frage nach der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme beschränkt5. Allerdings ist ihre Verflechtung mit dem materiellen Recht so eng, dass im internationalen Rechtsverkehr trotzdem die Frage nach anerkennungsfähigen Wirkungen gestellt werden muss. Außerdem ist es nicht nur durchaus denkbar, dass sie nach ausländischem Recht zu einer rechtskräftigen Feststellung auch der materiellen Rechtslage führen, sondern dies kann sogar als die Regel angesehen werden: Feststellungen über den titulierten Anspruch, die in einem »Zweitverfahren« im Rahmen der Zwangsvollstreckung ergehen, erwachsen im selben Maße in Rechtskraft, wie im Erstverfahren – man könnte sogar von einem internationalen Mindeststandard sprechen6. Man kann sich fragen, ob überhaupt ein Bedürfnis für die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile der Zwangsvollstreckung besteht, denn auch inländische Vollstreckungsakte aufgrund eines ausländischen Titels können nur auf der Grundlage einer inländischen Vollstreckbarkeitserklärung ergehen. Die auf den »Rechtshilfeweg« hindeutende Vorschrift des § 791 wurde aufgehoben7, stets ist einem inländischen Vollstreckungsakt ein – wenn auch vereinfachtes – Verfahren

4

S. weiter oben, S. 58. S. nur Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 XI 3 (S. 645), § 41 X 3 (S. 692) sowie zur Ausklammerung im ersten Teil weiter oben, S. 3. 6 Nelle, S. 294, s. auch dort die Ausführungen zum französischen, schweizerischen, englischen sowie amerikanischen Recht. 7 Durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, BGBl. I 2005, 2477. 5

I. Ausländische Vollstreckungsgegen- oder Widerspruchsklage

373

der Vollstreckbarkeitserklärung vorgeschaltet8, so dass sich fragt, wie die Anerkennung z.B. eines Urteils, das auf eine Vollstreckungsgegenklage ergeht, ein eventuelles paralleles inländisches Vollstreckungsverfahren beeinflusst. Zumindest eine mittelbare Beeinflussung ist zu bejahen: Zum einen kann das ausländische Widerspruchsurteil – je nachdem, welche Wirkung es im Ursprungsstaat entfaltet – im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils relevant werden, zum anderen stellt sich die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Widerspruchsurteile im Hinblick auf nachfolgende, im Inland erhobene, Bereicherungs- oder Schadensersatzklagen, die sich auf denselben materiellen Rechtsgrund stützen wie die ausländische Widerspruchsklage. Nach deutschem Verständnis sind derartige Urteile in einem Widerspruchsverfahren relevant, weil das Gericht im folgenden Prozess um Ausgleichsansprüche keine abweichende Entscheidung treffen darf. Dies bedeutet zwar nicht, dass damit ein materieller Ausgleichsanspruch automatisch bejaht werden würde, da die übrigen Voraussetzungen, die über die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme hinausgehen, voll darzulegen und zu beweisen sind9, jedoch ist das Gericht in der Frage der materiellen Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung gebunden. Somit muss die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Widerspruchsurteile untersucht werden, anders formuliert stellt sich die Frage, ob ausländische Widerspruchsurteile des Vollstreckungsrechts anerkennungsfähige Urteilswirkungen erzeugen.

I. Ausländische Vollstreckungsgegen- oder Widerspruchsklage, die zur rechtskräftigen Feststellung der materiellen Rechtslage führt Am einfachsten zu beurteilen ist die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Gestaltungsurteile des Vollstreckungsrechts, wenn sie nach dem Recht des Urteilsstaats auch zur Feststellung der materiellen Rechtslage führen. Diese Feststellung ist auf jeden Fall anerkennungsfähig, insbesondere handelt es sich nicht um eine dem deutschen Recht unbekannte Urteilswirkung10. Selbst wenn man die Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile insgesamt ablehnt, muss in diesem Fall zumindest eine Teilanerkennung der im ausländischen Urteil enthaltenen Sachentscheidung stattfinden11. Durch die Anerkennung der Feststel8 Dies soll sich freilich zukünftig in der Europäischen Union ändern, s. dazu im Kapitel »Ausblick«, S. 430. 9 Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 X 3 (S. 693). 10 Zu dieser Einschränkung in der Anerkennungsfähigkeit s. weiter oben, S. 325 – zur Situation, die entsteht, wenn man bei der Anerkennung des ausländischen Vollstreckungsgegenklageurteils von einer Gleichstellung ausgeht, nämlich zur »Präklusionslücke«, s. Nelle, S. 300ff. 11 Tendenziell für eine Anerkennung Gottwald, ZZP 103, 257, 267 »soweit im prozessualen Gewand über die gegenseitigen Rechte der Beteiligten entschieden wird«.

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C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbes. des Vollstreckungsrechts

lung der materiellen Rechtslage wäre auch die dogmatische Verlegenheit der Begründung der Bindungswirkung in späteren Prozessen um materielle Ausgleichsansprüche überwunden12.

II. Erzeugen die Gestaltungsurteile des Vollstreckungsrechts nach deutschem Vorbild anerkennungsfähige Wirkungen? Führt das ausländische Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates nicht zu einer Feststellung der materiellen Rechtslage, liegt insbesondere ein dem deutschen Recht vergleichbares Verständnis seiner Urteilswirkungen vor, gestaltet sich die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit äußerst problematisch, denn nach im deutschen Recht h.M. führen die Widerspruchsklagen des Vollstreckungsrechts nicht zu einem rechtskräftigen Ausspruch über die materielle Rechtslage, obwohl sie spätere Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche ausschließen, die ja eigentlich auf der materiellen Rechtslage basieren, sondern die materiell rechtskraftfähige Feststellung beschränkt sich auf die prozessuale Frage der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung13. Maßgeblich für eine anerkennungsfähige Sachentscheidung ist nach h.M., dass die Entscheidung einen endgültigen Ausspruch über die Begründetheit des klägerischen Begehrens enthält14. Jedoch trifft dies für alle Entscheidungen zu, die einem Antrag nach inhaltlicher Prüfung stattgeben oder ihn ablehnen. Insbesondere kann dieser Aussage nicht entnommen werden, dass nur Aussprüche über einen privatrechtlichen Anspruch anerkennungsfähig seien. Vielmehr ist zu fordern, dass eine vorbehaltslose Entscheidung über eine Entscheidungsnorm ergangen ist und kein reines Prozessurteil, das auf der Verletzung einer Verhaltensnorm basiert, z.B. weil eine Zulässigkeitsvoraussetzung fehlte. Sofern von einem materiellrechtlichen Ausspruch die Rede ist, ist dieser zu verstehen i.S. des Rechts der Materie, geregelt von Entscheidungsnormen, in Abgrenzung zu den prozessualen Verhaltensnormen15. Damit wären anerkennungsfähige Wirkungen ausländischer Widerspruchsklagen des Vollstreckungsrechts zu bejahen, denn die prozessualen Gestaltungsentscheidungen im Vollstreckungsverfahren, die auf materielle Einwendungen gestützt sind und auf dem Klageweg ergehen, sprechen – anders z.B. als ein Prozessurteil – nicht lediglich die Unzulässigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme (feststellend) aus, sondern gestalten entsprechend dem klägerischen Antrag die (pro12

S. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 41 X 3 (S. 692f.). Trotzdem wird angenommen, dass § 322 II analog angewandt werden kann, so dass die im Verfahren der Vollstreckungsklage zur Aufrechnung aufgestellte Forderung rechtskräftig festgestellt wird, Rosenberg/Gaul/Schilken, § 40 XI 3 (S. 645f.). 14 S. z.B. Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 63. 15 S. bereits weiter oben, S. 6. 13

II. Erzeugen die Gestaltungsurteile des Vollstreckungsrechts

375

zessuale) Rechtslage, indem sie dem Titel die Vollstreckbarkeit nehmen. »Recht der Materie« im eben dargestellten Sinne ist demnach das Prozessrecht mit seinen Entscheidungsnormen16. Unter dieser Prämisse ist eine ausländische prozessuale Gestaltungsentscheidung nicht von vornherein wegen ihrer prozessualen Natur von der Anerkennung ausgeschlossen. Als nächstes stellt sich die Frage, welche Entscheidungswirkung anerkennungsfähig sein wird. Auch hier wird der Grundsatz der Wirkungserstreckung gelten und maßgeblich wird die prozessuale Urteilswirkung sein, die das ausländische Recht der Entscheidung beimisst. Die Qualifikation wird jedoch nach deutschem Recht erfolgen, so dass diejenigen Urteilswirkungen anerkennungsfähig sind, die nach deutschem Verständnis prozessual sind. Nach hier vertretener Ansicht ist dies die materielle Rechtskraft. Damit ist die ausländische Wirkung anerkennungsfähig, die den Einwand abschneidet, die Entscheidung sei in Wirklichkeit zu Unrecht ergangen, unabhängig davon, wie diese Wirkung nach ausländischem Recht eingeordnet wird. Die objektiven Grenzen der Entscheidungswirkung werden dem Recht des Urteilsstaates entnommen. Führt dort – wie im deutschen Recht – die erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage auch zu einer Bindung im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung, wird dies als prozessuale Urteilswirkung anzusehen sein, die anerkennungsfähig ist. Die Anerkennungsfähigkeit prozessualer Gestaltungsurteile ist auch rechtspolitisch zu befürworten, was bereits eingangs kurz angesprochen wurde, jedoch noch einmal betont werden soll. Man denke an eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage im Ausland, deren Ergebnis in Deutschland nicht anerkannt wird. Wenn entweder das Vollstreckungsobjekt jetzt ins Inland verlegt wird oder der Schuldner noch sonstiges Vermögen im Inland besitzt und der Gläubiger im ausländischen Verfahren nicht vollständig befriedigt wurde, kann er erneut die Vollstreckung im Inland betreiben. Der Vollstreckungsschuldner müsste jetzt erneut Vollstreckungsgegenklage erheben – gegebenenfalls aus demselben Rechtsgrund, z.B. Erlöschen des vollstreckbaren Anspruchs durch Erfüllung, oder diesen Einwand zumindest im Vollstreckbareklärungsverfahren der Klage auf Vollstreckbarerklärung entgegenhalten17. Dies würde jedoch nicht nur zu einer unnötigen Verdoppelung der Prüfung desselben Sachverhalts führen, sondern auch zu einer

16 Eine andere Sichtweise liegt der Arbeit von Schlosser zugrunde: »›Prozessual‹ sind diese Klagen ... nur deshalb, weil sie auf eine Anweisung an ein Organ abzielen, das in die Justizorganisation eingegliedert ist, und weil die gesamte Zwangsvollstreckung in Deutschland üblicherweise zum Prozessrecht gezählt wird. Der Sache nach sind aber Vollstreckungsakte genau so Akte des öffentlichen materiellen Rechts wie Akte der Eingriffsverwaltung, insbesondere Akte im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung« (S. 102, Hervorhebung im Original). 17 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 5 (S. 143), der die Beachtung der Grenzen des § 723 I/§ 767 II anmahnt. Gleichwohl ist die Präklusionswirkung der ausländischen Entscheidung richtigerweise nicht nach diesen Vorschriften zu beurteilen, sondern auf Grund der Wirkungserstreckung dem Recht des Urteilsstaates zu entnehmen, s. dazu weiter oben, S. 343.

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C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbes. des Vollstreckungsrechts

ungerechtfertigten Rechtsschutzerschwerung für den Vollstreckungsschuldner oder den Dritten. Aus diesem Grund müssen zumindest die prozessualen Gestaltungsentscheidungen, die zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen materieller Einwendungen führen, anerkennungsfähig sein in ihrer Wirkung, die die private Rechtslage betrifft, d.h. soweit sie nach dem Recht des Urteilsstaats nachfolgende materiellrechtliche Ausgleichsansprüche präjudizieren.

III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen gehören zu den prozessualen Gestaltungsurteilen. Sie beziehen sich entweder auf ihrerseits ausländische gerichtliche Entscheidungen oder auf (inländische oder ausländische) Schiedssprüche. Es stellt sich die Frage, ob diese Entscheidungen anerkennungsfähig sind. Meist findet man den Satz, dass ausländische Anerkennungs- oder Exequaturentscheidungen nicht anerkennungsfähig sind18 und zwar unter dem Gesichtspunkt des sog. Verbots des Doppelexequatur. Es wurde bereits dargelegt, dass prozessuale Gestaltungsurteile nicht per se von der Anerkennung ausgeschlossen sind. Oft ist allerdings der Inhalt ausländischer prozessualer Gestaltungsurteile für den inländischen Rechtsverkehr irrelevant, das gilt z.B. für die Entscheidungen, die über die Anerkennungsfähigkeit oder die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile oder Schiedssprüche in dem jeweils betreffenden Land befinden19. Die Aussage, dass eine Entscheidung oder ein Schiedsspruch in einem bestimmten Land gelten soll, wäre für andere Länder nur dann relevant, wenn es aufgrund der Anwendung einer lex causae-Theorie auf die Anerkennungsfähigkeit in dem bewussten Land ankäme. Da die lex causae-Theorien jedoch abzulehnen sind, würde die Anerkennung derartiger Anerkennungs- oder gar Exequaturentscheidungen keine rechtlichen Auswirkungen haben. Entgegen weit verbreiteter Ansicht bestünde daher auch keine Gefahr der Doppelanerkennung, weil die Gegenstände der Anerkennung des ursprünglichen Urteils oder Schiedsspruchs und des Anerkennungs- bzw. Exequatururteils unterschiedlich wären. Auch könnte aus dem gleichen Grund – unterschiedliche Anerkennungsgegenstände – nicht der Fall eintreten, dass durch die Hintertür eine Entscheidung anerkannt wird, die nach den inländischen Anerkennungsvor-

18 Kegel, FS Müller-Freienfels, S. 377ff.; Kropholler, IPR, § 60 III 2 a (S. 644); Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 372; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 156 Rn. 3; a.A. Schütze, ZZP 77, 287, 290f.; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 62, 147. 19 Nicht gesehen von Borges, S. 268ff., auch wenn er »Exequaturentscheidungen von Schiedssprüchen aus Drittstaaten im Wege der teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des § 328 ZPO« ausnehmen will (S. 417).

III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen

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schriften nicht anerkennungsfähig wäre20, denn Inhalt der ausländischen Exequaturentscheidung ist lediglich, dass z.B. der ausländische Schiedsspruch im konkreten ausländischen Staat für vollstreckbar erklärt wird und damit vollstreckbar ist. Die Haltung des Staates, in dem die Exequierung der ausländischen Entscheidung stattgefunden hat, ist unerheblich. Selbst, wenn nach dem Verständnis dieses Staates die für ihn ausländische Entscheidung in der Exequaturentscheidung aufgeht, ist dies unerheblich, denn dadurch wird die Eigenständigkeit der ausländischen Entscheidung in ihrem Ursprungsstaat keinesfalls berührt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirkungserstreckung ist lediglich die Eigenständigkeit in diesem Ursprungsstaat erheblich, die Behandlung in anderen Staaten ist irrelevant. Damit bleibt es bei dem Grundsatz, dass ein ausländisches Exequatur, das eine Entscheidung aus einem dritten ausländischen Staat betrifft, unerheblich ist für die Anerkennung oder Exequierung dieser originären Entscheidung. Damit konzentriert sich die Problematik auf die Fälle von ausländischen Anerkennungs- oder Exequaturentscheidungen, die einen für sich inländischen Schiedsspruch betreffen. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Regelfall der Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs und dem Sonderfall, dass der Schiedsspruch durch das Exequatur »konsumiert« wird. Im ersten Fall hängt die Beantwortung der Frage von dem Verständnis der Wirkung des inländischen Schiedsspruchs ab. Wenn man annimmt, dass ein förmliches Verfahren nicht nur für die Einleitung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wie dies § 1060 wörtlich zu entnehmen ist, sondern dass es sich hierbei auch um ein Anerkennungsverfahren handelt, das – nicht als Vorfrage, sondern primär!21 – die Unaufhebbarkeit des Schiedsspruchs rechtskräftig feststellt, könnte sich die Frage stellen, ob die Vollstreckbarerklärung dieser Anerkennungsentscheidung die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs selbst ersetzen darf bzw. kann. Auch hier besteht richtigerweise keine Gefahr der Doppelexequierung. Selbst wenn materiell rechtskräftig die Wirksamkeit des Schiedsspruchs festgestellt wurde und diese Wirkung anerkannt wird, wird eine inländische Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht obsolet, denn die ausländische Exequaturentscheidung hat zwar einen rechtskraftfähigen, jedoch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt: die Feststellung der Wirksamkeit ohne einen Leistungsbefehl. Der im Inland erforderliche Leistungsbefehl bezieht sich wiederum nicht auf den Inhalt der Exequaturentscheidung, sondern auf den Inhalt des ausländischen Schiedsspruchs. Damit ist festzuhalten, dass die ausländische Exequaturentschei-

20 Gerade diese Möglichkeit ist für Schütze, ZZP 77, 287ff. der Beweggrund für die Bejahung der Möglichkeit der Doppelexequierung, um Entscheidungen aus Staaten, die das Erfordernis der Gegenseitigkeit nicht erfüllen, mittels einer Exequierung in einem Drittstaat, zu dem die Gegenseitigkeit verbürgt ist, zur Anerkennung zu verhelfen. 21 So wohl Stein/Jonas-Schlosser21 (Vorauflage), § 1042 a.F. Rn. 16.

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C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbes. des Vollstreckungsrechts

dung zwar grundsätzlich anerkennungsfähig ist22, dies jedoch von akademischem Wert ist, denn der Gegenstand der materiell rechtskraftfähigen Feststellung der ausländischen Exequaturentscheidung ist ein anderer als der Gegenstand der materiellen Rechtskraft des Schiedsspruchs selbst23, so dass sich das inländische Exequatur auf jeden Fall auf den Schiedsspruch selbst beziehen muss. Das gilt selbst dann, wenn die ausländische Rechtsordnung für die Wirksamkeit von gestaltenden Schiedsgerichtsentscheidungen eine Vollstreckbarerklärung verlangt, wie dies z.T. auch in Deutschland gefordert wird24. Gleichwohl wird man ein derartiges Erfordernis nicht beiseite schieben und die Schiedsgerichtsentscheidung unabhängig von ihrer Vollstreckbarerklärung anerkennen können, denn sonst würde der ausländischen Entscheidung durch die Anerkennung eine Wirkung verliehen, die sie im Entscheidungsstaat (noch) nicht hatte, was dem Grundsatz der Wirkungserstreckung widerspräche. Daher wird anerkennungsfähig zwar die Schiedsgerichtsentscheidung selbst bleiben, jedoch unter der Voraussetzung, dass die im Entscheidungsstaat erforderliche Vollstreckbarerklärung ergangen ist. Noch einfacher gelangt man zum richtigen Ergebnis, wenn man beim Wortlaut des Gesetzes bleibt und davon ausgeht, dass ein inländischer Schiedsspruch auch ohne »Anerkennung« grundsätzlich wirksam ist, wie sich aus der Gleichstellung mit dem Urteil (§ 1055) ergibt25. In diesem Fall wird die Wirksamkeit des Schiedsspruchs nur als Vorfrage geprüft und es ergeht diesbezüglich keine rechtskräftige Feststellung, so dass noch geringeres Konfliktpotenzial mit der Anerkennung des ausländischen Schiedsspruchs besteht: Die Feststellung und Anordnung der Vollstreckbarkeit in einem ausländischen Staat ist für die Vollstreckbarerklärung im Inland unerheblich. Etwas anderes gilt für die Fälle, in denen die ausländische Entscheidung an die Stelle eines Schiedsspruchs tritt, der nach dem Recht des Ursprungsstaats seine rechtliche Eigenständigkeit verliert. Dies ist z.B. der Fall bei Schiedssprüchen aus den USA, die im gerichtlichen Bestätigungsurteil aufgehen (doctrine of merger). Ein derartiger Sachverhalt lag einer Entscheidung des BGH zugrunde, welche die Exequierung der amerikanischen Vollstreckbarkeitsentscheidung zuließ26. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen, denn Anerkennung heißt Wirkungserstreckung, und nach dem New Yorker Recht kann der Schiedsspruch nach der inlän22

Borges, S. 36. Dies wird übersehen von Borges, S. 33. 24 S. weiter oben, S. 255. 25 Stein/Jonas-Schlosser, § 1060 Rn. 2 zur Vollstreckbarerklärung. 26 BGH, NJW 1984, 2765 = RIW 1984, 557 (Dielmann); dazu Schlosser, IPRax 1985, 141; OLG Hamburg, NJW-RR 1992, 568; Borges, ZZP 111, 487, 512; a.A. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 12 II 2 (S. 139), der das Urteil des BGH bedenklich findet; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 156 Rn 3; Schack, IZVR, Rn. 937 zur Vermeidung einer Titelschwemme; ihm zustimmend in seiner Buchbesprechung Geimer, IPRax 1997, 137, 140; zu dieser Frage s. ausführlich Borges, S. 275ff.; Dolinar, FS Schütze, S. 187ff. 23

III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen

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dischen Exequierung keine selbständigen Wirkungen mehr erzeugen, auf die sich die inländische Vollstreckbarkeitserklärung stützen könnte. Es stellt sich allerdings die Frage, nach welchen Grundsätzen die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung stattfinden soll: nach § 328 bzw. § 722 oder nach § 1061? In der Entscheidung des BGH zur Anerkennung des amerikanischen Exequatururteils27 wird die Ansicht von Schlosser erwähnt, dass auch eine Prüfung nach § 1044 II Nr. 2, 4 a.F. ZPO stattfinden müsse, die nicht von der ausländischen Entscheidung präkludiert werde28. Allerdings prüft der BGH in der Folge nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift, sondern lediglich, ob ein Anerkennungsversagungsgrund aus § 328 bezüglich des Urteils selbst vorliegt. Damit ist nicht ganz klar, inwiefern auch die Schiedsentscheidung selbst auf Anerkennungsversagungsgründe überprüft werden soll – man wird dies wohl bejahen müssen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass – »wenn man ... z.T. ... zur Vermeidung von Umgehungen ohnedies auf die Maßstäbe des § 1061 Abs. 1 S. 1 iVm. Art. V UNÜ rekurriert« –, auch keine Umgehung der Anerkennungsregelungen für Schiedssprüche zu befürchten ist. Zu Recht weist Münch darauf hin, dass es die Schiedsgerichtsbarkeit heute nicht mehr nötig hat, »sich mit dem heimischen Mäntelchen nationaler Vollstreckbarerklärung Absicherung zu verschaffen«29. Die Lage ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Im selben Jahr ist eine weitere Entscheidung des BGH ergangen, die auch die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen aus dem Staate New York betraf. In diesem Fall wurde die Wahlmöglichkeit bejaht, das amerikanische Exequatururteil nach §§ 722f. oder den Schiedsspruch selbst nach § 1044 a.F. für vollstreckbar erklären zu lassen30. Durch eine neuere Entscheidung wurde sogar vom BayObLG ein kalifornischer Schiedsspruch, der nach kalifornischem Zivilprozessrecht gerichtlich bestätigt werden muss, in Deutschland für anerkennungsfähig angesehen, bevor das ihn bestätigende Urteil rechtskräftig geworden war. Der Senat ordnete die Vollstreckbarerklärung an und sah von der beantragten Aussetzung des Verfahrens nach Art. VI UN-Ü ab, »da er wegen des Fehlens von Versagungs- oder Aufhebungsgründen im Sinne des Art. V UN-Ü die Erwartung der Antragsgegnerin, das in Kalifornien anhängige Rechtsmittelverfahren (»Appeal«) habe gute Erfolgsaussichten«, nicht teilte31. Allerdings ist diese Begründung dogmatisch nicht tragfä27

BGH, NJW 1984, 2765. Schlosser, Das Recht der int. privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908 (S. 653f.); s. auch Anderegg, RabelsZ 53 (1989), 171, 181ff.; Mezger, RIW 1984, 647, 648ff.; Schlosser, IPRax 1985, 141, 143. 29 MünchKommZPO-Münch, § 1061 Rn. 13. 30 BGH, NJW 1984, 2763 = RIW 1984, 644 m.Anm. Mezger = IPRax 1985, 158 m.Aufsatz Schlosser, S. 141 = IPRspr. 1984, Nr. 196; Anderegg, RabelsZ 53 (1989), 171, 183 unter Berufung des Satzes »It is always a convenience to have procedural options available« (F. Russell/A. Walton/M. Vitoria, On the Law of Arbitration20, London 1982, 376); grundsätzlich ablehnend MünchKommZPO-Gottwald, § 722 Rn. 19. 31 BayObLG, NJW-RR 2003, 502. 28

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C. Anerkennung prozessualer Gestaltungsurteile, insbes. des Vollstreckungsrechts

hig, insbesondere ist es nicht Sache des Gerichts der Vollstreckbarerklärung, die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu antizipieren. Die genannten Entscheidungen sind in der Frage, welche Entscheidung anerkennungsfähig ist, widersprüchlich. Korrekt ist die erste Entscheidung, welche die Anerkennung der ausländischen Exequaturentscheidung vorgenommen hat. Wenn man – zu Recht – von der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Exequaturentscheidung ausgeht, wenn der Schiedsspruch seine rechtliche Eigenständigkeit verloren hat, dann kann man diesen Schiedsspruch nicht auch für anerkennungsfähig halten und ihn im Inland für vollstreckbar erklären, denn diesen Schiedsspruch soll es ja gerade nach dem ausländischen Recht nicht mehr als selbständigen Rechtsakt geben. Daher ist auch keine Wahlmöglichkeit vorhanden und auch sonst kann der Schiedsspruch nicht anerkannt werden, sobald er durch die Exequaturentscheidung seine Eigenständigkeit verloren hat. Gegenstand der Anerkennung ist lediglich letztere, und zwar, sobald sie eine anerkennungsfähige prozessuale Urteilswirkung entfaltet, d.h. sobald sie rechtskräftig wird. Der Grundsatz der Anerkennungsfähigkeit von Exequaturentscheidungen, die dem zugrunde liegenden Rechtsakt die rechtliche Eigenständigkeit nehmen, gilt nur für solche Entscheidungen, die sich mit für sie inländischen Rechtsakten, insbesondere Schiedssprüchen, befassen und nicht mit solchen aus Drittstaaten, denn nur in ersterem Fall wird der primäre Rechtsakt seiner anerkennungsrechtlich relevanten Wirkung beraubt. Entscheidungen dagegen, die einen ausländischen Schiedsspruch für vollstreckbar erklären, betreffen lediglich die Durchsetzungsmöglichkeit des Schiedsspruchs im Land der Vollstreckbarkeitserklärung, berühren jedoch nicht den Schiedsspruch in seiner Eigenständigkeit in der Rechtsordnung, in der er erging, so dass sie im Inland schlichtweg unerheblich sind. Zum Schluss sei noch eine spezielle Konstellation genannt, nämlich der Fall einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung, die die Entscheidung eines kirchlichen Gerichts mit zivilrechtlichen Wirkungen versieht, wie dies z.B. in Italien oder in Spanien der Fall ist32: Gegenstand der Anerkennung ist das staatliche Anerkennungsurteil33. Unklar ist, ob das kirchliche Gericht ein ausländisches sein musste34. Bei der Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen wurde der Grundsatz aufgestellt, dass das Exequatururteil nur dann anerkennungsfähig sein kann, wenn es im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs ergangen ist, weil nur dann der Schiedsspruch im Herkunftsland seine Wirkungen verliert und somit keine Wirkungen durch Anerkennung erstreckt werden können35. Dieser Grundsatz lässt sich jedoch nicht auf die Problematik der Entscheidungen kirchlicher Gerichte 32

S. Bericht Borrás, Rn. 122f. Jayme, IPRax 1990, 32f.; Jayme, FS Ferid, 197, 204; Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 221. 34 Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 221. 35 S. weiter oben, S. 378f. 33

III. Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen

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übertragen, denn diese haben ohne die Bestätigung durch das Urteil eines staatlichen Gerichts überhaupt keine rechtlichen Wirkungen – auch nicht, wenn sie ausländisch sind im Verhältnis zum bestätigenden Urteil. Gleichwohl ist die Haltung eines anderen Staates auch im Hinblick auf ausländische kirchliche Entscheidungen unerheblich im Inland, so dass nur die Anerkennung der gerichtlichen Entscheidung, die einer für sie inländischen kirchlichen Entscheidung zivilrechtliche Wirkungen verleiht, zu einer Wirkungserstreckung in der Sache führen kann.

D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit Insbesondere im Bereich der Privatrechtsgestaltung kann die Behandlung ausländischer Gestaltungsakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ungeprüft bleiben. Hier interessieren insbesondere konstitutive Akte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, die private Rechtsverhältnisse gestalten. Die Frage nach der Anerkennung wird – aus der Sicht der dieser Arbeit zugrunde liegenden prozessualen Betrachtungsweise – hier dadurch erschwert, dass es umstritten ist, ob Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit materielle Rechtskraft erzeugen1. Wie in jedem Fall der Berücksichtigung von Rechtsakten, die nicht der eigenen Rechtsordnung entspringen, stellt sich zunächst die Qualifikationsfrage. Diese erweist sich in der freiwilligen Gerichtsbarkeit besonders schwierig, denn diese Verfahrensart ist nicht einmal allen Rechtsordnungen bekannt. Aber auch der Hinweis darauf, dass Qualifikationen lege fori vorgenommen werden2, bringt noch keine Lösung des Problems, denn dann stellt sich die Folgefrage, nach welchen Kriterien die Abgrenzung aus deutscher Sicht erfolgen soll: nach dem formalen Kriterium der Zuordnung im deutschen Recht oder nach materiellen Gesichtspunkten? Ein formales Kriterium der Form, dass ein ausländischer Rechtsakt nur dann als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingestuft werden kann, wenn es im Inland einen entsprechenden Akt in diesem Verfahren gibt, ist abzulehnen3, weil es dann versagen muss, wenn das deutsche Recht kein Gegenstück zum ausländischen Rechtsakt kennt. Allerdings wird sich auch die Anwendung materieller Kriterien zum Teil als schwierig erweisen, da auch im nationalen Recht nach einheitlichen Kriterien zur Beschreibung des Wesens der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerungen wird, was insbesondere im Bereich der hier untersuchten Gestaltungsakte gilt. Dies geht so1

S. dazu weiter oben, S. 246ff. BayObLG, FamRZ 1972, 592, 593. 3 A.A. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 516, 517: »Ob die Entscheidung des ukrainischen Gerichts nach dortigem Recht als Zivilurteil oder als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu qualifizieren ist, bedarf keiner näheren Prüfung, weil es für die Anwendung des § 16a FGG nur darauf ankommt, dass die Annahme als Kind nach dem deutschen Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt«; so auch BayObLGZ 2000, 180; Bassenge/Herbst/Roth, § 16a Rn. 3; Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 16a Rn. 2a; Richardi, S. 96 m.Nachw. 2

D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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gar so weit, dass selbst Gestaltungsverfahren, die der streitigen Zivilgerichtsbarkeit zugeordnet sind, oft unter materiellen Gesichtspunkten als eigentliche Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit empfunden werden4, auch wenn man daraus kaum die Konsequenz ziehen wird, die Anerkennungsfähigkeit entsprechender ausländischer Gestaltungsurteile nach § 16a FGG zu beurteilen. Festzuhalten bleibt, dass es keine zwingende Einordnung in das eine oder das andere Verfahren gibt, so dass der gleiche Sachverhalt in dem einen Staat durch Urteil, in dem anderen als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder gar als Verwaltungsakt geregelt werden kann. Eine Qualifikation nach materiellen Gesichtspunkten, d.h. nach dem Wesen der Rechtssache, ist gerade im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu vermeiden, denn selbst im innerstaatlichen Rechtsverkehr kann keine allgemeingültige Definition gebildet werden, die das Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschreibt, da die der freiwilligen Gerichtsbarkeit gesetzlich zugewiesenen Fälle so unterschiedlich sind5. Eine gemischte Betrachtungsweise, mit sowohl formalen als auch materiellen Elementen, befürwortet Geimer aus folgender Überlegung heraus: Seiner Ansicht nach wären zwei unterschiedliche Anerkennungsregelungen (§ 328 einerseits, § 16a FGG andererseits) vermeidbar gewesen, wenn sich der Gesetzgeber dazu hätte durchringen können, auch für ausländische Urteile das Gegenseitigkeitserfordernis abzuschaffen. Dann würden sich die besprochenen Abgrenzungsprobleme erübrigen6. Er geht zutreffend davon aus, dass die deutsche innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit nicht internationalisierungsfähig sei. In seinem Bestreben, eine möglichst anerkennungsfreundliche Regelung anzuwenden, will er ausländische Entscheidungen möglichst als Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit qualifizieren und damit § 16a FGG anwenden, der kein Gegenseitigkeitserfordernis kennt. Das solle für sämtliche Fälle gelten, die in Deutschland der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet sind (auch als »Streitsache«), sowie für diejenigen Sachverhalte, die in Deutschland zwar in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit entschieden werden, jedoch materiell Akte der fürsorgenden Gerichtsbarkeit darstellen sowie für Entscheidungen, die das deutsche Recht überhaupt nicht vorsieht7. Nach Geimer ist also die Ausgestaltung des ausländischen Verfahrens irrelevant für die Qualifikation. So könnte z.B. auch die Anerkennungsfähigkeit von Entscheidungen von Verwaltungsbehörden nach § 16a FGG beurteilt werden, wenn die entsprechende Materie innerstaatlich als der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugehörig angesehen werde8, und zwar selbst bei weisungsgebundenen aus4

S. weiter oben, S. 47ff. Habscheid, § 4 II 4 (S. 22); Keidel/Kuntze/Winkler-Schmidt, § 1 Rn. 3; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 11 Rn. 10ff. 6 Geimer, FS Ferid, 89, 95. 7 Geimer, FS Ferid, 89, 96; Geimer, FS Jayme I, 231, 253. 8 Geimer, FS Ferid, 89, 96; Soergel-Kegel11 (Vorauflage), vor Art. 7 Rn. 651 für »ausländische 5

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D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit

ländischen Verwaltungsbehörden, die in ihrer Stellung nicht einem deutschen Gericht entsprechen. Für ausländische Verwaltungsbehörden dagegen, die letztere Voraussetzung erfüllen, d.h. die in ihrer Stellung einem deutschen Gericht entsprechen und nicht weisungsgebunden sind, sondern eine sachlich unabhängige Stelle darstellen9, ist § 16a FGG auf jeden Fall anwendbar10. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass Geimers Grundprämisse, es gäbe keine Abgrenzungsprobleme, wenn auch in § 328 das Gegenseitigkeitserfordernis abgeschafft worden wäre, nicht zutrifft. Da anerkennungsfähige Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Folge einen anderen Weg einschlagen als ausländische gerichtliche Entscheidungen, was z.B. die Abänderung oder Vollstreckung11 betrifft, wäre auch dann eine Abgrenzung erforderlich, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt und nicht bereits bei der Frage nach der Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung. Auch die Frage, welches Gericht bzw. Organ für die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit zuständig wäre, wenn hierfür ein Feststellungsinteresse besteht, hängt von der Einordnung des ausländischen Rechtsakts ab12. Die Problematik der Anwendbarkeit von § 16a FGG ist besonders verschärft, wenn die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Behördenakte in Frage steht. Hier wird teilweise ein extensiver Anwendungsbereich des § 16a FGG befürwortet, wegen der Unsicherheit bezüglich der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte13. Die extensive Auslegung des Art. 7 FamRÄndG kann dieses Ergebnis nicht stützen, obwohl der Begriff »Entscheidung« in dieser Norm weit ausgelegt wird und insbesondere auch vor einer Behörde vorgenommene Akte erfasst, selbst wenn die Behörde nur beurkundend mitgewirkt hat14. Diese Auslegung ist insofern nicht für die hier gestellte Frage verwertbar, als es bei Art. 7 FamRÄndG nur darum geht, dass die Anerkennung nicht automatisch erfolgt, sondern ein spezielles Verfahren für die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit erforderlich ist. Darüber hinaus besagt Art. 7 FamRÄndG nichts über den Maßstab, an dem die Anerkennungsfähigkeit geprüft werden soll – das kann § 328, § 16a FGG, Art. 17 EGBGB oder Grundsätze des internationalen Verwaltungsrechts sein. Die dogmatische Lückenhaftigkeit im internationalen VerwaltungsverfahrensVerwaltungsakte, die der Gerechtigkeit zwischen den Einzelnen dienen und nicht der Macht des Staates«. 9 Habscheid, FamRZ 1981, 1142, 1145. 10 Allg.M., s. nur BT-Drucks. 10/504, S. 93; Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 16a Rn. 2. 11 Zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit s. zuletzt Gaul, FS Ishikawa, 87, 133ff. (dort auch zur Abänderbarkeit ausländischer Entscheidungen, S. 135f.). 12 Dieses Problem sieht freilich auch Geimer, FS Ferid, 89, 109f., ohne jedoch die Konsequenz für das Erfordernis einer Abgrenzung zu ziehen; zur Problematik s. auch Richardi, S. 169ff. 13 Z.B. Geimer, FS Ferid, 89, 97; Kropholler, IPR3 (Vorauflage), § 60 II 5. 14 Jansen, Art. 7 § 1 FamRÄndG, Rn. 7; Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 192; a.A. Reinl, S. 64: die Entscheidung muss von der ausländischen Behörde selbst getroffen sein, es genügt nicht, wenn sie lediglich beurkundend tätig war.

I. Gemeinschaftsrecht

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recht sollte allerdings eher als Herausforderung für die Entwicklung konkreter Anerkennungsgrundsätze gesehen werden und nicht zur Anwendbarkeit einer Norm führen, die nicht für Verwaltungsakte, sondern für ausländische Entscheidungen weisungsunabhängiger Organe der Rechtspflege gedacht ist. Sachgerecht erscheint eine Qualifikation nach formalen Kriterien, jedoch nicht im Sinne der Frage, ob die Materie in Deutschland gesetzlich dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet ist. Vielmehr muss das ausländische Verfahren betrachtet werden, um zu ermitteln, ob seine Ausgestaltung einem deutschen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entspricht15. Abgestellt wird demnach auf die Einordnung des ausländischen Verfahrens, das der Entscheidung vorangegangen ist, nach deutschen Grundsätzen. Damit sind Entscheidungen ausländischer Verwaltungsbehörden, die – wie im Normalfall – weisungsgebunden sind, nicht nach § 16a FGG zu beurteilen. Ist dies jedoch nicht der Fall und entspricht die Behörde in ihrer Stellung einem deutschen Gericht, findet § 16a FGG Anwendung16. Dies ist kein unsachgemäßer Formalismus, denn die Ausgestaltung von Anerkennungsregeln erfolgt auch im Hinblick auf die identitätsprägende Art des vorangegangenen Verfahrens. Eine griechische einvernehmliche Scheidung, die im dortigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen ist, muss auch nach § 16a FGG anerkannt werden17. Das ausländische Adoptionsurteil dagegen, das in der streitigen Gerichtsbarkeit ergangen ist, wird nach § 328 ZPO anerkannt18. Freilich sind – mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses – die Anerkennungsversagungsgründe nach § 16a FGG oder nach § 328 ZPO identisch, so dass die Frage nach der Abgrenzung an Wichtigkeit verliert. Andererseits sollte nicht die Anwendbarkeit des § 16a FGG nur bejaht werden, um das Gegenseitigkeitserfordernis – mag es auch rechtspolitisch bedenklich sein – zu umgehen.

I. Gemeinschaftsrecht Entscheidungen der klassischen freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen oft den Personenstand und fallen somit nicht in den Anwendungsbereich der EuGV-VO. Durch die EheGV-VO19 ist ein Teil der Entscheidungen, die den Personenstand betreffen, gemeinschaftlich geregelt, so dass einige Fragen bezüglich der Anerkennung von hoheitlichen Gestaltungsakten einfacher geworden sind. Der An15 S. z.B. RGZ 16 (1887), 427, 428 zur Frage, ob ein Urteil i.S.v. § 661 CPO vorlag; offensichtlich auch Soergel-Schurig, Art. 17 Rn. 109: Erfolgt die Scheidung im Ausland im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, gilt für ihre Anerkennung § 16a FGG. 16 BayObLGZ 1999, 352; LG Frankf., IPRax 1995, 44: Adoptionen durch Behörde. 17 A.A. Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 16a Rn. 2a; wohl auch Bumiller-Winkler, § 16a Rn. 2. 18 Anders die h.M., s. weiter oben, Fn. 13. 19 Dazu s. weiter oben, S. 346ff.

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D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit

wendungsbereich der Verordnung ist sehr weit, sie umfasst auch »andere in einem Mitgliedstaat amtlich anerkannte Verfahren. Die Bezeichnung ›Gericht‹ schließt alle in Ehesachen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein« (Art. 1 II). Damit werden auch ausländische Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie der Verwaltungsorgane erfasst, soweit sie auf Ehescheidung, auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder auf Ungültigerklärung einer Ehe abzielen sowie auf Verfahren, die die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten betreffen und aus Anlass der eben genannten Verfahren betrieben wurden ist ausdrücklich in Art. 1 I klargestellt: »Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen ...«. Insbesondere die einvernehmliche Scheidung und die darauf folgende Regelung der elterlichen Sorge wird in einigen Mitgliedstaaten, z.B. in Frankreich und in Griechenland, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden. Ansonsten spielt das Gemeinschaftsrecht eine gewisse Rolle bei der Anerkennung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn sonst europäische Grundfreiheiten beeinträchtigt sein könnten. Insbesondere ist die Grundfreiheit des freien Personenverkehrs als Grund denkbar, eine Anerkennungspflicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu bejahen. Es wird jedoch nicht oft notwendig sein, diesen Grundsatz heranzuziehen, da § 16a FGG eine recht großzügige Anerkennungspraxis erlaubt. Allerdings wurde bereits die Entscheidung des EuGH zur Berichtigung einer griechischen Personenstandsurkunde durch Entscheidung der griechischen freiwilligen Gerichtsbarkeit erwähnt20. Wegen der Kritik im Einzelnen sei auf die entsprechenden Ausführungen weiter oben verwiesen. Zusammenfassend sei daran erinnert, dass sich die Entscheidung nicht auf die Anerkennung und Wirkungserstreckung des griechischen Berichtigungsurteils gestützt hat, sondern sich lediglich mit der gemeinschaftlichen Konformität der Auslegung der deutschen Beweistragungsregel bei zwei widersprüchlichen Urkunden befasst hat. Zur Abrundung ist noch darauf hinzuweisen, dass speziell für Statusentscheidungen aus der Geltung der Menschenrechte eine Anerkennungspflicht hergeleitet wird21.

II. Autonomes Recht: § 16a FGG Eine spezielle Regelung für die Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es erst seit 1986 – seitdem ist die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die nach deutschem Verständnis der freiwil20

S. weiter oben, S. 357ff. Beys, in Stadler/Münch, ZZP 103 (Diskussionsbericht), 350, 351f.; Geimer, FS Ferid, 89; dagegen Richardi, S. 19f., 23ff., zumindest für den klassischen Bereich der fürsorgenden freiwilligen Gerichtsbarkeit. 21

II. Autonomes Recht: § 16a FGG

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ligen Gerichtsbarkeit zugehören, in § 16a FGG22 geregelt, der sich eng an § 328 orientiert, jedoch ohne das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit. Vor Einführung des § 16a FGG wurden von der Rechtsprechung analog die Nummern 1, 3 und 4 des § 328 I auf Akte der FG angewandt, in der Regel wurde davon ausgegangen, dass ausländische Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich anzuerkennen seien, allerdings mit der Einschränkung, dass sie nicht gegen den deutschen ordre public international23 verstoßen dürften, auch wurde die internationale Zuständigkeit des ausländischen Organs der freiwilligen Gerichtsbarkeit gefordert – weitere Einzelheiten können hier ausgelassen werden, da mittlerweile § 16a FGG existiert. Erwähnenswert ist allerdings, dass Ensslin die »›Anerkennung‹ einer durch Handeln von Privatpersonen bewirkten Rechtsänderung« als »wesensgleich« mit der Anerkennung der konstitutiven Wirkung des ausländischen Akts freiwilliger Gerichtsbarkeit ansah24. Allerdings hat auch er die Parallele zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung nicht konsequent zu Ende gedacht. So vertrat er zwar, dass keine prozessuale Anerkennung stattfinde, sondern dass der ausländische Gestaltungsakt beachtet werde, wenn er unter die ausländische oder auch die inländische Norm, die den Gestaltungsakt vorsieht, subsumiert werden könne25. Diese »Anerkennung« solle unabhängig davon sein, ob die materielle Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsakts prozessual anerkannt wird. Umgekehrt dürfe sogar die materielle Rechtskraft des ausländischen Gestaltungsakts nicht anerkannt werden, wenn die materielle Gestaltung nicht beachtet werden dürfe26. Selbst in diesen Gedankengang wurde durch die Hintertür eine prozessuale Anerkennung eingeführt, da als »Anerkennungsvoraussetzungen« für die materiellrechtliche Gestaltung die internationale Zuständigkeit sowie die Einhaltung des deutschen ordre public international27 gefordert wurden28. Auch sollten ausländische Gestaltungsakte unter bestimmten Voraussetzungen selbst dann anerkannt werden, wenn der Staat der lex causae sie nicht anerkannte29. Ähnlich wurde vertreten, dass Entscheidungen der Gerichte oder Behörden der lex causae im Inland regelmäßig verbindlich seien, und zwar in ihren Grenzen, auch wenn das deutsche Recht keine vergleichbare Maßnahmen kenne30. Das gleiche gelte für Entscheidungen eines anderen Staates, sofern sie die lex causae

22 Eingeführt durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. 7. 1986, BGBl. I 1986, S. 1142. 23 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315. 24 Ensslin, S. 30. 25 Ensslin, S. 34. 26 Ensslin, S. 45. 27 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315. 28 Ensslin, S. 63ff. 29 Ensslin, S. 121ff. 30 Dölle, RabelsZ 27 (1962/63), 201, 236.

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D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit

anerkenne31. Negativ formuliert wurden früher ausländische Entmündigungen deutscher Staatsbürger nicht anerkannt, weil sie personenrechtliche Gestaltungsakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellten, die im Inland lediglich anerkennungsfähig wären, wenn eine deutsche Kollisionsnorm dies anordne32. Noch weiter ging die Ansicht, dass gestaltende Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit per se auch in Deutschland wirkten33. Nach Einführung des § 16a FGG dürfte die Diskussion über die Anerkennungsfähigkeit ausländischer gestaltender Entscheidungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zugunsten einer »prozessualen«34 i.S.v. verfahrensrechtlichen Anerkennung beendet sein. Aber auch sonst war die kollisionsrechtliche Betrachtung abzulehnen. Die Tatsache, dass der Richter seine Gestaltungsbefugnis auf das materielle Recht zurückführt, ist nicht entscheidend35, das Hauptgewicht liegt bei der Tatsache, dass nicht das materielle Recht, sondern die Entscheidung des Gerichts als verfahrensrechtlicher Akt die Rechtsänderung unmittelbar herbeiführt36. Damit ist die Anerkennung ausländischer gestaltender Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unabhängig von der Haltung des Staates vorzunehmen, dessen Recht im Rechtsstreit, in dem die Anerkennungsfähigkeit als Vorfrage auftaucht, anwendbar ist37. Die Problematik der Qualifikation und damit des Anwendungsbereichs von § 16a FGG wurde weiter oben erörtert38. Es werden nach hier vertretener Ansicht ausländische Entscheidungen erfasst, die einem Verfahren entspringen, das nach deutschem Verständnis ein solches der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit ist. Anerkennung heißt auch hier – wie bei § 328 – Wirkungserstreckung, und zwar auch nicht begrenzt durch die Wirkung eines entsprechenden inländischen Aktes39. Damit stellt sich die Frage, welche konkreten prozessualen Wirkungen ins Inland erstreckt werden. Als erste prozessuale Wirkung ist die materielle Rechtskraft zu nennen. Wenn demnach die ausländische Entscheidung nach dem Recht 31

Dölle, RabelsZ 27 (1962/63), 201, 237. Levis, S. 80; Pagenstecher, RabelsZ 15 (1949/50), 189, 198f.; s. Nachweise bei StaudingerBeitzke, Art. 8 EGBGB Rn. 15, der diese Betrachtungsweise ausdrücklich aufgegeben hat. 33 S. Habscheid, § 30 I 1 (S. 215) m.Nachw. im Anschluss an BayObLG, FamRZ 1959, 364. 34 Zur Ungenauigkeit dieses Begriffs in der freiwilligen Gerichtsbarkeit s. weiter oben, S. 242. 35 S. gegen diese Herleitung der Bindungswirkung von Gestaltungsakten bereits weiter oben, S. 64ff. 36 Zu Recht Oelkers, S. 315. Ihr Hinweis jedoch auf die Ähnlichkeit der Anordnung der Betreuung mit einem Verwaltungsakt ist weniger geeignet als Argument für die Anerkennung nach § 16a FGG, da nach h.M. im internationalen Verwaltungsrecht gestaltende Verwaltungsakte gerade nicht prozessual anerkannt werden, sondern ohne weiteres »anerkannt« werden, dazu s. weiter unten, S. 395ff. 37 Auch nach Einführung des § 16a FGG schlug jedoch Geimer, FS Ferid, 89, 93f. eine kollisionsrechtliche Betrachtungsweise vor, um der »engen Verwobenheit von materiellem Recht und Verfahrensrecht auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit« gerecht zu werden. 38 S. weiter oben, S. 382ff. 39 A.A. Geimer, FS Ferid, 89, 90; Richardi, S. 57. 32

II. Autonomes Recht: § 16a FGG

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des Erststaates materielle Rechtskraft entfaltet, wird diese Wirkung im Inland anerkannt, selbst wenn eine entsprechende deutsche Entscheidung nicht (oder noch nicht) materiell rechtskraftfähig wäre. Bislang wurde immer vertreten, dass auch – und im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit hauptsächlich – die »Gestaltungswirkung« anerkennungsfähig sei. Wo eventuell Bedenken wegen der Verflechtung mit dem materiellen Recht entstanden, hat man die prozessuale Natur daraus hergeleitet, dass das Verfahren »auf die Herstellung dieser Entscheidungswirkung intendierte«40. Dass die prozessuale Einstufung einzig mit dem Zweck erfolgt, die Anwendung von § 16a FGG zu gewährleisten, zeigt auch die weiter oben41 erwähnte Haltung vor 1986, als speziell die Geltung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht aus prozessualen Erwägungen unter analoger Heranziehung von § 328 ermittelt, sondern die Berücksichtigung dieser ausländischen Gestaltungsakte als begriffsnotwendig angesehen wurde wegen der materiellen Rechtsänderung. Nach hier vertretener Ansicht gibt es gar keine prozessuale eigenständige Gestaltungswirkung, lediglich die materielle Rechtskraft vermag Einwände gegen die Rechtmäßigkeit eines Hoheitsakts abzuschneiden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ausländische Entscheidungen, die keine prozessuale Verbindlichkeit erzeugen, die der deutschen materiellen Rechtskraft entspricht, nicht anerkennungsfähig seien. Es ist den Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit eigen, dass sie eine abgeschwächte Verbindlichkeit genießen, indem sie z.B. sogar wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit abgeändert oder aufgehoben werden können solange nicht die zweite Instanz in der Sache entschieden hat – insofern steht selbst die formelle Rechtskraft der Abänderbarkeit nicht entgegen42. Falls das ausländische Recht auch derartige abgeschwächte Wirkungen seiner Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit kennt, werden nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung auch lediglich diese anerkannt. Das bedeutet konkret, dass die Abänderlichkeit der Entscheidung kein Anerkennungshindernis darstellt43. Auch können ausländische Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Inland geändert werden44. Damit wird die Souveränität des ausländischen Staates nicht berührt, denn die Aufhebung bzw. Abänderung erfolgt nur mit Wirkung für das Inland45. Nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung ist die Abänder40

Geimer, FS Ferid, 89, 91. S. weiter oben, S. 387. 42 Zur Abänderbarkeit von Entscheidungen der FG s. weiter oben, S. 245. 43 BGHZ 88 (1983), 113, 124; Gaul, FS Ishikawa, 87, 135f.; Geimer, FS Ferid, 89, 96; Keidel/ Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 16a Rn. 4a; Richardi, S. 102; Roth, IPRax 1988, 75, 79. 44 BGH, NJW-RR 1986, 1130; Geimer, FS Ferid, 89, 113; Habscheid, § 30 I 4 (S. 216f.); Jarck, FamRZ 1956, 296ff.; Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, § 16a Rn. 10; Krefft, S. 63; a.A. die frühere Literatur, z.B. Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337, 407 für gerichtliche Urteile; Riezler, FG Rosenberg, 199, 205. 45 S. z.B. Staudinger-Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 537. Im Ausland kann die abändernde Ent41

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D. Anerkennung ausländischer gestaltender Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit

barkeit der Entscheidung nach dem Recht des Entscheidungsstaates zu ermitteln46, wie dies auch richtigerweise – entgegen der Rechtsprechung – für die Abänderbarkeit ausländischer Urteile der streitigen Gerichtsbarkeit gilt47.

scheidung wirken, wenn sie für sich in einem anderen Staat anerkannt wird. In diesem Fall ist es eine Frage des Verfahrensrechts der neuen lex fori, ob eine Unvereinbarkeit mit dem ursprünglichen Urteil angenommen wird mit der Folge eines Anerkennungshindernisses. 46 Dazu s. z.B. Geimer, FS Ferid, 89, 113; eingehend Krefft, S. 63ff. 47 S. weiter oben, S. 343.

E. Ausländische gestaltende Schiedssprüche Eine Regelung über die Berücksichtigung ausländischer Schiedssprüche findet sich in § 10611, der jedoch hauptsächlich die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vor Augen hat, also auf Schiedssprüche mit Leistungsbefehl zugeschnitten ist. Es wird auf das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche2 sowie auf sonstige Staatsverträge verwiesen, die unberührt bleiben. Somit gilt das Günstigkeitsprinzip, das das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zur Anwendung bringt. Als »ausländisch« gilt ein Schiedsspruch, wenn der Sitz des Schiedsgerichts nicht in Deutschlang lag3 – unerheblich ist, wo das Schiedsgericht tatsächlich getagt hat4. Auch bei ausländischen Schiedssprüchen ist die Anerkennung als Wirkungserstreckung zu erfassen. Dem Verfahrensrecht des Urteilsstaates bei ausländischen Urteilen entspricht hier das Verfahrensrecht des Staates, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz hatte5. Hierzu ist es nicht nötig, § 1025 I heranzuziehen und diese Vorschrift als allseitige Kollisionsregel auszubauen6; insofern reicht der Grundsatz der Wirkungserstreckung, d.h. der Bestimmung der Urteilswirkungen durch das Recht des Entscheidungsstaates. Falls dieses Recht ein anderes Verfahrensrecht für den Schiedsspruch für anwendbar erklärt, ist auch dies zu respektieren7. Im Hinblick auf die Problematik einer Vollstreckungsgegenklage8 wendet die 1 S. zur Aufgabe der Regelung des § 1044 a.F. Schlosser, in: Neues Schiedsverfahrensrecht, 163, 169ff. 2 Vom 10. Juni 1958, BGBl. II 1961, S. 121. 3 A contrario § 1025 I, s. z.B. MünchKommZPO-Münch, § 1061 Rn. 3; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 181 Rn. 20; davon zu trennen ist die Frage, ob § 1025 I eine einseitige Kollisionsnorm des Inhalts ist, dass auf ein Schiedsverfahren das Recht des Orts des schiedsrichterlichen Verfahrens anwendbar sei, s. dazu einerseits (dafür, aber unter »wohlwollender« Berücksichtigung der Weiterverweisung des Sitzrechts auf eine andere Rechtsordnung) Zöller-Geimer, § 1025 Rn. 14; andererseits (dagegen) Stein/Jonas-Schlosser, § 1025 Rn. 4. 4 Berger, DZWir 1998, 45, 47. 5 Nelle, S. 539. 6 So Nelle, S. 539 und dort Fn. 23. 7 S. BT-Drucks. 13/5274, 31: »Erlaubt das ausländische im Gegensatz zum deutschen Recht die Wahl eines fremden Verfahrensrechts, muss der deutsche Gesetzgeber dies anerkennen, wenngleich sich in diesem Fall in der Frage der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte Kompetenzkonflikte nicht vermeiden lassen«; Zöller-Geimer, § 1025 Rn. 14. 8 Das Problem, inwiefern Vollstreckungsgegeneinwände bereits im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu berücksichtigen sind bzw. welches Gericht für die Vollstreckungsgegenklage zu-

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E. Ausländische gestaltende Schiedssprüche

Rechtsprechung jedoch – ähnlich wie bei ausländischen gerichtlichen Urteilen9 – § 767 II an, auch wenn das Recht im Staat des Schiedsgerichtssitzes die geltend gemachten Einwände nicht zulässt10. Dieses Ergebnis ist untragbar, solange man die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs richtigerweise als Wirkungserstreckung versteht11. Mindestens müssen Einwände, die nach dem ausländischen Recht zulässig sind, nach § 767 II aber nicht, auch zugelassen werden12. Eine der Fragen, die sich speziell bezüglich der Anerkennung ausländischer gestaltender Schiedssprüche stellt, ist bereits durch die Haltung bei inländischen Schiedssprüchen beeinflusst. Es wurde bereits erwähnt, dass nach h.M. für den Eintritt der Gestaltung selbst inländischer Schiedssprüche eine Vollstreckbarerklärung verlangt wird13. Dies wird zuweilen auch auf ausländische gestaltende Schiedssprüche ausgedehnt: Nach h.M. müssen diese für vollstreckbar erklärt werden – mit anderen Worten wird generell die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche verlangt, selbst wenn diese keinen vollstreckbaren Inhalt im engeren Sinne haben. Allerdings wird meist positiv formuliert, dass eine Vollstreckbarerklärung auch für gestaltende Schiedssprüche beantragt werden kann14 mit der Begründung, dass durch die Vollstreckbarerklärung die Möglichkeit der Erhebung einer Aufhebungsklage ausgeschaltet wird. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass sie bereits im nationalen Recht verfehlt ist, unterläuft sie auch den Grundsatz der Wirkungserstreckung, der auch für die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche gilt. Es ist davon auszugehen, dass ausländische Schiedssprüche auch ohne Vollstreckbarkeitserklärung im Inland wirken15, solange sie nicht aufgehoben werden. Insbesondere ist das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht notwendig für den Eintritt der Rechtskraftwirkung, die maßgeblich ist für den Eintritt der Gestal-

ständig ist, wenn dies verneint wird, wird hier ausgeklammert, s. diesbezüglich verneinend BayObLG, JZ 2000, 1170 m.Anm. Wagner, hierzu auch die Erwiderung Peters, JZ 2001, S. 598 sowie das Schlusswort Wagner, JZ 2001, S. 598ff.; OLG Stuttgart, MDR 2001, 595; eine »inzidente« Vollstreckungsgegenklage bejaht OLG Hamm, NJW-RR 2001, 1362f.; s. zur Problematik auch MünchKommZPO-Münch, § 1060, Rn. 14 sowie MünchKommZPO/AktualisierungsbandMünch, § 1060 Rn. 3; Nelle, S. 536ff.; Stein/Jonas-Schlosser, § 1063 Rn. 4. 9 S. weiter oben, S. 343. 10 BGHZ 38 (1963), 259, 264. 11 Nelle, S. 540; grundsätzlich auch Schütze, DIZPR, S. 218ff., der jedoch trotzdem § 767 II (der Sache nach, ohne ausdrückliche Erwähnung der Vorschrift) anwenden will (S. 222f.); a.A. (für eine Gleichstellung) Bosch, S. 155ff., allerdings unter der nicht (mehr) zutreffenden Prämisse, dass Schiedssprüchen die materielle Rechtskraft erst durch die Vollstreckbarerklärung verliehen wird; Loritz, ZZP 105, 1, 11. 12 Nelle, S. 542f.; Stein/Jonas-Schlosser, § 1063 Rn. 6; noch offengelassen in BGHZ 38 (1963), 259, 264. 13 S. weiter oben, S. 255. 14 S. z.B. Borges, ZZP 111, 487, 511f. m.Nachw. 15 Geimer, IZPR, Rn. 3882; Musielak-Voit, § 1060 Rn. 2.

E. Ausländische gestaltende Schiedssprüche

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tung. Eine andere Frage ist es, ob eine Feststellungsklage erhoben werden darf, dass kein Aufhebungsgrund besteht16. Folgt man dem Gesetzeswortlaut, können ausländische, anerkannte, Schiedssprüche bis zur Vollstreckbarerklärung (§ 1059 III 4) auch durch deutsche Gerichte aufgehoben werden, wie die Zuständigkeitsnorm des § 1062 II zeigt17. Dies wird jedoch überwiegend verneint, weil sonst ein Eingriff in die fremde Hoheitsgewalt stattfinden würde18. Liegen Aufhebungsgründe vor, soll lediglich die Anerkennung versagt werden. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nicht zwingend. Es ist zwar zutreffend, dass die staatliche Kompetenz territorial beschränkt ist, doch spricht dies nicht gegen die Aufhebbarkeit ausländischer Schiedssprüche19, denn die Aufhebung findet nur mit Wirkung für das Inland statt. Damit könnte man auch beim Gesetzeswortlaut bleiben und die Aufhebbarkeit auch ausländischer Schiedssprüche annehmen – allerdings mit Wirkung nur für das Inland. Zur Frage der Anerkennungsfähigkeit gerichtlicher Entscheidungen, die einen Schiedsspruch bestätigen, s. weiter oben20.

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Bejahend für inländische Schiedssprüche Zöller-Geimer, § 1060 Rn. 2; a.A. Schwab/Walter, Kap. 30 Rn. 39; zweifelnd Musielak-Voit, § 1060 Rn. 2. 17 »Besteht in den Fällen des Absatzes 1 ... Nr. 4 kein deutscher Schiedsort, so ist für die Entscheidungen das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich Vermögen des Antragsgegners oder mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder sich der Maßnahme betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht«. 18 Borges, ZZP 111, 487, 499f.; ähnlich Schwab/Walter, Kap. 31 Rn. 7: § 1062 II sei derart auszulegen, dass für einen Aufhebungsantrag »nie eine Zuständigkeit bei einem im Ausland erlassenen Schiedsspruch« bestehe. »Die einzige Abweichung gegenüber einem inländischen Schiedsspruch besteht darin, dass niemals die in § 1060 II 1 ZPO für den Ablehnungsfall vorgeschriebene Aufhebung des Schiedsspruchs auszusprechen ist – das wäre ein unzulässiger Eingriff in die fremde Gerichtsbarkeit –, sondern die Versagung der Anerkennung« (Kap. 30 Rn. 29); gegen die Aufhebbarkeit auch Geimer, IZPR, Rn 3723, 3884; Stein/Jonas-Schlosser, 1061 Rn. 7; s. auch OGH v. 22. 10. 2001, ZfrV 2002, 197ff. m.Anm. Hoyer: Aus der Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e New Yorker Schiedsübereinkommen vom 10. Juni 1958, wonach die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unter anderem nur dann versagt werden darf, wenn bewiesen wird, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden ist, folge die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des jeweiligen Vertragsstaats für die Aufhebung und Suspendierung der Schiedssprüche. 19 Entgegen MünchKommZPO-Münch, § 1059 Rn. 33 20 S. weiter oben, S. 376ff., zur Spezialsituation, dass das bestätigende ausländische Urteil noch nicht rechtskräftig geworden ist insbes. S. 379f.

F. Ausländische Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Es ist durchaus denkbar, wenn auch nicht besonders wahrscheinlich, dass ein ausländisches Verwaltungsgericht sich mit einer Rechtssache befasst, die nach deutschem Verständnis eine reine Zivilsache ist – die Anerkennung entsprechender Urteile wird dann nach § 328 beurteilt1. Die Einstufung einer ausländischen Streitigkeit als bürgerliche oder öffentliche Streitigkeit nimmt der Richter – ähnlich wie die Abgrenzung materielles Recht/Prozessrecht – nach den Grundsätzen zu § 13 GVG und § 40 VwGO vor2. Es wurde zwar früher darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz eingeschränkt werden müsse: Unproblematisch sei die »Qualifikation«3 lege fori nur insofern, als es darum ginge, die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs zu verneinen, weil nach deutschem Verständnis der Rechtsstreit nicht als bürgerliche Rechtsstreitigkeit einzustufen sei. Der umgekehrte Fall erscheine jedoch problematischer: Wenn das ausländische Recht den Sachverhalt als öffentlichrechtlich einstufe und den Zugang zu den Zivilgerichten verweigere, solle diese Einstufung respektiert werden, damit nicht die staatspolitischen Erwägungen missachtet werden, die die ausländische Rechtsordnung dazu veranlasst haben, die Verfolgung eines Anspruchs vor den bürgerlichen Gerichten auszuschließen4. Diese Bedenken sind jedoch nicht zu teilen. Mit einer ähnlichen Begründung könnte man die Qualifikation lege fori insgesamt abschaffen, denn sie birgt immer die Gefahr der »Missachtung« der Erwägungen der fremden Rechtsordnung. Selbstverständlich wird eine Anerkennung nach § 16a FGG stattfinden, wenn die Rechtssache nach deutscher Qualifikation eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt5. Auch hier ist – wie bei der Abgrenzung zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit6 – richtigerweise auf die Ausprägung des ausländischen Verfahrens abzustellen. 1

S. z.B. Nagel/Gottwald, § 11 Rn. 142. LAG München, IPRax 1992, 97 m.Aufsatz Däubler, 82; Stein/Jonas-Schumann 20 (Vorauflage), Einl. Rn. 340ff., 660 und dort Fn. 20. 3 Vielmehr handelt es sich um die so genannte »Primärqualifikation«, s. dazu weiter oben, S. 307. 4 Riezler, IZPR, S. 112f. 5 VGH München, NVwZ 1982, 323, der allerdings § 328 anwandte, da es damals § 16a FGG noch nicht gab. Dieser letzter Punkt wird von Baumbach-Hartmann, § 328 Rn. 74 übersehen, der mit dieser Entscheidung die Aussage belegt, die Anerkennung ausländischer Verwaltungsurteile finde nach § 328 1, 2, 4 statt. 6 S. dazu weiter oben, S. 385. 2

G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte Die Berücksichtigung ausländischer privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte ist dogmatisch noch nicht hinreichend durchleuchtet. Es gibt zwar mittlerweile zumindest in Ansätzen ein internationales Verwaltungsrecht, jedoch handelt es sich hierbei um ein Kollisionsrecht, das – ähnlich dem internationalen Privatrecht – bestimmt, welches Recht in auslandsbezogenen Fällen anzuwenden ist1. Deswegen ist es nicht geeignet zur Beantwortung der Frage, ob und wie ausländische Verwaltungsakte im Inland anerkannt werden können. Insgesamt besteht wenig Klarheit und auch keine einheitliche Praxis zu diesem Fragenkomplex. Insbesondere sollte man sich nicht mit der heute schon teilweise praktizierten faktischen Berücksichtigung begnügen, sondern es sollte der Versuch unternommen werden, die Wirkung ausländischer Verwaltungsakte dogmatisch zu begründen2. Ohne Anspruch auf endgültige Klärung der Thematik soll hier die Problematik vom Standpunkt einer prozessualen Betrachtungsweise aus angegangen werden. Dabei ist immer zu beachten, dass auch im Bereich des Verwaltungsrechts »die Europäisierung ... ohne Alternative, aber nicht ohne Probleme (ist)«3. Auch hier sollen lediglich privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte untersucht werden und nicht solche, die Beziehungen des öffentlichen Rechts regeln und damit Souveränitätsprobleme aufwerfen müssen, die bei privatrechtsgestaltenden Staatsakten zumindest nicht in dieser Intensität entstehen. Ausgeklammert werden auch Verwaltungsakte der Gemeinschaftsorgane selbst, so genannte supranationale Verwaltungsakte (z.B. »Entscheidungen« nach Art. 249 IV EGV)4 da sich hier die Bindung nicht aus einer Anerkennung im technischen Sinne ergibt, weil es sich genau genommen nicht um ausländische Verwaltungsakte handelt.

1 V. Münch-Hoffmann, S. 859; nach Streinz, S. 243 ist europäisches Verwaltungsrecht die Summe der geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze, die den Vollzug des Gemeinschaftsrechts in konkreten Situationen regeln. 2 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924, 934. 3 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924. 4 S. Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270, 299.

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein 1. Völkerrechtliche Anerkennungspflicht? Auch bezüglich ausländischer Verwaltungsakte kann keine grundsätzliche völkerrechtliche Anerkennungspflicht angenommen werden5, gleichwohl ist es bemerkenswert, dass man in diesem Bereich eher geneigt war und ist, ausländische Hoheitsakte nicht unberücksichtigt zu lassen. Es ist bezeichnend, dass für ausländische Verwaltungsakte zumindest ein Beachtungsgebot angenommen wird6, auch wenn dies darauf beschränkt wurde, dass die Staaten keinen entgegenlaufenden Hoheitsakt als actus contrarius setzen dürfen7. Für ausländische gerichtliche Urteile dagegen, von denen man meinen könnte, dass sie eine größere Richtigkeitsgewähr und damit auch größeres Vertrauen genießen könnten als ausländische Verwaltungsakte, wurde derartiges nicht befürwortet. Eine Pflicht, fremde Verwaltungsakte anzuerkennen, kann aus der Pflicht folgen, die Interessen des fremden Staates aktiv zu fördern. Das ist zum einen der Fall in einem Bundesstaat8. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft kann sich eine Anerkennungspflicht aus der Pflicht zur Errichtung des gemeinsamen Marktes ergeben9, wie nachstehend näher zu erörtern sein wird10.

2. Autonomes Recht Die Frage nach der Anerkennung ausländischer privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte ist nicht so selbstverständlich wie sie klingt. Es wurde bereits weiter oben aufgezeigt, dass Verwaltungsakte außerhalb der materiellen Bestandskraft und ihrer subjektiven Grenzen auch innerstaatlich keine prozessuale Bindungswirkung erzeugen, da ihre Rechtmäßigkeit gerade nicht verbindlich feststeht, sondern gerichtlich überprüft werden kann11. Damit fragt sich, ob überhaupt eine prozessuale Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte möglich ist. In der Tat wird vertreten, dass es sich bei der »Anerkennung« in Wirklichkeit um Normenvollzug ausländischen Rechts handelt12.

5

S. Linke, EurIVR, S. 107f. m.Nachw. auch zur Mindermeinung Happe, S. 51. 7 Happe, S. 28f. 8 Bleckmann, NVwZ 1986, S. 1ff. 9 Bleckmann, S. 429. 10 S. weiter unten, S. 399. 11 Dazu s. weiter oben, S. 259ff. 12 So z.B. Papier/Olschewski, DVBl. 1976, 475, 476: »Vollziehung und damit Anwendung fremden öffentlichen Rechts«; ähnlich Neumeyer, S. 306: »Übertragung ausländischen öffentlichen Rechts auf Angelegenheiten des Inlands« sowie S. 171 und dort Fn. 7 für ausländische 6

I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein

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Dies ist jedoch eine materiellrechtliche Betrachtungsweise, die verkennt, dass das ausländische materielle Ergebnis nicht aufgrund privatautonomen Akts erfolgt ist, sondern durch hoheitlichen Staatsakt. Die Tatsache, dass materielles Recht die Voraussetzungen für die Regelung durch Verwaltungsakt vorschreibt, ändert daran nichts. Das gleiche gilt nämlich (zumindest im Prinzip) für alle Hoheitsakte, einschließlich der gerichtlichen Urteile. Hier wird jedoch – selbst von den Verfechtern kollisionsrechtlicher Betrachtungsweisen – nicht davon gesprochen, dass die »Anerkennung« die Anwendung des ausländischen materiellen Rechts bedeuten würde. Die materiellrechtliche Betrachtungsweise ausländischer Verwaltungsakte korrespondiert mit der entsprechenden Tendenz im innerstaatlichen Rechtsverkehr, wie die Erklärung der Bindung an Verwaltungsakte mit dem Institut der Tatbestandswirkung zeigt13. So ist z.B. entschieden worden, dass einem ausländischen Verwaltungsakt Tatbestandswirkung nur zukommen könne, wenn sich dies aus einer inländischen Rechtsnorm herleiten lasse14. Auch sonst wird oft formuliert, dass auch ausländische Verwaltungsakte Tatbestandswirkung entfalten15. Dort, wo ausländische Prüfungen und Kontrollen durch Verwaltungsakt dokumentiert werden, soll es nur um ihre Tatbestandswirkung, nicht um ihre rechtliche Anerkennung gehen16. Diese Betrachtungsweise ist abzulehnen: Außer in den Fällen echter Tatbestandswirkung, d.h. wenn dem Verwaltungsakt durch gesetzliche Vorschrift eine weitere rechtliche Folge beigelegt wird, die außerhalb seiner ursprünglichen Regelungswirkung liegt, findet kein Vollzug der ausländischen Ermächtigungsnorm statt. Selbst in dem Fall echter Tatbestandswirkung geht es nicht zwingend um den Vollzug der ausländischen Norm, auf deren Basis der Verwaltungsakt erlassen wurde, sondern »vollzogen« wird lediglich die Norm des auf den neuen Sachverhalt anwendbaren materiellen Rechts (das unter Umständen ein anderes ist, als dem Verwaltungsakt zugrunde lag!), die einem Verwaltungsakt eine spezielle materiellrechtliche Folge außerhalb seiner ursprünglichen Regelungswirkung zuspricht. Bei der Frage nach der Bindungswirkung des ausländischen Verwaltungsakts geht es vielmehr darum, das Produkt des ausländischen Normenvollzugs im Inland anzuerkennen. In diesem Sinne kann man von einer prozessualen Anerkennung in Form einer Wirkungserstreckung sprechen. Spezielle AnerkennungsnorZwangsvollstreckungen: Die Anerkennung sei die »Anwendung jener Sätze im Privatrecht des handelnden Staates, die an den Akt eine Rechtsveränderung anknüpfen«. 13 S. weiter oben, S. 262ff. 14 SozR 3–4100 § 62a Nr. 1 = Die Beiträge 1995, 300ff. = DBlR 4159a, AFG/§ 62a. 15 S. z.B. VGH BW v. 17. 9. 1985, NVwZ 1986, 397 (L) = WissR 1986, 83ff.: Eine Doktorgradentziehung im Herkunftsland entfaltet im Inland Tatbestandswirkung, da kein rechtswirksamer Grad mehr existiert, dessen Führung genehmigt sein kann. Es darf nicht die Rechtmäßigkeit der Entziehung überprüft werden. 16 Steindorff, FS Lorenz, 561, 568.

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

men, wie sie im Zivilprozessrecht zu finden sind, existieren nicht im internationalen Verwaltungsrecht. § 328 findet nur auf Entscheidungen Anwendung, die in einem rechtlich geordneten, prozessförmigen Verfahren ergangen sind17, welche Voraussetzungen meist nicht von Verwaltungsakten erfüllt werden, die von weisungsgebundenen Verwaltungsbehörden erlassen werden. In der Praxis ist zwar eine Tendenz zur Berücksichtigung ausländischer, privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte zu verzeichnen, jedoch kann man nicht von einer einheitlichen Praxis sprechen. Jedenfalls werden die dogmatischen Fragen, die sich bei der Berücksichtigung ausländischer Verwaltungsakte auftun, nicht hinreichend untersucht. Das BVerfG hat die Vollstreckungsmöglichkeit ausländischer Abgabenbescheide – die natürlich keine gestaltenden Verwaltungsakte darstellen – dem Grunde nach bejaht18 und somit inzident auch die Anerkennungsfähigkeit der zugrunde liegenden Bescheide. Es wird gelehrt, dass die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte rechtlich geboten sei, »wenn ein Verwaltungsakt desselben Inhalts unter gleichen Umständen von deutschen Stellen erlassen werden darf. In solchen Fällen ist im Allgemeinen kein vernünftiger Grund dafür zu sehen, diesen Verwaltungsakt nicht anzuerkennen; hier kann man von einer ›Ermessensreduzierung auf Null‹ ausgehen«19. In der Verwaltungspraxis werden ausländische Verwaltungsakte in der Regel berücksichtigt. Auch in der Rechtsprechung wurde der Grundsatz aufgestellt, dass sich »allgemein ... sagen (lässt), dass ausländische Staatsakte, wenn es um privatrechtsgestaltende Maßnahmen geht, anerkannt werden«20. Es fehlt zwar eine eingehende Untersuchung zur rechtlichen Grundlage der Anerkennung, die hier erforderlich wäre, da Verwaltungsorgane über die Anerkennungsfähigkeit befinden,21 jedoch wurde bereits dargestellt, dass in der Rechtsprechung die inzidente Anerkennung durch Verwaltungsbehörden hingenommen wird, wenn auch ohne Problematisierung der Frage nach der rechtlichen Grundlage22. Jedenfalls darf der ausländische Verwaltungsakt selbstverständlich nicht den deutschen ordre public international23 verletzen24.

17

Allg. M., s. nur Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 229. BVerfGE 63 (1983), 343, 365f. In der Sache ging es um die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Vollstreckungsmöglichkeit über einen Rechtshilfevertrag. Auch für Anerkennungsregeln des autonomen Rechts wurde festgestellt, dass sie prinzipiell keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen. 19 Hoffmann, in: v. Münch7, S. 870 (in den nachfolgenden Auflagen wird das Internationale Verwaltungsrecht nicht mehr bearbeitet). 20 BGHZ 95 (1986), 256, 265. 21 Zutreffend Kreuzer, IPRax 1990, 365, 367 und dort Fn. 31. 22 S. weiter oben, S. 353. 23 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315. 24 Zur Einhaltung des verfahrensrechtlichen ordre public soll auch erforderlich sein, dass gegen den ausländischen Verwaltungsakt der Gerichtsweg eröffnet ist, s. Kreuzer, IPRax 1990, 365, 368ff. 18

I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein

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3. Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung des EuGH a. Die Einführung transnationaler Verwaltungsakte Durch das zunehmende Heranwachsen des Binnenmarktes verbleibt den Mitgliedstaaten immer weniger Handlungsfreiheit im Hinblick auf die Regelung grenzübergreifender Sachverhalte. Dies gilt nicht nur bezüglich materiellrechtlicher Vorschriften, vielmehr wird immer häufiger die Frage relevant, ob und in welchem Ausmaß ausländische Hoheitsakte berücksichtigt werden müssen. Dabei präsentiert sich die Problematik in zwei Fallgestaltungen. Zum einen sehen mittlerweile zahlreiche Vorschriften des sekundären Gemeinschaftsrechts die ausdrückliche Pflicht vor, ausländische Verwaltungsakte zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um Verwaltungsakte, die das sekundäre Gemeinschaftsrecht selbst einführt und die auch im Ausland berücksichtigt werden müssen. Man nennt derartige Verwaltungsakte »transnationale« Verwaltungsakte25. Es handelt sich meist um Genehmigungen im Rahmen der Produkt- und Berufszulassung26 im weiteren Sinn, einschließlich der Anerkennung von Hochschuldiplomen27 sowie um Genehmigungen des Gewerberechts. Bislang wurde absichtlich vorsichtig formuliert und davon gesprochen, dass der transnationale Verwaltungsakt innerhalb der gesamten Gemeinschaft »zu berücksichtigen« oder »zugrunde zu legen« sei. Dies hat den Hintergrund, dass die Richtlinienvorgaben meist auch vage und ergebnisorientiert sind. Gleichwohl ist diese Berücksichtigungspflicht dogmatisch als Anerkennungspflicht zu erfassen. Wenn z.B. eine Zulassung des Herkunftslands nicht mehr in Frage gestellt werden darf, ist dies nichts anderes als ein Anerkennungszwang. Somit kann der Satz aufgestellt werden, dass ausländische Verwaltungsakte einer Behörde eines EG-Mitgliedstaats anzuerkennen sind, »wenn und soweit innerstaatlich unmittelbar anwendbares EG-Recht oder nationales Recht eine derartige Bindungswirkung vorschreibt (sog. transnationaler Verwaltungsakt«)28. Das gleiche gibt auch, wenn die gemeinschaftliche Vorgabe nicht unmittelbar im Inland wirkt, sondern erst in nationales Recht transformiert werden muss. In bei25 S. Neßler, NVwZ 1995, 863, 866; Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 270, 282, 293, 203; SchmidtAßmann, DVBl. 1993, 924, 935; Schmidt-Aßmann, FS Lerche, 513, 520. 26 S. dazu Happe, S. 81ff.; Nessler, Europäisches Richtlinienrecht wandelt deutsches Verwaltungsrecht, passim. 27 Dazu s. mittlerweile Art. 47 I EGV, in dem die Kompetenz der Gemeinschaft zum Richtlinienerlass bestätigt wird. S. mittlerweile die Stellungnahme der Kommission zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments am gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vom 1. 6. 2005, KOM(2005) 248 endgültig. Mit dieser Richtlinie sollen die geltenden Richtlinien im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen konsolidiert und vereinfacht werden. 28 Erichsen/Ehlers-Erichsen, § 13 Rn. 4; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924, 935.

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

den Fällen wird damit die Anerkennungspflicht vorgegeben. Eine andere Frage, die hier nur angerissen werden kann, ist, ob derartige Vorgaben noch im Kompetenzbereich der Gemeinschaft liegen. Dies wird zu bejahen sein. Man wird sogar sagen können, dass die gegenseitige Anerkennung mitgliedstaatlicher Verwaltungsakte besonders gut geeignet ist, den gemeinschaftsweiten Freiverkehr im Binnenmarkt zu fördern29. Auch wird die gegenseitige Anerkennung nach dem Ursprungslandsprinzip als geradezu ein Anwendungsfall des Subsidiaritätsprinzips verstanden30. »Der Vorteil des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung liegt darin, dass so eine langwierige und schwierige, mittelfristig wohl auch politisch nicht durchsetzbare gemeinschaftsrechtliche Vollharmonisierung der nationalen Bestimmungen vermieden werden kann«31. Die Berücksichtigung des transnationalen Verwaltungsakts bedeutet, dass Inhalt und Umfang der Bindung vom ausländischen Recht bestimmt werden. Dies liegt jedoch richtigerweise nicht an der Maßgeblichkeit dieses Rechts für die Rechtmäßigkeitsüberprüfung32, sondern ist der prozessualen Grundregel zu entnehmen, dass die Anerkennung richtigerweise als Wirkungserstreckung zu verstehen ist. Zum Schluss soll darauf hingewiesen werden, dass oft betont wird, dass eine gegenseitige Anerkennungspflicht ein gewisses Vertrauen der Staaten untereinander auf die zumindest grundsätzliche Gleichwertigkeit der nationalen Verfahren voraussetzt: »Ohne eine jedenfalls in den Grundzügen einheitliche Rechtssituation in allen Mitgliedstaaten sind die Anerkennungspflicht und die dadurch ausgelösten transnationalen Wirkungen fremder Verwaltungsentscheidungen dauerhaft nicht tolerabel«33. Andererseits gehen die entsprechenden Regeln über die automatische Anerkennung ausländischer Urteile (§ 328) oder Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 16a FGG) von der prinzipiellen Gleichwertigkeit der gerichtlichen Verfahren sogar aller Länder auf der Welt aus. Als Korrektiv schwerer Abweichungen vom deutschen Verständnis dient zum einen die Qualifikation, die nach deutschem Verständnis erfolgt, zum anderen der Vorbehalt des ordre public international34. Ob die Verwaltungstätigkeit in den verschiedenen Rechtsordnungen tatsächlich stärker voneinander abweicht als die Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren, ist eine tatsächliche Frage, die zu prüfen wäre. Innerhalb der Gemeinschaft – übrigens auch im Verhältnis zu Drittstaaten – ist auf Dauer die beste Lösung die grundsätzliche Anerkennung, die einher geht mit der Harmonisierung der Kollisionsnormen. Auf diese Weise wird die Anerkennung ausländischer Hoheitsakte weitaus geringeren Bedenken begegnen können, die sich 29 30 31 32 33 34

Beyer, EWG 1999, 12, 13. Calliess, S. 48; Wolff/Bachof/Stober, § 17 Rn. 12 b. Schlag, S. 38. So aber Nessler, S. 122. Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924, 936 mit Hinweis auf Klein, 117, 140. Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315.

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auf das Verfahren konzentrieren werden, da ihnen ja das gleiche materielle Recht zugrunde gelegt wurde, das auch eine inländische Verwaltungsbehörde angewandt hätte. Und andererseits verbleibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, im Hinblick auf die eventuelle eigene nationale Besonderheit auch eigene materiellrechtliche Regelungen beizubehalten35.

b. Die Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung ausländischer Verwaltungsakte Außer in den Fällen, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht ausdrücklich transnationale Verwaltungsakte vorsieht, hat der EuGH in einer Reihe von Fällen eine Berücksichtigungspflicht direkt aus dem primären Gemeinschaftsrecht abgeleitet. Insbesondere gilt als Maßstab, ob die Ignorierung eines ausländischen Verwaltungsakts Grundfreiheiten einschränken könnte, die durch den EGV garantiert sind. Diese Rechtsprechung entwickelte sich im Bereich des Wirtschaftsrechts und der entsprechenden Kontrollen durch Verwaltungsakte. Damit wurde die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte sogar im öffentlich-rechtlichen Bereich thematisiert. Zwar befasst sich diese Arbeit hauptsächlich mit privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten, die Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im Bereich des Wirtschaftsrechts sind gleichwohl zu untersuchen, weil eine Pflicht zur Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte in öffentlichrechtlichen Sachverhalten schwerer hinzunehmen ist als im privatrechtlichen Bereich. In öffentlichrechtlichen Sachverhalten können nämlich Souveränitätsbedenken viel leichter aufkommen als bei der Beurteilung privatrechtsgestaltender Hoheitsakte, so dass a maiore ad minus auf die Anwendbarkeit der aufgestellten Grundsätze auch auf privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte geschlossen werden kann. Die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit von Verwaltungsakten, die den freien Personenverkehr beeinflussen könnten, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Rechtsakte, die den Personenstand betreffen und somit privatrechtsgestaltend sind, spielen nämlich eine große Rolle bei der Ausübung des Rechts auf freien Personenverkehr. Es sei kurz an das Urteil des EuGH betreffend die Berichtigung des Geburtsdatums einer griechischen Staatsangehörigen erinnert36. Zwar handelte es sich bei dem konkreten ausländischen Rechtsakt nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Entscheidung, die im Verfahren der (griechischen) freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen war. Der EuGH hat jedoch nicht auf diese Qualifikationsfrage abgestellt – er hat vielmehr die Qualifikationsfrage gar nicht gestellt und sich auch nicht mit der zugrunde liegenden grie35 Näheres zu dieser begrüßenswerten künftigen Entwicklung im Gemeinschaftsrecht weiter unten im Ausblick, S. 427ff. 36 Dazu s. weiter oben, S. 357ff.

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

chischen Entscheidung beschäftigt, sondern nur mit der berichtigten Urkunde –, sondern maßgeblich war für ihn nur, dass der Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer beeinträchtigt sein könnte, wenn eine ausländische öffentliche Urkunde ignoriert würde. Unter der Voraussetzung, dass keine durchgreifenden Bedenken bezüglich des ausländischen Verfahrens bestehen, müsse sie von den inländischen Behörden und Gerichten respektiert werden. Dieser Grundsatz kann ohne Korrektur auf ausländische Verwaltungsakte übertragen werden, die die Grundfreiheit des freien Personenverkehrs tangieren, so dass auch sie anerkennungsfähig sind. Damit ist es sinnvoll, die Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit kurz anzusprechen. Hier hat der EuGH schon früh folgende Grundsätze zur automatischen Wirkung fremder Hoheitsakte im Rahmen der Freiheiten entwickelt: Wenn eine Materie durch den Erlass einer Richtlinie einheitlich geregelt worden ist, müssen grundsätzlich die in einem Mitgliedstaat ausgeführten Kontrollen im anderen anerkannt werden37. Ähnliches gelte, wenn zwar keine europäische Richtlinie existiert, jedoch zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten parallele nationale Regelungen bestehen38. Genehmigungen der Art, wie sie der EuGH behandelt hat, zählen zu den gestaltenden39 Verwaltungsakten, da sie eine bestimmte Betätigung nur nach vorbeugender behördlicher Prüfung erlauben. Der EuGH spricht nicht ausdrücklich von der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte. Ihm geht es – unabhängig von der dogmatischen Einordnung – um das Endergebnis: Wo ein ausländischer Verwaltungsakt vorliegt, soll der Sachverhalt nicht erneut geprüft werden. Nach deutschem Verständnis handelt es sich hierbei – wie im Fall transnationaler Verwaltungsakte durch Vorgabe des sekundären Gemeinschaftsrechts – um eine Anerkennung in Form einer Wirkungserstreckung. Denn wenn der Bestimmungsstaat nicht seine eigenen Anforderungen prüfen darf, läuft dies auf eine Anerkennung der Rechtsakte des Herkunftsstaates hinaus, die die Verkehrsfähigkeit begründet haben40. Eigentümlich ist jedoch bei dieser Rechtsprechung, dass sie in anderer Hinsicht nicht dem deutschen Verständnis einer prozessualen Anerkennung entspricht: Wenn die materiellen Vorschriften in Herkunfts- und Zielland unterschiedlich sind oder die Gleichwertigkeit der Kontrollen nicht gewährleistet ist, gestattet es der EuGH nämlich dem zweiten Mitgliedstaat, denselben Sachverhalt erneut zu überprüfen. Jedoch müsse sich diese zweite Kontrolle auf das notwendige be-

37

EuGHE 1976, Rs. C 35/76, S. 1871. EuGHE 1979, Rs. C 251/78, S. 3369. 39 Wenn auch nicht zu den privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten. 40 Beyer, EWS 1999, 12, 16; a.A. Engel, Verw 25 (1992), 437, 452: der EuGH verlange keine Anerkennung fremder Verwaltungsakte. 38

I. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte allgemein

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schränken41; es dürfen nicht ohne Grund Prüfungen wiederholt werden42. Eine derartige Form der Zugrundelegung von vorbereitenden Handlungen, die in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen wurden, und des Verzichts auf nochmalige Prüfungen können auch Richtlinien vorsehen. Für derartige Regelungen sind nicht rechtliche, sondern politische Erwägungen maßgeblich: Es handelt sich um einen Kompromiss auf dem Weg in die richtige Richtung, nämlich die Anerkennung des Rechtsakts. »Durch die Gewöhnung der nationalen Behörden an Anerkennungen mit weniger weitreichenden Folgen wird die Basis für eine spätere Anerkennung von Verwaltungsakten geschaffen«43. Aus einer prozessualen Sichtweise heraus lässt sich allerdings eine derartige partielle Anerkennung kaum systematisch einordnen. Es handelt sich jedoch wohl um eine Problematik, die den Genehmigungen im Warenverkehr eigen ist. Im Bereich der Privatrechtsgestaltung wird es bei der Anerkennung des Verwaltungsakts selbst bleiben. Es ist vorauszusehen, dass immer mehr Arten privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte nach dem Grundsatz des Herkunftslandsprinzips im gesamten Gemeinschaftsgebiet Anerkennung beanspruchen werden. Dies klingt schon im Urteil Dafeki an, wo ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass Rechtsakte, die den Personenstand betreffen, für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer relevant werden können und eine Anerkennungsverweigerung zur Beeinträchtigung der Ausübung dieser Grundfreiheit führen kann.

4. Eigene Ansicht Es wurde im ersten Teil dieser Arbeit ermittelt, dass Verwaltungsakte nur im Rahmen ihrer materiellen Bestandskraft und in deren subjektiven Grenzen eine prozessuale Bindung erzeugen. Dritte, denen gegenüber sie nicht bestandskräftig geworden sind, können sie anfechten, wenn ihre subjektiven Rechte verletzt werden. Es wird den betroffenen Dritten in einigen Fällen lediglich – zu Unrecht – verwehrt, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts inzident vorzutragen. Sie sind dann – übrigens nicht anders als der Adressat des Verwaltungsakts – auf die Anfechtungsklage verwiesen – eine prozessuale Bindung im Rahmen der Rechtskraftgrenzen wird erst durch das darauf ergehende Urteil erzeugt. Auch ausländische bestandskräftige Verwaltungsakte sollten grundsätzlich anerkennungsfähig sein44. Der Anerkennung steht es entgegen, wenn der ordre pu41

EuGHE 1981, Rs. C 132/80, S. 995. EuGHE 1978, Rs. C 16/78, S. 2293; EuGHE 1981, Rs. C 279/80, S. 3305; EuGHE 1981, Rs. C 272/80, S. 3277; Bleckmann, JZ 1992, 1072, 1076 m.Nachw. 43 Nessler, S. 27. 44 Bestandskräftiger deswegen, weil für die Anerkennung eine anerkennungsfähige »prozessuale« Bindung vorliegen muss, und eine solche tritt bei Verwaltungsakten erst mit Bestandskraft ein. 42

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

blic international verletzt wird45. Auch darüber hinaus können die Versagungsgründe des § 328 herangezogen werden, die – mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses – als Kern einer »vernünftigen« Anerkennungsregelung angesehen werden können, was auch z.B. dadurch deutlich wird, dass der jüngere § 16a FGG an § 328 angelehnt wurde und sich diese Versagungsgründe auch in Art. 34 EuGV-VO wieder finden. Wenn man also diese Grundwertungen heranzieht, was auf eine Rechtsanalogie hinausläuft, wird man auch die internationale Zuständigkeit der ausländischen Verwaltungsbehörde46 fordern47. Das Erfordernis der rechtzeitigen Möglichkeit der Kenntnis- und Teilnahme des Betroffenen ist anzupassen an die Lage bei Erlass eines Verwaltungsakts. Der Sache nach geht es darum, dass der unmittelbar Betroffene die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes hatte, mit anderen Worten, dass es ihm möglich war, sich vor den Gerichten des ausländischen Staates zu verteidigen48. Dies ist bei Verwaltungsakten gewährleistet, wenn die Möglichkeit der nachträglichen Anfechtung des Verwaltungsakts in angemessener Frist nach gesicherter Kenntnisnahme des Verwaltungsakts bestand49. Beim Verwaltungsakt bietet zwar auch die Teilnahme am Vorverfahren die Möglichkeit der Einflussnahme, jedoch wird effektiver Rechtsschutz nur durch die Option gewährleistet, eine gerichtliche Rechtmäßigkeitsüberprüfung anzustreben. Hat der Betroffene nicht erfolgreich Anfechtungsklage erhoben ist zu fordern, dass er die Möglichkeit hierzu innerhalb einer angemessenen Frist ab der gesicherten Kenntnisnahme des Verwaltungsaktes hatte, sprich dass er die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes hatte. War diese Möglichkeit nicht gegeben, ist die Anerkennung zu versagen. Dies gilt auch, wenn der ausländische Verwaltungsakt unvereinbar wäre mit einem inländischen Hoheitsakt einschließlich gerichtlicher Urteile oder mit einem ausländischen Hoheitsakt, der im Inland anerkennungsfähig ist. Eine Überprüfung in der Sache (révision au fond) sollte über die Überprüfung eines möglichen Verstoßes gegen den ordre public international hinaus nicht stattfinden, und zwar unabhängig davon, ob die Anerkennung Ergebnis einer völkerrechtlichen Anerkennungspflicht ist oder ohne derartige Pflicht »freiwillig« vom Staat vorgenommen wird50. Zusammenfassend sind bestandskräftige ausländische Verwaltungsakte anerkennungsfähig, die von einer zuständigen Behörde erlassen wurden, wenn der Betroffene die Möglichkeit hatte, sie in einer angemessenen Frist nach der gesi45

S. Fn. 2014f. König, S. 84. 47 Dies ist eine Ausprägung des völkerrechtlichen Grundsatzes, dass eine »sinnvolle Anknüpfung« (genuine link) bestehen sollte, allg.M., s. Nachw. bei Linke, EurIVR, S. 95. 48 Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 105 (zur Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen). 49 Alternativ ist die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung des Verwaltungsakts zu prüfen bei der Prüfung der Einhaltung des verfahrensrechtlichen ordre public, s. Fn. 2015. 50 A.A. Linke, EurIVR, S. 111: Nur bei Anerkennungspflicht keine révision au fond. 46

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cherten Kenntnisnahme des Verwaltungsakts gerichtlich anzufechten und die Anerkennung nicht einen Verstoß gegen den ordre public international hervorrufen würde. Auch hier muss Anerkennung Wirkungserstreckung heißen, so dass nicht die im ersten Teil dargestellte und eingangs zusammengefasste deutsche Betrachtungsweise maßgeblich ist, sondern die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts nach dem Recht des Ursprungsstaats, soweit keine ausdrücklichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vorliegen. Damit ist auch die Frage, inwiefern ein ausländischer gestaltender Verwaltungsakt Dritte prozessual in dem Sinn bindet, dass sie nicht seine Rechtswidrigkeit geltend machen können, grundsätzlich dem ausländischen Recht zu entnehmen. Wenn das ausländische Recht – wie das deutsche – die Möglichkeit Dritter vorsieht, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts vorzutragen, stellt sich weiterhin die Frage, ob dieser Vortrag auch in einem inländischen Verfahren erfolgen kann. Dabei sind zwei unterschiedliche Aspekte zu beachten, die nicht miteinander verwechselt werden sollten. Die erste Frage lautet, wo der ausländische Verwaltungsakt angefochten werden darf. Erst im Anschluss stellt sich die Frage, von wem darf angefochten werden? Speziell ist damit gemeint, ob auch im Ausland wohnhafte Bürger im Inland Anfechtungsklage erheben können. Hier können sich aus deutscher Sicht Probleme ergeben bei der Anwendbarkeit des § 42 II VwGO, und zwar spezieller bei der Frage, ob ein von der Rechtsordnung als schützenswert anerkanntes Individualinteresse vorliegt. Bei der Untersuchung ist grundsätzlich zu trennen zwischen transnationalen Verwaltungsakten und sonstigen ausländischen Verwaltungsakten. Wo die Problematik überhaupt angesprochen wird, geht man davon aus, dass nur die Gerichte des Ursprungstaats befugt sind, einen transnationalen Verwaltungsakt aufzuheben51. Als Hauptgrund wird angeführt, dass sonst unterschiedliche Urteile nicht vermeidbar wären52. Soweit allerdings Effektivitätserwägungen angebracht werden, weil diese Gerichte auch im anwendbaren Recht heimisch seien53, läuft dies auf eine Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an das anwendbare Recht hinaus. Jedoch ist an dem Grundsatz festzuhalten, dass kein Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht besteht, auch wenn die Terminologie im Verwaltungsrecht nicht besonders hilfreich ist in dieser Hinsicht: Der Begriff »internationales Verwatungsrecht« erfasst sowohl die Frage des anwendbaren Rechts als auch die Frage der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte. Insgesamt ist der genannten Ansicht, die die Zuständigkeit lediglich der Gerichte des Ursprungsstaats annimmt, nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass es 51 52 53

Schlag, S. 213f. Neßler, NVwZ 1995, 863, 865; Neßler, S. 31. Neßler, S. 32.

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Sinn des transnationalen Verwaltungsakts ist, dass er in der gesamten Gemeinschaft gilt und nicht nur in einigen Mitgliedstaaten, jedoch schließt dies eine Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nicht aus. Freilich wird die Rechtmäßigkeit an dem Recht zu messen sein, das dem Verwaltungsakt zugrunde lag, was meist das Recht des Mitgliedstaates sein wird, in dem er erlassen wurde54. Daraus ergibt sich jedoch wie eben dargelegt kein Argument zugunsten der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates. Allerdings ergibt sich dasselbe Ergebnis über die Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte für Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte: Regelmäßig ist (wiederum aus deutscher Sicht) das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde (s. § 52 VwGO). Die örtliche Zuständigkeit ergibt mangels unterschiedlicher ausdrücklicher Regelung – die selbstverständlich durchaus denkbar ist – auch die internationale Zuständigkeit. »§ 52 (VwGO, Anm. der Verf.) bewirkt damit, dass die Ausübung deutscher Staatsgewalt der Überprüfung durch die deutschen Verwaltungsgerichte unterliegt, gleichgültig ob der Kläger im In- oder Ausland wohnt oder sich gegen Auswirkungen des Staatshandelns wehrt, die im In- oder Ausland wirksam werden«55. § 52 VwGO muss richtigerweise nicht nur gelten, wenn es um die Überprüfung der Ausübung deutscher Staatsgewalt geht, sondern auch bei der Frage nach der Überprüfbarkeit ausländischer anerkennungsfähiger Verwaltungsakte. Man kann sogar sagen, dass auch in diesem Fall die Ausübung deutscher Staatsgewalt im weitesten Sinne überprüft wird, denn der anerkannte ausländische Verwaltungsakt wirkt im Inland nicht aufgrund der Hoheitsgewalt des ausländischen Staates, sondern aufgrund der inländischen Anordnung der Anerkennungsfähigkeit – auch wenn diese automatisch, ohne vorgeschaltetes Verfahren, erfolgt. Nur durch die inländische Anordnung der Anerkennungsfähigkeit wird der ausländische Verwaltungsakt in die inländische Rechtsordnung aufgenommen und muss im Inland respektiert werden. Wendet man also § 52 VwGO an, wird im Inland keine örtliche, und damit auch keine internationale Zuständigkeit gegeben sein, denn die Anwendung des § 52 VwGO führt dazu, dass ausländische Verwaltungsakte (der transnationale wie der »normale«) tatsächlich nur in dem Ursprungsstaat anfechtbar sind. Rechtspolitisch wäre zwar eine Zuständigkeit am Wohnort des Betroffenen wünschenswert, nach geltendem (deutschen) Recht sind jedoch auch betroffene Bürger anderer Mitgliedstaaten darauf angewiesen, den Verwaltungsakt in diesem Staat anzufechten. Dies führt zur zweiten Problematik, nämlich, ob – bei Zugrundelegung deutschen Rechts – für Bürger anderer Mitgliedstaaten überhaupt eine Klagebefugnis nach § 42 VwGO besteht. Auszuklammern sind selbstverständlich die Fälle, in 54 55

Neßler, S. 29f. Eyermann/Fröhler-Rennert, vor § 40 Rn. 10.

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denen sich diese bereits am vorangegangenen Verwaltungsverfahren beteiligt hatten und damit formell Beteiligte sind. Die Problematik, die hier nur angerissen werden soll, liegt in dem Erfordernis der Verletzung eines eigenen subjektiven Rechts und der Frage, auf welche Rechtsordnung diesbezüglich abgestellt werden soll. Die Diskussion über die Klagebefugnis ausländischer Bürger zur Erhebung einer Anfechtungsklage findet hauptsächlich im Bereich des grenzüberschreitenden Umweltschutzes statt56. Eine restriktive Betrachtungsweise verneint grundsätzlich die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung i.S.v. § 42 II VwGO, weil deutsche Verwaltungsakte als Emanation staatlicher Hoheitsgewalt ihre Geltung auf das inländische Hoheitsgebiet beschränken. Zu einer Berücksichtigung privater oder faktischer ausländischer Belange in einer Dimension, dass daraus konkrete subjektiv-öffentliche Klagerechte erwachsen, seien die deutschen Behörden nicht verpflichtet57. Daraus ergebe sich, dass z.B. Grenznachbarn nicht nach § 42 VwGO klagen können58. Wenn der Verwaltungsakt allerdings im Ausland anerkannt wird und auch bei faktischer Betroffenheit über die Staatsgrenzen hinaus, wie dies bei Umweltbelastungen der Fall sein kann, ist diese absolute Haltung zu überdenken. Jedenfalls ist es unerheblich, ob die ausländische Rechtsordnung vergleichbare Rechtspositionen vorsieht, die der deutschen verletzten Norm entsprechen59. Zum Atomrecht hatte das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis grenznaher ausländischer Bürger bejaht60, diesen Grundsatz hat das OVG Saarlouis auf den grenzüberschreitenden Immissionsschutz übertragen61. In der Lehre wurde diese Lösung teilweise auf die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zurückgeführt62, innerhalb der europäischen Gemeinschaft wird auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EGV herangezogen63. Da die Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Bestimmungen über den Umweltschutz in ein Umweltgesetzbuch mittlerweile gescheitert sind, wird die Frage der grenz56 Dazu s. Oppermann, S. 121ff.; eine Bestandsaufnahme grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen findet sich bei Fröhler/Zehetner, Bd. I, S. 27ff. 57 Oppermann/Kilian, S. 136. 58 Oppermann, 121, 126; Oppermann/Kilian, S. 136. 59 A.A. früher z.B. Küppers, DVBl. 1978, 686, 689; Fröhler/Zehetner, Bd. II, S. 90f.: »Denn soweit nicht ein grenzüberschreitender Anwendungsbereich nachbarschützender materieller Normen des Verwaltungsrechts angenommen wird, kann die Verletzung eines Rechts nur dann behauptet werden, wenn die Rechtsordnung des Ausländers ein solches Recht überhaupt vorsieht«; übersehen bei Oppermann, 121, 125. 60 BVerwG, NJW 1987, 1154. 61 OVG Saarlouis, NVwZ 1995, 97; kritisch Redeker/v. Oertzen, § 42 Rn. 19; zur Problematik, solange es noch keine Rechtsprechung in diesem Bereich gab, s. z.B. Jarass, NJW 1983, 2844, 2848 mit Nachweisen in dort Fn. 57. 62 Kopp/Schenke, § 42 Rn. 90. 63 Jarass, NJW 1983, 2844, 2848; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Wahl/Schütz, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 224.

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überschreitenden Verfahrensbeteiligung und der grenzüberschreitenden Rechtsschutzmöglichkeiten hauptsächlich im Rahmen der Gesetze erfolgen, die einzelne gemeinschaftliche Richtlinien in nationales Recht transformieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Ansichten zu dem Fall geäußert wurden, dass ein inländischer Verwaltungsakt überprüft werden soll, der wegen seiner öffentlichrechtlichen Natur bzw. wegen seines Gegenstands nicht in anderen Ländern verbindlich wird. Die Konstellation ist jedoch bei transnationalen bzw. bei privatrechtsgestaltenden ausländischen Verwaltungsakten eine andere. Es liegt in der Natur des transnationalen Verwaltungsakts, dass er innerhalb der gesamten Gemeinschaft gilt, daher kann er per definitionem subjektive Rechte in den übrigen Mitgliedstaaten verletzen. Es wäre widersinnig anzunehmen, dass der Verwaltungsakt bindend sein soll, jedoch außerhalb des Ursprungsstaats keine subjektiven Rechte verletzen könne. Das gilt umso mehr, wenn man die ausschließliche Kompetenz der Gerichte des Ursprungstaats zur Überprüfung und Aufhebung transnationaler Verwaltungsakte annimmt64. Daher ist zumindest bei transnationalen Verwaltungsakten die Möglichkeit für Bürger aus anderen Mitgliedstaaten zu bejahen, sie in ihrem Ursprungsstaat anzufechten65. Die Beobachtung, dass die Frage nach der ausschließlichen Kompetenz eines Staates zur Überprüfung transnationaler Verwaltungsakte durch die deutsche Regelung der örtlichen/internationalen Zuständigkeit obsolet wird, gilt nur für die deutsche Rechtsordnung. Da sich die internationale Zuständigkeit in der Regel aus den Vorschriften des nationalen Rechts ergibt, ist es selbstverständlich denkbar, dass in anderen Ländern nicht (nur) an den Ort angeknüpft wird, an dem der Verwaltungsakt erlassen wurde, sondern auch an den Wohnort des Betroffenen, so dass der Verwaltungsakt in mehreren Staaten angefochten werden kann und unterschiedliche Urteile bezüglich der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ergehen könnten. Das ist zwar recht unwahrscheinlich, da Prüfungsmaßstab regelmäßig dieselbe materielle Rechtsordnung sein wird66, jedoch ist eine Urteilsdivergenz nicht auszuschließen. Damit wäre zwar die erstrebte transnationale Wirkung des Verwaltungsakts nicht mehr gewährleistet, dies ist jedoch in Kauf zu 64

Das Problem wird sich freilich in der Praxis regelmäßig dadurch lösen, dass die gemeinschaftliche Vorschrift, die die transnationale Wirkung eines Verwaltungsakts vorsieht, auch Regelungen bzgl. dessen Anfechtungsmöglichkeit trifft. Allerdings wird dies naturgemäß nicht für diejenigen Verwaltungsakte gelten, deren transnationaler Charakter ohne ausdrückliche gemeinschaftsrechtliche Regelung nur aufgrund der Rechtsprechung des EuGH bejaht wird. 65 Zur möglichen Ausgestaltung des grenzüberschreitenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in der Praxis s. Fröhler/Zehetner, Bd. II, S. 98ff. 66 Nämlich die, auf die der Verwaltungsakt ursprünglich gestützt wurde. Dies wird regelmäßig das Recht des Ursprungsstaates sein, da in der Regel eigenes öffentliches Recht angewandt wird, weil keine Verweisungsnormen existieren. Damit basiert dies nicht auf einem Rechtssatz, sondern es handelt sich lediglich um einen empirischen/statistischen Befund (Schurig, S. 145f.; ders., JZ 1982, 385, 387 und dort Fn. 35). Anders ausgedrückt ist die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts die Folge der Einseitigkeit der Kollisionsnormen (Linke, EurIVR, S. 124).

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nehmen, denn die eine transnationale Wirkung ohne die Möglichkeit gerichtlicher Rechtmäßigkeitskontrolle wäre nicht gerechtfertigt. Aus der Anerkennungsfähigkeit sonstiger ausländischer privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte folgt, dass sie auch im Inland Wirkung entfalten. Daher ist eine rechtliche Betroffenheit auch im Anerkennungsstaat möglich. Bezüglich des Staates, der die Anerkennungsfähigkeit bejaht, kann man also nicht mit dem Territorialitätsprinzip argumentieren, um die Anfechtung von Verwaltungsakten auf inländische Bürger zu begrenzen – insofern gilt nichts anderes als für transnationale Verwaltungsakte. In Deutschland werden nur inländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte anfechtbar sein, allerdings auch von Bürgern anderer Mitgliedstaaten, falls diese in eigenen Rechten betroffen sind. Wenn die lex fori des Anerkennungsstaates – anders als das deutsche Recht und an sich rechtspolitisch wünschenswert – eine internationale Zuständigkeit z.B. am Wohnort des Dritten Betroffenen vorsieht, dann wird auch der ausländische Verwaltungsakt im Anerkennungsstaat anfechtbar sein. Es ist freilich eingewandt worden, dass ausländische (anerkannte) Verwaltungsakte nicht im eigentlichen Sinne aufgehoben oder abgeändert werden dürfen67. Stattdessen wurde der Kunstgriff empfohlen, die Anerkennung zu »vernichten«68, bzw. statt einer Abänderung die Anerkennung entweder teilweise aufzuheben oder zu erweitern69. Diese Ansicht bringt im Prinzip nichts anderes zur Geltung, als dass man selbstverständlich den ausländischen Verwaltungsakt nicht mit Wirkung für seinen Ursprungsstaat aufheben bzw. abändern darf. Am deutlichsten wäre dies, wenn man davon ausginge, dass durch die Anerkennung der ausländische in einen inländischen Akt transformiert würde. Jedoch führt auch die Wirkungserstreckung zu keinem anderen Ergebnis, denn durch sie soll lediglich vermieden werden, dass dem ausländischen Akt durch eine Transformation Wirkungen beigemessen werden, die er im Ursprungsstaat gar nicht hatte oder Wirkungen, die er hat, aberkannt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass man diesen Grundsatz soweit halten sollte, dass der ausländische Hoheitsakt im Inland unantastbar wird. Bei gerichtlichen Urteilen ist schon längst anerkannt, dass sie im Inland geändert werden können, obwohl auch hier – zumindest in der Lehre, die Rechtsprechung spricht eher von einer Gleichstellung – eine Wirkungserstreckung stattfindet70. Damit ist festzuhalten, dass ein ausländischer transnationaler bzw. sonstiger anerkennungsfähiger privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt grundsätzlich auch im Inland angefochten werden darf. Welches materielle Recht zugrunde ge67

König, S. 98f.; Neumeyer, S. 349. König, S. 102; Linke, EurIVR, S. 112; ähnlich Bleckmann, S. 442f., der jedoch trotzdem thematisiert, welches Recht auf Rücknahme oder Widerruf eines rechtswidrigen Verwaltungsakts anwendbar sein sollte und das Recht des Anerkennungsstaats anwenden will. 69 König, S. 103f. 70 S. z.B. BGH, NJW 1983, 1976 sowie insgesamt zur Problematik weiter oben, S. 343. 68

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legt werden muss, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu überprüfen, ist damit nicht präjudiziert, sondern nach kollisionsrechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen. Es wird dies in der Regel das Recht des Staates sein, in dem der Verwaltungsakt ergangen ist, korrekter ausgedrückt das tatsächlich angewandte Recht, in dem Fall, dass die Behörde ausnahmsweise ausländisches Recht angewandt hat. Eine gerichtliche Zuständigkeit zur Erhebung einer Anfechtungsklage ist bei transnationalen und ausländischen Verwaltungsakten gleichwohl nach deutschem Recht nicht gegeben, so dass aus deutscher Sicht im Ergebnis der Satz gilt, dass für die Erhebung der Anfechtungsklage gegen transnationale oder privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte nur die Gerichte des Ursprungsstaats zuständig sind. Für die Zukunft sieht das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten71 in Art. 9 III vor, dass jede Vertragspartei sicher stellen muss, »dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen«.

II. Scheidungen durch Verwaltungsakt und sonstige Verwaltungsakte, die den Personenstand betreffen In einigen Ländern werden Scheidungen durch Verwaltungsakt vorgenommen, so z.B. in Norwegen, Dänemark (durch königliche Bewilligung), Mexiko und der Volksrepublik China72. Es handelt sich hierbei nicht um Privatscheidungen, auch wenn bisweilen der Begriff Privatscheidung mit konstitutiver Mitwirkung einer Behörde verwendet wird. Die Scheidung erfolgt durch Hoheitsakt, jedoch ausnahmsweise nicht durch gerichtliches Urteil, sondern durch Verwaltungsakt. Da der Verwaltungsakt Einfluss auf ein privates Rechtsverhältnis hat, handelt es sich insbesondere um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Durch die am 1. 3. 2001 in Kraft getretene EheGV-VO73 sind einige Fragen bezüglich der Anerkennung von Gestaltungsakten einfacher geworden. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist sehr weit, er umfasst auch »andere in einem 71 ABl. Nr. L 124 v. 17.052005, S. 4ff. – Das Übereinkommen soll auch auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft angewandt werden, s. die Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament betreffend den entsprechenden vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt, KOM(2005) 401 endg. vom 31. 8. 2005. 72 S. Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 228. 73 Dazu s. weiter oben, S. 346ff.

II. Scheidungen durch Verwaltungsakt und sonstige Verwaltungsakte

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Mitgliedstaat amtlich anerkannte Verfahren. Die Bezeichnung ›Gericht‹ schließt alle in Ehesachen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein« (Art. 1 II EheGV-VO). Damit werden auch ausländische Verwaltungsakte erfasst, soweit sie auf Ehescheidung, auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder auf Ungültigerklärung einer Ehe abzielen sowie auf Verfahren, die die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten betreffen und aus Anlass der eben genannten Verfahren betrieben wurden (Art. 1 I EheGV-VO)74. Im Gegensatz zu § 328 wird danach für die automatische Anerkennung nicht gefordert, dass die ausländische Behörde in ihrer Stellung und Unabhängigkeit einem deutschen Gericht entspricht. Damit wird bei richtiger Betrachtungsweise eine anerkennungsfähige mitgliedstaatliche Ehescheidung durch Verwaltungsakt einem späteren inländischen gerichtlichen Scheidungsverfahren entgegenstehen, sonst wäre die Gleichstellung gerichtlicher und behördlicher Ehescheidungen in der Verordnung konterkariert. Schwierig wird jedoch die dogmatische Erklärung einer derartigen Konstruktion: Der neuen, inländischen Klage kann nicht der Einwand der Rechtskraft entgegengesetzt werden, obwohl es in der Sache um das Verbot des ne bis in idem geht. Man wird sich mit dem Rechtsschutzbedürfnis behelfen müssen, da bereits eine hoheitliche Scheidung vorliegt, die anerkennungsfähig und einer Scheidung durch Urteil gleichzustellen ist. Allerdings gilt die Verordnung nicht gegenüber dem Königreich Dänemark (Art. 1 III EheGV-VO), das eine Scheidung durch königliche Bewilligung kennt. Somit wird bei dänischen Scheidungen autonomes Recht gelten und eine Überprüfung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG stattfinden75. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, nach welchem Maßstab die Anerkennungsfähigkeit der Scheidung selbst beurteilt werden soll. Es findet lediglich keine Anwendung gemeinschaftlichen Verordnungsrechts statt, sondern die Lösung muss im autonomen Recht ermittelt werden. Danach wird die ausländische Eheauflösung durch Verwaltungsakt nach den Regeln des internationalen Verwaltungs-76, genauer des internationalen Verwaltungsverfahrensrechts beurteilt werden müssen, auch wenn die ohnehin nicht ausgereiften Regeln des internationalen Verwaltungsrechts nicht auf die Gestaltung privatrechtlicher Verhältnisse gemünzt sind77. Früher wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, derartige Scheidungsakte als Privatscheidungen zu behandeln und die Wirksamkeit nach Art. 17 EGBGB zu ermitteln78. Diese Vorgehensweise, die zu einer kollisionsrechtlichen Beurteilung der ausländischen Scheidung führt, ist nicht zu befürworten, denn sie ver74 Die entsprechenden klageabweisenden Entscheidungen dagegen werden von der Verordnung nicht erfasst und müssen nach autonomem Recht beurteilt werden, s. weiter oben, S. 351f. 75 S. dazu weiter oben, S. 363. 76 So Habscheid, FamRZ 1981, 1142, 1145, der allerdings dieser Frage leider nicht weiter nachgeht. 77 Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 230. 78 So Lewald, S. 125f.; Nussbaum, S. 166f.

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G. Ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte

kennt, dass ein konstitutiver Hoheitsakt ergangen ist, der die Ehe aufgelöst hat. Auch die Annahme, dass bei Anwendbarkeit deutschen Rechts in einem ausländischen Sachverhalt § 1564 S. 2 BGB derart zu deuten sei, dass bei deutscher lex causae eine gerichtliche Entscheidung notwendig sei79 und somit ausländische Scheidungen durch Verwaltungsakt unter Zugrundelegung deutschen materiellen Rechts überhaupt nicht anerkennungsfähig seien, ist verfehlt. Zuweilen wird die Anwendbarkeit von § 328 gefordert, wenn die Scheidung durch Verwaltungsakt ergangen ist, da eine Ehescheidung nach deutschem Recht nur durch gerichtliche Entscheidung und nicht durch Verwaltungsakt erfolgt und die ausländische rechtliche Technik nicht die Verringerung der Anforderungen von § 328 rechtfertige80. Auch das Kammergericht hatte vor Inkrafttreten des § 24 4. DVO EheG81 eine Ehescheidung durch königliche Bewilligung nach dänischem Recht als Verwaltungsakt qualifiziert und trotzdem § 328 angewandt, weil ehescheidende Verwaltungsakte nicht besser gestellt werden dürften als die entsprechenden Urteile82. Diese Ansicht ist jedoch nicht zu teilen – insbesondere würde sie in ihrer Verallgemeinerung zur Anwendung von § 328 führen, immer wenn eine Materie in Deutschland durch gerichtliches Urteil erledigt wird, und zwar unabhängig von der Qualifikation des anzuerkennenden ausländischen Hoheitsaktes. Weiter oben wurde für die Anerkennung »allgemeiner« ausländischer privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte für die Anwendung der Grundsätze einer »vernünftigen« Anerkennungsregelung plädiert, die sich aus § 328 1–4, § 16a FGG und Art. 34 EuGV-VO herausdestillieren lassen83. Das sollte auch gelten, wenn durch den Verwaltungsakt eine Ehe geschieden wurde, wofür auch die EheGV-VO spricht, die ausdrücklich auch für Scheidungen gilt, die durch Verwaltungsakt ausgesprochen wurden. Auch eine Entscheidung des BayObLG aus dem Jahre 1999 spricht dafür. Es ging um die Anerkennungsfähigkeit einer iranischen Scheidung, die vor einem Scheidungsnotariat stattgefunden hatte. Zwar wurde die iranische Scheidung in der Vergangenheit als Privatscheidung qualifiziert, die nach kollisionsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei84. Jedoch ist die behördliche Mitwirkung kon79

S. weiter oben, bei Fn. 114 (S.320). LG Lübeck, FamRZ 1957, 223 m.Anm. Bosch und Neuhaus, S. 394 (Neuhaus allerdings behauptet, es läge eine Privatscheidung mit behördlicher Registrierung vor); RGZ 136 (1932), 142, 147 (offen gelassen); Staudinger-Spellenberg, § 328 ZPO Rn. 230; a.A. grundsätzlich Geimer, IZPR, Rn. 2873: Entscheidungen von Verwaltungsbehörden fallen – mit Ausnahme dänischer Unterhaltsentscheidungen – nicht unter § 328. 81 Vom 25. 10. 1941, RGBl. I 654, in Kraft getreten am 1. 11. 1941 (Vorgänger des Art. 7 § 1 FamRÄndG). 82 KG, DR 1939, 1015. 83 S. weiter oben, S. 403f. 84 S. BayObLG, FamRZ 1978, 243. Die Grundgedanken der §§ 328, 606a spielten nur insofern 80

II. Scheidungen durch Verwaltungsakt und sonstige Verwaltungsakte

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stitutiv, so dass richtigerweise eine Scheidung durch Verwaltungsakt vorliegt. Gleichwohl spricht eine neuere Entscheidung des BayObLG von der Anerkennung ausländischer Urteile und wendet § 328 I an85. Es erscheint insgesamt sachgerecht, ausländische Ehescheidungen durch bestandskräftigen Verwaltungsakt einer international zuständigen Behörde86 grundsätzlich anzuerkennen und die Anerkennung lediglich zu versagen, wenn der Gegner nicht die Möglichkeit effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes hatte87 oder wenn sie gegen den ordre public international88 verstoßen oder unvereinbar sind mit einer inländischen oder im Inland anerkennungsfähigen Ehescheidung durch Hoheitsakt. Eine ausländische Privatscheidung, die lediglich kollisionsrechtlich »anerkannt« wird, liefert kein formelles Anerkennungshindernis, sondern ist lediglich im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtslage zu berücksichtigen.

eine Rolle, als im Rahmen der Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem ordre public ein Bezug zum Staat, dessen Recht maßgeblich ist, zu fordern sei. 85 BayObLG, NJW-RR 2000, 885f. 86 Dabei wird § 606a über die internationale Zuständigkeit in Ehesachen kein großes Hindernis bieten, da die in ihm begründeten Zuständigkeiten ausdrücklich als nicht ausschließlich bezeichnet werden. Zu diesem Erfordernis s. auch weiter oben, Fn. 47. 87 S. dazu weiter oben, S. 348. 88 Zu dem Begriff s. weiter oben, S. 315.

H. Berücksichtigung ausländischer Privatrechtsgestaltung im Zusammenhang mit einem Vollstreckungsakt Im ersten Teil wurde herausgearbeitet, dass einige Vollstreckungsmaßnahmen zwar im Ergebnis privatrechtsgestaltende Wirkung haben, diese jedoch nicht über eine verfahrensrechtliche Bindungswirkung erzeugt wird, sondern aufgrund einer Entscheidungsnorm, als gesetzliche Folge, sozusagen als atypische Tatbestandswirkung1. Eine Anerkennung nach § 328 scheitert bereits daran2, zusätzlich auch (außer beim Zuschlagsbeschluss) an der fehlenden materiellen Rechtskraftfähigkeit, die für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift vorausgesetzt wird3. Damit ist jedoch lediglich die Anerkennung direkt nach § 328 ausgeschlossen, es bleibt darüber hinaus zu überprüfen, ob die ausländische Gestaltung der privaten Rechtslage doch in irgend einer Form im Inland berücksichtigt wird. Relevanz für die privatrechtliche Lage hat etwa die Ablieferung nach § 817 ZPO bzw. der Zuschlag nach § 90 ZVG, da zum einen früheres Eigentum (des Schuldners oder eines Dritten) untergeht, zum anderen originäres Eigentum des Erstehers entsteht. Bei der Forderungsvollstreckung weiterhin das Verfügungsverbot sowie die (äußerst seltene) Überweisung an Zahlungs statt, die die volle Wirkung einer Abtretung hat4. In der Praxis taucht das Problem (noch) selten auf, so dass es weitgehend ungeklärt ist. Es existiert zwar eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die sich mit der Wirkung einer ausländischen Lohnpfändung befasst5, allerdings im Hinblick auf die öffentlichrechtlichen Folgen der Lohnpfändung, nämlich die Beschlagnahme6 und sie ist somit im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter zu untersuchen. 1

S. weiter oben, S. 279ff. Gegen die Anerkennung, wenn auch aus anderen Gründen, BAG, NZA 1997, 334, 336; zust. Stein/Jonas-Roth, § 328 Rn. 72; Geimer, IZPR, Rn. 2793; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 476; Schack, IPRax 1997, 318; Schütze, DIZPR, S. 193. 3 A.A. Beitzke, RabelsZ 30 (1966), 642, 658; Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 490; StaudingerSpellenberg, § 328 ZPO Rn. 211, allerdings mit dem Zusatz, dass Vollstreckungsakte auch in der Form von Gerichtsbeschlüssen gesondert zu behandeln seien. 4 Diese hat die volle Wirkung einer Abtretung. 5 BAG, NAZ 1997, 334 = EwiR 1996, 1055 (Mankowski). 6 Es lag folgender Fall zugrunde: Delta Airlines (mit Sitz in Atlanta) beschäftigten in ihrer Europazentrale in Frankfurt/M. einen Texaner mit Wohnsitz in Deutschland als Mechaniker, dessen Ehe scheiterte. Die Ehefrau zog nach Texas zurück und erwirkte dort einen Lohnpfändungsbeschluss eines texanischen Gerichts wegen Unterhaltsforderungen, der Delta Airlines in Atlanta zugestellt wurde. Die Fluggesellschaft zahlte daraufhin den gepfändeten Lohnteil daraufhin an 2

H. Berücksichtigung ausländischer Privatrechtsgestaltung

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Die Lösung zur Frage der Privatrechtsgestaltung durch ausländischen Vollstreckungsakt ist eine materiellrechtliche: Bei der Sachpfändung wird der Eigentumserwerb und das Erlöschen des Eigentums Dritter durch eine Entscheidungsnorm als Rechtsfolge vorgesehen, so dass es eine Frage der Auslegung dieser Norm ist, genauer eine Frage der Substitution, ob auch z.B. eine ausländische Ablieferung oder ein ausländischer Zuschlagsbeschluss diese Rechtsfolge hat. Bei der Forderungspfändung stellt sich die Problematik nur bei der äußerst seltenen Überweisung an Zahlungs statt: Auch hier ist der Forderungsübergang als eine Tatbestandswirkung des wirksam ergangenen Überweisungsbeschlusses anzusehen7, so dass die kollisionsrechtlich anzuwendende materiellrechtliche Norm ergeben wird, ob auch der ausländische Überweisungsbeschluss diese Wirkung haben soll8. Unter der Prämisse, dass sich die Privatrechtsgestaltung – atypisch und gegen die prozessuale Betrachtungsweise – bereits aus dem Gesetz ergibt und nicht aus der Regelungswirkung des Vollstreckungsakts, ist es korrekt, wenn diesbezüglich auf die materiellrechtliche Gestaltung abgestellt und das Kollisionsrecht befragt wird, um die schuld- und sachenrechtlichen Wirkungen des Vollstreckungsakts zu berücksichtigen9. Im Grunde genommen handelt es sich hier – anders als bei der Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte – um den Vollzug ausländischen Rechts, wie bereits Neumeyer festgestellt hatte: Die so genannte »Anerkennung« ausländischer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist die »Anwendung jener Sätze im Privatrecht des handelnden Staates, die an den Akt eine Rechtsveränderung anknüpfen«10. Dass es sich dabei um das Privatrecht des handelnden Staates handeln wird, bildet lediglich die Regel und ergibt sich aus der Anwendbarkeit der lex rei sitae, die die meisten Staaten befolgen. Korrekt abstrakt ausgedrückt geht es um die Anwendung der Rechtssätze des anwendbaren Rechts. Soweit sich die Frage stellt, ob der nach ausländischem Recht wirksame Vollstreckungsakt als Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung gelten kann, wird meist darauf abgestellt, ob das Urteil, auf dem er basiert, anerkannt wird11. Allerdings sollte richtigerweise die Anerkennungsfähigkeit der zugrunde liegenden Entscheidung nicht maßgeblich sein. »Solange ein Titel nicht völlig fehlt oder offensichtlich nichtig ist und sich die Zwangsvollstreckungsmaßnahme deshalb als die Ehefrau. Der Mechaniker verklagte Delta Airlines in Frankfurt/M. auf Zahlung seines vollen Lohnes an ihn. 7 S. weiter oben, S. 286. 8 S. bereits Rosenbaum, S. 37. 9 BGH, NJW 1989, 1352, wo die Rede von der »Anwendung« der ausländischen Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts ist, die nicht gegen den deutschen ordre public verstoße, kritisch Geimer, IZPR, Rn. 2794 und dort Fn. 100; vgl. Gottwald, IPRax 1991, 285, 288; Mankowski, EWiR 1990, 1055, 1056; Schack, IZVR, Rn. 958; Soergel-Kronke, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rn. 218. 10 Neumeyer, S. 171 und dort Fn. 7. 11 Gottwald, IPRax 1991, 285, 288; Schack, IZVR, Rn. 958; RGRK-Wengler, IPR/1, S. 404.

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H. Berücksichtigung ausländischer Privatrechtsgestaltung

willkürlich erweist, sollte uns die Anerkennungsfähigkeit des zugrunde liegenden Titels egal sein«12. Damit ist der originäre Rechtserwerb durch Zwangsversteigerung unabhängig von der Anerkennungsfähigkeit des zugrunde liegenden Urteils zu beachten13 und die Herausgabeklage des früheren Eigentümers wird keinen Erfolg haben. Dass der Bestand des Eigentumserwerbs auch nicht durch schwere Mängel des zugrunde liegenden Titels abhängig gemacht werden sollte, zeigt auch die innerstaatliche Praxis, wenn das Urteil wegen schweren Verfahrensverstoßes mit der Nichtigkeitsklage angegriffen wird: Der Eigentumserwerb wird nicht rückgängig gemacht, sondern es können nur Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche nach den allgemeinen Regeln geltend gemacht werden14. Darüber hinaus ist richtigerweise für die Entfaltung »echter« Tatbestandswirkungen des ausländischen Urteils auch keine Anerkennungsfähigkeit erforderlich15. Dies alles spricht dafür, auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr für den Eigentumserwerb nicht auf die Anerkennungsfähigkeit des zugrunde liegenden Urteils abzustellen, so dass auch die Eigentumszuweisung nach einer Zwangsvollstreckung aus sonstigen Titeln im Inland zu berücksichtigen ist. Eine Schranke kann nur der ordre public bilden (Art. 6 EGBGB).

12

Schack, IPRax 1997, 318, 322. RGRK-Wengler, IPR/1, S. 404. 14 Weder § 717 II noch § 717 III finden analog Anwendung, Rosenberg/Gaul/Schilken, § 15 V 4 b (S. 243f.) m.Nachw. auch zur Gegenansicht. 15 OLG Celle, NJW 1967, 783; a.A. Martiny, Hdb. IZVR III/1, Rn. 432; MünchKommZPOGottwald, § 328 Rn. 155; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 156 Rn. 4. 13

I. Ausländische Enteignungen Im innerstaatlichen Rechtsverkehr ergibt sich sowohl bei der Enteignung durch Gesetz als auch bei der Administrativenteignung die Gestaltung kraft Gesetzes und nicht als Folge der Regelungswirkung des enteignenden Verwaltungsakts, was an sich der prozessualen Betrachtungsweise widerspricht. Somit ist der enteignende Akt genau genommen kein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt1. Diese Sonderstellung spiegelt sich auch im internationalen Rechtsverkehr wider, wo angenommen wird, dass – abweichend vom Grundsatz, dass keine völkerrechtliche Anerkennungspflicht ausländischer Hoheitsakte besteht – speziell für Enteignungen ein Anerkennungszwang in Form des Territorialitätsprinzips besteht. Danach sind Enteignungen, die der fremde Staat innerhalb der Grenzen seiner Macht vorgenommen hat, auch im Inland »anzuerkennen«. Die Grenzen dieser Macht werden durch das Territorialitätsprinzip bestimmt, d.h. die Maßnahme muss im Belegenheitsstaat vorgenommen worden sein2. Dieses Prinzip wirke nämlich nicht nur negativ als Anerkennungshindernis, indem es die Anerkennung ausländischer Maßnahmen verbiete, die Gegenstände betreffen, welche sich im Ausland befinden, vielmehr komme ihm auch eine positive Wirkung zu, indem es die Berücksichtigung ausländischer Eingriffe gebiete3. Diese Begründung für eine Anerkennungspflicht wäre bemerkenswert, wenn die Enteignung als Gestaltung nicht als eine ipso iure eintretende materielle Rechtsfolge erfolgte, sondern kraft der Regelungswirkung eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts, denn dann müsste sie konsequent zu einer Anerkennungspflicht aller ausländischen Hoheitsakte führen, die innerhalb der Hoheitsgrenzen des ausländischen Staates ergangen sind. Vor dem Hintergrund jedoch, dass die Enteignung als materielle Rechtsfolge einer Norm eintritt, die als Tatbestandsvoraussetzung den enteignenden Akt hat, ist sie verständlich. Aus den glei1

S. weiter oben, S. 278. Problematisch ist bei der Enteignung von Forderungen, wo diese belegen sind. Diese Frage ist wichtig, um die Einhaltung des Territorialitätsprinzips überprüfen zu können. Für die Anerkennung ausländischer Forderungsenteignungen wird gefordert, dass sie in dem Staat stattgefunden haben, in dem der Schuldner der Forderung seinen Wohnsitz hat. – Kegel/Schurig, § 23 II 4 (S. 947f.) fordert eine Anknüpfung an die Lage des Schuldnervermögens, unabhängig vom Schuldnerwohnsitz, so dass die Forderungsenteignung immer und nur mit Wirkung für Schuldnervermögen im enteignenden Staat anerkannt wird – insbesondere soll keine Zwangsvollstreckung im Ausland möglich sein. 3 König, S. 75f. m.Nachw. zur älteren Literatur. 2

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I. Ausländische Enteignungen

chen Gründen dominiert bei der Berücksichtigung ausländischer Enteignungen zu Recht die materiellrechtliche Sicht. So wird z.B. geschrieben, dass »eine fremde Enteignung anzuerkennen heißt das fremde Enteignungsrecht anwenden«4. Auch wird der Grundsatz, dass ausländische Enteignungen anzuerkennen sind, als eine Kollisionsnorm aufgefasst5. Lediglich der ordre public nach Art. 6 EGBGB gilt als Schranke. Allerdings wird die Einhaltung des deutschen ordre public nur dann zu prüfen sein, wenn eine »Inlands- und Gegenwartsbeziehung« vorliegt6. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der ausländische Staat aufgrund seiner Personalhoheit Auslandsvermögen seiner Staatsbürger enteignet7 bzw. wenn dies indirekt geschieht, indem der ausländische Staat die Anteile ausländischer Gesellschafter einer Gesellschaft, die auch im Inland Vermögen besitzt, enteignet. In diesem Fall hat der BGH – allerdings nur in Fällen einer entschädigungslosen Enteignung (Konfiskation) und wenn der ausländische Staat die totale Kontrolle über die Gesellschaft erlangt hat – eine Rest- oder Spaltgesellschaft fingiert, der das Inlandsvermögen zustehe8. Allerdings wäre auch hier richtigerweise ein Entschädigungsanspruch angebracht9. Auch sonst ist bei Völkerrechtswidrigkeit lediglich eine Entschädigungspflicht anzunehmen10, da das materiellrechtliche Ergebnis bereits eingetreten ist. Die Berücksichtigung ausländischer Enteignungen scheint nunmehr gesichert zu sein, weniger präzise ist allerdings bislang ihre dogmatische Herleitung. Eine prozessuale Anerkennung unter Anlehnung an § 328 wollte Kreuzer vornehmen11. Überwiegend wird wohl angenommen, dass das Territorialitätsprinzip eine (ungeschriebene) Kollisionsnorm sei, die besage, dass ausländische Enteignungen unter den genannten Voraussetzung im Inland anzuerkennen seien12. Auch wenn jedoch dadurch zutreffend die materiellrechtliche Richtung eingeschlagen wird, ist diese Aussage verfehlt, denn eine Kollisionsnorm enthält per definitionem keine materiellrechtliche Regelung, sondern ordnet lediglich an, welches 4

Kegel/Schurig, § 23 II 1 (S. 943). Kegel/Schurig, § 23 durchgängig. 6 BVerfGE 84 (1992), 90, 123 – zum Merkmal der Inlandsbeziehung s. Herdegen, § 17 Rn. 15f. 7 S. ausführlich und mit Nachw. Herdegen, § 17 Rn. 18ff. sowie zur indirekten Enteignung Herdegen, ZGR 1991, 547ff. 8 BGHZ 62 (1974), 340, 343f.; BGHZ 25 (1958), 134, 146ff.; s. auch Staudinger-Stoll, IntSachenR, Rn. 204; Kropholler, IPR, § 55 III 2 (S. 569f.) sowie zur Spaltgesellschaft Herdegen, § 17 Rn. 21ff. sowie ders., ZGR 1991, 547, 550ff. m.Nachw.; Kegel/Schurig, § 23 II 4 d (S. 949f.). 9 Herdegen, § 17 Rn. 22 (erwägenswert). 10 Herdegen, a.a.O.; Kegel/Schurig, § 23 II 3 (S. 945), allerdings eher feststellend: »Meist wird aber nur eine Entschädigungspflicht behauptet«. 11 MünchKomm-Kreuzer3 (Vorauflage), nach Art. 38 EGBGB, Anh. III, Rn. 16ff.; ähnlich Schurig, Rn. 164f. außer bei der Legalenteignung. 12 S. z.B. Staudinger-Stoll, IntSachenR, Rn. 199 – Behrens, S. 20, fordert darüber hinaus die Rechtswissenschaft auf, neue Kollisionsnormen zu bilden, um den Bereich befriedigend zu decken. 5

I. Ausländische Enteignungen

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Recht anwendbar ist, mit anderen Worten verknüpft sie einen Sachverhalt mit Rechtssätzen13. Richtigerweise ist die Enteignung ein materieller Eigentumserwerbsgrund, so dass die anwendbare lex causae maßgeblich ist14, die das betroffene Rechtsverhältnis beherrscht, bei Enteignung körperlicher Gegenstände in der Regel15 die lex rei sitae, bei Enteignung von Gesellschaftsanteilen das Gesellschaftsstatut16. Konkreter hängt der Eigentumserwerb davon ab, ob die berufene lex causae einen originären Rechtserwerb durch Enteignung kennt und darüber hinaus muss durch Auslegung ermittelt werden, ob sie eine derartige Wirkung auch ausländischen Enteignungen zuspricht. Dies ist wiederum eine Frage der Substitution17: Der deutsche Rechtssatz lautet z.B., dass durch Enteignung (Tatbestandsvoraussetzung) originäres Eigentum entsteht (Rechtsfolge). Damit stellt sich die Frage, welche ausländischen Vorgänge als Enteignung im deutschen Sinn bzw. als einer deutschen Enteignung gleichwertig eingestuft werden können mit der Folge, dass sie auch den im deutschen Recht vorgesehenen Eigentumserwerb bewirken. Nach deutschem Verständnis muss ein hoheitlicher Eingriff in ein privatrechtliches Rechtsverhältnis vorliegen, der nicht der Durchsetzung der Privatrechtsordnung dient (wie dies bei der Zwangsvollstreckung oder dem Insolvenzverfahren der Fall ist), sondern übergeordnete Ziele verfolgt18 und auch nicht dem Strafrecht angehört. Bei der Enteignung körperlicher Gegenstände wird im Einzelnen bei intraterritorialer Enteignung ein Eigentumserwerb stattfinden, bei extraterritorialer erstmal auch, wenn das Recht des Belegenheitsstaates einen derartigen Eigentumserwerb kennt und durch Substitution auch die ausländische Enteignungsmaßnahme als ihre Tatbestandsvoraussetzung erfasst werden kann. Im zweiten Fall wird jedoch eventuell ein Verstoß gegen den ordre public vorliegen19, so dass kein Eigentumserwerb anzunehmen wäre. Wird ein Eigentumserwerb bejaht, bleibt er erhalten, auch wenn der enteignete Gegenstand in ein anderes Land verbracht wird und dadurch ein schlichter Statutenwechsel stattfindet (Art. 43 II EGBGB). 13 Kegel/Schurig, § 1 VIII 1 (S. 53), § 6 I (S. 300); dazu, dass der Begriff »Sachnormen im IPR« verfehlt ist, s. Schurig, S. 331, 240. Gemeint ist die Angleichung durch Eingriff in das anwendbare Sachrecht, s. Kegel/Schurig, § 8 III 3 (S. 371). 14 Wiesböck, S. 44f.; in Auflockerung der negativen Territorialitätsprinzips Stoll, Entwicklungen, 90, 94f.; Staudinger-Stoll, IntSachenR, Rn. 213f., 197; – dagegen MünchKomm-Kreuzer3 (Vorauflage), nach Art. 38 Anh. III Rn. 18; Neuhaus, WM 1966, 134, 136; Schurig, S. 165 – Herdegen, § 17 Rn. 12 sieht die lex rei sitae als eine Ausprägung des positiven Territorialitätsprinzips an. 15 Ausnahmen können sich z.B. ergeben bei Transportmitteln, die sachenrechtlich dem Recht des Herkunftsstaates unterliegen (Art. 45 EGBGB). 16 Lederer, IPRax 1994, 145, 147; für den Fall einer »maßvollen, wirtschaftspolitisch akzeptablen Enteignung von Gesellschaften oder Gesellschaftsrechten« Stoll, Entwicklungen, S. 93. 17 S. weiter oben, S. 306. 18 Staudinger-Stoll, IntSachenR, Rn. 197, 202. 19 Zur Frage der Geltung einer Enteignung, die nach der lex causae wirksam, aber völkerrechtswidrig ist, s. weiter oben, S. 417f.

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I. Ausländische Enteignungen

Wenn die extraterritoriale Enteignung Gegenstände betrifft, die sich in Deutschland befinden, wird deutsches Recht anwendbar sein, so dass Art. 6 EGBGB nicht unmittelbar gilt, weil dann nicht »die Rechtsnorm eines anderen Staates« angewandt wird. Jedoch ist Art. 6 EGBGB auch im Hinblick auf die Substitution anzuwenden und diese ist auszuschließen, wenn sie zu Ergebnissen führen würde, die gegen den deutschen ordre public verstoßen würden20. Ob dies per se der Fall ist, wenn der ausländische Staat eine extraterritoriale Enteignung vorgenommen hat, mag hier offen bleiben. Insbesondere die Diskussion um die Auflockerung des Territorialitätsprinzips bei extraterritorialen Enteignungen mit angemessener Entschädigung kann hier fruchtbar gemacht werden21 und ist beim Vorbehalt des ordre public richtig angesiedelt – dies gilt auch für die von Herdegen vorgeschlagene Abkehr von der starren Spaltungstheorie und der flexiblen Interessenabwägung bei der Enteignung von Gesellschaftsanteilen22. Und auch Stolls Anliegen, extraterritoriale Enteignungen nicht in jedem Fall abzulehnen, sondern nur, wenn sie sich als nicht »privatrechtsverträglich« erweisen23, lässt sich am besten im Rahmen der Prüfung eines eventuellen Verstoßes gegen den ordre public realisieren. Auch bei der Enteignung nichtkörperlicher Gegenstände wird ähnlich zu verfahren sein. Maßgeblich ist die lex causae, die das betroffene Rechtsverhältnis regelt. Falls sie nicht das Recht des enteignenden Staates ist, wird zu ermitteln sein, ob sie einen originären Rechtserwerb durch Enteignung kennt und ob auch die ausländische enteignende Maßnahme durch Substitution zu dieser Rechtsfolge führen kann.

20 Indirekt Kegel/Schurig, § 2 IV (S. 157f.): Für die Vorbehaltsklausel des ordre public bleibe ein eigener Spielraum bei Staatseingriffen in private Rechtsverhältnisse, wenn die Stellung des Einzelnen in für uns schlechthin untragbarer Weise eingeschränkt werde. 21 S. dazu Staudinger-Stoll, IntSachenR, Rn. 213. 22 Herdegen, § 17 Rn. 22. 23 Stoll, Entwicklungen, S. 93ff.

J. Ausblick Es ist festzustellen, dass im Bereich der hoheitlichen Gestaltungsakte eine Entwicklung in Richtung Integration zu verzeichnen ist. Insbesondere im Bereich der hoheitlichen Gestaltungsakte und ihrer engen Verwobenheit mit dem materiellen Recht wirkt das Gemeinschaftsrecht zunehmend auf das ansonsten eher dem nationalen Gesetzgeber überlassene Verfahrensrecht ein. Dies gilt umso mehr, als die EG-Freiheiten vom EuGH zunehmend vom rein wirtschaftlichen Sektor in private Bereiche erstreckt werden. Hier ist insbesondere das Recht auf freien Personenverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft relevant, vor allem im Bereich der Statusveränderungen. Die Integration kann auf mehr als einem Wege stattfinden. An der Spitze steht naturgemäß die Harmonisierung des materiellen Rechts. Sie bringt eine Integration »von innen heraus«, ist jedoch recht schwierig zu erzielen, da sie den größten Eingriff in die nationalen Rechtsordnungen darstellt. Obwohl die Harmonisierung des materiellen Rechts als die höchste Integrationsstufe anzusehen ist, wurde früher diskutiert, ob die gemeinschaftliche Befugnis für die Rechtsangleichung einer Materie auch die Befugnis umfasst, die gegenseitige Anerkennung öffentlicher Akte anzuordnen1. Dieser Frage, die schon bisher zu bejahen gewesen war, ist heute durch Art. 61c/65 EGV bzw. Art III-170 EU-Verf.2, die nachstehend zu behandeln sein werden, der Boden entzogen3. Eine ähnlich sensible Materie ist die Regelung des Verfahrensrechts durch die Gemeinschaft – vor allem nach dem Amsterdamer Vertrag ist eine zunehmende gemeinschaftliche Regelung des Zivilverfahrensrechts zu beobachten4. Sie kann sich auf den neuen Art. 65 EGV stützen5, der eine eigenständige Kompetenz der 1 Verneinend Beyer, S. 81ff., der Anerkennungsregeln nur als notwendige Ergänzung zu sonstigen Harmonisierungsmaßnahmen bejahte; Beyer, EWS 1999, 13, 15; Niehof, S. 71.; Steindorff, FS Lorenz, 561, 572. 2 S. hierzu Hobe, FS Jayme, 1123ff. 3 Es verbleibt gleichwohl eine Abgrenzungsproblematik zwischen den Art. 61c/65 EGV und Art. 95 EGV, der hier nicht weiter nachgegangen wird. Relevant ist sie lediglich im Hinblick auf die Mitwirkung der Europäischen Parlaments, betrifft also nicht das ob, sondern das wie. M.E. können auch Anerkennungsmaßnahmen auch auf Art. 95 EGV gestützt werden, s. z.B. auch Basedow, CMLR 37 (2000), 687, 697, 699. 4 Ausführlich hierzu Heß, NJW 2000, S. 23ff. 5 Genau genommen ist nicht Art. 65 EGV die eigentliche Kompetenznorm, sondern Art. 61c EGV, der von Art. 65 konkretisiert wird.

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J. Ausblick

Gemeinschaft zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eröffnet. Damit sind die Mitgliedstaaten in diesem Bereich nicht mehr auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen nach Art. 293 EGV (früher Art. 220) angewiesen. Diese Vorschrift ist sogar im hier besprochenen Zusammenhang enger als Art. 65 EGV, denn sie bezweckt lediglich, »das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes durch den Erlass von Zuständigkeitsregeln für die damit zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten und soweit wie möglich die Beseitigung der Schwierigkeiten in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung der Urteile im Gebiet der Vertragsstaaten zu erleichtern«6. Eine weitergehende Harmonisierung des Verfahrensrechts wird von Art. 293 EGV nicht gestützt, und auch die intergouvernementale Zusammenarbeit, wie sie früher Art. K 1 EUV für den Bereich Justiz und Inneres vorsah, beschränkt sich im neuen Art. 29 EUV auf die »polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen«7. Nach Art. 65 EGV kann die Gemeinschaft Sekundärrecht erlassen unter anderem zur Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Maßnahmen (Art. 65 Nr. a EGV) und auch zur Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften (Art. 65 Nr. c EGV). Die Aufzählung der in Art. 65 EGV genannten Ausprägungen der Zusammenarbeit in Zivilsachen ist auch nicht abschließend, wie die Formulierung »schließen ein« zeigt8. Zwar sieht Art. 65 EGV eine Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft nur vor, »soweit sie (die Maßnahmen) für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind«. Jedoch ist dieser Hinweis, der sich auch sonst oft in EG-Vorschriften sowie in Entscheidungen des EuGH findet, weit auszulegen9. Bereits die Formulierung des Titels IV EGV »Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr«10, zeigt an, dass eine Binnenmarktrelevanz regelmäßig vorhanden ist11. Es besteht ein weiter Einschätzungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers bezüglich der Binnenmarktrelevanz12, insbesondere ist zu berücksichtigen, dass nicht mehr die Möglichkeit besteht, im Hinblick auf die Zusammenarbeit in Zivilsachen auf Verträge nach Art. 293 EGV bzw. auf die intergouvernementale Zusammenarbeit der dritten Säule auszuweichen, da sich Art. 29 EUV wie erwähnt

6

EuGH v. 10. 2. 1994, Rs. C 398/92, EuGHE 1994, 467, 478 (Rn. 11). Dazu s. Callies/Ruffert-Brechmann, Art. 29 EUV; Geiger, Art. 29 EUV Rn. 1, 6. 8 S. z.B. Geiger, Art. 65 Rn. 3. 9 Lenz-Bergmann, Art. 65 Rn. 4; Streinz-Leible, Art. 65 Rn. 23; a.A. Calliess/Ruffert-Brechmann, Art. 65 Rn. 2. 10 Hervorhebung durch Verf. 11 Basedow, CMLR 37 (2000), 687, 701. 12 S. jedoch, insbesondere auch zur hier interessierenden Kompetenz zur Harmonisierung des Familienkollisionsrechts, Schack, ZEup 1999, 805, 807. 7

J. Ausblick

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auf die Zusammenarbeit in Strafsachen beschränkt13. Im hier interessierenden Bereich der Personenfreizügigkeit wird somit großzügig zu beurteilen sein, ob eine Rechtsangleichungsmaßnahme das Funktionieren des Binnenmarktes fördert. Tatsache ist, dass es in dieser Frage keine justiziable eindeutige Antwort geben kann. Über die Notwendigkeit und das Ausmaß einer Harmonisierung der Verfahrensrechte kann man durchaus geteilter Meinung sein. Sowohl für eine restriktive als auch für eine extensive Betrachtungsweise lassen sich Argumente finden: Wenn man eine möglichst vollständige Harmonisierung des Prozessrechts befürwortet, wird man schon den Binnenmarktbezug herstellen können und umgekehrt. Endgültige Wahrheiten gibt es nicht, letztendlich ist es eine rechtspolitische Frage, inwieweit man sich in der Europäischen Union ein vereinheitlichtes Rechtssystem vorstellen kann bzw. wünscht. In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass Art. 65 EGV ein Instrumentarium sein kann, das die »effektive Rechtsetzung in dem durch historische Unterschiede geprägten Bereich des Zivilprozessrechts und internationalen Privatrechts ermöglichen« kann14, mit dem Ziel, »dass die Unionsbürger das Gemeinschaftsrecht als reale Hilfe in ihrem Alltag erfahren und so ein gemeinsames Rechtsbewusstsein entwickeln«15. Auch ist die Erzeugung von Rechtssicherheit für Einzelpersonen und Unternehmen nicht zu verachten. Diese Ziele sind m.E. höher zu bewerten als Bedenken und Ängste, die jede von außen herkommende Änderung zwangsläufig erweckt. Art. 65 EGV bildet einen wichtigen – und richtigen – Schritt in Richtung der Rechtsharmonisierung. Zwar hat diese Vorschrift auch bittere Kritik hervorgerufen: »Der EU-Vertrag von Amsterdam ... hat mit Art. 65 EG-Vertrag (EGV) über die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen einen für das Internationale Privatund Zivilverfahrensrecht höchst gefährlichen Sprengsatz geschaffen, den die EGKommission allem Anschein nach sobald wie möglich zünden will. Leidtragende dieser Kompetenzanmaßung werden wir alle sein«16. Jedoch ist diese Kritik nicht berechtigt, denn der Binnenmarkt kann nur dann richtig funktionieren, wenn auch ein gemeinsamer verfahrensrechtlicher Nenner besteht17. »Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss der freie Verkehr der Entscheidungen in Zivilsachen verbessert und beschleunigt werden«18. Es genügt nämlich bekanntermaßen nicht, Recht zu haben – man muss auch Recht bekommen können. Die wachsende Tendenz der Prozessrechtsharmonisierung19 wurde durch die Rechtstechnik der Verordnung noch ein Stück vorangetrieben. Eventuell könn13

Grabitz/Hilf-Röben, Art. 65 Rn. 2. Grabitz/Hilf-Röben, Art. 65 Rn. 10. 15 Grabitz/Hilf-Röben, Art. 65 Rn. 2. 16 Schack, ZeuP 1999, 805 – allerdings ist Schack insofern Recht zu geben, als die Verordnungen teilweise nicht gründlich durchdacht sind und eine Materie nur fragmentarisch regeln, s. RabelsZ 65 (2000), 615, 633. 17 Dazu s. bereits Lakkis, S. 61ff.; Lakkis, Globale Märkte, 255, 259ff. 18 Erwägung Nr. 2 EheGV-VO. 19 S. zur Entwicklung seit dem Amsterdamer Vertrag ausführlich Heß, NJW 2000, 23ff. 14

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J. Ausblick

ten die punktuellen Regelungen sogar einen Schritt in Richtung eines einheitlichen Verfahrensrechts in der Europäischen Union bedeuten, was bereits von der Storme-Kommission angestrebt, jedoch seinerzeit aufgegeben wurde20. Diese Entwicklung wäre auch durch die modifizierte Aufnahme des Art. 65 EGV in Art. III-170 EU-Verfassung gefördert worden, die jedoch vorerst gescheitert ist. Hiernach wäre als Grundsatz die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen festgelegt (Art. III-170 Abs. 1), darüber hinaus würden die Maßnahmen nicht mehr nur erfolgen, »soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind« (so Art. 65 EGV), sondern »insbesondere, wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist« (Art III-170 Abs. 2), so dass eine Harmonisierung auch über diese Erforderlichkeit hinaus möglich gewesen wäre. Am 3.12. 1998 wurde in Wien vom Europäischen Rat ein Aktionsplan zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmung des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angenommen21. Auf der Tagung des Europäischen Rates in Tampere im nächsten Jahr22 wurde das Ziel der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bestätigt23. Am 30. November 2000 hat der Rat entsprechend den Schlussfolgerungen der Tagung in Tampere gemeinsam mit der Kommission ein Maßnahmeprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen angenommen. Darin wird zum einen erstrebt, die gegenseitige Anerkennung auf alle mit Zivil- und Handelssachen verbundenen Bereiche auszustrecken. Gleichzeitig sollen bislang vorhandene, aus politischem Kompromiss entstandene, Zwischenschritte zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen abgeschafft werden. Die Regierungskonferenz in Nizza hat schließlich am 11. Dezember 2000 eine Verfahrensvereinfachung beschlossen: Mit Inkrafttreten des Vertrages von Nizza24 werden Entscheidungen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Art. 65 EGV im Mitentscheidungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit (Art. 251 EGV) getroffen, mit Ausnahme der familienrechtlichen Aspekte (Art. 67 Nr. 5 EGV), für die immer noch Einstimmigkeit erforderlich ist.

20

S. zum Entwurf einer Europäischen Zivilprozessordnung den Bericht von Storme, RabelsZ 56 (1992), S. 290ff., sowie die Beiträge von H. Roth und Schilken und den Diskussionsbericht von Lemken in ZZP 109, S. 271ff., 315ff., 337ff.; zur Angleichung des Zivilprozessrechts in Europa jüngst Kerameus, RabelsZ 66 (2002), S. 1ff. 21 Abl. EG 1999 Nr. C 19, S. 1ff. 22 Am 15./16. Oktober 1999. 23 Auf dem Weg zu einer Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: die Meilensteine von Tampere, ABl. EG 2001 Nr. C 12, S. 1ff. 24 Am 1. 2. 2003.

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Inzwischen ist damit in der Gemeinschaft die Förderung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zur Chefsache geworden25. Die Gemeinschaft hat sich im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ein ehrgeiziges Programm gesetzt. Im geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Rates über eine allgemeine Rahmenregelung für Aktivitäten der Gemeinschaft zur Erleichterung der Verwirklichung des europäischen Rechtsraums in Zivilsachen wird als erstes Ziel die Förderung der justiziellen Zusammenarbeit genannt. Die soll insbesondere erfolgen durch die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Verbesserung des Zugangs zum Recht, die Förderung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen und Urteile, die Förderung der notwendigen Rechtsangleichung und die Beseitigung der durch Unterschiede im Zivilrecht und Zivilprozess bedingten Hindernisse26. Die Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft ist auch nicht auf eine Rechtsangleichung durch Richtlinien begrenzt, sondern umfasst auch die Rechtsvereinheitlichung durch Verordnung. Soweit eine Kompetenz lediglich zur Rechtsangleichung durch Richtlinien auf die Formulierung des Art. 65 EGV gestützt wird, der die Förderung der Vereinbarkeit der Kollisionsnormen vorsieht27, ist dem durch die neue EU-Verfassung der Boden entzogen worden: In Art. III-170, der Art. 65 EGV ersetz hätte wird, waren diese Worte gestrichen worden (Abs. 2 Nr. c). Andererseits hieß es in Art. III-170 Abs. 1, dass Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ergriffen werden könnten28. Ohne hier die mittlerweile gegenstandslos gewordene Problematik abschließend beantworten zu wollen, war auch dadurch m.E. die Kompetenz der Gemeinschaft zur Rechtsvereinheitlichung gegeben. Sie ist einer Rechtsangleichung sogar vorzuziehen29, wenn es darum geht zu gewährleisten, dass dasselbe Recht angewandt wird, egal in welchem Mitgliedstaat der Rechtsstreit geführt wird. Dies gilt jedenfalls für das Kollisionsrecht, das – insofern ver25 Zu den sich in Vorbereitung befindlichen und den in Aussicht stehenden Projekten der Gemeinschaft im Bereich der Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Materien, die über die EuGV-VO und die EheGV-VO hinausgehen s. R. Wagner, 249, 256ff. 26 Art. 2 I des Geänderten Vorschlags für eine Verordnung des Rates über eine allgemeine Rahmenregelung für Maßnahmen der Gemeinschaft zur Erleichterung der Verwirklichung des europäischen Rechtsraums in Zivilsachen (gemäß Artikel 250, Absatz 2 des EG-Vertrages von der Kommission vorgelegt), Abl. EG Nr. C 51 vom 26. 2. 2002, S. 390ff.; s. auch den Entwurf für eine Verordnung des Rates über eine allgemeine Rahmenregelung der Gemeinschaft für Aktivitäten zur Erleichterung der Verwirklichung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, Abl. EG Nr. 47 E vom 27. 2. 2003, S. 57. 27 Eine derartige Eingrenzung ist abzulehnen, s. dazu Streinz-Leible, Art 65 EGV Rn. 26 m.Nachw. auch zur Gegenansicht; unklar ist, ob Calliess/Ruffert-Brechmann, Art. 65 Rn. 8 die Ablehnung einer »Vollständigen Harmonisierung« darauf beziehen, dass ganze inhaltliche Bereiche geregelt werden, oder ob das rechtstechnische Instrument gemeint ist. 28 Nicht gesehen von Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119, 133 zum Entwurf des Konvents (Abl. EU vom 18. 7. 2003, Nr. C 169, S. 1ff.). 29 Remien, CMLR 38 (2001), 53, 77; Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119, 127ff. m.Nachw. auch zur Gegenansicht.

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gleichbar mit dem Verfahrensrecht – hoch technisch ist, so dass schlichte Zielvorgaben nicht zum gewünschten Ergebnis führen30. Zu Recht weist Leible sogar darauf hin, dass »die augenblickliche Disharmonie zwischen den Anknüpfungsregeln im Binnenmarkt auf das Handlungsinstrument der Richtlinie zurückzuführen« ist31. Bezeichnend für die wachsende Tendenz der prozessualen Integration ist bereits die Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen. Dieser Bereich, der zu Zeiten des EuGVÜ als zu empfindlich angesehen wurde, um geregelt zu werden, wurde nunmehr durch die Verordnung vereinheitlicht. Das ist ein Beweis für die wachsende Verzahnung der Rechtsordnungen und die Bereitschaft, immer weniger auf die Souveränität zu verweisen und immer mehr Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen der übrigen Mitgliedstaaten zu setzen. Diese Entwicklung ist zu begrüßen und zu unterstützen. Mittlerweile sind noch weitere Schritte unternommen worden, die über die bloße Anerkennung ausländischer Rechtsakte hinausgehen. Die Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ist bereits seit dem 21. 10. 2005 anwendbar32. Am 4. 7. 2006 wurde der Vorschlag einer Verordnung zum Europäischen Mahnverfahren nach dem gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 30.6. 2006 erneut an das Europäische Parlament geleitet. Er wurde insofern entschärft, als er nur noch grenzübergreifende Sachverhalte erfasst, während nach dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag sogar Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Charakter erfasst werden sollten33. Denkbar und im Hinblick auf die Mobilität innerhalb der Gemeinschaft äußerst wünschenswert wäre auch die Vereinheitlichung der einvernehmlichen Scheidung und die Einführung eines entsprechenden europäischen Scheidungstitels. Eine Harmonisierung des Verfahrensrechts und die daraus folgende Anerkennungspflicht des verfahrensrechtlichen Schlussaktes ist jedoch dann nicht unproblematisch, wenn die anwendbaren Sachrechte sehr stark divergieren, so dass auch die Entscheidungen sehr unterschiedlich ausfallen würden in den unterschiedlichen Rechtsordnungen. Dies gilt auch, wenn als Alternative zur Vermeidung der »langwierige(n) und schwierige(n), mittelfristig wohl auch politisch nicht durchsetzbare(n) gemeinschaftsrechtliche(n) Vollharmonisierung der na30

Wagner, NJW 2003, 2344, 2345; ähnlich Basedow, CMLR 37 (2000), 687, 706. Streinz-Leible, Art. 65 EGV Rn. 26. 32 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Abl. EU L 143 vom 30. 4. 2004, S. 15ff.; s. dazu Wagner, IPRax 2002, S. 75ff.; Yessiou-Faltsi, 213ff., die offen lässt, ob dies ein Schritt zur Schaffung eines europäischen Vollstreckungsrechts ist (S. 248). 33 KOM(2004) 173 endg./3 vom 25. 5. 2004, S. 7ff. 31

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tionalen Bestimmungen« die Erweiterung der Anerkennungspflicht ausländischer privatrechtsgestaltender Hoheitsakte34 ohne sonstige vorangehende Harmonisierung des Kollisionsrechts angestrebt wird. Die isolierte Anerkennungspflicht (ohne kollisionsrechtliche Überprüfung, wie es in modernen Anerkennungsvorschriften der Fall ist) ist dann problematisch, wenn die Gerichte mehrerer Staaten internationale Zuständigkeit haben und wenn das materielle Ergebnis in wesentlichen Punkten sehr stark abweicht von dem materiellen Ergebnis, das bei einem inländischen Verfahren erzielt worden wäre. Dies gilt insbesondere für das Familienrecht, das sehr stark beeinflusst ist von kulturellen und religiösen Traditionen35. Das Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen, das die Basis ist für eine automatische Anerkennung ohne Nachprüfung in der Sache, wird stark gefördert, wenn in den Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beurteilungsgrundlage gegeben ist36. Und aus dem umgekehrten Blickwinkel formuliert, ist in den Worten Remiens die Tatsache, dass wegen unterschiedlicher Kollisionsnormen ein und dasselbe Rechtsverhältnis – eine Sicherheit, eine Ehe, eine Erbfolge – von den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt wird, nicht nur anachronistisch, sondern sie ist weder verständlich noch tolerabel in einem »Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts«, wie ihn Art 61 EGV verspricht37. Dieses Problem entsteht nicht, wenn die Gerichte nur eines Staates internationale Zuständigkeit haben38. Allerdings ist eine restriktive Gestaltung der internationalen Zuständigkeit nicht zu befürworten, da sonst der Zugang zum Recht stark eingeschränkt würde, was geradezu der europäischen Idee widersprechen würde39. Eine Harmonisierung des Kollisionsrechts ist in diesem Fall das Mittel der Wahl40. Das gilt insbesondere, weil hinkende Rechtsverhältnisse, die die Freizügigkeit der Bürger einschränken, nicht durch die unterschiedlichen Sachrechte, 34

Schlag, S. 38. Vgl. zum Thema kulturelle Identität und IPR Mansel, IPRax 2003, S. 182, 183; – nach Pintens, ZEuP 1998, 670, 672 ist jedoch das Familien- und Erbrecht in Europa heute viel weniger kultur- und lokalgebunden, als man auf den ersten Blick denkt; s. dazu jüngst Dethloff, AcP 204, 544, 545ff. 36 Kohler, Status als Ware, 41, 45, meint sogar, dass die gemeinsame Beurteilung Voraussetzung für ein solches Vertrauen ist. 37 Remien, CMLR 38 (2001), 53, 60 (in englischer Sprache). 38 Die deutsche Delegation hatte während der Beratungen zur EheGV-VO eine Rangordnung der Zuständigkeiten vorgeschlagen, so dass stets nur ein Staat zuständig sein könnte, s. Pirrung, ZeuP 1999, 834, 844. 39 Trotzdem wurde sie im Report des Asser-Instituts als Alternative zusammen mit der stringenten Anwendbarkeit der lex fori angedacht, falls eine Harmonisierung des Kollisionsrechts unmöglich sein sollte (S. 60). Der Text ist abrufbar unter ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/ cicil/studies/doc/divorce_matters_en.pdf 40 S. jedoch zu den Vorzügen eines »Anerkennungssystems«, eventuell selbst privater Akte nach Vorlage der Rechtslagen durch rechtsgeschäftliches Handeln im Sachenrecht Coester-Waltjen, FS Jayme I, 121, 123f., 128f. 35

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sondern durch die unterschiedliche Anknüpfung verursacht werden41. Auch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ist dazu übergegangen, »Gesamtpakete« zu verabschieden, die Zuständigkeit, Anerkennung/Vollstreckung und anwendbares Recht regeln42. Auf EU-Ebene hat die Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ihrem Schlussbericht zusammenfassend vorgeschlagen, »die Zuständigkeit und die Anerkennung der ... Entscheidungen in Erbsachen nicht ohne gleichzeitige Harmonisierung des IPR zu regeln«43. Die Harmonisierung des Kollisionsrechts ist heute auf der Grundlage des Art. 65 Nr. b EGV möglich, der Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten erlaubt. Bereits im Wiener Aktionsplan wurde unter anderem die Harmonisierung des europäischen Kollisionsrechts in Scheidungsfällen angesprochen: »Die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen ist von grundlegender Bedeutung für den Raum des Rechts. Dementsprechend müssen die Regelungen für Gesetzes- und Zuständigkeitskonflikte angeglichen werden, insbesondere in den Bereichen vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse, Scheidung, Ehegüterrecht und Erbrecht«44. Dabei wird vermutlich eine Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip und eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt dominieren45. Speziell zum Scheidungsrecht wurde vom T.M.C. Asser Institut in Den Haag eine Studie erstellt46 und es soll ein Weißbuch folgen47. Im Vergleich zu einer Harmonisierung der Sachenrechte dürfte eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts leichter durchzusetzen sein, da sie keinen Einschnitt in die materiellen Rechte bedeutet48. »Erst wenn gewährleistet ist, dass 41 Zutreffend Rauscher, FS Jayme, 719, 723. Dadurch, dass – so lange keine zeitliche Zäsur durch die Eröffnung eines Verfahrens stattfindet – auch bei vereinheitlichtem IPR hinkende Statusverhältnisse entstehen können, s. weiter unten, S. 430. 42 So zuletzt im Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (abrufbar bei www.hcch.net), noch deutlicher wird dies in der Überschrift des Übereinkommens »über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern« (abrufbar bei www.hcch.net). 43 DNotI, Studie, S. 183 (Hervorhebung im Original), s. auch S. 223: es werde »dringend empfohlen, gleichzeitig mit der Schaffung einheitlicher Regeln für die internationale Zuständigkeit und Anerkennung auch das Kollisionsrecht in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen«, S. 307: Die (vorgeschlagene) Schaffung eines europäischen Erbscheins sollte mit einer Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsnormen einhergehen. 44 Abl. EG 1999 Nr. C 19, 1ff., Nr. 10. 45 Dethloff, AcP 204, 544, 552; Henrich, FS Stoll, 437, 443; ders., FS Hausheer, 235, 241f.; Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225, 243; Wagner, FamRZ 2003, 803, 805f.; kritisch Rauscher, FS Jayme, 719, 730ff. 46 ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/civilstudies/doc/divorce_matters_en.pdf 47 Information bei Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119, 121. 48 Martiny, RabelsZ 59 (1995), S. 419ff.; Rauscher, FS Geimer, 883, 889ff., insbes. 891: dann

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sich das anwendbare Recht nicht mit der Zuständigkeit ändert, konkurrierend zuständige Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten also den Antrag auf Auflösung oder Trennung der Ehe etc. nach denselben Sachnormen entscheiden, lassen sich die Beachtung fremder Rechtshängigkeit und der Verzicht auf kollisionsrechtliche Nachprüfung bei der Anerkennung wirklich rechtfertigen«49. Am einfachsten wird selbstverständlich die Harmonisierung des Kollisionsrechts im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Mindestharmonisierung des materiellen Rechts hinzunehmen sein50. Insbesondere wird dann der Vorbehalt des ordre public sehr restriktiv zu handhaben bzw. ausgeschlossen sein51. Aber auch ohne Mindestharmonisierung ist die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts ein Schritt, der mit Sicherheit weniger weit reicht, als eine Harmonisierung des Sachenrechts, jedoch den Vorteil der leichteren Durchsetzbarkeit genießt52. Und aus der umgekehrten Sicht wird die Harmonisierung des IPR in dem Maße wichtiger, in dem von einer Harmonisierung des Sachenrechts Abstand genommen wird53. Damit wird eine Verlagerung der Funktion des Kollisionsrechts unvermeidlich werden: Zum einen wird es vornehmlich auf die Erfordernisse der Freiheiten abzustimmen sein54, zum anderen wird – was die einzelnen Sachrechtsordnungen betrifft – eine Rückkehr zum sachrechtsneutralen Kollisionsrecht55 unvermeidlich56. Jedenfalls wird eine Harmonisierung des Kollisionsrechts unzweifelhaft die Akzeptanz ausländischer Entscheidungen fördern57. Sie ist auch kein Trauma, stünden die nationalen Scheidungsrechte nicht unter unnötigem Harmonisierungsdruck; für die Vereinheitlichung des IPR, zumindest in Europa, auch Spellenberg, FS Geimer, 1257, 1262. 49 Hohloch, 23, 35; Kohler, NJW 2001, 10, 15; Schack, RabelsZ (2001), 615, 634; Sedlmeider, European Legal Forum 2002, 35, 42; Spellenberg, FS Schumann, 423, 426; ders., FS Geimer, 1257, 1279; ders., ZZPInt 6 (2001), 109, 111f.; ähnlich Puszkajler, IPRax 2001, 81, 84, der die »IPRBlindheit« der EheGV-VO beklagt. 50 Roth, IPRax 1994, 165, 174. 51 Roth, S. 701f. 52 Eine andere Frage ist, ob ein vereinheitlichtes Kollisionsrecht nur für innergemeinschaftliche Sachverhalte gelten sollte oder allgemein für jeden grenzübergreifenden Sachverhalt, s. dazu Basedow, FS Lorenz, 463, 471ff.; ders., CMLR 37 (2000), 687, 702ff.; Remien, CMLR 38 (2001), 53, 75f. – es ist zu vermeiden, dass sich in der Europäischen Union zwei Kollisionsrechte, eines für Binnenfälle, ein anderes für Fälle mit Bezug zu Drittstaaten, entwickeln, insbesondere, wenn mitgliedstaatliche Urteile mit Drittstaatenbezug automatisch anerkannt werden – zur Frage, ob sich Europa auf dem Wege zu einem interlokalen Kollisionsrecht befindet und zugleich zu den Risiken zweier paralleler Kollisionssysteme s. Jayme, Interlokales Kollisionsrecht, 31, 33ff.; – speziell zur Problematik des Kollisionsrechts bei Versicherungsverträgen, die Risiken sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union abdecken, Roth, FS Lorenz, 631, 640ff. – Ausgeklammert muss an dieser Stelle auch die Frage werden, ob das Herkunftslandprinzip im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit eine Kollisionsnorm ist oder nicht. 53 Vgl. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 639. 54 Roth, ZEup 1994, 5, 32. 55 Zu den verschiedenen Funktionen des Kollisionsrechts s. eingehend Roth, S. 110ff.; jüngst zur Entwicklung des IPR Siehr, FS Jayme, S. 873ff. 56 S. hierzu einige Gedanken bei Kreuzer, 457, 537ff. 57 Dafür plädieren auch Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 514.

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wie Linke annimmt und zum resignierenden Schlusssatz gelangt, dass inzwischen »die Abendstunde des internationalen Privat- und Verfahrensrechts nationalstaatlicher Prägung« angebrochen sei58. Es ist darauf hinzuweisen, dass durch eine Harmonisierung des Privatrechts nicht jede Problematik gelöst wird, die z.B. im Familien- und Erbrecht im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten entsteht. Insbesondere bei wandelnder Anknüpfung, z.B. an den gewöhnlichen Aufenthalt, kann es durch eine Wohnsitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat zu einem Statutenwechsel und damit eventuell zu einem nicht hinnehmenden Statusverlust59 kommen. Dieses Problem lässt sich nur durch eine Korrektur auf der Ebene des materiellen Rechts lösen60 und ist im Rahmen dieser Arbeit, die die Problematik bereits vorhandener privatrechtsgestaltender Hoheitsakte behandelt, nicht relevant: Durch das Verfahren, das dem Gestaltungsakt vorangeht, findet eine zeitliche Zäsur statt, die auch das zu dem Zeitpunkt anwendbare Recht fixiert. Bei Vereinheitlichung des Kollisionsrechts würde daher zu dem betreffenden Zeitpunkt vor jedem mitgliedstaatlichen forum dasselbe materielle Recht angewandt, so dass der Reiz des forum shopping größtenteils entfällt61 und die Akzeptanz des ausländischen Gestaltungsakts wie erwähnt steigt. Die Harmonisierung des Kollisionsrechts wird von der Kommission selbst in ihrem geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (»Rom II«)62 als »flankierende Maßnahme« bezeichnet, die die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erleichtern soll63, die wiederum vom Europäischen Rat in Tampere »zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in Zivilals auch in Strafsachen innerhalb der Union« erklärt wurde64. Endziel ist die Aufhebung aller »Zwischenmaßnahmen« (d.h. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren), die jedoch ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraussetze, das nur dann gewährleistet sei, wenn die einzelstaatlichen Gerichte auf einen bestimmten Sachverhalt dieselben Kollisionsnormen anwenden65. 58

Linke, FS Geimer, 529, 554. Ein Statusverlust führt auf jeden Fall zu einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit, s. Dethloff, AcP 204, 544, 558. 60 Eingehend für das Familienrecht mit einem Vorschlag für die Einführung einer »europäischen Ehe« Dethloff, AcP 204, 544, 566ff. 61 Ein – allerdings kleiner – Restbereich verbleibt im Hinblick auf die Ausgestaltung der unterschiedlichen Verfahrensrechte, z.B. betreffend den einstweiligen Rechtsschutz. 62 Vorlage der Kommission gemäß Artikel 250 Absatz 2 EG-Vertrag, KOM (2006), 83 endg. 63 Erwägungsgrund Nr. 3. 64 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. C 12 vom 15. 1. 2001, S. 1; – s. hierzu Kohler, FamRZ 2002, S. 709ff. 65 KOM(2003) 427 endg., S. 7f. Wagner (IPRax 2000,512, 519) mahnt, bis zur Harmonisierung des Kollisionsrechts nicht die nationalen (Familien-) Kollisionsrechte mit Hilfe des Art. 12 EGV 59

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Durch eine Harmonisierung der Kollisionsnormen wird auch das forumshopping eingedämmt, das derzeit möglich ist, da sowohl EuGV-VO als auch EheGV-VO mehrere Gerichtsstände vorsehen66. Einziger Grund, bei harmonisierten Kollisionsnormen die Anerkennung eines ausländischen Urteils nicht zu wünschen, wäre, wenn das ausländische Verfahren den verfahrensrechtlichen ordre public international verletzen sollte. Noch sehen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen einen ordre public-Vorbehalt vor, so dass hierüber ein Korrektiv möglich ist. Mittel- bis langfristig wird zwar die Abschaffung dieses Vorbehalts angestrebt, jedoch nur nach Setzung gewisser gemeinsamer Mindeststandards der Gerichtsverfahren67.

über den Haufen zu werfen; – zum Einfluss des Diskriminierungsverbots auf das IPR s. eingehend Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 641ff. 66 S. zum forum shopping als indirekte Wahl des anzuwendenden Sachrechts Kropholler, FS Firsching, 165, 171f. 67 S. das Maßnahmenprogramm, a.a.O.

Zusammenfassung der gesamten Gedankenführung Den Anstoß für diese Arbeit hatte die Erkenntnis gegeben, dass die Behandlung der Gestaltungsurteile prozessual nicht stimmig ist – insbesondere fiel die Verquickung von materiellrechtlichen und prozessualen Aspekten auf. Die Gestaltungsklagen und -urteile nehmen eine Sonderstellung ein, die z.T. nicht mit den prozessualen Grundsätzen, die für Feststellungs- und Leistungsurteile gelten, übereinstimmt. Das hat sich früher bereits darin gezeigt, dass den Gestaltungsurteilen eine derart wichtige prozessuale Urteilswirkung wie die materielle Rechtskraft einfach aberkannt wurde, weil hierfür kein Bedürfnis bestünde. Es stellt mit Sicherheit nicht das wichtigste Problem bei den Gestaltungsklagen dar, dass nicht einmal ihre Grundlage feststeht, auch wenn dies symptomatisch ist für den Sonderstatus, der ihnen ohne größere Bedenken verliehen wird. Man kann sich nicht einmal auf den Gegenstand der Gestaltungsklage einigen: Zur Auswahl stehen ein öffentliches subjektives Recht, gar kein subjektives Recht, ein materielles Gestaltungsrecht oder sogar eine Art Anspruch. Dabei geht man bei der ersteren Variante ohne weitere Rechtfertigung darüber hinweg, dass die Ansicht, dass Verfahrensgegenstand (lediglich) der Rechtsschutzanspruch ist, längst aufgegeben ist. Auch die Problematik der Zulässigkeit des Zivilrechtswegs sowie der Grundsatz, dass der Zivilprozess der Durchsetzung subjektiver materieller Rechte dient, werden durch diese Deutung des Klagegegenstands beiseite geschoben. Darüber hinaus werden Mitwirkungsansprüche zur Herbeiführung der Gestaltung angenommen, die jedoch nicht wirklich auf Mitwirkung zielen (und auch nicht einklagbar sind), sondern lediglich der Erzeugung von sekundären Schadensersatzansprüchen dienen. Im Hinblick auf die Sonderbehandlung der Gestaltungsklagen ist es besonders misslich, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für die Einsetzung des rechtstechnischen Mittels der Gestaltungsklage statt der Verleihung eines rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechts oder der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 oft eine willkürliche zu sein scheint, die meist ohne Begründung erfolgt. Insbesondere wird dies deutlich bei der Klage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Widerspruch nach § 574a BGB sowie bei der Drittwiderspruchsklage des Vollstreckungsrechts (§ 771 ZPO): In beiden Fällen sind Leistungsansprüche gegeben, deren Geltendmachung jedoch von einer Gestaltungsklage verdrängt wird. Insbesondere die Drittwiderspruchsklage ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, denn der Herausgabeanspruch des Dritten wird (wenn

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auch nur temporär) rechtsschutzlos gestellt, da nach h.M. das stattgebende Urteil keine rechtskräftige Feststellung des Drittrechts beinhaltet. Diese Bemerkungen stellen die traditionelle Dreiteilung der Klagen und Urteile in Frage. Trotzdem sollte diese beibehalten werden, da Gestaltungsklagen und -urteile auf jeden Fall Besonderheiten aufweisen. Allerdings besteht keine unüberwindbare Kluft zwischen Gestaltungsklagen einerseits und Feststellungssowie Leistungsklagen andererseits. Im Gegenteil, die Gestaltungsklage ist eng mit der Leistungsklage verwandt, wie auch die Zufälligkeit zeigt, die oft zur einen oder zur anderen Rechtsschutzform führt. Auch zur Feststellungsklage besteht eine besondere Sachnähe, da die wichtigste Wirkung, die den Bestand des Gestaltungsurteils prozessual sichert, die Feststellungswirkung ist. Auch im Verwaltungsrecht zeigt sich die Sachnähe von Leistungs- und Gestaltungsklage bei der Einordnung der Verpflichtungsklage im Verhältnis zur Anfechtungsklage: Hier sieht man sich an die Frage nach der Abgrenzung Klage auf Abgabe einer Willenserklärung von der der Gestaltungsklage erinnert. Auch hier wäre das Rechtsschutzergebnis der Anfechtungsklage rechtstechnisch genau so gut zu erreichen durch eine Verpflichtungsklage auf Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts. Wegen der Sachnähe der beiden Klagearten wird im Verwaltungsrecht die Verpflichtungsklage, ähnlich wie im Zivilprozessrecht die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, zuweilen als Gestaltungsklage eingestuft. Für die Sonderbehandlung, die Gestaltungsklagen und -urteile genießen, ist weiterhin bezeichnend, dass nicht nur ihre materielle Grundlage strittig ist, sondern selbst ihre dogmatische Einordnung: Es wird sowohl vertreten, dass sie eigentlich Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seien, als auch, dass es sich materiell um Verwaltungstätigkeit handele. Nach richtiger Ansicht liegt der Gestaltungsklage ein materielles Gestaltungsklagerecht zugrunde, das es dem Kläger ermöglicht, mittels erfolgreicher Klageerhebung die Rechtslage zu ändern. Zwischen rechtsgeschäftlicher und urteilsmäßiger Gestaltung besteht eine Parallele, der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen der Gestaltung liegt in dem Zeitpunkt, zu dem Rechtssicherheit erzeugt wird. Bei der Gestaltungsklage lautet der Grundsatz: Erst der Prozess, dann die Gestaltung. Das Gesagte gilt auch für die Gestaltungsklagen, die Rechtsverhältnisse betreffen, die der Privatautonomie entzogen sind. Insbesondere ist hier zu beachten, dass die durch das neue Kindschaftsreformgesetz eingeführte Möglichkeit der Drittdisposition über den Kindesstatus (§ 1599 II BGB) den Grundsatz aufweicht, dass Statusverhältnisse der Privatautonomie entzogen sind. Die hier vertretene Ansicht, dass rechtsgeschäftliches und klageweise ausgeübtes Gestaltungsrecht nicht wesensverschieden sind, soll nicht zu der Annahme verleiten, es sei der Lehre vom Doppeltatbestand beizupflichten, nach der sich Privatakt und Urteil zu einem Doppeltatbestand verbinden. Insgesamt dominiert die Behandlung der statusändernden Klagen die Aussagen zu den Gestaltungsurteilen. Die Selbstverständlichkeit, mit der man hier ge-

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neigt ist, das Postulat der notwendigen umfassenden Bindung an das Statusurteil hinzunehmen, hat durch Verallgemeinerung zu der gängigen, dogmatisch vielfach angreifbaren Behandlung aller Gestaltungsurteile geführt. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit das Gestaltungsurteil allgemein behandelt und es werden Lösungen gesucht, die sich in die prozessuale Dogmatik und Systematik einfügen. Erst in zweiter Stelle stellt sich die Frage, ob die Wichtigkeit einzelner Gestaltungsurteile eine – diesmal jedoch spezifisch begründete – Sonderbehandlung gebietet. Der Vergleich mit der rechtsgeschäftlichen Gestaltung samt nachfolgender gerichtlicher Bestätigung zeigt, dass eine materielle Gestaltung nicht begriffsnotwendig umfassende prozessuale Bindung erzeugen muss. Abgesehen von der Problematik, ob die Rechtsmäßigkeit der Gestaltung an sich oder »nur« die geänderte Rechtslage zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein dürfen, bindet das Urteil nur im Rahmen seiner Rechtskraft. Da in einigen Fällen die Gestaltungsklage durch eine rechtsgeschäftliche Gestaltung ersetzt werden kann (z.B. die Auflösungsklage durch einen Beschluss der Gesellschafter oder durch Kündigung mit Auflösungsfolge) führt die konkrete Wahl des einen oder des anderen rechtstechnischen Mittels zu einem drastischen Unterschied in den Urteilswirkungen. Wird die OHG z.B. durch Gestaltungsklage aufgelöst, sollen alle prozessual an das Urteil gebunden sein. Wird jedoch die gleiche Gesellschaft durch Kündigung eines Gesellschafters aufgelöst, die nach dem Gesellschaftsvertrag zur Auflösung führt, werden Unsicherheiten über die Rechtmäßigkeit der Gestaltung nach diametral unterschiedlichen Kriterien behandelt: Im ersten Fall kann niemand mehr vorbringen, dass die Voraussetzungen für die Auflösung nicht vorlagen, im zweiten Fall kann jeder Einwände erheben, der nicht von der Rechtskraft des eventuell schon ergangenen Urteils erfasst wird. Dieser Unterschied wird von den Gerichten sogar ausdrücklich hingenommen mit einem bloßen Verweis auf die formale Rechtsnatur des Urteils. Damit stellt sich die Frage nach der Stichhaltigkeit der gängigen Begründung, dass das Gestaltungsurteil für und gegen jeden wirken muss, weil die Gesellschaft nicht dem einen gegenüber als aufgelöst, dem anderen gegenüber als existierend angesehen werden kann, denn in beiden Fällen hat eine Auflösung der Gesellschaft stattgefunden, über die ein richterlicher Ausspruch ergangen ist. Auch fragt sich, worin die größere Richtigkeitsgewähr des Gestaltungsurteils gegenüber dem Feststellungsurteil liegt, die zu einer weiterreichenden Bindung führen soll. Im einen wie im anderen Fall existiert nämlich ein rechtskräftiges Urteil, das feststellt, dass die Voraussetzungen für eine Gestaltung vorliegen. Es wäre jedoch schwer zu rechtfertigen, wenn in ein und derselben Sache die Gesellschafter selbst die prozessuale Reichweite der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gestaltung bestimmen könnten. Insgesamt ist die gängige Begründung der Bindungswirkung an das Gestaltungsurteil beeinflusst durch eine körperweltliche Sicht der Dinge. Geleitet von

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der irrigen Vorstellung, dass Veränderungen im ideellen Bereich des Rechts ähnlich wie Veränderungen in der Körperwelt entweder bestehen oder nicht, wird der Satz aufgestellt, dass man zwar die Rechtmäßigkeit der Gestaltung bestreiten könne, diese jedoch dadurch nicht aus der Welt schaffe. Eine prozessuale Verbindlichkeit nur im Rahmen der Rechtskraft wird sogar als »Nonsens« betrachtet, wobei man übersieht, dass es für den »gesunden Menschenverstand« genauso ein »Nonsens« ist, wenn A dem Nachbarn zur Rechten gegenüber als Eigentümer gilt, dem Nachbarn zur Linken aber nicht. Festzuhalten ist, dass Änderung der materiellen Rechtslage und prozessuale Verbindlichkeit zwei unterschiedliche ideelle Phänomene sind, die jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Auch über die Bindung der Richters an Gesetz und Recht lässt sich nicht die prozessuale Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils ermitteln, denn gebunden ist der Richter nur an das objektive Recht, nicht an die subjektive Rechtslage. Die Bindung z.B. an § 1564 BGB bewirkt, dass der Richter die Ehe nur scheiden darf, wenn sie gescheitert ist. Für die prozessuale Bindung an das Gestaltungsurteil besagt diese Vorschrift jedoch nichts. Auch die These, dass Dritte zwar nicht (immer) an das Gestaltungsurteil gebunden sind, es jedoch anerkennen müssen, ist abzulehnen. Sie erinnert an die Theorie von der Drittwirkung der Rechtskraft, die wiederum auf der »relativen Rechtskraftwirkung mit absoluter Geltung« basiert. Die Parallele ist unverkennbar, auch wenn Schwab angemahnt hat, die Drittwirkung der Rechtskraft von der Gestaltungswirkung zu trennen. Auch hier sind die Bedenken gegen die Drittwirkung der Rechtkraft auf die derart verstandene Gestaltungswirkung zu übertragen. Größere Aussicht auf die Begründung einer umfassenden Maßgeblichkeit des Gestaltungsurteils bietet die These, dass es sich bei der Gestaltungswirkung um eine Tatbestandswirkung handelt. Die Identität oder zumindest Ähnlichkeit der beiden Wirkungen wird immer wieder vertreten. Wäre dies zutreffend, würde in der Tat die eingetretene Gestaltung von niemandem mehr zu bestreiten sein. Zu beachten ist allerdings, dass die Tatbestandswirkung keine prozessuale, sogar überhaupt keine Urteilswirkung ist. Daraus ergeben sich z.B. Konsequenzen im internationalen Rechtsverkehr, die an gegebener Stelle aufgegriffen werden. Auch sonst ist die Gleichstellung der Gestaltungswirkung mit einer Tatbestandswirkung zu verneinen. Zum einen wird verkannt, dass es sich bei den gesetzlichen Fällen der Tatbestandswirkung immer um zwei unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Es geht nicht um die Frage, wer an das ergangene Urteil gebunden ist, sondern das Gesetz knüpft an die Tatsache, dass in einem Rechtsstreit ein bestimmtes Urteil ergangen ist, eine konkrete Rechtsfolge an. Die Entscheidung ist nicht allgemein für jedermann maßgeblich, sondern nur im Hinblick auf eine konkrete, im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge und gegenüber den im Gesetz bezeichneten Personen. Darüber hinaus tritt die Tatbestandswirkung in einer anderen Sache, als dem Verfahren zugrunde lag, unabhängig vom Willen der Parteien

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ein, als »Nebenprodukt« des Rechtsstreits. Bei der Frage nach der Bindung an das Gestaltungsurteil liegt die Sache dagegen anders. Hier geht es nicht um irgendwelche Rechtsfolgen, die der Erlass des Gestaltungsurteils auslösen soll, sondern um die Bindung an den vom Kläger angestrebten Inhalt des Gestaltungsurteils selbst, d.h. an seine Regelungswirkung, wenn die Gestaltung als Vorfrage in einem späteren Prozess strittig ist. Nicht nur die Begründungen der Bindungswirkung der Gestaltungsurteile halten einer näheren Betrachtung nicht stand, auch die Mitwirkungsproblematik bei den Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts ist mit prozessualen Grundsätzen schwer zu rechtfertigen. Ausgehend von dem rechtspolitischen Wunsch, die Erhebung dieser Klagen auch dann möglich zu machen, wenn nicht alle Gesellschafter am Prozess teilnehmen, wie das Gesetz dies vorschreibt, wurde eine Rechtsprechung entwickelt, die – obschon die Grundprämisse auf unsicheren Füßen steht – das Gebilde immer weiter ausbaut. Nicht nur soll die Möglichkeit bestehen, durch »Zustimmung« die Teilnahme am Prozess verzichtbar zu machen, diese Zustimmung soll sogar erzwingbar sein. Dabei ist die Grundprämisse, dass man durch Zustimmung die vom Gesetz geforderte Teilnahme am Verfahren ersetzen kann, zumindest bei den Gestaltungsklagen verfehlt. Der Gesellschafter wird in der Regel sein Einverständnis mit dem materiellen Ziel signalisieren, z.B. mit der Auflösung der Gesellschaft oder der Ausschließung eines Mitgesellschafters. Dieses Einverständnis kann jedoch lediglich dann auch eine prozessuale »Vertretung« hervorrufen, wenn es als Ermächtigung zur Führung des Rechtsstreits in gewillkürter Prozessstandschaft oder als Unterwerfung unter die Urteilswirkungen gedeutet wird. Aussicht auf Erfolg hat die Deutung als Ermächtigung zur gewillkürten Prozessstandschaft, sofern die Teilnahme auf der Klägerseite ersetzt werden soll. Das Abspaltungsverbot steht einer Ermächtigung eines anderen Gesellschafters zur Klageerhebung nicht entgegen. Die Ermächtigung muss ergebnisoffen erteilt werden, jedoch lässt sich die Zustimmung bezüglich der Ausschließung durchaus als ergebnisoffene Ermächtigung auslegen. Weitaus wichtiger ist, dass konkret bestimmt wird, welcher Gesellschafter als Prozessstandschafter auftreten soll, falls mehrere Gesellschafter klagewillig sind. Soweit der Gesellschafter allerdings auf der Beklagtenseite stehen würde, ist die Prozessführung in gewillkürter Prozessstandschaft unzulässig, was jedoch nicht weiter schlimm ist, da nur die Weigerung der Teilnahme auf Klägerseite die Klage blockieren kann, während problemlos mehrere Gesellschafter verklagt werden können. Auch die Unterwerfung unter die Urteilswirkungen wäre grundsätzlich geeignet, die heutige Praxis dogmatisch zu begründen, allerdings wird nach (noch?) h.M. die Möglichkeit einer Unterwerfung unter die prozessuale Rechtskraftwirkung verneint. Noch schwieriger zu rechtfertigen wird die Konstruktion, wenn der Gesellschafter nicht mehr freiwillig sein placet zur Prozessführung erteilt, sondern seine

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Zustimmung erzwungen werden soll. Abgesehen von dem Zeitargument bei der Verbindung von Zustimmungs- und Gestaltungsklage, denn eigentlich wäre eine Gestaltungsklage erst nach rechtskräftiger Verurteilung auf Zustimmung überhaupt zulässig, stehen dieser Praxis auch weitere grundsätzliche Bedenken entgegen. Zum gewünschten Ergebnis gelangt man nämlich nur, indem man erst eine Mitwirkungspflicht konstruiert, dann die Zustimmung als Erfüllung dieser Pflicht gelten lässt und letztlich nicht die Mitwirkung selbst, sondern diese Zustimmung erzwingt. Wenn man davon ausgeht, dass die Zustimmung nur dann die Beteiligung am Verfahren ersetzen kann, wenn sie entweder zur gewillkürten Prozessstandschaft führt oder es als zulässig erachtet wird, sich prozessualen Urteilswirkungen zu unterwerfen, wird ihre Erzwingung zu Unvereinbarkeiten mit dem Grundsatz der Dispositionsfreiheit führen und man lässt darüber hinaus außer Acht, dass der Gestaltungsklage ein Recht des rechtlichen Könnens, nicht ein Recht des rechtlichen Müssens zugrunde liegt. Interessant ist abschließend, dass der BGH – entgegen früherem Sprachgebrauch – jetzt sowohl die Konstruktion der gewillkürten Prozessstandschaft als auch diejenige der Unterwerfung unter die Urteilswirkungen grundsätzlich verwirft und statt dessen eine Art Unterwerfung, begründet lediglich mit dem Grundsatz der Prozessökonomie, heranzieht. Die Lösung zur Mitwirkungsproblematik bei den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsurteilen ist – gegen den BGH – nicht in der Prozessökonomie, sondern tatsächlich bei freiwilliger Mitwirkung wie erwähnt in der Prozessstandschaft zu finden. Da in diesem Fall eine Rechtskrafterstreckung stattfinden wird, wird den Vorgaben des Gesetzes entsprochen, denn es entsteht eine prozessuale Bindung, die vergleichbar ist mit der Bindung nach tatsächlicher Teilnahme am Verfahren. Falls im Fall der §§ 140, 117, 127 HGB einige der klagenden Gesellschafter keine Prozessführungsführungsermächtigung erteilen wollen, bietet die Rechtsfigur der actio pro socio die Rettung vor einer möglicherweise bewussten obstruktiven Haltung. Der Vorteil gegenüber der heutigen Handhabung liegt darin, dass nur ein Verfahren erforderlich ist, richtigerweise findet auch hier eine Rechtskrafterstreckung statt, so dass wiederum die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden. Allerdings ist zu beachten, dass die actio pro socio ein Notbehelf ist, der nicht automatisch anwendbar ist, wenn ein Gestaltungsgrund vorliegt, sondern erst nach erfolgreicher Prüfung seiner Voraussetzungen. Damit ist gewährleistet, dass die Vorgabe der gemeinsamen Klageerhebung nicht ohne triftigen Grund beiseite geschoben wird. Die Gestaltung selbst im Sinne der Änderung der materiellen Rechtslage kann als eine Art Vollzug des Gestaltungsurteils erfasst werden. Es handelt sich dabei allerdings nicht um Zwangsvollstreckung im technischen Sinne, da das Gestaltungsurteil nicht unmittelbar auf ein Verhalten des Klagegegners abzielt. Gleichwohl dient sowohl die Änderung der materiellen Rechtslage als auch die klassische Vollstreckungswirkung der zwangsweisen Durchsetzung des Urteilsinhalts.

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Auch die materielle Rechtskraft wird bei den Gestaltungsurteilen anders als bei Feststellungs- und Leistungsurteilen bestimmt. Zwar ist man sich heute darüber einig, dass Gestaltungsurteile materiell rechtskraftfähig sind. Die positive Rechtskraftwirkung soll sich jedoch auf den Ausschluss von Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen begrenzen, wobei als schadensauslösendes bzw. bereicherndes Ereignis das Gestaltungsurteil selbst angesehen wird. Diese Beschränkung liegt daran, dass die angebliche Gestaltungswirkung die eigentliche positive Funktion der Rechtskraft übernehmen soll, nur mit weiteren subjektiven Grenzen. Zur Ermittlung der Reichweite der positiven Bindungswirkung des Gestaltungsurteils ist die Bestimmung des Streitgegenstands erforderlich. Hier ist vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff auszugehen. Was allerdings bislang übersehen wurde ist, dass sich die Breitenwirkung des Gestaltungsurteils im Hinblick auf die Gestaltung nur dann ergeben kann, wenn Streitgegenstand der Gestaltungsklage auch die Gestaltung selbst ist. Ohne diese Voraussetzung nützt auch eine Erweiterung der subjektiven Grenzen des Gestaltungsurteils wenig, denn das Gestaltungsurteil kann zwar über die Parteien, nicht aber über den Streitgegenstand hinaus wirken. Der Streitgegenstand der Gestaltungsklage wird individualisiert durch den Antrag und den Lebenssachverhalt. Sieht das Gesetz mehrere Gestaltungsgründe vor, liegt trotzdem ein einheitlicher Streitgegenstand vor, weil sich diese zusammenfassen lassen in einen einzigen Oberbegriff, nämlich das Scheitern des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses bei den negativen Gestaltungsklagen oder die Unangemessenheit der Leistung, Vertragsstrafe usw. bei den positiven Gestaltungsklagen. Im Ergebnis ist daher bei der Gestaltungsklage der Streitgegenstand gleich weit, wie wenn man einen eingliedrigen Streitgegenstand zugrunde legen würde, der lediglich vom Antrag und somit der Gestaltbarkeit eingegrenzt würde. Auf dieser Grundlage ist auch die positive Reichweite der materiellen Rechtskraft des Gestaltungsurteils zu ermitteln: Festgestellt wird durch das Gestaltungsurteil zum einen, dass dem Kläger ein Gestaltungsklagerecht zusteht, zum anderen, dass mit Eintritt der materiellen Rechtskraft die Gestaltung eintreten wird. Dieses künftige Moment ist kein Paradoxon, sondern ergibt sich aus der Natur der Gestaltung, die in die Zukunft gerichtet ist. Es wird auch keine Rechtsunsicherheit verursacht, da jederzeit durch Einholung eines Rechtskraftzeugnisses geklärt werden kann, ob das Gestaltungsurteil rechtskräftig geworden ist. Es wird in der prozessualen Literatur darauf hingewiesen, dass Dritte zwar von der »Gestaltungswirkung« getroffen, jedoch dadurch nicht rechtsschutzlos gestellt werden, da ihnen Schadensersatz- bzw. Bereicherungsansprüche zustünden, falls sie nachweisen können, dass das Gestaltungsurteil zu Unrecht ergangen ist. Allerdings ergibt die nähere Prüfung, dass aus materiellrechtlicher Sicht weder ein Anspruch nach § 823 BGB noch nach § 812 BGB entstehen kann. Somit ist der

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Dritte nach herkömmlicher Behandlung rechtsschutzlos, er kann nicht einmal einen materiellrechtlichen Ausgleich erreichen. Bei richtiger Antwort auf die Bindungsproblematik ist dies unschädlich, denn der Dritte ist nicht auf Sekundäransprüche angewiesen. Soweit er nicht durch die Rechtskraft des Gestaltungsurteils erfasst wird, kann er seine Richtigkeit an der Stelle bezweifeln, an der sich das Problem auftut. Wo die Gestaltung vorgreiflich ist für die Entstehung von Rechten oder Pflichten Dritter, kann sie im Rahmen der Vorfragenprüfung erneut beurteilt werden, ohne Rücksicht auf die Rechtskraft des Gestaltungsurteils und ohne die zwischen den ursprünglichen Parteien ergangene Gestaltung zu tangieren. Die Situation ist vergleichbar mit der Feststellung so genannter Drittrechtsverhältnisse. Hier geht es – wenn auch die Terminologie irreführend ist – nicht um die rechtskraftfähige Feststellung von Rechtsverhältnissen Dritter. Diese sind lediglich vorgreiflich für ein Rechtsverhältnis der aktuellen Parteien und werden nicht in den neuen Streitgegenstand aufgenommen, sondern bilden lediglich eine Vorfrage. Dieselbe Situation liegt vor, wenn ein Rechtsverhältnis, das durch ein Gestaltungsurteil geprägt wurde, vorgreiflich ist in einem Rechtsstreit zwischen (teilweise) neuen Parteien. Es wird dann die Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils geprüft, allerdings nicht als rechtskraftfähiger Streitgegenstand des neuen Verfahrens, sondern als dessen Vorfrage. Interessant aus rechtsvergleichender Sicht und rechtspolitischer Anstoß sind die Widerspruchsklagen Dritter als außerordentlicher Rechtsbehelf, die z.B. das griechische und französische Recht vorsehen (tritanakop3/tierce opposition), grundsätzlich auch gegen Gestaltungsurteile. Abgesehen davon, dass diese Klagen die Möglichkeit relativer »Gestaltungswirkung« geradezu voraussetzen und somit die deutsche Argumentation aus der »Natur« der gerichtlichen Gestaltung widerlegen, können sie auch de lege ferenda für das deutsche Recht fruchtbar gemacht werden. Während grundsätzlich die Überprüfung als Vorfrage im neuen Verfahren vorzugswürdig ist, weil sie Zeit und Kosten spart und das Problem dort behandelt, wo es auch wirklich aufkommt, ist eine derartige Widerspruchsklage auf jeden Fall (de lege ferenda) sinnvoller, wenn gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Frage stehen. Die Sonderstellung der Gestaltungsurteile in der Frage der prozessualen Verbindlichkeit schlägt sich – was an sich erstaunlich ist – nicht nieder bezüglich der Durchbrechung der Rechtskraft: Auch das Gestaltungsurteil kann nach erfolgreicher Wiederaufnahmeklage aufgehoben werden, die Gestaltung wird rückgängig gemacht. Oft wird jedoch die Wiederherstellung der vorherigen Rechtslage unmöglich sein, z.B. wenn nach einem Auflösungsurteil die Gesellschaft abgewickelt und im Handelsregister gelöscht wurde. Auch hier liegt jedoch keine Besonderheit vor im Verhältnis z.B. zu bereits vollstreckten Leistungsurteilen, die nicht auf Zahlung einer Geldsumme oder auf Herausgabe einer noch existierenden Sache lauteten. Auch bei der Schadensersatzklage in Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB ist keine Besonderheit zu beobachten. Allerdings ist noch

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zu klären, inwiefern durch § 826 BGB über einen Geldersatz hinaus auch die präjudizielle Bindungswirkung eines Urteils angetastet werden kann, die die wesentliche prozessuale Wirkung des Gestaltungsurteils darstellt. Die Tatsache, dass durch die Begrenzung der prozessualen Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils auf die von der Rechtskraft erfassten Personen Komplikationen eintreten können, stellt keine Besonderheit bei den Gestaltungsurteilen dar, sondern ist eine Folge des Grundsatzes, dass das Recht auf rechtliches Gehör grundsätzlich höher zu bewerten ist als die Einheitlichkeit und Absolutheit der gerichtlich festgestellten Rechtslage. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit widersprüchlichen Feststellungen absoluter Zuweisungen. Wo eine spätere Überprüfung der Rechmäßigkeit der Gestaltung – wie sie selbst bei rechtskräftig festgestellten rechtsgeschäftlichen Gestaltungen zulässig ist – nach Abwägung sowohl des Interesses an Rechtssicherheit als auch des Rechts auf rechtliches Gehör Dritter als untragbar erscheint, ist eine Rechtskrafterstreckung zu fordern. Die gilt insbesondere für die Statusurteile, ansonsten ist eine fallbezogene Prüfung erforderlich. Dabei kann hier offen bleiben, ob diese auch durch Auslegung erfolgen kann, wie z.B. nach dem Grundsatz der Rechtskrafterstreckung wegen zivilrechtlicher Abhängigkeit. Grundsätzlich sind Urteile der Zivilgerichtsbarkeit auch in den anderen Gerichtsbarkeiten verbindlich – allerdings lediglich in dem Rahmen, der in der Zivilgerichtsbarkeit vorgegeben ist, d.h. innerhalb der objektiven und subjektiven Rechtskraftgrenzen. Darüber hinaus ist das Gestaltungsurteil auch zu berücksichtigen in einem Rechtspflegeverfahren, in dem nur eine der Parteien Verfahrensbeteiligte ist, ohne dass eine Dritte »private« Partei vorhanden wäre, z.B. vor den Straf- oder Verwaltungsgerichten und auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sollte jedoch darüber hinaus ausnahmsweise eine Dritte »private« Partei hinzutreten und das gestaltete Rechtsverhältnis inzident sein für das jetzige streitige Recht, wäre die Rechtmäßigkeit des Gestaltungsurteils erneut zu prüfen. Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens beruht die Maßgeblichkeit eines Urteils nicht auf einer prozessualen Verhaltensnorm, z.B. der Rechtskraftbindung, da sich diese unmittelbar an einen Richter wendet und nicht an Verwaltungsbehörden. Gleichwohl ist die Verwaltung nicht befugt, gerichtliche Urteile inhaltlich zu überprüfen oder gar zu ersetzen. Das bedeutet, dass die Verwaltung ein bestehendes rechtskräftiges Gestaltungsurteil einem Verwaltungsverfahren zugrunde legen muss und vielmehr nicht prüfen kann, ob ein Gestaltungsgrund vorläge, wenn (noch) kein Gestaltungsurteil ergangen ist. Dies liegt an der Kompetenzund Zuständigkeitsverteilung der Rechtsordnung, die für die gerichtliche Gestaltung die Gerichte für zuständig erklärt und Rechtsbehelfe vorsieht, um diese inhaltlich zu überprüfen. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Gestaltungsentscheidungen in Streitsachen erwachsen in materielle Rechtskraft und werden innerhalb ihrer Grenzen verbindlich. Bezüglich der fürsorgenden Aufgabe der freiwilligen

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Gerichtsbarkeit stellt sich die Frage nach der Bindung Dritter in der Regel nicht vor einem Organ dieser Verfahrensart selbst, sondern in einem Verfahren vor der streitigen Zivilgerichtsbarkeit. Auch hier ist die sachgerechte Lösung über die Spezialität der Zuständigkeitsregelungen zu ermitteln: Der Dritte kann seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zwar nicht auf dem Weg der Vorfragenprüfung vor dem Zivilgericht im Streitverfahren, jedoch vor dem zuständigen Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit anbringen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten sind hier besonders zahlreich, da Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit – solange sie keine materielle Rechtskraft erzeugen – zwar eine prozessuale Verbindlichkeit in Form eines ne bis in idem entfalten, jedoch darüber hinaus vielfach nicht endgültig sind, sondern abgeändert bzw. aufgehoben werden können. Voraussetzung ist allerdings, das dafür zuständige Verfahren in Anspruch zu nehmen, eine inzidente Überprüfung der Entscheidung ist nicht möglich. De lege ferenda sollte ein Rechtsbehelf eingeführt werden, einzulegen bei den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch den der betroffene Dritte die Rechtswidrigkeit der gestaltenden Entscheidung geltend machen kann mit der Folge, dass sie ihm gegenüber als unwirksam erklärt wird. Dieser Rechtsbehelf sollte in jedem Fall der Präjudizialität gegeben sein, d.h. auch bei »wirtschaftlichem« Interesse. Obwohl Schiedsgerichtsentscheidungen keinen Hoheitsakt im technischen Sinne darstellen, werden sie in die Untersuchung einbezogen, da sie nach gesetzlicher Vorgabe dem Urteilsspruch gleichzustellen sind. Auch sie binden nur im Rahmen ihrer Rechtskraft. Für den Eintritt der Gestaltung ist keine Vollstreckbarkeitserklärung zu fordern, da die Änderung der Rechtslage zwar die Erfüllung des Gestaltungsurteils darstellt, jedoch keine Zwangsvollstreckung im eigentlichen Sinne ist. Zur Bindung an Gestaltungsurteile der Verwaltungsgerichte, namentlich an das Anfechtungsurteil, ist zu bemerken, dass sie eigentlich nicht Gegenstand dieser Arbeit sein dürfte, da es sich dabei nicht um Privatrechtsgestaltung handelt, sondern um einen formalen Rechtsbehelf. Trotzdem ist die Behandlung der Anfechtung von Verwaltungsakten mit Doppelcharakter bei unterlassener notwendiger Beiladung erwähnenswert. In den Fällen unterlassener einfacher Beiladung besteht Einigkeit darüber, dass die Gestaltungswirkung nur zwischen den Parteien, jedoch nicht in Bezug auf Dritte eintritt. Was privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte betrifft, wird deutlich, dass hoheitliche Gestaltungen nicht notwendig für und gegen alle wirken. Dritte, die durch einen Verwaltungsakt, der nicht an sie adressiert ist, in subjektiven Rechten betroffen werden, können diesen prozessual angreifen, und zwar selbst dann, wenn er dem Adressaten gegenüber bestandskräftig geworden ist. Zum einen können Dritte den Verwaltungsakt anfechten und somit seine Aufhebung bewirken. Richtigerweise kann die Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

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auch inzident vom Zivilgericht überprüft werden, wenn sie die Vorfrage für privatrechtliche Positionen des Dritten bildet. Diese Variante ist der Erhebung einer Anfechtungsklage vorzuziehen, denn sie hat den Vorteil, dass sie den Verwaltungsakt an sich unangetastet lässt, so dass die Rechte z.B. des Adressaten oder weiterer betroffener Dritter nicht berührt werden. Privatrechtsgestaltung findet auch in der Zwangsvollstreckung statt, namentlich bei der Eigentumszuweisung kraft Ablieferung oder kraft Zuschlagsbeschlusses und bei der Überweisung an Zahlungs statt. Die Verfügungsbeschränkung durch die Pfändung ist zwar auch eine Privatrechtsgestaltung, jedoch stellt sich die Bindungsfrage von vornherein nicht, da es sich bereits materiellrechtlich um ein relatives Verbot handelt. Die Privatrechtsgestaltung im Rahmen der Verwertung findet bei der Sachpfändung bereits aufgrund des materiellen Rechts statt als materiellrechtliche Folge der Ablieferung oder des Zuschlagsbeschlusses. Daher ist der Zuschlagsbeschluss nicht gestaltend, sondern feststellend. Es findet somit keine Eigentumsübertragung statt, denn das Eigentum des Erstehers wird nicht vom Eigentum des Schuldners (oder eines Dritten) abgeleitet, sondern eine Eigentumszuweisung, für die die §§ 929ff. BGB nicht gelten und deren materiellrechtliche Voraussetzung die Ablieferung bzw. der Zuschlagsbeschluss bilden. Es stellt sich daher keine verfahrensrechtliche Bindungsfrage. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass die Klage des Dritten, dessen Eigentum untergegangen ist, auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung sich nicht auf den Eigentumsverlust an der versteigerten Sache bezieht, gerichtet gegen den Ersteher, sondern auf den Erlös, gerichtet gegen den betreibenden Gläubiger. Dass nicht der Verwertungsakt selbst gestaltend wirkt, zeigt sich auch darin, dass der Dritte auch bei wirksamer Ablieferung sein Eigentum mit der Herausgabeklage verfolgen kann, wenn wesentliche Vorschriften der vorangegangenen Zwangsversteigerung verletzt wurden, die Ablieferung also wirksam aber rechtswidrig war. Dasselbe gilt für rechtswidrig mitversteigertes Fremdzubehör in der Immobiliarvollstreckung. Hierbei handelt es sich zwar um eine Vernachlässigung der prozessualen Betrachtungsweise, die jedoch als unerlässlich erachtet wird, um die Effektivität der Zwangsvollstreckung und damit auch die Effektivität des Rechtsschutzes des Titelinhabers zu gewährleisten, denn wäre der Eigentumserwerb in der Zwangsvollstreckung nicht materiellrechtlich abgesichert, würde die Attraktivität der Zwangsversteigerung sinken und es würden weitaus geringere Erlöse erzielt werden können. Die Lösung des originären Eigentumserwerbs lässt sich daher nur als das Ergebnis der Abwägung der Interessen des Vollstreckungsgläubigers und des Dritten, dessen Rechte durch die Zwangsvollstreckung verletzt werden können, erklären. Der Ersteher profitiert lediglich als Trittbrettfahrer von dem Ergebnis dieser Abwägung. Für die Frage nach der Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils in der Form, dass seine Rechtswidrigkeit von Dritten nicht bestritten werden kann, ist auch eine

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Registereintragung nicht ergiebig. Solange die Eintragung keinen öffentlichen Glauben erzeugt, wird dem Dritten die Geltendmachung der tatsächlichen materiellen Rechtslage nicht verwehrt. Lediglich § 1412 II BGB erzeugt eine Art positive Bindung an ein Urteil, das jedoch in der Regel kein Gestaltungsurteil sein wird. Der internationale Rechtsverkehr bietet den Prüfstand für die hier vertretene Ansicht. Bislang wurde die Problematik der Gestaltungsurteile entweder allein im innerstaatlichen oder im internationalen Bereich betrachtet. So fiel z.B. gar nicht auf, dass bei Zugrundelegung der Ansicht, die Gestaltungswirkung sei eine Tatbestandswirkung oder zumindest wie eine solche zu behandeln, die heutige Praxis der Anerkennung ausländischer Gestaltungsurteile hinfällig würde. Auch sonst ist die Herleitung der Verbindlichkeit des Gestaltungsurteils aus der materiellen Rechtsänderung nicht ohne weiteres mit der kommentarlosen Annahme zu vereinbaren, die Gestaltungswirkung sei eine anerkennungsfähige Urteilswirkung. Insbesondere verwundert, dass sich die h.M. kaum mit den lex causae-Theorien auseinandersetzt, die eigentlich nur konsequent den Gedanken weiterführen, dass sich die Bindung an den Gestaltungsakt aus dem materiellen Recht ergebe. Bei Zugrundelegung der im ersten Teil der Arbeit entwickelten Ansicht, dass sich die prozessuale Verbindlichkeit von Gestaltungsurteilen aus der materiellen Rechtskraft ergibt, lässt sich die im Ergebnis richtige heutige Praxis dogmatisch untermauern. Anerkannt wird die materielle Rechtskraft des ausländischen Urteils, weder die tatsächlich angewandte noch die nach der lex causae berufene Rechtsordnung ist dabei zu konsultieren. Das gilt sowohl für die nach der lex causae des ersten Prozesses zuständige Rechtsordnung sowie für diejenige des zweiten Prozesses, in dem die Gestaltung als Vorfrage relevant wird. Auch Urteile, die nach deutschem Recht als Feststellungsurteile ergehen würden, nach ausländischem Recht jedoch gestaltend wirken, können als Gestaltungsurteile anerkannt werden. Die grundsätzliche prozessuale Verbindlichkeit, d.h. die objektiven und subjektiven Rechtskraftgrenzen, bestimmt das Recht des Urteilsstaats, solange kein Verstoß gegen den deutschen ordre public international vorliegt. Die weitere Behandlung des Urteils wird jedoch von der lex fori des Anerkennungsstaats bestimmt. So gilt auch für ausländische anerkannte Urteile das ne bis in idem, auch wenn im Ursprungsstaat lediglich ein Widerspruchsverbot besteht. Der Grundsatz der Wirkungserstreckung bedeutet nicht, dass alles so verlaufen muss, wie es dies im Urteilsstaat täte. Die Berücksichtigung der anerkannten Urteilswirkungen im Einzelnen folgt der lex fori des Anerkennungsstaats. Eine eventuell einredeweise Geltendmachung der Rechtskraft ist dagegen als geringere Urteilswirkung einzustufen, die zu einer Begrenzung der anerkannten Wirkung führt. Lediglich zur Bestimmung der materiellen Reichweite der Gestaltung wird das tatsächlich angewandte Recht hinzuzuziehen sein, wenn sich diese nicht unmiss-

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verständlich aus der ausländischen Entscheidung selbst ergibt. Damit handelt es sich nicht um eine kollisionsrechtliche Komponente bei der Anerkennung, sondern lediglich um die gegebenenfalls erforderliche Konkretisierung des Urteilsinhalts. Welche Rechtordnung für die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses nach dem Gestaltungsurteil zuständig ist, ergibt sich aus den Anknüpfungsnormen des Internationalen Privatrechts. Die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, dass die prozessuale Anerkennung ohne Rücksicht auf die kollisionsrechtliche Komponente erfolgt, sind nicht dem Gestaltungsurteil eigen, sondern liegen an der unterschiedlichen Behandlung prozessualer und materiellrechtlicher Fragen im internationalen Rechtsverkehr. Die EuGV-VO, die zum 1. 3. 2002 das EuGVÜ ersetzt hat, gilt für die Gestaltungsurteile des Gesellschaftsrechts und sonstige ausländische Gestaltungsurteile, die Zivil- oder Handelssachen darstellen und nicht den Personenstand betreffen. In der Regel fehlt im Rahmen der Behandlung der einschlägigen Vorschriften eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den Gestaltungsurteilen. Interessant ist die Frage nach der Streitgegenstandsbestimmung des ausländischen Urteils. Sie stellt sich zwar nicht nur bei Gestaltungsurteilen, ist hier jedoch besonders wichtig, da in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen vertreten werden und keine gesicherte Dogmatik existiert. Da der Streitgegenstand die objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft bestimmt und die Anerkennung zu einer Wirkungserstreckung führt, muss die Streitgegenstandsbestimmung dem Recht des Urteilsstaats überlassen werden. Lediglich Praktikabilitätserwägungen könnten zu einer Streitgegenstandsbestimmung nach der lex fori des Anerkennungsstaats führen. Im Geltungsbereich der EuGV-VO wird die Rechtshängigkeitssperre sowie das Anerkennungshindernis wegen Unvereinbarkeit unabhängig von der Streitgegenstandsidentität verordnungsautonom bestimmt. Dagegen findet die Bestimmung des Urteilsgegenstands im Hinblick auf die Rechtskraftsperre oder die Präjudizialwirkung wegen des Grundsatzes der Wirkungserstreckung nach dem Recht des Urteilsstaates statt. Sinnvoller wäre es, auch bei der Frage nach der Rechtshängigkeitssperre und der Anerkennungsversagung wegen Unvereinbarkeit den Grundsatz der Wirkungserstreckung zu bekräftigen und die ausländische Entscheidung nur in dem Maße zu berücksichtigen, in dem sie später durch die Anerkennung im Inland wirken wird. Insbesondere bei der Anerkennung ausländischer Urteile, die den Personenstand betreffen, ist eine anerkennungsfreundliche Linie einzunehmen, da die entsprechenden Rechte völkerrechtlichen, zumindest jedoch erhöhten verfassungsrechtlichen Schutz genießen. In der Europäischen Gemeinschaft ist mit der EheGV-VO ein großer Vereinheitlichungsschritt erfolgt. Wichtigstes Merkmal dieser Verordnung ist, dass auch Verwaltungsverfahren erfasst werden: Soweit keine Anerkennungshindernisse vorhanden sind, werden auch Verwaltungsakte anerkannt. Die Gleichstellung mit

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ausländischen Urteilen führt dazu, dass die anerkannte Verwaltungsentscheidung hinsichtlich der Anerkennungsfolgen gleich behandelt werden muss wie ein Gestaltungsurteil. Ansonsten werden – wie auch in der EuGV-VO – Rechtshängigkeitssperre und Unvereinbarkeit als Anerkennungshindernis nach anderen Kriterien beurteilt als die eigentliche Rechtskraftsperre bzw. die Präjudizialbindung der ausländischen Entscheidung. Einer Anerkennung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG werden seit dem 1. 3. 2001 nur ausländische Eheauflösungsentscheidungen unterzogen, die in Drittstaaten ergangen sind sowie dänische Scheidungen durch königliche Bewilligung. Es ist darauf zu achten, dass diese Vorschrift lediglich bestimmt, wer die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Eheauflösung beantworten soll. Bezüglich des Maßstabs für die Anerkennungsfähigkeit besagt sie nichts. Insbesondere ist über die Auslegung der Vorschrift nicht zu ermitteln, ob auf Scheidungen, die nicht durch Urteil erfolgten, § 328, Grundsätze des Internationalen Privatrechts, des internationalen Verwaltungsrechts oder gar § 16a FGG anzuwenden ist. Die hier vertretene Ansicht, dass anerkennungsfähig lediglich die materielle Rechtskraft des ausländischen Urteils ist, scheint zu versagen, falls die ausländische Rechtsordnung dem Gestaltungsurteil gar keine materielle Rechtskraftfähigkeit zubilligt. Jedoch findet die Qualifikation der ausländischen Urteilswirkungen lege fori statt. Soweit somit das ausländische Urteil prozessuale Verbindlichkeit ähnlich der deutschen materiellen Rechtskraft in dem Sinne erzeugt, dass der Richter im Nachfolgeprozess einer Kognitionssperre unterliegt, ist diese prozessuale Wirkung als materielle Rechtskraftwirkung anzuerkennen, unabhängig von ihrer Bezeichnung im Urteilsstaat. Dabei muss selbstverständlich die Reichweite dieser ausländischen Kognitionssperre beachtet werden, insbesondere im Hinblick auf die objektiven und subjektiven Grenzen. Bezüglich der Berücksichtigung ausländischer Gestaltungsurteile durch die inländischen Verwaltungsbehörden ergeben sich keine Besonderheiten im Vergleich zur Berücksichtigung inländischer Gestaltungsurteile: Auch ausländische Gestaltungsurteile dürfen nicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden, weil die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung dies verbietet. Als gesetzliche Grundlage für die Vorfragenprüfung der Verwaltungsbehörden muss der Grundsatz der automatischen Anerkennung gelten, der sonst unterlaufen würde. Prozessuale Gestaltungsurteile, die lediglich das procedere der Zwangsvollstreckung betreffen, sind nicht anerkennungsfähig. Etwas anderes gilt für diejenigen prozessualen Gestaltungsurteile, mit denen materielle Einwände geltend gemacht wurden. Soweit sie – wie in den meisten Rechtsordnungen – eine rechtskräftige Feststellung über die materielle Rechtslage beinhalten, sind sie anerkennungsfähig und diese Feststellung ist aufgrund der Wirkungserstreckung auch im Inland verbindlich. Aufgrund des engen Bezugs zur materiellen Rechtslage und zum Urteil, das sie festgestellt hat, müssen zumindest auch die sonstigen prozes-

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sualen Gestaltungsentscheidungen, die zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen materieller Einwendungen führen, anerkennungsfähig sein in ihrer Wirkung, die die private Rechtslage betrifft, d.h. soweit sie nach dem Recht des Urteilsstaats nachfolgende materiellrechtliche Ausgleichsansprüche präjudizieren. Ausländische Anerkennungs- und Exequaturentscheidungen sind nur in den Fällen anerkennungsfähig, in denen sie an die Stelle der anerkannten oder überprüften Entscheidung treten und diese nach dem Recht des Ursprungsstaats ihre rechtliche Eigenständigkeit verliert. Das ist nur der Fall bei Entscheidungen, die einen für sie inländischen Schiedsspruch für vollstreckbar erklären. Exequaturentscheidungen über für sie ausländische Urteils oder Schiedssprüche sind aus doppeltem Grund nicht anerkennungsfähig: Zum einen lassen sie die anerkannte Entscheidung in ihrem Ursprungsstaat unberührt, zum anderen ist ihr Entscheidungsinhalt, nämlich die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung, unerheblich für andere Rechtsordnungen. Ausländische gestaltende Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind – außerhalb konkreter staatsvertraglicher Vorgaben – nach § 16a FGG anzuerkennen, insbesondere ohne kollisionsrechtliche Nachprüfung. Die Qualifikation richtet sich nach der Ausgestaltung des ausländischen Verfahrens, dem die Entscheidung entsprungen ist. Auch hier ist eine »prozessuale« Betrachtungsweise angebracht, wobei die Besonderheiten der Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit beachtet werden müssen. Dabei gelten die gleichen Grundsätze, die für inländische Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entwickelt wurden. Besonders schwierig wird sich die Qualifikation erweisen, wenn ein Verfahren, das im deutschen Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet ist, im Ausland vor einer weisungsgebundenen Verwaltungsbehörde stattfindet. Richtigerweise ist § 16a FGG in diesem Fall nicht anwendbar, denn die Qualifikation richtet sich nach der Ausgestaltung des ausländischen Verfahrens, und ein Verfahren vor einer weisungsgebundenen Verwaltungsbehörde ist nach deutschem Verständnis kein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gestaltende Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus EU-Mitgliedstaaten, die Eheauflösungen betreffen, fallen unter den Anwendungsbereich der EheGV-VO. Darüber hinaus besteht ein Anerkennungszwang, wenn sonst ein Gemeinschaftsbürger insbesondere in der Ausübung der Freiheit des Personenverkehrs beeinträchtigt wäre. Es wird jedoch kaum notwendig sein, diesen Grundsatz heranzuziehen, da § 16a FGG eine recht großzügige Anerkennungspraxis erlaubt. Für ausländische gestaltende Schiedssprüche ist – ähnlich wie für inländische – keine Vollstreckbarerklärung erforderlich. Bei der Berücksichtigung ausländischer Verwaltungsakte handelt es sich um Anerkennung im verfahrensrechtlichen Sinne und nicht um die Anwendung fremden Rechts. Transnationale Verwaltungsakte werden auf Anordnung des Ge-

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meinschaftsrechts hin berücksichtigt, sonstige privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte sind anerkennungsfähig, wenn die ausländische Behörde international zuständig war, kein Verstoß gegen den deutschen ordre public international vorliegt und sie nicht unvereinbar sind mit einem Hoheitsakt in derselben Sache, der inländisch oder im Inland anerkennungsfähig ist. Darüber hinaus muss der Betroffene die Möglichkeit gehabt haben, innerhalb angemessener Frist ab der gesicherten Kenntnisnahme des Verwaltungsakts diesen gerichtlich anzufechten. Die Anerkennung führt als Wirkungserstreckung dazu, dass die Rechtswidrigkeit des anerkannten privatrechtsgestaltenden ausländischen Verwaltungsakts in dem Ausmaß von Dritten vorgetragen werden kann, welches das Recht des Ursprungsstaats vorsieht. Grundsätzlich können sowohl transnationale als auch anerkennungsfähige ausländische privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte im Inland angefochten werden. In der Praxis wird dies jedoch in Deutschland nicht möglich sein, da § 52 VwGO der Zuständigkeit deutscher Gerichte entgegenstünde. Wünschenswert wäre insbesondere bei transnationalen Verwaltungsakten die Einführung einer Zuständigkeit am Wohnort des Betroffenen. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach auch einzelne Elemente des Verwaltungsverfahrens, die zum Erlass des Verwaltungsakts geführt haben, »anerkannt« werden müssen, wenn sonst Grundfreiheiten beeinträchtigt wären, ist aus deutscher Sicht nicht zu befürworten, denn Gegenstand der Anerkennung sollte der Verwaltungsakt selbst sein. Gleichwohl bedeutet diese Rechtsprechung einen Schritt in Richtung der vollständigen Anerkennung. Ausländische Eheauflösungen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft außer Dänemark durch Verwaltungsakt erfolgt sind, werden automatisch »anerkannt« unter den Voraussetzungen der EheGV-VO. Drittstaatliche Eheauflösungen sowie Ehescheidungen, die in Dänemark durch königliche Bewilligung erfolgten, sind nach den genannten Grundsätzen für die Anerkennung privatrechtsgestaltender Verwaltungsakte anerkennungsfähig. Hervorzuheben ist, dass eine im Inland kollisionsrechtlich »anerkannte« reine Privatscheidung nicht zur Versagung der Anerkennungsfähigkeit wegen Unvereinbarkeit führt. Da sich die Privatrechtsgestaltung in der Zwangsvollstreckung kraft materiellrechtlicher Entscheidungsnorm als materiellrechtliche Folge der Verwertung vollbringt, ist es bei ausländischen Verwertungshandlungen eine Frage des anwendbaren Rechts, ob der originäre Eigentumserwerb auch im Inland berücksichtigt werden muss. Die Entscheidungsnorm, die den Eigentumserwerb anordnet, ist daraufhin auszulegen, ob auch ausländische Verwertungshandlungen diese Rechtsfolge auslösen sollen (Substitution). Die Anerkennungsfähigkeit des zugrunde liegenden Vollstreckungstitels sollte richtigerweise in dieser Hinsicht irrelevant sein. Ausländische Enteignungen werden nicht prozessual »anerkannt«, sondern bilden einen materiellen Eigentumserwerbsgrund nach der lex causae, überwie-

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Zusammenfassung der gesamten Gedankenführung

gen die lex rei sitae oder das Gesellschaftsstatut. Diese lex causae entscheidet darüber, ob eine derartige Wirkung auch ausländischen Entscheidungen zukommt, was eine Frage der Substitution ist. Die Harmonisierung, die auf dem Gebiet des Prozessrechts auf Gemeinschaftsebene im Gange ist, ist zu begrüßen und möglichst weiter auszubauen. Eine weitere Annäherung der materiellen Rechtsordnungen wird gar nicht notwendig sein, wenn die Anknüpfungsnormen des Internationalen Privatrechts harmonisiert werden. Als Instrument hierzu ist in diesem Bereich die Vereinheitlichung durch Verordnung nicht nur zulässig, sondern auch das Mittel der Wahl, da die bisherige Erfahrung zeigt, dass die indirekte Harmonisierung durch Richtlinien zu inhaltlichen Divergenzen führt, die das erstrebte Ziel der Rechtssicherheit in Form der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts untergräbt. Eine Vereinheitlichung der Kollisionsnormen ist der richtige Weg zum reibungslosen grenzübergreifenden Verkehr der Hoheitsakte, ohne dass die Besonderheiten der nationalen Rechtsordnungen aufgegeben werden müssen. Sie unterbindet das forum shopping und unterstützt die Bereitschaft, ausländische Entscheidungen hinzunehmen: Die Gewichtung verlagert sich von der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen zur Gleichwertigkeit der Entscheidungen.

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Sachregister actio pro socio – Ausschließungsklage 132, 145, 148 – Begriff 140 – Dispositonsfreiheit 150 – Erbengemeinschaft 146 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts 146 – Mitwirkungspflicht 152 – nicht organisierte Gesamthand 146 – Notzuständigkeit, Ersatzzuständigkeit 144 – Prozessstandschaft, gesetzliche 143 – Rechtsinhaberschaft 142 – Rechtskrafterstreckung 148 – Sozialansprüche 141 – Untätigkeitsklage 141 – Zustimmungsklage verzichtbar 139 aktionenrechtliches Denken 15 Amtshaftung 171, 237, 270 – Schadensabwendungspflicht 270 Anerkennenmüssen 66 – relative Gestaltung 66 Anerkennung – automatische 353 – Bindung an Gesetz und Recht 307 – Bindung wegen materieller Änderung 307 – EheGV-VO 346 – eigene Ansicht 321 – Enteignung 418 – Entscheidungen der Verwaltungsgerichte 394 – Entscheidungen des Vollstreckungsrechts 374 – EuGV-VO 329 – Exequaturentscheidungen 376 – freiwillige Gerichtsbarkeit 386 – gespaltene 313 – Gleichstellung, Nostrifizierung 301

– Inkonsequenzen bzg. nationaler Dogmatik 304 – körperweltiche Sicht 315 – Kumulationstheorie 302 – lex causae-Theorien 305 – materielle Rechtskraft 322 – Meinungsstand 299 – ordre public Siehe ordre public – prozessuale Gestaltungsurteile 371 – Prüfstand für nationale Dogmatik 70, 297 – Qualifikation Siehe Qualifikation – rechtliches Gehör 326 – Rechtskraft 321 – Registereintragungspflicht 296, 318, 322 – Schiedsspruch 376, 391 – Standesbeamter 353 – Tatbestandswirkung 306 – unbekannte Urteilswirkung 325 – Untermauerung der bisherigen Praxis 297 – Urteilswirkung, engere 323f – Urteiswirkung, weitere 325 – Verwaltungsakt 395, 403 – Verwaltungsakt der freiwilligen Gerichtsbarkeit 384 – Verwaltungsakt, transnationaler 399 – Verwaltungsbehörde 353 – Wirkungserstreckung Siehe Wirkungserstreckung – zu trennen von weiterer Regelung des Rechtsverhältnisses 299, 327 Anerkennungszwang – berichtigtes Geburtsdatum 357 – EGV 344, 357, 401 – freiwillige Gerichtsbarkeit 386 – Freizügigkeit und Personenstand 361 – Verwaltungsakt 401

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Sachregister

– völkerrechtlicher 345, 386, 396 Anfechtungsklage – Anspruch gegen die Behörde 29 – Aufnahme in die Untersuchung 256 – Auswirkung des Veraltungsakts auf Privatrechtsverhältnis 272, 275 – Drittberechtigung 272 – Dritter 271 – Rechtsschutzbedürfnis 273, 277 – und Verpflichtungsklage 29 – Vollstreckungswirkung/Gestaltungswirkung 168 – Vorfragenprüfung durch das Zivilgericht 273 Anfechtungsurteil – als Feststellungsurteil 30 – Beiladung, einfache 258 – Beiladung, notwendige 257 – Gestaltung/Rechtskraft 259 – materielle Rechtskraft Voraussetzung für Gestaltungswirkung 257f – Rechtskraft 257 – Unwirksamkeit 257 – Verwaltungsakt mit Doppelwirkung 257 Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung – Ersetzbarkeit 22, 197 – gesellschaftsrechtliche Gestaltungsklagen 24 – Verhältnis zu Gestaltungsklage 27 Art. 7 § 1 FamRÄndG – Antrag, unbegründeter 365 – Antrag, unzulässiger 365 – Anwendungsgebiet 352, 362 – Aussetzung 366 – Bescheid, Rechtsnatur 367 – Bindungswirkung 363 – Exequaturverfahren 364 – freiwillige Gerichtsbarkeit 363 – klageabweisende Entscheidungen 364 – Verwaltungsakt 363 Auflösungsklage – Beiladung, notwendige 159 – Beiladungsmodell des § 856 ZPO 158 – eigene Ansicht 161 – gesetzliche Vorgabe 102 – Gestaltungsklagerecht 35

– Klage nach § 894 ZPO 24 – Mitwirkungsproblematik 90 – Schutzobjekt 109 – Zustimmung auf Beklagtenseite 96 Auflösungsurteil – Wiederaufnahme 233 Ausschließungsklage – actio pro socio 132, 135, 139, 145, 148 – Beiladung, notwendige 159 – Beiladungsmodell des § 856 ZPO 157 – eigene Ansicht 161 – Ersetzbarkeit 87 – gesetzliche Vorgabe 102 – Gestaltungsklagerecht 33, 109 – Klage nach § 894 ZPO 24 – Mehrparteienprozess 153 – Mitwirkungsproblematik 90 – Schutzobjekt 109 – Zustimmung auf Beklagtenseite 97 Ausschließungsurteil – Wiederaufnahme 232 Beiladung, notwendige – Anfechtungsurteil 257 – Auflösungsklage 159 – Ausschließungsklage 159 Beiladungsmodelle – § 856 ZPO 155 – Nachteile 219 – notwendige Beiladung 159 Bereicherung, ungerechtfertigte Siehe auch Drittbeeinträchtigung Bestandskraft, materielle 266 – Ausklammern der Rücknehm- und Widerrufbarkeit 267 – Grenzen, subjektive 267 – Labyrinth der Meinungen 266 – Parallele zu materieller Rechtskraft 267 Bindung an das Gestaltungsurteil – andere Gerichtsbarkeiten 237 – Anerkennenmüssen 66 – Anordnung der inter omnes-Wirkung als Rechtskrafterstreckung 212 – Befürchtungen 224 – Begriff 50 – Bindung an Gesetz und Recht 64, 307 – bisherige Begründungen 52 – bisherige richtige Ansätze 165, 205

Sachregister

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Bürgschaftsrecht 54 Drittrechtsverhältnis 216 Drittwirkung der Rechtskraft 67 eigene Ansicht 163, 196 Erfordenis gesetzlicher Grundlage 65 freiwillige Gerichtsbarkeit 239 Kompetenzverteilung 240 körperweltliche Sicht 56 logische Argumente 58 materielle Rechtskrafttheorie 77, 163 Praxis 219, 225 prozessuale Bindung als Gegenstand der Untersuchung 51, 164 rechtliches Gehör Siehe rechtliches Gehör 171 Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens 70 Staatsakt, fehlerhafter 228 Strafgerichtsbarkeit 238 Tatbestandswirkung 69, 306 unterschiedlich je nach Gestaltung ex tunc/ex nunc 56 Verwaltung 239, 370 Vollstreckungswirkung 165 wegen materieller Änderung 52, 76, 83, 307, 311

Dispositionsbefugnis – Kindesstatus 36 – Statusklagen 36 Dispositionsfreiheit – actio pro socio 150 – Klageerhebung 73, 135, 150 – Mitwirkungspflicht 135 Drittbeeinträchtigung – ausländische Rechtsordnungen 220 – Beispiele 213 – Bereicherungsanspruch 189, 215 – Drittrechtsverhältnis 216 – freiwillige Gerichtsbarkeit 244 – Hausratsverfahren 191 – Kollusion 220 – rechtliches Gehör Siehe rechtliches Gehör – Rechtsschutzmöglichkeiten 213 – Schadensersatz 189, 214, Siehe auch Rechtskraft, Durchbrechung – spezieller Rechtsbehelf erforderlich? 230

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– tierce opposition 221 – Verfassungsbeschwerde 215 – Verstoß gegen Wahrheitspflicht 190 – Verwaltungsakt 271 – tritanakop3 220 Drittrechtsverhältnis – Feststellung 108, 216 – Mitwirkungsproblematik 108 Drittwiderspruchsklage – § 771 II ZPO 28 – Gestaltungsklage trotz Herausgabeanspruchs 27 – Streitgegenstand 28 Drittwirkung der Rechtskraft – Parallele zur „Gestaltungswirkung“ 67 – relative Rechtskraftwirkung mit absoluter Geltung 68 EheGV-VO – Anerkennung, automatische 353 – Anwendungsgebiet 347 – Entscheidung, klageabweisende 350 – Feststellungsurteil 352 – Feststellungsverfahren 352 – freiwillige Gerichtsbarkeit 385 – Günstigkeitsprinzip 351 – Kernpunkttheorie 355 – kollisionsrechtliche Nachprüfung 354 – ordre public 349, 354 – Personenstandsbücher 354 – Privatscheidung 349 – Rechtshängigkeit 355 – Standesbeamter 353 – Unvereinbarkeit 355 – Unvereinbarkeit, einseitige 356 – Unvereinbarkeit, Prozessvergleich 356 – Unvereinbarkeit, Urkunde 356 – Urkunde, öffentliche 349 – Verwaltungsakt, Anerkennungsversagungsgründe 348 – Verwaltungsakt 348, 410 – Zwischenfeststellungsklage 352 Enteignung – materiellrechtliche Folge 278 – Parallele zum originären Eigentumserwerb in der Zwangsvollstreckung 279 Enteignung, ausländische – Anerkennung 418

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Sachregister

– Eigentumserwerbsgrund, materiellrechtlicher 419 – extraterritoriale 420 – intraterritoriale 419 – Kollisionsnorm 418 – ordre public 417 – Substitution 419 – Territorialitätsprinzip 417 Entziehung der Vertretungs-/Geschäftsführungsbefugnis – eigene Ansicht 161 – Grundlage 35 – Mitwirkungsproblematik 90 – Zustimmung 100 Ermächtigung (Prozessstandschaft) 114 – Auslegung 114 – Bestimmung des Prozessstandschafters 114 – Ergebnisoffenheit 114 – Ermächtigungswillen 114 – isolierte 114 – Rücknahme/Anfechtung 120 EuGV-VO – Anwendungsgebiet 329 – Kernpunkttheorie 334 – Rechtshängigkeit/Unvereinbarkeit 333 – Streitgegenstandsbestimmung 329 – Unvereinbarkeit vs. Rechtskraftwirkung 340 – Urteilsgegenstand 338 – Wirkungserstreckung 339 Exequaturentscheidung – Art. 7 § 1 FamRÄndG 364 – doctrine of merger 378 – Feststellungsgegenstand 376 – kirchliches Gericht 380 – Primärentscheidung, inländische 377 – Schiedsspruch, Drittstaat 380 – Schiedsspruch, inländischer 377 Feststellungsklage – Anfechtungsklage 30 – Parallele zur Gestaltungsklage 20 – subjektives Recht 20 Feststellungsurteil – Kollision mit Gestaltungsurteil 81 – Nähe zu Gestaltungsurteil 44 Forderungspfändung 285, Siehe auch Zwangsvollstreckung

– Ermessensspielraum 290 – Kompetenzverteilung 289, 290 – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, fehlerhafter 285 – Privatrechtsgestaltung 286 – Prüfungskompetenz des Prozessgerichts 288 – rechnen vs. bestimmen 289 – Rechtswidrigkeit, materiellrechtliche 287f. – Rechtswidrigkeit, vollstreckungsrechtliche 288 – Tatbestsandswirkung 286 – Unpfändbarkeit 287 freiwillige Gerichtsbarkeit – Abänderbarkeit/materielle Rechtskraft 248 – Abänderung 245, 247 – Art. 7 § 1 FamRÄndG 363 – Beschwerderecht Dritter 244 – Bindung 250 – Bindung wegen Rechtsänderung 242 – Differenzierung 241 – fürsorgende 241 – fürsorgende, Rechtskraftfähigkeit 246 – gestaltende Entscheidungen 241 – Hausratsverfahren 242 – Kompetenzverteilung 249 – ne bis in idem 247 – Pflegschaftsanordnung 243 – Rechtsbeständigkeit, materielle 247 – Rechtskraft, eingeschränkte 247 – Rechtskraft, formelle 244 – Rechtskraft, materielle 246 – Streitsachen 241 – subjektives Recht 246 – Untersuchungsgrundsatz 244 freiwillige Gerichtsbarkeit, ausländische – Anerkennung 386 – Anerkennung wegen Rechtsänderung 387 – anerkennungsfähige Wirkung 388 – Anerkennungszwang 386 – EheGV-VO 385 – europäische Grundfreiheiten 386 – Gestaltungswirkung 389 – kollisionsrechtliche Komponente 387 – Kompetenzverteilung 383

Sachregister

– – – – –

ordre public 387 Qualifikation 382, 388 Qualifikationskriterien 382 Verwaltungsakt 384 Verwaltungsbehörde 383

Gesamthand – Ausschließung eines Gesamthänders 34 – OHG 33 – Rechtsträgerschaft 34 Gestaltung – als Grund prozessualer Bindung 52 – Begriff 38 – Unterschiede rechtsgeschäftlicher und urteilsmäßiger 41 – Vergleich rechtsgeschäftliche / urteilsmäßige 38 – Zeitpunkt der Rechtssicherheit 43 Gestaltung, rechtsgeschäftliche Siehe auch Gestaltungsrecht, rechtsgeschäftliches – Argument für prozessuale Bindung 52, 76, 83, 307, 311 – Begriff 31 – Entdeckung 200 – keine Bindung inter omnes 88 – rechtskräftige Feststellung 83 – Vergleich mit urteilsmäßiger 38 – Zeitpunkt der Rechtssicherheit 43 Gestaltungsklage – Betrachtungsweise, materiellrechtliche 10 – Betrachtungsweise, prozessuale 11 – Dispositionsbefugnis bei Statusklagen 36 – Dispositionsfreiheit 73, 135, 150 – Doppeltatbestandslehre 43 – Drittwiderspruchsklage 27 – Entziehung der Vertretungs-/Geschäftsführungsbefugnis 35 – Ersetzbarkeit 22, 33, 87, 197, 204 – Gestaltungsklagerecht Siehe Gestaltungsklagerecht – Gestaltungswille 42 – Klage auf Verlängerung des Mietverhältnisses 27 – Mehrparteienprozess 153 – Mitwirkung, außerprozessuale 95 – Nähe zur Feststellungeklage 200

499

– Nähe zur Leistungsklage 12, 22, 198 – Prozessführungsbefugnis, isolierte 17, 304 – prozessuales Institut ohne materiellrechtliches Substrat 18 – Rechtswegproblematik 19 – Schiedsfähigkeit 251 – Streitgegenstand 178 – trotz Leistungsanspruch 27 – umstrittene Einordnung 26 – und § 894 ZPO 27 – Verbindung mit Zustimmungsklage 130 – verdrängt Leistungsklage 27 – Zeitpunkt der Rechtssicherheit 43 Gestaltungsklagerecht – aktionenrechtliches Denken 15 – Auflösungsklage 35 – ausländische Gestaltungsurteile 304 – Ausschließungsklage 33, 109 – Entziehung der Vertretungs-/Geschäftsführungsbefugnis 35 – Gemeinsamkeiten mit Gestaltungsrecht 39 – materiellrechtliches 31 – Mitwirkungspflicht, materiellrechtliche 21, 134 – öffentlich-rechtliches 13 – Parallele zur Feststellungsklage 20 – Rechtsschutzanspruch 17 – Scheidung 36 – Scheidungsmonopol deutscher Gerichte 304 – Statusklagen 35 – Unterfall des Gestaltungsrechts 32 – Verneinung 12, 14, 19, 304 – Verneinung, Folgeprobleme 16 Gestaltungsprozess – freiwillige Gerichtsbarkeit? 47 – materielle Verwaltung? 49 Gestaltungsrecht, rechtsgeschäftliches Siehe auch Gestaltungsrecht, rechtsgeschäftliches – Ausnahmecharakter 13 – Ersetzbarkeit 22, 33, 87, 204 – Gemeinsamkeiten mit Gestaltungsklagerecht 39 – Gestaltungsgrund und Gestaltungsmöglichkeit 40

500

Sachregister

– Unmittelbarkeit nicht zwingend 31 Gestaltungsurteil – § 826 BGB 233 – Beweiskraft 71 – Bindungswirkung für andere Gerichtsbarkeiten 237 – Bindungswirkung für Verwaltung 239 – Feststellungsgegenstand 194 – Kollision mit Feststellungsurteil 81 – materielle Rechtskraft 169 – niemals unrichtig 176 – Qualifikation 324 – Rechtskraft, Durchbrechung Siehe Rechtskraft, Durchbrechung – Rechtskrafterstreckung 212 – Registereintragung 290 – Sonderstellung 47 – Tatbestandswirkung 70 – und Feststellungsurteil bei strittiger Gestaltung 83 – Verwaltungsrecht 256 – Wiederaufnahme Siehe Wiederaufnahme Gestaltungsurteil, ausländisches – Bindung an Gesetz und Recht 307 – Bindung der Verwaltung 370 – Bindung wegen materieller Änderung 307 – Kumulationstheorie 302 – materielle Rechtskrafttheorie 344 – Meinungsstand zur Anerkennung 299 – nicht rechtskraftfähig 341 – prozessuales Gestaltungsurteil 371 – Qualifikation 299 – Sonderstellung 300 – Tatbestandswirkung 306 – Vollstreckbarerklärung 303 – Vollstreckungsrecht 372 Gestaltungsurteil, prozessuales – Nichtaufnahme in die Untersuchung 2 – Sonderfall ausländisches Urteil des Vollstreckungsrechts 371 Gestaltungswirkung – denkaber als relative 61 – freiwillige Gerichtsbarkeit, ausländische 389 – Gleichbehandlung mit Tatbestandswirkung 74

– Nähe zu materieller Rechtskraft 192, 196 – relative bei ausgeschlossener Rückwirkung 208 – relative bei Nichtanerkennung 297 – relative Verfügungsverbote 209 – Tatbestandswirkung 69 – Unterschied zu Tatbestandswirkung 72 – Vollstreckungswirkung 303 Handelsregister 291 – und Bindungswirkung 293 – Eintragung, unrichtige 292 – Rechtslage, materielle 293 Kernpunkttheorie 203 – EheGV-VO 355 – EuGV-VO 334 – Rechtshängigkeit 334 – Rechtsverhältnis 203 – Unvereinbarkeit 336 – Urteilswirkungen 338 Klage- und Urteilstypen, Dreiteilung – Nähe zur Leistungsklage 12 Leistungsklage – Mitwirkung, außerprozessuale 94 – Nähe zur Gestaltungsklage 12, 22, 198 – verdrängt durch Gestaltungsklage 26f lex causae-Theorien – gespaltene Anerkennung 313 – maßgeblich der erste Prozess 310 – maßgeblich der zweite Prozess 317 – nicht zwingend materierechtlich 310 – wegen Gleichstellung mit rechtsgeschäftlicher Gestaltung 311 Materielle Rechtskraft Siehe Rechtskraft, materielle Mehrparteienprozess 153 Mitwirkung, außerprozessuale 92 – auf Beklagtenseite 96 – Differenzierung nach Parteirolle 109 – dogmatische Einordnung der Zustimmung 100 – Erfüllung der Vorgaben der §§ 133, 140 HGB 102

Sachregister

– – – – – –

Erzwingung 129 Gesellschaftsrecht 96 Gestaltungsklage 95 auf Klägerseite 98 Leistungsklage 94 bei notwendiger Streitgenossenschaft 93 – Prozessstandschaft 152 – Statusklage 95 – Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 93, 152 Mitwirkungspflicht 90 – actio pro socio 152 – Adressat 134 – Dispositionsfreiheit 135 – Dogmatik 132 – Gegenstand 137 – Gestaltungsklagerecht 21, 134 – Grundlage für die Gestaltungsklage 20 – Klageerhebung 135 – auf Klägerseite 129 – Konstruktionsschwäche 107 – materiellrechtliche 132 – nicht einklagbar 20 – prozessuale Wirkung 22 – prozessuale 135 – Schadensersatz 150 – Treuepflicht 132 – Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 138 ordre public – EheGV-VO 349, 354 – Enteignung 417 – freiwillige Gerichtsbarkeit 387 – Korrektiv 326 – Nichtanerkennung durch lex causae 315, 317 – Verwaltungsakt 398, 403, 413 Primärqualifikation 307 Prozessführungsbefugnis, isolierte 17, 114, 304 Prozessökonomie – Zustimmungsklage 112 Prozessstandschaft – Abspaltungsverbot 115, 118 – actio pro socio 139, 143

501

– auf Beklagtenseite 123 – Bestimmung des Prozessstandschafters 114 – Ergebnisoffenheit 114 – Ermächtigung Siehe Ermächtigung (Prozessstandschaft) – erzwungene 138 – gesetzliche 139 – Gestaltungsklage 113 – gewillkürte 112 – auf Klägerseite 113 – Prozessstandschafter ist nicht Gesellschafter 118 – Rechtskrafterstreckung 120 – Rücknahme/Anfechtung der Ermächtigung 120 – schutzwürdiges Interesse 117 – Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 126 – Verfügungsbefugnis 115 Qualifikation – anerkennungsfähige Urteilswirkung 374 – ausländisches Feststellungsurteil als Gestaltungsurteil 324 – Entscheidungen der Verwaltungsgerichte 394 – freiwillige Gerichtsbarkeit 382, 388 – Gestaltungsurteil 299 – Präklusionswirkung 343 – Primärqualifikation 307 – Rechtskraft 342 – Sachentscheidung im Vollstreckungsrecht 374 – Zivilsache 394 Rechtkraft, ausländisches Urteil – Qualifikation 342 rechtliches Gehör – Abwägung gegen Rechtssicherheit 51, 59 – Ausgleichsansprüche 171 – Gestaltungswirkung 171 – Grund für § 133 HGB 109, 156 – Hauptdiskussion bzgl. der Gestaltungsurteile 4, 219 – Rechtfertigungsdruck für Bindungswirkung 83

502

Sachregister

– Rechtskrafterstreckung 194, 326 – Umgehung 194 – Untersuchungsgrundsatz 211 – Vereinfachung der Diskussion 219 – Verfassungsbeschwerde 216 – Verzicht 98, 109 Rechtskraft – Anordnung der inter omnes-Wirkung 212 – bisherige Beschränkung 172 – bisherige richtige Ansätze 165, 204 – Durchbrechung Siehe Rechtskraft, Durchbrechung – Feststellungsgegenstand 194 – freiwillige Gerichtsbarkeit, fürsorgende 246 – freiwillige Gerichtsbarkeit 246 – Gestaltung als solche 193f – kontradiktorisches Gegenteil 173, 189 – Nähe zu Gestaltungswirkung 170, 173, 192 – positive Rechtskraftwirkung 189 – Präjudizialbindung 191 – Praxis 219 – rechtsgeschäftliche Gestaltung 83 – Schiedsspruch 251 – späte Entdeckung 48, 170 – und Streitgegenstand 189 – subjektive Grenzen 204 – Subsumtionsschluss 65, 195f – Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 125 – Voraussetzung für Gestaltungswirkung beim Anfechtungsurteil 257 – Zeitmoment 175, 195 Rechtskraft inter omnes – Motive zum BGB 63 – römische Statusurteile 210 – und Untersuchungsgrundsatz 210 Rechtskraft, ausländisches Urteil – Anerkennung 321f – Einrede 323 – Grenzen, objektive 325 – Grenzen, subjektive 326 – Präjudizialitätswirkung 314 – Widerspruchsverbot 314, 323 Rechtskraft, Durchbrechung 231 – § 826 BGB 172, 214, 233

– keine Urteilsaufhebung nach § 826 BGB 235 – Schaden nach § 826 BGB 234 – Wiederaufnahme Siehe Wiederaufnahme Rechtskraft, formelle – freiwillige Gerichtsbarkeit 244 – als Voraussetzung der Gestaltungswirkung beim Anfechtungsurteil 258 Rechtskrafterstreckung – actio pro socio 148 – Anordnung der inter omnes-Wirkung 212 – de lege ferenda 64, 82 – Gestaltungsurteil 212 – materiellrechtliche Abhängigkeit 230 – Prozessstandschaft 120 – rechtliches Gehör 194, 326 – Schiedsspruch 253 Rechtskraftgrenzen, subjektive – Streitgegenstand 179 Rechtskraftwirkung, materielle – Nähe zu Gestaltungswirkung 196 Rechtsschutzanspruch – als Streitgegenstand 17 Rechtswegproblematik 19, 394 Register, ausländisches – Eintragungspflicht 296, 318, 322 Registerpublizität 290 – und Bindungswirkung 291 – Güterrechtsregister 294 – Handelsregister 291 – Personenstandsbuch 294 – relative Wirkung 290 – Variationen 291 Schadensersatz Siehe Drittbeeinträchtigung Schiedsspruch – § 248 AktG 253 – Aufnahme in Untersuchung 251 – Bindungswirkung 252 – Gesaltungsentscheidungen außer § 246ff. AktG 254 – Gestaltungsklage 251 – Rechtskraft auf Einrede 252 – Rechtskraft nur inter partes 253 – Rechtskrafterstreckung 253

Sachregister

– Rechtskraftwirkung 251 – Streitgegenstand 252 – Vollstreckbarerklärung 167, 255 – Zeitpunkt der Rechtsänderung 255 Schiedsspruch, ausländischer – Anerkennung 391 – Aufhebung 393 – Begriff 391 – doctrine of merger 378 – Vollstreckbarerklärung 392 Sonderstellung – ausländische Gestaltungsurteile 300 – Austauschbarkeit des rechtstechnischen Mittels 29 – freiwillige Gerichtsbarkeit 47 – Grundlage ungeklärt 26 – isolierte Prozessführungsbefugnis 304 – isolierte Prozessführungsbefungis 17 – Mitwirkungspflicht nicht einklagbar 20 – Rechtswegproblematik 19 – reines prozessuales Institut 18 – späte „Entdeckung“ der Rechtskraft 48, 170 – Verwaltungstätigkeit 49 Statusklagen – Dispositionsbefugnis 36 – Gestaltungsklagerecht 35, 37 Statusurteil – Dominanz in der Dogmatik 63, 193 – Motive zum BGB 63 – römisches Recht 210 Streitgegenstand 178 – ausländisches Urteil 329 – Bestimmung nach der lex causae 331 – Drittwiderspruchsklage 28 – eigene Ansicht 187 – eingliedrig 184 – gesellschaftsrechtliche Anfechtungsund Nichtigkeitsklage 180, 185 – Gestaltung als solche 188, 194 – Gestaltungsanspruch 181 – Gestaltungsgründe, mehrere 184 – Gestaltungsgrund 183 – Kernpunkttheorie 203 – konkrete Rechtsfolgenbehauptung 183 – Kündigungsschutzklage 28 – Lebenssachverhalt 182f, 187 – Mehrparteienprozess 153

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Recht auf Rechtsänderung 182 und Rechtskraftgegenstand 189 Rechtsprechung 179 Rechtsschutzanspruch 17 Schiedsspruch 252 Schrifttum 181 subjektive Rechtskraftgrenzen 179 Theorien 179 und Urteilsgegenstand 186 Verfügungsobjekt 185 Verschiedenheit bei Tatbestandswirkung 74 – verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage 185 Streitgegenstandsbestimmung – autonomes Recht 332 – EheGV-VO 355 – EuGV-VO 333 – Problematik 330, 332 Tatbestandswirkung – ausländisches Urteil 306 – Bindung ausdrücklich bestimmter Dritter 74 – Bindung als Nebenprodukt 73 – als Erklärungsmodell 69 – Forderungspfändung 286 – Gesetzeswortlaut 71 – Gleichbehandlung mit Gestaltungswirkung 74 – Streitgegenstandsverschiedenheit 74 – Unterschied zu Gestaltungswirkung 72 – vereinbarte 128 – weiter Begriff im Verwaltungsrecht 262 – Zwangsvollstreckung 281 Tatbestandswirkung, verwaltungsrechtliche 262 – ausländischer Veraltungsakt 397 – Inkonsequenzen 264 – Nähe zur Rechtskraft 276 – weiter Begriff 262 – Zirkelschluss 263 Tierce opposition 221 – Persönlichkeitsrecht 223 – Scheidung 221 – Scheidungsfolgen 222 – Scheidungsfolgenvereinbarung 221 – Staatsangehörigkeit 223

504

Sachregister

– Vaterschaftsanfechtung 223 Treuepflicht Siehe auch Mitwirkungspflicht Treuepflicht – auf Nichtteilnahme am Verfahren 133 Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 91, 111 – erzwungene 138 – Gestaltungswirkung 126 – Mitwirkung, außerprozessuale 93, 152 – Nähe zu gewillkürter Prozessstandschaft 126 – Prozessvertrag 126 – Rechtskraft 125 – Zustimmung 125 Urteilswirkungen, anerkennungsfähige – Primärqualifikation 307 – prozessuale 307 Verfassungsbeschwerde 215 Verpflichtungsklage – und Anfechtungsklage 29 – positive Beschlussfeststellungsklage 30 Verwaltungsakt – Administrativenteignung 278 – Amtshaftungsanspruch 270 – Anfechtungsklage 271 – ausdrückliche gesetzliche Anordnung 262 – Bindung an Gesetz und Recht 265 – Erklärungsmodelle 262 – Ermächtigungsnorm 265 – Genehmigung 274 – Gewaltenteilung 269 – Kartellrecht 261 – materielle Bestandskraft 266 – privatrechtsalleingestaltend 260, 274 – privatrechtsgestaltend 260 – privatrechtsmitgestaltend 260, 274 – Rechtspolitisches 275 – Rechtswegproblematik 269 – Staatsakt, fehlerhafter 266 – staatsrechtliche Argumentation 268 – Tatbestandswirkung 262 – These zur Bindungswirkung 275 – Vorfragenprüfung durch das Zivilgericht 273

Verwaltungsakt, ausländischer – § 328 ZPO 404, 412 – Anerkennung 395 – Anerkennungsvoraussetzungen 403 – Anerkennungszwang 396 – Anfechtung 405 – Anfechtung, internationale Zuständigkeit 406 – Anfechtung, Klagebefugnis 406 – Aufhebung oder Änderung 409 – Beachtungsgebot 396 – Ehescheidung 410 – eigene Ansicht 403 – europäische Grundfreiheiten 401 – gemeinschaftsrechtliche Berücksichtigungspflicht 401 – Kontrollen, doppelte 402 – Normenvollzug ausländischen Rechts 396 – ordre public 398, 403, 413 – Rechtsgrundlage 398 – Rechtsnatur der Berücksichtigung 402 – Rechtsprechung und Verwaltungspraxis 398 – Tatbestandswirkung 397 – transnationaler 399 – Wirkungserstreckung 397, 405 Vollstreckungswirkung und Gestaltungswirkung – § 894 ZPO 166 – Anfechtungsklage 168 – Anhaltspunkte im Gesetz 166 – frühere Betrachtung 165 – funktionelle Sachnähe 169 – Gestaltungsurteil, ausländisches 303 – Vollstreckbarerklärung gestaltender Schiedssprüche 167 – vorläufige Vollstreckbarkeit 167 Wiederaufnahme 231 Wiederaufnahme – Ausschließungsurteil 232 – gelöschte Handelsgesellschaft 233 Wiederverheiratungsfähigkeit 327 Wirkungserstreckung – Abänderbarkeit 343 – ausnahmsweise kollisionsrechtlicher Einfluss 327

Sachregister

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EuGV-VO 339 Grundsatz 301 Präklusionswirkung 342 rechtliches Gehör 326 Rechtskraft auf Einrede 323 Rechtskraftgrenzen, objektive 325 Rechtskraftgrenzen, subjektive 326 Streitgegenstandsbesimmung 332 Streitgegenstandsbestimmung 329 Tatbestandswirkung 338 unbekannte Urteilswirkung 325 Urteilswirkung, engere 323, 342 Urteiswirkung, weitere 325 Verwaltungsakt, transnationaler 400 Verwaltungsakt 397, 405 Widerspruchsverbot/ne bis in idem 323

Zustimmung Siehe auch Mitwirkung, außerprozessuale – §§ 182f. BGB 102 – außerprozessuale 91 – dogmatische Einordnung 100 – Enziehung der Vertretungs-/Geschäftsführungsbefugnis 100 – Ergebnisoffenheit 106 – Ermächtigung nach § 185 BGB 102 – Ermächtigung, § 185 BGB 104 – Erzwingung 129 – gewillkürte Prozessstandschaft 112 – materiellrechtliche Natur 101 – Nachweis 104 – Tatbestandswirkung 128 – Unterwerfung unter die Urteilswirkungen 125, 127

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– Widerruf/Anfechtung 104 Zustimmungsklage – Prozessökonomie 112 – Streithilfe 131 – Verbindung mit Gestaltungsklage 92, 130 – Verzichtbarkeit bei actio pro socio 139 Zwangsvollstreckung Siehe auch Forderungspfändung – Ablieferung 282 – Abwägung 284 – Drittwiderspruchsklage und Herausgabeklage 27 – Eigentumserwerb, originärer 280, 283f – Eigentumserwerbsgrund, materiellrechtlicher 280 – Feststellungsakt 282 – Forderungspfändung 285 – Parallele zur Enteignung 279 – Privatrechtsgestaltung 280 – Rechtspolitisches 284 – Tatbestandswirkung 281, 283 – ungerechtfertigte Bereicherung 282 – Verfügungsverbot 280 – Zuschlagsbeschluss 282 Zwangsvollstreckung, ausländische – Anerkennung als Normenvollzug 415 – Anerkennungsfähigkeit des Titels 415 – kollisionsrechtliche Lösung 415 – Privatrechtsgestaltung 414 – Urteil bzgl. materieller Einwände 373 – Widerspruchsurteil 372 Tritanakop3 220